2024/03: Medienpädagogik und KI
Die große Aufregung um KI fordert einmal mehr die Medienpädagogik heraus und setzt diese unter Druck, angemessen zu reagieren, sich zu positionieren und entsprechende Angebote nicht nur für Kinder und Jugendliche zu entwickeln. Um die medienpädagogische Perspektive weit aufzumachen, liegt der Fokus des Hefts sowohl auf der Relevanz von Medienkompetenz im theoretischen Diskurs, als auch auf praktischen Ansätzen der Aktiven Medienarbeit zum Thema KI.
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Antonia Giebisch: Jugendstudie zum Einsatz von KI an Schulen
Künstliche Intelligenz wirkt sich unaufhaltsam auf sämtliche Lebensbereiche aus. Vor diesem Hintergrund führte die Vodafone Stiftung Deutschland gGmbH die Jugendstudie Pioniere des Wandels – Wie Schüler:innen KI im Unterricht nutzen möchten durch. Die Studie basiert auf den Antworten von 1590 deutschsprachigen Jugendlichen im Alter von 14 bis 20 Jahren, die im Januar 2024 online befragt wurden. Während viele Jugendliche (73 %) den Einsatz von KI im Unterricht als Chance sehen und wichtig für ihr berufliches Vorankommen (69 %) empfinden, ist das Thema Künstliche Intelligenz nur bei wenigen Befragten (38 %) bereits an ihren Schule angekommen. Jedoch nutzen bereits 74 Prozent der Jugendlichen KI-Anwendungen in ihrer Freizeit, wobei ChatGPT (46 %), Google Lens (25 %), Apple Siri (24 %) und Snapchat My AI (19 %) am häufigsten genannt werden.
Die Befragten erkennen vor allem in den Fremdsprachen (57 %) und MINT-Fächern (51 %) das Potenzial des Einsatzes von KI im schulischen Kontext. Sie erhoffen sich dabei Unterstützung bei der Erklärung komplexer Sachverhalte (49 %) und der Informationsbeschaffung (47 %). Jedoch äußern sie auch Bedenken wie die fehlende Unterscheidbarkeit von Eigenleistung und Leistung der KI (57 %) sowie die Befürchtung, das Lernen zu verlernen (49 %).
Die Schüler*innen wünschen sich daher, dass die Prüfungsformen an den Einsatz von KI im Unterricht angepasst werden und bevorzugen praxisorientierte Aufgabenstellungen statt reinen Auswendiglernens (59 %). Zusätzlich sind viele Schüler*innen daran interessiert, ihr Wissen über KI-Systeme zu erweitern, einschließlich einer sinnvollen Nutzung zum Lernen (47 %) und im Alltag (44 %), potenzieller Risiken (46 %) sowie einer optimalen Bedienung (34 %). Über die Hälfte der Befragungsteilnehmer*innen (64 %) betont die Wichtigkeit der Kompetenz, Informationen kritisch zu hinterfragen, während 61 Prozent einen verantwortungsvollen Umgang mit KI und 59 Prozent die Sicherheit im Umgang mit Daten als essenziell erachten.
https://vodafone-stiftung.de/ jugendstudie-kuenstliche-intelligenz
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Autor: Antonia Giebisch
Beitrag als PDFEinzelansichtKati Struckmeyer: miniKIM 2023: Mehr smarte Geräte bei kleinen Kindern
23 Prozent der Kinder zwischen zwei und fünf Jahren nutzen täglich mindestens ein smartes Gerät wie Handy, Tablet, Laptop oder Sprachassistent. Nimmt man Mediatheken, Streaming-Dienste, Computerspiele oder Apps dazu, sind es 44 Prozent der Kinder, die täglich digitale Angebote nutzen. Diese und weitere erste Ergebnisse der miniKIM 2023 wurden Ende April vorgestellt.
Die Studie liefert Basisdaten zur Mediennutzung von Kindern im Alter zwischen zwei und fünf Jahren. Die Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mpfs) in Kooperation mit dem Südwestrundfunk (SWR) wurde nach 2012, 2014 und 2020 nun zum vierten Mal durchgeführt. Insgesamt wurden 600 Haupterziehende von Zwei- bis Fünfjährigen zur Mediennutzung ihrer Kinder befragt. Die Medienausstattung der Haushalte hat sich seit der letzten Befragung deutlich verändert. So sind in den Haushalten wesentlich mehr Sprachassistenten verfügbar. Weiterhin haben inzwischen vier von fünf Familien mit Kleinkindern ein Streaming-Abo. Auch der direkte Zugang der Kinder zu smarten Geräten hat seit der letzten Befragung erheblich zugenommen. Mit einer Steigerung um 50 Prozent hat nun jedes fünfte Kind zwischen zwei und fünf Jahren ein eigenes Tablet zur Verfügung, bei den Vier- bis Fünfjährigen sind es fast ein Drittel (28 %). Jedes zehnte Kind im Alter von zwei bis fünf Jahren hat nach Angaben der Eltern bereits ein eigenes Handy oder Smartphone.
Studienleiter Thomas Rathgeb betonte bei der Präsentation der ersten Ergebnisse, dass die Familien mittlerweile eine sehr umfangreiche Medienausstattung hätten. Durch den Zugang kleiner Kinder dazu wachse auch die Verantwortung der Eltern, die Mediennutzung der Kinder zu begleiten und altersgerecht zu gestalten.
Die kompletten Studienergebnisse werden in Kürze veröffentlicht.
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Autor: Kati Struckmeyer
Beitrag als PDFEinzelansichtSwenja Wütscher: Online-Risiken und elterliche Medienerziehung - aus Sicht von 10- bis 14-jährigen
„Meine Eltern haben so eine App, damit können sie halt mein komplettes Handy kontrollieren“ – so ein Zitat aus der Monitoring-Studie ACT ON!. Der aktuelle Bericht, der sich mit der Sichtweise von 10- bis 14-Jährigen auf elterliche Medienerziehung und Online-Risiken befasst, gibt tiefe Einblicke in ihre Bedürfnisse und Anliegen.
Nicht wenige 10- bis 14-Jährige nutzen SocialMedia-Angebote, von deren Nutzung sie laut AGB ausgeschlossen sind. Doch welche Herausforderungen und Bedürfnisse bringt das mit sich? Insbesondere Kinder im Alter von 10 bis 12 Jahren sehen in ihren Eltern vor allem Gatekeeper-Funktionen bezüglich der Medienauswahl und der Kontrolle von Online-Zeiten. Die Ergebnisse zeigen, je plausibler Eltern Entscheidungen und Vereinbarungen begründen können und je besser sie ihre Kinder darin unterstützen, in ihnen einen Nutzen für sich zu erkennen, desto eher lassen die Kinder sich darauf ein.
Gleichzeitig zeigt sich eine gewisse Ambivalenz: Während viele Kinder eine verstärkte elterliche Einbindung begrüßen, fürchten andere eine zu strenge Kontrolle und bevorzugen es, unter dem Radar ihrer Eltern zu agieren. Das Vorhandensein von Parental-Control-Apps wird von einigen durchaus als Einschränkung empfunden, von anderen wiederum als sehr hilfreich angesehen. Diese unterschiedlichen Perspektiven unterstreichen die Komplexität der elterlichen Medienerziehung und die Herausforderung, eine Balance zwischen Überwachung und Freiheit zu finden.
Die Ergebnisse heben damit auch hervor, wie wichtig es ist, Eltern bei der Entwicklung von Medienkompetenz und einem angemessenen Umgang mit digitalen Medien zu unterstützen.
Für die Studie des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), wurden in den Jahren 2022 und 2023 mit insgesamt 18 Kleingruppen aus unterschiedlichen Bildungs- und Lebenskontexten qualitative Forschungsworkshops durchgeführt. Insgesamt nahmen 78 Kinder und Jugendliche daran teil.
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Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtSwenja Wütscher: D21-Digital-Index 2023/24: Digitaler Wandel
Die Digitalisierung dringt immer stärker in verschiedene Lebensbereiche vor, doch nicht alle Bevölkerungsgruppen können gleichermaßen davon profitieren. Der D21-Digital-Index 2023/24 wirft einen Blick auf die Anpassungs- und Zukunftsfähigkeit der Digitalen Gesellschaft.
Ein zentrales Ergebnis ist die Erkenntnis, dass trotz des Fortschritts der Digitalisierung eine Skepsis gegenüber ihren Auswirkungen besteht. Schon jede*r Dritte nutzt KI-Dienste wie ChatGPT oder DeepL, jedoch fällt vielen der kompetente Umgang damit noch schwer.
Für die große Mehrheit der Bürger*innen ist Digitalisierung fester Bestandteil des eigenen Lebens. 49 Prozent gehören zur Digitalen Mitte, 35 Prozent zu den Digitalen Profis, 15 Prozent sind Digitale Vermeider*innen. Doch ein hohes Maß an Digitalität allein reicht nicht aus, um auch zukünftig zu den Gruppen der Gesellschaft zu zählen, die besonders vom technologischen Fortschritt profitieren können. So droht neben den Digitalen Vermeider*innen auch die Ablehnende Mitte perspektivisch den Anschluss zu verlieren.
Eine Mehrheit der Bürger*innen wünscht sich mehr Transparenz und Aufklärung, um nachhaltiger digital zu leben. Konkrete Maßnahmen wie ein gesetzliches Recht auf Reparatur digitaler Geräte oder Prämien für nachhaltiges digitales Verhalten werden besonders begrüßt. Die Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit aller Akteur*innen, um die Digitalisierung optimal für eine nachhaltige Zukunft zu nutzen.
Der D21-Digital-Index ist eine Studie der Initiative D21, wird durchgeführt von Kantar und gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Die Studie vermittelt ein Lagebild zur digitalen Transformation.
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Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtHeinrike Paulus: Unrealistische Körperbilder im Netz
Jugendliche suchen sich häufig Vorbilder wie Influencer*innen, um ihre Identität oder das eigene Körperbild zu festigen. Vermeintlich perfekte Körper prägen so ihr Verständnis von Schönheit und beeinflussen Körpergefühl und -wahrnehmung. Die zehnseitige Broschüre Schönheitsideale im Internet. Tipps für selbstbewussten Umgang mit Schönheitsidealen in virtuellen Welten von Internet Service Providers Austria (ISPA) klärt über unrealistische Körperbilder auf und gibt praktische Hinweise zu Selbstwahrnehmung und -akzeptanz.
Niedrigschwellig werden der Schönheitsbegriff, Filteralgorithmen, sexualisierte Darstellungen und gesundheitsgefährdende Körperbilder reflektiert. „Besonders in der vulnerablen Phase des Erwachsenwerdens sollte die Stärkung des Selbstbewusstseins Priorität haben“, heißt es in einem Erklärtext. Zudem enthält die Broschüre für Familien, Lehrer*innen oder Pädagog*innen Tipps und Informationen, wie sie Jugendliche unterstützen können.
Obwohl vielen Heranwachsenden bewusst ist, dass die unrealistischen, idealisierten Körperbilder von beispielsweise Influencer*innen auch durch den Einsatz von Bildbearbeitungssoftware und Filter entstehen, eifern viele diesem Ideal nach. Dazu kommen von KI erzeugte Fotografien. Oft lastet auf Heranwachsenden ein großer Druck, den sie zu kompensieren versuchen, indem sie selbst Videos und Bilder durch Filter idealisieren. Vor diesem Hintergrund erhalten Jugendliche in der Handreichung wertvolle Hinweise, wie sich die Selbstakzeptanz fördern lässt. Die Handreichung basiert auf einer Studie zu Schönheitsidealen, die 2024 vom Institut für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung im Auftrag des Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und der ISPA im Rahmen der EU-Initiative Saferinternet.at durchgeführt wurde (siehe merz 24-2).
https://ispa.at/wissenspool/ broschueren
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Autor: Heinrike Paulus
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thema
Angelika Beranek/Emily Engelhardt/Eike Rösch: Editorial. Medienpädagogische Perspektiven auf Künstliche Intelligenz
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Künstliche Intelligenz ist sicher das Thema der jüngsten Zeit, wenn es um technologische Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf unsere Gesellschaft geht. Durch die erhöhte Zugänglichkeit und öffentliche Aufmerksamkeit seit Veröffentlichung von ChatGPT wird vor allem generative KI breit diskutiert. Die große Aufregung um diese Anwendungen fordert einmal mehr die Medienpädagogik heraus und setzt diese unter Druck, angemessen zu reagieren, sich zu positionieren und entsprechende Angebote nicht nur für Kinder und Jugendliche zu entwickeln.
