2020/02 Beruf Medienpädagog*in
Die Medienpädagogik ist in den letzten Jahrzehnten von einer Randerscheinung ins Zentrum der Diskurse über Pädagogik und Bildung gerückt. Die Digitalisierung fegt wie ein Hurrikan über die Gesellschaft hinweg. Nichts bleibt wie es war. Im Auge des Hurrikans – in dem bekanntlich Windstille herrscht – versuchen die tapferen Medienpädagog*innen die Herausforderungen zu gestalten, die sich aus diesem Wandel ergeben. Waren es zunächst vor allem Pädagog*innen mit Interesse für Film und Fotografien, die sich der Thematik angenommen haben, so ist jetzt als Folge der Digitalisierung ein eigener Beruf der Medienpädagog*innen entstanden, auch wenn es nach wie vor unterschiedlichste Zugänge und Qualifizierungen hierfür gibt. Häufig fehlt es an qualifizierten Medienpädagog*innen, um die Anfragen zu befriedigen, die sich aus dem stark gestiegenen Bedarf ergeben.
merz 20-2 möchte dazu beitragen, die Professionalisierung des Berufs Medienpädagog*in nachzuzeichnen und Argumente dafür zu liefern, warum dieser Beruf dringend benötigt wird – und dies gilt nicht nur für pädagogische Handlungsfelder.
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In der derzeitigen Ausnahmesituation haben sich viele tradierte Prozesse in ein digitales Umfeld verlagert. Die Bedeutung einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Digitalisierung wird verstärkt deutlich: Medien, und vor allem die Möglichkeit, mit Medien zusammenzuarbeiten, sich zu informieren und Informationen bereitzustellen sowie sich virtuell zu vergemeinschaften sind essenziell geworden. Medienpädagog*innen setzen hier seit vielen Jahren wichtige Impulse und erarbeiten Orientierungsmöglichkeiten. Mit diesem Berufsfeld setzt sich unsere aktuelle Ausgabe auseinander.
Wir stellen diese Ausgabe daher ausnahmsweise kostenlos zum Download zur Verfügung!
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aktuell
Maurice Pflug: D21-Digital-Index 2019/2020
Die zunehmende Digitalisierung der deutschen Bevölkerung ist auch auf deren steigende Digitalkompetenz zurückzuführen. Zu diesem Ergebnis kommt der D21-Digital-Index 2019/2020 der wirtschaftsnahen Initiative D21. Der Index hat mit 58 Punkten (+ 3 Punkte im Vergleich zum Vorjahr) einen neuen Höchstwert erreicht. Er setzt sich aus den vier Faktoren Zugang (+ 4), Nutzungsverhalten (+ 4), Kompetenz (+ 3) und Offenheit (+ 1) zusammen; im Langzeittrend vor allem mit einer kontinuierlichen Zunahme beim Zugang. Dieser Trend beruht vor allem auf den relativ hohen Zuwachsraten beim mobilen Internet und bei Nutzer*innen ab 50 Jahren. Jüngere Generationen sind bereits fast vollständig online. In der Gesamtstichprobe wird das Internet häufiger von Männern (90 %) als von Frauen (82 %) und häufiger von höher Gebildeten (97 %) als von Menschen mit niedrigem Bildungsstand (64 %) genutzt. In den Großstädten (90 %) ist die Internetnutzung höher als im ländlichen Raum (84 %).
Entlang unterschiedlicher soziodemografischer oder gesellschaftlicher Merkmale zeigen sich auch Unterschiede im Nutzungsverhalten. Das trifft auf alle erhobenen Dienstezu, insbesondere aber auf Entertainment-Angebote und Soziale Medien. Diese werden bevorzugt von Jüngeren und tendenziell eher von Männern genutzt. YouTube wird beispielsweise von 70 Prozent der 14- bis 19-Jährigen, aber nur von zwölf Prozent der über 64-Jährigen genutzt.
Kompetenzen im Umgang mit dem Smartphone sind weiter verbreitet als Kompetenzen im Umgang mit klassischen Computeranwendungen. Personen mit niedrigem Bildungsniveau schneiden in allen Kompetenzbereichen unterdurchschnittlich ab.
Im Schnitt waren den Befragten zwei Drittel der abgefragten Fachbegriffe unbekannt. Beispiele für Fachbegriffe sind: Künstliche Intelligenz (61 % bekannt), Algorithmus (43 %), Bot (22 %), Blockchain (14 %).
Wer heute schon digital-affin ist, erwartet stärkere Veränderungen und bewertet diese tendenziell positiver. Dem gegenüber steht, dass sich mehr als ein Drittel der Befragten durch die Digitalisierung überfordert fühlt (4 % mehr als im Vorjahr). Dies trifft vor allem auf ältere Menschen zu, aber auch auf ein Fünftel der 14- bis 19-Jährigen sowie auf die Hälfte der Menschen mit formal niedriger Bildung.
Der Digitalindex (n = 2.019) wurde nach einer Strukturbefragung zur Ermittlung der Internet- und Gerätenutzung (n = 20.332) erhoben. Zugrunde liegt eine bevölkerungsrepräsentative Zufallsstichprobe, wobei aus der Herausgabenicht hervorgeht, ob beide Stichprobenziehungen repräsentativ sind. Zur Methodik liegt nur ein überblicksartiger Steckbrief vor.
Swenja Wütscher: Neue Plattform: Jugendliche gegen extremistische Ansprachen stärken
Das Präventionsprojekt RISE – Jugendkulturelle Antworten auf islamistischen Extremismus verfolgt das Ziel, das demokratische Werteverständnis Jugendlicher durch aktive Medienarbeit zu fördern. Herzstück des Projekts ist die Plattform: www.rise-jugendkultur.de – mit von Jugendlichen produzierten Filmen. Diese sind ergänzt mit pädagogischem Material und wissenschaftlichen Hintergrundinformationen. Multiplikator*innen können die Inhalte für ihre Präventionsarbeit nutzen.
Das Projekt RISE hat es sich zur Aufgabe gemacht, junge Menschen in ihren Meinungsbildungsprozessen zu stärken, ihre Argumentationsfähigkeit zu fördern, Reflexionsprozesse anzustoßen und sie kritisch im Umgang mit extremistischen Botschaften zu machen. Dazu entwickeln Jugendliche eigene Positionen, die sie in Medienproduktionen sichtbar und für die pädagogische Arbeit zugänglich machen. Die praktische Durchführung erfolgt durch eine individuelle Begleitung und Unterstützung von Jugendlichen bei der Produktion von Medienbeiträgen, die Arbeitsfelder fokussieren, die für die Präventionsarbeit relevant sind: Gesellschaftskritik, Religion und Werte, Rassismus, Gender sowie Pluralismus.
Die entstandenen Medienprodukte werden mit Materialien und Einsatzmöglichkeiten für die pädagogische Arbeit aufbereitet und auf der Plattform Fachkräften der schulischen und außer schulischen Bildung zur Verfügung gestellt. Die Plattform wird fortlaufend ausgebaut.
Das Gesamtvorhaben wird wissenschaftlich begleitet. Dies beinhaltet unter anderem ein kontinuierliches Monitoring relevanter wissenschaftlicher und pädagogischer Publikationen im Themenfeld, eine theoretische Fundierung der Themenschwerpunkte sowie die Evaluation der Praxisangebote.
Mit dem Ziel der bundesweiten Wirkung und Vernetzung wird dieses Projekt vom JFF – Institutfür Medienpädagogik in Forschung und Praxis, ufuq.de, dem Medienzentrum Parabol und dem Netzwerk Vision Kino umgesetzt.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtAndrea Stephani: Studie: Scheitern an Internetrecherche
Ein Drittel der Bevölkerung (37 %) scheitert bei der Suche nach Informationen im Internet – so lautet das Ergebnis einer repräsentativen Studie, die Bundesbürger*innen zu ihren Fähigkeiten bei der Nutzung digitaler Medien befragt hat.
Einem großen Teil fällt es demnach schwer, sich souverän und selbstbestimmt in der digitalen Welt zu bewegen: So geben 61 Prozent an, bei der Suche im Internet die gesuchten Informationen finden zu können. 37 Prozent seien dazu nach eigenen Angaben nicht in der Lage. Solange bei den digitalen Geräten keine technischen Probleme auftauchen, gibt eine Dreiviertel- Mehrheit (74 %) an, die Bedienung dieser Geräte zu beherrschen. 46 Prozent können bei auftretenden Fehlermeldungen oder unerwarteten Ereignissen selbstständig herausfinden, wie diese zu beheben sind. 49 Prozent geben an, sich in diesen Situationen nicht selber weiterhelfen zu können. Programme oder Apps können 60 Prozent der Befragten ohne Hilfe auf den Geräten installieren, 37 Prozent scheitern daran. Die Hälfte der Befragten passt Datenschutzeinstellungen individuell an, während 39 Prozent solche Einstellungen nie ändern. Eine Online- Quelle im Hinblick auf ihre Vertrauenswürdigkeit einschätzen kann jeder Zweite (50 %), etwa ebenso viele (46 %) trauen sich das nicht zu.
Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 1.003 Menschen in Deutschland ab 16 Jahren telefonisch befragt. Die Befragung ist repräsentativ für die Gesamtgesellschaft.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Andrea Stephani
Beitrag als PDFEinzelansichtJerome Wohlfarth: Sexualisierte Gewalt online
Die Anzahl der gemeldeten Seiten mit sexualisierter Gewalt nimmt zu – laut einem Bericht von jugenschutz.net. Dieser zeigt sowohl eine Bandbreite an Möglichkeiten sexualisierter Inhalte von Minderjährigen auf als auch Maßnahmen, um dagegen vorzugehen. Im Jahr 2016 waren es noch 4.300 gemeldete URLs mit missbräuchlichen Inhalten, im Jahr 2018 hat jugendschutz.net 39.500 gemeldete Seiten verzeichnet.
Sexualisierte Gewalt bei Fotos und Videos gibt es in verschiedensten Formen – von sexualisierten Gesten über unbekleidete Körperteile der Kinder bis hin zur Ablichtung von Penetration oder extremeren, weitreichenderen Handlungen. Die Verbreitung der Inhalte findet in den meisten Fällen durch Filehoster-Seiten statt. Dadurch können fremde Personen gegen finanzielle Gegenleistungen Zugriff auf das Material erhalten. Der Großteil dieser Plattformen befindet sich im Ausland, was die Ahndung erschwert. Es spielen jedoch nicht nur Plattformen zur Verbreitung der Inhalte eine Rolle. Auch Apps bieten mit privaten Chatfunktionen einen geschützten Rahmen für Täter*innen: Sie können sich über diese Seiten untereinander austauschen, vernetzen, aber auch und vor allem Opfer ansprechen. Der Bericht von jugendschutz.net konstatiert eine schlechte Vorsorge von Anbietern, was eine größere Angriffsfläche bei jüngeren Nutzer*innen zur Folge habe. So sind die standardmäßigen Datenschutzeinstellungen auf TikTok, Instagram oder YouTubeals nicht jugendgerecht zu bewerten, da sie zu viele Informationen über die Profile bekanntgeben. Ferner liegt ein weitreichendes Problem beim Sexting. Neben der strafrechtlichen Komponente wird hierbei der psychologische Druck benannt, welcher sich auf Betroffene auswirken kann.
Doch es können auch Erfolge verzeichnet werden. So wurden etwa 90 Prozent der gemeldeten Missbrauchsinhalte aus dem Jahr 2018 gelöscht, die Entfernung dauerte im Durchschnitt drei bis sieben Tage. Außerdem konnten durch die internationale Vernetzung Täter*innen im Ausland ausfindig gemacht werden. Hierfür arbeitet jugendschutz.netzusammen mit dem BKA, der Freiwilligen Selbstkontrolle Multi-media-Diensteanbieter, der Bun-desprüfstelle für jugendgefährdende Medien und dem INHOPE- Verbund, einer Beschwerdestelle, die in über 40 Ländern kooperiert.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Jerome Wohlfarth
Beitrag als PDFEinzelansichtStefanie Neumaier: Stichwort: Sexfluencing
So manche Sachen verlangen nach einer verschlossenen Tür. Doch wenn es darum geht, intime Details im öffentlichen Raum zu thematisieren, scheut sich eine Gruppe keineswegs: Sexfluencer*innen. Abgeleitet von Influencer*innen, also Personen mit einer hohen sozial-medialen Reichweite, die online zu ausgewählten Themen Positionen vertreten, welche sie ihren Viewer*innen zur Rezeption anbieten. Einen Teilbereich bildet dabei Sexfluencing: „Was Männer mögen & Frauen wollen“ (@benscouch, Instagram) und „It‘s all about helping you upgrade & enjoy your sexual life“ (@SexFluencer, Twitter) sind nur zwei von unzähligen Accountbeschreibungen, die Nutzenden unterschiedlichster Plattformen vor allem eines suggerieren, nämlich Antworten parat zu haben. Antworten auf Fragen, wie das eigene Sexleben wieder in Schwung kommen könnte, worauf es beim Dating zu achten gilt oder wie auch in einer langjährigen Beziehung die Erotik nicht zu kurz kommt. Die Wissenschaftlichkeit der dabei angeführten Fakten, dass zum Beispiel die Aussicht auf baldigen Geschlechtsverkehr den Bartwuchs von Männern verstärke, sei dahingestellt.
Bei der sexualisierten Gattung des Influencings ist eine Gratwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und Selbstvermarktung zu konstatieren. Sicherlich nicht zu unterschätzen ist dabei, mit Blick auf Inhalte von Selbstdarstellerin Katja Krasavice und ähnlichen Formaten, neben dem Jugendschutz auch die Verzerrung von Wirklichkeit, insbesondere jüngerer Nutzender. Doch haben sich auch zahlreiche Kanäle (@underneath_we_are, Instagram) dem Entgegenwirken von Schönheitsidealen mit einer gesunden Portion Body Positivity verpflichtet.
Neben der individuellen Motivation, eine solche Form von Influencing zu konsumieren, und dem daseinsberechtigten Ausdruck von Jugendkultur, dürfen die Beweggründe der Sexfluencer*innen und beispielsweise die dahinterstehende Industrie keinesfalls in Vergessenheit geraten. Der Kapitalismus kennt keine Grenzen und erst recht keinen Halt vor dem Schlafzimmer – und so manch anderen spannenden Orten.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Stefanie Neumaier
Beitrag als PDFEinzelansichtBernd Schorb: Nachruf: Wolfgang Brudny
Dr. Wolfgang Brudny, Mitgründer und Ehrenvorstand des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, ist im 95. Lebensjahr von uns gegangen.
Die Medienpädagogik hat Wolfgang Brudny während seines Lebens begleitet und er hat sie aktiv mit getragen. 1949 als Student bei Prof. Martin Keilhacker an der Universität München hat er den Arbeitskreis Jugend und Film e. V., die Keimzelle des heutigen JFF, mitgegründet. Als ein Pionier medienpädagogischer Forschung war er in den folgenden Jahren an den Untersuchungen des Arbeitskreises zum ‚Filmerleben von Kindern‘ maßgeblich beteiligt. Diese Untersuchungen beruhten erstmals auf Methoden der Beobachtung, die das volle Ausdrucksvermögen von Kindern erfassten, also nicht allein an Wort und Schrift gebunden waren. Die Ergebnisse dieser Forschung schlugen sich 1953 nieder in seiner Dissertation: Das Kind zwischen Spielfilm und Schulfilm. Gestaltungsfragen des Unterrichtsfilms im Hinblick auf das außerschulische Filmerlebender Jugend. Die fundierten Kenntnisse, die er sich hier erworben hatte, bestimmten seine weitere berufliche Laufbahn. Bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1988 war Wolfgang Brudny am Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) erst in München, später in Grünwald tätig. Als Produktionsreferent für Jugend- und Erwachsenenbildung ermöglichte er die wegweisenden Unterrichtsfilme dieses Instituts. Seine Sach- und Fachkompetenz brachte er auch in seine Gutachtertätigkeit in den Gremien der Filmbewertungsstelle der Länder (FBW) und der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) ein.
Immer war Wolfgang Brudny dem JFF verbunden. Seit der Gründung war er fast durchgängig Mitglied des Vorstands, seit 1999 ist er dessen Ehrenmitglied. In den vielen Jahren hat er aktiv die Entwicklung des JFF begleitet, mit wertvollem Rat, thematischen Ideen und Einordnungen aktueller Entwicklungen in historische Zusammenhänge. Durch seine Beiträge in merz | medien + erziehung haben sein Wissen und seine Anregungen auch die Medienpädagogik in Deutschland bereichert.
In Trauer und mit Dank für seine Verbundenheit – für den Vorstand des JFF e. V. und
die Herausgeberschaft von merz | medien + erziehung
thema
Klaus Lutz/ Eike Rösch: Wege zum Beruf Medienpädagog*in
Die Medienpädagogik ist in den letzten Jahrzehnten von einer Randerscheinung ins Zentrum der Diskurse über Pädagogik und Bildung gerückt. Die Digitalisierung fegt wie ein Hurrikan über die Gesellschaft hinweg. Nichts bleibt wie es war. Im Auge des Hurrikans – in dem bekanntlich Windstille herrscht – versuchen die tapferen Medienpädagog*innen die Herausforderungen zu gestalten, die sich aus diesem Wandel ergeben. Waren es zunächst vor allem Pädagog*innen mit Interesse für Film und Fotografien, die sich der Thematik angenommen haben, so ist jetzt als Folge der Digitalisierung ein eigener Beruf der Medienpädagog*innen entstanden, auch wenn es nach wie vor unterschiedlichste Zugänge und Qualifizierungen hierfür gibt. Häufig fehlt es an qualifizierten Medienpädagog*innen, um die Anfragen zu befriedigen, die sich aus dem stark gestiegenen Bedarf ergeben.
Bereits vor mehr als 15 Jahren war die Medienpädagogik in der Forschung wie auch in der Praxis schon so etabliert, dass ihr der kopaed-Verlag einen eigenen Titel widmete: So erschien im Jahr 2003 der Band Beruf Medienpädagoge (Hrsg. von Norbert Neuß); die Fachpublikation reichte kaum aus, um die Vielschichtigkeit dieser jungen Disziplin zu beschreiben. Jetzt, 15 Jahre später, ist die Medienpädagogik nicht mehr wegzudenken.
