2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden
Die Zunahme von Kriegen, Krisen und Konflikten erreicht uns meist direkt über digitale Medien, vermehrt auch über Plattformen und Netzwerke, die junge Menschen regelmäßig nutzen. Die Inhalte beeinflussen die öffentliche Verhandlung der Geschehnisse oft in einer Weise, die eher Polarisierung fördert als eine kritische Meinungsbildung. Eine demokratische Auseinandersetzung mit Kriegen, Krisen und Konflikten wird auf diese Weise erschwert. Statt dazu beizutragen, das Gegenüber zu verstehen, Emotionen der Gegenseite anzuerkennen, die eigene Position kritisch zu prüfen und sich für Handlungsoptionen auf Basis eines demokratischen Abwägungsprozess entscheiden zu können, begünstigen viele digitale Inhalte Feindbildkonstruktionen und Schwarz-Weiß-Denken.
Gleichzeitig können sich gerade marginalisierte Gruppen über digitale Medien eine Öffentlichkeit schaffen. Diese Möglichkeit nutzen auch junge Menschen in den Krisen- und Kriegsgebieten, wenn sie ihren Alltag zeigen und damit die menschlichen Auswirkungen militärischer Auseinandersetzungen anschaulich machen.
Mit dieser Ausgabe sollen vielfältige Denkanstöße gegeben und Impulse für eine strategische Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen in der medienpädagogischen Bildungsarbeit gesetzt werden.
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Veronika Wagner: Kinder und Jugendliche als Opfer von Cybergrooming
Bei der Nutzung von Sozialen Medien lauert nach wie vor die Gefahr des Cybergroomings, das zeigt eine Befragung der Landesanstalt für Medien NRW. Im Auftrag dieser hat KB&B Family Marketing Experts 2024 vom 24. Januar bis zum 06. Februar die vierte Befragungswelle einer empirischen Längsschnittstudie durchgeführt, die insgesamt vier Jahre dauerte. Neben der Prävalenz von Cybergrooming wurden das Mediennutzungsverhalten sowie Wünsche hinsichtlich Hilfsangeboten durch einen Online-Fragebogen abgefragt. 2.077 in Deutschland lebende Heranwachsende zwischen 8 und 17 Jahren nahmen an der Studie teil.
Unter Cybergrooming versteht man die gezielte Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen über das Internet, hier definiert durch: Verabredung über das Internet, Versprechen von Belohnungen für Zusendung von Fotos/ Videos, Aufforderung zum Senden freizügiger Bilder, Verabredung zum Offline-Fotoshooting, Empfangen von Nacktbildern sowie Drohungen im Internet.
Die Ergebnisse zeigen, dass 2024 ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen mindestens einmal von einer Art des Cybergroomings betroffen gewesen ist, vier Prozent mehr als im Vorjahr. Mit 28 Prozent traf es vorwiegend 16- bis 17-Jährige, überwiegend durch Verabredungen über das Internet (14 %). Mithilfe Sozialer Netzwerke nehmen Täter*innen Kontakt mit den Heranwachsenden auf, am häufigsten über Instagram (13 %).
Das Wissen um die Bedeutung von Cybergrooming stieg auf 43 Prozent an. Rund ein Drittel (36 %) der Teilnehmenden gibt an zu wissen, was bei Cybergrooming zu tun ist. Die Mehrheit (61 %) blockiert Täter*innen. Es herrscht nach wie vor Aufklärungsbedarf: 62 Prozent der Heranwachsenden wünschen sich, dass das Thema stärker in der Schule behandelt wird und 42 Prozent hätten gerne mehr Informationen durch das Elternhaus. Darüber hinaus stehen auch Hilfs- und Beratungsstellen zur Verfügung. Der Vergleich der letzten vier Jahre zeigt, dass die meisten Angebote an Bekanntheit dazugewonnen haben, zum Beispiel die Nummer gegen Kummer.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Veronika Wagner
Beitrag als PDFEinzelansichtKati Struckmeyer: Trends, Strategien und Ästhetik der (extremen) Rechten auf TikTok
Ein erheblicher Teil der Erstwähler*innen hat bei der Europawahl 2024 die AfD gewählt. Das wird auch mit der hohen Präsenz rechtsextremer Akteur*innen auf Social Media in Zusammenhang gebracht, besonders auf der bei Jugendlichen beliebten Plattform TikTok. Rechte bis rechtsextreme Accounts beeinflussen hier seit Jahren relativ ungestört die Meinungsbildung junger Menschen gezielt. Deshalb analysiert die Bildungsstätte Anne Frank in ihrem im Juni erschienenen Report Trends, Strategien und Ästhetiken der (extremen) Rechten auf TikTok und gibt Hinweise zur öffentlichen Debatte sowie zur medienpädagogischen Intervention.
Die Autorinnen Deborah Schnabel und Eva Berendsen haben den Bericht in vier Schwerpunkte unterteilt: ‚TikTok und Politik‘, ‚Politik & Narrative der (extremen) Rechten auf TikTok‘, ‚Ästhetik & rechte Gegenöffentlichkeit zwischen Abgrenzung & Mainstreaming‘ und ‚Über TikTok lernen‘. Die ersten drei Teile liefern eine ins Detail gehende, aufschlussreiche Analyse über rechte Kommunikationsstrategien im Netz. Dabei werden einzelne Phänomene erklärt, wie Lipsync, rechte Narrative (z. B. völkisches Denken, Tradwifes und Männlichkeit) oder inszenierte Vaterfiguren. Auch prominente rechte TikTok-Accounts werden vorgestellt sowie rechte Abkürzungen, Umschreibungen und Zahlencodes erklärt.
In den Impulsen zur medienpädagogischen Intervention sticht vor allem hervor, dass weder allen Heranwachsenden und erst recht nicht ihren Bezugspersonen klar ist, welche Wirkung, Reichweite und soziale Sprengkraft TikTok hat. Aufklärungsarbeit und Information über Schutzmöglichkeiten auf der Plattform müssen deshalb intensiviert werden – und führen aus der Erfahrung von Sensibilisierungsworkshops der BSAF zu einem veränderten Nutzungsver-halten, zum Beispiel in Form von Gegenrede oder verstärktem Löschen, Blockieren und Melden problematischer Accounts bzw. Inhalte.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Kati Struckmeyer
Beitrag als PDFEinzelansichtKati Struckmeyer: Stichwort: Digitale Dienste Gesetz
Das Digitale Dienste Gesetz (DDG) ergänzt den Digital Services Act (DSA) der Europäischen Union auf nationaler Ebene für Deutschland. Es wurde auf den Weg gebracht, um die europarechtlichen Vorgaben auf Bundes- und Länderebene anzupassen. Die Grundrechte von Internetnutzer*innen sollen damit besser geschützt und illegale Inhalte schneller entfernt werden. Das Gesetz ist am 14. Mai 2024 in Kraft getreten.
Vom DDG betroffen sind Online-Vermittler und -Plattformen wie Marktplätze, Soziale Netzwerke, Content-Sharing-Plattformen, App-Stores sowie Reise- und Unterkunftsportale. Es geht vor allem darum, illegale Online-Aktivitäten sowie die Verbreitung von Desinformation zu verhindern. Die Sicherheit der Nutzer*innen, die Wahrung der Grundrechte und eine faire und frei verfügbare Online-Umgebung sollen dabei im Fokus stehen. Während die EU-Kommission sehr große Plattformen und Suchmaschinen über 45 Millionen Nutzer*innen beaufsichtigt, gibt es nun auch nationale DSA-Koordinator*innen (Digital Service Coordinators, DSC) für kleinere Plattformen. Sie dienen als zentrale Beschwerdestelle für Bürger*innen. In Deutschland wird es künftig eine zentrale Koordinierungsstelle in der Bundesnetzagentur geben, die darüber wacht, dass Onlineplattformen und Suchmaschinen die Regeln einhalten und gegen illegale Inhalte vorgegangen werden kann. Sie wird ergänzt von der Bundeszentralefür Kinder- und Jugendmedienschutz und vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit und wird eng mit den Aufsichtsbehörden in Brüssel und den anderen EU-Mitgliedsstaaten zusammenarbeiten.
Das DDG regelt auch Buß- und Zwangsgelder für Verstöße gegen den DSA bzw. zur Durchsetzung von Verpflichtungen. Kommen Online-Dienste ihren Verpflichtungen entsprechend des DSA nicht nach, können Nutzer*innen dies künftig bei der Bundesnetzagentur melden. Verstöße können für Plattformbetreibende mit bis zu sechs Prozent ihres Jahresumsatzes sanktioniert werden.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Kati Struckmeyer
Beitrag als PDFEinzelansichtSwenja Wütscher: Studie - Wunsch nach mehr Perspektivenvielfalt in Nachrichten
Zwei Drittel der erwachsenen Internetnutzer*innen in Deutschland erwarten von den Nachrichtenmedien eine vielfältige Darstellung aktueller Themen, jedoch sehen weniger als die Hälfte diese Anforderung als gut erfüllt an. Dies sind zentrale Ergebnisse des Reuters Institute Digital News Report 2024. Obwohl die Mehrheit über das aktuelle Geschehen informiert bleiben möchte, zeigt sich ein deutliches Bedürfnis nach mehr Perspektiven.
Das Internet hat das Fernsehen als Hauptquelle für Nachrichten abgelöst: 42 Prozent der Befragten nutzen das Internet primär, lineare Fernsehsendungen liegen knapp dahinter (41 %). Besonders Soziale Medien gewinnen an Bedeutung, wobei 15 Prozent der Befragten und 35 Prozent der 18- bis 24-Jährigen ihre Nachrichten hauptsächlich über Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube beziehen. Kurze Online-Nachrichtenvideos sind ein Trend: 49 Prozent der erwachsenen Internetnutzer*innen sehen sich mindestens einmal pro Woche solche Videos an. Diese Entwicklung unterstreicht die wachsende Relevanz von Bewegtbildinhalten in der Nachrichtenvermittlung.
Die Studie zeigt jedoch auch eine steigende Skepsis gegenüber Nachrichten in Sozialen Medien. Besonders auf TikTok haben 41 Prozent Schwierigkeiten, vertrauenswürdige von unzuverlässigen Nachrichten zu unterscheiden. Insgesamt äußern 42 Prozent Bedenken, Falschmeldungen von Fakten unterscheiden zu können. Vertrauen in Nachrichten hängt laut den Befragten stark von der Transparenz der Medien und hohen journalistischen Standards ab. 74 Prozent legen Wert darauf, dass Medien klar kommunizieren, wie Nachrichten entstehen. Auch eine faire und unvoreingenommene Berichterstattung sowie die Repräsentation verschiedener gesellschaftlicher Gruppen sind wichtige Faktoren für das Vertrauen.
Dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Journalismus wird überwiegend mit Skepsis begegnet. Die Hälfte der Befragten fühlt sich bei überwiegend durch KI erstellten Nachrichten unwohl. Junge Erwachsene zeigen zwar eine größere Offenheit gegenüber KI-generierten Nachrichten, begegnen politischen Informationen aus KI-Quellen aber mit ähnlicher Skepsis wie ältere Befragte.
Der Report basiert auf einer repräsentativen Befragung von fast 100.000 Personen aus 47 Ländern. Die deutsche Teilstudie, durchgeführt vom Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut, befragte rund 2.000 Personen im Januar 2024. Unterstützt wurde die Erhebung von den Landesmedienanstalten und dem ZDF.
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Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtSwenja Wütscher: Sinus-Jugendstudie 2024: Jugendliche besorgt, aber zukunftsoptimistisch
Jugendliche in Deutschland sind stark von globalen Krisen wie Kriegen, Energieknappheit, Inflation und Klimawandel betroffen, dennoch bleibt ihr Zukunftsoptimismus erhalten. So ein Ergebnis der SINUS-Jugendstudie 2024. Trotz ihrer Besorgnis entwickeln viele Jugendliche Copingstrategien und fühlen sich in ihrem Alltag zufrieden, da ihre Grundbedürfnisse gedeckt und sie sozial gut eingebunden sind.
Die Sehnsucht nach einer bürgerlichen Normalbiografie mit festen Partnerschaften, Familie und beruflichem Erfolg ist weiter ein starkes Leitmotiv. Werte wie Zugehörigkeit, Halt und Geborgenheit sowie Nachhaltigkeit sind für viele Jugendliche wichtig. Auch die Akzeptanz von Diversität und Gender-Gerechtigkeit wächst, viele Jugendliche akzeptieren non-binäre Geschlechtsdefinitionen und sind sich der fortdauernden Geschlechterstereotype bewusst.
Diskriminierung wird als alltägliches Problem wahrgenommen, besonders in Schulen. Viele Jugendliche haben Diskriminierung selbst erlebt oder in ihrem Umfeld beobachtet und kritisieren die soziale Ungleichheit sowie die Benachteiligung migrantischer Familien im Bildungssystem.