Die Brisanz des Themas zeigt sich auch in den zahlreichen Sonderheften, die in letzter Zeit an anderer Stelle zu diesem Thema erschienen sind. Mit diesem Themenheft wird das Spektrum weiter ergänzt. Zentral ist hierbei die medienpädagogische Perspektive auf KI – und zwar über den aktuellen Fokus auf generative KI hinaus. Um diese Perspektive breit aufzumachen, legen die beiden Grundsatzartikel den Schwerpunkt auf die Relevanz von Medienkompetenz im eher theoretischen Diskurs. Ergänzt wird dies durch praktische Ansätze. Dabei versuchen wir uns an einem ruhigen Blick, mit dem die vielseitigen Implikationen für die Medienpädagogik in Theorie und Praxis aufgegriffen und nicht vorschnell Schlussfolgerungen gezogen werden. Denn angesichts der großen Dynamik des Themas werden wir schon in kurzer Zeit viele neue Erkenntnisse zu Künstlicher Intelligenz gewinnen.
ZUR AUSGABE
Im ersten Beitrag stellt Andreas Büsch dar, inwieweit die klassischen MedienkompetenzKonzepte und Definitionen angesichts von KI noch greifen. Er geht davon aus, dass Teile der Konzepte durchaus auf KI anwendbar sind. Die zentrale Frage jedoch ist, ob das Ziel medienpädagogischer Bemühungen, aus ‚Konsument*innen Produzent*innen zu machen‘ noch haltbar ist. Hier stellt er fest, dass die Medienpädagogik angesichts von KI einer qualitativ neuen Herausforderung begegnet. Thomas Knaus erweitert diese Perspektive auf KI und stellt ebenso wie Büsch fest, dass KI kein ‚neuer Hype‘ ist, sondern dass die aktuellen Veränderungen mehr Evolution als Revolution darstellen. Sein Text beleuchtet darüber hinaus die grundlegenden Funktionsweisen KI-basierter Techniken und skizziert deren gesellschaftliche Bedeutung. Daraus leitet er ab, warum KI durchaus ein Thema für die Medienpädagogik sein sollte.
Lea Uhlenbrock führt in ihrem Artikel durch die Landschaft der KI-generierten Inhalte, darunter Bilder, Texte und Videos. Sie beleuchtet die Mechanismen der Technologie und deren wachsenden Einfluss auf die Medienwelt. Der Artikel bietet praktische Checklisten, die als Werkzeuge zur Identifizierung und kritischen Bewertung von KI-generierten Medien dienen. Künstliche Intelligenz kann Gegenstand und Mittel von Aktiver Medienarbeit sein. In einem Interview gibt Sonja Breitwieser Einblicke in die Perspektiven von Jugendlichen und spricht über Ansatzpunkte und Potenziale von Künstlicher Intelligenz in Projekten der Aktiven Medienarbeit. Ergänzend zeigen vier Steckbriefe verschiedene Ansätze von Praxisprojekten mit unterschiedlichen Zielgruppen auf.
Dieses Themenheft soll dazu beitragen, das Thema KI in der Medienpädagogik auch theoretisch zu fassen und gleichzeitig Anregungen geben, wie eine gelungene Aktive Medienarbeit zum Thema KI aussehen kann.
VO R ST E L LU N G D E S T I T E LT H E M A S D U R C H C H ATG P T
Die vorliegende Ausgabe widmet sich einem Thema von brennender Aktualität: dem Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Medienpädagogik. KI, weit mehr als ein modisches Schlagwort, ist ein Treiber für Innovationen und gestaltet die Medienbildung neu. Durch einen spezifischen Fokus auf Medienkompetenz und eine vertiefte medienpädagogische Betrachtung unterscheidet sich dieses Heft von anderen Publikationen zu diesem Thema. Angesichts der rasanten Entwicklung der KI-Technologien steht die Medienpädagogik vor großen Herausforderungen, bietet jedoch ebenso einzigartige Chancen. Die Schnelllebigkeit dieser Technologien macht es schwierig, stets aktuelle Inhalte zu liefern, doch genau dies betont die Wichtigkeit, medienpädagogische Konzepte stetig zu hinterfragen und zu erneuern. In diesem Heft verknüpfen wir theoretische Grundlagen mit praktischen Erfahrungen und bieten eine Mischung aus beidem: von der Integration der KI in pädagogische Ansätze bis hin zu konkreten Anwendungsbeispielen aus der Praxis. Diese Kombination soll Ihnen helfen, effektiv in einer von KI geprägten Welt zu lehren und zu lernen. Die Artikel reflektieren die laufende Diskussion und verdeutlichen, wie KI sowohl als Herausforderung als auch als Bereicherung für die Medienbildung gesehen werden kann. Das Heft dient als Ressource, die zum Nachdenken anregt und praktische Handlungsansätze aufzeigt. Wir ermutigen Sie, die Beiträge zu erkunden, die praktischen Erfahrungen zu reflektieren und Ihre eigenen Ansätze kritisch zu überdenken. Möge diese Ausgabe Sie inspirieren, die Rolle der Medienpädagogik in der Ära der KI neu zu definieren.
Dr. Angelika Beranek ist Professorin für Grundlagen der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt Medienbildung an der Hochschule München. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit den Auswirkungen der digitalen Transformation auf Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit.
Emily Engelhardt ist Professorin für Digitale Transformation in Sozialen Handlungsfeldern und Gesellschaft an der Hochschule München. Ihr Fokus liegt auf dem Thema Onlineberatung und der Frage, welche Kompetenzen Sozialarbeiter*innen im Zeitalter des digitalen Wandels benötigen. Aktuell erforscht sie die Möglichkeiten, generative KI im Kontext von (Online-)Beratung zu nutzen.
Dr. Eike Rösch ist beim Verein Radarstation in Zürich tätig. Er begleitet und unterstützt dort Organisationen und Fachpersonen bei der Verortung von Digitalität in der Soziokultur. Zudem erforscht er die sozialraumbezogene Entwicklung von Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit unter den Bedingungen von Digitalität.
Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Angelika Beranek, Emily Engelhardt, Eike Rösch
Beitrag als PDFAndreas Büsch: Das Ende des Projekts Aufklärung?
Selbst Anbieter generativer KI fordern, dass die Artefakte bzw. deren Ergebnisse kritisch genutzt werden sollten, was mindestens eine Vermittlung entsprechender kritisch-reflexiver Kompetenzen erfordert. Darüber hinaus ist zu fragen, welche Anforderungen an Medien-, Daten- oder Digital-Kompetenz Künstliche Intelligenz bzw. deren absehbare weitere Entwicklung stellt. Weiterhin muss die Frage erlaubt sein, ob die Idee des (verantwortlich) handelnden Subjekts, das in medialen Kontexten kompetent agiert, angesichts der rasanten Verbreitung von KI an sich in Frage gestellt ist. Ist KI demnach nur ‚das nächste große Ding‘ oder eine qualitativ neue Herausforderung für die Medienpädagogik?
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Literatur
Baacke, D. (1980). Kommunikation und Kompetenz. 3. Auflage Juventa.
Büsch, A. (2023). Die Geister, die wir riefen … Bildungstheoretische und -praktische Zugänge zu kreativen KI-Anwendungen. RU heute, 1-2/2023, 24–27. https:// bistummainz.de/export/sites/ bistum/schule/.galleries/ downloads/RUheute_01022023_Heft.pdf
Cousseran, L., Lauber, A., Hermann, S. & Brüggen, N. (2023). Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz 2023. Einstellungen, Handeln und Kompetenzentwicklung im Kontext von KI. kopaed. doi.org/10.5281/ zenodo.10058588
Friedrichs-Liesenkötter, H., Gerhardts, L., Kamin, A.-M. & Kröger, S. (Hrsg.) (2020) Medienpädagogik als Schlüsseldisziplin in einer mediatisierten Welt. Perspektiven aus Theorie, Empirie und Praxis. Zeitschrift MedienPädagogik, 37. doi. org/10.21240/mpaed/37.X.
Gapski, H. (2021). Künstliche Intelligenz (KI) und kritische Medienbildung. Reflexionen aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive. digid. jff.de/ ki-expertisen
Hirsch, N. (2024). Die Kompetenz des kritischen Denkens – analysiert vor dem Hintergrund der KI-Debatte in der Bildung. https:// ebildungslabor.de/blog/die-kompetenz-des-kritischen-denkensanalysiert-vor-dem-hintergrund-der-ki-debatte-in-der-bildung
Kerres, M. (2022). Mediendidaktik. In U. Sander, F. von Gross & K.-U. Hugger (Hrsg.), Handbuch Medienpädagogik (S. 105– 114). 2. Auflage. Springer VS.
Knaus, T. (2024). Warum KI kein Hype ist und die Medienpädagogik sich damit befassen sollte. merz medien + erziehung, 68(3), 21–30.
Knaus, T. (2023). Künstliche Intelligenz und Bildung: Was sollen wir wissen? Was können wir tun? Was dürfen wir hoffen? Und was ist diese KI? Ein kollaborativer Aufklärungsversuch. In Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik, 23. doi.org/10.21240/ lbzm/23/19
Schorb, B. (2017). Medienkompetenz. In B. Schorb, A. Hartung & Ch. Dallmann (Hrsg.), Grundbegriffe Medienpädagogik (S. 254–261). 6. Auflage. kopaed.
Tretter, M. (2023). Ambivalenzen gegenwärtiger Gewissheitsbestrebungen. Menschliche Entscheidungsfreiheit in einer gewisserwerdenden Welt. In A. Puzio, N. Kunkel & H. Klinge (Hrsg.), Alexa, wie hast du‘s mit der Religion (S. 135–156). wbg Academic.
Sonja Breitwieser: Das bewegt uns ...
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ZIELGRUPPE Jugendliche ab 14 Jahren
ALLGEMEINE ZIELE In einer Zeit geprägt von Multikrisen, Digitalisierung und gesellschaftlichen Veränderungen, soll jungen Menschen ein Raum zum Austausch und zur Artikulation ihrer individuellen Perspektiven gegeben werden.
SPEZIELLE ZIELE Aufgreifen des aktuellen Hypes um KI; Ermöglichung von Raum zum Erfahren und Reflektieren neuwertiger Technologien rund um generative künstliche Intelligenz; Erprobung von KI als Ausdrucksmedium
GENUTZTE TOOLS KI-Bildgeneratoren: Microsoft Image Generator (Bing), Midjourney, Adobe Firefly | KI-Textgeneratoren: ChatGPT, Open Assistant (LAION) | KI-Musikgeneratoren: SongBot AI (James Grote), SongR.ai | KI-Spiele zur Technikreflexion: Google Semantris, Quick Draw with Google, Teachable Machine | Musik-App: Garage Band | Grafik-App: Adobe Express | KI-Texttranskription: Adobe Premier
Im Rahmen des Projekts Das bewegt uns …1 führte das Medienzentrum Parabol ein dreitägiges Ferienprojekt zum Schwerpunkt (generative) Künstliche Intelligenz durch. Dem Projektaufruf folgten sechs Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren. Neben analogen Methoden des Austauschs und der Themeneingrenzung bot das Projekt einen Experimentierraum für generative Text-, Bild- und Musikgestaltung. Im Mittelpunkt der Medienreflexion stand die Fragestellung, ob KI als Ausdrucksmedium fungieren kann. Entsprechend wurden die Jugendlichen methodisch dazu geführt, selbst eine Entscheidung zu treffen, ob und wie stark KI bei der Erstellung ihres Medienprodukts eine Rolle spielen soll.
