2024/02: Medienpädagogik und Queerness
Junge Menschen wachsen heute in eine Gesellschaft hinein, in der weitaus vielfältigere Lebensentwürfe sichtbar sind als noch vor einigen Jahren. Gleichzeitig sehen sie sich mit Polarisierungen, Unsicherheiten und Anfeindungen von Lebensentwürfen konfrontiert, die (scheinbar) außerhalb der gesellschaftlichen Norm liegen. Das Themenheft soll Zuversicht unter Fachkräften generieren und zeigen, dass unterschiedliche Zugänge und Perspektiven auf das Thema Queerness in der Medienpädagogik einen bedeutenden Beitrag leisten können. Das Anliegen ist es, nicht nur Interesse zu wecken, sondern auch Sicherheit zu vermitteln, das Thema Queerness in der eigenen (medien-)pädagogischen Praxis mitzudenken – sei es durch explizite Projektarbeit, als ständige Begleitung oder als selbstverständliche Willkommenskultur für queere junge Menschen.
aktuell
Antonia Giebisch: Hass im Netz und die Folgen für die Demokratie
Der Anstieg von Hass im Netz und die daraus resultierenden Folgen für die Demokratie sind alarmierend, so das Ergebnis einer repräsentativen Befragung, durchgeführt durch das NETTZ, der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), HateAid sowie dem Netzwerk Neue deutsche Medienmacher*innen im Kontext des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz. Die Studie ,Lauter Hass – leiser Rückzug. Wie Hass im Netz den demokratischen Diskurs bedroht’ ist die bisher umfassendste Untersuchung in Deutschland zu diesem Thema. Für die Studie wurden im Zeitraum vom 23. Oktober bis zum 03. November 2023 deutschlandweit über 3.000 Personen ab 16 Jahren befragt.
49 Prozent berichteten von Erfahrungen mit Beleidigungen sowie mit körperlicher (25 %) oder sexualisierter (13 %) Gewalt im Internet. Besonders betroffen sind Frauen (42 %), Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund (30 %) sowie Menschen mit homosexueller (28 %) oder bisexueller (36 %) Orientierung. Die politische Einstellung beeinflusst zudem die Wahrnehmung von Hass im Netz, wobei sich Personen, die sich selbst als links einordnen, vermehrt damit konfrontiert sehen.
Auf beliebten Social-Media-Plattformen wie X, TikTok, Instagram und Facebook ist Hass im Netz für die Nutzer*innen besonders präsent. Die Konsequenzen reichen von sozialem Rückzug bis hin zu psychischen Beschwerden. 82 Prozent befürchten eine Einschränkung der Meinungsvielfalt durch Hass im Netz und geben an, sich aufgrund von Angst vor Hasskommentaren bei ihrer politischen Meinungsäußerung zurückzuhalten (57 %), weniger an Diskussionen teilzunehmen (55 %) und Beiträge bewusst vorsichtiger zu formulieren (53 %). Zudem besteht bei vielen Befragten (76 %) die Sorge, dass der zunehmende Hass im Netz zu einer Zunahme von Gewalt im realen Leben führen könnte.
Um diesen bedenklichen Folgen entgegenzuwirken, wird von den Studienteilnehmer*innen gefordert, dass Maßnahmen bezüglich Kontrolle, Eindämmung und Vorsorge gegen Hass im Netz getroffen werden. Darüber hinaus wird gefordert, dass die betreffenden Plattformen (finanzielle) Verantwortung übernehmen.
https:// kompetenznetzwerk-hass-im-netz.de/
lauter-hass-leiser-rueckzug/Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Antonia Giebisch
Beitrag als PDFEinzelansichtKati Struckmeyer: TikTok Intifada – Analyse und Entwicklungen
Seit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel am 07. Oktober 2023 spielen Soziale Netzwerke eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung von Terrorpropaganda, Falschinformationen, Israelhass, Antisemitismus und Verschwörungsnarrativen, die teilweise noch unterschätzt wird. Die Bildungsstätte Anne Frank (BSAF) fasst in einem Report, der im Februar 2024 veröffentlicht wurde, die Beobachtungen relevanter Plattformen aus den ersten drei Monaten nach dem Terroranschlag in einer Ad-hoc-Analyse zusammen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf TikTok. Geschildert werden die Auswirkungen des TikTok-Konsums auf die politische Meinungsbildung der Nutzer*innen.
Die Autorinnen Deborah Schnabel und Eva Berendsen analysieren im Report das seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel besorgniserregend hohe Ausmaß an (antisemitischer) Hetze und Desinformation auf TikTok und schlagen Alarm: „Eine Generation junger Menschen, die sich ihr Weltbild aus Videoschnipseln und Fetzen von Demagogie zusammengesetzt hat, wird bald in die Gesellschaft nachrücken, Einfluss nehmen, durch Wahlen und Abstimmungen Entscheidungen treffen. Eine Welle, auf die die Gesellschaft schlichtweg
nicht vorbereitet ist“ (S. 29).
Der Report schließt mit Best-Practice-Beispielen der politischen Bildungsarbeit und Forderungen an Politik und Gesellschaft, TikTok als Plattform der politischen Meinungsbildung ernst zu nehmen, Medien- und politische Bildung in Schulen sowie außerschulisch voranzutreiben sowie Tech-Konzerne in die Pflicht zu nehmen. Bei letzterem geht es vor allem darum, die Aufmerksamkeit auf Praktiken von TikTok als Unternehmen zu erhöhen, damit zum Beispiel Melde- und Kontrollfunktionen verlässlich funktionieren.
https:// bs-anne-frank.de/mediathek/publikationenBeitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Kati Struckmeyer
Beitrag als PDFEinzelansichtSwenja Wütscher: Qualitätsstandards für Digital Streetwork
Eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre in Chats und Communitys, die Zusammenarbeit im Übergang von Online- zu Offline-Begleitung sowie die spezifische Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse junger Menschen in digitalen Lebenswelten sind Schlüsselfaktoren für gelingendes Digital Streetwork – so steht es in den Leitlinien. Die Qualitätsstandards für Digital Streetwork sind ein Meilenstein in der Weiterentwicklung des Arbeitsfelds. Sie dienen nicht nur als Grundlage und Orientierungshilfe für Fachkräfte, Organisationen und Institutionen im Bereich Digital Streetwork, sondern betonen auch die Relevanz von Digital Streetwork in der Jugendhilfe. Herausgegeben wurden sie durch den Bayerischen Jugendring und inhaltlich erarbeitet in Kooperation mit dem JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Die Entstehung der Qualitätsstandards wurde durch den BJR initiiert und basiert auf einem spezifischen Ansatz, der im Rahmen des Projekts Digital Streetwork in Zusammenarbeit mit dem JFF entwickelt wurde. Das Resultat sind fundierte Empfehlungen, die auf der wissenschaftlichen Begleitung durch das JFF beruhen, gestützt durch praktische Erfahrungen von bis zu 14 Digital Streetworker*innen sowie die Projektkoordination. Darüber hinaus floss ein kontinuierlicher fachlicher Austausch im Landesvorstand des BJR, mit den Bezirksjugendringen und Vertreter*innen angrenzender Arbeits- und Handlungsfelder der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit in die Ausarbeitung der Standards ein.
Die dokumentierten Standards fungieren als Leitlinien, die eine qualitativ hochwertige Umsetzung von Digital Streetwork sicherstellen sollen. Dies umfasst Aspekte wie die erweiterte Zielgruppenansprache, den gezielten und thematischen Zugang zu Online-Plattformen sowie die Abwägung zwischen digitalen Kinderrechten und Datenschutzvorgaben. Die Qualitätsstandards greifen zudem die Herausforderungen der Arbeit im digitalen Raum auf, insbesondere im Hinblick auf rechtliche Risiken, und ermutigen zu einer gezielten, aber verantwortungsbewussten Risikobereitschaft.
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtMarcus Müller: Politische Medienbildung GEGEN HASS IM NETZ
Der Kompass für gelingende politische Medienbildung GEGEN HASS IM NETZ bietet entlang von fünf Themenbereichen Hilfestellungen für Akteur*innen, die Angebote zum Umgang mit Hass im Netz im Bildungsbereich durchführen wollen. Die Orientierungshilfe wurde von der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) in Zusammenarbeit mit medialepfade.org – Verein für Medienbildung veröffentlicht. Die Autor*innen regen dazu an, über das Thema und die damit verbundenen Lernziele nachzudenken und besonders im Onlinekontext die Überschneidungen von Themenfeldern wie Rassismus und Hass mit solchen wie Desinformation oder Cybermobbing zu beachten.
Hinsichtlich der Haltung zu Demokratie und Vielfalt ist im Kontext der Medienbildung eine deutliche Bezugnahme auf Werte und Grundrechte des Grundgesetzes von Bedeutung. Für die Vermittlung einer friedlichen und demokratischen Debattenkultur ist dies zentral. Starke Methoden bedeuten laut Medienbildungskompass, dass Medien methodenorientiert eingesetzt werden und abgewogen wird, in welchem Umfang mit authentischen oder zu Anschauungszwecken hergestelltem Material gearbeitet werden sollte. Weiterhin soll sich die Zielgruppe mit dem Angebot identifizieren können. Daher sollten nicht ausschließlich privilegierte Sichtweisen abgebildet werden und das Material möglichst barrierearm sein. Hierbei sollten pädagogische Fachkräfte ihre eigene Identität und Betroffenheit reflektieren.
Zuletzt weist der Kompass auf die Nachnutzung bzw. Aktualisierbarkeit von Materialien und Projektkonzeptionen als Kriterium für nachhaltige Bildungsarbeit hin. Gelungen sind die Materialien laut Kompass, wenn sie für verschiedene Lernsituationen anschlussfähig sind.Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Marcus Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtAntonia Giebisch: Studie zu Schönheitsidealen im Internet
Die Verbreitung geschlechterspezifischer Schönheitsideale ist fester Bestandteil von Social Media. Bearbeitungstools und zunehmend auch KI vermitteln vor allem Jugendlichen unrealistische Schönheitsstandards.
Die Auswirkungen dieser Entwicklung wurden in der Befragung Schönheitsideale im Internet des Instituts für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung im Auftrag des Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und der Internet Service Providers Austria (ISPA) im Rahmen der EU-Initiative saferinternet.at untersucht. Die repräsentative Gruppe, bestehend aus 400 Teilnehmer*innen im Alter von 11 bis 17 Jahren, wurde im Dezember 2023 befragt. Zusätzlich fanden vier Fokusgruppengespräche mit insgesamt 56 Jugendlichen im Alter von 13 bis 19 Jahren statt. Die Ergebnisse der Studie sind alarmierend: 71 Prozent der Befragten geben an, sich aufgrund Sozialer Netzwerke verstärkt mit anderen zu vergleichen, während 65 Prozent einen Zusammenhang zwischen den geteilten Inhalten auf solchen Plattformen und ihrem eigenen Schönheitsempfinden sehen. Infolgedessen hat bereits über die Hälfte (53 %) ihr Aussehen aufgrund Sozialer Medien verändert oder findet sich mit Filtern schöner (33 %). Über ein Viertel (28 %) hat sogar Schönheitsoperationen in Erwägung gezogen. Die Teilnehmer*innen legen Wert darauf, auf Bildern gut (59 %) oder sexy (34 %) auszusehen und bearbeiten ihre Bilder entsprechend (41 %). Auf diese Entwicklung nehmen Influencer*innen erheblichen Einfluss: 84 Prozent der Be- fragten folgen Influencer*innen in Sozialen Netzwerken und 53 Prozent der Jugendlichen haben bereits Produkte gekauft, die von Influencer*innen empfohlen wurden.
www.saferinternet.at/news-detail/neue-studieschoenheitsideale-im-internetBeitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Antonia Giebisch
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thema
Katharina Jäntschi: Editorial. Queer im Netz
Frauen* und Menschen mit homo- oder bisexueller Orientierung sind besonders häufig von Hass im Netz betroffen. Das verdeutlicht die repräsentative Studie Lauter Hass – leiser Rückzug. Wie Hass im Netz den demokratischen Diskurs bedroht, die im Februar 2024 veröffentlich wurde (NETTZ et al., 2024). Dabei zeigt sich, dass die sexuelle Orientierung und/oder geschlechtliche Identität häufig das Ziel von Online-Hass sind (ebd., S. 39). Die Studie bestätigt damit die Wahrnehmung vieler queerer Menschen, die sich in digitalen Räumen bewegen. Umso wichtiger ist die Auseinandersetzung medienpädagogischer Ansätze mit queeren Perspektiven.
