2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen
Schon früh hat es Beziehungen zwischen Medien auf der einen, und Wirtschaft auf der anderen Seite gegeben. Insgesamt wird heute sehr deutlich, dass das Verständnis der Ökonomisierung der Medien und die Durchdringung des Zusammenspiels und der Verflechtungen zwischen Medien und Ökonomie vor dem Hintergrund einer mediatisierten und digitalisierten Welt eine wesentliche Voraussetzung für einen kompetenten Einbezug digitaler Medien in eine souveräne Lebensführung sind.
Trotz der Komplexität des Themas soll dieser Themenschwerpunkt mit den gewählten Perspektiven Anregungen zum Weiterdenken und Weiterdiskutieren geben.
aktuell
Katharina Stengl: KIM-Studie 2022
48 Prozent der 6- bis 13-Jährigen dürfen allein das Internet nutzen. WhatsApp und das Ansehen von Filmen und Videos machen den größten Teil der Internetnutzung aus. 68 Prozent der Eltern nutzen keine technischen Möglichkeiten des Jugendmedienschutzes. Dies sind Ergebnisse der KIM-Studie 2022. Fernsehen und digitale Spiele zählen mit jeweils 18 Prozent zur liebsten Freizeitbeschäftigung mit Medien. Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen zur regelmäßigen Mediennutzung wider. Insbesondere Spiele am Smartphone werden von Kindern eher allein genutzt (71 %). Auch das Surfen im Internet (58 %), Spielen am Tablet (56 %) und Fernsehen (53 %, egal über welchen Verbreitungsweg) machen Kinder überwiegend allein. Fast alle der 6- bis 13-Jährigen (99 %) haben technisch die Möglichkeit, zu Hause das Internet zu nutzen. 70 Prozent tun dies auch, größtenteils für das Ansehen von Filmen, Videos und Serien (71 %) sowie für WhatsApp (70 %). YouTube und Suchmaschinen nehmen mit 64 Prozent einen wichtigen Teil der Internetnutzung von Kindern ein. Die Lieblingsapps: WhatsApp (48 %), YouTube (30 %), TikTok (28 %), Instagram (13 %) und Snapchat (8 %). Die Mehrheit der Eltern ist sich bewusst, dass das Internet neben Gefahren (80 %) auch Chancen (86 %) für Kinder birgt, Neues zu lernen. Knapp die Hälfte (48 %) lässt das eigene Kind das Internet ohne Aufsicht nutzen. Die Verantwortung, Kindern den richtigen Umgang mit Medien zu zeigen, sieht der Großteil bei sich als Eltern und in der Schule. Viele Eltern (79 %) wünschen sich Medienkompetenz als Schulfach. Ein Drittel der Eltern prüft, wie lange ihr Kind am PC, Laptop, Tablet oder Handy ist. Zwei Drittel der Eltern verwenden keine technischen Möglichkeiten des Jugendmedienschutzes wie Filter oder Sicherheitseinstellungen. 36 Prozent kennen gar keine Filter- und Schutzprogramme für die Internetnutzung. Für 31 Prozent sind diese zu teuer. Für die KIM-Studie 2022 wurden rund 1.200 Kinder und deren Haupterzieher*innen im Zeitraum von September bis Oktober 2022 zu ihrem Mediennutzungsverhalten befragt. Durchgeführt wurde die Studie vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest als Kooperation der beiden Medienanstalten von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, gemeinsam mit dem Südwestrundfunk (SWR).
mpfs.de/studien/ kim-studie/2022
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Autor: Katharina Stengl
Beitrag als PDFEinzelansichtSwenja Wütscher: Queerfeindlichkeit Online
Beleidigungen und Feindseligkeiten – damit werden Menschen, die lesbisch, schwul, bisexuell, intersexuell, transgender sind oder sich auf eine andere Weise nicht-heteronormativ identifizieren (LSBTIQ* oder engl. LGBTIQ*) im Internet häufig konfrontiert. Das zeigt der Report Queerfeindlichkeit online. Hass, Hetze und Gewalt gegen LGBTIQ* im Netz von jugendschutz.net. Insbesondere in Sozialen Medien finden sich ablehnende Kommentare bis hin zu offenen Anfeindungen und Hetze gegenüber LGBTIQ*. Die Ablehnung und Verfolgung queerer Menschen im Internet ist zentraler Bestandteil rechtsextremer und islamistischer Propaganda. Rechtsextreme und islamistische Gruppierungen betrachten nicht-heteronormative Orientierungen und Geschlechtsidentitäten als vermeintliche Bedrohung ihrer ideologischen Vorstellungen von Rollen- und Geschlechterbildern. Der weit verbreitete Hass und die Aufrufe zur Hetze können Kinder und Jugendliche, die damit im Internet konfrontiert werden, in ihrer Entwicklung beeinträchtigen oder sogar gefährden, wie jugendschutz.net in seinem Bericht zeigt. Zum Beispiel könnten sie Ungleichwertigkeitsvorstellungen und Diskriminierung als akzeptabel betrachten oder in Bezug auf ihre eigene geschlechtsbezogene Identität verunsichert oder eingeschränkt werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass neben strafrechtlichen Maßnahmen und der Medienaufsicht auch die Anbieter Sozialer Medien ihre Verantwortung wahrnehmen, und Kinder und Jugendliche vor queerfeindlichen Hassinhalten schützen. Grundsätzlich verbieten alle großen Plattformen wie TikTok, YouTube und Instagram Queerfeindlichkeit als Hassrede in ihren Gemeinschaftsrichtlinien – es bräuchte neben niedrigschwelligen und effektiven Meldesystemen noch Mechanismen und Hilfestellungen, die beispielsweise bei der Content-Moderation unterstützen.
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Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtChaymaa Zimame: Safenet - Bekämpfung von Online-Hassrede
Von Februar bis März 2023 meldete jugendschutz.net im Rahmen des Projekts SafeNet 49 Fälle von Hassrede (Instagram: 11, Facebook: 3, TikTok: 11, Twitter: 23 und YouTube: 1). Dabei handelte es sich meistens um Glorifizierungen des Nationalsozialismus (47 %), Hassrede gegen nicht-religiöse Menschen (18 %) und gegen Geflüchtete (14 %). SafeNet: Monitoring and Reporting for Safer Online Environments ist ein von der EU gefördertes Projekt mit dem Ziel der Bekämpfung von Online-Hassrede. Das Projekt wird von jugendschutz.net gemeinsam mit anderen europäischen Partnerorganisationen durchgeführt, die unter anderem Trusted Flaggers sind, das heißt, institutionalisierte Melder. Im Rahmen des Monitorings in Deutschland wurden 55 Prozent der gemeldeten Fälle innerhalb von 24 Stunden von den Plattformen geprüft. Inhalte, die eine Woche nach der Erstmeldung nicht gelöscht wurden, wurden erneut über die Trusted Flagger-Wege gemeldet. Diesmal lag die Prüfquote bei 94 Prozent. Insgesamt wurden 92 Prozent der gemeldeten Inhalte gelöscht, nur auf Twitter und Instagram blieben vereinzelte Meldungen ohne Feedback. Da Heranwachsende viel Zeit in und mit Online Medien verbringen, ist es auch sehr wahrscheinlich, dass sie Formen von Hassrede begegnen. Studien zeigen, dass Online-Hassrede negative psychologische Auswirkungen wie Angstzustände, Depressionen und ein geringes Selbstwertgefühl bei den Betroffenen verursachen kann. Menschen können sich aus Angst vor Cybermobbing und digitaler Ausgrenzung zurückziehen und weniger am öffentlichen Diskurs teilnehmen, was wiederum zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit sowie zu einer Verzerrung der öffentlichen Meinungsbildung beitragen kann. Auf gesellschaftlicher Ebene kann Online-Hassrede zu einer Verstärkung von Vorurteilen und Diskriminierung gegenüber bestimmten Gruppen sowie zur Polarisierung der Gesellschaft führen. Daher ist der Einsatz koordinierter Projekte zur Überwachung Sozialer Medien wie SafeNet enorm wichtig, um sichere digitale Räume zu schaffen. Denn freie Meinungsäußerung beinhaltet nicht das Recht, Hassrede, Beleidigungen oder andere Formen rechtswidriger Äußerungen zu verbreiten.
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Autor: Chaymaa Zimame
Beitrag als PDFEinzelansichtSwenja Wütscher: Stichwort: Roblox
Auf der beliebten Online-Spieleplattform Roblox, einer Mischung aus Spieleumgebung und Sozialem Netzwerk, können Nutzer*innen eigene Welten erschaffen und mit anderen teilen. Diese reichen von einfachen Bauwerken bis hin zu komplexen Erlebniswelten wie Städten und Freizeitparks. Der Name der Plattform setzt sich aus den Wörtern ‚Robots‘ (Roboter) und ‚Blocks‘ (Blöcke) zusammen und beschreibt das Konzept der virtuellen Spielwelt, die im LEGO-Stil gestaltet ist und an das Spiel Minecraft erinnert. Nach der Registrierung auf der Website erhalten Nutzer*innen einen Avatar, den sie nach Belieben anpassen können. Kleidung und Frisuren stehen kostenlos zur Verfügung, zusätzliche Accessoires können mit der internen Währung Robux erworben werden. Die Erstellung und das Spielen von Spielen sind kostenlos, für spezielle Funktionen und Gegenstände können In-App-Käufe getätigt werden. Das Angebot richtet sich hauptsächlich an Kinder und Jugendliche und wird wiederholt kritisiert: Es gibt Bedenken bezüglich des Datenschutzes. Inhalte sowie die Kommunikation zwischen den Nutzer*innen werden unzureichend moderiert und Verstöße gegen die Community-Richtlinien nicht konsequent genug geahndet. Das integrierte Meldesystem und der Chatfilter scheinen unzureichend zu sein. Das Konzept kann dazu führen, dass Kinder echtes Geld in die Plattform investieren oder kostenpflichtige Mitgliedschaften abschließen. Außerdem werden oft die Erwartungen enttäuscht, mit eigenen Spielen auf Roblox viel Geld zu verdienen, da die Plattform den Großteil der Gewinne für sich behält. Der Anbieter (Roblox Coorporation) betont, dass Sicherheit und Datenschutz ernst genommen werden. Ein erster Schritt in diese Richtung sind die Kontoeinstellungen für altersgerechte Spiele und Limits für In-App-Käufe.
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Autor: Swenja Wütscher
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thema
Susanne Eggert/Andreas Lange: Editorial: Die ambivalente Ökonomisierung von Medien in Zeiten der Digitalisierung
Hoppla, ohne es zu wollen, habe ich zugestimmt, dass die Online-Plattform, auf der ich mich gerade befinde, Cookies einsetzt – und damit implizit mein Einverständnis zur Sammlung und Verarbeitung meiner persönlichen Daten gegeben. Möglich war das durch die Verwendung der Dark-Patterns-Technologie. Diese bringt Nutzer*innen mit Hilfe von Designelementen dazu, ihre Zustimmung zu Vorgängen im Internet zu geben, ohne dass sie sich dessen unbedingt bewusst sind. Dark Patterns sind nur eine Möglichkeit, wie Anbieter im Internet an die Daten von Nutzer*innen kommen. Und wenn sie diese Daten einmal haben, dann ist der Weg frei, sie zielgerichtet weiterzuverarbeiten. Die Daten von Nutzer*innen sind eine wichtige und wertvolle Währung für kommerzielle Akteure im Internet. Wenn es um die Verbindung von Ökonomie und Medien geht, sind sie der wichtige Faktor. Warum?
