Jahresbericht 2009
Berichte über die Projekte aus Forschung und Praxis, sowie Informationen über die Publikationen des JFF aus dem Jahr 2009
Im Jahr 2009 nahm die Geschichte des JFF einen zentralen Platz in der Arbeit von Vorstand und Institut ein. Wir konnten das 60-jährige Bestehen des JFF feiern und zusätzlich wurde eine von uns initiierte und bis heute in der Bundesrepublik einmalige Struktur, die Medienfachberatung, ein halbes Jahrhundert alt.
60 Jahre JFF – das heißt auch 60 Jahre Medienpädagogik im deutschsprachigen Raum. Mit der Gründung des Vorläufers "Arbeitskreis für Jugend und Film e.V." im Dezember 1949 ist das JFF nicht nur die älteste medienpädagogische Einrichtung in Deutschland. In der 60-jährigen Geschichte hat es die Medienpädagogik in wissenschaftlicher wie in praktisch-pädagogischer Hinsicht entscheidend geprägt und vor allem qualitative Standards gesetzt. Zwei Leitlinien haben unsere Arbeit durch viele Jahrzehnte getragen und werden sie auch künftig gut fundieren:
Das Interesse, die Prozesse der Medienaneignung der Menschen wissenschaftlich aufzuklären und pädagogisch zu unterstützen, bedeutet, dass das Handlungsfeld der Medienpädagogik im Dreieck: Gesellschaft – Medien – Subjekt anzusiedeln ist. Vor diesem Hintergrund lautet eine erste Leitlinie für Forschung und pädagogische Praxis, sie in Zusammenhängen zu gestalten. Medienaneignung ist eingebettet in das Handeln im eigenen sozialen Umfeld, findet also in gesellschaftlicher Rahmung statt, und zielt darauf, die darin verankerten und verfügbaren Medien und ihre Angebote zielführend in das eigene Leben zu integrieren. Entsprechend bestimmt das soziale Umfeld die Perspektive auf die Medienwelt und die Ausrichtung des eigenen Handelns in ihr. In der JFF-Arbeit sind Lebens- und Medienwelt Kontextgrößen, zu denen Medienhandeln in Beziehung gesetzt wird. Das ist z.B. der Fall, wenn in den aktuellen Konvergenzstudien untersucht wird, wie Jugendliche sich die neuen Artikulationsmöglichkeiten der Medienwelt zunutze machen, um sich selbst und ihre Ansichten öffentlich zur Geltung zu bringen. In der pädagogischen Praxis ist das z.B. der Fall, wenn Kinder und Jugendliche angeregt werden, sich mit Medien zu relevanten Themen zu äußern, wie etwa beim Kinderfotopreis, der aktuell schon sehr junge Kinder zur Auseinandersetzung mit Themen wie Ernährung oder Umwelt anregt. Eine zweite Leitlinie der JFF-Arbeit betont das aktive Subjekt. Kinder und Jugendliche sind aktive Interpreten und Gestalter ihrer Umwelt und der darin eingebetteten Medien. Sie haben eine eigene Perspektive auf die Medienwelt und setzen sie in eigensinniger Interpretation zu sich als Person und zu ihrer sozialen Umwelt in Beziehung. Die Frage: "Was machen die Medien mit Heranwachsenden?", die in der Medienpädagogik lange Zeit dominierte, erfasst nur einen kleinen Ausschnitt des Verhältnisses zwischen Menschen und Medien. Um Prozesse der Medienaneignung nachzeichnen zu können, ist vielmehr vorrangig zu fragen: "Was machen Heranwachsende mit den Medien?" Mit dieser Frage werden Kinder und Jugendliche als Subjekte begriffen, die sich die Medienwelt aktiv und eigensinnig aneignen. Die Relevanz dieser Sichtweise erhöht sich in der heutigen Medienwelt animiert diese doch in vielfältiger Weise dazu, mediale Techniken aktiv als Artikulationsmittel zu nutzen und Teile des sozialen Lebens in mediale Räume zu verlagern. In den Forschungen des JFF geht es unter diesem Fokus vorrangig darum, die Medienaneignung unterschiedlicher Altersstadien und sozio-kultureller Gruppen aufzudecken und sinnverstehend nachzuzeichnen. Die Untersuchung "Medienhandeln in Hauptschulmilieus", die 2008 abgeschlossen und immer noch stark nachgefragt ist, ist dafür ein Beispiel. Konsequent fortgesetzt wird dieses Prinzip, wenn wissenschaftliche Befunde für pädagogische Felder aufbereitet werden, wie das im FLIMMO geschieht, der vor nunmehr einem Dutzend Jahren von JFF und Bayerischer Landeszentrale für neue Medien in gemeinsamer Anstrengung ins Leben gerufen wurde. Er vermittelt Eltern die Sicht von Kindern auf das Fernsehen, Woche für Woche am aktuellen Programm, und erhöht so kontinuierlich ihre Erziehungskompetenz. In der JFF-Praxis wird die Ausrichtung am Subjekt umgesetzt, indem den Heranwachsenden Räume geöffnet werden, in denen sie sich gemeinsam mit anderen erproben und erfahren können. Ein solcher Raum ist seit Jahren der afk, der Aus- und Forbildungskanal, in dem Heranwachsende Fernsehen und Hörfunk unter Ernstfallbedingungen produzieren.