Das politische Interesse Jugendlicher bleibt begrenzt. Während Themen wie Klimakrise und Diskriminierung wichtig sind, fühlen sich viele von politischen Prozessen nicht ausreichend repräsentiert. Trotzdem befürworten die meisten Jugendlichen das Wahlrecht ab 16 Jahren, auch wenn sie sich nicht immer ausreichend darauf vorbereitet fühlen.
Soziale Medien sind die wichtigste Informationsquelle, trotz der Gefahr von Desinformation. Viele Jugendliche sind sich der negativen Auswirkungen des Social-Media-Konsums bewusst und versuchen, ihn zu regulieren. Sport spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben und dient als Mittel gegen Alltagsstress. Viele berichten von einem guten Gefühl während und nach dem Sport und schätzen Sportstätten als wichtige Orte der Begegnung.
Die Studie wurde vom SINUS-Institut im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung und weiteren Partner*innen durchgeführt und umfasst 72 qualitative Fallstudien mit 14- bis 17-Jährigen in ganz Deutschland. Sie bietet alle vier Jahre wertvolle Einblicke in die soziokulturelle Verfassung der jungen Generation.
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Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtSwenja Wütscher: Gewaltinhalte im Netz: Social Media und Gamification verändern die Dynamik
Die Verbreitung und Rezeption von Gewaltinhalten hat sich durch den Einfluss von Social Media und Gamification drastisch verändert. Jugendliche stoßen nicht mehr primär über spezialisierte Websites auf drastische Darstellungen, sondern direkt in Sozialen Netzwerken durch Algorithmen und Hashtags. Das stellt den Kinder- und Jugendmedienschutz vor erhebliche Herausforderungen, so der Report von jugenschutz.net.
Empfehlungsalgorithmen, Hashtags und indirekte Darstellungen in Reaktionsvideos oder Erzählungen tragen zur Verbreitung bei. Plattformen wie TikTok und YouTube verbieten zwar solche Inhalte in ihren Richtlinien, doch Nutzer*innen umgehen diese Beschränkungen geschickt. KI-generierte Inhalte, wie Filmplakate im Stil von Animationsfilmen, und das Nachstellen von Gewaltvideos in Spielen wie Roblox zeigen eine neue Dimension der Verbreitung. Auch Challenges und Gamification-Elemente, die Gewaltinhalte als spielerische Herausforderungen präsentieren, tragen zur Normalisierung und emotionalen Distanzierung bei. Die Anpassung von Jugendschutzmaßnahmen an diese neuen Verbreitungsformen ist dringend erforderlich. Große Diensteanbieter wie Meta und Google untersagen zwar drastische Gewaltinhalte, aber die tatsächliche Kontrolle und Durchsetzung ist komplex. Zudem entstehen immer wieder neue Websites, die ähnliche Inhalte bereitstellen.
Für die medienpädagogische Praxis ist es wichtig, Kinder und Jugendliche über die Risiken aufzuklären und ihre Empathiefähigkeit zu fördern. Eine kritische Einordnung der Gründe für die Verbreitung solcher Videos ist notwendig.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtMarcus Müller: Empfehlungen des Voice-Projekts zu Online-Sicherheit
Zur Erhöhung der Online-Sicherheit von Kindern hat die Organisation End Child Prostitution, Child Pornography & Trafficking of Children for Sexual Purposes (ECPAT) International gemeinsam mit Eurochild und Terre des Hommes Richtlinienempfehlungen vorgestellt, die sich an Regierungen, Aufsichtsinstitutionen sowie Online-Plattformen richten. Darunter die Empfehlung, Online-Plattformen stärker zu regulieren und Sicherheitsvorkehrungen in Kooperationen mit Kindern vorzunehmen oder einen Mindeststandard für die Altersverifikation zu erstellen.
Grundlage ist eine Befragung von rund 480 Kindern und über 6.000 Betreuer*innen aus 15 Ländern zu Online-Sicherheit, die ECPAT International, Eurochild und Terre des Hommes im Rahmen des VOICE-Projekts durchgeführt haben. Allerdings weist die Umfrage methodische Schwierigkeiten auf. So wurden die Kinder in den meisten Ländern für die Befragung durch Partnerorganisationen wie Terre des Hommes Netherlands, ECPAT Brasil oder ECPAT Austria ausgewählt. Die Befragten stammen also nicht zufällig aus der Gesamtbevölkerung des jeweiligen Landes, womit die Stichprobe in Bezug auf die Gesamtbevölkerung vermutlich verzerrt ist. Zudem wurden die Kinder unter anderem in einer Fokusgruppendiskussion zu Online-Sicherheit befragt. Bei einer solchen Diskussion muss man jedoch davon ausgehen, dass die soziale Erwünschtheit eine große Rolle spielt. Die Kinder könnten also dazu tendieren, entsprechend sozialer Normen oder einer dominanten Meinung der Gruppe zu antworten anstatt ihre tatsächlichen Ansichten zu schildern. Ob aus den vorgetragenen Empfehlungen tatsächlich die Stimme der Kinder spricht, ist fraglich.
thema
Kathrin Demmler/Selma Maglic/Georg Materna/Ida Pöttinger: Konflikte aushandeln: Eine Herausforderung für die Bildungsarbeit
Die von Bundeskanzler Olaf Scholz in Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine verkündete „Zeitenwende“ bezieht sich vordergründig auf die Ertüchtigung der Bundeswehr. Sie ist jedoch gleichzeitig nur der vorerst letzte Ausdruck der Zunahme von Kriegen, Krisen und Konflikten, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, und die uns zunehmend direkt über digitale Medien erreichen. Videos aus dem Krieg in der Ukraine, vom Überfall der Hamas auf Israel und von der israelischen Operation Eiserne Schwerter verbreiten sich massiv über Plattformen und Netzwerke, die junge Menschen regelmäßig nutzen. Diese Inhalte werden gelikt, kommentiert und geteilt, und erreichen eine große Öffentlichkeit. Damit beeinflussen sie die öffentliche Verhandlung der Geschehnisse oft in einer Weise, die eher Polarisierung fördert als eine kritische Meinungsbildung über Recht und Unrecht. Eine demokratische Auseinandersetzung mit Kriegen, Krisen und Konflikten wird auf diese Weise erschwert. Statt dazu beizutragen, das Gegenüber zu verstehen, Emotionen der Gegenseite anzuerkennen, die eigene Position kritisch zu prüfen und sich für Handlungsoptionen auf Basis eines demokratischen Abwägungsprozess entscheiden zu können, begünstigen viele digitale Inhalte Feindbildkonstruktionen und Schwarz-Weiß-Denken.
Gleichzeitig können sich gerade marginalisierte Gruppen über digitale Medien eine Öffentlichkeit schaffen und damit auf strukturelle Benachteiligungen aufmerksam machen und zu deren Abbau beitragen. Diese Möglichkeit nutzen auch junge Menschen in den Krisen- und Kriegsgebieten, wenn sie ihren Alltag zeigen und damit die menschlichen Auswirkungen militärischer Auseinandersetzungen anschaulich machen. Ein Beispiel dafür ist Valeria Shashenok, die auf ihrem TikTok-Account @valerisssh über ihren Kriegsalltag, ihre Flucht aus der Ukraine und ihr Leben mit dem Krieg postet.
Die Pluralisierung der Möglichkeiten, an Öffentlichkeit teilzunehmen und die eigene Sichtweise in die Diskussion einzubringen, erhöht gleichzeitig auch die Wahrscheinlichkeit, mit den Sichtweisen anderer Menschen konfrontiert zu werden. In den meisten Fällen entsteht daraus jedoch keine harmonische Melodie, sondern widersprüchliche Meinungen stehen einander gegenüber, ohne notwendigerweise in einen auf Verständigung angelegten Austausch zu münden. Mediale und öffentliche Pluralisierung führen tendenziell erstmal zu mehr Konflikten, nicht zu weniger. Dass das für sich genommen keine schlechte Nachricht ist, sondern für mehr gesellschaftliche Partizipation spricht, hat vor ein paar Jahren Aladin El-Mafaalani (2018) überzeugend ausgearbeitet. Das Paradox gesellschaftlicher Integration besteht darin, dass ihre Verwirklichung in einer Zunahme von Konflikten besteht, argumentiert er. Denn wenn mehr Menschen teilnehmen, werden mehr Interessenkonflikte sichtbar. Die Herausforderung der Bildungsarbeit besteht darin, diese Situation anzuerkennen und Wege zu finden, sie positiv mitzugestalten. Wenn jedoch zusätzlich zu dieser Aufgabe noch internationale Konflikte ausbrechen und die aktuelle Weltordnung ins Wanken gerät, können auch bei Fachkräften neue Handlungsunsicherheiten und Verunsicherung entstehen.
Das ist der Punkt, an dem dieses Schwerpunktthema ansetzt. Es vereint Artikel, die sich der Herausforderung aus unterschiedlichen Perspektiven annähern und die als Unterstützungsangebote für das Verstehen der gegenwärtigen Situation und den eigenen Umgang damit veröffentlicht werden.
Den Auftakt machen Uli Jäger und Nicole Rieber mit ihrem Artikel ‚Frieden und Friedenspädagogik: Orientierung für (digitale) Bildungsmaßnahmen in Zeiten von Krieg und Unsicherheit‘. Sie stellen ein Angebot der Servicestelle Friedensbildung Baden-Württemberg vor, in dem es um das Zusammenspiel von Friedensbildung, Medienpädagogik und politischer Bildung geht, und das dem Defizit an Orientierung entgegenwirken soll. Ziel der Autor*innen ist es, ein Curriculum ‚Friedensbildung‘ zu entwickeln, um unter anderem die Ambiguitätstoleranz als Friedensfähigkeit zu fördern.
Sigrun Rottmann, Journalistin und Konfliktberaterin, setzt sich in ihrem Beitrag mit der Frage auseinander, welche Rolle Journalist*innen in einer demokratischen Gesellschaft spielen wollen und sollen. Sie plädiert für konfliktsensitiven Journalismus als wichtiges Qualitätsmerkmal der Berichterstattung über Krieg und Konflikte und zeigt, wie Berichterstattung so gestaltet werden kann, dass verschiedene Perspektiven sichtbar werden, Propaganda hinterfragt wird und Konflikte nicht weiter eskalieren.
Daran schließt das Gespräch mit Thomas Knieper an. Als Professor für digitale und strategische Kommunikation setzt er sich seit langem mit der Ikonografie von Kriegsbildern auseinander. Er spricht über Kontinuitäten und Veränderungen der bildlichen Inszenierung von Krieg und betont, dass Bilder nicht nur bei der Visualisierung von Krieg, sondern auch bei Friedensverhandlungen eine wichtige Rolle spielen können.
Mit den Herausforderungen für Medienwissenschaft und medienpädagogische Praxis im Hinblick auf eine Sensibilisierung für die Macht der Bilder setzen sich die JFF-Kolleg*innen Benedikt Aigner, Linus Einsiedler, Michael Gurt, Selma Maglic und Georg Materna auseinander. Aufbauend auf vielfältigen Erfahrungen in einschlägigen Projekten der politischen Bildung zeigen sie auf, wie mit Menschen mit Kriegs- und Fluchterfahrung zusammengearbeitet wurde, was es dabei zu beachten gilt und wie wichtig es ist, eine postmigrantische Perspektive in der Medienpädagogik einzunehmen. Ausgewählte Artikel sind auch oder nur online zu finden. Eine wichtige Bereicherung des Themas liefert der Beitrag von Ingrid Stapf und Marlis Prinzing ‚Selbstbestimmte Teilhabe und Schutz vor Verstörung. Kindgerechte Plattformregulierung: Multistakeholder*innen-Perspektiven in Zeiten von Krieg und Polykrisen‘. Sie haben Expert*innen befragt und bieten Einblicke in die Verletzlichkeit und die Schutzbedürfnisse von Kindern auf Plattformen wie TikTok. Basis dafür ist ihre These, dass größtmöglicher Schutz angestrebt werden muss, um Kindern Teilhaberechte zu ermöglichen.
An dieser Stelle möchten wir auch auf die Empfehlungen der UNO zu Kinderrechten in digitalen Umgebungen hinweisen, die wir begleitend auf unserer Website zur Verfügung stellen.
Mit ganz konkreten Fragen der Bildungspraxis setzt sich Verena Wilkesmann in ihrem Beitrag auseinander. In der Refugio Kunstwerkstatt finden Kinder und Jugendliche aus Krisen- und Kriegsgebieten einen sicheren Ort. Wilkesmann schildert, welche Faktoren notwendig sind, um Kindern und Jugendlichen Sicherheit zu bieten und ihre Resilienz zu fördern.