Obwohl romantische, sexuelle und geschlechtliche Darstellungen in Medien sowie gesellschaftliche Aushandlungen eine lange Geschichte haben, haben sie sich in den letzten Jahren erheblich verändert und weiterentwickelt. Junge Menschen wachsen heute in eine Gesellschaft hinein, in der weitaus vielfältigere Lebensentwürfe sichtbar sind als noch vor einigen Jahren. Gleichzeitig sehen sie sich mit Polarisierungen, Unsicherheiten und Anfeindungen von Lebensentwürfen konfrontiert, die (scheinbar) außerhalb der gesellschaftlichen Norm liegen. Der kompetente Umgang mit Heterogenität ist daher mehr denn je Entwicklungsaufgabe Heranwachsender. Über zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland lassen sich laut Studien dem queeren Spektrum zuordnen, wobei der Prozentsatz bei der jüngeren Generation höher ist als bei der älteren (IPSOS 2023, S. 9 f.). Das bedeutet, dass statistisch in jeder Klasse oder Jugendgruppe mindestens eine Person queer ist. Queerness in der (Medien-)Pädagogik sollte daher längst eine Selbstverständlichkeit sein. Was das für die medienpädagogische Arbeit konkret bedeutet und vor welchen Herausforderungen die Bildungsarbeit allgemein steht, wird in diesem Themenschwerpunkt aufgegriffen.
Die Vielfalt der Lebensrealitäten in Bezug auf geschlechtliche Identifizierung sowie sexuelle und romantische Orientierung muss entsprechend in den Medien abgebildet werden. Dadurch können junge Menschen positive Identifikationsmöglichkeiten erhalten und enge Stereotype aufbrechen – dies ist natürlich nicht allein die Aufgabe der Medienpädagog*innen in der Kinder- und Jugendarbeit. Fachkräfte sollten jedoch zum Beispiel bei der Auswahl von Medienprodukten oder der Durchführung von (medien-)pädagogischen Praxisprojekten bezüglich geschlechtlicher Vielfalt sensibel und informiert vorgehen. Zugleich ist es wichtig, die kritische Medienkompetenz junger Menschen zu stärken, damit sie reflektiert mit den Medien umgehen können und sich nicht negativ beeinflussen lassen bzw. kompetent und differenziert mit stereotypen Medieninhalten oder queerfeindlichen Offerten umgehen lernen.
Welche Unterstützung erhalten junge Menschen im Hinblick auf ihre romantischen, sexuellen und geschlechtlichen Orientierungen (in den Medien) und mit welchen (neuen) Herausforderungen sind sie konfrontiert? Welche Entwicklungen und Herangehensweisen sind parallel innerhalb der medienpädagogischen Bildungsarbeit notwendig, damit junge Menschen bestmöglich in ihrem selbstbestimmten und individuellen Aufwachsen begleitet werden können?
Nicola Döring führt grundlegend in das Themenfeld Queerness in der Medienpädagogik ein. Sie legt relevante Zahlen und Fakten geschlechtlicher Vielfalt in der Gesamtbevölkerung in Deutschland und speziell bei Kindern und Jugendlichen sowie Repräsentation von Queerness und Straightness in Sozialen Medien dar. Zudem diskutiert Döring das Spannungsfeld zwischen zunehmender Akzeptanz und Sicherbarkeit vielfältiger geschlechtlicher Identitätsentwürfe und sexueller Orientierungen als auch einer ansteigenden Queerfeindlichkeit sowie der Artikulation in den Medien. Beides muss in der Arbeit mit Jugendlichen und jungen Menschen berücksichtigt werden. Im Gespräch mit der Wissenschaftlerin Katrin Degen und dem Oberbürgermeister von Neubrandenburg Silvio Witt geht Katharina Jäntschi der Frage nach, warum Queerfeindlichkeit für rechtsextreme Akteur*innen als Feindbild heutzutage prädestiniert ist – obwohl einige rechte Akteur*innen selbst dem nicht-heteronormativen Spektrum zuzuordnen sind. Besonderer Schwerpunkt liegt hier auf Analysen der Onlinekommunikation, derer sich die Neue bzw. Extreme Rechte bedient, und die spezifischen Möglichkeiten des Internets und insbesondere der Sozialen Medien nutzt.
Annika Spahn erläutert in einem umfassenden Glossar wesentliche Begriffe rund um Queerness. Dies bietet eine Orientierung für alle, die mit den vielfältigen Begrifflichkeiten weniger vertraut sind oder mehr zu einzelnen queeren Vokabeln erfahren wollen. Zudem verdeutlicht das Glossar die Dynamik des Queerness-Felds und wie historische Kämpfe durch bestimmte Begrifflichkeiten transportiert werden können.
Folke Brodersen und Katharina Jäntschi gehen auf die Praxis einer queersensiblen (Medien-)Pädagogik ein. Mit der Grundhaltung, dass Jugendarbeit immer queere Jugendarbeit ist, und ausgehend von eigenen Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beleuchten sie praxisnah verschiedene Voraussetzungen, Ziele, Prämissen und Haltungen für kompetente, queersensible Jugendarbeit.Patrick Wolf, Queerbeauftragter des Bayerischen Jugendrings, und Kathrin Demmler, Direktorin des JFF, gehen in einem Gespräch mit Katharina Jäntschi auf Herausforderungen der veränderten Anforderungen im Hinblick auf geschlechtliche Vielfalt in der Jugendarbeit und Medienpädagogik ein. Dies betrifft nicht nur die Jugendlichen selbst, sondern auch die tätigen Pädagog*innen. Gemeinsam eruieren sie, wie diese teils herausfordernden Veränderungen gelingend angegangen werden können.
Die Drehbuchautorin Lily Ringler reflektiert meinungsbasiert die Bedingungen für queere Repräsentation in Bewegtbildmedien. In ihrem Plädoyer setzt sie sich für mehr Diversität queerer Akteur*innen in fiktionalen Angeboten ein. Dabei geht sie auf Fallstricke wie Queerbaiting und Stereotypisierung ein und beleuchtet aktuelle Beispiele wie die Serie Heartstopper. Ringler analysiert kritisch die derzeitigen, stark begrenzten Repräsentationen innerhalb von Mainstream-Angeboten mit queerem Figureninventar.
In Steckbriefen werden drei Projekte mit ihren unterschiedlichen Ansätzen queerer Medienpädagogik vorgestellt. Queere Games – QUEER THINGSDates (Medienzentrum München) hat die Münchner queere Community in einem offenen Format in den Austausch über queere Repräsentation und Figuren in Computerspielen gebracht. Gemeinsam mit Fachkräften hat das Projekt Fierce! – Potentiale queerer JugendMedienArbeit (ComputerProjekt Köln e. V.) unter anderem Bedarfe für queere Jugendarbeit eruiert. 2024 steht im Zeichen der Durchführung konzipierter Fortbildungen sowie der Erstellung von Info-Material. Beim dritten Projekt Que(e)r durch Berlin und Brandenburg (JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis) wurden gemeinsam mit queeren Jugendlichen Medienprodukte erstellt und so die eigene Handlungsfähigkeit sowie Medienkompetenz gestärkt. Dieses Themenheft soll Zuversicht unter Fachkräften generieren und zeigen, dass diese unterschiedlichen Zugänge und Perspektiven auf das Thema Queerness in der Medienpädagogik einen bedeutenden Beitrag leisten können. Das Anliegen ist es, nicht nur Interesse zu wecken, sondern auch Sicherheit zu vermitteln, das Thema Queerness in der eigenen (medien-)pädagogischen Praxis mitzudenken – sei es durch explizite Projektarbeit, als ständige Begleitung oder als selbstverständliche Willkommenskultur für queere junge Menschen.Literatur
Das NETTZ, Gesellschaft für Medienpädagogik und
Kommunikationskultur, HateAid & Neue deutsche
Medienmacher*innen als Teil des Kompetenznetzwerks gegen
Hass im Netz. (2024). Lauter Hass – leiser Rückzug. Wie Hass
im Netz den demokratischen Diskurs bedroht. Ergebnisse einer
repräsentativen Befragung. https:// kompetenznetzwerk-hass-
im-netz.de/ lauter-hass-leiser-rueckzug/
IPSOS. (2023). LGBT+ Pride 2023: A 30-Country Ipsos Global
Advisor Survey. ipsos.com/sites/default/files/ct/
news/documents/2023-05/ Ipsos%20LGBT%2B%20Pride%20
2023%20Global%20Survey%20Report%20-%20rev.pdf
Katharina Jäntschiarbeitet als medienpäda-
gogische Referentin in der Abteilung Praxis
des JFF. Sie hat Soziologie und Gender Studies
studiert. Ihre Schwerpunkte sind geschlechts-
und queersensible medienpädagogische Praxis
sowie demokratische Teilhabe und politische
Bildung in der Medienpädagogik.
Das Heft entstand mit fachlicher Beratung von
Mareike Schemmerling (JFF – Institut für Me-
dienpädagogik) und Mina Mittertrainer (freie
Geschlechterforscherin).Nicola Döring: Queerness in der Medienpädgaogik
Die Fülle geschlechtlicher und sexueller Identitäten ist in jüngster Zeit gesellschaftlich deutlich sichtbarer geworden. Insbesondere digitale Medien haben dazu beigetragen. Denn sie erlauben es, auch solche Identitäten umfassend öffentlich darzustellen, die in Massenmedien allenfalls am Rande vorkommen. Die Effekte sind zwiespältig: Mediale Sichtbarkeit von Queerness geht mit Empowerment, aber auch mit zunehmender Anti Queerness einher. Welche Herausforderungen ergeben sich aus diesen Entwicklungen für die medienpädagogische Arbeit?
Literatur
Bloomfield, Veronica E./Fisher, Marni E. (2016). LGBTQ Voices in Education: Changing the Culture of Schooling. Routledge.
Bradford, H. (2017). Bi+ Identities: Past, Present, and Future. https://brokenwallsandnarratives.wordpress.com/2017/02/16/bi-identities-past-present-and-future/ [Zugriff: 06.11.2023]
Dean, James Joseph/Fischer, Nancy L. (Eds.) (2020). Routledge International Handbook of Heterosexualities Studies. New York: Routledge.
Döring, Nicola (2022a). Sex, Jugend und Pornografie: Wie soll man pädagogisch damit umgehen? In: Kinder- und Jugendschutz in Wissenschaft und Praxis, 67(3), S. 94-99.
Döring, Nicola (2022b). Sexualbezogene Online-Fortbildung für Fachkräfte: TikTok. In: Zeitschrift für Sexualforschung, 35, 154-159. doi.org/10.1055/a-1874-9806
Döring, Nicola (2023a). Jenseits von Alpha Males und Insta Girls – Wie vielfältig sind Geschlechterbilder in Sozialen Medien? In:BzKJAktuell, 3/2023, S. 11-17.
Döring, Nicola (2023b). Videoproduktion auf YouTube: Die Bedeutung von Geschlechterbildern. In: Dorer, Johanna/Geiger, Brigitte/Hipfl, Brigitte/Ratković, Viktorija (Hrsg.). Handbuch Medien und Geschlecht: Perspektiven und Befunde der feministischen Kommunikations- und Medienforschung. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 963-973.
Döring, Nicola/Bhana, Deevia/Albury, Kath (2022). Digital sexual identities: Between empowerment and disempowerment. In: Current Opinion in Psychology, 48, 101466.