Thomas Knaus: Warum KI kein Hype ist und die Medienpädagogik sich damit befassen sollte
Wer mit generativer KI schon Erfahrungen sammeln konnte, erahnt, dass KI unsere Welt verändern wird. Dass diese Veränderungen aber mehr Evolution als Revolution sind, soll dieser Text zeigen. KI ist kein ‚Hype‘, sondern ein etabliertes Forschungs- und Praxisfeld. Und außerdem die Fortsetzung des gesellschaftlichen Metaprozesses Digitalisierung – dem sich die Medienpädagogik in Forschung und Praxis bereits widmete. Im Text werden die grundlegenden Funktionsweisen KI-basierter Techniken beleuchtet, deren gesellschaftliche Bedeutung skizziert und es wird argumentiert, warum KI ein Thema für die Medienpädagogik sein sollte.
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Literatur
Aufenanger, S., Herzig, B. & Schiefner-Rohs, M. (2023). Künstliche Intelligenz und Schule. In C. de Witt, C. Gloerfeld & S. E. Wrede (Hrsg.), Künstliche Intelligenz in der Bildung (S. 199–218). Springer Fachmedien. doi. org/10.1007/978-3-658-40079-8_10
Chuck, D., Shocklee, H. (1988). Don’t Believe the Hype, Public Enemy, Verse 3. Def Jam.
DFKI – Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (2023). Schule und KI – Ein praxisorientierter Leitfaden. telekom-stiftung.de/sites/default/files/files/ Leitfaden-Schule-und-KI.pdf
Knaus, T. et AI (2023). Künstliche Intelligenz und Bildung: Was sollen wir wissen? Was können wir tun? Was dürfen wir hoffen? Und was ist diese KI? – Ein kollaborativer Aufklärungsversuch. LBzM, (23), 1–42. doi. org/10.21240/ lbzm/23/19
Hannes Heller/ Robin Althoff: Steckbrief. Entdeckungsreise in die Welt der Künstlichen Intelligenz
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ZIELGRUPPE Jugendliche im Alter von 13 bis 16 Jahren.
ZIELE Die Veröffentlichung von ChatGPT Ende 2022 hat einen unglaublichen Hype zum Thema Künstliche Intelligenz ausgelöst. Fast wöchentlich gab es Schlagzeilen und ununterbrochen wurden der Öffentlichkeit neue generative Modelle vorgestellt. Die Neugier in unserem medienpädagogischen Team war groß und schnell war klar, dass wir ein Workshop-Angebot für Jugendliche zum Thema KI entwickeln wollten. Bei den ersten Überlegungen für den Workshop kristallisierte sich heraus, dass das Setting einem KI Labor ähnlich sein sollte, um den Jugendlichen einen experimentellen und spielerischen Zugang zu ermöglichen. Bei diesem Labor sollte parallel an mehreren Stationen geforscht werden. In der Konzeptphase des Workshops lag der Fokus zuerst auf generativen KI-Modellen für die Erstellung von Bildern. Während der Recherche kam es aber zu einer Ausweitung und Differenzierung der Stationen mit unterschiedlichen Schwerpunkten in Text, Bild, Audio und Spiel. Das Workshopdesign verfolgte einen klassischen handlungsorientierten Ansatz. Durch gemeinsames Experimentieren mit KI sollten sowohl das Wissen als auch die Reflexion über KI gestärkt werden mit dem Ziel, dass die Jugendlichen ihre Kompetenzen im Umgang mit KI erweitern können.
Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Hannes Heller, Robin Althoff
Beitrag als PDFLea Uhlenbrock: KI-generierte Bilder, Texte und Videos erkennen
Was steckt hinter generativer KI und wie kann man sie erkennen? Wie kann die verantwortungsvolle Nutzung ihrer unendlichen kreativen Möglichkeiten gelingen? Und welche Tools können dabei helfen, KI generierte Werke von menschlichen zu unterscheiden? Im folgenden Text werden konkrete Hilfestellungen gegeben, deren Nutzung dazu beitragen kann, die Verbreitung von Fehlinformationen einzudämmen und faktenbasierte Debatten zu erleichtern.
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Julia Kehr-Ritz/ Markus Gerstmann: Who am AI?
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ZIELGRUPPE Schüler*innen der 7. bis 10. Klasse
ZIELE Die Jugendlichen entwickeln ein Verständnis für KI und lernen technische Möglichkeiten sowie den Umgang mit KI-Text-, Bild- und Animationssoftware kennen. Sie beschäftigen sich mit Chancen und Herausforderungen von KI auf individueller und gesellschaftlicher Ebene und erörtern Aspekte von Persönlichkeit und Privatsphäre. Gemeinsam diskutieren sie Themen, setzen sich mit Technik sowie Kunst auseinander und entwickeln eine kritische Medienkompetenz.
Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Julia Kehr-Ritz, Markus Gerstmann
Beitrag als PDFSonja Breitwieser: Gespräch. "KI ist doch nur ein Werkzeug"
KI hält auch in Projekten der Aktiven Medienarbeit immer mehr Einzug, die Konzepte sind aber erst am Entstehen. Sonja Breitwieser vom Medienzentrum Parabol in Nürnberg gibt Einblick in ihre Arbeit mit Jugendlichen und berichtet über Hürden und Potenziale des Einsatzes von KI in Medienprojekten.
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Julia Kehr-Ritz/ Markus Gerstmann: Steckbrief. The Joy of Prompting
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ZIELGRUPPE Jugendliche und junge Erwachsene
ZIELE Das Projekt The Joy of Prompting1 wurde ins Leben gerufen, als KI die Schlagzeilen der Nachrichten prägte und die Jugendlichen im Umgang mit ChatGPT mindestens für die Hausaufgaben(-hilfe) vertraut waren. Das Projekt zielt darauf ab, junge Menschen zu befähigen, einen eigenen Standpunkt zur gesellschaftlichen Diskussion über KI zu entwickeln und gleichzeitig zu lernen, wie sie mit einer KI kommunizieren (prompten) können sowie eine Idee von möglichen (Un-)Fähigkeiten der KI-Anwendungen zu entwickeln. Angesichts der digitalen Bilderflut im Alltag der Jugendlichen geht es in dem Projekt auch darum, Jugendliche für Fragen nach der Aura eines Bildes (nach Walter Benjamin), der Reproduzierbarkeit eines Kunstwerks und des Urheberrechts zu sensibilisieren. Durch verschiedene digitale Methoden, Tools und KI-Programme wurden die Teilnehmenden selbst zu Akteur*innen: von Betrachtenden zu Medienhandelnden
Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Julia Kehr-Ritz, Markus Gerstmann
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spektrum
Jutta Croll/Torsten Krause: Das Metaversum schlägt zurück!?
Im Beitrag werden mögliche Chancen und Risiken virtueller Welten sowie generativer künstlicher Intelligenz im Zusammenhang mit den Rechten von Kindern gemäß UN-Kinderrechtskonvention beleuchtet. Darüber hinaus wird das juristische Konzept der persönlichen Integrität als Grundlage für das Wohlergehen (junger) Nutzender im Metaversum empfohlen.
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Literatur
Ball, M. (2020). The Metaverse: What It Is, Where to Find it, and Who Will Build It. Chapter 1: What is the “Metaverse”?. https://www.matthewball.vc/all/themetaverse
[Zugriff: 29.01.2024]Croll, J. (2021): Informationelle Selbstbestimmung von Kindern im digitalen Raum. In Teilhaben! Kinderrechtliche Potenziale der Digitalisierung. Online-Dossier, Hrsg. Deutsches Kinderhilfswerk. https://dossier.kinderrechte.de/informationelle-selbstbestimmung-von-kindern [Zugriff: 03.04.2024]
Felnhofer, A. (2024): Workshop 1: Immersive Gaming-Welten – Verändert Virtual Reality den Kinder- und Jugendmedienschutz?. NextGen Media. Digitale Trends im Fokus des Kinder- und Jugendmedienschutzes. Expert Summit des deutschen Safer Internet Centres (SIC) und der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ). 19.03.2024. Berlin
FSF (2024). KI und ihre Risiken für Demokratie und Jugendmedienschutz. Dr. Jörg Ukrow über die Regulierung von Künstlicher Intelligenz. mediendiskurs.online/beitrag/ki-und-ihre-risiken-fuer-demokratie-und-jugendmedienschutzbeitrag-772/ [Zugriff: 25.01.2024]
Kammerl, R., Kramer, M., Müller, J., Potzel, K., Tischer, M., Wartberg, L. (2023). Dark Patterns und Digital Nudging in Social Media – wie erschweren Plattformen ein selbstbestimmtes Medienhandeln?. BLM-Schriftenreihe, Band 110. Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), München. https://www.blm.de/files/pdf2/blm-schriftenreihe_110.pdf [Zugriff: 21.03.2024]
Krause, T. (2021). Kinderrechte im digitalen Raum. Ein Überblick. In: merz Medien und Erziehung. Zeitschrift für Medienpädagogik. Nr. 3. Juni 2021. S. 72–78.
Krause, T., Kretschmann, Y, Yacob, A. (2022). Zum Begriff der persönlichen Integrität im Jugendschutz. In: Recht der Jugend und des Bildungswesens (RdJB). Jahrgang 70. Heft 4. S. 629–635
Krause, T. (2024): Jugendmedienschutz: (How to) Do the Right Thing. In: Kinder- und Jugendschutz in Wissenschaft und Praxis (KJuG). 2/2024. S. 78–81
Reid, D. (2021). Who is Going to Police the 'Metaverse'?. https://www.hope.ac.uk/news/allnews/who-is-going-topolice-the-metaverse.html [Zugriff: 28.02.2024]
VN (1989). Konvention über die Rechte des Kindes. https://www.kinderrechte.digital/hintergrund/UNKRK.cfm [Zugriff: 21.03.2024]
VN (2021). Allgemeine Bemerkung Nr. 25 über die Rechte der Kinder im digitalen Umfeld. Ausschuss für die Rechte des Kindes. https://kinderrechte.digital/hintergrund/index.cfm/key.1661/topic.280 [Zugriff: 21.03.2024]
Wienreich, C. (2024). Metaverse – Mehr Freiheit und Sicherheit für alle?. Deutsches Museum. www.youtube.com/watch [Zugriff: 03.04.2024]
Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Jutta Croll, Torsten Krause
Beitrag als PDFElisa Dittbrenner: Fragwürdige Gestalten, Fragwürdiges Gestalten
Wie Kinder zum Fragwürdig-werden-lassen von Technik einladen? Damit beschäftigte sich eine Entwurfsstudie, die zum Prototypen einer ‚fragwürdigen Gestalt‘ gelangte: In Form eines unscharf gestalteten Objekts fordert die fragwürdige Gestalt die Kinder auf, sich kniffligen
Fragen der Technikentwicklung zu stellen – performativ, körperbasiert, als Interaktionspartner*in von Technik.Literatur
Dittbrenner, E. & Coers, L. (2023). ‚Wenn die Gabel nicht mehr gabeln will‘ – Funktionslogiken gestaltend auf die Spur kommen: Praxisbericht aus einem interdisziplinären FabLab-Workshop für Grundschüler:innen. MedienPädagogik, 56, 98–131.
Geiger, A. (2018). Andersmöglichsein. Zur Ästhetik des Designs. transcript.Kornwachs, K. (2013). Philosophie der Technik: Eine Einführung. C. H. Beck.
Latour, B. (1987). Science in Action. How to follow scientists and engineers through society. Harvard university press.
Rheinberger, H.-J. (2016). Das Problem von Design in der Forschung. In G. Buurman & M. Rölli (Hrsg.), Eigenlogik des Designs, (S.133–138). Niggli.