Ebenfalls online findet sich ein Gespräch mit einer Gymnasiallehrkraft für Deutsch und Geschichte aus Rheinland-Pfalz. Sie spricht über die Herausforderungen, den Ukraine-Krieg im Unterricht zu behandeln, insbesondere bei Schüler*innen aus russischen Familien. Die Lehrkraft berichtet über die anfängliche Betroffenheit, den Einfluss russischer Medien und ihre persönlichen pädagogischen Ansätze zur Förderung eines friedlichen Klassenklimas. Wie kann Frieden gelingen – und welche Rolle kann Bildungsarbeit dabei spielen? Diesen Fragen widmet sich Melanie Hussak in ihrem Beitrag ‚Dialogorientierung und Machtsensibilität in der Friedenspädagogik. Anregungen für Lernräume im Kontext gesellschaftspolitischer Kontroversen‘. Sie plädiert dafür, friedenspädagogische Lernprozesse zu nutzen, um sich mit der eigenen Involviertheit in Konfliktlagen auseinanderzusetzen und positive Perspektiven zu entwickeln.
Wir hoffen, mit diesen Beiträgen Denkanstöße zu liefern und Impulse für eine strategische Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen in der medienpädagogischen Bildungsarbeit zu liefern. Dazu beitragen sollen auch Informationsboxen mit empfehlenswerten Medienangeboten für Kinder zur Auseinandersetzung mit Krieg und Frieden, unter anderem der bezaubernde Kinderfilm über Flucht und Freundschaft Slava, der Hund (Spielfilm).
Literatur
El-Mafaalani, A. (2018). Das Integrationsparadox. Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt. Kiepenheuer & Witsch.Kathrin Demmler ist Direktorin des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis und gemeinsam mit Prof. Dr. Bernd Schorb Herausgeberin von merz | medien + erziehung. Ihre Schwerpunkte sind Medien in Bezug auf die Förderung eines Wertebewusstseins, verschiedene Bildungsorte, Veranstaltungen und Netzwerke.
Selma Maglic ist medienpädagogische Referentin in der Abteilung Praxis des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Ihre Schwerpunkte sind diskriminierungssensible und rassismuskritische Medienpädagogik.
Dr. Georg Materna arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Forschung des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Seine Schwerpunkte sind die Meinungsbildung junger Menschen in sich wandelnden Öffentlichkeiten und universelle Extremismusprävention im Schnittpunkt von Medienpädagogik und politischer Bildung.
Dr. Ida Pöttinger, Gründungsmitglied von IAME (International Association for Media Education) war Vorstandsvorsitzende der GMK – Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur sowie Referentin am Landesmedienzentrum (LMZ) und an der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK).
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Kathrin Demmler, Georg Materna, Ida Pöttinger, Selma Maglic
Beitrag als PDFEinzelansichtUli Jäger/Nicole Rieber: Frieden und Friedenspädagogik
Die digitale Friedenspädagogik reagiert auf aktuelle globale Herausforderungen durch innovative Bildungsansätze. Der Artikel beleuchtet, wie digitale Tools und Medienkompetenz junge Menschen befähigen, Konflikte zu verstehen, Desinformation zu erkennen und für Frieden aktiv zu werden. Er zeigt auf, wie Friedenspädagogik in Zeiten von Krieg und Unsicherheit relevante Orientierung bietet und zur Stärkung einer friedlichen Gesellschaft beiträgt.
Literatur
Abs, H. J. (2023). Neue Friedenspädagogik in Kriegszeiten. Pädagogik 3/2023.
Cadier, A., Labbé C., Padovese V., Pozzi G., Badilini S., Schmid R., Roache M. & Brewster J. (2022). „WarTok“: TikTok zeigt neuen Nutzern innerhalb von Minuten Desinformation über den Krieg an – selbst wenn sie gar nicht nach Inhalten mit Bezug zur Ukraine suchen. NewsGuard. https://newsguardtech.com/de/misinformation-monitor/maerz-2022 [Zugriff: 02.07.2024]
Calmbach, M., Flaig, B., Edwards, J., Möller-Slawinski, H., Borchard, I. & Schleer, C. (2020). Wie ticken Jugendliche? 2020: Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Bundeszentrale für politische Bildung.
DiMaggio, P., Hargittai, E., Neuman, W. R. & Robinson, J. P. (2001). Social implications of the Internet. Annual review of sociology, 27(1), 307–336.
Frieters-Reermann, N. (2017). Friedenspädagogik. In Lang-Wojtasik, G. & Klemm, U. (Hrsg.), Handlexikon Globales Lernen. Klemm+Oelschläger, 94–98.
Jäger, U. (2023). Zeitenwende? Anregungen für eine Friedenspädagogik in Zeiten des Krieges. ZEP. Zeitschrift Für Internationale Bildungsforschung Und Entwicklungspädagogik, 2023(1), 10–12. https://doi.org/10.31244/zep.2023.01.03
Prieß, M. (2023). Friedens- und sicherheitsapolitische Bildung an Schulen. Friedrich Naumann Stiftung.
Rieber, N. (2023). Digitale Friedenspädagogik in Krisenzeiten. Erziehung & Wissenschaft, 75(4), 12–15.
Rieber, N., Articus, J., Scheuing, D. & Sokele, C. (2022). Verschwörungstheorien und Digitaler Gewalt entgegentreten. Erste Ansätze einer digitalen Friedenspädagogik in der Praxis. In A. Neumann & J. von Bilavsky (Hrsg.), Geschichte vor Ort und im virtuellen Raum. Einblicke in die Arbeit an der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Springer.
Servicestelle Friedensbildung (2024): Konflikte analysieren mit Friedensfokus. https://friedensbildung-bw.de/aktuelle-konflikte [Zugriff 02.07.2024]
Smirnova, J. & Arcostanzo, F. (2022): Russia-Ukraine War Sparks Influx of Disinformation in German-language Conspiracy Groups. https://isdglobal.org/digital_dispatches/russia-ukraine-war-sparks-influx-of-disinformation-in-german-language-conspiracy-groups [Zugriff: 05.10.2022]
Sold, M. & Süß, C.-A. (2003). Das Virus als Mittel zum Zweck: Extremistische (Um-) Deutungen der Corona-Pandemie. Bundeszentrale für politische Bildung. https://bpb.de/themen/infodienst/308634/das-virus-als-mittel-zum-zweck [Zugriff: 05.10.2022]
UNESCO. (2023). Recommendation on education for peace and human rights, international understanding, cooperation, fundamental freedom, globale citizenship and sustainable development. https://unesco.org/en/global-citizenship-peace-education/recommendation [Zugriff 02.07.2024]
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Nicole Rieber, Uli Jäger
Beitrag als PDFEinzelansichtSigrun Rottmann: Konfliktsensitiver Journalismus
Die Wahrnehmung sozialer Konflikte hängt maßgeblich von medialer Berichterstattung ab. Zunehmend werden Qualitätsmedien dafür kritisiert, dramatisierend über Debatten zu berichten, zweifelhafte Polarisierungsdiagnosen zu stellen und – so der Vorwurf – zum Verfall der Debatten- und Streitkultur beizutragen. Ein Konfliktsensitiver Journalismus kann Wissenstransfer und kritische Selbstreflexion fördern, um eine verantwortungsvolle Berichterstattung über Krisen und Kontroversen zu gewährleisten. Dazu gehört auch die Frage nach der Rolle der Journalist*innen in einer von Polykrisen geprägten Gesellschaft. Konflikt-Know-how sollte in die journalistische Ausbildung integriert werden, da populistische und rechtsextreme Kräfte versuchen, Kontroversen zu instrumentalisieren.
Literatur
Bilke, Nadine (2008). Qualität in der Krisen- und Kriegsberichterstattung. Ein Modell für konfliktsensitiven Journalismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91137-3
Der Spiegel (2021). Der Bruderkrieg. Wie die Union sich selbst zerlegt. Titelseite, 16/2021. https://spiegel.de/spiegel/print/index-2021-16.html
Focus Online. (2019). Windkraft – nein danke? Wie Deutschland gegen Windräder kämpft. BurdaForward GmBH. https://focus.de/politik/deutschland/windenergie_id_11483332.html [Zugriff: 17.05.2024]
G+J Verlagsgruppe (2024). STERN 4/2024 – „Haben Sie Angst vor einem Attentat, Herr Habeck?“. Warum die Deutschen gerade so wütend sind – und viele den Vizekanzler hassen. Titelseite. https://shop.stern.de/de_DE/einzelhefte/einzelausgaben/stern-epaper-04-2024/2143926.html
Galtung, J. (1998). Friedensjournalismus: Warum, was, wer, wo und wann? Krieg, Nationalismus, Rassismus und die Medien, 3–20.
Kempf, W. (2021). Friedensjournalismus. Grundlagen, Forschungsergebnisse und Perspektiven. Nomos.
Kempf, W. (2003). Konstruktive Konfliktberichterstattung – ein sozialpsychologisches Forschungs- und Entwicklungsprogramm. Conflict & Communication Online 2(2), 1–2. Verlag Irena Regener. https://cco.regeneronline.de/2003_2/pdf_2003_2/kempf_dt.pdf
Mau, S., Lux, T. & Westheuser, L. (2023). Triggerpunkte: Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft. Suhrkamp.
Meier, K. (2018). Journalistik (4. Aufl.). UVK Verlagsgesellschaft.
Pöttker, H. (2022). Zügelnde Faktoren. Streit, Kampf, Konflikt in (medien-)ethischer Perspektive: Georg Simmel revisited. Streitkulturen. Medienethische Perspektive auf gesellschaftliche Diskurse (S. 69–92). Nomos. https://doi.org/10.5771/9783748911098-69
Schiller, A. (2022). Streit um Windkraft: Einheimische gegen Zugezogene. Frankfurter Allgemeine Zeitung. https://faz.net/aktuell/wirtschaft/klima-nachhaltigkeit/streit-um-windkraft-einheimische-gegen-zugezogene-18023009.html
Schipmann, J., Abboud, A. & Reichelt, V. [die.da.oben] (2024). Rente: So wird unsere Generation verarscht [Instagram-Post]. Instagram. https://instagram.com/p/C5qFiHPMBbw/?img_index=x
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Sigrun Rottmann
Beitrag als PDFEinzelansichtFLIMMO/Michael Gurt: Kinderfilm über Flucht und Freundschaft
Slava, der Hund (Spielfilm)
Die Geschwister Andryi und Alona müssen mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter vor dem Krieg in der Ukraine fliehen. In Hamburg kommt die Familie beim Ex-Freund der Mutter unter. Doch der Anfang in einem neuen Land ist schwer, vor allem weil der Familienhund Slava unterwegs verloren gegangen ist. Bei ihrer Suche nach Slava bekommen sie viel Unterstützung und können ihren Hund am Ende wieder in die Arme schließen. Mit viel Einfühlungsvermögen und einer Prise Zirkusmagie erzählt der Film von Flucht und Krieg aus der Sicht von Kindern. Kinder ab Mitte des Grundschulalters können sich in Alona und Andryi gut hineinversetzen und fiebern bei der Suche mit.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Michael Gurt
Beitrag als PDFEinzelansichtBilder von Krieg und Frieden. Und wie sie ihre Dynamik beeinflussen können
Bilder spielen in der Kommunikation über Krieg und Frieden eine zentrale Rolle. Prof. Dr. Thomas Knieper erörtert die emotionale Wirkung von Bildern, ihre Fähigkeit, Meinungen zu formen und politischen Druck auszuüben. Er analysiert verschiedene Strategien in der Bildverwendung, angefangen bei der Kontrolle durch Embedded Journalism bis hin zur Nutzung von Memes und digitalen Medien. Das Gespräch bietet tiefe Einblicke in die Bedeutung und die Herausforderungen der Bildproduktion und -verbreitung in globalen Konflikten und Friedensprozessen.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Kathrin Demmler
Beitrag als PDFEinzelansichtFLIMMO/Michael Gurt: Kinder berichten: Krieg aus erster Hand
Ukraine - wie wir den Krieg erleben
Ukrainische Kinder halten ihre Flucht- und Kriegserfahrungen mit der Kamera fest. Gedanken, Gefühle und Strapazen werden in der Dokumentation authentisch festgehalten und nachvollziehbar gemacht. Die Doku sensibilisiert die Zuschauer*innen im Umgang mit Geflüchteten und zeigt, dass ein offenes und neugieriges Miteinander eine Bereicherung für alle sein können. Dass die Betroffenen in ihrer schrecklichen Situation Hilfe erhalten, kann Kinder motivieren, selbst aktiv zu werden und Unterstützung anzubieten.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Michael Gurt
Beitrag als PDFEinzelansichtBenedikt Aigner/Linus Einsiedler/Michael Gurt/Selma Maglic/Georg Materna: Postmigrantische Medienpädagogik in Zeiten von Krieg und Konflikt
Junge Menschen mit Kriegs- und Fluchterfahrung gehören zunehmend zur Zielgruppe medienpädagogischer Praxis und Forschung. Für eine postmigrantische Medienpädagogik entstehen daraus neue Herausforderungen. Im Text reflektieren die Autor*innen auf Basis ihrer Erfahrungen, welche Konsequenzen für Schutz und Teilhabe diverser Zielgruppen sowie das eigene pädagogische Handeln daraus entstehen.