DOI: 10.1016/j.copsyc.2022.FRA [EU Agency for Fundamental Rights] (2020). A Long Way to LGBTI Equality. fra.europa.eu/en/data-and-maps/2020/lgbti-survey-data-explorer
IPSOS (2023). LGBT+ Pride 2023: A 30-Country Ipsos Global Advisor Survey. https://www.ipsos.com/sites/default/files/ct/news/documents/2023-05/Ipsos%20LGBT%2B%20Pride%202023%20Global%20Survey%20Report%20-%20rev.pdf [Zugriff: 06.11.2023]
Kammholz, Marco (20023). Buchbesprechung zu „Sex in echt. Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät“. In: Zeitschrift für Sexualforschung, 36, 183-185. doi.org/10.1055/a-2114-5085
Kinsey, Alfred C. (1948/1998). The Kinsey Scale. In: Kinsey, Alfred C./Pomeroy, Wardell B./Martin, Clyde E. (Hrsg.). Sexual Behavior in the Human Male. Philadelphia: W.B. Saunders; Bloomington: Indiana University Press, S. 636-658.
Krell, Claudia/Oldemeier, Kerstin (2015). Coming-out und dann…?!: Ein DJI-Forschungsprojekt zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen und jungen Erwachsenen. München. https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2015/DJI_Broschuere_ComingOut.pdf [Zugriff: 06.11.2023]
Van Anders, Sari M. (2015). Beyond Sexual Orientation: Integrating Gender/Sex and Diverse Sexualities via Sexual Configurations Theory. In: Archives of Sexual Bevior, 44, S. 1177-1213. DOI: 10.1007/s10508-015-0490-8.
Katrin Degen/Silvio Witt: Gespräch. Queerness als Zielscheibe rechtsextremer Meinungsmache
Im Gespräch mit Katharina Jäntschi beleuchten Katrin Degen und Silvio Witt Herausforderungen im Umgang mit zunehmender Queerfeindlichkeit, insbesondere in Social Media und vor Ort. Witt erzählt von rechten Angriffen auf die Regenbogenflagge, Degen gibt wissenschaftliche Einblicke in die Motivation und ideologische Hintergründe dieser Angriffe. Die Diskussion umfasst die Rolle des Internets, die Bedeutung der Selbstreflexion und den Appell zur Solidarität gegen Einflüsse der extrem Rechten.
Annika Spahn: Glossar
QUEERLEXIKON E . V.
Das Queer Lexikon ist die größte ehrenamtliche deutschsprachige Online-Anlaufstelle zu sexueller, romantischer und geschlechtlicher Vielfalt. Es leistet digitale Bildungsarbeit zu sexueller, romantischer und geschlechtlicher Vielfalt und digitale Jugendarbeit für queere junge Menschen. Die Bildungsangebote des Queer Lexikons setzen sich aus der Webseite mit einem Glossar mit über 320 Begriffen, mehreren inhaltlichen Lexikon-Seiten und sechs Informationsbroschüren (z. B. zu Bindern, Tucking, Safer Sex, Labeln, Coming Out und dem kompetenten pädagogischen Umgang mit trans Kindern und Jugendlichen in KITA und Schule) zusammen. Sie sind für Einrichtungen und Organisationen, die mit jungen Menschen arbeiten, kostenlos bestellbar. Die Angebote der digitalen Jugendarbeit setzen sich aus dem anonym nutzbaren Kummerkasten, den moderierten Chatangeboten für junge Menschen zwischen 13 und 27 (Regenbogenchat) und ab 21 Jahren (Queer Chat) und einer Karte, auf der queere Jugendgruppen in der DACH-Region gesammelt sind, zusammen.
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Annika Spahn
Beitrag als PDFEinzelansichtKatharina Jäntschi/Folke Brodersen: Queersensible Medienpädagogische Praxis
Wie gelingt eine queersensible medienpädagogische Praxis? In diesem Artikel entwerfen wir Ausgangspunkte und Zielsetzungen einer queersensiblen Jugendarbeit in der Medienpädagogik. Basierend auf Analysen der Lebenswelten Jugendlicher und gesellschaftlicher Strukturen betonen wir die Bedeutung von Handlungspraxen und einer adäquaten Zielgruppenansprache. Dabei werden Aufgaben und Umsetzungsperspektiven medienpädagogischer Angebote vorgestellt, die zeigen, wie queere Perspektiven ernstgenommen und integriert werden können.
Literatur
Boger, M.-A. (2019). Theorien der Inklusion. Die Theorie der trilemmatischen Inklusion zum Mitdenken. Edition Assemblage.
Brodersen, F. (2018). Gestalt(ung) des Coming-out. Lesbische und schwule Jugendliche und junge Erwachsene in der Ökonomie der Sichtbarkeit. Gender, 10(3), 85–100.
Groß, M. (2022). Jugendarbeit queer gedacht. Leitprinzipien und rechtlicher Auftrag. Familien- und Sozialverein des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD) e.V. www.lsvd.de/ media/doc/8503/queer-papier-3-jugendarbeit-faltblatt.pdf
Henningsen, A. (2023, Oktober 13). Drei Handlungsanregungen für eine queersensible Kinder- und Jugendhilfe. Fachtag: Auf dem Weg zu einer diversen Kinder- und Jugendhilfe. Unterstützung und Begleitung queerer junger Menschen. Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren e. V.
Jäntschi, K. (2023). Wie gestalte ich Medienprojekte und was kann ich beachten? Fokus: gendersensible Zielgruppenansprache bei Medienprojekten. JFF-Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. www.bjr.de/fileadmin/redaktion/5._ Handlungsfelder/Medien/2023_Tool_Wie_gestalte_ich_ Medienprojekte_und_was_kann_ich_beachten.pdf
JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (2023). Queere Jugendmedienarbeit. Anregungen für die pädagogische Praxis. JFF-Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. www.jff.de/fileadmin/user_upload/jff/ projekte/Meko_Neukoelln/20230927_Handreichung_Queere_ Jugendmedienarbeit.pdf
Jugendnetzwerk Lambda e.V. (2022, November 10). Einfach nur Sam [Video]. YouTube. www.youtube.com/ watch?v=1r1bTWmqaYw
Krell, C., & Oldemeier, K. (2015). Coming-out – und dann...?! Ein DJI-Forschungsprojekt zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI). www.dji.de/fileadmin/user_upload/ bibs2015/DJI_ Broschuere_ComingOut.pdf
Landesfachstelle Hessen „Queere Jugendarbeit (Hrsg.). (2023). Queere Serien und Filme – Representation matters! 13 queere Serien und Filme für die Jugend(verbands)arbeit. www.queere-jugendarbeit.de/wp-content/uploads/2023/12/ Broschuere_QueereFilme_DINA5_10.pdf
Roth, R., Draheim, S., Tillmann, A., Binder, R., & Bettinger, P. (2023). Handlungskonzept zu Social Media und Gender in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. TH Köln, Universität zu Köln, PH Heidelberg. https://doi.org/10.57683/EPUB-2257
Schirmer, U. (2017). Zwischen Ausblendung und Sozialpädagogisierung? Dilemmata bei der Konstruktion von LSBT*-Jugendlichen als Zielgruppe Sozialer Arbeit. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 12(2), 177–189. doi. org/10.3224/diskurs.v12i2.04
Winter, E. (i.E.). Safe(r) Spaces – Über die (Un)Möglichkeit und Notwendigkeit. In F. Brodersen & S. Merz (Hrsg.), Queere Jugendarbeit. Handbuch.
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Katharina Jäntschi, Folke Brodersen
Beitrag als PDFEinzelansichtCharlotte Oberstuke/Nina Kunz: Que(e)r durch Berlin und Brandenburg
ZIELGRUPPE: Jugendliche und junge Erwachsene der LGBT*QIA* Community mit Fluchtund/oder Migrationsgeschichte (in der Familie)
DURCHFÜHRENDE INSTITUTION: JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis
FINANZIERS UND PARTNER: Medienanstalt Berlin-Brandenburg LAUFZEIT: August 2022 bis August 2023
ZIEL: Unterstützung queerer Jugendlicher mit Migrations- und/oder Fluchtgeschichte, Medienprodukte erstellen und deren Perspektiven so sichtbar machen
DAS PROJEKT
Geschichten von jungen Menschen der LGBT*QIA*-Community sind in unserem gesellschaftlichen wie medialen Umfeld wenig präsent. Ganz ähnlich ist es mit Geschichten über junge Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte und allgemein Jugendlichen und jungen Menschen, die von Rassismus betroffen sind. Mediale Darstellungen sind meistens von Stereotypen geprägt und klischeehaft bis hin zu vorurteilsbehaftet und diskriminierend. Nur selten sind sie von den Dargestellten selbst gemacht und erzählen aus ihrer Perspektive. Authentische queere, migrantische Geschichten sind so gut wie nicht medial sichtbar. Es gibt sie, aber die Perspektiven von weißen, cis-hetero (oft männlichen) Menschen dominieren aufgrund der realen Machtverhältnisse unserer patriarchal geprägten Gesellschaft – und dadurch sind sie präsenter, vielleicht werden sie sogar als wertvoller wahrgenommen.
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Charlotte Oberstuke, Nina Kunz
Beitrag als PDFEinzelansichtPatrick Wolf/Kathrin Demmler: Gespräch. Reflexionen über gesellschaftliche Veränderungen und Ansprüche an pädagogische Fachkräfte
Gemeinsam mit Kathrin Demmler und Patrick Wolf wird in diesem Gespräch mit Katharina Jäntschi ausgelotet, wie gesellschaftliche Transformationen, insbesondere in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit und Diversität die (Medien-) Pädagogik wandeln und welche Erwartungen daraus an pädagogische Fachkräfte entstehen. Darüber hinaus wird diskutiert, wie schwelende Grundvorwürfe gegenüber bestimmten Generationen konstruktiv ausgetragen werden können. Neben Schutz- und Ausprobierräumen gehen die Gesprächspartner*innen auf die spezifischen Ansprüche an pädagogische Fachkräfte ein und erläutern, wie sich Medienpädagog*innen in diesen Kontexten sinnvoll einbringen können.
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Patrick Wolf, Kathrin Demmler
Beitrag als PDFEinzelansichtLena Morgenstern: Fierce! – Potentiale queerer Jugendmedienarbeit
ZIELGRUPPE: Junge (queere) Menschen, Fachkräfte der offenen Kinder- und Jugendarbeit
DURCHFÜHRENDE INSTITUTION: ComputerProjekt Köln e. V. als Fachstelle für Jugendmedienkultur
NRW FINANZIERS UND PARTNER: Landschaftsverband Rheinland
LAUFZEIT: Januar 2023 bis Dezember 2024
DIESE ZIELSETZUNG WIRD VERFOLGT
Das Projekt Fierce! – Potentiale queerer JugendMedienArbeit hat zum Ziel, sich der digitalisierten Lebenswelt und den damit einhergehenden Bedürfnissen queerer Kinder und Jugendlicher anzunähern. In unserer heutigen Gesellschaft treffen sie immer noch häufig auf psychische, physische und sexualisierte Gewalt, wie Beleidigungen, Hass oder tätliche Übergriffe (European Union Agency for Fundamental Rights, 2020). Der digitale Raum ist dabei keine Ausnahme. Daher benötigen sie ein Umfeld, welches Sicherheit im analogen sowie digitalen Raum bietet, und durch aktives Empowerment ihre freie Entfaltung und Identitätsbildung fördert. Durch eine zielgruppenspezifische Sensibilisierung und Schulung von Fachkräften der offenen Kinder- und Jugendarbeit möchte Fierce! Betroffene befähigen, sich selbst in ihrem digitalen Umfeld zu schützen. Um dies leisten zu können, benötigt es Evaluierung bereits bestehender Angebote sowie Unterstützung und Beratung von Einrichtungen zur geeigneten Begleitung von Kindern und Jugendlichen aus der LGBTQIA+-Community.