Vogl, J. (2008). Über das Zaudern. diaphanes.Weber, H. (2017). Blackboxing?– Zur Vermittlung von Konsumtechniken über Gehäuse-und Schnittstellendesign.
In C. Bartz, T. Kaerlein, M. Miggelbrink & C. Neubert (Hrsg.), Gehäuse: Mediale Einkapselungen (S. 115–136). Brill Fink.
Zirfas, J. (2019). Smart Things. Über Design und Bildung. In C. Bach (Hrsg.), Pädagogik im Verborgenen: Bildung und Erziehung in der ästhetischen Gegenwart (S. 119–140). Springer.Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Elisa Dittbrenner
Beitrag als PDFEinzelansichtSenta Pfaff-Rüdiger/Andreas Oberlinner/Christin Winter/Susanne Eggert: "Wir sind schon ein bisschen in der Bambus-Zahnbürsten-Bubble"
Was bewegt Jugendliche nach jahrelangen Einschränkungen durch die Corona- Pandemie, in einer Zeit, die von Kriegen und der Klimakrise geprägt ist? In diesem Forschungs-Praxis-Projekt erhalten Jugendliche eine Stimme und es wird deutlich, wo sie Unterstützung brauchen.
Literatur
Anselm, S. & Weigand, A. (2023). Design-Thinking: Außerhalb der Box denken. https:// bne-box.lehrerbildung-at-lmu.mzl.
lmu.de/design-thinking
Barysch, K. N. (2016). 18 Selbstwirksamkeit. In D. Frey (Hrsg.), Psychologie der Werte: Von Achtsamkeit bis Zivilcourage – Basis-wissen aus Psychologie und Philosophie (S. 478–503). Springer.
Brüggen, N., Dirr, E., Schemmerling, M. & Wagner, U. (2014). Jugendliche und Online-Werbung im Social Web. JFF – Institut für Medienpädagogik.
Brüggen, N. & Schober, M. (2020). Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen mit Self-Tracking im Freizeitsport: Explorative Studie im Rahmen des Projekts „Self-Tracking im Freizeitsport“.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) (Hrsg.) (2022). Zukunft? Jugend fragen! – 2021. Umwelt, Klima, Wandel – was junge Menschen erwarten und wie sie sich engagieren. https:// bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/
zukunft_jugend_fragen_2021_bf.pdf
Hurrelmann, K. (2007). Lebensphase Jugend: Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung (9. Auflage).
Juventa.
Hurrelmann, K. (2023). Polarisierung der Gesellschaft – Erkenntnisse aus der Jugendforschung. merz | medien + erziehung, 67(1), 24–31.
Oberle, M., Hahn-Laudenberg, K., Ditges, P. & Stamer, M.-M. (2023). Politische Sozialisation im Jugendalter: Ein Systemativ Review des internationalen Forschungsstands auf Basis empirischer Studien in englisch-sprachigen Zeitschriften. Deutsches Jugendinstitut.
Reiß, F., Kaman, A., Napp, A.-K., Devine, J., Li, L. Y., Strelow, L., Erhart, M., Hölling, H., Schlack, R. & Ravens-Sieberer, U. (2023).
Epidemiologie seelischen Wohlbefindens von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse aus 3 Studien vor und während
der COVID-19- Pandemie. Bundesgesundheitsblatt, 66, 727–735.
Salisch, M. von & Vogelgesang, J. (2018). Entwicklungspsychologische Grundlagen der Empathiefähigkeit. BPjM aktuell (4), 9–12.
Seiffge-Krenke, I. (2021). Die Jugendlichen und ihre Suche nach dem neuen Ich: Identitätsentwicklung in der Adoleszenz (2. aktualisierte Auflage). Kohlhammer.
Werteatlas. (2023). Optimistisch oder verzweifelt. Wie blickt Bayerns Jugend in die Zukunft? Eine Studie von Brunswick und
der Stiftung Wertebündnis. https://wertebuendnis-bayern.de/wp-content/uploads/2024/01/Studie-Brunswick-x-Stiftung-
Wertebuendnis-Ergebnisse_Langversion.pdfBeitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Senta Pfaff-Rüdiger, Andreas Oberlinner, Susanne Eggert, Christin Winter
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medienreport
Antonia Giebisch: Podcast für alle
Nora Henker (Hrsg.) (2024). Zeitlupe – Geschichten zum Sehen und Hören. Podcast, kostenlos, verfügbar auf diversen
Podcast-Plattformen und auf YouTube.Informationen stehen heute jederzeit und überall in vielfältigen Formen zur Verfügung. Sei es durch den Konsum der Nachrichten im Fernsehen, in den Sozialen Medien oder durch Podcasts. Für Letztere gibt es für gehörlose Personen jedoch kaum Optionen. Dieser Lücke nimmt sich der Podcast Zeitlupe – Geschichten zum Sehen und Hören an, welcher vom Kirchenbezirk Freiberg der Evangelischen Landeskirche in Sachsen initiiert wird. Das Projekt wird von neun Personen getragen, die sich in unterschiedlichen Arbeitsbereichen für den Podcast engagieren.
Der Podcast adressiert Kinder und Erwachsene und vermittelt Geschichten sowohl in Laut- als auch in Gebärdensprache. Zuhörer*innen haben die Möglichkeit, die Geschichten on- oder offline anzuhören oder anzuschauen. Die Erzählungen handeln von Personen, die sich für Gutes und gegen Unrecht einsetzen, zum Beispiel Malala, Albert Schweitzer oder Desmond Tutu. Es werden auch Geschichten von Kindern erzählt, die selbst von Gehörlosigkeit und/oder Diskriminierung betroffen sind. Die Held*innen der Geschichten setzen sich gegen Diskriminierung ein und arbeiten hart dafür, bedeutende Ziele in ihrem Leben zu verwirklichen. Zusätzlich gewähren die Erzählungen Einblicke in die Vergangenheit und thematisieren zum Beispiel die Entwicklung der Bildung in Gebärdensprache.
Bislang gibt es insgesamt 15 Podcastfolgen, je 9 bis 15 Minuten lang, auf Spotify und Apple Music als Audioformat sowie auf YouTube und der Website in Laut- und Gebärdensprache. Neben Gebärdensprachdolmetscher*innen werden die Geschichten auch mit Hilfe ansprechender Illustrationen unterstützt.
Der Podcast spricht insbesondere gehörlose Kinder und Erwachsene an. Die Geschichten dienen als Inspiration und machen Mut, die eigenen Ziele und Träume trotz gesellschaftlicher Einschränkungen nicht aufzugeben. Zudem trägt der Podcast dazu bei, Kinder (erstmalig) mit Gebärdensprache in Berührung zu bringen.
Zeitlupe bietet eine Plattform für Bildung, Inklusion und soziale Veränderung. Der Podcast betont die Bedeutung von Barrierefreiheit in den Medien und zeigt, dass kreative Lösungen zu einer inklusiven Gesellschaft beitragen können. Durch die Zusammenarbeit von Fachkräften aus unterschiedlichen Bereichen sowie die innovative Herangehensweise setzt Zeitlupe ein inspirierendes Beispiel für inklusiveMedienproduktionen.
Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Antonia Giebisch
Beitrag als PDFEinzelansichtAnna-Clara Pentz: Kabu - die Infoapp für Kinder
SIN – Studio im Netz e. V. (2017). KABU – die Info-App für Kinder. App für iOS und Android, kostenfrei.
Was ist Künstliche Intelligenz? Grundsätzlich ist das inzwischen vielen sicherlich klar, doch ganz genau zu erklären, was es damit auf sich hat und
wie KI funktioniert, fällt dann doch schwer – insbesondere, wenn solche komplexen Themen gut für Kinder aufbereitet sein sollen. Das übernimmt KABU, eine Info-App für Kinder, die gemeinsam mit einer Kinderredaktion unter Anleitung der medienpädagogischen Facheinrichtung SIN – Studio im Netz e. V. mit Informationen, Spielen oder auch kreativen Ideen befüllt wird. Die App ist kosten- und werbefrei und wird aus Mitteln der Auerbach-Stiftung und des Sozialreferats/Stadtjugendamts der Landeshauptstadt München finanziert.In der App werden aktuelle Medienthemen wie KI für Kinder im Grundschulalter unterhaltsam und lehrreich aufbereitet. Durch die App begleitet das Fabelwesen Kabu, ein lustiger Wolpertinger, der hilfreiche Tipps oder Denkanstöße gibt. Die App vermittelt unter anderem Wissen zum sicheren Umgang mit digitalen Medien und informiert kindgerecht über Themen außerhalb von Medieninhalten. Dazu ist die Startseite in sechs Bereiche gegliedert: ‚Tipps & Tricks‘, Spiel & Quiz‘, ‚Mach mit‘, ‚Wissenswertes‘, ‚Medientipps‘ und ‚Kreatives‘. In kurzweiligen Rätselspielen können sie so etwa spielerisch neue Sachen lernen, informative Artikel lesen oder mit bebilderten Anleitungen kreativ werden. Darüber hinaus finden sich in ‚Spiel & Quiz‘ oder ‚Kreatives‘ zahlreiche analoge Spielideen und Anregungen für Offline-Aktivitäten. Im Bereich ‚Mach mit‘ finden sich Umfragen oder Abstimmungen, die Kinder zu Beteiligung anregen. Die Kinder können immer wieder direkt zu verschiedenen Themen über einen Button mit der KABU-Redaktion in Kontakt treten, wobei hier immer die Erlaubnis durch Eltern abgefragt wird. ‚Von Kindern für Kinder‘: In München-Großhadern
finden regelmäßige Treffen der Kinderredaktion statt, aber auch digital können Kinder eigene Ideen und Beiträge einsenden. Monatlich gibt es
neue Inhalte in der App, weswegen es sich lohnt, regelmäßig hineinzuschauen.Die schön aufbereiteten Inhalte, wie etwa die Erklärvideos zu TikTok oder KI, lassen sich hervorragend im (medien-)pädagogischen Kontext nutzen. Diese sind außerhalb der App auch auf YouTube im Kanal von SIN – Studio im Netz zufinden. Auch einzelne Spiele und Quiz eignen sich für den Einsatz im Schulkontext oder in Projekten. Einzige Kritikpunkte: Für Kinder könnte die App teilweise zu textlastig sein und die simpel programmierte Oberfläche nutzt Interaktionsmöglichkeiten, die teils nicht sehr intuitiv sind. Anna-Clara Pentz ist medienpädagogische Referentin in der MSA – Medienstelle Augsburg des JFF, einer medienpädagogischen Praxiseinrichtung des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis.
Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Anna-Clara Pentz
Beitrag als PDFEinzelansichtNicole Lohfink: New Generation - New Ideas
In Sarvnaz Alambeigis Dokumentarfilm Maydegol steht das Mädchen Maydegol im Zentrum. Sie ist eine junge Frau aus der im Iran lebenden afghanischen Minderheit, die zusammen mit ihren Freundinnen Muai Thai-Boxen betreibt und ohne Papiere lebt. Dabei stehen ihr Kampf um ein selbstbestimmtes Leben, die Chance, an internationalen Wettkämpfen teilzunehmen und ihr eiserner Wille, ihre eigene Identität zu leben im Mittelpunkt. Im Wettbewerb Generation 14plus des Berlinale Filmfestivals vergab die Internationale Jury eine Lobende Erwähnung an diesen Langfilm, dessen Existenz an sich schon ein politischer Akt sei.
MERZ Maydegol belongs to a group of people who live in Iran as part of a minority. Was that of special interest to you or how did this project come about?