Literatur
Bridgland, V. M. E., Jones, P. J. & Bellet, B. W. (2023). A meta-analysis of the efficacy of trigger warnings, content warnings, and content notes. Clinical Psychological Science. https://doi.org/10.1177/21677026231186625
Brüggen, N., Müller, E. (2021). Diskussion der Ergebnisse aus medienpädagogischer Perspektive. In N. Brüggen, M. Dohle, O. Kelm & E. Müller (Hrsg.), Flucht als Krise? Flucht, Migration und Integration in den Medien sowie die themenbezogene Aneignung durch Heranwachsende (S. 317–319). kopaed. https://dx.doi.org/10.25969/mediarep/18930
Endres, S. & Filipović, A. (2019). Ethikdidaktische Grundsätze zum Themenbereiche Flucht als Krise. Arbeitspapier für das Projekt ‚MeKriF – Flucht als Krise. Mediale Krisendarstellung, Medienumgang und Bewältigung durch Heranwachsende am Beispiel Flucht‘. https://mekrif.jff.de/fileadmin/user_upload/mekrif/AP02_MeKriF_Ethikdidaktische_Grundsaetze_zum_Themenbereich_Flucht_als_Krise.pdf
Foroutan, N. (2016). Postmigrantische Gesellschaften. In H. Brinkmann & M. Sauer (Hrsg.), Einwanderungsgesellschaft Deutschland (S. 227–254). Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05746-6_9
Initiative Awareness e. V. (2021). Umgang mit Diskriminierung & (sexualisierter) Gewalt bei Veranstaltungen. https://assets-global.website-files.com/61adebf2ee423f79265e3f74/624ea82330e33644482252b3_Support%20f(x)_Broschu%CC%88re.pdf
Kampert, M. & Rusack T. (2019). Schutzkonzepte in Organisationen für junge Menschen mit Fluchterfahrung. Partizipation als Chance zur Selbstwirksamkeit. In Braches-R. Chyrek, T. Kallenbach, C. Müller & L. Stahl (Hrsg.), Bildungs- und Teilhabechancen geflüchteter Menschen: Kritische Diskussionen in der Sozialen Arbeit (S. 79–92). Barbara Budrich.
Maser, N. & Neckel, S. (2023). Awareness: Paradoxien eines Emotionsprogramms. Leviathan, 51(2), 300–324. https://doi.org/10.5771/0340-0425-2023-2-300
Mecheril, P. (2010). „Kompetenzlosigkeitskompetenz“. Pädagogisches Handeln unter Einwanderungsbedingungen. In G. Auernheimer, G. (Hrsg.), Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität (S. 15–34). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92312-3_2
Spielhaus, R. (2014). Studien in der postmigrantischen Gesellschaft: Eine kritische Auseinandersetzung. In Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg (Hrsg.), Kongressdokumentation (S. 96–100). Bundesfachkongress Interkultur Diversity 2012.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Benedikt Aigner, Michael Gurt, Selma Maglic, Georg Materna, Linus Einsiedler
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Gurt: Friedensbildung für pädagogische Fachkräfte
Servicestelle Friedensbildung Baden-Württemberg
Die Website richtet sich an Lehrer*innen und pädagogische Fachkräfte und stellt Materialien und Anregungen zur Friedensbildung im Unterricht und darüber hinaus zur Verfügung. Die Informationen und Lehrmaterialien sind übersichtlich gegliedert und auf unterschiedliche Altersgruppen zugeschnitten. Neben Materialien (Filme, Handouts, Projektbeschreibungen, Texte usw.) für den pädagogischen Einsatz finden sich auch Informationen zu Veranstaltungen, Ausstellungen und Fortbildungen.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Michael Gurt
Beitrag als PDFEinzelansichtVerena Wilkesmann: Safe Spaces für traumasensible Pädagogik gestalten
Fachkräfte, die in der allgemeinen pädagogischen Arbeit mit Kindern oder Jugendliche mit Fluchterfahrung zu tun haben, müssen gut vorbereitet sein und einen sicheren Ort bieten. Ein achtsamer, verlässlicher Umgang sowie humorvolle Momente können stabilisierend und entspannend wirken. Rituale vermitteln Sicherheit, klare Regeln und Strukturen schaffen angstfreie Räume. Die Förderung von Schutzfaktoren stärkt die Resilienz der Kinder und Jugendlichen, wodurch sie Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein entwickeln. Kreative Projekte fördern die Selbstwirksamkeit und einen optimistischen Blick in die Zukunft. Die Refugio Kunstwerkstatt arbeitet daran, einen sicheren Raum zu schaffen.
Literatur
Siebert, G. & Pollheimer-Pühringer, M. (2023). Flucht und Trauma im Kontext Schule: Handbuch für Pädagog*innen (7. Aufl.). UNHCR. https://unhcr.org/dach/at/services/publikationen/bildungs-und-trainingsmaterial/flucht-und-trauma-im-kontext-schuleBeitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Verena Wilkesmann
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Gurt: Kindergerechte Informationen zu aktuellen Ereignissen
Logo! Themenseite: Krieg im Gazastreifen
Die logo!-Redaktion bietet Kindern im Grundschulalter aktuelle Informationen, Hintergründe, aber auch Einblicke in den Krieg aus Sicht von betroffenen Kindern. Die Ereignisse und Zusammenhänge werden in kindgerechte Sprache übersetzt und an Beispielen erklärt. Zentrale Rubrik auf der Seite ist Eure Frage: Hier werden Anfragen von Kindern in kurzen Clips von Expert*innen beantwortet.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Michael Gurt
Beitrag als PDFEinzelansichtMelanie Hussak: Dialogorientierung und Machtsensibilität in der Friedenspädagogik
Globale Konflikte wie die Kriege in der Ukraine sowie in Israel und Palästina beeinflussen auch die deutsche Gesellschaft, was durch die mediale Berichterstattung verstärkt wird. Eine dialogorientierte und machtsensible Friedenspädagogik wird umso wichtiger. Eine friedenspädagogische Praxis fördert sichere Lernräume zur Auseinandersetzung mit Gewaltdynamiken und Frieden. Ein relationales Bewusstsein und die Reflexion der eigenen Positionen sind zentral, um gesellschaftliche Spannungen und eigene Verwobenheiten konstruktiv zu bearbeiten.
Literatur
Berning, H., Gehrling, C., Hameed, I., Müller, K., Valjak, K., Valyaeva, T. & Westedt, S. (2023). Conflict Barometer 2022. Heidelberg Institute for International Conflict Research. https://hiik.de/konfliktbarometer/aktuelle-ausgabe [Zugriff: 01.05.2024]Bieß, C. (2023). Konfliktsensible Netzwelt? Für eine Transformation des digitalen Raums. Wissenschaft und Frieden, 41(3), 24–27.
Bieß, C. & Vondermaßen, M. (2023). Den Krieg vom Frieden her denken. Einblick in das Ethik-in-der-Praxis Seminar. Cora Bieß. Friedens- und Konfliktforscherin. https://corabiess.de/veroeffentlichungen/blogartikel/den-krieg-vom-frieden-her-denken-einblick-in-das-ethik-in-der-praxis-seminar-2
Changefacilitation (o. D.). WorldWork. https://changefacilitation.ch/de/Prozessarbeit/Worldwork [Zugriff: 26.05.2024]
Dietrich, W. (2008). Variationen über die vielen Frieden: Band 1: Deutungen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Hauser, R. (2015). Worldwork, Konfliktarbeit und Spiritualität. Bewusstseins-Wissenschaften. Transpersonale Psychologie und Psychotherapie, 21(2), 42–56.
Frieters-Reermann, N. (2023). Professionelle Reflexivität in friedenspädagogischen Lernprozessen. Skizzenhafte Überlegungen zur Selbstreflexionskompetenz von Friedenspädagog/-innen in Kriegs- und Krisenzeiten. Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik, 46(1), 17–19. https://doi.org/10.25656/01:26539
Hauser, R. (2015). Worldwork, Konfliktarbeit und Spiritualität. Bewusstseins-Wissenschaften. Transpersonale Psychologie und Psychotherapie, 21(2), 42–56.
Heidegger, M. (1993). Sein und Zeit. 16. Aufl., unveränd. Nachdr. d. 15., an Hand d. Gesamtausg. durchges. Aufl. mit d. Randbemerkungen aus d. Handex. d. Autors im Anh. Walter de Gruyter.
Kuttner, R. (2017). From Co-existence to Shared Society: A Paradigm Shift in Intercommunity Peacebuilding Among Jews and Arabs in Israel. Negotiation And Conflict Management Research, 10(3), 179–198. https://doi.org/10.1111/ncmr.12098
Nansen Fredssenter (2018). Nansen Handbook for Trainers in Dialogue and Conflict Transformation. https://nansen.peace.no/download-category/publikasjoner [Zugriff: 01.05.2024]
Schwerdtfeger, J. (2001). Begriffsbildung und Theoriestatus in der Friedensforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91363-0
Stamer, M. & Wastian, E. (2023). Frieden lernen – Zukunft gestalten: Ein Projekt zur aktiven Friedensbildung. gruppe & spiel, 2023(3), 22–24.
Walker, P. O. (2004). Decolonizing Conflict Resolution: Addressing the Ontological Violence of Westernization. American Indian Quarterly, 28(3/4), 527–549. https://jstor.org/stable/4138930
Zick, A., Küpper, B. & Mokros, N. (2023). Die distanzierte Mitte: Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/2023. J.H.W. Dietz Nachf. https://d-nb.info/1285023978/04
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Melanie Hussak
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Gurt: Fragen zu Krieg und Frieden kindergerecht beantwortet
Friedenfragen
Auf der Website https://frieden-fragen.de werden Fragen zu Krieg und Frieden, zu Konflikten und Auseinandersetzungen aufgegriffen und kindgerecht bearbeitet. Die Fragen von Kindern und Jugendlichen werden individuell beantwortet und entweder auf der Website veröffentlicht oder privat per E-Mail versendet. Zusätzlich gibt es Informationen zu aktuellen Kriegen, ein Lexikon und Beiträge über die „Friedensmacher weltweit“. Auch für den pädagogischen Kontext gibt es Material, zum Beispiel über den Umgang mit Konflikten oder die Arbeit von Streitschlichter*innen.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Michael Gurt
Beitrag als PDFEinzelansichtONLINE EXKLUSIV: Kriegsthemen im Klassenzimmer: Im Gespräch mit einer Lehrkraft
Wie kann das Thema Krieg im Klassenzimmer angesprochen werden, wenn Schüler*innen hauptsächlich aus Familien kommen, die einer Kriegspartei angehören? Kerstin Handwerker ist Lehrerin an einem Gymnasium in einer Kleinstadt in Lahr/ Baden-Württemberg. In dieser Stadt wohnen viele Familien, die aus Russland eingewandert sind.
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Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.ONLINE EXKLUSIV: Empfehlungen der UNO zu Kinderrechten in digitalen Umgebungen
Die Fachredaktion der aktuellen merz-Ausgabe verweist auf die Empfehlungen der UNO zu Kinderrechten in digitalen Umgebungen, die auf der Website Kinderrechte.digital zur Verfügung stehen. Die Bemerkung zu Kinderrechten in Konfliktsituationen lautet dabei wie folgt:
"Das digitale Umfeld kann Kindern in besonders schutzbedürftigen Lebenslagen, etwa im Rahmen bewaffneter Konflikte, im eigenen Land vertriebenen Kindern, migrierten Kindern, asylsuchenden, geflüchteten und unbegleiteten, obdachlosen und von Naturkatastrophen betroffenen Kindern, Zugang zu lebensrettenden Informationen bieten, die für ihren Schutz unverzichtbar sind. Das digitale Umfeld kann ihnen auch die Möglichkeit bieten, Kontakt zu ihren Familien zu halten, Zugang zu Bildung, Gesundheit und anderen grundlegenden Dienstleistungen zu erhalten und sich Nahrung und eine sichere Unterkunft zu verschaffen. Die Vertragsstaaten sollen diesen Kindern einen sicheren, geschützten, persönlichen und hilfreichen Zugang zum digitalen Umfeld gewährleisten und sie vor Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch in jeglicher Form schützen." (Kapitel XII, Absatz 121)
Allgemeine Bemerkung Nr. 25 (2021). Über die Rechte der Kinder im digitalen Umfeld. https://kinderrechte.digital/hintergrund/index.cfm/key.1738/topic.324
ONLINE EXKLUSIV: Ingrid Stapf/Marlis Prinzing: Selbstbestimmte Teilhabe und Schutz vor Verstörung
Kinder als vulnerable und damit schützenswerte Zielgruppe verdienen als Social-Media-User ein besonderes Augenmerk. Das Geschäftsmodell und die Art, wie auf digitalen Kommunikationsplattformen insbesondere schwer erträgliche Inhalte sowie brutale Bilder beispielsweise aus dem Krieg in der Ukraine auch Kindern angezeigt werden, fordert regulativ und medienethisch heraus. Was sich konkret tun lässt, beantworteten uns Expert*innen unter anderem aus Pädagogik, Wissenschaft und Plattformunternehmen. Sie beschreiben, wem sie wofür Verantwortung zuweisen und welchen Kriterien eine Regulierung folgen muss, die Schutzbedürfnissen ebenso wie Freiheits- und Teilhabeansprüchen von Kindern Rechnung trägt.