Leitlinien wie die beiden skizzierten haben das JFF bisher zuverlässig davor bewahrt, einseitige Positionen zu vertreten, singuläre mediale Entwicklungen zu überhöhen, Zeitgeist- und Kampagnenpädagogik zu betreiben oder in Abhängigkeiten von Interessengruppen, welcher Ausrichtung auch immer, zu geraten. Das Kürzel JFF steht nicht nur für medienpädagogische Kontinuität, sondern vor allem für medienpädagogischen Anspruch und eine klare und verlässliche Position. Daran halten wir fest, denn es ist eine entscheidende Basis unseres guten Rufes. Das ruft Neider auf den Plan, die seit Jahrzehnten an verzweifelten Aussagen zu erkennen sind wie "Schon wieder das JFF" oder "Warum immer das JFF?" Die Antwort ist einfach: weil wir seriös sind und die Nase im Wind der Lebenswelt der Menschen haben. Daran wird sich nichts ändern, wir machen auch künftig sensibel an den Menschen und ihren Lebensbedingungen ausgerichtete Forschung und Pädagogik und unabhängige, empirisch fundierte und pädagogisch begründete Beratung für alle pädagogischen Handlungsfelder.
Eine Struktur, für die sich die hochwertige Medienpädagogik und Beharrlichkeit des JFF ausgezahlt hat, ist die Medienfachberatung Bayern. Die 1959 auf Initiative des "Arbeitskreises Jugend und Film" ins Leben gerufenen Jugendfilmberater waren durchgängig auf ehrenamtlicher Basis angetreten, um die Kinobegeisterung der damaligen Jugendlichen in wünschenswerte Bahnen zu lenken und sie möglichst von Kindesbeinen an für qualitativ hochwertige Kinoproduktionen zu begeistern. Seither hat sich viel bewegt: Im Zuge der Medienentwicklung wurden aus den Jugendfilmberatern Fachberaterinnen und Fachberater für Medienpädagogik. Die wachsende Bedeutung der Medien verbunden mit oft mühseligen, aber immer ausdauernden Bemühungen des JFF und des zuverlässigen Partners Bayerischer Jugendring gelang es nach und nach in den bayerischen Bezirken, die ehrenamtliche Medienfachberatung in eine hauptamtliche Struktur zu überführen. Zum 50-jährigen Jubiläum konnte so verkündet werden, dass ab 2010 alle bayerischen Bezirke über eine hauptamtliche Medienfachberatung verfügen, ein Umstand der den Kindern und Jugendlichen, aber auch ihren Eltern und pädagogischen Bezugsgruppen in Bayern sicher zugute kommen wird, um mit den ständig wachsenden Herausforderungen der heutigen Medienwelt zurecht zu kommen. Dieser veränderten Struktur wird auch in dem vorliegenden Jahresbericht Rechnung getragen; die Berichte der Fachberaterinnen und Fachberater, die bisher der Abteilung Praxis des JFF zugeordnet waren, stehen nunmehr als eigener Teil am Ende des Jahresberichts. Für das JFF bedeutet die hauptamtliche Struktur einerseits einen großen Erfolg, andererseits steigen aber auch die Anforderungen hinsichtlich der Betreuung der flächendeckenden hauptamtlichen Medienfachberatung. Diese Anforderungen beginnen unsere Personalkapazitäten zu überfordern und so gelten die aktuellen Bestrebungen der Einrichtung einer Fachstelle Medienfachberatung Bayern am JFF.
Natürlich bedeutet die Vorbereitung solcher Jubiläen viel Aufwand logistischer und organisatorischer Art, aber auch Kreativität und Fantasie. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des JFF haben einmal mehr bewiesen, dass sie Medien nicht nur inhaltlich, sondern auch kreativ zu gebrauchen und einzusetzen wissen und dass sie sich in ihrer Mehrheit auch dann engagieren, wenn es nicht unmittelbar mit ihrer bezahlten Arbeitsstelle zusammenhängt. Das ist nicht selbstverständlich und verdient Erwähnung und expliziten Dank.
Das Jahr 2009 stand zusätzlich im Zeichen von Umbrüchen. Nach dem Ausscheiden des langjährigen geschäftsführenden Direktors Dr. Fred Schell zu Ende März übernahm die bisherige wissenschaftliche Direktorin Prof. Dr. Helga Theunert die alleinige Verantwortung als Direktorin des JFF. Mit der Einsetzung von zwei Stellvertreterinnen wurde zugleich die Leitungsstruktur verändert: Kathrin Demmler ist als eine Stellvertreterin nunmehr für die Belange der pädagogischen Praxis mit zuständig und teilt sich zugleich die Abteilungsleitung Praxis mit Günther Anfang. Ulrike Wagner, die die Nachfolge von Helga Theunert in der Leitung der Abteilung Forschung angetreten hat, ist als weitere Stellvertreterin für die wissenschaftlichen Belange mit zuständig.
Die reguläre Arbeit im JFF hatte trotz aller Festakte und Umstrukturierungen natürlich keine "Auszeit". Studien und Projekte wurden abgeschlossen, fortgeführt und neu gestartet, Tagungen und Seminare fanden statt und Publikationen entstanden. Der vorliegende Jahresbericht gibt einen Überblick über die vielen und vielfältigen Aktivitäten des JFF im Jahr 2009. Sie zeugen davon, dass das Institut für Kontinuität und verlässliche Positionen steht, aber auch aktuelle Medienentwicklungen aufgreift und die heranwachsende Generation in ihrem Medienhandeln beobachtet und begleitet sowie wissenschaftlich und pädagogisch neue Impulse setzt. Dafür sei den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an dieser Stelle herzlich gedankt.
Prof. Dr. Bernd Schorb
Vorsitzender JFF e.V.
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