Zunächst einmal ist es sinnvoll, sich ein wenig genauer anzuschauen, was eigentlich hinter dem Begriff der Ökonomie steckt bzw. was unter Ökonomisierung zu verstehen ist. Ökonomisierung ist einer der wichtigsten gesellschaftlichen Mehrebenenprozesse, der die Struktur und Dynamik der späten Moderne, des digitalen Kapitalismus (Fuchs, 2023), prägt. Ökonomisierung meint differenzierungstheoretisch betrachtet (Hedtke, 2014) das imperialistische, kolonialisierende Übergreifen ökonomischer Logiken in andere Systeme und Lebenswelten von Menschen. Zu diesen Logiken gehört das Schema Zahlung – Nichtzahlung, die Quantifizierung und damit zwangsweise Vereinheitlichung von Sachverhalten und der Export des homo oeconomicus als Leitbild. Schließlich werden alle Beziehungen marktförmig modelliert. Im Gefüge der Systeme erfolgt also eine Aufwertung der ökonomischen Logik und diese realisiert sich in erster Linie in den Organisationen der Teilsysteme; sprich in den Krankenhäusern, Universitäten, Redaktionen und Produktionsstudios. Allerdings ist dies kein linearer Prozess, weil die Eigenlogiken der anderen Systeme und Organisationen sich daran reiben und abarbeiten. Schon früh indes hat es solche Beziehungen zwischen den noch um endgültige Ausdifferen zierung ringenden Systemen, Medien auf der einen, und Wirtschaft auf der anderen Seite, gegeben. Spätestens mit dem Buchdruck haben die großen Druckhäuser und die medienrhetorisch versierten Theologen gezeigt, dass gutes Marketing zu ökonomischem Gewinn durch Medien führen kann (Kaufmann, 2022). Sie nutzten großflächig die Tatsache, dass zwar die Erstproduktion von Medienprodukten kostenintensiv ist, aber die nachfolgenden Skalenvorteile diesen Anfangsnachteil mehr als wettmachen. Im Interview zeigt Friedrich Krotz auf, wie sich das entwickelt hat, warum Gutenberg eigentlich den Buchdruck erfunden hat und wie die Entwicklung anschließend weiterging. Er macht deutlich, dass die Ökonomisierung von Medien insbesondere hinsichtlich der Weiterentwicklung der Technik und den damit einhergehenden Bildungschancen für die Menschen ein großes positives Potenzial enthält. Dieses Potenzial gilt es verantwortungsvoll zu nutzen, und zwar umso mehr vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft. Denn mit dem stetigen Zuwachs an neuen Medientechnologien und -formaten sowie deren Vermarktung entstand zum einen eine Aufmerksamkeitsökonomie (Franck, 2007). Angesichts der Überfülle des Medienangebots und der zunehmenden Notwendigkeit einer werbemäßigen Refinanzierung sind die Anbieter darauf angewiesen, wahrgenommen zu werden, um überleben zu können. Das damit verbundene Buhlen um Clicks und Abos schlägt sich zum Teil in Qualitätseinbußen nieder und kann dazu führen, wie das Beispiel Dark Patterns zeigt, dass Wege gesucht werden, die für die Nutzenden nicht mehr so leicht zu erkennen sind. Zum anderen forcieren die Digitalisierung und die Sozialen Medien nochmals die Ökonomisierung jedweder Kommunikation und die Ausbeutung der User*innen durch informatorische Arbeit. Vor allem führen sie auch zu einer Hypersingularisierung (Reckwitz, 2017) und einer zunehmenden Konsumorientierung sowie einer an Verhaltensvorhersagen orientierten Kontrolle des ökonomischen Denkens und Handelns von Menschen aller Altersgruppen (Zuboff, 2018), die durch die Sammlung ihrer persönlichen Daten möglich wird.
Wo in dieser Entwicklung die Fallstricke für Verbraucher*innen liegen, damit beschäftigt sich Verena Halm von der Verbraucherzentrale Bayern. Sie zeigt auf, welche Wege der Werbung sich im Internet entwickelt haben und warum sie für die Nutzer*innen oft so schwer zu erkennen sind. Dank der unzähligen persönlichen Daten, die wir regelmäßig im Internet zur Verfügung stellen, lassen sich unsere Bedürfnisse sehr genau analysieren. Genau hier setzen die Akteur*innen an und genau damit erreichen sie auch, dass wir nicht mehr so genau hinschauen. Das in diesem Text nun schon mehrfach bemühte Verfahren der Dark Patterns ist einer dieser Wege. Rudolf Kammerl und sein Team haben für die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien die Bedeutung von Dark Patterns und Digital Nudging in Sozialen Medien untersucht. Sie stellen fest, dass Dark Patterns in fast allen Angeboten, die bei Kindern und Jugendlichen beliebt sind – seien es Apps oder Spiele –, vorkommen. Neben älteren Personen und Menschen mit geringerer formaler Bildung sind es aber gerade Kinder, die sich besonders schwertun, diese Mechanismen zu erkennen, was das Thema für den Verbraucher- und Jugendmedienschutz, aber auch für die Medienpädagogik besonders virulent macht. Die Bedeutung, die die Verbindung von Medien und Ökonomie für die Bildung und ihre Verbreitung haben kann, wurde bereits angesprochen. Während aber die (kostengünstige) Verfügbarkeit von Informations- und Bildungsmedien nicht hoch genug bewertet werden kann, birgt die Digitalisierung zunehmend die Gefahr, dass Bildung von ökonomischen Interessen bestimmt wird. Mit diesem Thema setzt sich die Initiative Bildung und Digitaler Kapitalismus auseinander. In einem gerade erst erschienenen Positionspapier wirft die Initiative einen kritischen Blick auf das Verhältnis zwischen Kapitalismus und digitalen Technologien und skizziert das Verhältnis zwischen Digitalem Kapitalismus und Bildung. Daraus entwickelt sie bildungspolitische Perspektiven und Forderungen. Gregor Eckert und Nina Grünberger sind Teil der Initiative. In ihrem Beitrag gehen sie auf das Vorgehen bei der Erarbeitung des Positionspapiers ein, bei dem unter anderem Wert darauf gelegt wurde, dass möglichst unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt wurden, und erläutern außerdem zentrale Begriffe des Textes. Insgesamt wird sehr deutlich, dass das Verständnis der Ökonomisierung der Medien und die Durchdringung des Zusammenspiels und der Verflechtungen zwischen Medien und Ökonomie vor dem Hintergrund unserer heutigen mediatisierten und digitalisierten Welt eine wesentliche Voraussetzung für einen kompetenten Einbezug digitaler Medien in eine souveräne Lebensführung sind und insofern ein zentraler Inhalt für die praxisorientierte Medienpädagogik. Wie dies umgesetzt werden kann, damit setzen sich die Beiträge von Charlotte Horsch, Tina Drechsel und Valentin Dander auseinander. Charlotte Horsch stellt das webhelm-Starterkit zum Thema Influencer*innen vor, das pädagogische Fachkräfte dabei unterstützt, mit Jugendlichen zu Influencer*innen und dem dahinterstehenden Geschäftsmodell zu arbeiten. Tina Drechsel stellt zwei Methoden vor, wie im Rahmen des Projekts ACT ON! – Aufwachsen zwischen Selbstbestimmung und Schutzbedarf die Reflexion ökonomischer Strategien und Strukturen unterstützt wird. Valentin Dander hat sich im Rahmen eines Praxis-Forschungs-Projekts damit auseinandergesetzt, wie das komplexe Themenfeld Daten und digitaler Kapitalismus mit Jugendlichen ab 14 Jahren umfänglich bearbeitet werden kann und dafür Methoden entwickelt. In einer kritischen Reflexion der Erprobung dieser Methoden stellt er fest, dass diese von pädagogischen Fachkräften positiv bewertet wurden, die teilnehmenden Jugendlichen aber immer wieder an Grenzen kamen. Vor diesem Hintergrund plädiert er dafür, Erfahrungen und Methoden aus der kritischen ökonomischen und politischen Bildung sowie Methoden aus dem Bereich der Critical Data Literacies in medienpädagogische Bildungssituationen einzubeziehen. Bei der Vorbereitung dieses Themenschwerpunkts zeigte sich, wie komplex und zum Teil schwer zu fassen und zu durchschauen das Thema Medien und Ökonomie ist. Wir hoffen, wir können mit den gewählten Perspektiven und Texten Anregungen zum Weiterdenken und Weiterdiskutieren geben und wünschen eine spannende Lektüre.
Literatur
Franck, G. (2007). Ökonomie der Aufmerksamkeit: Ein Entwurf. dtv.
Hedtke, R. (2014). Was ist sozio-ökonomische Bildung? Perspektiven einer pragmatischen fachdidaktischen Philosophie. In A. Fischer & B. Zurstrassen (Eds.), Sozioökonomische Bildung (pp. 81-126). Bundeszentrale für politische Bildung.
Kaufmann, T. (2022). Die Druckmacher. Wie die Generation Luther die erste Medienrevolution entfesselte. C. H. Beck.
Reckwitz, A. (2017). Die Gesellschaft der Singularitäten. Suhrkamp.
Zuboff, S. (2018). Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus. Campus.
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Autor: Susanne Eggert, Andreas Lange
Beitrag als PDFEinzelansichtFriedrich Krotz/Susanne Eggert: Am Anfang war der Buchdruck. Die Verbindung von Medien und Ökonomie | Gespräch mit Friedrich Krotz
Medien und Ökonomie haben nie unabhängig voneinander existiert. Als es möglich war, Bücher zu drucken und dadurch mehrere Exemplare von einer Vorlage herzustellen, war der Grundstein für die kommerzielle Verwertung von Medien gelegt. Susanne Eggert hat sich mit Friedrich Krotz darüber unterhalten, wie sich die Verbindung von Medien und Ökonomie bis heute entwickelt hat.
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Autor: Susanne Eggert, Friedrich Krotz
Beitrag als PDFEinzelansichtTatjana Halm: Medien und Wirtschaft: Die Rolle der Verbraucher*innen in einer vernetzten Welt
Medien und Wirtschaft beeinflussen Verbraucher*innen in der vernetzten Welt. Neue Geschäftsmodelle und personalisierte Werbung verwenden Nutzendendaten, um Kaufentscheidungen zu beeinflussen. Influencer*innen-Marketing lockt mit Reichweite und Bezahlung, birgt jedoch Risiken wie Manipulation, gefälschte Empfehlungen und Datenschutzprobleme. Hier wird aufgezeigt, wie Verbraucher*innen sensibilisiert werden können, um bewusste Entscheidungen zu treffen.
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Autor: Tatjana Halm
Beitrag als PDFEinzelansichtCharlotte Horsch: Steckbrief: ,Like, Follow, Comment - Influencer*innen im Netz'. Webhelm Methodenpaket
Influencer*innen haben vieles zu bieten. Sie lassen ihre Follower*innen an ihrem Leben teilhaben und liefern Unterhaltung, Inspiration und Orientierung. Jugendliche können in Influencer*innen vielfältige Vorbilder finden, gleichzeitig steckt auch ein Geschäftsmodell dahinter. Die meisten bekannten Content Creator*innen dienen als Werbefiguren – in ihren Postings verschwimmen die Grenzen zwischen persönlichen Empfehlungen und bezahlten Werbeinhalten. Jungen Menschen kann es so mitunter schwerfallen, dieses Geschäftsmodell zu durchschauen. Um Jugendliche zur Reflexion über Influencer*innen anzuregen und ihnen das dahinterstehende Geschäftsmodell zu erläutern, ist im Rahmen des Projekts webhelm – kompetent online ein sogenanntes Starterkit entstanden. Dabei handelt es sich um eine Projektbox, die pädagogischen Fachkräften alle Materialien liefert, die sie für einen zweitägigen Workshop zum Thema Influencer*innen benötigen. Enthalten sind Methodenbeschreibungen, Hintergrundinformationen und Anschauungsmaterialien.
Die Materialien des Starterkits sind in zwei Einheiten gegliedert. Die erste Einheit legt den Fokus auf das Berufsbild und das Geschäftsmodell von Influencer*innen. In reflexiven und aktiven Methoden setzen sich die Teilnehmenden intensiv und differenziert mit Influencer*innen und ihrem Berufsbild auseinander. Sie haben die Möglichkeit, über ihre liebsten Influencer*innen zu reflektieren, beschäftigen sich mit deren Glaubwürdigkeit und lernen, welche Marketing-Strategie damit verbunden ist. Begriffe wie ‚Nano- oder Mega-Influencer*innen‘ werden erklärt und die rechtliche Lage bezüglich Werbekennzeichnung erläutert. Außerdem werden die Teilnehmenden selbst aktiv: Im Rahmen eines Rollenspiels dürfen sie fiktive Influencer*innen verkörpern und sich mit kreativen Ideen für einen fingierten Werbedeal bewerben. Diese aktive Methode bringt ihnen den Arbeitsalltag von Influencer*innen näher und zeigt, wie viel Arbeit und Aufwand hinter deren Postings steckt. Die zweite Einheit des Starterkits widmet sich dem Thema Geschlechter- und Rollenbilder. Das Spannungsfeld zwischen Erfolg und einseitigen Rollenbildern wird verständlich erläutert. Auch die Möglichkeit, Social Media als Sprachrohr für Vielfalt zu nutzen, wird den Teilnehmenden nähergebracht. Hierbei kommt erneut eine praktische Methode zum Einsatz: Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, gestalterisch kreativ zu werden und ein Kampagnenplakat zum Thema Vielfalt zu gestalten.