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Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Marlis Prinzing, Ingrid Stapf
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spektrum
Helga Theunert/Bernd Schorb: Hans Schiefele zum 100. Geburtstag
Hans Schiefele, ein herausragender Pädagoge und Denker sowie ehemaliger Vorsitzender des JFF, feiert seinen 100. Geburtstag. Bekannt für seine scharfsinnigen Analysen und die Öffnung des Raums für die Diskussion unterschiedlicher Perspektiven, hat er Generationen von Studierenden inspiriert, sich mit den Herausforderungen der modernen Medienwelt auseinanderzusetzen. Seine Überzeugung, dass Bildung und Erziehung entscheidend sind, um junge Menschen zu mündigen und sozial verantwortlichen Individuen zu formen, prägt bis heute die Medienpädagogik. Der Beitrag von Bernd Schorb und Helga Theunert würdigt Schiefeles Lebenswerk und seinen Einfluss auf die Entwicklung von Medienkompetenz in der Gesellschaft.
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Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Bernd Schorb, Helga Theunert
Beitrag als PDFThomas Hanstein: Resonanzfähigkeit als Kernkompetenz von Lehrkräften
Unter dem Titel ‚Antinomien in digitalisierten Lernarrangements‘ hat der Autor vor zwei Jahren (Hanstein, 2022) an das pädagogische Phänomen der Antinomien erinnert. Dabei hat er für online und hybrid stattfindende Veranstaltungen eine besondere Achtsamkeit für neue, mit der Digitalisierung aufgekommene Widersprüchlichkeiten gefordert. Der aktuelle Beitrag richtet den Blick auf Kommunikationsprozesse in onlinegestützten Formaten.
Literatur
Arnold, R. (2012). Wie man lehrt, ohne zu belehren. 29 Regeln für eine kluge Lehre. Das LENA-Modell. Carl-Auer.
Handke, J. (2020). Handbuch Hochschullehre digital. Leitfaden für eine moderne und mediengerechte Lehre. Tectum. Hanstein, T. (2021a). Selbstmanagement mit Coachingtools. Ressourcen erkennen, nutzen und pflegen. Tectum.
Hanstein, T. (2021b). Die 5 W’s der Unterrichtsplanung. youtube.com/watch [Zugriff:
04.06.2024]
Hanstein, T (2022). Lehren und Lernen mit (und in) Widersprüchlichkeiten. merz | medien + erziehung, 66(2)
https://merz-zeitschrift.de/fileadmin/user_upload/merz/PDFs/onlineexklusiv-antinomien-in-digitalisierten-
lernarrangements.pdf
Hanstein, T.,Lanig, A. (2020). Digital lehren. Das Homeschooling-Methodenbuch. Tectum.
Helsper, W. (2016). Antinomien und Paradoxien im professionellen Handeln. In M. Dick, W. Marotzki,
H. Mieg(Hrsg.), Handbuch Professionsentwicklung. UTB, S. 50–62.
Rogers, B. (2013). Classroom Management. Das Praxisbuch. Beltz.
Rosenberg, M. B. (2016). Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Junfermann.
Vogt, M. (2008). Rituale – Ihre Funktion und Wirksamkeit zum Gestalten von Kontinuität, Wandel und Bedeutung. In M.
Vogt, H. Dreesen (Hrsg.) (2008). Rituale, Externalisieren und Lösungen. Modernes Lernen, S. 9–17.Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Thomas Hanstein
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medienreport
Veronika Wagner: Sieben Tage Mo
Silberfisch Produktion/Hörbuch Hamburg. Sieben Tage Mo. (2023). Hörbuch, kostenpflichtig, verfügbar auf diversen Hörbuch-Plattformen.
Die Marginalisierung und Diskriminierung von Minderheiten in der Gesellschaft ist leider keine Ausnahme, sondern Alltag für viele. Für eine Entwicklung zu einer inklusiveren Gemeinschaft braucht es einen empathischen
Umgang miteinander sowie gegenseitiges Zuhören und Austausch. Es ist unverzichtbar, anderen Perspektiven Raum zu geben. Werte wie Offenheit und Empathie zu leben, ist eine wichtige Aufgabe für Familien.
Repräsentation marginalisierter Gruppen findet zunehmend in medialen Angeboten statt, wodurch Eltern bei Themen wie Diversität und Inklusion unterstützt werden können. Das Hörbuch Sieben Tage Mo, gelesen von Jens
Warczek, basiert auf einer Geschichte von Oliver Scherz und gewann in der Kategorie Bestes Kinderhörbuch 2024 den Deutschen Hörbuchpreis. Empfohlen wird es ab elf Jahren.In 166 Minuten wird die Geschichte einer besonderen Beziehung zwischen den 12-jährigen Zwillingen Mo und Karl erzählt. Während ihre Eltern arbeiten, muss Karl ständig auf seinen Bruder aufpassen, der seit seiner Geburt eine geistige Behinderung hat. Die beiden verbringen viel Zeit zusammen und man bekommt Einblicke in sieben Tage ihres Lebens, welches geprägt ist von Abenteuern und – zum Teil diskriminierenden – Alltagserfahrungen. Das Buch gibt wichtige Impulse zum Thema Diversität und Inklusion, denn es geht um Freundschaft und Geschwisterliebe und damit eingehende Herausforderungen im Miteinander. Zum Beispiel fällt es Karl schwer, eine Balance zwischen den eigenen Bedürfnissen und den Wünschen seines Bruders zu finden. Wir erfahren, wie andere Menschen mit Mo umgehen (und wie sie ihn teilweise verletzen) und wie sich das auf die Zwillinge auswirkt. Als Hörer*in erhält man authentische Einblicke in Karls Gefühlswelt und Gedanken. Dadurch öffnet sich die Tür zu einer Lebenswelt, die für viele sonst weit entfernt und abstrakt ist.
Nicht nur der Inhalt der Geschichte, sondern auch die auditive Gestaltung durch den Sprecher tragen zu einem berührenden Hörerlebnis bei. Durch Stimmvariationen werden die Charaktere zum Leben erweckt, wodurch sich während des Zuhörens ein bunter Film im Kopf abspielt.
Das Hörbuch richtet sich zwar vorwiegend an Heranwachsende, allerdings kann die Erzählung auch Erwachsene fesseln. Es sensibilisiert für das Thema Behinderung, räumt Klischees aus dem Weg und zeichnet sich zugleich durch emotionale und witzige Momente aus. Es ist ein Erlebnis zum Mitfühlen und Mitlachen. Trotz einiger herausfordernder Situationen ist die Geschichte auch durch Leichtigkeit und
Wärme geprägt.deutscher-hoerbuchpreis.de/dhp-2024/detailansicht/preistraeger/5285
Veronika Wagner hat Medienkommunikation an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg studiert und war Praktikantin bei merz | medien + erziehung.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Veronika Wagner
Beitrag als PDFEinzelansichtKati Struckmeyer: Fit for news – Der Podcast
Europäisches Institut für Journalismus- und Kommunikationsforschung & detektor.fm (2024). Fit for
news – der Podcast. Podcast, kostenlos, verfügbar auf diversen Podcast-Plattformen.
Wie erfahre ich, was wirklich los ist in der Welt? Kann man allen Medien vertrauen? Sind
Informationen bei Social Media meist Desinformationen – oder vielleicht auch mal verlässlich? Sind TikTok und X gute Quellen? Und was bringen mir eigentlich KI-Tools, wenn ich mich informieren will? Diese und weitere Fra-
gen werden in Fit for news – Der Podcast besprochen. Dabei wird einfach erklärt, wie man zuverlässige Nachrichten erkennen und richtig nutzen sowie Desinformation durchschauen kann. Der Podcast richtet sich vor allem an junge Menschen und ist ein Projekt des Europäischen Instituts für Journalismus- und Kommunikationsforschung und des Podcast-Radios detektor.fm, gefördert von der Madsack Stiftung und der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien.Der Podcast hat aktuell neun veröffentlichte Episoden mit je unterschiedlichen Aspekten von Nachrichten. Eine Folge dauert circa 15 bis 20 Minuten und wird von den detektor.fm-Moderator*innen Lars Feyen und Charlotte Thielmann moderiert, die sich mit dem Experten Prof. Michael Haller, Leiter des Europäischen Instituts für Journalismus- und Kommunikationsforschung, unterhalten.
In Folge 1 Ist das wirklich wahr? wird grundlegend besprochen, weshalb Informations- und Medienkompetenz wichtiger denn je sind und wie man zu einem kompetenten Nachrichtenumgang kommt. Dabei erläutern die Moderator*innen anhand verschiedener Beispiele auch, wie sie selbst in der Vorbereitung ihres Nachrichten-Podcasts vorgehen. Haller wiederum ergänzt, wo der Unterschied zwischen einem Eindruck bzw. einer Meinung und einer Nachricht liegt. In Folge 2 Was schreibst du denn da? geht es darum, was zu tun ist, wenn auf WhatsApp, Instagram & Co. Gerüchte auftauchen. Anhand vieler Beispiele aus der letzten Zeit, die auch Jugendliche mitbekommen haben, analysieren Haller und die Moderator*innen, woran man ein Gerücht erkennt und wie man dazu beitragen kann, dass es sich nicht weiterverbreitet. Auch allgemeine Regeln für Kommunikation im Netz werden besprochen und erklärt. Folge 3 Woher weiß ich, was los ist? behandelt den richtigen Umgang mit Urheber*innen und Quellen. Dabei legen die Moderator*innen offen, welche Quellen sie selbst für ihren Nachrichten-Podcast nutzen und geben den Hörenden Tipps, wie sie das auf ihr eigenes Mediennutzungsverhalten anwenden können.
Neben solchen Folgen mit grundlegenden Inhalten gibt es interessante Folgen mit einem besonderen Fokus. Folge 8 Wie kann ich KI zur Informationsgewinnung nutzen? thematisiert zum Beispiel die Rolle von KI beim Nachrichtenkonsum. Anhand von Beispielen wird erklärt, wie Chatbots wie ChatGPT, Copilot und Gemini funktionieren, welche Rolle Quellen dabei spielen, warum man nur begrenzt ausgewogene Antworten erwarten kann und wie man sie im Wissen um ihre Schwächen trotzdem sinnvoll nutzen kann. Auch die neunte, bisher neueste Folge Echokammern und Hass im Netz geht sehr ins Detail. Die Moderator*innen fordern dazu auf, verschiedene Blickrichtungen einzunehmen, wenn man wissen will, was wirklich in der Welt passiert – also nicht immer die Meinungen zu hören, die genau der eigenen entsprechen, sondern auch ungewohnte Ansichten kennenzulernen. Es wird thematisiert, wie genau diese ‚Bubbles‘ entstehen, wie man merkt, dass man in einer Echokammer gelandet ist, und wie man es schafft, auch wieder aus ihr herauszukommen. „Bei allen Tipps, Verhaltensregeln und Empfehlungen ist doch am Ende unser Kopf das wichtigste Werkzeug. Also, sachlich bleiben, seine Emotionen im Auge behalten, sich nichts vormachen, das Besserwissen sein lassen, zuerst nach den Fakten suchen und diese unter die Lupe nehmen soweit man kann, und dann erst seine Meinung äußern. Wer sich so verhält, der durchschaut doch auch Echokammern, erkennt meistens auch Fake News und schützt sich letztlich auch vor dem Verschwörungsgerede irgendwelcher Populisten.“ (Michael Haller, Folge 9)
Insgesamt eignen sich die Folgen gut, um Jugendliche dafür zu sensibilisieren, wie wichtig es ist, Inhalte aus dem Netz genau zu prüfen und gegebenenfalls zu hinterfragen, bevor sie geliked oder weiterverbreitet werden. Die Sprache, vor allem die des Experten Michael Haller, ist teilweise recht anspruchsvoll. Das wird durch die lockere, leichter zugängliche Art der Moderator*innen gut ergänzt.
Wer den eigenen Umgang mit Nachrichten und Quellen checken oder sich über weitere Themen weiterbilden möchte, kann auf der Website https://fitfornews.de/onlinekurse-schule verschiedene Selbstlernkurse besuchen. Pädagog*innen können dieses Tool sehr gut in den Unterricht oder in Projekte zum Thema Nachrichten- und Informationskompetenz integrieren.
Kati Struckmeyer ist verantwortliche Redakteurin von merz | medien + erziehung.Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Kati Struckmeyer
Beitrag als PDFEinzelansichtVeronika Wagner: Deepfakes und Co.
Klicksafe und ZDF logo! (2024). Deepfakes und Co. Online-Quiz, kostenlos, verfügbar auf der Website von klicksafe.