Literatur
European Union Agency for Fundamental Rights (2020). FRAReport – A long way to go for LGBTI equality: Bd. EU-LGBTI II. Publications Office of the European Union. doi. org/10.2811/582502
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Lena Morgenstern
Beitrag als PDFEinzelansichtLily Ringler: Ein Plädoyer für Diversität bei der medialen Repräsentation queerer Figuren in Seriendramen
In diesem meinungsbasierten Beitrag wird der Frage nachgegangen, in welchem Verhältnis Darstellung und Repräsentation von queeren Figuren in seriellen Dramen zu gelungenen Identifikationsangeboten für queere junge Menschen stehen. Mit Hilfe von verschiedenen Statistiken zur Präsenz queerer Figuren in Bewegtbildmedien wird reflektiert, warum verstärkte bzw. erhöhte Präsenz nicht automatisch zu mehr Identifikationsangeboten führt. Ein Plädoyer für mehr Diversität innerhalb der medialen Repräsentation queerer Menschen wird anhand von kritischen kurzen Serienanalysen abgegeben.
Literatur
Creamer, E. (2023, 13. Dezember). Alice Oseman’s Heartstopper becomes the UK’s fastest-selling graphic novel ever. The Guardian. theguardian.com books/2023/ dec/13/alice-oseman-heartstopper-uk-fastest-selling-graphicnovel-ever
GLAAD. (2023, 7. Juni). Where We Are On TV Report 2022 – 2023. glaad.org/whereweareontv22
Harrad, K., Hill, S., & Kemp, J. (2018). Claiming the B in LGBT: Illuminating the Bisexual Narrative. Thornapple Press.
Jones, J.M. (2021, 24. Februar). LGBT Identification Rises to 5.6% in Latest U.S. Estimate. Gallup News. news.gallup. com/poll/329708/ lgbt-identification-rises-latest-estimate. aspx
MaLisa Stiftung. (2021). Sichtbarkeit und Vielfalt im TV. Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität. https:// malisastiftung.org/fortschrittsstudie-audiovisuellediversitaet-ergebnisse-tv-deutschland
Netflix (2024). Top 10 Most Popular TV Shows On Netflix Of All Time. netflix.com/tudum/top10/most-popular/tv [Zugriff: 27.02.2024]
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Lily Ringler
Beitrag als PDFEinzelansichtSteff Brosz/Nicole Rauch: Queere Games – Queer Things Dates
ZIELGRUPPE: Junge Erwachsene bis 27 Jahren aus der queeren Community sowie Unterstützer*innen der queeren Community (Allies).
DURCHFÜHRENDE INSTITUTIONEN: Medienzentrum München des JFF und die Stadtbibliothek München im Motorama
FINANZIERS UND PARTNER: Das Vorhaben wurde durch die Stadtbibliothek München gefördert DURCHFÜHRUNG: 23. Januar 2024 von 17 bis 19 Uhr
QUEERE JUGENDMEDIENARBEIT IN MÜNCHEN
München und ihre queere Community gehören zusammen, dennoch werden queere Menschen noch immer Opfer von Beleidigungen und Gewalt, in der analogen wie auch in der digitalen Welt. Bei QUEER THINGS setzen Veranstaltungen ein Zeichen gegen Queerfeindlichkeit, fördern mehr Sichtbarkeit und lassen Stimmen der queeren Community zu Wort kommen. Im Jahr 2024 finden regelmäßig QUEER THINGS Dates statt, vor allem in den Räumlichkeiten der Münchner Stadtteilbibliotheken. Dabei geht es in unterschiedlichen Formaten um Queerness in Medien, Kultur und Literatur.
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Steff Brosz, Nicole Rauch
Beitrag als PDFEinzelansicht
spektrum
Franziska Koschei/Lena Schmidt/Susanne Eggert: Zukünftige Gestaltung Digitaler Bildung im Grundschulalter
Wie soll Digitale Bildung in Zukunft aussehen? Der Beitrag gibt konkrete Handlungsempfehlungen zur zukünftigen Gestaltung Digitaler Bildung im Grundschulalter auf Basis des Forschungsprojekts ‚DiBiGa – Zukunftsperspektiven Digitaler Bildung im Grundschulalter‘. Im Projekt wurden die Auswirkungen des pandemiebedingten Distance-Schooling untersucht und daraus bedarfsorientierte Empfehlungen abgeleitet.
Literatur
Autorengruppe Frankfurt-Dreieck (2019). FrankfurtDreieck zur Bildung in der digital vernetzten Welt: Ein interdisziplinäres Modell. dagstuhl.gi.de/fileadmin/ GI/Allgemein/PDF/Frankfurt-Dreieck-zur-Bildung-in-derdigitalen-Welt.pdf
Kultusministerkonferenz (KMK) (2021). Lehren und Lernen in der digitalen Welt: Die ergänzende Empfehlung zur Strategie „Bildung in der digitalen Welt“. https:// kmk.org/fileadmin/ veroeffentlichungen_beschluesse/2021/2021_12_09-Lehrenund-Lernen-Digi.pdf
Kultusministerkonferenz (KMK) (2017). Bildung in der digitalen Welt: Strategie der Kultusministerkonferenz. kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_ beschluesse/2016/2016_12_08-Bildung-in-der-digitalen-Welt.pdf
Petschner, P., Dertinger, A., Lampert, C. & Müller, J. (2022). ‹Ich habe eigentlich das Gefühl, so, wie es jetzt im Augenblick läuft, wird diese Lerntätigkeit auf die Eltern abgewälzt›. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 46, 179–197. doi.org/10.21240/ mpaed/46/2022.01.19.X
Unger, H. von (2014). Partizipative Forschung: Einführung in die Forschungspraxis. Springer VS. doi. org/10.1007/978-3-658-01290-8.
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Franziska Koschei, Lena Schmidt, Susanne Eggert
Beitrag als PDFEinzelansichtLars Gräßer/Markus Gerstmann: Und gleich gehst Du live ...
In der Medienpräferenz junger Menschen sind Streamingdienste weiterhin hoch im Kurs. Das gilt auch für das Livestreaming, allen voran die Plattform Twitch. Twitch ist aber nicht nur eine beliebte Plattform, sondern auch ein Markt für Unternehmen und Streamende, die auch als Social Influencer*innen aktiv sind und plattformübergreifend agieren. Wie können medienpädagogische Interventionen dazu aussehen?
Literatur
Döring, N. (2018). „Du bist mein großes Vorbild!“ Rollenmodelle in Sozialen Medien. In: Computer und Unterricht 112, S. 18-20.
Exenberger, L. (2023). KuchenTV kassiert Bann von Twitch – Will gegen Sperre vor Gericht vorgehen. https://www.ingame.de/news/streaming/tim-heldt-braunschweig-kuchentv-twitch-bann-shurjoka-grund-twitter-gericht-92719302.html [Zugriff 17.01.24]
Gräßer, L. /Gerstmann, M. (2023). Auf Abruf und überall: Bewegte Bilder, jugendliche Nutzung und Medienbildung. In: MERZ 2023/05. S. 57-64.
Gräßer, L./Gerstmann, M. (2018). Vom YouTube-Star zum Social Influencer - Eine digitale Heldenreise. In: MedienConcret 1/2018, Köln, S. 40-44.
Gräßer, L./Gerstmann, M. (2015). Da bewegt sich was...In: Lauffer, J. / Röllecke, R. (Hg.): Dieter Baacke Preis Handbuch 10 - Bewegende Bilder, Visuelle Medienkulturen in Pädagogik und Bildung, München: kopaed, S. 30-37.
Gräßer, L./Noll, C. (2022): Webvideo. In: Uwe Sander / Friederike von Gross / Kai-Uwe Hugger (Hrsg.): Handbuch Medienpädagogik, 2. Aufl., Wiesbaden: Springer. S. 565-575.
Goldmedia (2023). Online-Video-Monitor. https://www.goldmedia.com/produkt/study/online-video-monitor/ [Zugriff 17.01.24]
Hajok, D./Lindner,S. (2021). YouTube war gestern- Twitch ist heute? Zur gestiegenen Bedeutung einer Live-Streaming-Plattform unter Jugendlichen. JMS-Report Oktober 5/2021
Hayer, T. (2022) Glückspiel auf Twitch - was bringt das Verbot wirklich? FOMO – was habe ich heute verpasst? open.spotify.com/episode/7GWPAfNEAgzdwlxaDKqJAP
Mayrhofer, H., /Neuburg, F. (2019): Forschungsbericht. Offene Jugendarbeit in einer digitalisierten und mediatisierten Gesellschaft. Endbericht zum Forschungsprojekt „E-YOUTH.work -Offene Jugendarbeit in und mit Sozialen Medien als Schutzmaßnahme gegen radikalisierende Internetpropaganda“. Wien
MPFS (2023): JIM-Studie. www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2022/JIM_2023_web_final_kor.pdf [Zugriff 17.01.24]
Noll, C./Gräßer, L. (2021). Streams are my reality. In: Brüggemann, Eder, Gerstmann, Suleweski. Medienkultur und Öffentlichkeit, München, S. 89–104.
Pietschmann, D. (2022). Tief verbunden, Parasoziale Interaktionen in immersiven Medien. https://mediendiskurs.online/beitrag/tief-verbunden-beitrag-772/[Zugriff 03.07.2022]
RND (2022). Quatschen als Erfolgsrezept? Wie „Just-Chatting“-Streams Twitch erobern. https://www.rnd.de/digital/twitch-wie-just-chatting-streams-so-beliebt-wurden-WSG52E676FBCVIBFCMWPPXODFQ.html [Zugriff 17.01.24]
Struthoff, N. (2023). StarletNova: Reaktion auf Sexismus-Skandal von EliasN97 im Twitch-Stream.
https://www.ingame.de/news/eliasn97-sexismus-nerlich-skandal-streamerinnen-starletnova-elias-hamburg-reagiert-groessten-deutschen-zr-92253868.html [Zugriff 17.01.24]
Twitch (2021). Sprechen wir über Whirlpool-Streams, blog.twitch.tv/de-de/2021/05/21/lets-talk-about-hot-tub-streams/ [Zugriff 17.01.2024]
WDR (2023). Off-Cam: So ticken deutsche Twitch-Stars. www.ardmediathek.de/video/menschen-hautnah/off-cam-so-ticken-deutsche-twitch-stars/wdr/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtYTA0OWEwYWEtZGM3MC00ZjZjLTk4OTctYmU5ZWJlMGE4MzFk
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Lars Gräßer, Markus Gerstmann
Beitrag als PDFEinzelansichtMiriam Goetz: "Jo Alter, jetzt check' ich das"
Im Beitrag wird anhand verschiedener Online-Lernvideo-Formate und mittels typischer Online-Marketing-Kennzahlen sowie einer qualitativen Kommentaranalyse ergründet, welche Faktoren von Lernvideos die Bildungsumgebung Jugendlicher beeinflussen. Dabei soll aufgezeigt werden, dass insbesondere der getätigte, informelle Sprachstil und einfache Darstellungen in den Videos durch die Rezipient*innen positiv aufgefasst werden. Die Untersuchung der Kommentare zeigt aber auch auf, dass ein zu stark eingesetzter, informeller Sprachstil eher negativ wahrgenommen wird.
Literatur
Buchinger, A. (2015). «Inszenierungen des (Selber-) Machens. DIY im Web 2.0 und Formen des Making-of»; Annual Conference of the Leibniz Graduate School History, Knowledge, Media in East Central Europe, 18-20 November 2015, The Herder Institute for Historical Research on East Central Europe –Institute of the Leibniz Association, Marburg. www.herder-institut.de/fileadmin/user_upload/pdf/ Aktuelles/tagungen/Selbermachen/Abstract_Buchinger.pdf
Cwielong, Andrea, Kommer, Andreas. 2020. «Alles Simple (Club)? Bildung in der digitalen vernetzten Welt. Erste Ergebnisse einer Marktanalyse im Feld der Erklärvideos und Tutorials»; In: Medienpädagogik; Themenheft Nr. 39: Orientierungen in der digitalen Welt. Herausgegeben von Bardo Herzig, Tilman-Mathies Klar, Alexander Martin und Dorothee M. Meister; www.medienpaed.com/article/view/846; DOI:https://doi.org/10.21240/mpaed/39/2020.12.11.X
Rathgeb, Thomas, Schmid, Thomas: «JIM 2023. Jugend, Information, Medien. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland». Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, www.mpfs.de/fileadmin/ files/Studien/JIM/2022/JIM_2023_web_final.pdf, 21.02.2024
Geise, Stephanie. 2017. Meinungsführer und der Flow of Communication. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.