Das Starterkit bietet pädagogischen Fachkräften eine niedrigschwellige Möglichkeit, mit ihrer Zielgruppe umfassend zu Influencer*innen und dem dahinterstehenden Geschäftsmodell zu arbeiten. Fachkräfte aus Bayern können die Projektbox kostenfrei bestellen, außerdem stehen alle Materialien online zum Download bereit. webhelm ist ein Info-Angebot für pädagogische Fachkräfte und interessierte Erwachsene, welches sich der Frage widmet, wie Kinder und Jugendliche sich Online-Medien aneignen und wie sie dabei von Fachkräften und Eltern unterstützt werden können. Im Rahmen des Projekts werden bayernweit Workshops mit Kindern und Jugendlichen, Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte sowie Elternabende angeboten. Auf der Online-Plattform webhelm.de finden pädagogische Fachkräfte neben hilfreichen Artikeln und medienpädagogischen Methoden auch Materialien, die sich für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen anbieten. webhelm ist ein Projekt des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in Kooperation mit der Aktion Jugendschutz – Landesarbeitsstelle Bayern e. V. und wird vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.
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Autor: Charlotte Horsch
Beitrag als PDFEinzelansichtRudolf Kammerl: Dark Patterns. Die dunkle Seite des digitalen Kapitalismus?!
Der Beitrag widmet sich Designelementen, die profitorientierte Unternehmen bei der Gestaltung von Websites, Apps und Spielen einsetzen, um die User*innen ihrer Angebote so zu manipulieren, dass sie ein Verhalten wählen, das eher den Interessen der Anbieter dient als ihren eigenen.
Literatur
Bongard-Blanchy, K., Rossi, A., Rivas, S., Doublet, S., Koenig, V. & Lenzini, G., (2021). “I am Definitely Manipulated, Even When I am Aware of it. It’s Ridiculous!” – Dark Patterns from the End User Perspective. In Association for Computing Machinery (Hrsg.), Designing Interactive Systems Conference 2021 (S. 763–776). https://doi.org/10.1145/3461778.3462086
Di Geronimo, L., Braz, L., Fregnan, E., Palomba, F. & Bacchelli, A. (2020). UI dark patterns and where to find them: a study on mobile applications and user perception. In ACM (Hrsg.), Proceedings of the 2020 CHI (S. 1–15). https://sback.it/ publications/chi2020.pdf
European Commission (2022). Behavioural study on unfair commercial practices in the digital environment: dark patterns and manipulative personalisation. Final report, Publications Office of the European Union. https://data.europa.eu/ doi/10.2838/859030
Gray, C. M.; Kou, Y.; Battles, B.; Hoggatt, J. & Toombs, A. (2018). The Dark (Patterns) Side of UX Design. Association for Computing Machinery (Hrsg.), Proceedings of the 2018 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems (CHI ’18) (S. 1–14). https://doi.org/10.1145/3173574.3174108
Jugendschutz.net (Hrsg.) (2021). Report Dark Patterns. Zur Problematik manipulativer Spieldesigns in Free2Play-Apps. https://jugendschutz.net/fileadmin/daten/publikationen/ praxisinfos_reports/report_dark_patterns.pdf
Kammerl, R., Kramer, M., Müller, J., Potzel, K., Tischer, M. & Wartberg, L. (2023). Dark Patterns und Digital Nudging in Social Media – wie erschweren Plattformen ein selbstbestimmtes Medienhandeln? BLM-Schriftenreihe 110. Nomos.
Koubeck, J. (2020). Monetarisierung von Computerspielen. BLM-Schriftenreihe 109. Nomos.
Martini, M., Drews, C., Seeliger, P. & Weinzierl, Q. (2021). Dark Patterns – Phänomenologie und Antworten der Rechtsordnung. Zeitschrift für Digitalisierung und Recht (ZfDR), 1, 47/74. https://rsw.beck.de/docs/librariesprovider132/default-document-library/zfdr_heft_2021-01.pdf
Spicer, S.G., Nicklin, L.L., Uther, M., Lloyd, J., Lloyd, H. & Close, J. (2022). Loot boxes, problem gambling and problem video gaming: A systematic review and meta-synthesis. New Media and Society, 24(4), 1001/1022.
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Rudolf Kammerl
Beitrag als PDFEinzelansichtInitiative Bildung und digitaler Kapitalismus: Bildung und digitaler Kapitalismus. Ein Positionspapier.
„Wir als Initiative Bildung und digitaler Kapitalismus möchten einen Beitrag leisten, um digitalkapitalistische Formationsprozesse in kritischer Perspektive zu thematisieren und gleichzeitig alternative, nachhaltige Entwicklungspfade in wissenschaftlichen Kontexten, pädagogischen Handlungsfeldern und bildungspolitischen Öffentlichkeiten zu fördern. Hierzu gehört wesentlich, den aktiven, selbstbewussten und kompetenten Umgang mit digitalen und anderen Medientechnologien im Kontext eines umfassenden Verständnisses von Bildung und Medienbildung zu unterstützen.“ (Positionspapier, S. 1)
Die Initiative Bildung und digitaler Kapitalismus wurde 2021 aus einem interdisziplinär zusammengesetzten Kolloquium heraus gegründet. Die Initiative führte 2022 eine Fachtagung an der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid durch und informiert seither auf einer Website über Themenfelder und aktuelle Entwicklungen zur Thematik der Initiative: https:// bildung-und-digitaler-kapitalismus.de. Im Mai 2023 veröffentlichte die Initiative auf ihrer Website das aktuelle Positionspapier, das grundlegende Positionen der Initiative formuliert:
- Abschnitt 1 beschreibt und reflektiert das Verhältnis von Kapitalismus und digitalen Technologien aus kritischer Perspektive;
- Abschnitt 2 skizziert das Verhältnis von Bildung und digitalem Kapitalismus auf vier Ebenen: (1) Begriffe, Subjekte und Ziele von Bildung; (2) Bildungspolitische Programmatiken; (3) Digitale Infrastrukturen in der Bildung; (4) Didaktiken und (digitale) Bildungsmaterialien.
- Abschnitt 3 fasst bildungspolitische Perspektiven und Forderungen zusammen. Dieser wird im Folgenden veröffentlicht.
3 PERSPEKTIVEN & FORDERUNGEN
Für die Initiative Bildung und digitaler Kapitalismus sind folgende Anliegen besonders wichtig:
- Gesellschaftliche Bedingungen von Bildung und Digitalität: Die persönliche Entwicklung und das Zusammenleben der Menschen sind abhängig von der Ermöglichung und Begrenzung durch Lebensbedingungen. Bildung und Medienbildung können nicht unabhängig von technologischen, ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Rahmenbedingungen betrachtet werden.
- Umfassender Begriff von Bildung: Notwendig ist ein Verständnis von Bildung und Medienbildung, das über eine Reduktion auf ‚digitalisierungsbezogene Kompetenzen‘ und ‚digitale Bildung‘ weit hinausgeht. Medienbildung sowie ein kritisch-reflexiver Umgang mit digitalen Bildungstechnologien lassen sich nicht auf Skills und Anwendungskompetenzen reduzieren. Es braucht eine differenzierte Sicht auf Chancen und Problemfelder von digitalen Technologien in der Bildung. Der Ausbau einer Vermessung von Bildung ist kein Konsens!
- Bildungsziele: Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind darin zu unterstützen, Medien aktiv, reflektiert und selbstbewusst zu nutzen. Hierzu gehört auch die Thematisierung normativer Fragen (u. a. Grund- und Menschenrechte, Menschen- und Gesellschaftsbilder, ethische Reflexionen, Macht- und Herrschaftskritik) sowie die Förderung demokratischer und partizipativer Denk- und Handlungsweisen. Die Zielperspektive von Bildung ist also in der Relation einer Persönlichkeitsbildung mit einer gemeinwohlorientierten gesellschaftlichen Bildung in und mit Communitys zu denken.
- Gestaltungskraft,Ambivalenzen und inklusive Perspektiven von Bildung: Gestalterische Potenziale insbesondere digitaler Medien sind für eine lebensweltnahe Bildung und eine anschauliche Daten- und Medienkritik zu nutzen. Dies umfasst die Thematisierung von Spannungsfeldern, Widersprüchen und Dilemma-Situationen in der Nutzung von (digitalen) Medien. Ebenso wichtig ist die Förderung einer inklusiven und zielgruppensensiblen Bildung, gerade für Menschen aus bildungsbenachteiligenden Verhältnissen.
- Institutionalisierung von Medienbildung: Eine Grundbildung Medien für alle pädagogischen Fachkräfte ist in der Aus-, Fort- und Weiterbildung zu verankern. Eine solche Grundbildung Medien fördert nicht nur digitalisierungsbezogene Kompetenzen, sondern orientiert sich an einem umfassenden Verständnis von Medienbildung. Bereits vorhandene Erfahrungen und Modelle einer Grundbildung Medien sind auszuwerten und allen Interessierten zugänglich zu machen. Bildungs- und Wissenschaftsministerien sowie Hochschulen haben entsprechende Personal- und Sachmittel für eine Grundbildung Medien und auch für vertiefende, medienbezogene (Wahlpflicht-)Studiengänge dauerhaft zur Verfügung zu stellen.
- Offene Infrastrukturen für Bildung: Alle Bildungsbereiche benötigen gemeinwohlorientierte digitale Infrastrukturen und Plattformen, die unabhängig von kommerziellen Konzernen und IT-Firmen sind. Es geht um die Entwicklung und den Ausbau von interoperablen und nachhaltigen Alternativen zu herstellergebundener Software; es geht um die Förderung von Freier und Open Source Software (FOSS), von frei lizenzierten Bildungsmaterialien (OER) und um die Umsetzung weitreichender Schrankenregelungen im Urheberrecht für Bildungszwecke; es geht insgesamt um staatlich geförderte, demokratisch kontrollierte digitale Infrastrukturen, die zum Beispiel Rückkanäle für Datentracking ausschließen und somit Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung möglichst umfassend, technisch stabil und nutzungsfreundlich ermöglichen.
- Wider Kapitalinteressen in der Bildung: Die Rolle und der wachsende Einfluss der IT-Wirtschaft im Bildungsbereich sind kritizu reflektieren und transparent zu machen. Werbung für kommerzielle Produkte gehört nicht in öffentliche Bildungseinrichtungen. Notwendig ist eine verbesserte Qualitätssicherung von Bildungsmedien und -materialien unter Einbeziehung verschiedener Akteur*innen, darunter auch Initiativen und Organisationen im Bereich freies/offenes Wissen.
- Bildung für gesellschaftliche Alternativen: Fragen nach Alternativen zu (digital-)kapitalistischen Formationen sind verstärkt zum Thema von Bildungsprozessen zu machen, zum Beispiel in Form von Zukunftswerkstätten. Hierzu gehören Kooperationen mit kritischen Tech-Initiativen, gemeinwohlorientierten IT-Firmen und weiteren Organisationen, zum Beispiel im Bereich der nachhaltigen und der ökonomischen Bildung. Hierzu bedarf es zugleich gesellschafts- und wirtschaftspolitisch der Stärkung alternativer, gemeinwohlorientierter Wirtschaftsstrukturen jenseits einer Konzentration auf Profite.
Die Initiative Bildung und digitaler Kapitalismus ist an einer breiten Kooperation mit anderen Initiativen, Organisationen und Netzwerken interessiert, um gemeinsame Schnittmengen zu finden und auf dieser Grundlage gemeinsam in bildungs-, medien-, wissenschafts- und professionspolitischen Öffentlichkeiten auf diese wichtigen Anliegen und Ziele aufmerksam zu machen.
