Medienverbot? Ein alter Reflex mit wenig Zukunft
Überlegungen zu Altersbegrenzungen und Nutzungsverboten sind so alt, wie es Inhaltsmedien sind. Schon Bücher oder vor allem sogenannte Groschenromane wurden verboten. Heute schmunzeln wir darüber. Wollen wir uns allen Ernstes sehenden Auges lächerlich machen und ebenfalls beschmunzelt werden, wenn unsere heutige, aufgeregte Welt Vergangenheit ist? Verbote können Menschen schützen. Ganz zentral dabei ist, dass geklärt ist, wer wen vor was schützt. Schützen wir bestimmte Altersgruppen vor Inhalten, die sie möglicherweise gefährden oder schützen wir sie vor sich selbst, weil wir ihnen das Recht der (Mit)Gestaltung absprechen? Das letzte strikte Medienverbot in Bayern ist nicht lange her. 2010 wurde das sogenannte Handynutzungsverbot an Schulen eingeführt und nach einigen Jahren für den Einsatz im pädagogischen Rahmen gelockert. 2022 wurden dann Regelungen gefunden, die auch eine private Nutzung mobiler Endgeräte (erneut) ermöglichen.
Lern- und Lebensräume gestalten, statt sie zu verbieten
Ein reflektiertes Zusammenspiel aus privater und lernorientierter Nutzung ist zielführend. Bildungsorte müssen Lern- und gleichermaßen auch Lebensräume für Kinder und Jugendliche sein und somit an der Lebenswelt ansetzen. Verbote sind entsprechend nicht hilfreich. Verbote sind auch im Jugendmedienschutz nur eine Säule. Der Jugendmedienschutz ist in Deutschland breit angelegt, da er auf der Kinderechtskonvention basiert. Kinder haben das Recht auf Schutz vor Gefahren, ebenso wie das Recht auf Zugang zu Informationen, auf freie Meinungsäußerung und auf Kultur, Freizeit und Spiel.
Verbieten hat sich bisher im Allgemeinen in sehr wenigen Fällen als gelingende pädagogische oder erzieherische Strategie erwiesen. Wenn mit Verboten gearbeitet wird, ist es notwendig, die dahinterliegende Zielsetzung zu betrachten, ein Verbot pädagogisch zu flankieren, alternative Angebote zu machen und sich umso mehr mit dem Angebot und den Nutzungsmotiven auseinanderzusetzen. Eben dies ist nicht zu erwarten. Bereits jetzt ist zu lesen, dass sich Bildung nach einem Social-Media-Verbot wieder stärker auf das Wesentliche besinnen könne. Bye, bye Förderung von Zukunftskompetenzen, Stärkung von Selbstbewusstsein, soziales Lernen mit Medien und Vorbildfunktion Erwachsener hinsichtlich eines konstruktiv kritischen Umgangs mit Herausforderungen. Das wäre schade.
Was es wirklich braucht, sind sichere Räume und eine starke Medienpädagogik
Statt die Thematik durch ein Verbot zu tabuisieren, fordern wir die Schaffung sicherer und geschützter Online-Räume für unterschiedliche Altersgruppen. So werden die Potenziale von Social Media genutzt und die medialen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen ernstgenommen. Medienpädagogik und Jugendarbeit haben viele Ideen und bieten sich für Gespräche an. Statt unnötige Verbotsdebatten, braucht es:
- Stärkung der Fachdisziplin Medienpädagogik, um Bildungsorte flächendeckend zu unterstützen
- Früh ansetzende Medienbildung – strukturell verankert
- Enge Begleitung aller Eltern und Fachkräften, angepasst an individuelle Bedarfe
- Fundiertes Wissen über Medienangebote, Risiken und Chancen
- Verstetigung innovativer Ansätze in Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention
- Klare Verantwortungsübernahme durch Plattformen
- Lebenslange Förderung von Medienkompetenz – auch für Erwachsene und die Zivilgesellschaft
Zukunft gestalten heißt, Medienkompetenz stärken
Die Zukunft ist ungewiss – das liegt in ihrer Natur. Und doch wollen wir sie aktiv mitgestalten. Denn das Vertrauen darin, die persönliche Zukunft ebenso wie die der Gesellschaft zu beeinflussen, ist entscheidend für ein gelingendes Leben. Wenn wir diesen Anspruch ernst nehmen, müssen wir Menschen darin bestärken, genau diese Gestaltungsfähigkeiten zu entwickeln. Es geht darum, Veränderungen aktiv und konstruktiv zu begegnen, Probleme zu lösen, flexibel zu handeln und selbstständig zu agieren. Die Medienpädagogik eröffnet hierfür vielfältige Möglichkeiten.
Für Fragen und Hintergrundgespräche stehen wir jederzeit zur Verfügung und wir verweisen gerne auf Ergebnisse aus unserer Arbeit unter anderem in den Projekten „Mobile Medien in der Familie“, „webhelm.de“, „jung, engagiert, online“ oder „FLIMMO“.
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