Horton, Donald und Wohl, Richard, 1956. Mass communication and para-social interaction: observation on intimacy at a distance. Psychiatry 19: 215-229.
Rentz, Ingo. 2021. «Die Marken- und Marketingstrategie von Simpleclub». Zugriff; 09.04.2021 www. horizont.net/marketing/nachrichten/edtech-startupdie-marken--und-marketingstrategie-von-simpleclub190575?utm_source=%2Fmeta%2Fnewsflash%2Fvor9&utm_ medium=newsletter&utm_campaign=nl44117&utm_ term=ad2906358fb2780132882792216a0ab2
Schnabel, Susanne. 2020. «Die bekanntesten Youtubekanäle mit Lernvideos». Zugriff: 20.04.2020. www1.wdr.de wissen/mensch/youtube-tutorials-uebersicht-100.html
Theobald, Tim. 2019. «Die digital Natives lieben Streaming – in Kombination mit klassischem TV» In Horizont. Zugriff: 22.04.2020 www.horizont.net/medien/nachrichten/ generationen-y-und-z-die-digital-natives-lieben-streaming--- in-kombination-mit-klassischem-tv-179259
Wolf, Karsten. 2015. «Bildungspotenziale von Erklärvideos und Tutorials auf YouTube. Audio-Visuelle Enzyklopädie, adressatengerechtes Bildungsfernsehen, Lehr-Lern-Strategie oder partizipative Peer Education?». In. merz 59/15, 30–36.
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Miriam Goetz
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medienreport
Michael Bloech: Die 74. Berlinale
Ein kritischer Blick auf Kunst und Kultur muss generell erlaubt sein, vielleicht scheint er im Fall der 74. Berlinale sogar gefordert. Es war die letzte Berlinale des eher glücklos agierenden Leitungs-Duos Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek. Bei allem Glanz, Glamour und filmisch Gezeigtem gab es nämlich durchaus viele Kritikpunkte, die erwähnt werden sollten. Beginnen wir mit der Wahl der Sponsor*innen. Da fällt der kritische Blick auf die Firma Uber, welche die Veranstaltung angeblich mit über einer halben Million Euro gesponsert hat. Der Fahrdienstvermittler Uber fördert aktuell in Berlin massiv Kultur, obwohl Uber mit dem häufig formulierten Vorwurf der Selbstausbeutung der Lizenznehmer*innen in der öffentlichen Kritik steht und damit möglicherweise im Widerstreit zur politischen Ausrichtung der Berlinale. Bei kritischer Betrachtung könnten all diese Sponsoring-Aktivitäten Ubers als Whitewashing-Versuch gewertet werden.
Der zweite Punkt, der schon im Vorfeld ein wenig für Ratlosigkeit sorgte, war der Umgang mit Einladungen von fünf AfD-Abgeordneten zur Eröffnungsgala der Berlinale. Zwar erfolgte die Verschickung der Einladungen nicht direkt über die Berlinale, aber etwas blauäugig mutet es schon an, Politiker*innen eine Einladung zu schicken, die sich für die Auflösung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkstruktur in Deutschland massiv einsetzen. Verwunderlich ist dies vor allem, wenn berücksichtigt wird, dass viele der gezeigten Produktionen und das Festival selbst ohne die Förderung und Unterstützung öffentlich-rechtlicher Sender nicht hätten realisiert werden können. Auf Druck vieler Kulturschaffender* entschied sich die Festivalleitung schließlich, die eingeladenen AfD-Politiker*innen wieder auszuladen. Der dritte Punkt bezieht sich auf die inhaltliche Ausrichtung des Programms, die sich bekanntlich ausdrücklich als politisch begreift. Und in der Tat wurden viele Filme gezeigt, die aktuelle Themen, wie den Ukraine-Krieg, die Situation in Israel und Palästina oder die politische Situation im Iran widerspiegeln. Dennoch hat man ein mulmiges Gefühl, dass mit dem Film Die Ermittlung des Regisseurs Rolf Peter Kahl eine sehr aktuelle deutsche Produktion über den ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt trotz intensiver Bemühungen des Filmteams leider nicht in das Programm genommen wurde. Gerade wegen des immer stärker werdenden Antisemitismus in Deutschland ist das bedauerlich und eine Teilnahme hätte dem Festival sicher einen positiven Impuls geben können.
Kommen wir nun zum vierten kritischen Punkt, dem der Preisverleihung. Juryentscheidungen sind sicher stets im Kern subjektiv, aber sie spiegeln auch immer ein wenig die Qualität der gezeigten Produktionen wider. Wenn ein kurzer, relativ schlichter und auch teilweise scharf kritisierter Dokumentarfilm wie Dahomey mit dem Goldenen Bären als bester Film ausgezeichnet wird, dann kann dies natürlich bedeuten, dass die anderen Produktionen weniger überzeugend waren oder aber, dass die Jury leider eine wenig kompetente Arbeit abgeliefert hat. Und tatsächlich bleiben viele der Entscheidungen unverständlich und vielleicht sogar problematisch. So kann der Preis für die ‚Beste Schauspielerische Leistung‘ für Sebastian Stan in dem Film A Different Man eigentlich nicht nachvollzogen werden, da es mit der Iranerin Lily Farhadpourin in My Favourite Cake oder mit Liv Lisa Fries in In Liebe, Eure Hilde oder auch mit Lars Eidinger in Sterben durchaus wesentlich ausdrucksstärkere Schauspieler*innen für eine Auszeichnung gegeben hätte. Zudem zeugt die Entscheidung für wenig Fingerspitzengefühl, denn der durch die Krankheit Neurofibromatose gezeichnete Schauspieler Adam Pearson sorgte mit einer fulminanten schauspielerischen Leistung in A Different Man für mehr Können als der dort prämierte Sebastian Stan. Der Silberne Bär für ‚Das Beste Drehbuch‘ wurde an den Film Sterben von Matthias Glasner vergeben. Dazu darf angemerkt werden, dass der Film zwar wirklich herausragend ist, allerdings gerade im Drehbuch durch unnötige Längen glänzt. Gänzlich unverständlich blieb der Preis der Jury für L’Empire des Franzosen Bruno Dumont, der mit einer missglückten, wenig unterhaltsamen und eher peinlichen Persiflage auf Science-Fiction Filme das Publikum und die Kritik langweilte. Allerdings verweist schon allein die Aufnahme eines Films wie L’Empire in das Wettbewerbsprogramm der Berlinale auf ein generelles Problem, denn Carlo Chatrian als künstlerischem Leiter gelang es beispielsweise nicht, den Science-Fiction Film Dune: Part Two des Kanadiers Dennis Villeneuve auf die Berlinale zu holen, was für mehr internationalen Glanz gesorgt hätte.
Der letzte Punkt ist leider gravierender als alle anderen. Während der Preisverleihung kam es zu antiisraelischen Äußerungen und Genozid-Vorwürfen an Israel, die unkommentiert blieben und vom Publikum beklatscht wurden. Der Terror der Hamas gegen Israel und auch gegen die eigene palästinensische Bevölkerung blieb, bis auf ein kurzes Eingangsstatement von Mariette Rissenbeek, bedauerlicherweise unerwähnt. Dies erinnert in trauriger Weise an Probleme während der Documenta im Jahr 2022, bei denen antisemitische Ressentiments unter dem Deckmantel künstlerischer Freiheit zunächst unwidersprochen blieben. Für die Berlinale als Ort des Austauschs bildeten die antiisraelischen Aktionen während der Preisverleihung leider den traurigen Tiefpunkt. Die überfordert und oberflächlich wirkende Moderatorin Hadnet Tesfai hätte durchaus die Möglichkeit gehabt, für eine entsprechende Einordnung der beklatschten Statements zu sorgen, aber das Programm wurde einfach weiter ‚abgespult‘. Ein Post unter dem Motto From the River to the Sea, ein paar Tage nach der Veranstaltung auf dem Instagram Account der Berlinale, wurde sofort gelöscht und hat jetzt ein juristisches Nachspiel. Fairerweise sollte ebenfalls erwähnt werden, dass die Berlinale während der gesamten Veranstaltung ein Tiny House am Potsdamer Platz zum Zweck der Verständigung angeboten hatte, um einen individuellen Dialog in der schwierigen Frage des Zusammenlebens der jüdischen und palästinensischen Bevölkerung zu ermöglichen.
Kurz und knapp: Es war ein gut besuchtes Festival mit einigen, wenigen filmischen Höhepunkten, dafür jedoch mit vielen Problemen. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Leiterin der Berlinale, die gebürtige US-Amerikanerin Tricia Tuttle, eine glücklichere Hand bei der Auswahl der Filme, des Coachings der Moderator*innen und der Besetzung der Jury hat. Denn schließlich sollten interessante Filme, undogmatische Diskussionen und ein gleichberechtigter Austausch im Fokus der Berlinale stehen.
Einen Blick auf filmische Highlights der diesjährigen Berlinale geben Nicole Lohfink, Markus Achatz und Günther Anfang in den kommenden Beiträgen.
Michael Bloech ist Diplom Soziologe, Medienpädagoge und Autor verschiedener Fachpublikationen. Seine aktuellen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Film und Fotografie.
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Michael Bloech
Beitrag als PDFEinzelansichtNicole Lohfink: Last Swim
Die Berlinale hat sich selbst wiederholt als ein politisches Festival deklariert, auch das Festival an sich ist hin und wieder ein Politikum und der Ablauf oft ein turbulenter Spiegel unruhiger Zeiten.
Doch hinter der Politik stehen Menschen und persönliche Blicke – die Filme spiegeln das Leben wider und so ist die Berlinale auch ein Film-Festival, das Politik auf sehr menschliche Weise nahbar machen kann.
Ein erstes Beispiel dafür ist der britische Film Last Swim, der als Eröffnungsfilm der Sektion Generation 14 Plus lief. Hinter Last Swim stehen exemplarisch Filmschaffende, die persönliche Berührungspunkte mit den Krisenherden der Welt haben und eine Geschichte erzählen, die sich weit davon entfernt abspielt und dennoch davon beeinflusst wird.
Für die junge Hauptdarstellerin Deba Hekmat sind aufgrund ihrer Herkunft die Geschehnisse im Iran und der Nahost-Konflikt ganz nah, auch wenn sie in London lebt. Nach der erfolgreichen Eröffnungs-Premiere und dem Beifall des Publikums dankte sie tief gerührt dafür, dass es, angesichts der Herausforderungen für die vielen Zivilist*innen anderenorts, überhaupt möglich ist, frei Filme zu drehen und damit bewegende Geschichten zu erzählen. Auch der Regisseur Sahsa Nathwani griff das Thema auf und wies mit seiner persönlichen Erfahrung als Sohn einer iranischen Mutter auf die Situation der Frauen im Iran hin. Er erzählte, die Frauen in seiner Familie seien vielseitig begabt, alle spielten beispielsweise ein Musikinstrument, sprechen mehrere Sprachen – „Doch was machst du, wenn du deine Talente nicht zur Geltung bringen darfst?“, so die Frage des Regisseurs an das Publikum.
Und hier verbindet sich das große Weltgeschehen mit dem persönlichen Mikrokosmos der Hauptfigur des Films, Ziba.
Im Film hat die junge Ziba zielstrebig alles dafür getan, dass ihre Leistung einfach zu gut ist, als dass sie übergangen werden könnte und hat dabei einen klar definierten Weg vor Augen – doch alles wird plötzlich in Frage gestellt.