Ob Midjourney,Gemini oder DALL-E: mittlerweile gibt es eine große Auswahl an KI-Programmen, mit welchen Bilder und Videos generiert werden können. Diese verbreiten sich schnell in Sozialen Medien und können (gezielt) zu Desinformation beitragen. Daher besteht immer öfter die Herausforderung, echte Bilder und Videos von manipulierten zu unterscheiden. Parallel zum wachsenden Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf unser tägliches Leben wächst auch die Verantwortung, junge Menschen durch diese Transformation zu be-
gleiten. Dafür können medienpädagogische Angebote wie das Online-Quiz Deepfakes und Co. von klicksafe und ZDF logo! genutzt werden. Es wurde im April 2024 veröffentlicht und richtet sich an Heranwachsende zwischen
10 und 14 Jahren (5. bis 7. Klasse), welche ihr Wissen über Deepfakes testen möchten. Auf spielerische Weise vermittelt das Quiz umfangreiches Faktenwissen über generierte Fotos und Videos.Das Quiz besteht aus zehn Fragen. Eine Frage lautet zum Beispiel „Was sind Deepfakes?“. Die Antwortformate wechseln sich ab, zum Teil müssen richtige Aussagen nur angeklickt werden, manchmal sollen Aussagen zu ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ zugeordnet werden. So zum Beispiel bei der Frage „Mit KI-Tools können immer bessere Fotos und Videos erzeugt werden. Was bedeutet das für politische Wahlen? Sortiere in richtig oder falsch.“ Auch kurze Videos müssen analysiert werden. Nach dem Anklicken der Antworten bzw. dem Zuordnen der Aussagen erscheint jeweils die Lösung. Ergänzend dazu erfolgt immer eine kurze Erläuterung, wodurch Spielende direkt aus ihren Fehlern lernen und sich neues Wissen aneignen können. Die Erklärungen sind verständlich formuliert, eine Ergänzung in Einfacher Sprache wäre dennoch wünschenswert, um das Angebot inklusiver zu gestalten. Nach Abschluss des Quiz können eine Teilnahmeurkunde und eine Übersicht über die eigene Leistung heruntergeladen und bei Bedarf ausgedruckt werden. Das Online-Quiz ist sehr kurzweilig, gleichzeitig enthält es die wichtigsten Informationen zum Thema Deepfakes. Während des Durchspielens gewinnt man einen groben Überblick über das Thema. Dennoch reicht es nicht aus, um sich umfassend über Deepfakes zu informieren, vielmehr kann es eine Ergänzung bzw. Auffrischung zu bereits vorhandenem Wissen sein. Eine Möglichkeit kann zum Beispiel sein, das Quiz als interaktives Element begleitend zu einer Unterrichtseinheit zum Thema KI generierte Inhalte einzusetzen. Für Eltern und Pädagog*innen gibt es weiter unten auf der Website auch direkt Broschüren, Materialien, Checklisten, Podcasts, Erklärfilme und Infografiken, mit denen das im Quiz erworbene Wissen vertieft werden kann.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Thomas Wagner
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publikationen
Eric van der Beek: Esposito, Elena (2024). Kommunikation mit unverständlichen Maschinen (Unruhe bewahren). Wien, Salzburg: Residenz Verlag, 96 S., 20,00 €.
Esposito, Elena (2024). Kommunikation mit unverständlichen Maschinen (Unruhe bewahren). Wien,
Salzburg: Residenz Verlag, 96 S., 20,00 €.Mit dem Launch von ChatGPT 3.5 im November 2022 hat OpenAI ein disruptives Momentum erzeugt und einen gesellschaftlichen Diskurs über das Potenzial von KI-Technologien angeschoben. Die Diskussion um generative KI ist seitdem in weiten Teilen einem technizistischen Chancen-Risiken-Dualismus unterworfen. Auch in der Medienpädagogik geht es häufig um die Frage des kompetenten Umgangs mit KI, der die Chancen des Individuums angesichts dieser technologischen Evolution sichern soll.
Was bisher kaum hinterfragt wurde: Handelt es sich bei generativer KI um eine Medientechnologie? Elena Esposito konzentriert sich in ihrem Buch auf die Interaktion mit KI-Technologien und wirft die Frage auf, wie Menschenmit Maschinen kommunizieren können, die gelernt haben, als kompetente Kommunikati-
onspartner zu agieren.Im ersten Teil verwirft Esposito zunächst den Mythos der intelligenten Maschine: „Das offensichtlichste Problem ist, dass diese Maschinen zwar intelligent erscheinen, es aber nicht
sind“ (S. 13). Von der Künstlichen Intelligenz lenkt Esposito den Fokus ihrer Ausführungen auf künstliche Kommunikation. Maschinen betrachtet sie als Teilnehmer an Kommunikationsprozessen. Den gesellschaftlichen Diskurs um generative KI vergleicht Esposito mit der Einführung der Schrift. Demnach befürchtete Platon, dass die Menschen ihre Erinnerungsfähigkeit verlieren, wenn das Memorieren der Schrift anvertraut würde. Esposito argumentiert jedoch, dass Platons Fehler darin bestand, „die Auswirkungen der Schrift zu bewerten, indem er sich auf die menschliche Intelligenz (die die Fähigkeit zu memorieren verliert) und nicht auf die Kommunikation (die es ermöglicht, viel mehr zu erinnern) bezog“ (S. 21).Die Autorin zeigt daraufhin, dass die Entwicklung generativer KI-Systeme auf zwei Innovationen beruht. Erstens die Entwicklung selbstlernender Algorithmen, die weitgehend autonom funktionieren. Die zweite Innovation sind die großen Datenmengen (Big-Data), die unter anderem im partizipativen Web entstanden sind. Die Basis generativer KI liegt nach Esposito gerade in der Einsicht, die Funktionsweise der Algorithmen nicht an Vorstellungen über menschliche Intelligenz auszurichten. Maschinen können an menschlicher Kommunikation teilnehmen, weil sie weitgehend autonom durch Big Data lernen – und sich dem menschlichen Verstehen und der Kontrolle weitgehend entziehen.
In Anlehnung an Luhmann geht Esposito schließlich davon aus, dass Kommunikation nicht von der Fähigkeit zum intelligenten Handeln und Denken abhängt. Kommunikation gelingt, wenn sie Gedanken anstößt, Informationen produziert und Anschlusskommunikation ermöglicht. Auch für Künstliche Kommunikation ist demnach entscheidend, dass sie Informationen produziert, die für die menschliche Kommunikation bedeutungsvoll werden. Esposito bilanziert, dass Algorithmen kommunizieren können, „weil sie gelernt haben, die menschliche Intelligenz eigenständig zu nutzen, obwohl sie ihn nicht verstehen“ und „den menschlichen Input in verschiedenen Phasen ihrer Prozesse parasitär nutzen, um ihr eigenes Verhalten zu strukturieren und zu steuern“ (S. 41).
Im zweiten Teil des Buches geht die Autorin der Frage nach, was sich ändert, „wenn wir nicht mehr von der Vorstellung von künstlicher Intelligenz und der Konkurrenz zwischen menschlicher Intelligenz und der Leistung von Maschinen ausgehen, sondern von der Vorstellung von Kommunikation und Partnerschaft zwischen Algorithmen und Menschen“ (S. 55). Probleme mit Künstlicher Kommunikation sieht Esposito beispielsweise dort, wo Maschinen Vorhersagen treffen, Menschen darauf angewiesen sind, die Funktionsweise von Algorithmen zu verstehen oder das Weltgeschehen durch Künstliche Kommunikation
vermittelt wird. Am Ende des Buches macht Esposito schließlich deutlich, dass die Folgen des Wandels durch generative KI wie bei der digitalen Transformation nicht vorhersehbar sind.Esposito entwickelt in ihrem Buch einen distanzierten und betont gelassenen Blick auf generative KI. Allein diese Leistung ist begrüßenswert, da der gesellschaftliche Diskurs seit der ChatGPT-Disruption gleichermaßen durch fantastische Utopien und zerstörerische Dystopien geprägt wurde. Die Rezeption von Espositos Werk fordert uns dazu auf, Distanz zu nehmen und die Dinge durch eine die analytische Brille zu betrachten.
Die Einsicht, dass generative KI „weder intelligent noch dumm“ (S. 54-55) ist und trotzdem kommuniziert, verweist auf einen Wandel der sozialisatorischen Relevanz von Medien insgesamt. Für die Medienpädagogik rückt die grundlegende Frage in den Fokus, inwiefern es sich bei den generativen KI-Technologien
überhaupt um Medien handelt. Wenn man davon ausgeht, dass Technologien wie ChatGPT
oder Stable Diffusion an Kommunikation teilnehmen, sind sie vielmehr als soziale Akteure zu betrachten. In Sozialisationsprozessen können diese Maschinen als eigenständige Instanzen analysiert werden, mit denen Individuen kommunizieren. Die medialen Eigenschaften von KI-Technologien liegen in den selbstlernenden Algorithmen begründet, die Daten verarbeiten, Informationen autonom in ihre Funktionsweise integrieren und Output generieren. Für die Medienpädagogik erscheint damit die Wechselwirkung zwischen maschinellem Lernen und individuellen Entwicklungsprozessen relevant. Inspiriert durch Espositos Ausführungen stellt sich beispielsweise die Frage, wie sich Maschinen zu kompetenten Kommunikationspartnern entwickeln können, die bedeutende Funktionen in der (Medien-)Erziehung
von Kindern und Jugendlichen übernehmen.Eric van der Beek ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Lehre an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Eric van der Beek
Beitrag als PDFEinzelansichtMarcus Müller: Hartong, S. & Renz A. (2024). Digitale Lerntechnologien. Von der Mystifizierung zur reflektierten Gestaltung von EdTech. Bielefeld: transcript, 260 S., 30,00 €.
Hartong, S. & Renz A. (2024). Digitale Lerntechnologien. Von der Mystifizierung zur reflektierten Gestaltung von EdTech. Bielefeld: transcript, 260 S., 30,00 €.
Folgt eine neue Lernsoftware in der Schule den Logiken der Pädagogik oder denen der Technikunternehmen, die die Software entwickelt haben? Das Geschäftsmodell der Hersteller von Lernsoftware besteht in Datenerhebun-
gen und der Schaltung von Werbeanzeigen.nSprechen wir dann noch von Lernsoftware (EdTech) oder besser von Werbesoftware (Ad-Tech)? Im Sammelband Digitale Lerntechnologien, herausgegeben von Hartong und Renz,
konfrontieren die Autor*innen digitale Lerntechnologien mit solchen kritischen Überlegungen. Eine Besonderheit an diesem Sammelband sind kurze Interviews, welche die Herausgeber*innen mit Menschen aus der Praxis geführt haben. In diesen Zwischenspielen soll Stimmen Gehör geschenkt werden, die mit der praktischen Umsetzung von digitalgestützten Lernangeboten befasst sind, um eine möglichst lebensnahe Diskussion zu gewährleisten. Das Feld EdTech beschreiben die Herausgeber*innen als ein Werkzeug, dass primär Lehr- und Lerninhalte zugänglich machen und somit eine Erleichterung oder Unterstützung von Lernprozessen ermöglichen soll. Außerdem stellen sie fest, dass im Bereich EdTech unterschiedliche Schwerpunktsetzungen auf Pädagogik oder Technik vorliegen, was zu unterschiedlichen Zielvorstellungen und entgegengesetzten
Interessen führen kann. Wie so oft wird hier wieder deutlich: Selten können mehrere Themenbereiche berührt werden, ohne dass hierbei Reibung entsteht. Der digitale Raum steht mit all den Möglichkeiten und Gefahren dem geschützten Raum der Schule gegenüber.Die Herausgerber*innen beklagen eine Mystifizierung der Debatten um EdTech, bei der mit großen Begriffen wie Digitalisierung und globaler Gestaltung gearbeitet und so undeutlich wird, wovon eigentlich die Rede ist. Diesem Trend soll mit engem Praxisbezug und ausgewogenen Analysen entgegengestanden werden. Daher wird in diesem Buch anhand von konkreten Beispielen, wie Antolin, Lernmanagementsystem Hamburg (LMS-HH) oder Sofatutor eine Software- bzw. Plattformkritik vollzogen.
Auf der Leseplattform Antolin werden für analog gelesene Bücher Quiz für Kinder angeboten, die das Leseverständnis abfragen sowie die Lesemotivation steigern sollen. Anhand von Befragungen und Untersuchungen zur Nutzung der Plattform stellte sich heraus, dass vor allem die Punktebewertung durch die Plattform einen Einfluss auf das Lernen hat. So ist einigen Kindern das Punktesammeln bei den Quiz besonders wichtig; das Gelesene rückt dabei in den Hintergrund. Der Einsatz solcher Quantifizierungsmethoden, die manchmal sogar in die Benotung einfließen, beeinflusst die pädagogische Zielsetzung.