Das Positionspapier steht als PDF-Download unter der CC BY 4.0 International-Lizenz online zur Verfügung: https:// bildung-und-digitaler-kapitalismus.de/positionspapier
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Beitrag als PDFEinzelansichtGregor Eckert/Nina Grünberger: Das Positionspapier ,Bildung und digitaler Kapitalismus'. Hintergründe zur Entstehung und zu einigen zentralen Begriffen.
Das Positionspapier ‚Bildung und digitaler Kapitalimus‘ (2023) der gleichnamigen Initiative ist hinsichtlich seines Entstehungsprozesses und der Wahl des inhaltlichen Fokus unique. Diese Besonderheit steht im Zentrum des Beitrags, der als Ergänzung und nicht als kritische Diskussion gelesen werden will. Im Artikel wird über Limitationen für eine kritische Rezeption und die Besonderheit des demokratischen Entstehungsprozesses des Positionspapiers reflektiert. Ebenso werden zentrale Formulierungen differenzierter betrachtet.
Literatur
Abelshauser, W. (2011). Deutsche Wirtschaftsgeschichte: Von 1945 bis zur Gegenwart. C.H. Beck.
Albert, M. (1992). Kapitalismus contra Kapitalismus. Ed. de la Maison des Sciences de l’Homme/Campus Verlag.
Baacke, D. (1996). Medienkompetenz—Begrifflichkeit und sozialer Wandel. In A. von Rein (Hrsg.), Medienkompetenz als Schlüsselbegriff (S. 112–124). Klinkhardt.
Braun, T., Büsch, A., Dander, V., Eder, S., Fröschler, A., Fuchs, M., Gapski, H., Geisler, M., Hartong, S., Hug, T., Kübler, H.-D., Moser, H., Niesyto, H., Pohlmann, H., Richter, C., Rummler, K., & Sieben, G. (2021). Positionspapier zur Weiterentwicklung der KMK- Strategie ‹Bildung in der digitalen Welt›. MedienPädagogik. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 1/7. https://doi.org/10.21240/mpaed/00/2021.11.29.X.
Carretero, S., Vuorikari, R., & Punie, Y. (2017). DigComp 2.1. The Digital Competence Framework for Citizens with eight proficiency levels and examples of use (Publications Office of the European Union). publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC106281/web-digcomp2.1pdf_(online).pdf
Daly, H. E. (1993). Steady-State Economics: A New Paradigm. New Literary History, 24(4), 811/816. https://doi.org/10.2307/469394
Damberger, T., & Iske, S. (2017). Quantified Self aus bildungstheoretischer Perspektive. In R. Biermann & D. Verständig (Hrsg.), Das umkämpfte Netz. Macht- und medienbildungstheoretische Analysen zum Digitalen (S. 17–36). Springer VS.
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Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Nina Grünberger, Gregor Eckert
Beitrag als PDFEinzelansichtTina Drechsel: Steckbrief: ACT On! Methoden zum Themenbereich Ökonomie und Medien
ACT ON! ist ein medienpädagogisches Forschungs- und Praxisprojekt, in dem sich alles um das Aufwachsen zwischen Selbstbestimmung und Schutzbedarf bei der Nutzung von Online-Medien dreht. Um Kinder und Jugendliche zu sensibilisieren und sie zu einer Reflexion ökonomischer Strategien und Strukturen im digitalen Raum anzuregen, wurden im Projekt ACT ON! – Aufwachsen zwischen Selbstbestimmung und Schutzbedarf verschiedene Methoden und Materialien entwickelt. Zwei werden an dieser Stelle exemplarisch vorgestellt.
Methode 1: Youtube-Shop
Aus dem Vorhaben, sich nur ein Video auf YouTube anzuschauen, können schnell zwei Stunden werden. YouTube möchte seine Nutzer*innen so lange wie möglich auf der Plattform halten und erreicht dies durch Empfehlungsalgorithmen sowie gezielte Strategien der YouTuber*innen. In der Methode Der YouTube Shop werden diese Inhalte spielerisch erarbeitet. Jugendliche setzen sich dabei zunächst mit ihrer eigenen YouTube-Nutzung auseinander. Anschließend schlüpfen sie in die Rollen von Verkäufer*innen und Kund*innen eines fiktiven YouTube-Shops. Ziel der Verkäufer*innen ist es, die Kund*innen möglichst lange im Shop zu halten – dies erreichen sie durch Empfehlungen von YouTube-Videos, die den Interessen der Kund*innen entsprechen.
Methode 2: Terminpuzzle
Der Alltag von YouTuber*innen kann stressig sein. Dies wird aus der Rezeptionsperspektive von Kindern und Jugendlichen jedoch häufig anders eingeschätzt. Beim Terminpuzzle befüllen Kinder und Jugendliche in der Rolle von fiktiven YouTuber*innen ihren Terminkalender. Im Anschluss wird diskutiert. Die Methode regt an, gemeinsam darüber nachzudenken, wie der Alltag von YouTuber*innen aussieht. Aus Produktionsperspektive setzen sich die Kinder und Jugendlichen spielerisch und kreativ damit auseinander, wie viel Aufwand hinter einem YouTube-Kanal steckt und welche Kompetenzen für diesen Beruf wichtig sind. Der Fokus der Methode liegt auf der Plattform YouTube, kann jedoch auf andere Plattformen übertragen werden. Hierfür können Szenarien und Puzzleteile angepasst werden.
Die Praxis- und Forschungsmodule von ACT ON! fokussieren seit 2015 das Online-Handeln von Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 14 Jahren. Die Projektergebnisse stehen auf dem Projektblog allen Interessierten frei zur Verfügung. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und findet im Rahmen der Initiative Gutes Aufwachsen mit Medien statt.
Literatur
Gebel, C. & Brüggen, N. (2017). „... und schreibt mal einfach in die Kommentare #Schüler!“YouTube-Genres der Zehn- bis Vierzehnjährigen. Problemorientierte Medienanalyse. Ausgewählte Ergebnisse der Monitoringstudie. ACT ON! Short Report 4. JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. https://act-on.jff.de/die-monitoring-studie
Gebel, C., Oberlinner, A., Stecher, S. & Brüggen, N. (2019). „Ja, die großen Youtuber, die dürfen eigentlich machen, was sie wollen.“ Orientierung von 11- bis 14-Jährigen auf YouTube. Ausgewählte Ergebnisse der Monitoringstudie. ACT ON! Short Report 5. JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. https://act-on.jff.de/die-monitoring-studie
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Tina Drechsel
Beitrag als PDFEinzelansichtValentin Dander: ,Der' digitale Kapitalismus als Gegenstand von Medienbildung mit Jugendlichen
Wie engmaschig sind Digitaltechnologien sowie Elemente einer Kultur der Digitalität mit kapitalistischen Wirtschaftsmechanismen verflochten? Wie ist also der digitale Kapitalismus zu beschreiben und zu analysieren? Im Anschluss an theoretisch-konzeptionelle Herausforderungen des Verstehens werden inhaltliche und konkret praktische Herausforderungen in der methodischen Übersetzung des Komplexes Digitalität und Kapitalismus zum Thema, insbesondere für den Kontext der Jugendmedienbildung, formuliert.1
(1) Dieser, hier leicht gekürzte Text, wurde für den GMK-Band im Nachgang zum Forum Kommunikationskultur 2022 verfasst und ist dort in voller Länge nachzulesen: Bröckling, G., Fries, R., Kalwar, T. & Narr, K. (i.V.; geplant für 2023). Mit Medienbildung die Welt retten?! Medienpädagogik in einer Kultur der Digitalität. Schriftenreihe Schriften zur Medienpädagogik (Bd. 59). kopaed.
Literatur
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Critical Big Data and Algorithmic Literacy Network (2023). Database bigdataliteracy.net. https:// bigdataliteracy.net/ database/ [Zugriff: 11.06.2023].
Initiative Bildung und digitaler Kapitalismus (Hrsg.) (2023). Bildung und digitaler Kapitalismus – ein Positionspapier.https:// bildung-und-digitaler-kapitalismus.de/positionspapier/ [Zugriff: 29.05.2023]
Konzeptwerk Neue Ökonomie e.V., FairBindung e.V. (Hrsg.) (2021). Wirtschaft demokratisch gestalten lernen: Digitalisierter Kapitalismus. Endlich Wachstum. https:// endlich-wachstum.de/ kapitel/digitalisierung/ [Zugriff: 11.06. 2023].
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Niesyto, H. (2017). Medienpädagogik und digitaler Kapitalismus. Für die Stärkung einer gesellschafts- und medienkritischen Perspektive. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 27, 1/29.
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Staab, P. (2019). Digitaler Kapitalismus. Markt und Herrschaft in der Ökonomie der Unknappheit. Suhrkamp Verlag.
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Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Valentin Dander
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spektrum
Achim Lauber/Laura Cousseran/Simon Herrmann/Niels Brüggen: Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz 2022. Wissen, Kompetenz und Umgang mit künstlicher Intelligenz
Menschen schätzen ihre Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien und Systemen sehr unterschiedlich ein. Noch größerer Unterschiede ergeben sich, wenn die Befragten ihr Wissen über Künstliche Intelligenz (KI) einschätzen sollen. Ergebnisse der Studie Kompass Künstliche Intelligenz stellen die Unterschiede in der Bevölkerung entlang von drei Typen dar: Die Beschreibung der Verhaltenen, der Moderaten und der Selbstsicheren sollen Ansatzpunkte zur Förderung von Medien- und Digitalkompetenzen zeigen.
Literatur
Hartung-Griemberg, A., Rau, S. & Derichs, S. (2021). Digitale Medien im höheren Lebensalter. In kompetent. Wissen, Fühlen, Handeln im digitalen Wandel. https://digid.jff.de/ magazin/ kuenstliche-intelligenz/ ki-kompetenzen/#hoeheres-lebensalter [Zugriff: 02.12.2021].
Initiative D21 e.V. (2023). D21-Digital-Index 2022/23. Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft. https:// initiatived21.de/d21index22-23 [Zugriff: 01.07.2023].
Pfaff-Rüdiger, S., Herrmann, S., Cousseran, L. & Brüggen, N. (2022). Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz 2022. Wissen und Handeln im Kontext von KI. https://zenodo.org/ record/6668913#.Y01Xe0zP2Ul [Zugriff: 17.10.2022].
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Achim Lauber, Laura Cousseran, Simon Herrmann, Niels Brüggen
Beitrag als PDFEinzelansichtChrista Gebel/Claudia Lampert: Jugendmedienschutzindex 2022. Online-Risiken und Jugendmedienschutz aus der Perspektive von Eltern und 9- bis 16-Jährigen
Die Ergebnisse des Jugendmedienschutzindex 2022 zeigen für die Zielgruppe Eltern erheblichen medienpädagogischen Handlungsbedarf im Hinblick auf das Wissen und den Umgang mit Online-Risiken auf. Diskrepanzen zwischen risikobezogenen Sorgen, Einstellungen zu Schutzmaßnahmen und medienerzieherischem Handeln der Eltern unterstreichen Erfordernisse zur Steigerung elterlicher Fähigkeiten, ihre Kinder im Umgang mit Online-Risiken zu unterstützen.
Literatur
Gebel, C., Lampert, C., Brüggen, N., Dreyer, S., Lauber, A. & Thiel, K. (2022). Jugendmedienschutzindex 2022. Der Umgang mit onlinebezogenen Risiken – Ergebnisse der Befragung von Eltern und Heranwachsenden. Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e. V. (FSM).