Es ist der Tag der Zeugnisübergabe, für Ziba und ihre Mitschüler*innen ist die Schulzeit zu Ende, sie erhalten ihr Abschlusszeugnis und wollen den Tag gemeinsam feiern.
In einem ausgewogenen Wechsel zwischen Rückblenden und dem Tag der Zeugnisübergabe entwickelt sich nach und nach die persönliche Innenwelt Zibas. Das Publikum erfährt von ihren Wünschen und Vorhaben, erlebt den Schock, als ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wird, sowie die Sorgen, die sie nun wie ein Schatten begleiten. Ihre sorgfältig erarbeiteten Pläne für ihr weiteres Leben sind völlig über den Haufen geworfen, daher möchte sie den Schulabschluss mit ihren besten Freund*innen feiern und einen sorgenfreien Tag in vollen Zügen genießen. Sie möchte das Leben ganz bewusst noch einmal perfekt erleben. Organisiert, wie sie bisher war, ist auch dieser Tag durchdacht und sie bringt allen einen Ablaufplan dafür mit, der lachend akzeptiert wird.
Bei aller Unbeschwertheit, die die Beteiligten an den Tag legen, sind die Zukunftsfragen aller spürbar – genauso wie das gegenseitige Wohlwollen. Es wird ein Freundschaftsbild entworfen, in dem echte Entspannung genauso möglich ist, wie kurzer Jähzorn, Streit und auch Raum für Zweifel.
Der Film arbeitet mit sanftem Schnitt und gezielten Rhythmus-Wechseln und entwirft so ein Tempo, das der inneren emotionalen Achterbahnfahrt Zibas entspricht.
Wenn am Ende des Tages dieser völlig entgegen alle Erwartungen verlaufen ist, bricht mit der Morgendämmerung nicht nur neue Hoffnung durch die Wolken der Endzeitstimmung Zibas. Nach einem innigen Moment mit ihrer Mutter bricht sich die Erkenntnis Bahn, dass die Zukunft ungewiss ist – und dass das auch etwas Gutes sein kann.
Last Swim erhielt mit seiner Balance zwischen der Schönheit des Lebens und Träumen, die eventuell nicht in Erfüllung gehen, den Gläsernen Bären von der Kinderjury für den besten Film in der Kategorie Generation 14Plus.
Nicole Lohfink arbeitet als freie Journalistin, Film- und Theaterkünstlerin und medienpädagogische Referentin.
Last Swim
Vereinigtes Königreich 2024, 100 Minuten, Regie: Sasha Nathwani, Drehbuch: Sasha Nathwani, Helen Simmons, Darstellende: Deba Hekmat, Narges Rashidi, Jay Lycurgo, Solly McLeod, Lydia Fleming
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Nicole Lohfink
Beitrag als PDFEinzelansichtMarkus Achatz: It's Okay!
In diesem Jahr liefen in der Sektion Generation deutlich weniger Filme als noch im Vorjahr. Jedoch war das GENERATION-Programm mit jeweils 17 Lang- und 17 Kurzfilmen vielfältig und ermöglichte spannende Exkursionen in die unterschiedlichsten Länder. Zu sehen waren Produktionen unter anderem aus Peru, Kanada, Madagaskar, Iran, den Philippinen, China, Südkorea und Deutschland. Neben teils schwächeren Beiträgen gab es auch ein paar Highlights, die das Niveau der diesjährigen BERLINALE insgesamt durchaus heben konnten. Beispielsweise der Debütfilm der südkoreanischen Regisseurin Kim Hye-young.
In starken Bildern und mit einem überzeugenden Cast erzählt It’s Okay! von der Schülerin In-young, die in der Seoul International Arts Company tanzt. Das Ensemble ist eine Elitetruppe des Landes und nur, wer den höchsten Ansprüchen der Trainer*innen gerecht wird, bleibt dabei. Zeitgleich mit einer Tanzaufführung verunglückt In-youngs alleinerziehende Mutter tödlich bei einem Verkehrsunfall. Mit dieser Exposition beginnt die Story um ein völlig verändertes Leben. In-young schafft es eine Weile, den Mitarbeiter*innen des Jugendamts aus dem Weg zu gehen und sich mit Verkäufen von Haushaltsgegenständen über Wasser zu halten. Als sie aber die Wohnung nicht mehr bezahlen kann, sucht sie im Gebäude der Tanzschule heimlich Unterschlupf. Dort wird sie ausgerechnet von der strengen Chefchoreographin Seol-ah entdeckt. Die anspruchsvolle und eigenwillige Künstlerin, die selbst einmal Star des Tanzensembles war, nimmt In-young widerwillig bei sich auf. Der Druck für die Choreographin und die jungen Tänzerinnen steigt, da eine Sonderaufführung zum 60-jährigen Jubiläum der Truppe bevorsteht. In-young wird indessen zur Zielscheibe ihrer Mitschüler*innen und erlebt Missgunst und Schikane. Die Zweckgemeinschaft des Mädchens mit ihrer Tanzleiterin stellt beide auf eine harte Probe. Allmählich profitieren sie aber von ihrer Unterschiedlichkeit und die gemeinsame Faszination für die Tanzkunst bringt ein unerwartetes Miteinander ins Spiel. In-young findet Wege und Gelegenheiten, offener mit der Trauer um ihre Mutter umzugehen, Seol-ah lernt zögernd Abstand von der Härte und Disziplin zu finden, die sie von sich selbst und anderen fordert.
Geschichten über Jugendliche, die den Tod von Eltern bewältigen müssen oder über die Konkurrenz in Leistungssportgruppen gibt es viele. Dennoch sticht der Film durch ein fein austariertes Verhältnis von Tragik und Humor sowie überzeugende Schauspieler*innen hervor. Gleichzeitig gibt er interessante Einblicke in die koreanische Gesellschaft. Der Story kann man vielleicht vorwerfen, dass es Inyoung nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter eigentlich viel schwerer haben müsste und sie sich erstaunlich besonnen und beinahe fröhlich den Schwierigkeiten in ihrem Leben stellt. Doch genauer betrachtet ist die Inszenierung sehr konsequent: Die Hauptfigur wird als unglaublich stark charakterisiert, obwohl auch gezeigt wird, wie In-young hadert und immer wieder neu Kraft tanken muss. Das Mädchen tritt mit einer beneidenswert offenen und positiven Grundhaltung auf und hat einen ‚eisernen‘ Willen. Wie sonst könnte sie sich in der Elitekompanie der staatlichen Tanzschule behaupten und die Energie für die harten Proben und Trainingseinheiten aufbringen. Inyoung ist eine Identifikationsfigur, die auch Rückschläge erleidet, wenn sie beispielsweise in ihrem nächtlichen Versteck in der Tanzakademie entdeckt wird oder den Mobbingattacken der Mittänzerinnen ausgeliefert ist. Der Plot spielt dabei behutsam auch mit märchenhaften Momenten, die den Film besonders machen. Jede*r kann sich ein Beispiel an diesem fröhlichen und starken Mädchen nehmen. Die Intensität der Geschichte wird durch eine gradlinige Fokussierung auf wenige Hauptprotagonist*innen verstärkt. Neben In-young und Seol-ah sind dies die beiden einzigen Vertrauenspersonen des Mädchens: ihr gleichaltriger Schulfreund aus Kindertagen, Do-yoon, der ein großer Fan von In-young ist, aber auch den Neid der anderen Tänzerinnen auf In-young zieht. Und der junge Apotheker Dong-wook, der In-young immer wieder aufzuheitern vermag und in einem entscheidenden Moment ihrer Einsamkeit für sie Unterstützung holt. In einer Szene, als sich Dong-wook und die Tanzchoreographin Seol-ah begegnen, kann er Inyoungs innere Verfassung in wenigen Worten beschreiben: „Parting is quick for those who leave, but it never ends for the ones left behind.
Nicht nur die fulminanten Tanz- und Akrobatikszenen sorgen für spannende Unterhaltung, sondern auch die Achterbahnfahrten im Gefühlsleben der Hauptfiguren. Vor diesem Hintergrund begründete die Kinderjury der BERLINALE auch die Vergabe des Gläsernen Bären an It’s Okay! als besten Film in der Kategorie Kplus.
Markus Achatz ist Erziehungswissenschaftler und Medienpädagoge, Leiter des Bereichs Bildung im Deutschen Jugendherbergswerk Landesverband Bayern und nebenbei als freier Journalist, Filmrezensent, Musiker und DJ aktiv.
It’s Okay
Südkorea 2023, 102 min, Regie: Kim Hye-young, Buch: Kim Hye-Young und Cho Hong-jun, Darstellende: Lee Re (In-young), Jin Seo-yeon (Seol-ah), Chung Su-bin (Na-ri), Son Suk-ku (Dong-wook), Lee Jung-ha (Do-yoon)
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Markus Achatz
Beitrag als PDFEinzelansichtGünther Anfang: In Liebe, Eure Hilde
Berlin Tegel, September 1942: Hilde Coppi wird beim Erdbeerpflücken festgenommen. „Wie lange wird es dauern?“, fragt sie und folgt angsterfüllt, aber ruhig den Männern, die kurz zuvor das Laubengrundstück betreten haben, wo sie mit ihrem Mann Hans Coppi lebt. Mit diesen letzten Minuten in Freiheit beginnt im Film In Liebe, Eure Hilde die Geschichte Hilde Coppis, die in Rückblenden aus ihrer Haft im Frauengefängnis Barnimstraße erzählt wird. Es ist eine leise, aber umso eindringlichere Geschichte der Widerstandsgruppe Rote Kapelle, die in der DDR zum Kanon gehörte, im Westen aber aus ideologischen Gründen eher unbekannt ist: Hilde Coppi und die Rote Kapelle, eine nach Moskau funkende kommunistische Widerstandsgruppe gegen Hitler. In zwei Linien erzählen der Regisseur Andreas Dresen und die Drehbuchautorin Laila Stieler die Geschichte einer Frau, die sehr bewusst Widerstand gegen die Nazis geleistet hat. Hilde Coppi (1909–1943) klebte Flugblätter, hörte Radio Moskau und gab Informationen weiter, setzte zusammen mit ihrem Mann Funksprüche in die Sowjetunion ab. Das Regime ahndete das mit der Todesstrafe. Liv Lisa Fries, bekannt aus Babylon Berlin, spielt Hilde, eine kluge junge Frau mit Brille, die sich in Hans (Johannes Hegemann) verliebt, der der Roten Kapelle angehört. Der Film beginnt mit ihrer Verhaftung, die sich mit Erinnerungen vermischt, die bis zur ersten Begegnung mit ihrem Mann reichen. Es ist eine Geschichte von jungen Menschen, die die Freiheit lieben und ganz normal leben wollen. Sie gehen baden, machen Ausflüge und verbringen ihre Freizeit beim Zelten.
Viele Geschichten von Nazi-Gegner*innen sind fürs Kino dramatisiert worden, Filme über Sophie Scholl von der Weißen Rose, oder über die so unterschiedlichen Hitler-Attentäter Georg Elser und Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Andreas Dresen beschäftigt sich mit einer beinahe vergessenen Widerstandskämpferin, die sich seiner Ansicht nach selbst wohl gar nicht so verstanden hat. Einer der Erzählstränge führt durch die Haftzeit, die für Hilde bedeutet, dass sie in einer dramatischen Geburt, unterstützt von einer mitfühlenden Hebamme (Fritzi Haberlandt), ihren Sohn zur Welt bringt, und daraufhin das zuerst schwächliche Kind versorgt und andere Mütter unterstützt.