Vor allem in der außerschulischen und schulischen Bildungsarbeit ist die Vermittlung von Medienkompetenz zu einer zentralen Aufgabe für ein selbstbestimmtes und souveränes Leben geworden. Als Treibriemen für unseren Berufsstand hat sich vor allem die Erkenntnis erwiesen, dass es künftig keinen Lebensbereich mehr geben wird, der nicht durch die Digitalisierung vor einem grundlegenden Wandel steht. Die Medienpädagogik soll mithelfen, die Risiken einer solchen Entwicklung zu erkennen und zu minimieren, sowie das Individuum dazu befähigen, die Zukunft mit Medien aktiv mitzugestalten. Eine durchaus herausfordernde Aufgabe.
Die Medienpädagogik sorgt für die Fort- und Weiterbildung von Pädagog*innen im Bereich Medienpädagogik und -didaktik: Diese erarbeitet mit Kindern und Jugendlichen eigene Medienprodukte, dreht Filme und YouTube-Clips, produziert Sendungen für Radio und Fernsehen, erstellt Blogs sowie Internetseiten und vermittelt den Kindern und Jugendlichen damit die Funktionsweisen der Medien und die Gefahren durch deren Faszinations- und Manipulationskraft. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erstellung von Anleitungen und Material zur Medienerziehung sowohl für Pädagog*innen als auch für Eltern. Medienpädagog*innen betreiben aber auch Medienforschung, indem sie unter anderem die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen untersuchen. Fragestellungen, wie sich beispielsweise Gewaltdarstellungen in Nachrichten oder Computerspielen auf Heranwachsende auswirken, stehen auf der Agenda. Die Forschung beschränkt sich aber längst nicht mehr nur auf Kinder und Jugendliche; sie hat auch die Medienkompetenz von Erwachsenen und Senior*innen im Blick.
Die Qualifikation zur*zum Medienpädagog*in kann man an Universitäten oder Fachhochschulen durch ein eigenständiges Studium, ein Lehramtsstudium oder im Rahmen eines Studiums der Erziehungswissenschaft, Medieninformatik oder der Sozialen Arbeit erwerben. Allerdings: Wo Medienpädagogik draufsteht, ist nicht immer Medienpädagogik drin. Dies liegt zum einen daran, dass sich praktisch jede*r Medienpädagog*in nennen darf, und dass es durchaus sehr unterschiedliche Definitionen gibt, wie der Begriff Medienkompetenz zu interpretieren ist.
Diese Ausgabe möchte dazu beitragen, die Professionalisierung des Berufs Medienpädagog*in nachzuzeichnen und Argumente dafür zu liefern, warum dieser Beruf dringend benötigt wird – und dies gilt nicht nur für pädagogische Handlungsfelder.
Zu dieser Ausgabe
In den letzten Jahren ist eine Vielzahl an Publikationen und Positionspapieren erschienen, die die Medienpädagogik sowohl in ihren theoretischen Bezügen zu definieren versucht als auch Anleitungen für theoriegeleitetes Handeln beschreibt. Patrick Bettinger hat sich der durchaus anspruchsvollen Aufgabe angenommen, den aktuellen Theoriediskurs zu beschreiben sowie die Handlungsfelder der Medienpädagogik zu diesem in Bezug zu setzen. Sein Beitrag liefert eine wichtige Grundlage für die weitere Diskussion des heterogenen Berufsfeldes der Medienpädagogik. Nach Einschätzung des Autors existiert keine zentrale theoretische Begründung der Medienpädagogik. Die damit verbundene Interdisziplinarität eröffnet aber auch anregende Perspektiven, um auf die immer komplexeren Medienwelten adäquat reagieren zu können. Gleichzeitig ist damit aber auch die Gefahr verbunden, dass eine genuin medienpädagogische Theorieentwicklung auf der Strecke bleibt.
Kai-Uwe Hugger setzt sich mit der Frage auseinander, ob die Medienpädagogik ein eigenes Berufsbild darstellt und in welchen Handlungsfeldern der Pädagogik die Medienpädagogik zu verorten ist. In seinen Ausführungen zeigt er die Diskurse der letzten Jahre über die Entwicklung zu dem Beruf Medienpädagog*in auf und beschreibt sehr anschaulich den momentanen Stand. Es ist unstrittig, dass die Medienpädagogik einem Professionalisierungsprozess unterliegt; in vier anschaulichen Thesen steckt Kai-Uwe Hugger zusammenfassend die Bedingungen für diesen wichtigen Prozess ab.
Mit Günther Anfang ist es gelungen, einen Medienpädagogen der ersten Stunde für ein Interview für diese Ausgabe zu gewinnen. Günther Anfang ist einer der Pioniere der Medienpädagogik und hat sie als praktisches Handlungsfeld der Pädagogik maßgeblich mitentwickelt. In seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit hat er den Wandel, dem die Medienpädagogik durch die enorme technische Entwicklung der letzten Jahre unterlegen ist, aktiv miterlebt und begleitet. Neben den zentralen Wendepunkten, die die Medienpädagogik immer wieder verändert haben, beschreibt er aber auch sehr anschaulich, dass es bei allem Wandel und neuer Technik letztlich doch darum geht, Kinder und Jugendliche dazu zu befähigen und zu ermutigen, sich mit Medien auszudrücken und Geschichten zu erzählen. Dies gilt auch gerade für die Allerjüngsten.
Viele junge Menschen äußern auf die Frage nach ihrem Berufswunsch häufig etwas diffus: „Naja, irgendwas mit Medien.“ Welche Qualifizierungsmöglichkeiten stehen ihnen aber nun offen, wenn sie sich für das Berufsbild Medienpädagogik entscheiden? Johannes Fromme, Steffi Rehfeld und Josefa Much zeigen die Bandbreite der Hochschulen und der Weiterbildungsmaßnahmen auf. Sie gegeben damit einen sehr guten Überblick über den momentanen Stand der Qualifizierungsmöglichkeiten. Darüber hinaus ordnen sie auch die Beschäftigungsaussichten einer solchen Qualifizierung im Kernbereich des pädagogischen Arbeitsmarktes ein. Offen bleibt in dem Artikel die Frage, ob eine Ausbildung zur*zum Medienpädagog*in sinnvoll oder eine medienpädagogische Grundbildung für alle pädagogischen Fachkräfte notwendig ist.
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von medienpädagogischen Praxisprojekten im pädagogischen Alltag und es ist kaum ein pädagogisches Handlungsfeld denkbar, das ohne Medienprojekte auskommt. Mareike Schemmerling definiert die Leitplanken eines solchen Handelns. Dabei weist sie ausdrücklich darauf hin, dass für alle Konzepte als theoretischer Bezugspunkt die Vermittlung von Medienkompetenz im Zentrum stehen muss. Denn nicht der Einsatz von Medienoder das Behandeln von Medienthemen machen ein medienpädagogisches Projekt aus; vielmehr stellt medienpädagogische Praxisarbeit immer Kinder und Jugendliche ins Zentrum ihrer Aktivitäten und agiert ausgehend von ihrer Sicht auf die Welt, ihren Belangen und Bedürfnissen. Sie verfolgt stets das Ziel, jungen Menschen Kompetenzen zu vermitteln, die sie für ein gelingendes Leben in einer digital-medialisierten Welt benötigen.
Um die internationale Entwicklung der Medienpädagogik mit in den Blick zu nehmen, haben wir Kolleg*innen aus Estland, Finnland, Griechenland, Österreich, Rumänien und der Schweiz für dieses Heft um eine Kurzdarstellung der Medienpädagogik in ihren Heimatländern gebeten. An dieser Stelle nochmals vielen Dank für die Unterstützung. Die Texte sind in kleinen Kästen im Thementeil der Ausgabe verteilt. Wir haben uns sehr über die Zusendung der Beiträge der Kolleg*innen aus ganz verschiedenen Teilen Europas gefreut, da aus unserer Sicht eine Weiterentwicklung der Medienpädagogik in Deutschland nur sinnvoll auch unter Einbeziehung internationaler Konzepte und Erfahrungen gelingen kann.
Im Zeitalter von Bildkommunikation hatten wir – zusammen mit dem Medienpädagogik Praxis-Blog – Kolleg*innen gebeten, ihren medienpädagogischen Alltag bildlich in Szene zu setzen und mit Veröffentlichung unter dem Hashtag
#vonBerufMedienpaed auf einem beliebigen Social-Media-Kanal an unserer Fotoaktion teilzunehmen. Wir waren überwältigt, welche Resonanz der Aufruf erfahren hat. Über 90 Einsendungen haben uns erreicht. Danke!! Unsere Favoriten unter den Einsendungen sind in dieser Ausgabe abgedruckt, ein Bild ziert auch das Titelblatt. Auch der Medienpädagogik Praxis-Blog hat seine Favoriten gekürt!
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Klaus Lutz, Eike Rösch
Beitrag als PDFEinzelansichtPatrick Bettinger: Theoretische Begründungslinien der Medienpädagogik
In ihrer Breite betrachtet, lässt sich Medienpädagogik sowohl als Forschungs- als auch als Handlungsfeld begreifen, welches sich auf ein plurales und breit gefächertes Spektrum theoretischer Annahmen und Konzepte bezieht. Der Beitrag gibt einen ausschnitthaften Überblick über wichtige theoretische Begründungszusammenhänge der Gegenwart, stellt zentrale Theoreme kurz dar und erläutert deren Bedeutung für die Medienpädagogik als wissenschaftliche Disziplin sowie praktisches Tätigkeitsfeld.
Literatur:
Allert, Heidrun/ Asmussen, Michael /Richter, Christoph (Hrsg.) (2017). Digitalität und Selbst. Interdisziplinäre Perspektiven auf Subjektivierungs- und Bildungsprozesse. Bielefeld: transcript.