Zum Lernmanagementsystem Hamburg merkt Brandau an, dass „im initialen Softwaredesign von LMS-HH […] durch technische und auch politisch-strategische Entscheidungen“ bestimmte Annahmen über Bildung und Schule stecken, die es bei einer kritischen Auseinandersetzung zu identifizieren und zu diskutieren gilt.
Nach diesen Fallbeispielen folgt ein Analysewerkzeug von Deny und Weich, mit dem Praktiker*innen selbst eine Lernsoftware analysieren können sollen. Hierfür schlagen sie die Medienkonstellationsanalyse nach Weich vor, bei der vier Bereiche zu berücksichtigen sind. Neben der Materialität des Mediums sollen das Wissen und die Praktiken, die für die Benutzung des Mediums notwendig sind, betrachtet werden; zudem der Inhalt bzw. der konkrete Text und die grafischen Elemente oder Töne. Zuletzt geht es um die Subjektposition, also die spezifischen Anforderungen und Handlungsmöglichkeiten, die ein Medium von den beteiligten Personen verlangt. Diese Elementgruppen kann man durchgehen, wenn man ein bestimmtes Medium analysiert. Hierbei wird man zur Spezifizierung angehalten und soll so eine konkrete App statt pauschal digitale Technologien insgesamt analysieren. Die Autor*innen gestehen zu, dass dies „auf der einen Seite anstrengend, komplexitätssteigernd und auch niemals abgeschlossen“ ist, jedoch klarer definiert wird, „was überhaupt Gegenstand der Reflexion ist“. Insgesamt gelingt es in den Beiträgen häufig, ein Für und Wider der digitalen Technologien darzustellen, ohne sich voreilig einem der beiden Lager anzuschließen. Somit ist der Sammelband für Praktiker*innen interessant, die ihre eigene Position überdenken wollen oder mit einem Team in einer Bildungseinrichtung arbeiten, in der die Fronten der Befürworter*innen und Gegner*innen von Digitalisie-
rung verhärtet sind und eine Analyse etwa mithilfe der Medienkonstellationsanalyse für eine Versachlichung sorgen kann. Ungeachtet, ob man noch am Anfang der Einbindung von digitalen Geräten steht oder schon mittendrin ist – dieses Buch kann helfen, in die kritische Distanz zu treten, damit klarer wird, in welche Richtung es gehen soll.Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Eric Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtGeorg Materna: Mau, Steffen, Lux, Thomas & Westheuser, Linus (2023). Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft. Berlin: Suhrkamp, 535 S., 25,00 €.
Mau, Steffen, Lux, Thomas & Westheuser, Linus (2023). Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft. Berlin: Suhrkamp, 535 S., 25,00 €.
Der Erfolg wissenschaftlicher Veröffentlichungen hängt nicht ausschließlich an ihrer Qualität, sondern auch daran, inwiefern die von ihnen behandelten Fragen von der breiten Öffentlichkeit nachgefragt werden. Triggerpunkte kommt damit genau zur richtigen Zeit. Das Buch behandelt Fragen, die viele Menschen umtreiben und schafft es, diese allgemeinverständlich mithilfe empirischer Forschung und ansprechender Theoriearbeit zu beantworten. Die Hauptfrage des Buches ist: Wie gespalten ist unsere Gesellschaft? Die knappe Antwort lautet: Bei weitem nicht so gespalten, wie viele denken. In zentralen Punkten sind die Menschen erstaunlich nah beieinander. Doch dann kommt das große Aber. Denn es gibt viele Konflikte und
leider eskalieren diese auch sehr schnell. Womit die wichtigsten Diskussionsbeiträge von Triggerpunkte erreicht wären: Mau et al. erklären besser und kompakter als viele andere, welche Konfliktarenen es gibt, wer sich dort streitet und warum sich viele Leute so aufregen.Zentral für das Verständnis der behandelten Konflikte sind die Triggerpunkte: Ungleichbehandlung, Normalitätsverstöße, Entgrenzungsbefürchtungen und Verhaltenszumutungen. Zusammen machen sie deutlich, wie stark Normalitätsvorstellungen in der politischen Debatte aktuell umkämpft sind. Zur Normalität einer demokratischen Gesellschaft gehört, dass ihre Mitglieder gleiche Rechte und Freiheiten genießen wollen. Während manche Gruppen daraus Antidiskriminierungsmaßnahmen ableiten, empfinden andere die angestrebten strukturellen Veränderungen als Zumutungen und beklagen ‚Sonderrechte‘, die mit ihren Vorstellungen von Gleichberechtigung brechen. So werden Ungleichbehandlungen und die Politiken gegen sie zu Auslösern für Konflikte. Gewissheiten werden hinterfragt, eine Gesellschaft fängt an, sich zu verändern. Aktivist*innen gegen Diskriminierung oder gegen den Klimawandel fordern Veränderungen im Sprechen, im Denken und im Handeln. Andere empfinden es als Zumutung, zum Beispiel auf das Auto verzichten oder Gendern zu sollen. Die Zumutungen werden teilweise als so massiv erlebt, dass sie für Untergangs- und Bedrohungsnarrative empfänglich werden.
Konkret verorten lassen sich die Triggerpunkte in den Aushandlungsdynamiken von vier Konfliktarenen, mit denen Mau et al. versuchen, die Vielzahl gesellschaftlicher Kontroversen zu ordnen. Als erstes wird die Oben-Unten-Ungleichheitsarena behandelt, die sich um wirtschaftliche Ungleichheiten und Politiken für deren Ausgleich dreht. Diese Arena ist in Deutschland über verschiedene Systeme der Umverteilung größtenteils befriedet. Weiterhin bestehende Ungleichheiten werden zumeist übermeritokratische Vorstellungen gerechtfertigt: Wohlhabend seien vor allem jene, die viel arbeiten. Und wer viel arbeitet, hätte den Wohlstand auch verdient. Weniger befriedet, weil eine der lautstärksten innenpolitischen Konfliktarenen, ist die Wir-Sie-Ungleichheitsarena, mit der Mau et al. Konflikte um Gender und Rassismus zusammenfassen. In dieser geht es vor allem um Teilhabe und Repräsentation von marginalisierten Gruppierungen. Paradoxerweise ist diese Arena zwar eine, die die Diskussionen bestimmt, gleichzeitig zeigen die Erhebungen von Mau et al. aber auch, dass die unterschiedlichen Schichten der Bevölkerung hier nicht weit auseinanderliegen. 84 Prozent stimmen zu, dass Transpersonen anerkannt werden sollten, 81 Prozent sind für die gleichgeschlechtliche Ehe, 74 Prozent für das Adoptionsrecht von Homosexuellen. Der größte Stresspunkt der Konfliktarena besteht darin, ob Politiken für LGBT-Anerkennung als übertrieben angesehen werden oder nicht – womit der Bogen zu den Triggerpunkten geschlagen werden kann.
Eine weitere Konfliktarena besteht aus Diskussionen um Migration und Flucht, Mau et al. nennen sie die Innen-Außen-Ungleichheitsarena. Hier wird vor allem darum gestritten, wer in welchem Ausmaß ins Land kommen und dann welche Rechte genießen darf. Verhandelt werden diese Fragen zumeist mit einem Deservingness-Narrativ: Während Menschen aus Kriegs- gebieten Solidarität verdient haben, verdienen sie Menschen nicht, die vor Armut fliehen. Solidaritätsgrenzen werden hier im Diskurs je nach Position verschoben. Kritisieren lässt sich, dass Mau et al. nicht herausarbeiten, wie rechtspopulistische Akteur*innen versuchen, diese Grenzverschiebungen in Bezug auf Zugehörigkeit auch in die Wir-Sie-Arena zu tragen. Das betrifft vor allem Diskurspositionen, die Deutschen mit Migrationsgeschichte ihre Zugehörigkeit absprechen und versuchen, deren politische Positionen in die Innen-Außen-Konfliktarena zu tragen.
Die Heute-Morgen-Ungleichheitsarena ist die neueste und ungeregeltste. Sie besteht aus Konflikten um das Verständnis und die Politiken gegen den Klimawandel. In ihr zeigen sich auch die größten Polarisierungstendenzen. Während die Unterschiede in Bezug auf Alter, Geschlecht, Wohnort, Bildung oder Schicht in den anderen Konfliktarenen zumeist nur gering sind, zeigen sich hier vor allem in Bezug auf Schicht und Bildung die deutlichsten Poralisierungen.
Medienpädagogisch wenden lassen sich die Ausführungen von Mau et al. zum einen, wenn die Konfliktarenen und die mit ihnen verbundenen Verhandlung von Normalitätsvorstellungen als Entwicklungsaufgabe für junge Menschen verstanden werden. Und wenn zum anderen die
neuartigen medialen Dynamiken dieser Aushandlungen mit jungen Menschen gezielt bearbeitet werden. Denn die skizzierten Arenen sind in großen Teilen digitale Räume – auch wenn das von Mau et al. kaum herausgearbeitet wird. In diesen Räumen nehmen junge Menschen an der Konfliktaushandlung teil und werden von polarisierenden Konfliktdynamiken erreicht. Es ist ein wichtiger Auftrag von Medienpädagogik,
sie ihn ihrem Umgang damit zu unterstützen.Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Georg Materna
Beitrag als PDFEinzelansichtSebastian Ring: Buettner, Anke, Ebert, Olivia & Hasselberg, Viola (Hrsg.) (2024). Female Peace Palace. Schreiben, Widerstand und Pazifismus im Krieg. Berlin: Verbrecher. 254 S., 25,00 €.
„Wie geht Frieden?“ ist die erste Frage, die die Herausgeberinnen im Vorwort stellen. Ausgangspunkt der Publikation Female Peace Palace ist das Festival, das vor 16 Monaten durch die Monacensia, Literaturarchiv und literarisches Gedächtnis der Stadt München, sowie die Münchner Kammerspiele und Theater der Stadt veranstaltet wurde. Die Publikation knüpft an die Auseinandersetzungen mit Krieg und den Aktivismus weiblicher Akteur*innen, Gestalter*innen und Kämper*innen für Frieden an. Bezugspunkt ist der Internationale Frauenfriedenskongress, der im Jahr 1915 in Den Haag in den Niederlanden stattfand. Die
Fragen nach Gelingensbedingungen von Frieden, nach zu ertragenden Widersprüchen und Visionen für eine bessere Zukunft sind weiterhin aktuell. Sie stellten sich über die Jahrzehnte immer wieder neu und in veränderter Form. Die Publikation zeigt eindrücklich, wie schnell diese Fragen aktualisiert werden: Zwischen
dem Festival und Erscheinen des Buches, während der Arbeit an den Texten, ereignete sich am 06./07. Oktober 2023 der Terrorangriff auf Israel.
Das Buch versammelt 32 Texte, die das Geschehen des Festivals dokumentieren und um
andere Perspektiven erweitern. Künstler*innen und Autor*innen aus verschiedenen Jahrzehnten und Regionen dieser Welt äußern sich darin. Diese teils historischen Texte verweisen nicht nur auf die Vergangenheit, sondern werden in einen besonderen Bezug zu gegenwärtigen Ereignissen gestellt.
Das Festival, das im April 2023 Anreize und Zugänge für Reflexion und Diskurse schuf, öffnete auch auf anderen Ebenen Räume dafür: Die Publikation erweitert diese Perspektiven. Die plattformübergreifende Kommunikation vieler Akteur*innen, die über den Hashtag #femalepeacepalace auffindbar sind, trägt
ebenfalls dazu bei. Zudem finden sich online ein Podcast sowie die Festivaldokumentation mit Videos und weiteren Texten.Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Sebastian Ring
Beitrag als PDFEinzelansichtVeronika Wagner: Ingold, Selina & Maurer, Björn (Hrsg.). (2024). Making und Schule. Praxishandbuch für Schulentwicklung und Unterricht. kopaed. 360 S., 24,80 €.
Immer wieder stehen traditionelle Lernmethoden in der Kritik. Ergänzend zu institutionali-
sierten Formen der Bildung entwickeln sich daher neue Ansätze wie das Making. Die sogenannte Maker*innen-Bewegung basiert auf dem Grundgedanken ‚Do it yourself‘, der mithilfe von Handwerk, neuen Technologien sowie der Entwicklung von zum Beispiel Elektronik umgesetzt wird. Außerdem trägt Making dazu bei, die Digitalität greif- und erlebbar zu machen. Der Fokus liegt auf dem Erleben von Selbstwirksamkeit, außerdem zeichnet sich das Making durch praktisches Lernen, Kreativität und Lerngemeinschaft aus. Um diese Werte umzusetzen, gibt es sogenannte Maker-Spaces, also offene Werkstatträume, in welchen Menschen ihren kreativen Ideen nachgehen können und Materialien dafür zur Verfügung gestellt bekommen. Basierend auf diesem Konzept entwickelt sich der Trend, über außerschulische MakerSpaces hinaus Making auch in den Schulalltag zu integrieren.