ALAMBEIGI It is always fascinating for me to learn more about the young generation, but especially about the Afghan minority in Iran. I first met Mohadesseh (Maydegols friend) and was talking to her about this idea I had, to learn more about their community. Fact is, because this generation is born in Iran – and some of them have never even travelled to Afghanistan –, they are neither Iranian nor Afghanian people. They‘re living in our country, go to the same school as we do, have the same experiences but my society generally doesn‘t accept them as part of the Iranian identity. And they also don‘t know to which country they belong to. They have parents, who live the Afghan culture, and are themselves something in between. I think this contrast is really interesting regarding identity, and as a cultural crisis too. So when I first met Mohadesseh, she was really generous and connected me to her friends. And after one year, I met Maydegol –Mohadesseh said „there is a girl in my club I think you would like to meet“. When I did meet her, I knew immediately, she was a good representative for this community, and for the young generation of Afghans who live in Iran. MERZ In this documentary there are existential topics like human rights, identity and domestic violence – you accompany Maydegol in her life, and she is generously open with her story and herself. How did you establish this kind of trust?
ALAMBEIGI It was a long process, of course, this does not happen through one night, but we have been working together for more than three years. And I also share my personal experiences with them – so it wasn‘t just like I was listening and they were talking. We helped each other. I had difficult times, they had difficult times. You should have a distance as a professional person when doing a documentary as I understand it. But I also think it‘s very important that they know you are a human; you also have problems. Maybe that’s the key.
MERZ The distance is necessary because you are still working on a movie. For that matter, how was the filming process and how do you choose what to show and what not?
ALAMBEIGI For me it‘s very good to work with non-actors, because they bring something new to the film. They say the dialogue in front of the camera just the way they are as persons. It‘s documentary, so I don‘t want to tell them what to do. And if I touch it or if I move it then the result would be a disaster. That‘s their movie and they should feel that this is their film. They are a young generation, they have their own, new ideas. And I was open to their ideas, so maybe that‘s also a reason for the deep trust we shared.
MERZ So what was important for you with regard to the content of the film – and what was important for Maydegol to show?
ALAMBEIGI For Maydegol it‘s very important to make aware of several things: One is the silence about domestic violence. She said that we shouldn‘t be silent. And that we shouldn’t blame ourselves. It‘s not our fault if our father, or mother, or one member of our family is beating us. It rather means that we are victims of domestic violence. We should say that out loud and we shouldn‘t wait for that one day when they will be better. Because this is not happening. Another thing is that Maydegol wants to just tell the world that all these obstacles exist but she continues. She has her goal. She doesn‘t want to quit. And I think that‘s beautiful.
MERZ You mentioned the new generation has new ideas – can you elaborate on that
ALAMBEIGI They know what they want from life. I think they are aware of the world because they grow up with Social Media. And there they don‘t have any privacy, they just share everything with the world. That‘s maybe one of the reasons Maydegol so generously shares her personal private life with everybody. Because that‘s equality for the new generation. It amazes me a lot. It‘s their culture not mine, but it‘s very important to them that everybody knows what‘s happening to them. They are somehow connected to each other, not separated like my generation. I don‘t want to say I want to do that because I am not a Social Media person, to be honest, but I really like these differences. Because within this generation - they know everything about each other, and these days it doesn‘t matter if they live in Iran, in Afghanistan, or in Europe.
MERZ There were scenes with black screen and solely audio depicting the situation in the family of Maydegol that she decided to record. Those must have been a special challenge considering it is a real life situation?
ALAMBEIGI One day Maydegol told me about the situation at her home and had this idea to bring out this material. And I said while her safety and security is a priority for me if she thinks it‘s okay, then yes, she can record the voices. And since this is a recurring thing in her family she knew how to do that in the middle of the situation. As soon as I had this material I realized, yes, we cannot go to her house, we cannot show her father but we can show what is happening inside the house . And her house is not only her house – it‘s a country.
MERZ Maydegol herself decided to take the risk and document her regular experience of domestic violence. What about the rest of her family – did she follow a role model in doing that?
ALAMBEIGI Maydegol is not like her mother. Her mother is in the same situation. But after heavy violence she leaves the house to stay with a sister. Then she comes back and life continues, it‘s like nothing happened to her. And it‘s not only in Afghanistan or Iran, I mean, there are many women around who don‘t tell that those things happened to them.And Maydegol doesn‘t want to repeat this circle of silence. When Maydegol spoke up and said out loud what happened, Farsane and Mohadese said: „We had the same probem“. There is a pattern that is repeating itself and no one is talking about it. But this generation – they are talking about it – and that is really precious.
MERZ There are only a few grown ups so to speak, more experienced adults, for example her trainer, but they are rare and barely seen. Was there a special reason for that?
ALAMBEIGI The coach is the only visible man in the film. I really like his figure and his behaviour towards them because of the positive possibilities. They don‘t have a very good male figure whom they could trust. He is a famous Muai Thai coach in Iran and he isn‘t only training them in the physical side of the sport but is also helping them to mentally be strong. I liked that there is someone talking with them about that. And it matters that we should trust another gender. It‘s very important because in her society and in her country seemingly nearly all the men are not really trustworthy and it‘s good that they know that the kind people also exist.
MERZ Maydegol also struggled with the problem of not being able to get a passport and be a documented citizen, and the risks of going to Afghanistan for that purpose. Did she actually manage to get an official passport?
ALAMBEIGI She went to Afghanistan in January (2024), crossed illegally the border between Afghanistan and Iran. She finally got her passport there which was very, very difficult and with a big portion of luck. If you followed the news it was interesting to notice it was only for three or four days that they actually gave passports to people. And Maydegol was sleeping for 3 days at the same organisation and finally got her passport and then travelled back to Iran. But the point is: We thought when she has a passport the situation would be better for her. But is it? I don‘t think so.
MERZ Why?
ALAMBEIGI Because she is Afghan and she can‘t get a visa. We wanted to bring her here to Germany to the Berlinale Film Festival. We tried very hard for that but even in the visa evaluation they didn‘t accept her documents. It‘s a dilemma. But hope still exists, Maydegol continues every day, she goes to the gym even if she is not sure if she can participate in any international competition.
MERZ There are strong symbolic gestures in the film where Maydegol deals with her many roadblocks in order to keep going. Were there moments where she couldn‘t keep going and how were you two dealing with that?
ALAMBEIGI There was a night, that was the darkest night for her, where she wanted to kill her father. She called me and was crying a lot. I was really worried about the whole situation. So we talked for several hours. That was a difficult time in the whole process. I mean, yes, we show that she is brave but we know she is sensitive at the same time. She is a human and I don‘t want to make a hero out of her because we‘re talking about a normal life. I think that’s the beauty of her life: She is a hero but she has a normal life, and this is honest and true. This is what it is. Life continues yet the darkness is there but also affection, and love, and kindness between these girls. I love that. If Mohadesseh and Farzaneh wouldn‘t be in the film it wouldn‘t be my film. Maybe that‘s one of the reason these young people want to capture themselves in Instagram and Social Media – because that gives them some sort of voice, even reputation.Everybody knows their lives are important. And even if they don‘t have an important life they believe that our lives are important. That‘s a beautiful message.
MAYDEGOL
Iran / Deutschland / Frankreich 2024
73 Minuten
Regie: Sarvnaz Alambeigi
Darstellende: Maydegol, Mohadesseh, Farzaneh
Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Nicole Lohfink
Beitrag als PDFEinzelansichtNicole Lohfink: The Outrun
„Ich bleibe nur kurz“, mit diesem Satz und Abwandlungen davon will Rona ihrer Umgebung und vor allem sich selbst versichern, dass alles normal ist und ein normales Leben in London auf sie wartet. Aber sie ist wieder zu Hause,im Norden Schottlands, in einsamer, ländlicher Gegend und im Grunde ist Rona sich über gar nichts mehr sicher. Vor allem nicht darüber, wer sie selbst eigentlich ist, wenn sie nüchtern bleibt.
DER WEG ZU SICH SELBST
Bei The Outrun handelt es sich um eine Adaption von Amy Liptons Buch mit dem gleichen Titel von 2016, in dem Lipton ihren eigenen Weg aus dem Alkoholismus beschreibt und verarbeitet. Alles beginnt mit einer jungen Frau, die frisch aus der Entzugsklinik in ihr elterliches Heimatdorf zurückkehrt, um dort Abstand von der Großstadt zu finden und sich neu zu definieren. Sie wirkt innerlich aufgewühlt und hin- und hergerissen.
Durchsetzt von episodenhaften Erinnerungen und Ronas Stimme geht es mit Rona zusammen auf die Reise. Von der jungen Frau, die sich in der Hauptstadt des Landes ein Le-ben aufbaut, studiert, mit ihrem Freund zusammenzieht und auch gern mal Party feiert. Über den Griff zur Flasche als Ventil, bis die Kontrolle über das Leben und ihre Beziehungen ein Scheinbild wird und die Wahrnehmung zerbrechlich. Nach einem Schlüsselerlebnis begibt sich Rona schließlich auf Entzug.Und nun ist sie hier, auf den Orkney Islands, am äußersten Rand von Zivilisation, und ganz alleine mit sich selbst. Was wie schwere Kost klingt, ist in The Outrun eine anrührende Mischung; ein fein ausbalancierter Akt von stilistischen Mitteln, Erzählebenen und einer bewegenden Geschichte einer Frau aus dem hohen Norden Schottlands, der der Schwere auch eine Leichtigkeit entgegensetzt. Ronas Blick balanciert zwischen innerer und äußerer Wahrnehmung – das Publikum hat stets eine enge Verbindung zu ihrer Perspektive und das erzeugt ein ambivalentes Gefühl der Distanzierung und des Mitfühlens der Situationen, in denen Rona sich findet – ganz so, wie es Rona selbst zuweilen geht. Zum Beispiel, wenn sie sich inmitten einer feiernden Gruppe von Menschen distanziert und abgeschnitten fühlt, und kurz vor die Tür geht; und im nächsten Moment durch ein Gespräch mit einem Nachbarn aus dem Ort, der sich ihr öffnet, schlagartig wieder mit dem Hier und Jetzt verbunden ist. Ronas Innenwelt ist transparent, genauso wie ihre Suche nach einer Brücke. So wechselt sie zwischen Überforderung, dem Sog der Sucht, echten zwischenmenschlichen Begegnungen und Einsamkeit. Dabei wirkt das Bewegen in diesem Spannungsfeld der Kindheits-Erlebnisse und den Rückblicken in die Großstadt, sowie die Befreiung von elterlichen Vorstellungen wie ein zweites Coming-of-Age. Denn auch der Vater hat eine Geschichte von psychischer Instabilität, die letztendlich zur Trennung der Eltern geführt hatte, und die Mutter fand Trost im wieder entdeckten Glauben und im Kreis der Bibelfreunde, mit denen Rona nichts anfangen kann.
NATUR ALS AKTIVES SPIEGELBILD
Die ungestüme Natur der Orkney Islands spielt eine eigene Hauptrolle. Wie eine äußere Entsprechung toben Sturm und Wellen oder geben kleine Schätze in ruhiger Brandung preis. Dabei wirkt jede Geste Ronas, jedes Gespräch wie unter einem Brennglas. Ein langsamer Prozess entfaltet sich und die erzählerischen Mittel und der Heilungsprozess von Rona nähern sich immer weiter aneinander an. Ihre Gedanken bleiben nicht losgelöst aus dem Off gesprochen, sie verbinden sich wieder mit Ronas Situationen. Zum Beispiel besucht die Mutter sie auf der einsamen Insel, auf der Rona für eine Naturschutz-Organisation ein Praktikum absolviert. Hier zeigt Rona wieder Begeisterungsfähigkeit für die Meeresbiologie, und erzählt ihrer Mutter von dem, was sie fasziniert, und wie es sich verbindet, mit dem, was sie im Studium mal interessiert hatte.Was lange verdeckt war vom existentiellen Ringen mit der Sucht und deren Folgen, taucht langsam wieder auf.