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Autorinnen und Autoren-Gruppe Frankfurt Dreieck (2019). Frankfurt Dreieck
zur Bildung in der digitalen Welt. Ein interdisziplinäres Modell digitaler Bildung. Online verfügbar unter: www.keine-bildung-ohne-medien.de/frankfurter-dreieck/Barberi, Alessaandro/ Schmoelz, Alexander/ Trültzsch-Wijnen, Christine (2018). Medienkompetenz und Medienperformanz (Heftschwerpunkt). Medienimpulse. Beiträge zur Medienpädagogik, 56(4).
Bettinger, Patrick (2018). Praxeologische Medienbildung. Theoretische und empirische Perspektiven auf sozio-mediale Habitustransformationen. Wiesbaden: Springer VS.
Dander, Valentin (2015). Daten + Praxis = Datenhandeln? Eine Akzentverschiebung entlang der praxeologischen Diskursanalyse. medienimpulse. Beiträge zur Medienpädagogik (3/2015), (S. 1-10).
DGfE-Sektion Medienpädagogik (2017). Orientierungsrahmen für die Entwicklung von Curricula für medienpädagogische Studiengänge und Studienanteile. MedienPädagogik. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung. 1–7. doi:10.21240/mpaed/00/2017.12.04.X.
Dörner, Olaf / Schäffer, Burkhard (2012). Zum Verhältnis von Gegenstands- und Grundlagentheorien zu Methodologien und Methoden in der Erwachsenen- und Weiterbildungsforschung. In B. Schäffer / O. Dörner (Hrsg.), Handbuch Qualitative Erwachsenen- und Weiterbildungsforschung (S. 11-22). Opladen: Budrich.
Friedrichs-Liesenkötter, Henrike (2016). Medienerziehung in Kindertagesstätten. Habitusformationen angehender ErzieherInnen. Wiesbaden: Springer VS.
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Jörissen, Benjamin / Marotzki, Winfried (2009). Medienbildung – Eine Einführung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
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Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Patrick Bettinger
Beitrag als PDFEinzelansichtKai-Uwe Hugger: Medienpädagogik als eigener Beruf
Der Beitrag führt in ein bisher vernachlässigtes Thema in der Medienpädagogik ein: die Frage, was denn eigentlich den Beruf Medienpädagog*in als solchen ausmacht und mit welchen spezifischen Herausforderungen der gegenwärtige Verberuflichungsprozess in der Medienpädagogik verbunden ist. Ausgehend von der derzeit zu beobachtenden Expansion des medienpädagogischen Berufsfeldes werden Merkmale medienpädagogischer Verberuflichung erläutert. Abschließend werden Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung des Berufsfeldes formuliert.
Literatur
Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) (2014). „Mit Medien leben und lernen – Medienbildung ist Gegenstand der Kinder- und Jugendhilfe!“. Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ. Berlin. www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2012/Medienbildung.pdf [Zugriff: 03.03.2020]
Baacke, Dieter (1996). Medienkompetenz – Begrifflichkeit und sozialer Wandel. In: von Rein, Antje (Hrsg.), Medienkompetenz als Schlüsselbegriff. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt, S. 112–124.
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Blömeke, Sigrid (2008). Studium und Weiterbildung. In: Sander, Uwe/von Gross, Friederike/Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.), Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: VS Verlag, S. 571–576.
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Ewert, Lili/Koeck, Stefan/Weiß, Michaela (2019). Eine Stimme für die Medienpädagogik. Aufruf zur Tarifkonzeptkampagne für Medienpädagog*innen. Erfurt. www.medienpaedagogik-praxis.de/2019/11/26/medienpaedagoginnen-vereinigt-euch/?fbclid=IwAR10CM0tSv4JdFXtvxvywtuW1fRSC8RSHwqr0-gxGGmptpIvmNvVaBZnX_Y [Zugriff: 03.03.2020]
Fromme, Johannes/Biermann, Ralf (2016). Medienbildung aus einer Berufs- und Professionsperspektive: Welche Chancen haben „Medienbildner/innen“ auf dem Arbeitsmarkt? In: Verständig, Dan/Holze, Jens/Biermann, Ralf (Hrsg.), Von der Bildung zur Medienbildung. Wiesbaden: Springer VS, S. 297–330.
Grunert, Cathleen/Krüger, Heinz-Herrmann (2004). Entgrenzung pädagogischer Berufsarbeit – Mythos oder Realität? Ergebnisse einer bundesweiten Diplom- und Magister-Pädagogen-Befragung. In: Zeitschrift für Pädagogik, 50 (3), S. 309–325.
Hugger, Kai-Uwe (2017). Professionalisierung der Medienkompetenzförderung in der politischen Bildung. In: Gapski, Harald/Oberle, Monika/Staufer, Walter (Hrsg.), Medienkompetenz. Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 175–184.
Hugger, Kai-Uwe (2013). Berufsfeld Medienkompetenzförderung. In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Medienkompetenzförderung für Kinder und Jugendliche. Eine Bestandsaufnahme, Berlin, S. 95–100.
Hugger, Kai-Uwe (2008). Berufsbild und Arbeitsmarkt für Medienpädagogen. In: Sander, Uwe/von Gross, Friederike/Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.), Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: VS, S. 564–570.
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Steiner, Olivier/Heeg, Rahel/Schmid, Magdalene/Luginbühl, Monika (2017). MEKiS. Studie zur Medienkompetenz in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe. Basel und Olten: Hochschule für Soziale Arbeit FHNW.
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Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Kai-Uwe Hugger
Beitrag als PDFEinzelansichtGünther Anfang: 40 Jahre medienpädagogische Arbeit
Medien beeinflussen alle Lebensbereiche und sind deshalb eines der prägenden Zukunftsthemen unserer Zeit. Längst sind Medien ein zentrales Element im Bildungsalltag. Die Aussage „keine Bildung ohne Medien“ der Bildungsinitiative führender Medienpädagoginnen und Medienpädagogen bringt dies gut auf den Punkt. Wo liegen die Gründe, dass die Medienpädagogik in den letzten Jahrzehnten so immens an Bedeutung gewonnen hat? Wo liegen die Wurzeln der aktiven Medienarbeit? Klaus Lutz hat sich mit Günther Anfang – ein Medienpädagoge der ersten Stunde – über die Entwicklung der Medienpädagogik und deren Bedeutung in der heutigen Bildungslandschaft unterhalten.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Günther Anfang, Klaus Lutz
Beitrag als PDFEinzelansichtJohannes Fromme/Steffi Rehfeld/Josefa Much: Medienpädagogik Qualifizierungsmöglichkeiten für ein heterogenes Berufsfeld
Im Zuge der massenhaften Verbreitung von Informations- und Unterhaltungsmedien sind vielfältige neue Berufsfelder entstanden, auch im Bereich der Medienpädagogik. Was Medienpädagogik als Beruf auszeichnet, wird seit den späten 1980er-Jahren durchaus kontrovers diskutiert. Ein einheitliches Berufsbild ist nicht auszumachen, ebensowenig eine einheitliche Berufsqualifizierung. Vor diesem Hintergrund versucht dieser Beitrag vor allem einen Überblick über unterschiedliche Qualifizierungsmöglichkeiten zu vermitteln und zudem Einblicke in die Besonderheiten des Berufsfeldes Medienpädagogik zu geben.
Literatur
Baacke, Dieter (1997). Medienpädagogik. Tübingen: Niemeyer.
Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) Sektion Medienpädagogik (2017). Orientierungsrahmen für die Entwicklung von Curricula für medienpädagogische Studiengänge und Studienanteile. www.doi. org/10.21240/mpaed/00/2017.12.04.X
Fromme, Johannes (2017). Berufsfelder von Medien-pädagogen(-innen). In: MedienPädagogik, 27, S. 239– 269. www.doi.org/10.21240/mpaed/27/2017.04.28.X
Fromme, Johannes (2015). Medienbildner/innen auf dem Arbeitsmarkt. Untersuchung zum beruflichen Verbleib der Absolventen/innen des Bachelor- und des Masterstudiengangs Medienbildung. Magdeburg: Otto-von-Guericke- Universität. www.dx.doi.org/10.25673/4211
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GMK/DGfE Sektion Medienpädagogik (2019). Studiengänge für Medienpädagogik und Erziehungswissenschaft. www.gmk-net.de/wp-content/uploads/2019/05/ studiengaenge_medienpaedagogik_medienwissenschaften_ erziehungswissenschaften.pdf [Zugriff: 02.01.2020]
Hugger, Kai-Uwe (2008). Berufsbild und Arbeitsmarkt für Medienpädagogen. In: Sander Uwe/von Groß, Friedericke/Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.), Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: Springer VS, S. 564–570.
Keine Bildung ohne Medien (KBoM) (2009). Medienpädagogisches Manifest. www.keine-bildung-ohne-medien.de/medienpaedagogisches-manifest [Zugriff: 31.01.2020]
Kultusministerkonferenz (KMK) (2016). Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz. Berlin: KMK. www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_ beschluesse/2016/2016_12_08-Bildung-in-der-digitalen- Welt.pdf [Zugriff: 31.01.2020]
Kultusministerkonferenz (KMK) (2012). Medienbildung in der Schule. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08. März 2012. www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_ beschluesse/2012/2012_03_08_Medienbildung.pdf [Zugriff: 31.01.2020]
Niesyto, Horst (Hrsg.) (2011). Keine Bildung ohne Medien! Medienpädagogischer Kongress. München: kopaed.