Am Ende hat Coppi Angst vor dem Sterben, so wie die rund ein Dutzend Frauen, die im Gefängnishof Berlin-Plötzensee in grauen Kitteln und Holzschuhen Schlange stehen für ihre eigene Hinrichtung. Angst vor dem Leben hat sie nicht mehr. Sie lehnt den Kopf zurück in die Sonne, die an diesem Augustabend 1943 gerade noch über die Mauer scheint. Die Geburt ihres Sohnes Hans gibt Coppi Stärke. „Bitte vergiss mich nicht. Und werd’ glücklich. Unbedingt“, sagt sie, als sie sich von dem acht Monate alten Kind verabschieden und es ihrer Gefängniswärterin in den Arm drücken muss. Von nun an werden sich die Großeltern um Hans kümmern. Die Gefangene bittet ihre Wärterin, unbedingt auszurichten, dass ihre Schwiegermutter die Regentonnen abdecken solle. Damit Hans nicht versehentlich hineinfällt. Diese Aufforderung ist überliefert wie so vieles in diesem genau recherchierten Film.
Die Gefängniswärterin Kühn (Lisa Wagner) ist eine ambivalente Filmfigur. Zunächst ist sie ihrem Häftling gegenüber feindlich gestimmt. Dann lässt sie sich von Coppi anrühren. Nicht nur ihr geht das so: Ein Gestapomann offeriert Coppi ein Leberwurstbrot. Kein einziger schreiender Nazi weit und breit in diesem Film. Aber alle dienen, ohne zu zögern, dem Unterdrückungsapparat. „Es geht schnell“, hat der Pfarrer Harald Poelchau (Alexander Scheer) im Gefängnis gesagt. So schnell haben wir im Kino aber noch keine Hinrichtung ablaufen gesehen. Töten im Akkord: Mehr als 50 Mitglieder der Roten Kapelle wurden in Berlin-Plötzensee ermordet. Am Ende hören wir die Stimme von Hans Coppi Junior, dem im Gefängnis geborenen Sohn. Der heute 81 Jahre alte Historiker hat sich sein Leben lang mit dem Schicksal seiner Eltern beschäftigt. Nur ein einziger Funkspruch aus Berlin, so sagt er, sei damals nach Moskau durchgekommen: „1000 Grüße an alle Freunde.“ Aber schmälert das den Mut seiner Eltern?
Günther Anfang ist freiberuflicher Medienpädagoge.
In Liebe, Eure Hilde
Deutschland 2024, 124 Minuten, Regie: Andreas Dresen, Buch: Laila Stieler, Darstellende: Lisa Fries, Johannes Hegemann
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Günther Anfang
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publikationen
Heinrike Paulus: Burow, Olaf-Axel (2024): Mit KI zu leidenschaftlicher Bildung. Ein Manifest. Weinheim, Basel: Beltz. 137 S. 22,00 €
Eigentlich hofften viele, das althergebrachte Bildungssystem würde durch die Herausforderungen der Corona-Pandemie endlich im digitalen Zeitalter angekommen sein. Unterhält man sich mit Lehrer*innen über immer noch fehlendes WLAN an Schulen und liest noch dazu das Manifest des Bildungswissenschaftlers Olaf-Axel Burow, wird man eines Besseren belehrt.
Im November 2022 wurde ChatGPT für die Öffentlichke
it zugänglich. Spätestens durch solche neuen Entwicklungen sind Veränderungen im Bildungs- und Schulwesen nicht mehr aufzuhalten und mehr denn je notwendig. Der KI-Chatbot verfasst in kürzester Zeit Texte, kennt auf Knopfdruck Antworten auf viele Fragen und liefert so Lösungen für Arbeitsaufgaben im Lernalltag – vom Deutschaufsatz bis zum Biologiereferat. Doch bis jetzt sind die so vorgeschlagenen Konzepte noch immer nicht ganz fehlerfrei. Lernen mit digitalen Medien wird bisherige Lern- und Lehrroutinen in der Schule somit durchbrechen. Zeitgemäßes Lernen wird mehr denn je auf „Kollaboration, Kreativität, kritisches Denken und Kommunikation“ angewiesen sein (S. 8). Der Autor (‚Positive Pädagogik‘ und ‚Digitale Dividende‘) bezieht sich bei seiner Feststellung in seiner jüngsten Publikation auf das Modell der 4K-Kompetenzen des OECD-Bildungsdirektors Andreas Schleicher.
In Bezug auf KI sieht Burow in der Folge in den auf das Bildungssystem zukommenden Veränderungen insbesondere Chancen, die den „Abschied von der aus dem Zeitalter des Industrialismus stammenden Massenpädagogik“ (S. 8) einläuten:
„Kreativ eingesetzt, ermöglichen auf KI basierende digitale Assistenzsysteme nicht nur passgenauere Unterrichts- und Trainingshilfen, sondern sind längst in der Lage, Lehrkräfte von Routinetätigkeiten zu entlasten, so dass sie mehr Zeit für die wichtige Interaktion mit SchülerInnen sowie individuelles Lerncoaching haben“ (S. 9 f.).
Anregungen für das Lehren und Lernen in digitalen Zeiten gibt es viele, doch sie werden zu wenig genutzt und eingesetzt. Das ist ebenfalls eine Quintessenz des fünf Kapitel umfassenden Manifests. Der Autor berät Bildungseinrichtungen im In- und Ausland und DAX-Unternehmen in Change-Prozessen, er war Professor für Allgemeine Pädagogik in Kassel und forscht und publiziert seit vier Jahrzehnten zu Zukunftsfragen der Bildung.
Seiner Auffassung nach beachtet der standardisierte Unterricht zu wenig die individuellen Persönlichkeiten der Schüler*innen. Zu sehr wird auf vergleichbare Leistungen gesetzt, viel zu wenig auf individuelle Neigungen. Es werde darüber hinaus zu sehr an überkommenen Routinen festgehalten.
Daher verbinden Heranwachsende oft negative Gefühle mit der Schule. Oft entstehen diese 91 schon bei der Einschulung, bei der die Kinder „nach Alterskohorten sortiert, in anregungsarmen Klassenzimmern“ (S. 11) landen.
Leidenschaft ist für Burow ein Schlüssel zum Lernerfolg. Das Lernen dürfe sich nicht wie harte Arbeit anfühlen: „Lernfreude, Veränderungsbegeisterung, ja Leidenschaft sind gefordert, wenn wir etwa zum Aufbau eines Bedürfnisses nach »lebenslangem Lernen« beitragen wollen“ (S. 17). Wählen Heranwachsende ihre eigenen Ziele, können sie ihr Lerntempo selbst bestimmen und sind zu größeren Anstrengungen bereit. Burow nimmt dabei Bezug auf Bildungswege berühmter Persönlichkeiten, darunter Basketball-Champion Dirk Nowitzki oder Bauhaus-Begründer Walter Gropius.
Ebenso befasst sich der Autor größtenteils differenziert mit dem kreativen Einsatz von KI und ChatGPT, ohne dabei pessimistisch oder euphorisch zu sein. ChatGPT könne „ein nützliches Werkzeug im Schul- und Unterrichtskontext sein“ (S. 93). Zu dieser Einschätzung kommt der Bildungswissenschaftler jedoch nicht nur selbst. Vielmehr hat er hierzu selbst ChatGPT befragt und innerhalb weniger Sekunden Antworten zu etwaigen Vorteilen und Nachteilen erhalten.
ChatGPT und KI können laut Burow, was Schule und Unterricht anbelangt, „als Gamechanger, die bisherigen Vorgehensweisen grundlegend infrage stellen“ (S. 90). Das reine Auswendiglernen und Wiedergeben von Wissen scheint in vielen Lernsituationen überholt zu sein, was er als „Abschied von der alten Pauk- und Repetierschule“ (S. 114) versteht. „Wenn wir ChatGPT in der Hoffnung nutzen, Anregungen für die Gestaltung der Zukunft – in unserem Fall für Zukünfte von Schule und Lernen – zu erhalten, müssen wir uns klar machen, dass das System Aussagen über die Zukunft nur aus Daten der Vergangenheit zusammenstellt“ (S. 102). Immer mehr müsse daher die Kollaboration oder gar der „Wettlauf zwischen Mensch und Maschine“, wie Burow es nennt, in den Blick genommen werden (S.123). Letztere ist schlussendlich bereits jetzt in der Lage, innerhalb weniger Sekunden Rechenzeit beispielsweise Textentwürfe vorzulegen. „In Würdigung dieser durchaus trivialen Leistung“, schreibt Burow angesichts der Textvorschläge für ein etwaiges „Manifest für leidenschaftliche Bildung“, „muss ich anerkennen, dass ChatGPT schon in seiner derzeitigen Form ein hilfreicher Assistent, vielleicht sogar eine Art virtueller Synergiepartner ist“ (S. 123). Daher fordert er seine Leser*innen direkt auf, sich ein eigenes Manifest zu überlegen.
ChatGPT und KI sind sicherlich nicht das Patentrezept, um das Schulsystem wieder in der Zeit angemessene Bahnen zu lenken. Doch bei der Lektüre wird deutlich, dass es mit den bisherigen eingefahrenen Bahnen nicht weitergehen kann, dass es aber auch große Anstrengungen braucht, um Veränderungen herbeizuführen. Burows Manifest ist daher auch ein leidenschaftlicher Impuls für einen ebenso leidenschaftlichen Diskurs.
Heinrike Paulus arbeitet freiberuflich als Journalistin. Ihre Schwerpunkte sind Themen der Bereiche Kultur und Literatur, Kommunikation und Medien, Wissenschaft und Bildung sowie Religion. Darüber hinaus ist sie im Kulturmanagement und als Medienpädagogin tätig.
Burow, Olaf-Axel (2024): Mit KI zu leidenschaftlicher Bildung. Ein Manifest. Weinheim, Basel: Beltz. 137 S. 22,00 €
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Heinrike Paulus
Beitrag als PDFEinzelansichtMarcus Müller: Gravelmann, R. (2024). Jugend online! Soziale Arbeit offline? Digitale Lebenswelten junger Menschen als Herausforderung für die Praxis Sozialer Arbeit. Beltz Juventa. 157 S., 25,00 €.
Ein erheblicher Teil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen findet digital statt. Wie steht die Soziale Arbeit dazu? Inwiefern muss sie selbst digitaler werden und was sollten Erziehungsberechtigte, Pädagog*innen und Sozialarbeiter*innen über die digitale Jugendkultur unbedingt wissen? All diese Fragen werden fachkundig und aktuell von Reinhold Gravelmann, Referent des Bundesverbands für Erziehungshilfe, Eltern-Medientrainer und Autor, in seiner aktuellen Publikation behandelt. Das Werk richtet sich vor allem an Fachkräfte, die im Bereich der Sozialen Arbeit tätig sind.
Gravelmann geht von der Beobachtung aus, dass die digitale Welt einer der wenigen Bereiche ist, in denen viele Heranwachsende sich besser auskennen als die Erwachsenen, die mit der Internetkultur und aktuellen Trends und Phänomenen der Sozialen Netzwerke weniger vertraut sind. Der Wissensvorsprung, auf den Erwachsene in vielen anderen Bereichen bauen können, ist hier nicht vorhanden. Entsprechend verstärkt seien daher die Ängste einiger Erwachsener bezüglich der Nutzung von digitalen Angeboten durch Jugendliche. Ein Reagieren auf die aktuellen Umstände ist jedoch laut Autor unerlässlich, denn „Die Jugend wartet nicht auf die Soziale Arbeit.“ (S. 18). Auch wenn sich parallel zur heutigen Debatte um ‚Mediensucht‘ historische Pendants wie etwa die ‚Lesesucht‘ finden, lassen sich die neuen Entwicklungen der Medienwelt nicht allein mit vergangenen Medienerfahrungen begreifen, wie Gravelmann in einer kurzen Darstellung der Medienhistorie zeigt. Daher gelte es, die aktuellen Entwicklungen in ihrer neuen Qualität und Bedeutung für Kinder und Jugendliche zu begreifen.
In der Jugendkultur sind die Online- und Offlinewelt schon längst nicht mehr zu trennen und Soziale Plattformen und digitale Spiele bieten neue Möglichkeiten der Identitätsbildung. Dementsprechend werden in der Publikation allgemeine Trends wie E-Sport, Let’s Plays und sexuelle Dienstleistungen im Internet vorgestellt. Konkret werden in diesem Zuge auch die derzeit beliebtesten Social Media Apps hinsichtlich ihrer Funktion und Bedeutung für Heranwachsende beschrieben.
