Call for Papers merzWissenschaft 2025: Medien und Emotionen
Verantwortliche Fachredaktion: Katrin Döveling (HS Darmstadt), Margreth Lünenborg (Freie Universität Berlin) und Redaktion merzWissenschaft (JFF)
„Powered by emotions“ – mit diesem Slogan warb ein bekannter deutscher Fernsehsender für sein Programm und weist damit auf die Bedeutung von Emotionen in der Unterhaltungskommunikation hin. Mit „Feel the news“ ist heute ein Nachrichten-Podcast betitelt. Hier werden Gefühle auch explizit für den Umgang mit News in Anschlag gebracht. In der digitalen Kommunikation schließlich tragen die algorithmisch basierte Selektion und Distribution von Angeboten maßgeblich dazu bei, Gefühle zu erzeugen, zu verstärken und möglichst weit zu zirkulieren. Gefühle von Spannung, Neugierde, Wut, Empathie oder Abscheu verlängern die Verweildauer auf TikTok, Instagram oder YouTube, wobei die Plattformen sich in ihrer je eigenen „emotional architecture“ (Wahl-Jorgensen, 2019) unterscheiden. Filme lassen uns mitfühlen, immersive VR- und AR-Technologie machen es möglich, dass wir uns in Figuren hineinfühlen. Politische Feindbilder ebenso wie Abwertungen aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, Sexualität oder Geschlecht basieren oft auf emotional grundiertem Medienerleben als ‚fremd‘ und ‚anders‘. Die Zuwendung zu Medienangeboten ebenso wie das Nutzungserleben sind maßgeblich affektiv und emotional grundiert. In der medien- und kommunikationswissenschaftlichen Forschung wurden Emotionen lange Zeit primär in den Bereichen der medienpsychologischen Betrachtung von Unterhaltungskommunikation für relevant gehalten und untersucht. Doch das Untersuchungsfeld hat sich mittlerweile erheblich erweitert – auf der Ebene der Medienangebote erweisen sich Emotionen in allen Bereichen als hochgradig bedeutsam. Ob Nachrichten zu Kriegen und Krisen, die Gestaltung von Computerspielen, das Auftreten von Social-Media-Influencer*innen, die Spannungsdramaturgie in Serien oder das Kuratieren von Playlists – die Hervorbringung, Regulation, Intensivierung oder Nivellierung von Emotionen spielen in allen Bereichen der Produktion, Präsentation und Rezeption von Medienangeboten eine zentrale Rolle. Mit sensorbasierten Medien wie Wearables wird gar eine unmittelbare Feedback-Schleife realisiert, bei der das sensorische Erleben des menschlichen Körpers registriert und durch Medienimpulse verlängert, verstärkt oder nivelliert wird. So passt sich die algorithmisch basierte Musikauswahl beispielsweise an die Pulsfrequenz der Nutzenden an. Sowohl auf der Seite der Medien(-angebote) als auch auf Seiten der Mediennutzer*innen zeigt sich hier eine große Vielfalt an Phänomenen und Auffälligkeiten.
Die medienpsychologische Forschung hat im Bereich der Emotionen weitreichende Fortschritte zum Verständnis von Emotionen in der Rezeption und Wirkung von diversen Medien erzielt. Mediensoziologische und medienkulturelle Analysen erfassen zudem die Bedeutung von Emotionen im Medienerleben als sozial-kulturellen Prozess. Denn seit Arlie Hochschild ist mit den Begriffen ‚emotional labor‘ und ‚feeling rules‘ deutlich markiert, in welchem Ausmaß Emotionen sozial und kulturell geformt sind und selbst wiederum soziale Interaktion formen. Der Gebrauch von Emojis oder des ‚like‘-Buttons, die kollaborative Gestaltung von ironischen oder sarkastischen Memes sind exemplarischer Ausdruck dafür, der zudem die Bedeutung der visuellen Kommunikation aufzeigt. Medienpädagogische Forschung interessiert sich in diesem Kontext dafür, in welcher Weise Emotionen durch (frühkindliche) Mediennutzung beeinflusst werden, welche Folgen (intensiver) Medienkonsum für das Vermögen zur Affektregulation hat oder wie medienbasiertes Emotionserleben in Lernprozessen sinnvoll genutzt werden kann. Simple unidirektionale Wirkungsannahmen gehören dabei längst der Vergangenheit an. Stattdessen gilt es, Emotionen und Emotionserleben als wesentlichen Bestandteil des alltäglichen Handelns mit Medien zu begreifen. Aus einer medienpädagogischen Perspektive heißt das beispielsweise, zu untersuchen, wie Eltern mit den Emotionen ihrer Kinder in der Medienerziehung umgehen, welche Rolle Emotionen beim Umgang Jugendlicher mit Desinformationen spielen, wie Emotionen (digitale) Teilhabe unterstützen können oder auch weiter gefasst, wie Medienaneignung und Mental Health zusammenspielen. Ein solch relationales Emotionsverständnis bringt jedoch theoretisch wie auch empirisch beträchtliche Herausforderungen mit sich. Aus Raymond Williams‘ historischem Konzept der „structures of feeling“ (1977) sind Analysen zum „emotional regime“ (Reddy, 2001) sowie – unter digitalen Bedingungen – zur Auseinandersetzung mit „infra-structures of feeling“ (Coleman, 2018) geworden.
