Berichtübergabe an Bundesministerin Lisa Paus
Neue Studie zu geschlechtergerechter Digitalpolitik
Pressemeldung anlässlich der Übergabe des Berichtes „Impulse für eine Geschlechtergerechte Digitalpolitik: Ergebnisse aus dem Projekt Digitales Deutschland | Monitoring zur Digitalkompetenz der Bevölkerung“ an die Ministerin Lisa Paus im Rahmen der re:publica
29. Mai 2024
Frauen und Männer schätzen ihre Digitalkompetenzen unterschiedlich ein und sehen jeweils andere Stärken bei sich
Digitalkompetenzen sind für die soziale und gesellschaftliche Teilhabe heutzutage für alle Bürger*innen unverzichtbar. Dabei geht es um mehr als nur das Bedienen von digitalen Geräten. Es stellen sich vielfältige Kompetenzanforderungen wie das Beurteilen von glaubwürdigen Quellen, das respektvolle Miteinander in digitalen Räumen oder das Ziehen von zeitlichen Grenzen bzgl. der Mediennutzung. Und auch solche Kompetenzen müssen für den digitalen Raum erlernt werden.
Um geschlechtsbezogene Unterschiede bei der Entwicklung von diesen Digitalkompetenzen zu vermeiden, ist die gendersensible Förderung bereits im frühen Lebensalter wichtig. Dass dies notwendig ist, belegt der Bericht „Impulse für eine geschlechtergerechte Digitalpolitik“ mit Ergebnissen aus dem Projekt Digitales Deutschland | Monitoring zur Digitalkompetenz der Bevölkerung. Die Ergebnisse der Repräsentativbefragung „Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz“ zeigen, dass Jungen der Erwerb sozialer, affektiver und kreativer Kompetenzen ermöglicht werden sollte, da ihre Relevanz- und Kompetenzzuschreibungen in diesen Bereichen im Geschlechtsvergleich geringer sind. Für Mädchen sollten bereits in der frühkindlichen Bildung gendersensible Angebote im Bereich der MINT-Förderung geschaffen werden. Da der Bericht mit einem mehrdimensionalen Kompetenzbegriff arbeitet, werden diese Unterschiede überhaupt erst sichtbar.
Bei der Förderung von Digitalkompetenzen das Zusammenspiel verschiedener Faktoren in den Blick nehmen
Frauen im Erwachsenenalter schätzen ihre Digitalkompetenzen zwar insgesamt niedriger ein als gleichaltrige Männer, dieser Geschlechtsunterschied löst sich jedoch unter Einbezug der beruflichen Tätigkeit auf. Kurz: Digitalkompetenzen unterscheiden sind nicht nur nach Geschlecht, sondern vor allem nach individueller Erfahrung. Mit Blick auf die betrachteten Berufsgruppen zeigen sich auch strukturelle Unterschiede mit Blick auf Möglichkeiten des Digitalkompetenzerwerbs: Während Menschen in IT-Berufen oftmals ihre Kompetenzen in Fortbildungsangeboten ausbauen konnten, haben Menschen in sozialen Berufen (z. B. Pflegeberufen) ihre Digitalkompetenzen nahezu ausschließlich im privaten Umfeld erworben.
Auch für andere Bevölkerungsgruppen zeigen die Studienergebnisse aus Digitales Deutschland aus, dass hier Bildungsangebote erforderlich sind, die der Diversität der Zielgruppen Rechnung tragen. So mangelt es im hohen Lebensalter an Bildungsangeboten für Heimbewohnerinnen sowie Migrantinnen. Mit dem Bild, diese Menschen seien genügsame Verdrängerinnen, die kein Interesse an der Entwicklung von Digitalkompetenzen haben, oder die aufgrund von körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen hierzu nicht in der Lage wären, gibt es noch zu wenig Angebote, die auf die spezifischen Bedarfe im höheren Lebensalter eingehen.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus betont dies im Rahmen einer Veranstaltung der re:publica: „Die Projektergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, Menschen in ihrer gesamten Lebenslage zu betrachten und bei der Digitalkompetenzvermittlung weitere Faktoren über die Dimension Geschlecht hinaus in den Blick zu fassen. Dazu zählen Faktoren wie Alter, Behinderung, ökonomische Lage sowie nationale und soziale Herkunft. Es bedarf an Innovation und Engagement auf unterschiedlichen Ebenen, wie etwa der Ausbau von Bildungsangeboten für Pflegekräfte sowie mehr zielgruppenspezifische Angebote für alle Bevölkerungsgruppen.“
Initiativen und Förderprogramme nachhaltig finanzieren sowie Unternehmen und Politik in die Verantwortung nehmen
Empowerment-Initiativen, die sich für eine Unterstützung von Frauen in digitalen Umgebungen einsetzen, sehen als größte Herausforderung neben fehlenden finanziellen Mitteln, ein mangelndes Interesse seitens der Unternehmen. „Es gilt, Unternehmen und digitale Plattformen stärker in die Verantwortung zu nehmen und Gleichstellung zu einem integralen Bestandteil ihrer Strukturen zu machen“, sagt Prof. Dr. Dagmar Hoffmann, Leiterin eines Teilprojektes von Digitales Deutschland an der Universität Siegen. Auch die Politik kann und sollte mitwirken: Zum Beispiel sollten Gesetzesentwürfe zur Bekämpfung neuer Formen digitalisierter, sexualisierter Gewalt (z. B. Deepfake-Pornografie) zügiger entwickelt und umgesetzt werden. Zudem sollte geschlechtsspezifische, digitale Gewalt eine stärkere Berücksichtigung in der polizeilichen Ausbildung finden.
Projektkontext und Datengrundlage
„Digitales Deutschland | Monitoring zur Digitalkompetenz der Bevölkerung“ ist ein Projekt vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Gefördert wird es im Rahmen der Digitalstrategie Deutschland vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Partner des Projektes sind die Universität Siegen und die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg.
Die Autor*innen formulieren in ihrem Bericht acht Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen, die für eine geschlechtersensiblen Förderung von Digitalkompetenzen zentral sind und die Handlungsempfehlungen aus dem Gleichstellungsbericht erweitern. Datengrundlage sind die Ergebnisse der drei Teilauswertungen: (1) Repräsentativbefragung zu Medien-/Digitalkompetenzen der deutschsprachigen Bevölkerung ab 12 Jahren, (2) Sekundäranalyse qualitativer Daten zu geschlechtergerechten Medienkompetenzförderung von Menschen im höheren Lebensalter und (3) Interviews mit Vertreter*innen von Empowerment-Initiativen für Mädchen und junge Frauen.
Der Bericht steht ab dem 29.5. kostenfrei online unter https://digid.jff.de/bericht-geschlechtergerechte-digitalpolitik zum Download zur Verfügung.
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