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Christa Gebel, Claudia Lampert
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medienreport
Kerstin Heinemann: re:publica 2023
Sommerzeit ist Festivalzeit. Aber wie lässt sich ein Festival mit einem ernsthaften Nachdenken über komplexe digitale und gesellschaftspolitische Transformationsideen verbinden? Die re:publica zeigt Jahr um Jahr, dass das geht. Unter dem plakativen Motto Cash – schließlich lässt sich selbst die beste Idee selten ohne Geld verwirklichen – fand vom 5. bis 7. Juni 2023 die 17. re:publica in Berlin statt. Auf 26 Stages und einem weitläufigen Areal wurde drei Tage lang in Kreuzberg diskutiert, gerungen, gelacht und der Atem angehalten. Die Vielfalt der Themen, die in zehn verschiedenen Tracks aufbereitet waren, beeindruckte nicht nur den*die Erstbesucher*in. Auch unter langjährigen Konferenztreuen war man sich einig, dass die Mischung gelungen war: Politik und Gesellschaft, Wirtschaft und Verantwortung, Technolo - gie und Wissenschaft, Medien, Arbeitswelten, Stadt und Land, Lernen und Wissen waren nur ein paar Themenfelder, die reichlich Stoff für spannende Vorträge und Diskussionen boten. So sprach die Soziologin Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung über Cash, Gender Gap und gesellschaftliche Ungleichheiten. Dabei machte sie anhand von einschlägigen Studien eindrücklich deutlich, dass wir von einer Erwerbstätigkeitsgesellschaft zu einer Tätigkeitsgesellschaft kommen müssen. Wenn wir nicht Cash gegen Care, Care gegen Health, Väter gegen Mütter ausspielen wollen, dann brauchen wir eine Gleichstellungspolitik, die die tatsächlichen Realitäten anerkennt und ihr politisches Handeln daran ausrichtet, so Allmendinger. Gleichstellungspolitik dürfe sich dann nicht mehr primär auf Frauen beziehen, sondern müsse die Menschen an sich in den Blick nehmen. Für eine funktionierende Gesellschaft müssen Erwerb, Care-Arbeit und Ehrenamt in eine flexible Balance gebracht werden. Um Frauen als revolutionärer Stein des Anstoßes ging es auch in weiteren beeindruckenden Keynotes. Gilda Sahebi und Natalie Amiri schilderten unter dem Titel Frau, Leben, Freiheit – dem politischen Slogan der iranischen Freiheitsbewegung – eindrücklich die dramatische Lage der Menschen im Iran. Wer glaubt, es seien Proteste der Frauen, irre, machten die beiden Journalistinnen deutlich. Die Bewegung ging von Frauen aus, mittlerweile ist sie zu einer geschlechts- und milieuübergreifenden Revolution geworden, bei der nichts Geringeres als die Frage der Demokratisierung des Irans auf dem Spiel steht. Mahsa Alimardani, die als Forscherin seit mehr als zehn Jahren Fragen zu Menschenrechten, Technologie und der freien Meinungsäußerung untersucht, widmete sich im selben Themenfeld der Perspektive, wie Technologie dabei helfen kann, die Menschenrechte im Iran zu stärken und den Stimmen der Bevölkerung Gehör zu verschaffen. Mit exit RACISM.Rassismuskritisch denken lernen übernahm Tupoka Ogette das Mikrophon und gab sehr emotionale Einblicke in Lebensrealitäten, Perspektiven und Herausforderungen Schwarzer Frauen in Deutschland. Die Notwendigkeit und gleichzeitige Erschöpfung Betroffener, immer wieder vom erlittenen Alltagsrassismus zu erzählen, war im vollbesetzten Auditorium mit Händen zu greifen. People of colour in einer weißen Mehrheitsgesellschaft sind wichtige Laut-Sprecher*innen, die zeigen, dass Rassismus nur dekonstruiert werden kann, wenn er als gesamtgesellschaftliches Problem begriffen wird, das zum Handeln herausfordert. Natürlich gaben sich auf einer gesellschaftspolitischen Konferenz dieser Art auch diverse Bundesminister*innen das Mikrophon in die Hand. So durfte Volker Wissing Fragen zum aktuellen Stand der Digitalstrategie beantworten, Robert Habeck widmete sich der ökologischen Transformation, Claudia Roth entwickelte Ideen zur Kulturpolitik nach Corona und Christian Lindner musste ein Gespräch zur Finanzierung unserer Zukunft überstehen. So weit, so erwartbar – auch in den politisch vorhersehbaren Antworten. Deutlich spannender waren die politischen Gespräche abseits der großen Bühnen. Gute Tradition auf diesem Digitalfestival ist es von Anfang an, sich in einem der zahlreichen Spaces auf Augenhöhe zu begegnen und jenseits hier - archischer Unterschiede die Diskurse der Bühnen fortzusetzen. Hier wird diskutiert, gerungen und gelacht, hier werden Kontakte geknüpft, Ideen weitergesponnen und Visionen vorangetrieben. Und so beginnen nicht selten viele Mails und Textnachrichten nach der Konferenz mit den Worten „bezugnehmend auf unser Gespräch auf der re:publica …“ Zwei Specials hatte die re:publica auch in diesem Jahr wieder zu bieten: Mit dem Media Summit wurde ein inhaltlicher Bereich geschaffen, der alles rund um Bewegtbild bündelte. Hier wachsen Content Creation und gesellschaftspolitische Diskurse zusammen, denn gerade letztere kommen nicht ohne ein gutes Storytelling aus. Auf der einen Tag überlappenden Tincon stand die junge Generation im Zentrum. Bei der Konferenz für digitale Jugendkultur ging es um Interessen und gesellschaftliche Teilhabe junger Menschen. Und dass sie etwas zu sagen haben, machten sie auf unschlagbare Weise deutlich: In Maker - spaces, Hands-ons, Diskussionsrunden und auf Podien. Dabei waren die thematische Vielfalt, die Komplexität und Professionalität, mit der Menschen zwischen 13 und 25 Jahren ihre Themen präsentierten, hoch beeindruckend. Bleibt zu guter Letzt nur die Frage, wie man ein Digitalfestival mit 25.000 Besucher*innen und 608 Sessions im Sommer 2023 ohne ChatGPT gestalten kann? Die Antwort dürfte nicht überraschen: Gar nicht! Denn natürlich kam kaum ein Talk ohne den Bezug zu digitalen Trendthemen wie KI aus. So wichtig diese Perspektive ist, so wohltuend war es aber auch, dass die fortschreitende Digitalisierung als ein Element gesamtgesellschaftlicher Transformationsaufgaben gesehen wurde. Auf der re:publica stand die Gesellschaft im Zentrum und nicht die KI.
Viele Vorträge sind als Videomitschnitt abrufbar.
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Kerstin Heinemann
Beitrag als PDFEinzelansichtNicole Lohfink/Axel Danielson/Maximilien Van Aertryck: Humor-Ein machtvolles Instrument, um Ernstes zu thematisieren. Ein Gespräch mit Maximilien Van Aertryck und Axel Danielson, Plattform Produktion
In ihrem neuesten Film ‚And the king said what a fantastic machine‘ setzen sich Axel Danielson und Maximilien Van Aertryck mit unserer von Medien durchdrungenen Welt auseinander. Was passiert, wenn die Selbstverliebtheit der Menschheit und ein ungezügelter Markt auf 45 Milliarden Kameras treffen? Es ist eine Chronik darüber, wie in nur 200 Jahren über das erste Einfangen des Bildes eines Hinterhofs eine Multi-Millionen Content Industrie entstanden ist, sowie ein humorvolles medienpädagogisches Lehrstück.
MERZ Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Projekt über die Medienwirksamkeit von Bildern zu verwirklichen?
DANIELSON Wir alle in Plattform Produktion arbeiten eng zusammen, wie in einer Art Filmkollektiv, unser Produzent, Ruben Östlund, ist auch Regisseur (Triangle of sadness, 2022). Wir waren alle zu unterschiedlichen Zeiten auf der gleichen kleinen Filmschule in Gotheburg. Und als ich als Lehrer dort war und Max als Student, haben wir gleich entdeckt, wie ähnlich wir die Kamera nutzen. Die Kamera hat die fantastische Eigenschaft, soziale Interaktion einzufangen – wie wir uns zueinander verhalten, wie wir uns gegenüber der Kamera verhalten, und unser jeweiliger Weg, Wirklichkeit zu transportieren.
VAN AERTRYCK Wir glauben, dass die Bilder, die wir konsumieren, beeinflussen, wie wir die Welt sehen und dementsprechend auch unser Verhalten.
MERZ Die Kamera als soziale Funktion also?
VAN AERTRYCK Ja, das ist eine Passion von uns allen in der Firma, der Einfluss des fotografischen Bildes und des bewegten Bildes auf die Gesellschaft als Ganzes. MERZ And the king said what a fantastic machine besteht fast zu 95 Prozent aus Archivmaterial, seit wann sammelt ihr das?
MERZ And the king said what a fantastic machine besteht fast zu 95 Prozent aus Archivmaterial, seit wann sammelt ihr das?
VAN AERTRYCK Mindestens seit zehn Jahren – es war ein Stück weit an den Aufstieg von YouTube geknüpft: Plötzlich war es möglich, kurze Filmclips herunterzuladen und wir wollten zusammen darüber diskutieren, sie unseren Freund*innen und Familien zeigen, Vorlesungen darüber halten. Uns fiel dabei auf, dass zuerst die Clips kamen, wie Menschen imitieren, was sie gesehen haben, im TV zum Beispiel.
MERZ Spätestens seit der Nutzung von Social Media für politischen Einfluss, sowie dem Anstieg von autokratischen Tendenzen ist der mediale Einfluss mehr ins Rampenlicht gerückt. War das der auschlaggebende Moment, diesen Film zu realisieren?
VAN AERTRYCK Das war mehr oder weniger vor fünf Jahren: unsere Wahrnehmung, dass die Welt mehr und mehr polarisiert ist, dass die Demokratie in der Welt tatsächlich auf dem Rückzug ist. Was in uns ein Gefühl der Dringlichkeit ausgelöst hat, war die Analyse, dass diese Tendenzen durch bestimmte Faktoren noch zugespitzt werden: Und zwar die Art und Weise, wie wir das bewegte Bild in der Gesellschaft nutzen in Verbindung mit dem fehlenden Wissen darüber, wie wir gut informiert bleiben und nicht in diese individualistischen Blasen rutschen; Blasen, die von den Algorithmen noch gefördert werden. Also sagten wir: Lass uns einen Film zu Medienkompetenz machen – aber es soll wirklich lustig und unterhaltsam sein.
MERZ Der Wunsch, Medienkompetenz zu stärken war also besonders im Fokus des Films?
DANIELSON Ja, Medienkompetenz wird zunehmend wichtiger. Zum Beispiel die Fragen, was sollte Basis-Wissen in einer Demokratie sein oder was sollten alle wissen, wenn wir nach demokratischen Prinzipien leben wollen. Wie wir dieses gemeinsame Wissen vermitteln, ist eng verwoben mit dem demokratischen System, das wir haben. Aus unserer Sicht werden dieses Bedürfnis und daraus entstehende Konsequenzen selten mitgedacht, sobald Bilder entstehen. Wir als Filmemacher haben das Interesse und praktisches Wissen darüber, daher wollten wir gewisse Konzepte auf den Tisch bringen. Zum Beispiel die Perspektive – es gibt immer eine Perspektive – und, dass man wahrscheinlich mehrere Perspektiven braucht, um umfängliches Verständnis für eine Sache zu bewirken. Es gibt immer einen Bildausschnitt – und es gibt immer etwas außerhalb eines Ausschnitts. Zum Beispiel der Clip, in dem der ISIS-Krieger ein Propaganda-Video drehen will und dabei über seinen Text stolpert – dieses Material haben wir in einem 10-Sekunden-Clip in den Nachrichten gefunden. Es war sehr kurz geschnitten, damit Zuschauer*innen darüber lachen können, wie über einen Patzer. Bei solchem Material wollten wir sofort die Quelle finden und nach sehr langer Recherche ist uns das gelungen und wir haben den 25-minütigen Original Clip gefunden.
MERZ Es gibt sehr viel Material in dem Film, das nicht einfach zu finden gewesen sein kann. Wie seid ihr vorgegangen, wie habt ihr zum Beispiel dieses Material recherchiert?