ALTE UND NEUE ERZÄHLFORMEN BEGEGNEN SICH
Die leise und feine Leistung des Films ist die Verbindung von modernen, filmischen Mitteln
mit der klassischen Katharsis der griechischen Tragödie. An deren Ende steht ein seltener, vielschichtiger und einfühlsamer Einblick in die Mechanismen von Sucht und der Befreiung daraus.So ist The Outrun ein ehrlicher Film, mit starker schauspielerischer Leistung, viel Feingefühl und poetischen Momenten, aber auch schonungsloser Augenblicke, der sich unter dieHaut schleicht.
AUS DEM LEBEN GEGRIFFEN
Umso beeindruckender ist auch die Tatsache, dass der Film tatsächlich inmitten der Familie und Freund*innen von Buchautorin Amy Lipton gedreht wurde. Sogar der Wohnwagen im Film, in dem Ronas Vater wohnt und beide Gespräche miteinander führen, ist der reale Wohnort von Amys Vater, in dem das Film-Team drehen durfte. So war Regisseurin Nora Fingscheidt auch die ganze Zeit mit ihr im Gespräch und nennt als eine der besonderen Herausforderungen bei der filmischen Realisierung die Verantwortung, der Geschichte gerecht zu werden – und die Verantwortung gegenüber dem noch lebenden Menschen, respektvoll mit dessen persönlichen Erfahrungen umzugehen, sowie dessen Umfeld zu berücksichtigen.
ANTI-HELD*INNEN SEHEN
Filmemacherin Nora Fingscheidt hat schon früher bewiesen, dass sie mit herausfordernden Themen umgehen kann. Sie schlug erstmals Wellen mit ihrem Langfilm-Debüt „Systemsprenger“, der 2019 auf der Berlinale Premiere feierte. Mittlerweile ist eine amerikanische Neuverfilmung von System Crasher in Arbeit, was durchaus als Kompliment gewertet werden kann. Für Fingscheidt war der große Erfolg von Systemsprenger ein Sprungbrett, das unter anderem die nächsten beiden großen Projekte zu ihr brachte. Die Netflix-Produktion The Unforgivable mit Sandra Bullock war eines davon. The Outrun ist nun ihr dritter Film und begann zuerst mit dem autobiografischen Buch, das ihr von Produzentin Sarah Brocklehurst zugeschickt wurde, während Fingscheidt noch in Los Angeles am Schnitt ihres zweiten Films arbeitete. Inmitten der Pandemie, auf einem anderen Kontinent, in eine Geschichte über Heilung an einem einsamen Ort am Rande von Europa einzutauchen, traf bei Fingscheidt ins Schwarze und sie übernahm die Regie. The Outrun feierte seine Premiere auf dem Sundance Film Festival im Januar 2024, bevor der Film im Februar dann auf der Berlinale erschien.THE OUTRUN
Vereinigtes Königreich/ Deutschland 2024, 117 min.
Regie: Nora Fingscheidt
Drehbuch: Nora Fingscheidt, Amy Liptrot, Daisy Lewis
Darstellende: Paapa Essiedu , Saoirse Ronan, Saskia Reeves, Stephen Dillane, Lauren LyleBeitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Nicole Lohfink
Beitrag als PDFEinzelansichtAntonia Giebisch: App zur Hilfe bei Cybermobbing
Klicksafe. (2024). Cyber-Mobbing Leichte Hilfe. App, iOS, kostenfrei.
Die Cyber-Mobbing Leichte Hilfe App soll Menschen mit Behinderung helfen, die Opfer von Hass und Gewalt im Netz werden. Außerdem
werden Informationen zum Thema zielgruppengerecht in einfacher Sprache aufbereitet. Entwickelt wurde die App von klicksafe und der
Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Berlin e. V.Die Vielfalt innerhalb des Entwicklungsteams, bestehend aus Menschen mit Behinderung, Fachkräften aus Sozialdiensten Berliner Werkstätten, einem Gebärdensprachendolmetscher und einer Medienpädagogin von klicksafe, ermöglicht, dass die Zielgruppe der App besonders effektiv angesprochen wird. Dem voran ging ein partizipativer Prozess von zwei Jahren, in denen die Arbeitsgruppe sich das Thema aneignete.
Die App behandelt das Thema sehr vielfältig, der Fokus liegt auf einem verantwortungsbewussten Umgang sowie Aufklärungs- und Verhinderungsarbeit gegen Cybermobbing. In der Kategorie Mobbing im Internet wird zunächst erklärt, was Mobbing überhaupt ist, wo es auftreten kann und wie Cybermobbing und Mobbing im analogen Leben zusammenhängen können. Auch das Thema Sexuelle Gewalt im Internet wird behandelt, inklusive Tipps zum Selbstschutz und zur Selbstreflexion. In der Kategorie Hilf anderen! werden den Nutzer*innen Tipps gegeben, wie sie Mobbingopfern helfen und sie unterstützen können. Zudem wird im Themenbereich Gesetze aufgezeigt, welche Handlungen verboten sind und angezeigt werden können. Ebenfalls interessant ist die Kategorie Tipps und Beratung, in der eine Vielzahl von Anlaufstellen mit Telefonnummern und Websites bereitgestellt werden. Die Rubrik Anleitungen zeigt anhand von Bildern, wie man Personen auf Plattformen wie WhatsApp oder
Instagram blockieren, melden oder löschen kann. Zudem gibt es auch eine Erklärung, wie man eine Onlineanzeige erstellen kann. Die Ru-
brik Videos enthält Bewegtbildformate in Lautoder Gebärdensprache mit Untertiteln zu verschiedenen Themen.Die Vorgänger-App Cyber-Mobbing Erste Hilfe App, ebenfalls von klicksafe und auf Kinder und Jugendliche spezialisiert, diente als Grundlage für die Cyber-Mobbing leichte Hilfe App. Letztere steht als kostenlose iOS-Version zur Verfügung; bald auch für Android.
Die App ist eine große Bereicherung für Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung, die Unterstützung im Bereich Cybermobbing
benötigen. Die Barrieren werden innerhalb der App möglichst gering gehalten und es wird in einfacher Sprache kommuniziert, damit alle
Personen unabhängig ihrer kognitiven Kompetenzen und ihres Bildungsstandes Zugang zu den Informationen haben.Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Antonia Giebisch
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publikationen
Antonia Giebisch: Adeoso, Marie-Sophie; Berendsen, Eva; Fischer, Leo & Schnabel, Deborah (Hrsg.) (2024). Code und Vorurteil. Über Künstliche Intelligenz, Rassismus und Antisemitismus. Berlin: Verbrecher Verlag. 200 S., 20,00 €.
Adeoso, Marie-Sophie; Berendsen, Eva; Fischer, Leo & Schnabel, Deborah (Hrsg.) (2024). Code und Vorurteil. Über Künstliche Intelligenz, Rassismus und Antisemitismus. Berlin: Verbrecher Verlag. 200 S., 20,00 €.
Kann Künstliche Intelligenz die Demokratie und die Vielfalt der Gesellschaft gefährden? Wie trägt KI zu Diskriminierung und gesellschaftlichem Ausschluss bei? Mit diesen und vielen weiteren Fragen setzen sich die Autor*innen des vierten Bands der Edition Bildungsstätte Anne Frank in ihrem Buch Code und Vorurteil auseinander. Dies erfolgt aus ganz unterschiedlichen Perspektiven – zum Beispiel aus der Psychologie, der Kommunikationswissenschaft, der Kunst und der Informatik. In der Einleitung werden zum einen die Chancen erwähnt, wie KI zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen kann. Zum anderen wird auch die Möglichkeit benannt, dass mit KI gesellschaftliche Ungleichheiten fortgeschrieben werden können. Somit verdeutlichen die Autor*innen von Beginn an die Vielschichtigkeit der Entwicklungen.Im ersten Teil des Buches wird die Funktionsweise von KI-Systemen erläutert, was besonders für diejenigen, die sich zuvor nicht ausführlich mit dem Thema beschäftigt haben, den Einstieg erleichtert. Es werden die Unterschiede zwischen regelbasierten und lernenden Algorithmen sowie die Funktionsweisen von Automated Decision Making (ADM)-Systemen erklärt. Durch konkrete Fallbeispiele wird der Inhalt verständlich und zugänglich. Es wird deutlich gemacht, dass unbewusste Vorurteile, strukturelle Ungleichheit und Diskriminierung, die in der Gesellschaft verbreitet sind, sich auch in ADM-Systemen wiederfinden, da diese von Menschen ‚gefüttert‘ werden.
Im weiteren Verlauf werden die Gefahren des interaktiven Webs behandelt und es wird über Veränderungen durch Online-Umgebungen aufgeklärt. Zudem wird erklärt, was Large Language KI Models sind und warum KI antisemitische Hassrede nicht einordnen kann. Den Leser*innen werden auch Möglichkeiten zur Eingrenzung antisemitischer Hassrede im Netz aufgezeigt. Jedoch wird betont, dass Künstliche Intelligenz nicht aktiv gegen Rassismus vorgehen, sondern ihn lediglich durch Löschen und Kennzeichnen weniger sichtbar machen kann. Auch die Themen Augmented Reality Filter und Bildgeneration durch Künstliche Intelligenz werden besprochen. Es wird aufgezeigt, dass bei der Bildgenerierung der Hautton von Benutzer*innen verändert wird und Inhalte von Frauen automatisch in einer sexualisierten Weise wiedergegeben werden. Darüber hinaus tragen AR-Filter zur Reproduktion von Diskriminierung bei, indem stereotype Schönheitsideale durch ihre Verwendung verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt werden. Es werden außerdem prädikative Algorithmen und algorithmische Prädiktionen behandelt und deren Auswirkungen erläutert. Anschließend wird die Rolle Künstlicher Intelligenz im Kontext ökonomischer Strukturen näher betrachtet.
Im zweiten Teil erfolgt eine umfassende Auseinandersetzung mit KI im Metaverse und wie sie dort die Demokratie gefährden kann. Anschließend wird der Missbrauch von KI durch Rechtsextremist*innen behandelt, die Propaganda und Desinformationen in den Algorithmus einpflegen. Es wird sich auch mit der Frage befasst, ob KI Verschwörungstheorien und Desinformation verstärkt und wie man mit Hilfe von KI Desinformation identifizieren kann.
Spannend ist das Kapitel Die Dividende der Lüge, das von einer KI generiert wurde, was aber erst ganz am Ende aufgelöst wird. Effekt dessen könnte sein, dass Rezipierende nach der Auflösung vermehrt Texte bezüglich ihrer ‚Echtheit‘ hinterfragen. Diese raffiniert gestaltete Passage wird mit gesellschaftskritischen Fragen abgerundet.
Im darauffolgenden Kapitel wird verstärkt auf die Rolle von KI im Kontext historischer Aufarbeitung eingegangen. Durch die Fähigkeit der KI, Videos sprechender Personen nur auf Basis von Bildern und Texten zu generieren, eröffnet sich die Möglichkeit, einen immersiven Zugang zur Geschichte zu erhalten. Problematisch wird dies laut Deborah Schnabel, Leiterin der Bildungsstätte Anne Frank, bei „Rezipient*innen mit wenig Vorwissen und geringer Medienkompetenz, die diesen Videos in informellen Settings wie den sozialen Medien begegnen“ (S. 150).
Im dritten Teil der Publikation wird in einem Interview mit Filmemacherin und Autorin Hito Steyerl inhaltlich vertieft, dass gesellschaftliche Haltungen sich immer auch in der Künstlichen Intelligenz widerspiegeln. Demnach kann eine einfache Zensur von Vorurteilen nicht die Lösung sein. Stattdessen muss sich die Gesellschaft von Grund auf gegen Vorurteile immunisieren.
Im Kapitel Utopien für Milliardäre wird das Konzept des Effective Altruism erklärt. Hierbei handelt es sich um die Überzeugung, dass das Glück einer großen Anzahl potenzieller Menschen in der Zukunft das Unglück der gegenwärtigen realen Menschheit wert sei. Die Tech-Milliardär*innen, die in dieses Projekt investieren, erhoffen sich davon digitale Unsterblichkeit sowie KI-gestützten Wohlstand.