Schell, Fred (1989). Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen. Theorie und Praxis. Opladen: Leske + Budrich.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Johannes Fromme, Steffi Rehfeld, Josefa Much
Beitrag als PDFEinzelansichtMareike Schemmerling: Medienpädagogische Praxisarbeit für Kinder und Jugendliche
Kinder und Jugendliche für ein souveränes Leben mit Medien stark zu machen, formuliert den Anspruch, dem Medienpädagog*innen gerecht werden wollen. Sie bewegen sich in einem nicht geschützten Berufsfeld mit vielfältigen Begriffsverständnissen und Konzepten. Viele eint dennoch die Leidenschaft für ihre Profession. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, Kinder und Jugendliche dabei zu unterstützen, die Welt, in der sie leben, aktiv mitzugestalten, und Gehör für ihre Anliegen und Themen zu bekommen. Im Folgenden werden Leitlinien formuliert, die dabei helfen können, qualitätsvolle Praxisarbeit zu leisten.
Literatur
Anfang, Günther (2015). Von der Medienerziehung zur Aktiven Medianarbeit. In: Anfang, Günther; Demmler, Kathrin; Lutz, Klaus; Stuckmeyer, Kati (Hg.): wischen. Klicken. Knipsen. Medienarbeit mit Kindern. München: kopaed: S. 263 – 265.
Aufenanger, Stefan (1999). Medienpädagogische Projekte - Zielstellungen und Aufgaben. Online verfügbar unter: http://www.produktive-medienarbeit.de/ressourcen/bibliothek/fachartikel/aufenanger_99.shtml
Demmler, Kathrin; Rösch Eike (2014). Aktive Medienarbeit in einem mediatisierten Umfeld. In: Kammerl, Rudolf; Unger, Alexander; Grell, Petra; Hug, Theo (Hg.): Jahrbuch Medienpädagogik 11 , Wiesbaden: Springer, S. 191 – 207.
Demmler, Kathrin; Rösch, Eike (2012). Aktive Medienarbeit in Zeiten der Digitalisierung. Kontinuitäten und Entwicklungen. In: Rösch, Eike; Demmler, Kathrin; Jäcklein-Kreis, Elisabeth; Albers-Heinemann, Tobias (Hg.) Medienpädagogik Praxis. Handbuch,München: kopead, S. 19 – 26.
Hartung-Griemberg, Anja; Schorb, Bernd (2017): Medienpädagogik. In: Schorb, Bernd; Hartung-Griemberg, Anja; Dallmann, Christine (Hg.) Grundbegriffe Medienpädagogik. München: kopaed, S. 277 – 283.
Rösch, Eike (2019). Jugendarbeit in einem mediatisierten Umfeld. Impulse für ein theoretisches Konzept. Weinheim: Beltz.
Rösch, Eike (2017). Aktive Medienarbeit. In: Schorb, Bernd; Hartung-Griemberg, Anja; Dallmann, Christine (Hg.) Grundbegriffe Medienpädagogik. München: kopaed, S. 9 – 14.
Schell, Fred (2003). Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen. Theorie und Praxis. München: kopaed.
Schorb, Bernd; Keilhauer, Jan (2010): Themenzentrierte Medienarbeit. In: Keilhauer, Jan; Schorb, Bernd (Hg.) Themenzentrierte Medienarbeit mit Jugendlichen. München: kopad, S. 13 – 22.
Schorb, Bernd (2017): Handlungsorientierte Medienpädagogik. In: Schorb, Bernd; Hartung-Griemberg, Anja; Dallmann, Christine (Hg.) Grundbegriffe Medienpädagogik. München: kopaed, S. 134 – 141.
Theunert, Helga (2009). Medienkompetenz. In: Schorb, Bernd; Anfang, Günther; Demmler Kathrin(Hg.). Grundbegriffe Medienpädagogik Praxis. München: kopaed, S. 199 – 204.
Theunert, Helga (2015). Medienaneignung und Medienkompetenz in der Kindheit. In: von Gross, Friederike; Meister, Dorothee M.; Sander Uwe (Hg.) Medienpädagogik – ein Überblick. Weinheim/Basel: Beltz, S. 136 – 163.
Theunert, Helga; Schorb, Bernd (2010). Sozialisation, Medienaneignung und Medienkompetenz in der mediatisierten Gesellschaf. In: Hartmann, Maren; Hepp Andreas (Hg.) die Mediatisierung der Alltagswelt. Wiesbaden: VS Verlag, S. 243 -254.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Mareike Schemmerling
Beitrag als PDFEinzelansichtMaria Leonida: Beruf Medienpädagog*in: Griechenland/Greece
Maria Leonida, Film director and Media Educator
How do you see your profession/occupation?
The term “media educator” is neither well known nor self explanatory in my language and country, so this by definition creates a need to define the kind, the scope and the quality of the work. My personal involvement with media education has developed through time (2002 till today) from a part time occupation parallelto my filmmaking work to a deeper and a more expanded professional endeavor. I have gradually formulated my own interests, research topics, hands on and collaborative approach. I conceive – or adjust – and apply learning units that involve a critical and creative relationship with a variety of media for a wide range of ages and purposes. Important part of the work is to consider the needs of the target group (e.g. primary school, language teachers, social workers, teenage or nursery school pupil … after school class or curriculum based lesson).
What was your education?
I have an academic background in History, Art History and Filmmaking. Education came gradually in a practical way with trial and error, supported with personal reading and observation of other people working in the field. Any kind of filmmaking, media studies, graphic design, film editing or camerawork et cetera can be a basis for a media educator. Certainly, the creative/constructive side is important, but the pedagogical too – and often media people miss this and have to discover the latter.
What regular working methods are established in your job context?
We receive enquiries and develop content based on the target group context. I coordinate the workshop, assign younger media educators to work and supervise the outcome. We collect feedback and evaluate, especially if it is a new learning unit.
My main values for a sustainable and wider media education are:
- low budget, flexible tools adjustable in both analogue and digital processes
- concentration on the essence of storytelling and the deconstruction of film making to its elements in order to make participants realize their potential
- approach of new technologies through understanding their relation to basic human feelings and desires
Where do you set your personal priorities?
My priorities lie in exploring a wider film and media literacy applied to all ages and contexts.
What are the current themes?
Social issues develop and reflect society’s concerns. So education, propaganda, environment, racism, digital age have been themes recurring every five to ten years, and thus media education follows these trends. I do not believe in terms like hate speech or fake news as being so important, as they actually reflect well known attitudes of groups of people, who become in fashion due to the speed and connectivity of ICT (information and communications technology) and social media. We could think of deeper critical attitudes which can assist us in decoding them.
How would you describe your target group?
Our main target groups are teachers, students and educators.
Friederike Tilemann: Beruf Medienpädagog*in: Schweiz/Switzerland
Prof. Friederike Tilemann, Pädagogische Hochschule Zürich
Selbstverständnis des eigenen Berufes:
Medienpädagogik verstehe ich als Teil der Erziehungswissenschaften. Sie ist eingebunden in Fragen der individuellen Entwicklung, des sozialen Miteinanders und der gesellschaftlichen Partizipation – und bezieht sich auf alle Altersgruppen. Die Arbeitsfelder reichen von der pädagogischen Arbeit in Erziehungs- und Bildungsfeldern der Kinder-, Jugend-, und Erwachsenenbildung, der Lehre und Forschung an Universitäten, Instituten und Fachhochschulen. Die Aufgabe der Medienpädagogik ist es, Menschen in der Entwicklung ihrer Medienkompetenz bzw. ihrer medienpädagogischen Kompetenz zu unterstützen, und gesellschaftliche Entwicklungen kritisch zu begleiten und aktiv mitzugestalten.
Haben Sie eine Ausbildung zur Medienpädagogin absolviert oder war es ein Quereinstieg?
In Göttingen habe ich Erziehungswissenschaften studiert, dort gab es Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre das Wahlpflichtmodul ‚Medienpädagogik‘, das mich von Beginn an faszinierte. Parallel zum Studium gründeten wir den Verein Blickwechsel – Verein für Medien- und Kulturpädagogik und engagierten uns in der medienpädagogischen Arbeit und unter anderem im Aufbau eines medienpädagogischen Netzwerkes.
Welche Arbeitsbereiche umfasst Ihre Tätigkeit?
Ich arbeite als Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Zürich – als Medienpädagogin im Bereich ‚Bildung und Erziehung‘ mit Studierenden aller Zyklen (ehem. Schulstufen) und war sechs Jahre auch Leiterin des Fachbereichs ‚Medienbildung‘. Die Medienpädagogik (und Informatik) ist als Studiengebiet für alle Studierenden obligatorisch für angehende Lehrpersonen der Volksschule (dazu gehört auch der Kindergarten ab vier Jahren). Seit dem Lehrplan 21, dem gemeinsamen Lehrplan von 21 Schweizer Kantonen, ist ‚Medien und Informatik‘ in der Volksschule ein eigenes Modul. Zudem bin ich – im Rahmen meiner Arbeit an der PHZH – auch in der medienpädagogischen Weiterbildung tätig. Hier erschliesst sich ein breites Arbeitsfeld: Vorträge und Weiterbildungen für Lehrpersonen, Eltern und Bildungsverantwortliche, Beratungen in medienpädagogischen Fragen, Netzwerkarbeit und die Entwicklung medienpädagogischer Lehrmittel für Kindergarten und Schule.