VAN AERTRYCK Das ist ähnlich wie beim Filmdreh. Wir fühlen uns wie Jäger, die nach dem perfekten Moment suchen, den wir einfangen oder der schon eingefangen wurde. Daher suchen wir immer nach dem Rohmaterial, meistens über sehr viele Netzwerke und über Gespräche mit vielen Menschen. In diesem Beispiel fanden wir einen amerikanischen Forscher, der eine ganze Datenbank mit Terroristen-Videos hatte. Hintergrund des ISIS-Videos ist, dass der Clip im Jemen gedreht wurde. Im Jemen sind ISIS und Al Quaida stark verfeindet. Al Quaida hat ein ISIS-Camp überfallen, einen ganzen Haufen Festplatten von den geflohenen ISIS-Soldaten gefunden und da war dieses Rohmaterial drauf. Dann hat Al Quaida das Material ins Internet hochgeladen, um die ISIS-Soldaten zu diskreditieren. Das alles ist geradezu absurd, aber es fängt auch die gesamte Schönheit und die tragisch-komischen Aspekte des Lebens ein. Wenn du etwas in einem anderen Rhythmus ansiehst, als in Schlagzeilen oder in einem TikTok-Rhythmus, in das so vieles heutzutage gepresst wird, dann erhältst du eine ganz andere Deutung davon, was sich vor der Kamera abspielt. Das ist das Schöne, das Publikum tatsächlich über die Komplexität des Lebens und der menschlichen Natur nachdenken zu lassen. Indem wir gegen die Art und Weise angehen, in der so vieles in den Massenmedien dargestellt wird, fördern wir Medienkompetenz.
MERZ Wie war eure Perspektive auf den Gestaltungsprozess für so viel unterschiedlichen Inhalt?
DANIELSON Natürlich ist es ein Ziel, ein Projekt künstlerisch auf hohem Niveau zu gestalten – es wird eine Komposition, erhält eine Dramaturgie. Dabei wollten wir unbedingt Humor als wichtiges Stilmittel einsetzen. Wenn man ernste Dinge thematisiert, ist Humor ein machtvolles Instrument. Der humanistische Blickwinkel war ebenso wichtig: Wir wollten die Menschen nicht vom gezeigten Verhalten entfremden und sagen „diese Leute verhalten sich falsch“, sondern realistischer sein. Wir sind alle Teil eines stark wirtschaftlich ausgerichteten Systems, indem unser Verhalten sehr intensiv von Algorithmen getrieben wird – sowohl, wie wir sie gestalten, als auch wie wir sie konsumieren. Und natürlich wollten wir auf lange Sicht mit dem Film darauf aufmerksam machen, dass dieses Instrument Kamera so mächtig ist, dass wir nicht glauben, die Ethik im Umgang damit kann nur von fünf großen Konzernen entschieden werden. Es ist mehr eine Frage für die Bürger*innen.
MERZ Ihr habt euch dafür entschieden, diesen Film für den Kinosaal zu kreieren. Warum dieses Format?
DANIELSON Der Kinosaal ist ein großartiger Platz für uns Bürger*innen, um fotografische Bilder und die Reaktionen darauf gemeinsam zu erleben. Diese Bilder werden produziert und verbreitet mit der Absicht, dass sie individuell konsumiert werden. Von Anfang an wollten wir diese Bilder auf eine große Leinwand in einem Raum bringen, um eine gemeinsame Sprache dafür zu entwickeln, was wir sehen. Was bedeuten diese Bilder? Darauf haben wir keine Antwort, aber wir wollen sie nutzen, um eine Diskussion über die Antworten anzuregen.
VAN AERTRYCK Es gibt einen Unterschied, ob du Bilder auf deinem Smartphone oder im Kino konsumierst, und das hat nicht nur mit großer Leinwand und gutem Sound zu tun. Es geht um die gemeinsame Erfahrung. Der Raum und der große Bildschirm sind Teil der Erfahrung. Es ist zusätzlich auch unsere Wertschätzung gegenüber diesem Raum, den wir lieben, und ein Vorschlag dazu, was wir denken, das dort gezeigt werden sollte.
MERZ Was wollt ihr bei euren Zuschauer*innen bewirken?
DANIELSON Reflexion – wir wollen kritisches Denken inspirieren; nicht das kritische Denken, das zu Dogmen führt oder zur Verbannung von Medien. Wir glauben an Bildung, Erziehung und an Inspiration. Wenn wir diese polarisierte Welt ändern wollen, diese Welt von richtig oder falsch, wahr oder unwahr, dann benötigen wir mehr Wissen darüber, wie jedes Bild entsteht. Wir wissen aus Erfahrung, dass jeder Mensch Anteile von Gut und Böse in sich trägt, aber bei Bildern tendieren wir zu einer radikalen Idee von Wahrheit über die Welt. Wir wollen auf humorvolle Weise das Bewusstsein darüber erweitern.
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Nicole Lohfink, Axel Danielson, Maximilien Van Aertryck
Beitrag als PDFEinzelansichtKatharina Stengl: The Legend of Zelda
Nintendo (2023). The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom. Game für die Nintendo Switch. 69,99 €.
Nach The Legend of Zelda: Breath of the Wild geht das Abenteuer von Prinzessin Zelda und dem Helden Link nun weiter. Die Geschichte beginnt in einem alten Gewölbe unter dem Schloss Hyrule. Bei seiner Erkundung finden die beiden Protagonist*innen Überbleibsel einer antiken, technologischen Zivilisation, den sogenannten Sonau. Als Prinzessin Zelda und Link jedoch tiefer in den Untergrund vordringen, erwartet sie eine böse Überraschung. Die Mumie des Dämonenkönigs Ganondorf ist zu neuem Leben erwacht. Bei dem Versuch Prinzessin Zelda zu beschützen, wird Links rechter Arm durch eine giftige Substanz namens Miasma schwer verletzt und selbst das Master-Schwert kann dem Bösen nicht standhalten. Es wird zerstört. Eine ungeheure Macht lässt Schloss Hyrule in den Himmel schweben und die Held*innen Link und Zelda stürzen in die Tiefe. Das Abenteuer startet, als Link allein auf einer der zahlreichen Himmelsinseln erwacht. Er wurde von einem alten Geist der Sonau, welcher den Namen Rauru trägt, gerettet. Jener Geist hilft den Spielenden im Tutorial auf der gefährlichen Reise durch die Himmelsinseln, gibt Ratschläge und navigiert durch die Welt. Auf der Suche nach der verschwundenen Prinzessin und der Wahrheit, die hinter dem katastrophalen Ereignis steckt und das Königreich ins Chaos stürzte, ist es den Spielenden selbst überlassen, ihren eigenen Weg durch die weitläufigen Landschaften Hyrules und über die geheimnisvollen Himmelsinseln zu finden. Es handelt sich demnach um ein Spiel aus dem Genre Open-World-Action-Adventure. Die bunte, detailreiche Grafik und insbesondere die atmosphärischen Soundeffekte tragen dazu bei, dass Spieler*innen vollständig in die Welt von Zelda und Link eintauchen können. In einem circa zweistündigen Tutorial werden die Steuerung und Spielmechanismen einfach erklärt. Auf der Reise begegnet man dann den Dienerkonstrukten der Sonau, welche den Spielenden nützliches Wissen über erlernbare Fähigkeiten und Kenntnisse, wie beispielsweise das Holzhacken, Jagen und Kochen vermitteln. Allgemein dreht sich das Gameplay stark um die Nutzung spezieller Fähigkeiten, welche in uralten Schreinen freigeschaltet werden können. Dazu zählt zum Beispiel die neue Ultrahand- sowie die Synthese-Fähigkeit, mithilfe derer eigenständig Waffen, Flöße oder andere Fahrzeuge gecraftet werden können. Neben einem großen Anteil an Abenteuerlust werden nun auch Erfindungsmut und Kreativität gefordert und auch belohnt. Dies spiegelt sich zum Beispiel in den Kampfszenen wider. Je ausgefallener die Waffen, umso mehr Schaden kann verursacht werden. Es lohnt sich verschiedene Synthesekombinationen von Gegenständen und Waffen zu erforschen. Doch Vorsicht, die Waffen können kaputt gehen. Man sollte stets darauf achten, genügend Materialien bei den Bosskämpfen mit sich zu führen. Auch die Bedeutung von Medizin und Essen sollte nicht unterschätzt werden. Mit einer überschaubaren Spielzeit von 35 Stunden für das Vollenden der Hauptstory hat das Spiel eine angenehme Länge. Für diejenigen, die jeden Winkel der fantastischen Welt erkunden, alle Geheimnisse lüften und Nebenquests lösen wollen, sind ca. 150 Spielstunden1 realistisch, um die 100 Prozent zu erreichen. Bei The Legend of Zelda: Tears of the kingdom handelt es sich um ein Spiel, welches sowohl für geübte Gamer*innen als auch Anfänger*innen geeignet ist. Das lange Tutorial erlaubt es Anfänger*innen und jüngeren Spieler*innen sich im eigenen Tempo an die Steuerung und das Gameplay zu gewöhnen, während erfahrene Spieler*innen bereits zu Beginn die ersten Bosse herausfordern können. Insgesamt ist Nintendo mit The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom ein hervorragendes Spiel und gebührender Nachfolger von The Legend of Zelda: Breath of the Wild gelungen. Das Spiel hält sowohl stundenlange Unterhaltung, also auch Abenteuer mit teils kniffligen Rätseln und Craftingelementen bereit. Gerade diese Vielfalt macht das Spiel zu einem besonderen Erlebnis. Die zahlreichen Rätsel fördern wichtige Fähigkeiten wie strategisches Denken, Problemlösung und Kreativität. Die Spielenden tauchen ein in eine Welt der Geheimnisse. Daher eignet sich das Spiel besonders für Entdeckerfreund*innen, Abenteuerlustige und Personen mit einer gesunden Portion an Neugier und Erfindungsdrang.
1 Zelda: Tears of the Kingdom – Spielzeit für jeden Spielstil - CHIP
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Katharina Stengl
Beitrag als PDFEinzelansichtKati Struckmeyer: Trauer und Turnschuh. Ein Podcast zur deutschen Erinnerungskultur
S. Fischer Verlag (2023). Trauer & Turnschuh. Podcast, kostenfrei, diverse Podcast-Plattformen
Die „emotionale Afterhour der Vergangenheit“, so nennen Hadija Haruna-Oelker und Max Czollek im Trailer ihren Podcast Trauer und Turnschuh, in dem sie einmal im Monat darüber reden, was ihrer Meinung nach aus unserer Vergangenheit vergessen und verdrängt wurde, und was das mit unserer Gesellschaft macht. Sowohl Haruna-Oelker also auch Czollek sind Bestsellerautor*innen. Czollek brachte 2018 mit Desintegriert euch! eine Streitschrift heraus, die große Beachtung fand und viel diskutiert wurde. Haruna-Oelker zeichnet für Die Schönheit der Differenz. Miteinander anders denken verantwortlich, das 2022 erschienen ist. In Trauer und Turnschuh reden die beiden über das Erinnern, vor allem aber auch über das Vergessen, nämlich das Vergessen der Geschichten, die nicht erzählt werden, weil sie nicht in die deutsche Erinnerungskultur ‚passen‘. Damit das Thema nicht zu schwer erscheint, reden Czollek und Haruna-Oelker sehr locker und meist leicht zugänglich darüber – dafür steht auch der Turnschuh im Titel. In der ersten Folge wird zu Beginn der sprachliche Unterschied zwischen Vergangenheit, Geschichte und Erinnerung ausdifferenziert, der eine der Grundlagen des Podcasts ist. Vergangenheit wird von Haruna-Oelker und Czollek als die Masse der Dinge, die passiert sind, verstanden. Geschichte wiederum als das, was wir davon auswählen und erzählen, verbunden mit einer bestimmten Dramaturgie. Erinnern schließlich ist sehr individuell und wird gleichzeitig gesellschaftlich verhandelt. Die beiden Podcast-Hosts machen es sich zur Aufgabe, das Erinnern ‚zu stören‘, indem sie den Fokus vor allem auf die Leerstellen des Erinnerns richten, und finden in weiteren Folgen verschiedene Antworten darauf, warum das Erinnern so wichtig ist.