Zum Abschluss erfolgt in neun Thesen eine Zusammenfassung und es wird auf bestimmte Schwerpunkte noch einmal näher eingegangen. Dabei wird unter anderem der Schluss gezogen, dass KI zwar das Potenzial für eine bessere Zukunft biete, jedoch durch Kapitalismus und Ungleichheit geprägt sei. Es wird dafür plädiert, den humanistischen Anspruch an KI für alle zu stellen, auch wenn technische Aspekte eher den Tech-Expert*innen vorbehalten seien.
Code und Vorurteil spricht Leser*innen unabhängig von ihrem Vorwissen zum Thema KI an. Durch klare Erklärungen der Funktionsweisen und die Veranschaulichung zahlreicher Beispiele im Alltagskontext vermittelt es ein umfangreiches Wissen und ist eine Empfehlung für alle, die ihr Verständnis von Künstlicher Intelligenz vertiefen und den humanistischen Anspruch daran für alle geltend machen wollen.
Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Antonia Giebisch
Beitrag als PDFEinzelansichtKati Struckmeyer: Fajembola, Olaolu; Nimindé-Dundadengar, Tebogo (2024). Mit Kindern über Diskriminierungen sprechen. Weinheim Basel: Beltz. 284 S., 20,00 €.
Fajembola, Olaolu; Nimindé-Dundadengar, Tebogo (2024). Mit Kindern über Diskriminierungen sprechen. Weinheim Basel: Beltz. 284 S., 20,00 €.
Kinder werden aus unterschiedlichen Gründen diskriminiert. Zum Beispiel aufgrund von Queerness, Behinderung und Armut oder aus rassistischen bzw. antisemitischen Ideologien heraus – das Ergebnis ist meist, dass die betroffenen Kinder sich verletzt fühlen, ihr Selbstwertgefühl und ihre Selbstwirksamkeit untergraben werden und sie dadurch ihr Potenzial nicht ausschöpfen können.
Ziel von Fajembola (Kulturwissenschaftlerin) und Nimindé-Dundadengar (Psychologin), Autorinnen des Bestsellers ‚Gib mir mal die Hautfarbe – mit Kindern über Rassismus sprechen‘, ist es, mit ihrer neuen Publikation Heranwachsende und ihre Bezugspersonen für Vorurteile, Abwertung und Ausgrenzung zu sensibilisieren und sie davor zu schützen. „Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Diskriminierungsformen sollte zu den Kulturpraktiken gehören, die wir alle von Kindesbeinen an lernen.“ (S. 14) Lesende sollen ein umfassenderes Verständnis von Diskriminierung und deren Auswirkungen erlangen. Dieses Verständnis soll dazu beitragen, dass sie selbst in die Diskussion mit Kindern gehen und sich mit den Herausforderungen auseinandersetzen, „die sich bei der Vermittlung von Inklusivität und Gerechtigkeit ergeben können.“ (S. 17).
Aufgeteilt ist das Buch in zehn Kapitel. Im einführenden Kapitel zu Diskriminierung wird die Grundlage für den folgenden Inhalt gelegt und Diskriminierung in ihrer Komplexität erklärt, indem grundsätzliche Gedanken und Begrifflichkeiten eingeführt werden. Dabei geht es nicht nur darum, was Diskriminierung ist und welche Auswirkungen sie hat, sondern auch um die Rolle, die Erwachsenen zukommt, wenn sie Diskriminierung bei Kindern erleben bzw. wie wir sie davor schützen können. „Dieser Prozess des Empowerments zielt insbesondere darauf ab, die Selbstwirksamkeit der Kinder zu erhöhen und sie zum Zentrum ihrer eigenen Bewertung zu machen.“ Fajembola und Nimindé-Dunda-dengar zeigen auf, wo die Schnittstelle von elterlicher und pädagogischer Verantwortung liegt. „Kindermund tut Wahrheit kund – wer kenntsie nicht, die Sprüche, die Kinder von sich geben und in denen sich klar die Haltung der Eltern widerspiegelt. Damit Kinder so weit wie möglich frei sein können von diesem langen Arm der Erwachsenen(-meinungen) ist es in pädagogischen Räumen wichtig, diese Äußerungen aufzugreifen und sie gemeinsam mit den Kindern und in Elterngesprächen zu beleuchten.“ (S. 31)
In den folgenden Kapiteln wird auf verschiedene Formen und Momente von Diskriminierung im Detail eingegangen: Anti-Schwarzer, Antimuslimischer, Antiasiatischer Rassismus; Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze, Antisemitismus, Anti-Gender-Diversity, Bodyshaming, Ableismus und Klassismus werden definiert, erklärt und anhand zahlreicher Beispielen aus der Alltagspraxis greifbarer. Bücher, Filme und Serien, Social-Media-Kanäle sowie Vereine und Initiativen als Anlaufstellen werden empfohlen sowie Fachbegriffe glossarartig erklärt. Als Grundlage für Gestaltung der einzelnen Kapitel haben die Autorinnen Expert*innen interviewt. Aufgrund von deren Erfahrungswissen, ihrer aktivistischen Arbeit und/oder ihrer akademischen Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema konnte die Perspektive geweitet werden, was man der intensiven und authentischen Auseinandersetzung mit den einzelnen Diskriminierungsformen anmerkt. Die Biografien der Expert*innen schließen jeweils das Kapitel ab und geben zusätzlichen Einblick in das Leben sehr unterschiedlicher Menschen.
Beispielhaft hervorgehoben sei das Kapitel ‚Klassismus – Gedanken zur Klassenreise‘. Der persönliche Einstieg ins Thema zeigt bereits, wie stark die Herkunft aus einer bestimmten sozialen Klasse wirkt, selbst dann, wenn es nicht in erster Linie um materielle Armut geht. Im Vergleich zu beispielsweise Rassismus und Antisemitismus wird Klassismus aber längst nicht so im gesellschaftlichen Diskurs abgebildet, obwohl er sehr wirkmächtig ist. Nach einem kurzen Exkurs zur Problematik der Kinderarmut in Deutschland bzw. der kaum vorhandenen Aufmerksamkeit dafür wird Klassismus definiert und von einem Fragebogen ergänzt, der zum Reflektieren des eigenen Standpunkts anregen soll. Daraufhin werden
Denkanstöße gegeben, wie Armut in der Sprache benannt werden kann, ohne Menschen dabei klassistisch zu diskriminieren oder historisch negativ geprägte Begriffe zu verwenden. Weiter geht es mit Gedanken dazu, warum Geld in der deutschen Gesellschaft eigentlich so in-
transparent behandelt wird – und welche Beziehung wir (auch angesichts dessen) zu Geld haben. Nach einem kurzen Exkurs zum komplexen Thema Bildungsungerechtigkeit mündet das Kapitel in alltagsnahe Tipps für Familien und Pädagog*innen, wie eigenes klassistisches Verhalten im Alltag verhindert und das Bewusstsein dafür schon bei Kindern geschärft werden kann. In ihrem Schlusswort reflektieren die Autorinnen ihren Schreibprozess sowie die Entstehung des Buches und plädieren dafür, sich selbst immer wieder mit den eigenen Privilegien sowie mit Unsicherheiten, Wissenslücken und den Perspektiven und Meinungen anderer auseinanderzusetzen. Denn „wenn wir uns in unserer Menschlichkeit begreifen, in unseren Ungewissheiten und Fehlbarkeiten, dann entstehen Räume für Veränderung.“ (S. 268)Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Kati Struckmeyer
Beitrag als PDFEinzelansichtMarcus Müller: Erichsen, Jakob (2024). Digitale Zukünfte. Fiktionale Erwartungen in der öffentlichen Diskussion zur Digitalisierung der Schulen. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. 372 S. 46,00 €.
Debatten über Bildungspolitik sind zugleich immer auch Debatten über die Zukunft unserer Gesellschaft. Schließlich sollen Bildungsinstitutionen Heranwachsende darauf vor-
bereiten. Die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft im Zuge der Digitalisierung ist zu Teilen noch offen. Jedoch werden schon jetzt fiktionale Erwartungen über die Zukunft formuliert, um bestimmte Digitalisierungsbestrebungen im Bildungswesen zu legitimieren oder zu delegitimieren. Jakob Erichsen hat die Debatten um die Digitalisierung des Bildungswesens diskursanalytisch untersucht, um herauszufinden, wie bestimmte Vorstellungen von der Zukunft den politischen Diskurs um unsere gegenwärtige Bildungspolitik prägen.Schwerpunktmäßig analysiert er den journalistischen Bereich anhand der Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung sowie der Wochenzeitung Die Zeit. Erichsen schätzt die Wirkmacht dieser drei Zeitungen höher ein, als es die reinen Auflagenzahlen vermuten lassen, da diese als Qualitäts- und Leitmedien gelten und sich viele journalistische Medien an ihnen orientieren. Gerade der journalistische Bereich sei für die Untersuchung besonders interessant, so Erichsen, da dieser eher als meinungs- und tatsachenorientiert wahrgenommen würde, die fiktionalen Zukunftserwartungen jedoch eher spekulativen und fantasiebetonten Charakter hätten. Der Autor vermutet, dass die fiktionalen Erwartungen im Journalismus möglicherweise besonders wirkungsvoll sein könnten, da sie hier unbemerkt wirken können.
Anschaulich zeigt Erichsen die dominierenden Zukunftsnarrative auf und zeigt, wie digitalisierungsbefürwortende, ablehnende und vermittelnde Positionen in den Argumentationen plausibilisiert werden. Dieses Buch ist allen zu empfehlen, die interessiert die gegenwärtigen Debatten um die Digitalisierung des Bildungssystems verfolgen und diese einmal aus der Metaperspektive betrachten möchten, um so vielleicht auch die eigene Position distanziert betrachten zu können.
Erichsen, Jakob (2024). Digitale Zukünfte. Fiktionale Erwartungen in der öffentlichen Diskussion zur Digitalisierung der Schulen. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. 372 S. 46,00 €.
Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Marcus Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtMaria Kapfenberger: Joos, Magdalena & Alberth, Lars (Hrsg.) (2022). Forschungsethik in der Kindheitsforschung. Beltz Juventa 191 S., 28,00 €.
Forschung muss nicht nur Gütekriterien wie Objektivität, Reliabilität und Validität entsprechen, sondern ebenso forschungsethische Standards einhalten. Insbesondere bei
der Forschung mit vulnerablen Gruppen ist ein ethisches Konzept von großer Bedeutung. Beispielsweise bei der Forschung mit Kindern muss den Forschenden bewusst sein, welche Auswirkungen eine Datenerhebung auf Kinder haben kann. Für Forschende ist es deshalb besonders wichtig, aktuelle Erkenntnisse zum Thema Forschungsethik im Blick zu haben. Magdalena Joos und Lars Alberth haben mit ihrer Veröffentlichung aus der Reihe Kindheiten ein Buch herausgegeben, in dem verschiedene wichtige und aktuelle Aspekte zum Thema Ethik besprochen werden. In dieser Reihe werden seit den 1990er-Jahren sozial- und kulturwissenschaftliche Betrachtungen auf Kinder vermittelt, differenziert und kritisch weiterentwickelt. Das Buch bietet einen Überblick über verschiedene Fragestellungen zur Forschungsethik in der Kindheitsforschung. Konkret geht es dabei um forschungsethische Reflexionen zu Ethnografien in der Kindheitsforschung, partizipative Forschung mit Kindern sowie darum, welche Rechte Kinder als die zu Erforschenden haben und was dabei beachtet werden muss. Auf 191 Seiten vermitteln die verschiedenen Autor*innen somit kompakt grundlegendes Wissen zum
Thema Forschungsethik in der Kindheitsforschung. Durch darstellende Abbildungen und Studienausschnitte sowie Zitate und Bilder wird das Thema gut illustriert und dadurch
greifbarer.Joos, Magdalena & Alberth, Lars (Hrsg.) (2022). Forschungsethik in der Kindheitsforschung. Beltz Juventa 191 S., 28,00 €.
Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Maria Kapfenberger
Beitrag als PDFEinzelansichtMarcus Müller: Letz, Malte & Lippok, Juliane (2024). Globales Lernen im Museum. Ein Praxisleitfaden. Bielefeld: transcript. Edition Museum. 130 S., 29,00 €.
Eine zentrale Frage der Medienpädagogik dreht sich darum, welche Medien mit welchen Methoden in der Bildung eingesetzt werden sollten. Um eine weitere Dimension kann man die Bildungsarbeit erweitern, indem man sich fragt, aus welcher Perspektive die eingesetzten Medien bestimmte Inhalte übermitteln sollen. Malte Letz und Juliane Lippok setzen genau hier mit ihrem Praxisleitfaden Globales Lernen im Museum an und zeigen Wege auf, wie die entwicklungspolitische Bildung durch Kooperation mit dem von Kolonialgeschichte geprägten Lernort Museum zu einer neuen globalen Perspektive gelangen kann.
Ausgangspunkt ist für die Autor*innen der Ansatz des Globalen Lernens aus der entwicklungspolitischen Bildung. Mit diesem Ansatz sollen Verbindungen zwischen Globalem Norden und Globalem Süden in Museen sichtbar gemacht werden. Die so gewonnene Multiperspektivität soll einen nachhaltigen Umgang mit der Globalisierung, Digitalisierung, Klimawandel und wachsender Diversität vermitteln. Inhaltlicher Kern des Praxisleitfadens sind acht Perspektiven, die zu einer zielführenden Angebotsentwicklung im Rahmen einer solchen Bildungskooperation beitragen sollen. Die acht Perspektiven sind die Rahmenbedingungen, die Zielgruppe und das Bildungsformat, die Auswahl von Bezugsregionen des Globalen Südens, der Bezug zu den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen (SDG), Bezüge zum Museum, die Fachkräfte, eine Auswahl von Kernkompetenzen, die vermittelt werden sollen und die Gesamtorganisation. Darauf aufbauend werden Überlegungen zur Methodik und Evaluation des Globalen Lernens im Museum angestellt und bewährte Ansätze vorgestellt.
Globale Perspektiven in konkrete individuelle Lernsituationen einzubringen, ist der Versuch, das Universelle mit dem Individuellen zu verbinden. Durch das Aufzeigen der Bezugspunkte zwischen der global ausgerichteten entwicklungspolitischen Bildung und den methodischen Möglichkeiten des lokalen Museums gelingt den Autor*innen genau das.
Letz, Malte & Lippok, Juliane (2024). Globales Lernen im Museum. Ein Praxisleitfaden. Bielefeld: transcript. Edition Museum. 130 S., 29,00 €.
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Autor: Marcus Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtSebastian Ring: Mendel, Meron (2023). Singularität im Plural. Kolonialismus, Holocaust und der zweite Historikerstreit. Weinheim/ Basel: Beltz Juventa. 240 S. 28,00 €.
Meron Mendel ist Historiker und Pädagoge. Als Direktor der Bildungsstätte Anne Frank sind die Vermittlungsarbeit und Erinnerungskultur zentrale Anliegen seines Wirkens –
auch im Kontext digitaler Kultur. Er zählt zu den wichtigen und beachteten Stimmen, die sich klug und engagiert in den öffentlichen Diskurs einbringen. Die von ihm herausgegebene Publikation Singularität im Plural. Kolonialismus, Holocaust und der zweite Historikerstreit nähert sich aus unterschiedlichen Perspektiven den Kontroversen um das Gedenken an Kolonialismus und Holocaust vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher und politischer Konflikte. Um es vorweg zu sagen: Das Buch ist vor den Terroranschlägen vom 07. Oktober 2023 erschienen und damit fehlt natürlich eine direkte Bezugnahme auf die zunehmende Dynamik und Eskalation der medialen und öffentlichen Artikulationen der vergangenen Monate.Im Zentrum der Publikation stehen Fragen und Positionen zu Erinnerungskultur, historisch-politischer Bildung sowie normative, pädagogische und erinnerungspolitische Perspektiven. Die Ausrichtung ist interdisziplinär: 18 Autor*innen aus den Geschichtswissenschaften, der Friedens- und Konfliktforschung, den Erziehungswissenschaften, der politischen Bildungsarbeit oder der Theologie haben am Band mitgewirkt. So gelingt insgesamt eine breite und vielfältige Zusammenschau von Perspektiven auf und zu den Kontroversen, die unter dem Schlagwort des zweiten Historikerstreits zusammengefasst werden. Der Blick der Publikation führt über den Tellerrand des bundesdeutschen Diskurses hinaus. Fünf Kapitel gliedern das Thema in die Unterpunkte. Das einführende Kapitel geht der Frage nach Kontinuitäten und Besonderheiten des zweiten Historikerstreits nach. Das zweite Kapitel stellt postmigrantische Realitäten in Deutschland und Anforderungen an die Erinnerungskultur in den Mittelpunkt. Das Holocaustgedächtnis im internationalen Vergleich mit Blick auf Polen, Israel und USA behandelt das vierte Kapitel. Ob das Wiedergutmachungsabkommen als Vorbild für Restitutionen dient, diskutiert das vierte Kapitel. Das letzte Kapitel vor einer abschließenden Reflexion behandelt die Genese, Inhalt und Zukunft des Postulats deutscher Staatsräson in Hinblick auf Israels Sicherheit.
Mendel, Meron (2023). Singularität im Plural. Kolonialismus, Holocaust und der zweite Historikerstreit. Weinheim/ Basel: Beltz Juventa. 240 S. 28,00 €.Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Sebastian Ring
Beitrag als PDFEinzelansichtAntonia Giebisch: Wieland, M. (2024). Informiert oder (doch nur) abgelenkt? Potenziale und Herausforderungen automatisierter Nachrichtenkontakte in mobilen sozialen Medien. Herbert von Halem. 412 S., 39,00 €.
Welche Rolle spielen Medien für die politische Informiertheit der Bürger*innen? Welche gesellschaftlichen Konsequenzen ergeben sich aus der ständigen Konfrontation mit Nachrichten? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich Mareike Wieland, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Computational Social Science am Gesis – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln, in ihrer Dissertation.
Die Publikation, welche im Rahmen des Herbert von Halem Promotions-Förderpreis erschienen ist, beleuchtet zunächst die Rolle (Sozialer) Medien bei der politischen Informationsaufnahme und die Bedeutung der Informiertheit sowie der aktiven Nachrichtensuche. Die Autorin definiert dafür den Nachrichtenbegriff und betrachtet den passiven Nachrichtenkonsum, wobei sie auf die Gefahren von Echokammern und Filterblasen hinweist. Außerdem zeigt sie auf, dass die ständige Konfrontation mit Nachrichten nicht zwangsläufig zu faktischem Wissen, sondern oft lediglich zu einem Gefühl des Wissenszuwachses führt. Des Weiteren werden die Charakteristika Sozialer Medien sowie deren Prinzipien und Wirkmechanismen untersucht, darunter Ent- und Neubündelung, Personalisierung und Konvergenz. Wieland erläutert die Bedeutung des Smartphones und die kognitive Verarbeitung nicht-intendierter Nachrichtenkontakte. Außerdem werden der Begriff des Automatismus sowie der Verlauf des Cycle of Distraction erklärt.
Im zweiten Teil des Buches stellt die Autorin die Ziele ihrer Studie, das empirische Forschungsmodell sowie die Vor- und die Hauptstudie mit Hypothesen, Forschungsfragen,
Methodik und Datenanalyse vor. Zudem präsentiert sie Ergebnisse und Limitationen der Studie. Eine abschließende Kritik an Plattformbetreiber*innen wird ergänzt durch
Handlungsempfehlungen für verschiedene Personengruppen im Umgang mit begrenzter Aufmerksamkeit. Die Publikation richtet sich insbesondere an Forschende und Expert*innen im Bereich der Kommunikationswissenschaften.Wieland, M. (2024). Informiert oder (doch nur) abgelenkt? Potenziale und Herausforderungen automatisierter Nachrichtenkontakte in mobilen sozialen Medien. Herbert von
Halem. 412 S., 39,00 €.Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Antonia Giebisch
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kolumne
Eric van der Beek: Befreit die Bildung von der Effizienz!
Kennen Sie Bernd Schorbs Monografie Einführung in die Medienpädagogik, die er im Jahr 2011 bei Springer veröffentlicht hat? Nein? Ich auch nicht. Ich fürchte, dass selbst Bernd Schorb dieses Standardwerk nicht kennt. Denn es existiert nicht. Dennoch reichte ein Student vor einigen Wochen eine Hausarbeit bei mir ein, in der er sich auf dieses Standardwerk bezog. Dort schrieb er: „Schorb (2011) definiert in seinem Grundlagenwerk drei Dimensionen der Medienkompetenz: Mediennutzung, Medienwissen und Mediengestaltung“. Eingefleischte Schorbianer*innen wissen natürlich: Inhaltlich liegt der Student daneben. Immerhin: Die Quelle war wissenschaftlich korrekt angegeben.
Der Verdacht: Der Student nutzte in der Hausarbeit offenbar KI-generierte Texte, in denen die Form des medienpädagogischen Diskurses zwar repliziert, aber der Inhalt verzerrt wird. Zweifelsfrei beweisen lässt sich dieser Verdacht jedoch nicht. Vielmehr verteidigte sich der Student: Auf die Einführung in die Medienpädagogik sei er über eine Sekundärquelle gekommen, deren Herkunft er nicht überprüft hatte. Bevor wir nun aber einstimmen in den Abgesang an die Hausarbeit als Prüfungsform und den Verlust von Wahrheit in Zeiten von generativer KI beklagen, sollten wir vielleicht eine andere Frage wagen: Ist hier womöglich die Bildungsbiografie das eigentlich zu beklagende Opfer?
Bildung ist längst einem Effizienzparadigma unterworfen. In ein Uni-Seminar, das mit drei Creditpoints angerechnet wird, sollen Studierende in der Woche vier Stunden und 30 Minuten ihrer Zeit investieren, inklusive der Besuche der Seminarsitzungen, deren Vor- und Nachbereitung und der Rezeption von Texten. Wenn ich Studierende in meinen Seminaren mit dieser Erwartung konfrontiere, ernte ich Schweigen. Für viele ist es schambehaftet, dass sie einen großen Teil ihrer Zeit für daseinserhaltende Arbeit aufbringen, um ihr Studium zu finanzieren. Am Ende bleiben nur wenige Ressourcen zum Studieren übrig.
Die Entdeckung generativer KI fällt in eine Zeit multipler Krisen (Klima, Krieg, Demografie), in denen die gesamtgesellschaftlichen Ressourcen knapp erscheinen. KI-Technologien versprechen, die Produktionsverhältnisse effizienter zu machen und den Wohlstand zu sichern. Dieses Versprechen trägt nun seltsam ambivalente Blüten im Bildungsbereich: Studierende erleben einen Vertrauensverlust, weil sie in Verdacht geraten, ihre Hausarbeiten mit ChatGPT zu schreiben. Gleichzeitig werden KI-Technologien erprobt, mit denen die Bewertung jener Hausarbeiten automatisiert wird und KI-Plagiate identifiziert werden.
Bei allem Vertrauensverlust sehe ich eine Chance, die Bildungsbiografien junger Menschen wiederzubeleben: Bildung – die Transformation von Welt- und Selbstverhältnissen – sollte in erster Linie ein Selbstzweck sein. So wie die Malerei durch die Fotografie von ihrer Gegenständlichkeit befreit wurde, könnten KI-Technologien die Bildung von der Effizienz befreien.
Beitrag aus Heft »2024/03: Medienpädagogik und KI«
Autor: Eric van der Beek
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Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
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