Welchen Fokus setzen Sie in Ihrer Arbeit?
Medienkompetenz und medienpädagogische Kompetenz, frühkindliche Medienbildung, subjektive Bedeutungskonstruktion im Rezeptionsprozess, Medialitätsbewusstsein, Medien und Politik, Aktive Medienarbeit, Identitätsarbeit mit Medien, Medienpädagogik und informatische Bildung.
Was sind Ihre Zielgruppen?
Studierende aller Zyklen der Volksschule (von Kindergarten bis Sekundarschule), Teilnehmende von medienpädagogischen Weiterbildungen, wie Lehrpersonen, Schulleitungen und Heilpädagog*innen, Eltern, Bildungsverantwortliche von Fachstellen wie für Literalität oder Suchtprävention, Lehrmittelverlage und Interessierte.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Friederike Tilemann
Beitrag als PDFEinzelansichtKati Nõlvak: Beruf Medienpädagog*in: Estland/Estonia
Kati Nõlvak, Estonian Youth Work Center
My personal perspective on my job as a media educational worker
My name is Kati Nõlvak (30). I’m a chief expert in Estonian Youth Work Center (EYWC), my main field of expertise is smart youth work. Estonia itself is a small yet innovative country: population of 1,3 million people, almost 21 percent are young people between seven and 26 years – and it is known for its digital achievements. We can also be proud of our youth work policy as Estonia won the Future Policy Award 2019 acknowledgment from the World Future Council as outstanding policy plan for youth empowerment.
EYWC is the organization that is leading the youth work developments in Estonia and my main effort goes into developing smart youth work inside and also outside our country. My main target group is youth workers themselves and how to support them and their organizations on the local level to develop solutions aimed at youth, and also to develop support systems to solve the needs related to youth workers‘ competencies and work methods. For example, we guide local level youth organizations to develop projects to raise youth’s digital skills through different fundings. A lot of projects have been on the topic of digital content creation which goes hand in hand with information and data literacy. A rising trend is gamification and e-sports and what could young people learn from gaming.
On a wider scale, we are also really keen on developing the quality, functioning and efficacy of youth work and gaining better knowledge of youth through different digital solutions. One of our questions of interest lies in gathering and analyzing data for future decision making. For example, we are working together with our national statistics department and made a digital solution, where, for example, local municipalities can see different datasets about their youth work situation. The datasets are automatically drawn from different national databases and are automatically updated as the source database changes.
Of course, we do all this with a small team and I try to give my best to our team’s effort. To do so, my skillset varies from different education forms as my bachelor‘s degree is on business management and before going to university I was already an active citizen and stood for the rights of young people on a local level. As I went to university, I was already working as a youth worker in a local level youth center. As a lot of the youth workers, so did I get my main knowledge about youth work and youth themselves through practice, self-learning, and from numerous non-formal trainings including different International youth work projects. Currently, I’m finishing my masters in educational technology. This has helped a lot in understanding the digital world and its possibilities and development needs, and also how to support Estonia’s youth workers.
Suvi Tuominen: Beruf Medienpädagog*in: Finnland/Finland
Suvi Tuominen, Verke – National Centre of Expertise on Digital Youth Work
When I studied digital cultures as a minor subject in university back in the early 2000’s, I thought it was just for fun. Learning about gaming communities, virtual relationships and fandom did not sound like something that could have any connection to any real work. And here I am, 15 years later, and those ‘fun’ courses have been maybe the most beneficial during my career as a media education specialist.
When I studied, there was no subject called media education available at the University of Tampere, as there is now. I had to study journalism, digital cultures and education as separate subjects and combine them in my mind. I graduated as a Master of Social Sciences and had a one year pedagogical training included in the degree. The pedagogical training was a wise thing to do, as that got me my first jobs within media education.
As a project coordinator in the Finnish Safer Internet Project, my task was to plan parental evenings and classroom plans about online safety, build up a nationwide trainer network, and train the trainers to use the classroom plans and host parental evenings. At the same time, I helped to start online youth work activities in the NGO Mannerheim League for Child Welfare I worked in. After five years, I proceeded into manager position in the same organisation and suddenly I had seven team members, who used to be my colleagues. Turned out, that I like to have that kind of responsibility and enjoy also the boring administrative stuff. And I also got good feedback from the team.
The past five and a half years I have worked as the manager in Verke – National Centre of Expertise on Digital Youth Work in Finland. I have again seven team members, who all are specialists in digital youth work. Verke’s task is to educate youth workers around Finland around topics linked to digitalisation of youth work, media educational viewpoints are included. We train about 2,500 people a year, and produce printed and online materials for the youth work sector. In the latest years, video format has proven to be really effective when trying to reach youth workers.
Lately, a big theme in Verke’s work has been future foresight: How does digitalisation change young people’s lives in the next ten years – and how should youth work adapt to that? A recent tool that we developed for our own trainings is called Innobox and can be downloaded for free: www.verke.org/material/innobox.
Technologies like artificial intelligence, augmented reality, and virtual reality are not science fiction, they are here already. And they will have a significant impact on the society. People will have to learn to use them effectively, but also to be critical towards them. So as media and technology are taking new forms constantly, I see that the need for media education specialists will increase in the future.
Christian Swertz: Beruf Medienpädagog*in: Österreich/Austria
Christian Swertz, Universität Wien
Kreative Vielfalt
Die Tätigkeit von Medienpädagog*innen (Mpäds) in Österreich wird hier aus einer universitären Position heraus beschrieben. In Österreich ist die Tätigkeit als Mpäd kein formeller Beruf. Es gibt gelegentlich Weiterbildungsangebote und die Möglichkeit, Medienpädagogik als Schwerpunkt in pädagogischen Hochschulstudiengängen zu studieren. Standards spielen dabei aber keine Rolle. Entsprechend hoch ist die Heterogenität der Berufsbiografien. Der Quereinstieg ist die Regel.
Das Interesse an einer formellen Definition eines Berufsbildes ist entsprechend gering. Dennoch ist die Orientierung an der handlungsorientierten Medienkompetenzvermittlung weitgehender Konsens. Die darin zum Ausdruck kommenden Werte der Freiheit und der Demokratie werden mit Begriffen wie Emanzipation, Mündigkeit, Selbstbestimmung, Partizipation und Inklusion markiert.
Viele Mpäds in Österreich sind in der Initiative Medienbildung Jetzt! organisiert. In diesem informellen Zusammenschluss werden für die praktische Arbeit relevante Konzepte ausgetauscht und politische Entwicklungen diskutiert. Aus der Initiative heraus wurde der Bundesverband Medienbildung gegründet, der als politische Vertretung der Initiative fungiert. Menschen, die im Bereich der Mediendidaktik tätig sind, beteiligen sich an dem Netzwerk kaum.
Als Organisationsform sind eingetragene Vereine ebenso häufig wie GmbHs. Wenige größere Institutionen stehen einer größeren Zahl von freiberuflich tätigen Menschen gegenüber. Das liegt auch daran, dass Aufträge häufig nicht langfristig, sondern als Projekte vergeben werden, obwohl es einige Projekte gibt, die seit vielen Jahren immer wieder verlängert werden. Wie in anderen Handlungsfeldern ist damit eine flexible Struktur erzeugt worden, die häufig mit prekären Arbeitsverhältnissen einhergeht. Eine hohe Unzufriedenheit mit dieser Struktur scheint allerdings nicht zu bestehen – viele schätzen offenbar die damit bestehenden Freiräume, die für kreative Gestaltungen genutzt werden.
Der Markt wurde in den letzten Jahren diversifiziert. Ein nach wie vor wesentliches Marktsegment ist die Jugendarbeit. Für Schulen wurden Produkte im Bereich des von dritter Seite geförderten Unterrichts und im Bereich der Unterrichtsmaterialien für die Medienkompetenzvermittlung im Rahmen der Digitalen Grundbildung entwickelt. Relativ neu ist, dass Produkte für Unternehmen entwickelt und erfolgreich vermarktet werden.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Christian Swertz
Beitrag als PDFEinzelansichtNicoleta Fotiade: Beruf Medienpädagog*in: Rumänien/Romania
Nicoleta Fotiade, media educator with Journalism studies
I am not a clear-cut media educator with a teaching job. The profession is not yet officially recognized in my country. There was no formal teaching or training program where I could have formed as one. Still isn’t.
I am a self-made media educator with Journalism studies, an MA in Communication, Media and Cultural Studies, molded in the matrix of a long-term media analyst working for a media watchdog and for different international election observation missions.
Early in my professional life, I began managing media research and education projects too. My first media education project was the creation of the first Romanian media education textbook for high school students and of a teachers’ training program. The project developed into a Media Education program that I got to manage for several years.
I feel particularly privileged for my educational and professional background that led to be a media educator. But due to the lack of the infrastructure to teach media education, I have to constantly reinvent my job.
I teach to professionals that want to teach media education further (teachers and librarians, in particular). And for the last three years, I have been teaching media education to final year Pedagogy students at the University of Bucharest. More of an introduction course into the critical learning concepts of media education, which does not form actual media educators. Whenever I get the chance, I work with children and teenagers. But it happens ever so rarely because of the lack of dedicated programs or institutions that could host such courses. I mainly get to work with them in short term courses or workshops initiated in partnership with schools or other NGOs on a voluntary basis or with small private funds.