In der Spannbreite der Nutzung digitaler Medien liegen sowohl eine Freizeitgestaltung, bei der soziale Kontakte gepflegt werden und Internettrends die Jugendkultur konstituieren, als auch ein problematisches Nutzungsverhalten bis hin zum suchtartigen Verhalten. Diese Spannungen zwischen Chancen und Risiken durchziehen auch den Einsatz digitaler Medien in der Sozialen Arbeit. Immer wieder verweist Gravelmann darauf, dass der Einsatz digitaler Medien seit der Corona Pandemie in der Sozialen Arbeit zwar stärker etabliert wurde, aber etwa der Einsatz von KI noch in der Erprobungsphase steht und es noch viele ethische und rechtliche Fragen zu klären gilt.
Weiterhin besteht bei vielen datenschutzrechtlichen Fragen und im Bereich des Jugendschutzes eine so umfangreiche Gesetzeslage, dass die vorliegende Publikation hierzu einen Überblick gibt, da sowohl Fachkräfte als auch Jugendliche eine Reihe von Rechtsverstößen im digitalen Raum begehen können. Zudem merkt der Autor ein Hinterherhinken der gesetzlichen Regelungen hinter der sich wandelnden Medienwelt an und resümiert: „Auch wenn das Jugendschutzgesetz (endlich) den Erfordernissen der veränderten Medienwelt angepasst wurde, bleibt es den einzelnen Mediennutzer*innen sowie den Fachkräften in der Sozialen Arbeit überlassen, mit den dennoch weiterhin bestehenden Herausforderungen und gesetzlichen Unzulänglichkeiten umzugehen […]“ (S. 91–92).
Jugend online! Soziale Arbeit offline? bietet einen gelungenen Überblick über die aktuellen Problemfelder der Sozialen Arbeit in Bezug auf die Digitalisierung und berücksichtigt dabei die Perspektive und Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen sowie die Rolle der Fachkräfte in angemessener Weise. Durch die Beschreibung des Nutzungsverhaltens der Jugendlichen von digitalen Dienstleistungen wird gut nachvollziehbar beschrieben, dass diese Anwendungen tief in das Sozialleben, die Freizeitgestaltung und Identitätsfindung eingedrungen sind, sodass ein Verständnis der digitalen Lebenswelt unerlässlich bei der Konzeption von Hilfsangeboten für Kinder und Jugendliche ist.
Positiv fällt zudem auf, dass neben den Jugendlichen, den sozialen Einrichtungen, Eltern, Fachkräften und dem Gesetzgeber die Anbieter von digitalen Medien Erwähnung finden. Eine Verantwortungszuschreibung seitens des Gesetzgebers an diejenigen, die digitale Medien anbieten, hält Gravelmann für wünschenswert. Auch wenn es das Feld der Sozialen Arbeit überschreiten würde, umfangreiche medienethische Kritik an Angeboten der Anbieter von digitalen Medien zu üben und dies wohl nicht zu den Aufgaben einzelner Fachkräfte zählen mag, wäre es interessant gewesen, diesen Punkt weiter zu vertiefen. Die Erkenntnisse, die die Soziale Arbeit in Auseinandersetzung mit Problemen, wie etwa exzessivem oder suchtartigem Medienkonsum erfährt, könnten wichtige Hinweise für den Gesetzgeber bieten.
Den Schwerpunkt für eine Umsetzung der digitalen Transformation macht Gravelmann vorrangig in einer besseren Ausstattung der sozialen Einrichtungen mit Ressourcen und Fortbildungsangeboten für die Fachkräfte aus. Insgesamt zeigt Gravelmann, dass digitale Medien in der Sozialen Arbeit Teil der Lösung und Teil des Problems sind und arbeitet differenziert heraus, wann welcher Schwerpunkt überwiegt.
Marcus Müller ist studentische Hilfskraft bei merz | medien + erziehung. Er studiert Medienwissenschaften und Philosophie an der Universität Paderborn.
Gravelmann, R. (2024). Jugend online! Soziale Arbeit offline? Digitale Lebenswelten junger Menschen als Herausforderung für die Praxis Sozialer Arbeit. Beltz Juventa. 157 S., 25,00 €.
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Marcus Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtAntonia Giebisch: Autrinnenkollektiv FaBuLoUS (Hrsg.) (2024). Möglichkeitsräume zwischen FabLabs und Schulen. Perspektiven und Praktische Erkundungen. München: kopaed. 200 S., 19,80 €.
Wie können Schulen von der Integration von FabLabs profitieren? Welche Möglichkeiten bieten sich für eine sinnvolle Verknüpfung zwischen den formalen Bildungsstrukturen und den kreativen Konzepten der FabLabs? Mit diesen und weiteren Fragen setzt sich das Autorinnenkollektiv FaBuLoUS auseinander.
Zunächst werden die Leser*innen in die Welt der FabLabs eingeführt. Dabei werden die zugrundeliegenden Arbeitsweisen in FabLabs ebenso wie das zugrundeliegende Making-Mindset und die damit verbundenen Werte dargestellt. Auch kritische Betrachtungen des Konzepts werden präsentiert, wodurch neue Blickwinkel auf das Thema eröffnet werden. Durch das Eingehen auf Postdigitalität und eine Definition von Digital Storytelling werden weitere Perspektiven eröffnet. Besonders interessant für Pädagog*innen dürften die Einschätzung des Sachunterrichts an der Grundschule sowie designpädagogische Perspektiven auf FabLabs sein.
Bezogen auf die Praxis, liefert das Autorinnenkollektiv konkrete Anleitungen und Beispiele für Bildungsangebote in FabLabs, die sich an unterschiedliche Fächergruppen und Schulstufen richten. Verschiedene Workshops und Projekte werden detailliert dargestellt. Darüber hinaus werden Tipps zur bestmöglichen Umsetzung und Gestaltung von FabLabs gegeben.
Autorinnenkollektiv FaBuLoUS (Hrsg.) (2024). Möglichkeitsräume zwischen FabLabs und Schulen. Perspektiven und Praktische Erkundungen. München: kopaed. 200 S., 19,80 €.
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Antonia Giebisch
Beitrag als PDFEinzelansichtAntonia Giebisch: Hoffmann, Peter (2024). Next Generation Internet. Die Verschmelzung von Realität und Virtualität im Metaversum. Wiesbaden: Springer Vieweg. 239 S., 32,99 €.
In seinem neuen Buch betrachtet der Medieninformatiker und Hochschullehrer für Wirtschaftsinformatik, Peter Hoffmann, die spannende Welt des Metaverse aus verschiedenen Perspektiven. Hierbei beleuchtet der Autor sowohl Chancen als auch Risiken. Dabei führt er die Leser*innen durch die komplexen Definitionen des Metaverse und seine Entstehungsgeschichte.
Es werden verschiedene Facetten des Metaverse beleuchtet. Hierbei wird sich mit den Begriffen Realität und Virtualität sowie deren Zwischenstufen wie Virtual oder Augmented Reality auseinandergesetzt und diese werden kritisch betrachtet. Besonders interessant sind die Betrachtung der Verschmelzung von Realität und virtuellen Welten, sowie die potenziellen Gefahren, die durch die Asynchronität dieser Welten entstehen können. Hoffmann stellt dabei die Frage, inwiefern eine ‚Entschmelzung‘ bestimmter Teilaspekte vorteilhaft sein könnte.
Der Autor widmet sich auch der ökonomischen Dimension des Metaverse und betrachtet es als ein neues Wirtschaftssystem, in dem neue Handlungsfelder entstehen können.
Der Autor reflektiert auch darüber, warum das Metaverse oft nur oberflächlich und anwendungsbezogen diskutiert wird, und stellt Organisationen sowie die Perspektiven von Fachleuten und Benutzer*innen zu diesem Thema vor. Zuletzt werden die enormen Potenziale des Metaverse besprochen und Bezüge zum Thema KI hergestellt. Das Buch endet mit einer interessanten Reflexion darüber, ob das Thema Metaverse gar bereits an Bedeutung verloren hat.
Hoffmann, Peter (2024). Next Generation Internet. Die Verschmelzung von Realität und Virtualität im Metaversum. Wiesbaden: Springer Vieweg. 239 S., 32,99 €.
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Antonia Giebisch
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kolumne
Sophia Mellitzer: Ich faste, also poste ich
Halte durch!“, „Bleib stark!“, „Vorsicht: Chips enthalten leider auch Zucker.“ „Hast du es schon mit Bananen-Avocado-Kakao-Creme versucht?“, „Nimm es doch nicht so ernst. Du darfst auch mal cheaten!“. Solche Nachrichten bekomme ich seit 29 Tagen. Jedes Jahr zwischen Fasching und Ostern verzichte ich auf eine Sache, die mir schwerfällt. Doch nur für mich selbst zu Fasten – das wäre mir zu öde. Ich liebe es, meine Erfahrungen mit anderen zu teilen! Deshalb poste ich mit der Bildunterschrift „Tag 1/46: …“ täglich ein neues (Beweis-)Foto in meinen WhatsApp-Status. Dieser selbst auferlegte Zwang motiviert mich enorm, am Fasten dranzubleiben. Gleichzeitig helfen mir die Statusbilder, den Prozess ein wenig zu reflektieren.
Dieses Jahr faste ich Süßigkeiten und verzichte weitgehend auf Zucker. Schon am ersten Tag berichte ich schockiert, dass sowohl mein Knusper-Bio-Müsli als auch meine Lieblings-Erdnusscreme Zucker enthalten. Was soll ich denn jetzt frühstücken? Prompt bekomme ich zahlreiche Empfehlungen zuckerfreier Frühstücksprodukte zugeschickt. Praktisch! Schon bald etabliere ich neue Essensroutinen und poste Bilder meiner zuckerfreien Lieblingsspeisen. Doch ganz ehrlich: wenn in der Büro-Küche köstlicher Kuchen bereitsteht oder die Kinder das erste Eis des Frühlings auf dem Marktplatz genießen fällt mir der Verzicht verdammt schwer. Auch das teile ich mit meiner kleinen WhatsApp-Community. Und ernte Mitgefühl und Durchhalteparolen. Besonders viel Aufmerksamkeit erhält ein Post, der mich als Naschkatze entlarvt: „Tag 24/46: Wenn das Einkaufen zur Challenge wird“ zeigt ein Foto des Schokoladen-Regals im Supermarkt. Aufgewachsen in einer Kleinstadt mit Schokoladenfabrik lag in unserer Küchenschublade stets Bruchschokolade in Quadraten bereit, zarter Schokoduft begleitete meinen Weg zur Schule. Wochenlang ohne Süßes auszukommen ist etwas völlig Neues für mich. Kein Wunder, dass mir ab und zu ein Ausrutscher passiert. „Tag 28/46: Aus Versehen Teig genascht.“ - auch das Foto der Rührschüssel landet in meinem Status.
Noch schwerer fiel mir mein Verzicht im letzten Jahr: Gegenstände fasten. Jeden Tag teilte ich ein Foto einer Sache, die ich verschenkt, verkauft oder entsorgt hatte. Das war vielleicht anstrengend. Ich hänge sehr an all meinen Dingen. Diese Fastenzeit hätte ich ohne das Posten sofort wieder aufgegeben. Aber auf die Fotos von der sortierten Küchenschublade, der entmüllten Zimmerecke und dem freien Platz im Badschrank erhielt ich viel Zuspruch und das hat mich enorm gestärkt. Einige machten sogar mit, schickten mir Fotos und Infos über ihren Fortschritt beim Ausmisten. Ich bin schon gespannt, welche Idee ich nächstes Jahr umsetzen werde. CO2, Plastik, Instagram, Online-Shopping – mir fällt da so einiges ein. Nur auf Messenger kann ich nicht verzichten – sonst fehlt mir der äußere Anreiz und der Rückhalt von Freund*innen und Familie!
Beitrag aus Heft »2024/02: Medienpädagogik und Queerness«
Autor: Sophia Mellitzer
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