Nachdem in der ersten Folge verschiedene Schlaglichter auf ganz unterschiedliche Themen und Begriffe gesetzt wurden, geht es in der zweiten Folge sehr konkret um das Sterben von Täter*innen. Der mediale Fokus liege immer auf den Opfern, so dass Haruna-Oelker und Czollek versuchen, die dadurch entstehende Lücke zu schließen, und die Frage der Täter*innen und ihrer Bestrafung zu beleuchten. Sie sehen in der Erzählung der Opfer eine Ersatzerzählung, die etabliert wurde, um die ausbleibende Strafe der Täter*innen nicht thematisieren zu müssen. Dazu befragen sie den Juristen und Philosophen Achim Dörfer, der die juristische Perspektive der Gerechtigkeit einbringt. Folge 3 und 4 widmen sich den Spezifika der ost- bzw. westdeutschen Erinnerungskultur. Dabei wird zum Beispiel auf den kommunistischen Widerstand und die DDR-Migrationsgesellschaft sowie bürgerlich-mittige Kulissen, postnationalsozialistische Befindlichkeiten und postmigrantische Aufbrüche in der Bundesrepublik Deutschland eingegangen. In Folge 5 widmen sich Haruna-Oelker und Czollek dem Kolonialismus und der Erinnerung daran. Sie wollen ein größeres Bild als allgemein üblich zeichnen, indem sie den Nationalsozialismus mit dem Vorkapitel des Kolonialismus verbinden. An der Neuperspektivierung dieser Zusammenhänge wirkt die Historikerin Manuela Bauche mit. In Folge 6 mit dem Titel Was lernst du da? Unterricht und Gegenwartsbewältigung geht es darum, wie die bisher diskutierten Themen an Heranwachsende vermittelt werden können. Mit der Politikwissenschaftlerin und Gymnasiallehrerin Michal Schwartze sprechen Haruna-Oelker und Czollek über antisemitismus- und rassismuskritischen Lernstoff und Leerstellen dazu im Curriculum. Weiter diskutieren sie, was nötig ist, um Geschichte zu vermitteln und wie dabei kein rassistisches oder antisemitisches Framing reproduziert wird. Ein komplexes Thema, aus dem die Hörenden viel Wissen und neue Perspektiven gewinnen können. Hervorzuheben sind auch die Shownotes der jeweiligen Folgen. Wer sich weiter belesen, Wissen vertiefen und zusätzliche Perspektiven gewinnen möchte, findet hier viele Inspirationen. Haruna-Oelker und Czollek haben die Mission, mit ihrem Podcast viele Menschen zu erreichen, und wollen deshalb nicht elitär in der Sprache sein. Das gelingt leider nicht immer. Trotzdem ist der Podcast sehr hörenswert und man kann gespannt sein, welche Themen noch behandelt werden.
Trauer & Turnschuh ist Teil der Initiative Wissen Erinnern Fragen1 der S. Fischer Verlage.
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Kati Struckmeyer
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publikationen
Eric van der Beek: Die Rolle der Medienpädagogik im nächsten Internet
Ball, Matthew (2022). Das Metaverse. Und wie es alles revolutionieren wird. München: Vahlen. 328 S., 24,90 €.
Mit der Entwicklung neuer Technologien sind stets Projektionen über die Zukunft der Menschheit verbunden. Die gesellschaftliche Etablierung solcher Technologien folgt einer gezielten Disruptionsdynamik, die von den Tech-Konzernen ausgeht. Matthew Ball – selbst Akteur in der Tech-Branche – entwickelt in Das Metaverse seine Vorstellungen vom ‚nächsten Internet‘: eine integrierte Plattform, die alle Nutzer*innen, Angebote und Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten in einem digital-vernetzten Raum zusammenfassen und erweitern soll. Im ersten von insgesamt drei Teilen des Buches setzt sich Ball mit der Frage auseinander, was das Metaverse sein wird und was es leisten soll. Ball definiert das Metaverse hier als „massiv skaliertes und interoperables Netzwerk von in Echtzeit gerenderten virtuellen 3D-Welten, die synchron und dauerhaft von einer praktisch unbegrenzten Anzahl von Nutzern mit einem individuellen Gefühl der Präsenz und mit einer Kontinuität der Daten wie Identität, Geschichte, Berechtigungen, Objekte, Kommunikation und Zahlungen erlebt werden können“ (S. 43). Im zweiten Teil beschäftigt sich der Autor dann mit den Problemen bei der Entwicklung dieser integrierten Plattform. Bei der Verwirklichung sieht er Videospiele als treibende Kraft, die Nutzenden schon jetzt vielfältige Erlebniswelten eröffnen. Um das Gefühl der Präsenz herzustellen, ist es wichtig, dass die Verarbeitung der Daten im globalen Internet möglichst verzögerungsfrei abläuft. Eingeschränkte Server-Ressourcen und die physikalischen Grenzen der Lichtgeschwindigkeit bei der Datenübertragung stehen dem (noch) im Weg. Um möglichst vielen Menschen einen Zugang zum Metaverse zu eröffnen, muss zudem Hardware entwickelt werden, die die Datenmenge verarbeiten und eine hohe Grafikqualität darstellen kann. Außerdem sollte sie bezahlbar sein. Die größere Herausforderung sieht Ball jedoch in der Entwicklung technischer und ökonomischer Standards. Betrachtet man die gegenwärtige Landschaft digitaler Plattformen im Netz, bestehen diese aus weitgehend getrennten Social-Media-Angeboten, Gamingwelten und Konsumplattformen. Im Metaverse soll es jedoch möglich sein, „sich als Neymar zu verkleiden, einen Baby-Yoda- oder Air-Jordan-Rucksack zu tragen, den Dreizack von Aquaman in der Hand zu halten und virtuell Stark-Industries zu erkunden“ (S. 148). Dazu müssen Standards vereinbart werden, die die Eigenschaften eines digitalen Körpers, seiner Kleidung und Accessoires und seine Interaktionsmöglichkeiten mit der Umwelt definieren. Darüber hinaus sind die Besitz- und Verwertungsrechte und deren Monetarisierung zu klären. Apple und Google blockieren diese Entwicklung als mächtige Marktteilnehmer durch die Zentralisierung von Angeboten. Im dritten Teil wendet sich Ball der Frage zu, wie das Metaverse die Gesellschaft verändern wird. In seiner Vision liegt dessen Wert im integrierten Meta-Business, in dem neben Bildung, Lifestyle und Unterhaltung auch Sexarbeit, Mode und Industrie vereint werden. Der Autor geht davon aus, dass wenige Unternehmen diesen Markt dominieren werden. Um diesen zu regulieren, fordert er Gesetze, die auf das Metaverse zugeschnitten sind. Angesichts der zunehmenden Regionalisierung des Internets durch nationalstaatliche Gesetzgebungen wird es im Metaverse wohl keine einheitlichen Regeln geben – womit das Metaverse als global integrierte Plattform eine Vision bleiben wird. Das Buch gibt einen tiefen Einblick in die ökonomische und technische Logik des kommerziellen Internets, die die Entwicklungspfade des Metaverse darstellen. Die Parallelen zur Entwicklung kommerzieller Spiele und mobiler Endgeräte helfen dabei, die Herausforderungen zu verstehen. Der Autor zeigt, wie GAFAM1 durch Marktmacht die Entstehung des Metaverse noch verhindern. Es wird deutlich, dass die Vision eines global ausgedehnten, interoperablen Netzwerks nur verwirklicht wird, wenn es gelingt, dezentrale Technologien (Stichwort Blockchain) zu etablieren und supranational zu regulieren. Balls zentrale Prämisse ist, dass das Metaverse in jeder Hinsicht durch Menschen erschaffen wird. Das gilt für die Regeln der Physik, die Verteilung virtueller Güter und die Möglichkeiten, an der Ausgestaltung dieser Welt zu partizipieren. Sollte sich dieser Raum eines Tages tatsächlich zum Lebensmittelpunkt für viele Menschen entwickeln, kommt der Medienpädagogik eine enorme Bedeutung zu. Denn das Metaverse wird in jeder Hinsicht ein hyperkommerzialisierter Raum sein, in dem die Relationen von Menschen und virtuellen Objekten einer ökonomischen Logik unterworfen sind. Es ist ein Raum, in dem sich die Gesellschaft nicht unbedingt durch demokratisch legitimierte und staatlich durchgesetzte Regeln oder universelle Menschenrechte konstituieren wird. Die Aneignung des Metaverse, die Partizipation an seiner Ausgestaltung und die Möglichkeiten, in ihm Bildungsräume zu initiieren, werden noch mehr als im Plattformkapitalismus einer radikalen Marktlogik unterworfen sein. Um die Disruptionsdynamik neuer Technologien zu überwinden ist es daher wichtig, dass wir Balls Metaverse kritisch rezipieren und die neoliberale Eigenlogik eines solchen hyperkommerzialisierten Raums schon jetzt antizipieren.
1 Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Eric van der Beek
Beitrag als PDFEinzelansichtLisa Melzer: Medienhandeln in Familien
Oberlinner, A., Bamberger, A., Winter, C. & Eggert, S. (2023). Medienhandeln in pädagogisch begleiteten Familien. Ressourcen Bedarfe Unterstützung. München: kopaed. 16,80 €, 118 S.
Die Art und Weise, wie Medien innerfamiliär genutzt und konsumiert werden, fällt unter Berücksichtigung der individuellen Lebenslagen von Familien sehr unterschiedlich aus. Gerade wenn sich Familien mit Mehrfachbelastungen konfrontiert sehen, stellt sich Medienerziehung zumeist als große Herausforderung dar. Zugleich sind es auch diese Familien, zu deren Bedarfen aus wissenschaftlicher Perspektive wenig bekannt ist. Dieses Forschungsdesiderat hat die Studie Medienhandeln in pädagogisch begleiteten Familien zum Anlass genommen, um die Bedeutung von digitalen Medien für die soziale Teilhabe von pädagogisch begleiteten Familien zu untersuchen. Die zentralen Erkenntnisse wurden nun veröffentlicht1. Die Grundlage der Publikation bildet eine Auseinandersetzung mit den Studienergebnissen zur Lebenswelt der Familien, die in Verbindung mit den empirischen Ergebnissen zur Medienausstattung, konkreten Nutzungspraktiken und dem medienerzieherischen Handeln in den befragten Familien betrachtet werden, um daraus abzuleiten, welche Rolle digitale Medien im familiären Alltag spielen. In diesem Kontext wird schließlich auch auf konkrete Herausforderungen eines souveränen Medienumgangs für die Beteiligten eingegangen, insbesondere auf familiär bedingte Belastungs- und Benachteiligungsstrukturen, welche eine vollumfängliche Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben erschweren können. Auch die Perspektive der begleitenden sozialpädagogischen Fachkräfte wird aufgegriffen, um darzustellen, welche Zielsetzungen mit der Erziehungsunterstützung verfolgt werden und an welchen Stellen Ansatzpunkte im Hinblick auf die fachliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Medienhandeln bestehen. Anhand von ausgewählten Positiv-Beispielen wird ausgeführt, wie Fachkräfte stärker für die Notwendigkeit einer pädagogischen Begleitung der Medienerziehung in Familien sensibilisiert und beim Transfer ihrer fachlichen Reflexionsprozesse in die Praxis unterstützt werden können. Insgesamt zeigt der Bericht auf, welche Potenziale digitale Medien für Familien bieten können, wenn ihre Bedarfe bei pädagogischen Unterstützungsstrukturen berücksichtigt werden und wie innerfamiliär eine kritisch-reflexive Beschäftigung mit digitalen Medien trotz Mehrfachbelastungen gelingen kann. Schließlich liefert das Buch besonders für pädagogische Fachkräfte wertvolle Impulse zur Förderung medienpädagogischer Kompetenzen von Familien und der weiterführenden Beschäftigung mit Spannungsfeldern medienerzieherischen Handelns, die zukünftig im Rahmen der pädagogischen Arbeit noch stärker berücksichtigt werden müssen.
1 Die Studie wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) gefördert.
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Autor: Lisa Melzer
Beitrag als PDFEinzelansichtKati Struckmeyer: Apraku, Josephine (2023). Mein Workbook zu Rassismus. Für eine alltägliche und tiefgehende Auseinandersetzung. Berlin: familiar faces. 160 S., 24,00 €.