My working day is never the same and I like that. But it can also get pretty tough sometimes with this permanent mental load to maintain my job, build a team and an organization to serve a professional community, and also pay the bills. As five years ago, I embarked on a media education project that should have built into a training and resource center for media literacy education. Mediawise Society (www.mediawise.ro) is still work in progress.
I get a lot of satisfaction in my media educator shoes.
When I teach about media, I teach about nuances. I work with my students to develop the habit to question the information and to put things into perspective. We practice to get flexible about the things we see, perceive and judge.
The media content with its language and representations give me the chance to extend my teaching to other daily social, cultural and political issues that tend to be overlooked or taken for granted in our education. We get to reflect on questions like human and digital rights, racism, solidarity, plagiarism, social relations and so on. Self-reflection is also an important part of my teaching. We look at how and why we use (or produce) certain media contents, how they are produced and for what reasons. We try to understand the role of our emotions and beliefs in our media use. I do everything with the hope that what my students learn in the classroom is relevant to their immediate media experiences, and that they will use it in practice.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Nicoleta Fotiade
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spektrum
Nora Ulbing: Das Phänomen Sexting – (k)ein Kinderspiel
Ein bewusster Umgang mit digitalen Medien ist eine Herausforderung, der sich heutzutage auch Heranwachsende stellen müssen. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Handlungsfeld Sexualität – und im Speziellen das Phänomen Sexting – an wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz. Im Zuge einer empirischen Studie zum Sexting wurde unter anderem das Gefahrenbewusstsein junger Menschen mittels eines Dilemmata-Interviews erforscht.
Literatur:
Aufenanger, Stefan (2013). Mediensozialisation. In: Sander, Uwe/von Gross, Friederike/Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.), Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 87–92.
Becker, Sophinette (2010). Sexuelle Verhältnisse im gesellschaftlichen Wandel. Diskurse und Realitäten. In: Benkel, Thorsten/Akalin, Fehmi (Hrsg.), Soziale Dimensionen der Sexualität. Gießen: Psychosozial Verlag, S. 177–194.
Döring, Nicola (2015). Smartphones, Sex und Social Media. Erwachsenwerden im Digitalzeitalter. In: TelevIZIon, 28 (1), S. 12–19.
Döring, Nicola (2012). Erotischer Fotoaustausch unter Jugendlichen. Verbreitung, Funktionen und Folgen des Sexting. In: Zeitschrift für Sexualforschung, 25 (1), S. 4–25.
Ecarius, Jutta/Eulenbach, Marcel/Fuchs, Thorsten/Walgenbach, Katharina (2011). Jugend und Sozialisation. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Glüer, Michael (2018). Digitaler Medienkonsum. In: Lohaus, Arnold (Hrsg.), Entwicklungspsychologie des Jugendalters. Berlin: Springer VS, S. 197–222.
Hajok, Daniel (2018a). Alles anders mit digitalen Medien? Wie sich Kindheit und Jugend gewandelt haben. In: merz | medien + erziehung, 62 (4), S. 61–67.
Hajok, Daniel (2018b). Heranwachsen mit digitalen Medien – ein neuer Sozialisationstypus? Perspektiven auf Kindheit und Jugend heute. In: tv diskurs, 22 (2), S. 20–25.
Lee, Murray/Crofts, Thomas (2015). Gender, pressure, coercion and pleasure: Untangling motivations for sexting between young people. In: British Journal of Criminology, 55 (3), S. 454–473.
Schlund, Martina (2014). Sexualpädagogik goes Web 2.0. Sexualpädagogik im Umgang mit sozial-online vernetzten Jugendlichen. In: Czok, Elisabeth/Schlund, Martina/Gavars, Sabrina/Camen, Jenny/Wutstrack, Martin (Hrsg.), Sexualpädagogik in den Medien. Norderstedt: ScienceFactory, S. 85–170.
Tillmann, Angela (2014). Girls Media – Feminist Media: Identitätsfindung, Selbstermächtigung und Solidarisierung von Mädchen und Frauen in virtuellen Räumen. In: Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.), Digitale Jugendkulturen. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer VS, S. 155–173.
Vogelsang, Verena (2017). Sexuelle Viktimisierung, Pornografie und Sexting im Jugendalter. Ausdifferenzierung einer sexualbezogenen
Ramona Dietrich: Digitalisierung von Organisationsprozessen an Schulen
Digitale Technologien prägen unsere Gesellschaft enorm und verändern damit auch das Schulsystem: Schüler*innen wachsen mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien auf. Doch auch Schulen können die Digitalisierung als Chance nutzen, für die Organisation, die Verwaltung und natürlich die Lehre. Die Software Schulmanager Online hilft, den Schulalltag für alle Beteiligten einfacher zu gestalten.
Literatur
Bertelsmann Stiftung (2017). Monitor Digitale Bildung. Die Schulen im digitalen Zeitalter. www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/Teilhabe_in_einer_ digitalisierten_Welt/BST_DigiMonitor_Schulen_web.pdf [Zugriff: 08.01.2020]
Bitkom (2019). Smart School – Auf dem Weg zur digitalen Schule. www.bitkom.org/sites/default/files/ 2019-03/Pr%C3%A4sentation%20Bitkom-PK% 20Bildungskonferenz%2012.03.2019_final.pdf [Zugriff: 08.01.2020]
Deutsche Telekom Stiftung (2019). Schule digital: Unterstützung gefragt. Repräsentative Befragung von 600 Lehrern der Sekundarstufe I – Vertiefende Interviews mit Schulleitungen und -trägern sowie Didaktikern. www.telekom-stiftung.de/sites/default/files/files/media/ publications/Befragung-Schuledigital-Web.pdf [Zugriff: 08.01.2020]
Schaumburg, Heike (2018). Empirische Befunde zur Wirksamkeit unterschiedlicher Konzepte des digital unterstützten Lernens. In: McElvany, Nele/Schwabe, Franziska/Bos, Wilfired/Holtappels, Heinz Günter (Hrsg.), Digitalisierung in der schulischen Bildung. Münster: Waxmann, S. 27–40.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Ramona Dietrich
Beitrag als PDFEinzelansichtClaudia Schumacher: Makerspace, Hackerspace und Social Lab im universitären Kontext
Der Artikel gibt einen Überblick über offene Werkstätten, Kreativstätten und Orte, an denen Neues erfahren und gelernt werden kann. Diese Orte firmieren unter Bezeichnungen wie Makerspace oder FabLab – und haben unterschiedliche Schwerpunktsetzungen. Es wird versucht, die Breite des Angebots aufzuzeigen und spezifische Charakteristika herauszustellen. Exemplarisch wird das Kaiserslauterer iQL-Lab in die Vielfalt der Orte eingeordnet.
Literatur
Andrasch, Matthias/Hofhues, Sandra/Reder, Constanze/Schiefner-Rohs, Mandy (2017). Von Lizenzfragen zum Remix-Prinzip: Wie OERlabs zum Türöffner für Medienbildung werden. In: Synergie. Fachmagazin für Digitalisierung in der Lehre. 3, S. 50–53. www.synergie.uni-hamburg.de/de/media/ausgabe03/synergie03.pdf [Zugriff: 02.11.2019]
Assaf, Dorit (2014). Maker Spaces in Schulen: Ein Raum für Innovation. In: Rummler, Klaus (Hrsg.), Lernräume gestalten – Bildungskontexte vielfältig denken. Münster, New York: Waxmann, S. 141–149.
Aufenanger, Stefan/Bastian, Jasmin/Mertes, Kathrin (2017). Vom Doing zum Learning. Maker Education in der Schule. In: Computer + Unterricht 105/2017, S. 4–7.
Bergner, Anne (2017). Make-Design-Innovate. Das Potential des Maker-Movements für Innovation, Kreativwirtschaft und Unternehmen. Report der Hochschule Coburg. bayern-design.de/sites/default/files/downloads/MakeDesignInnovate_Bergner_HSCoburg.pdf [Zugriff: 02.11.2019]
Cavalcanti, Gui (2013). Is it a Hackerspace, Makerspace, TechShop, or FabLab? https://makezine.com/2013/05/22/the-difference-between-hackerspaces-makerspaces-techshops-and-fablabs [Zugriff: 02.11.2019]
Educause (2013). 7 things you should know about Makerspaces. https://library.educause.edu/resources/2013/4/7-things-you-should-know-about-makerspaces [Zugriff: 02.11.2019]
Fastermann, Petra (2016). 3D-Drucken - Wie die generative Fertigungstechnik funktioniert. 2., aktual. Auflage. Berlin und Heidelberg: Springer Vieweg. [Zugriff: 02.11.2019]
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Jaglo, Maggie (2013). ,,Hardwarefreaks und Kellerkinder“ – Klischeevorstellungen über Informatik und die Auseinandersetzung der Studierenden damit. Informatik-Spektrum, 36 (3), 274–277.
Krotz, Friedrich (2001). Die Mediatisierung kommunikativen Handelns. Der Wandel von Alltag und sozialen Beziehungen, Kultur und Gesellschaft durch die Medien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
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Rohs, Matthias (2013). Social Media und informelles Lernen. Potenziale von Bildungsprozessen im virtuellen Raum. In: DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung 02/2013. Erwachsenenbildung 2.0, S. 39–42, DOI: 10.3278/DIE1302W039.