Verfügt die Medien- und Kommunikationswissenschaft über ausreichend differenzierte theoretische Konzepte von Emotionen und Affekten, um dieses komplexe Wirken beschreiben und erklären zu können? Welche theoretischen, methodischen und methodologischen Herausforderungen bringt ein relationales Emotionsverständnis mit sich? Wie lässt sich kommunikationswissenschaftliche Emotionsforschung durch interdisziplinäre Zusammenarbeit bereichern? Und welche Relevanz hat die kommunikationswissenschaftliche Emotionsforschung (auch) für (medien-)pädagogische Fragestellungen?
Auf dieser Grundlage freuen wir uns über Einreichungen, die das Verhältnis von Emotionen und Medien aus unterschiedlichen Perspektiven kritisch betrachten. Empirische Beiträge sind ebenso erwünscht wie theoretisch-konzeptionelle. In den Blick genommen werden sollte dabei insbesondere die Relevanz von Emotionen und Emotionsforschung für die (medien-)pädagogische Praxis:
- Welcher Emotionsbegriff erscheint für die Forschung in digitalen Medienumgebungen adäquat?
- Mit welchem Emotionsverständnis produzieren professionelle Akteur*innen (Journalist*innen, Filmemacher*innen, Spieleentwickler*innen etc.) sowie nicht-professionelle Akteur*innen (User*innen, Influencer*innen etc.) Medienangebote?
- Wie lässt sich die Bedeutung von Emotionen als Bestandteil von Medienangeboten und zugleich Dimension von Medienerleben konzeptionell und empirisch fassen?
- Welche Rolle spielen Emotionen im Prozess der Erzeugung von Content?
- Welchen Einfluss haben Emotionen in der Selektion und Kuratierung von Content (Seitengestaltung, Programmgestaltung, algorithmische Selektion)
- Wie lassen sich Emotionen in der visuellen Kommunikation erfassen?
- Welche Rolle spielen feeling rules in der Peer-Kommunikation über (digitale) Medienangebote und im Umgang mit Medien?
- Wie lässt sich emotional involvement für Lernprozesse nutzen? Kann hier das Konzept „affektiver Medienpraktiken“ (Lünenborg et al., 2021) konzeptuell hilfreich sein?
- Wie verändert sich das Wissen über (eigene) Emotionen durch den Umgang mit Medien?
- Welchen Einfluss hat der soziale Kontext in der Emotionsgenese?
- Wie wirken Soziale Medien auf das emotionale Erleben junger Mediennutzer*innen (Digitaler Stress, Selbstdarstellung, Digital Health)?
- Bilden sich durch die permanente Vernetzung neue Formen „Digitaler Affektkultur“ (Döveling & Seyfert, 2023) und wie lassen diese sich empirisch erfassen?
- Inwieweit sind Emotionen in Modellierungen von Medienkompetenz berücksichtigt?
- Welche Bedeutung hat das emotionale Erleben in Konzepten der Medienaneignung?
Auch der Fokus auf konkrete Emotionen (bspw. Fremdschämen, Schadenfreude) und deren Verbindung zu Medienangeboten und Mediennutzungsweisen sind willkommen.
Abstracts mit einem Umfang von max. 6.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) können bis 13. Januar 2025
eingereicht werden. Bitte laden Sie Ihr Abstract unter merz-zeitschrift.de/fuerautorinnen hoch. Formal sollen sich die Beiträge an den Layoutvorgaben von merzWissenschaft orientieren, die unter merz-zeitschrift.de/manuskriptrichtlinien verfügbar sind. Der Umfang der Zeitschriftenbeiträge sollte eine max. Zeichenzahl von ca. 35.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) nicht überschreiten. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Susanne Eggert, Fon: +49.89.68989.152, E-Mail: susanne.eggert@jff.de
TERMINE IM ÜBERBLICK
- 13. Januar 2025: Einreichfrist für Abstracts
- 03. Februar 2025: Entscheidung über Annahme/Ablehnung der Abstracts
- 19. Mai 2025: Einreichfrist für Beiträge
- Mai/Juni 2025: Begutachtungszeitraum (Doppelblind Peer-Review)
- Juni/Juli 2025: Überarbeitungsphase (ggf. mehrstufig)
- Ende November 2025: merzWissenschaft 2025 erscheint
Call for Papers 2025 als PDF | English version
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