Kurz nach Erscheinen des Kartensets Lasst uns über Rassismus reden! folgt nun Mein Workbook zu Rassismus der Autor*in und Trainer*in für intersektionale rassismuskritische Bildungsarbeit Josephine Apraku. Schon die Gestaltung – klar und bunt – macht große Lust hineinzublättern. Neben intensiven Reflexionsaufgaben bietet das Workbook wichtiges Hintergrundwissen zum Wirken von Rassismus sowie aus dem Forschungsbereich Racial Identity Development. Apraku fordert dazu auf, „radikale Verantwortung“ für den eigenen Lernprozess zu übernehmen und gibt Lesenden viel Wichtiges dafür an die Hand. Das Workbook kann auch als Notizbuch genutzt werden, weshalb es viel Platz für eigene Gedanken bietet. Apraku zeigt in Mein Workbook zu Rassismus Wege auf, wie Lesende – entsprechend ihrer Eigenschaften und ihrer durch Rassismus geschaffenen Position (je nachdem, ob man selbst Rassismus erfährt oder durch ihn Privilegien erhält) – aktiv gegen Rassismus eintreten können. Es richtet sich explizit an Persons of Color und weiße Menschen, und ist sowohl für die individuelle Weiterbildung zu Rassismus als auch zur Gruppenarbeit geeignet, zum Beispiel in Medienprojekten mit Jugendlichen ab 13 Jahren.
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Autor: Kati Struckmeyer
Beitrag als PDFEinzelansichtChaymaa Zimame: Friedrich, Jörg Phil (2023). Degenerierte Vernunft. Künstliche Intelligenz und die Natur des Denkens. München: Claudius. 125 S., 20,00 €.
Dank der raschen Fortschritte in den Bereichen maschinelles Lernen und Datenanalyse kann Künstliche Intelligenz (KI) heutzutage komplexe Aufgaben ausführen und hochwertige Ergebnisse liefern. Beispielsweise können KI-Systeme Bilder, Videos und Texte erstellen, Musikstücke komponieren, komplexe Probleme angehen sowie menschliche Sprache erkennen und darauf antworten. Dafür müssen sie nicht einmal denken können, sie benötigen, wie der Autor Jörg Phil Friedrich argumentiert, „kein Bewusstsein, keine Intuitionen, keine moralischen oder ästhetischen Fähigkeiten” (S. 56), denn sie können all das „auf der Basis von Algorithmen und formalen Methoden der Datenverarbeitung vollbringen” (ebd.). Angesichts dieser technologischen Entwicklung fürchten viele Menschen die Entwertung ihrer Leistungen oder sogar, durch KI ersetzt zu werden und ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Dies wirft eine paradoxe Frage auf: Was hat dazu geführt, dass wir KI-Produkte oft als weit besser und heranwachsender ansehen als Produkte, die direkt von Menschen angefertigt wurden? Schließlich werden die KI-Systeme von Menschen programmiert. Dem widmet sich die Publikation Degenerierte Vernunft mit dem Ziel, den Begriff der KI zu hinterfragen und den Begriff der natürlichen menschlichen Vernunft klarer zu definieren. In neun Kapiteln erklärt Friedrich in einem wunderbar leicht verständlichen und mit Beispielen gespickten Schreibstil, der bisweilen einem Bewusstseinsstrom ähnelt, wie KI im Laufe der Jahrzehnte entstanden ist, wie sie funktioniert und was sie von der natürlichen menschlichen Vernunft unterscheidet. Dem Autor ist es besonders wichtig zu betonen, dass KI und menschliche Vernunft nicht miteinander vergleichbar sind. Das vernünftige Denken eines Menschen läuft nach anderen Prinzipien ab. Wir Menschen suchen in unserem Räsonieren über Ideen und Dinge nach einem Sinn. KI kann dies nicht und muss es auch nicht. „Besinnung, Nachsinnen, Sinnieren, Einkehr, Reflexion, Räsonieren: Das ist, was die natürliche menschliche Vernunft ausmacht“ (S. 106). Erst wenn wir verstehen, woraus menschliche Vernunft besteht, können wir sie von KI ausgrenzen und erkennen, wie wir mit dieser technologischen Entwicklung umgehen können.
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Chaymaa Zimame
Beitrag als PDFEinzelansichtHeinrike Paulus: Geier, Fabian/Rosengrün, Sebastian (2023): Digitalisierung. Die 101 wichtigsten Fragen. München: Verlag C.H.Beck. 160 S., 14,00 €
Die ‚eine‘ Digitalisierung gibt es nicht. Das veranschaulichen 101 Antworten zu mannigfaltigen Fragen der beiden Philosophen Fabian Geier und Sebastian Rosengrün. Die beiden Autoren plädieren dafür, die Digitalisierung nüchtern zu betrachten: „Wann und wo ist Digitalisierung sinnvoll? Welche Vorteile entstehen, welche Nachteile, welche Abhängigkeiten?“ (S. 35). Dabei richten sie sich auch ausdrücklich an die Lesenden selbst: „Fangen Sie damit an“, appellieren sie etwa, als es um den Schutz der Privatsphäre online geht. Die Digitalisierung ist weder Dämon noch Heilsbringer, das wird im Zuge der Lektüre deutlich. Der Mensch muss bei der Digitalisierung im Mittelpunkt stehen. So braucht es klare Regeln und Sanktionen für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Das ist eine der essenziellen Botschaften der jeweilig in sich schlüssigen über hundert Kurzkapitel. Hier verknüpfen die Autoren unterhaltsam technische, gesellschaftliche und politische Hintergründe mit ethischen Reflexionen. In zwölf Schwerpunkten widmen sie sich etwa Themen wie Digitalgeschichte, Sicherheit, Algorithmen, Digitalwirtschaft oder digitaler Lebenswelt. Dort geben sie Einblicke in Programmiersprachen oder diskutieren, wie neutral Plattformen sein sollten. „Es geht um die Bildung des Urteilsvermögens“, schreiben die beiden Wissenschaftler in ihrem Vorwort (S. 11). Die Technikphilosophen wollen zum Verstehen und Nachdenken anregen, um so einen reflektierten und souveränen Umgang mit KI und Digitalisierung zu ermöglichen. Gleichzeitig wollen sie Lust auf Technik und Digitalisierung wecken. Das leicht zu lesende Sachbuch ist dabei nicht, wie man vermuten möchte, hochwissenschaftlich abgehoben. Selbst technische und philosophische Lai*innen können daraus ebenso Erkenntnisse gewinnen wie auch Expert*innen. Gerade deshalb eignet sich der Band, der technisches Wissen und angewandte ethische Reflexion verknüpft, als Lektüre sowie digital- und medienethisches Nachschlagewerk für den medienpädagogischen Alltag.
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Heinrike Paulus
Beitrag als PDFEinzelansichtKatharina Stengl: Lutz, Klaus (2023). Mein Alltag, die Medien und ich - Glossen und Tipps eines Medienpädagogen. München: kopaed. 105 S., 12,00 €
Mit Humor und Satire beleuchtet Klaus Lutz in seinem neuen Buch Mein Alltag, die Medien und ich aktuelle Themen rund um Medien als treue Alltagsbegleiter. Bei seinem Werk handelt es sich um eine Sammlung von Glossen und Tipps aus dem Leben eines erfahrenen Medienpädagogen, der auf hunderten Elternabenden, in unzähligen Projekten und zahlreichen Fortbildungen einen reichen Erfahrungsschatz angesammelt hat. Die kurzen Texte werden ergänzt von witzigen Karikaturen des Nürnberger Künstlers Gymmick. Zunächst wirft Lutz einen Blick zurück in die Vergangenheit, als die gedruckte Zeitung noch ein politisches Statement war. Das zweite Kapitel widmet sich Eltern und dem Umgang mit der Mediennutzung des eigenen Kindes. Anschließend daran geht es um den Einsatz von Medien und Technik während der Corona Pandemie. Die Medienerziehung stellt nicht nur Eltern, sondern auch Fachkräfte vor Herausforderungen. So wird in den Kapiteln Kampf mit der Technik und Alltag deutlich, welche Bedeutung es hat, auch die eigene Medienkompetenz stetig weiterzuentwickeln. Am Ende seines Buches liefert Lutz medienpädagogisch wertvolle Ratschläge zu einem selbstbestimmten Umgang mit Medien für ‚mediengestresste‘ Eltern. Dabei gilt vor allem die Maxime: (Medien-)Erziehung ist anstrengend, aber ohne Druck zum Perfektionismus lässt sie sich meistern. Insgesamt vereint das Buch auf humorvolle Art und Weise Alltagsbeobachtungen eines Medienpädagogen und Themen wie Mediennutzung und Medienerziehung. Die Ratschläge sind gleichermaßen für Eltern und Fachkräfte der Medienpädagogik relevant. Sie regen auf fundierte, aber auch augenzwinkernde Weise dazu an, den Medienkonsum von Kindern kritisch zu begleiten, um eine gute Medienerziehung zu ermöglichen.
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Katharina Stengl
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kolumne
Sophia Mellitzer: Ein Podcast für jede Lebenslage
Heute ist nicht mein Tag. Ich trete müde in die Pedale meines Drahtesels. Am S-Bahnsteig krame ich Smartphone und Kopfhörer aus dem Rucksack. Jetzt brauche ich erstmal eine ordentliche Portion Motivation! Zielsicher klicke ich mich durch Spotify zu einer meiner Lieblings-Podcasterinnen: Michelle Obama. Sie spricht über Berufstätigkeit, Muttersein, Politik, Freundschaft und Mentoring. Die Landschaft zieht an mir vorbei, um mich herum Reisende, Berufstätige, Schulkinder. „We all have a light“ – das nehme ich ihr sofort ab und fühle mich durch ihre kraftvollen Worte und ihren klugen Humor schon viel beschwingter. Im Büro angekommen schnappe ich in der Küche ein paar Wortfetzen auf: „Frankreich, Polizeigewalt, Proteste“. Au Backe, habe ich da etwas nicht mitbekommen? Das muss ich mir auf der Rückfahrt gleich mal anhören. Was jetzt? – diese Frage stellt sich der Nachrichtenpodcast und erklärt mir in wenigen Minuten das Wichtigste zur aktuellen Lage. Gleichzeitig ploppt eine Nachricht auf meinem Handy auf. Meine Freundin berichtet von Selbstzweifeln. Puh, das kenne ich. Für solche Probleme gibt’s nur eines: Die Lösung, den Psychologiepodcast. Alle Folgen habe ich schon durchgehört und kenne mich theoretisch bestens aus mit Prokrastination, Perfektionismus und Parentifizierung. Schnell teile ich die Folge zum Selbstwert mit ihr. Überhaupt liebe ich es, alle möglichen Stichwörter in Spotify einzugeben: „Wackelzahnpubertät“, „Gewaltfreie Kommunikation“, „Mental Load“ und „Rassismuskritik“, oder auch „Italienisch auf Reisen“ und „Vogelstimmen erkennen“. Zugegeben kommt dabei nicht immer das heraus, was ich mir erhoffe. Es ist auch einiges an Esoterik, Geschwurbel und Selbstvermarktung dabei. Mitunter Skurriles. Gebe ich „Mauersegler“ ein, bekomme ich den Podcast GUT ZU VÖGELN angezeigt. Einschalten lohnt sich, wer begeisterten Hobby-Ornitholog*innen beim Plaudern über Federvieh zuhören möchte. Das ist für mich 1-A-Unterhaltung und ich verpasse keine Folge. Dafür zeige ich meinen Dank mittels 5-Sterne-Bewertungen oder einer E-Mail an das Redaktionsteam. Denn gute Podcasts machen mein Leben reicher. Besonders schätze ich persönliche Geschichten, die mir unter die Haut gehen. Ungeschminkte Wahrheiten bei Eltern ohne Filter, Coaching-Sitzungen bei den Alltagsfeministinnen, gruselige Verbrechen oder auch den Anruf deines Lebens bei Telephobia. Podcasts erweitern meinen Horizont, kitzeln an meinen Emotionen und lassen mich nachts einschlafen. Hierzu empfehle ich AUGEN ZU. Wenn Giovanni di Lorenzo und Florian Illies über Kunst philosophieren, werden meine Lider ganz schwer. Nur nicht vergessen, den Sleeptimer einzustellen! Sonst werde ich plötzlich von Bibi und Tina aus dem Schlaf gerissen, weil unser Vorschulkind mal wieder meinen Spotify-Account verwendet hat. Höchste Zeit, die Einstellungen zu überprüfen … das mache … ich dann … morgen. Zzzz.
Beitrag aus Heft »2023/04: Ökonomie und Medien. Entwicklungen - Zusammenhänge - Herausforderungen«
Autor: Sophia Mellitzer
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Ansprechperson
Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
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