Das Handbuch Making und Schule nimmt Lehrende und weitere schulische Akteur*innen an die Hand, welche Schulentwicklungsprojekte mit Fokus auf Maker Education anstoßen wollen. Innerhalb von sechs Abschnitten werden Informationen über die Phasen der Realisierung eines Maker-Projekts erläutert, gegliedert in Starten, Planen, Konzipieren, Umsetzen, Unterrichten und Weiterentwickeln. Ergänzt werden die Inhalte durch grafische Checklisten und konkrete (visuelle) Vorschläge zur praktischen Umsetzung. Die Inhalte reichen von Grundvoraussetzungen einer Schule über die Budgetplanung bis hin zu den Zuständigkeiten im Making-Team. Zudem werden Ideen für die Unterrichtsgestaltung sowie Beispielprojekte vorgestellt.Lesende profitieren von umfangreichen praktischen Erfahrungen der Autor*innen, da das Buch auf der dreijährigen Erprobung von Making Education an fünf Pilotschulen mit unterschiedlichen Bedingungen fundiert. Daher eignet es sich hervorragend für alle, die Making in ihrem eigenen Umfeld umsetzen möchten. Der chronologische Schritt-für-Schritt-Aufbau sorgt dafür, dass man langsam einen Zugang zum Thema gewinnen kann und sich abschließend umfangreich informiert fühlt.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Veronika Wagner
Beitrag als PDFEinzelansichtMarcus Müller: Maurer, Björn; Rieckmann, Marco & Schluchter, Jan-René (Hrsg.) (2024). Medien – Bildung – Nachhaltige Entwicklung. Inter- und transdisziplinäre Diskurse. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. 350 S., 78,00 €
Daten werden nicht aufgesammelt, sondern erhoben. Sie sind keine naturgegebene Ressource; vielmehr werden sie auf spezifische Art und Weise erstellt. So der rote Faden, welcher den Sammelband Medien – Bildung –
Nachhaltige Entwicklung durchzieht. Ebenso gestaltbar wie Datensätze ist eine Transformation hin zu einer nachhaltigen Entwicklung. Vor allem Bildung wird in diesem Buch als zentrales Mittel zu einer solchen Entwicklung gehandelt.Schon die drei Kernbegriffe – Medien, Bildung, Nachhaltige Entwicklung – bilden eine komplexe Gemengelage. Unser Wissen über Umweltverschmutzung erhalten wir maßgeblich durch mediengestützte Bildungsprozesse. So wird im Sammelband entsprechend eine Projektidee vorgestellt, bei der Kinder mithilfe von digitalen Lerngeräten die Verschmutzung in ihrer Stadt bewerten und erfassen können, um so eine Aufräumaktion zu starten. Gleichzeitig verursachen die digitalen Endgeräte - also die Medien, mit denen wir von der Verschmutzung erfahren – selbst Datenmüll. Ein Prozess, der sich in einem handfesten Ressourcenverbrauch und Emissionsausstoß manifestiert. In den Beiträgen entwickeln die Autor*innen Bildungsangebote, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen sollen und dabei Machtverhältnisse sowie strukturelle und analytische Gesichtspunkte berücksichtigen. Dabei unternehmen sie den Versuch digital- und mediengestützte Lernangebote nicht bloß als Teil der Lösung, sondern stets auch als Teil des Problems zu erkennen.
Insgesamt entsteht so eine differenzierte und kritische Betrachtung dreier Megathemen des 21. Jahrhunderts. Der Band richtet sich vor allem an Akteur*innen aus Bildungskontexten, doch im Grunde gehören diese Themen zu keiner festen Zielgruppe, denn Bildung, Medien und die Transformation zu einer nachhaltigen Lebensweise gehen uns alle etwas an.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Eric Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtVeronika Wagner: Pertsch, Sebastian (2023). Vielfalt. Das andere Wörterbuch. Duden. 272 S., 28 €.
Unsere Gesellschaft verändert sich stetig und wird immer vielfältiger. Diese Tendenz bringt auch Sprache als Spiegel des gesellschaftlichen Wandels ans Licht. Aber (sprachliche) Veränderungen stoßen nicht bei allen auf Akzeptanz, sondern lösen oft emotionale, manchmal sogar polemische Diskussionen aus. Jedoch
hat Sprache Macht und beeinflusst, wie wir denken und die Welt wahrnehmen. Es bedarf deshalb einer stärkeren Sensibilisierung über den Hintergrund und die Verwendung neuer Wörter. Dies sollte jedoch empathisch
geschehen, um möglichst viele Menschen zu erreichen.Hier setzt das Buch Vielfalt – Das andere Wörterbuch an. Der Fokus liegt auf Begriffen, welche die gesellschaftliche Vielfältigkeit widerspiegeln. Die Wörter sind eine ausgewählte Komposition aus diversen Lebensbereichen, welche im Kontext von Sprache thematisiert werden. Sollte man noch ,Behinderte’ sagen oder ist ,Menschen mit Behinderung’ angemessener? Diese und viele weitere Fragen werden aufgeklärt. 100 Begriffe werden nach der Definition des Dudens erläutert und zusätzlich durch die Perspektiven von 100 unterschiedlichen Autor*innen bereichert. Zu den Mitwirkenden gehören bekannte Persönlichkeiten wie Raúl Krauthausen, Ferda Ataman, Mario Sixtus, welche Expertise durch einen persönlichen und/oder beruflichen Bezug zum Thema haben. Die Erklärungen sind auf jeweils zwei Seiten knapp und verständlich gehalten, illustriert und trotz teils komplexer und schwieiger Thematiken leicht verdaulich gehalten. Weitere Beispiele für erläuterte Begriffe sind Blackfacing, Intersektionalität und Misogynie. Außerdem wird auf rund 1000 relevante Quellen sowie diverse Medientipps aufmerksam gemacht.
Das Wörterbuch ist für alle Menschen zu empfehlen, die ein grundlegendes Interesse an Sprache haben und sich adäquat zum gesellschaftlichen Wandel weiterbilden möchten, aber bei den stetigen Wortneuschöpfungen nicht mehr durchblicken oder sich noch nicht (genug) sensibilisiert fühlen. Allerdings werden insgesamt nur 100 Wörter erläutert, obwohl es viele weitere wichtige Begriffe gibt, die eine Erklärung verdient hätten. Dennochbietet es einen guten Überblick, durch welchen man sich auf neutraler Ebene ohne angehobenen Zeigefinger informieren und damit einen angenehmen Zugang zu neuen Themen gewinnen kann.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Thomas Wagner
Beitrag als PDFEinzelansichtMarcus Müller: Spies, Thomas, Kurt, Şeyda & Pötzsch, Holger (Hrsg.) (2024). Spiel*Kritik. Kritische Perspektiven auf Videospiele im Kapitalismus. Bielefeld: transcript. 332 S., 40,00 € (und kostenlos als Download verfügbar).
Der Sammelband Spiel*Kritik von Spies, Kurt und Pötzsch führt mit den Kapiteln Erinnern, Arbeiten, Ermächtigen und Agitieren durch die Welt der Videospiele im Kapitalismus und beleuchtet die virtuellen Welten im Wechsel-
spiel mit den realen Umständen, unter denen sie produziert, gespielt und erlebt werden. Der Spannungsbogen führt von einer historischen Betrachtung der Computerspiele, über die Darstellung von Arbeit in Computerspielen und den Arbeitsbedingungen der Spielentwickler*innen, über die Repräsentation von Minderheiten, bis hin zur Betrachtung von Handlungen inner- und außerhalb von Spielen.In den Beiträgen soll Kritik im Anschluss an die Frankfurter Schule als ein Projekt verstanden werden, in dem Ideologien der Herrschenden analysiert und entschleiert werden, um alternative – beispielsweise feministische – Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Den Herausgeber*innen geht es dabei darum „[…] Medienproduktion und -konsum in weiteren gesellschaftlichen Kontexten zu verorten und damit deren komplexe politische Rolle greifbar zu machen.“. Hierbei wird vorausgesetzt, dass Videospiele grundsätzlich dazu geeignet sind, politische Werte zu vermitteln und politische Themen zu verhandeln.
Viele Beiträge gehen von normativen Ansätzen aus und beanspruchen, Theorie und Praxis zu verbinden. In manchen Beiträgen ist eine Positionierung der Autor*innen erkennbar, welche mit Anregungen zu aktivem Handeln verbunden wird. So schreibt etwa Astrid Ensslin, dass sich aus ihrem Beitrag neue Analyse-
ansätze und Gestaltungsoptionen ergäben, die „[…] sowohl dem Edutainment als auch dem politischen Aktivismus dienen.“ Thomas Spies schlägt vor, dass polizeiliche Gewalt bewusst sichtbar gemacht werden solle, um gegen ihre Unsichtbarkeit entgegenzuwirken.Die Lektüre des Sammelbandes setzt ein gewisses Grundwissen über Videospiele voraus und ist für alle interessant, die mehr über die noch junge Disziplin der Game Studies erfahren wollen.
Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Eric Müller
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kolumne
Aida Bakhtiari: Ein Wunder!
Die Tür geht auf, eine Dame tritt ein. Bei der Digitalen Hilfe weiß man nie, wer kommt, welche Hilfe gesucht wird, welcher Wissensstand vorhanden ist oder welche Probleme wir gemeinsam lösen werden. Wir haben uns zum Ziel gemacht, Menschen zu helfen, ihre Geräte selbst zu bedienen. Digital souverän zu werden. Doch ob sich die Sitzung wirklich um ein digitales Problem dreht oder ganz andere Baustellen bearbeitet
werden, können wir nicht wissen. Einsamkeit, Erkrankungen, Wohnungsnot. Klar ist, es gibt ein Gefälle, welches wir zu überwinden versuchen. „Herzlich willkommen! Kommen Sie herein!“ Eine Dame, gestützt auf einen Rollator. „Guten Tag, mein Name ist Papadopoulos.“ Ich schiebe einen Stuhl zurecht. Ein alter Laptop wird ausgepackt, ein Thinkpad T60, Baujahr 2006, mit Windows 95. Es scheint eine Ewigkeit her, dass
ich diese Farben und den Look gesehen habe. Die Dame muss gut beraten worden sein; zu seiner Zeit war dieser Laptop ein Vorreiter! Sie zeigt mir ihren Browser. Seitdem sie in Griechenland bei
ihrer Familie war, funktioniert ihre Nachrichtenseite nicht mehr. Ich übersetze die Seite mit Google Lens. Die Cookie-Zustimmung der Website muss neu eingerichtet werden. Frau Papadopoulos ist begeistert, dass die „magische Kamera“ ihre Sprache für mich übersetzt. „Ein Wunder!“ Die Cookies sind abgelehnt und die Seite funktioniert wieder.Sie erzählt mit Begeisterung von der Technik. Schon immer wollte sie in ihrem Leben auf einen Berg in Griechenland wandern. Ihre Beine haben ihr das nie erlaubt. Aber durch ihr Thinkpad kennt sie jetzt jede Ecke dieses Berges. „Für mich wird jeden Tag ein Traum wahr, ich sitze zu Hause und kann Orte besuchen, von denen ich nur geträumt habe.“ Die Beratungszeit ist zu Ende. Mit unseren Ressourcen haben wir
um die 45 Minuten pro Person. Ein Drittel unserer Klient*innen kommt wieder. Als nächstes holt Frau Kohler ein modernes iPhone aus der Tasche. Sie beginnt ihre Frage, indem sie mir versichert, dass sie keine Ahnung
von der Technologie hat. Doch ihre Augen funkeln, während sie – das iPhone schwingend – erzählt, wie sie ihr Leben lang Briefe schrieb und telefonierte, aber nie ein Smartphone nutzen wollte. „Meine Tochter ist wirklich hartnäckig gewesen! Sie wohnt in den USA. Sie brachte mir eines Tages dieses kleine Ding. Sie können sich vorstellen, ich wollte erst nichts davon wissen. Ich bin zu alt für sowas. Aber als ich plötzlich
das Gesicht meiner Enkelkinder auf dem Bildschirm sah, war es, als hätte jemand ein Fenster zu meiner Familie geöffnet.“ Tränen füllen ihre Augen bei der Erinnerung. „Ich konnte mit denen sprechen, als wären sie direkt vor mir! Ein Wunder! Jetzt reden wir zweimal die Woche. Nur so habe ich die Corona-Zeit überlebt! Ich darf miterleben, wie sie erwachsen werden. Jetzt will ich meine Enkeltochter überraschen
und ihr meine Urlaubsbilder schicken. Dafür muss ich eine App herunterladen, oder? Können
Sie mir dabei helfen?“ Das sind die schönsten Momente im Alltag. Die eine Person ist weniger in Not, die andere weniger einsam. Allein zwischen Januar und Juni 2024 haben wir mehr als 1000-mal beraten.Beitrag aus Heft »2024/04: Jugend, Medien, Krieg und Frieden«
Autor: Aida Bakhtiari
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Ansprechperson
Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
kati.struckmeyer@jff.de
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