Scheurer, Bettina (2017). Learning by Making. Ein Makerspace in einer Stadtbibliothek: Beispiel Köln. In: Computer + Unterricht 105/2017, S. 32–33.
Scholz, Nina (2014). Nerds, Geeks und Piraten. Digital Natives in Kultur und Politik (Texte zur Zeit, Bd. 4). Berlin: Bertz + Fischer.
Schön, Sandra/Ebner, Martin (2017). Von Makerspaces und FabLabs – Das kreative digitale Selbermachen und Gestalten mit 3D-Druck & Co. Handbuch E-Learning. 70. Erg. Lieferung (August 2017). 4.60. S. 1–18.
Schön, Sandra (2014). Fablabs, Makerspace und Co.: Was ist das eigentlich? (Maker Movement). www.medienpaedagogik-praxis.de/2014/05/27/fablabs-makerspace-und-co-was-ist-das-eigentlich-maker-movement-teil-12 [Zugriff: 02.11.2019]
Ultimaker (o. J.). Fablab, makerspace, or hackerspace? https://ultimaker.com/en/resources/49574-fablab-makerspace-or-hackerspace [Zugriff: 02.11.2019]
Witte, Randy (2013). Hacker im Wandel der Zeit. Über die differenzierte Verwendung des Hackerbegriffes. Bachelor + Master Publication.
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Wong, Anne/Partridge, Helen (2016). Making as Learning: Makerspaces in Universities. In: Australian Academic and Research Libraries 47 (3), pp. 1–17.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Claudia Schumacher
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medienreport
Markus Achatz: Keine Zeit für gewöhnliches Kino
Die Jubiläumsausgabe der Berlinale: neue Leitung, leichte Änderungen der Programmsektionen, ein durchschnittlicher WettbewerB und gute Filmen in GENERATION, der Schiene mit Filmen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (Kplus und 14plus). Viele Diskussionen und Berichterstattungen drehten sich dieses Mal um das neue Berlinale Leitungs-Duo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, wie beinahe in jedem Jahr wurde viel über die Qualität der Wettbewerbsfilme gesprochen und die Frage, welche Stars nach Berlin kämen. An dieser Stelle soll es jedoch um die Filme gehen.
Bei den 70. Internationalen Filmfestspielen 2020 konnte durchaus wieder die Vielfalt der Kunstform Kino gefeiert werden. Die Vorführungen waren bestens besucht und das Publikum hat sich den gesellschaftlichen und politischen Themen vieler Filmbeiträge gestellt. Insbesondere in der Sektion GENERATION war es ein guter Jahrgang, in dem die Zuschauer*innen manche Filme frenetisch bejubelt haben, aber auch die Q&A-Runden für kritische und unbequeme Fragen nutzten. Es gab formal wie inhaltlich anspruchsvolle Filmerzählungen, die auch das junge Publikum herausforderten und bewiesen, dass Kino nach wie vor ein politischer Raum sein kann. GENERATION-Leiterin Maryanne Redpath fasste treffend zusammen: „Dies ist keine Zeit für gewöhnliches Kino“.
Starke Filme von Regisseurinnen
Im Generation Programm liefen insgesamt 59 Filme (ca. die Hälfte davon Langfilme) aus 34 Nationen. 29 Filme waren Weltpremieren und bei knapp 60 Prozent führten Frauen Regie. Eine verstärkt weibliche Perspektive sorgte im Hinblick auf die Themen und Inhalte für spannende Beiträge. Zahlreiche Geschichten stellten Protagonistinnen ins Zentrum und zeigten facettenreiche jugendliche Hauptfiguren: heldenhaft, rebellisch, mutig und provokant, aber auch fragend, offen, verletzlich und einzigartig.
Mädchen, die nicht aufgeben
Drei der Filme für Jüngere in GENERATION Kplus zeichneten sich durch starke Ensembleleistungen aus. Las Niñas (Schoolgirls) handelt von einer Gruppe Schülerinnen in einer katholischen Mädchenschule im Spanien der 1990er Jahre. Nachdem eine neue Mitschülerin in die Klassen gekommen ist, beginnt die eher zurückhaltende Celia (Andrea Fandos) gegen die strengen Regeln aufzubegehren. Zunächst in eher kleinen Gesten, bestärkt durch Texte aus Popsongs und die Dynamik ihrer Peergroup wird die Elfjährige rebellisch und stellt für die Erwachsenen unangenehme Fragen. Nicht zuletzt an die Mutter (Natalia de Molina), die Celias Herkunft bislang hinter einer Fassade aus Lügen verstecken konnte. Regisseurin Pilar Palomero hat in Sarajevo Regie studiert und zeigt mit Las Niñas ihr Spielfilmdebüt.
Zwischen Zugehörigkeit und Abrenzung
Der französische Film Mignonnes (Die Süßen) von Maïmouna Doucouré hat eine thematische Parallelität zu Las Niñas. Auch hier prallen konservative, religiös-motivierte Traditionen der Elterngeneration mit den aufkeimenden Wünschen der Heranwachsenden aufeinander. Amy ist elf und mit ihrer Familie aus dem Senegal nach Paris gezogen. Das Mädchen ist fasziniert von einer Gruppe Mädchen, die für sie ungewohnt freizügig gekleidet sind und jede freie Minute nutzen, um Tanzübungen zu machen. Amys Mutter erfährt, dass der Vater eine Zweitfrau heiraten und sie mit nach Paris bringen wird. Die Mutter ist entsetzt und traurig und ahnt nicht, dass Amy alles mitgehört hat. Unter den wachsamen Augen der streng konservativen Tante muss Amy zur muslimischen Betstunde gehen und helfen, die Zweithochzeit des Vaters vorzubereiten. Sie will aber unbedingt bei der Tanzgruppe dabei sein und auch so modern und sexy aussehen, wie die anderen Mädchen. Das familiäre Drama verdrängend, setzt sie alles daran, zu Tanzen, in der Clique dazu zu gehören – und überschreitet dabei immer mehr die Grenzen. Mignonnes ist bunt und musikalisch. Die ausschweifenden Tanzperformances, in denen sich die Teenies lasziv tanzend zur Schau stellen, irritieren im Verlauf der Geschichte jedoch mehr und mehr. Gegen den Eindruck, dass der Film selbst mit stereotypen Geschlechtsrollen spielt, helfen die Auskünfte der Regisseurin beim Q&A nach dem Screening: Maïmouna Doucouré wollte das Extreme am Zwiespalt der heranwachsen Mädchen zeigen, wenn sie auf der Suche nach ihrer weiblichen Identität sind und sich mit tradierten Rollenbildern auseinandersetzen müssen. Doucourés eigene Erfahrungen sind in die Geschichte eingeflossen. Wirklich stark machen den Film letztlich vor allem die Nachwuchsdarstellerinnen – allen voran Fathia Youssouf (Amy) und Médina El Aidi-Azouni (Angelica).
Trauma des Verlusts
Nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera, bestand das komplette Team im argentinischen Film Mamá, Mamá, Mamá ausschließlich aus weiblichen Akteurinnen. Wie auch in den anderen beiden genannten Filmen, ist auch hier die Regisseurin gleichzeitig die Autorin. Sol Berruezo Pichon-Rivières Debütfilm hat eine starke Exposition: Cleo ist 12 Jahre alt und soeben ist ihre kleine Schwester Erin im familieneigenen Pool hinter dem Haus ertrunken. Das Haus wird nun von Cleos Tante und ihren Töchtern bevölkert, während sich ihre Mutter in ihr Schlafzimmer zurückzieht und nicht mehr ansprechbar ist. Hieraus entwickelt sich ein Kammerspiel, das Cleos nun völlig auf den Kopf gestellte Welt in Bruchstücken aus Gesprächen mit und zwischen ihren Cousinen zeigt, die durch Trauer und Erinnerungsfetzen durchbrochen werden. Nichts wird mehr so sein wie zuvor. Zäh und wie in Trance geht das Leben weiter.
In diesem Jahr hat sich die Internationale Jury von Generation Kplus entschieden, zwei „Lobende Erwähnungen“ auszusprechen, die gleichermaßen an Mignonnes und Mamá, Mamá, Mamá gingen. Den Großen Preis in Kplus hat der Film Los Lobos erhalten.
Wölfe weinen nicht
Gemeinsam mit ihrer Mutter Lucía haben der achtjährige Max und sein drei Jahre jüngerer Bruder Leo ihre mexikanische Heimat verlassen und es in die USA geschafft. In Albuquerque/New Mexico kommen sie in einem kahlen 1-Zimmer-Appartement unter. Die völlig verdreckte Wohnung lässt einem den Atem stocken und alles ist ganz anders, als es sich Max und Leo vorgestellt haben. Sie wollten nach Disneyland und nun müssen sie jeden Tag allein in der notdürftigen Unterkunft bleiben, während ihre Mutter auf Arbeitssuche ist.
Der Film Los Lobos (Die Wölfe) des mexikanischen Filmemachers Samuel Kishi Leopo stellt die Perspektive der beiden Jungs zentral in den Mittelpunkt und rückt dabei stets sehr nah an sie heran. Auf dem mitgebrachten Kassettenrecorder hat Lucía Regeln für die Kinder aufgenommen: Nur mit Schuhen auf den verdreckten Teppich gehen, nicht weinen, sich nach einem Streit umarmen, das Zimmer aufräumen, auf gar keinen Fall jemals das Appartement verlassen. Lucía findet Arbeit, während für die beiden Jungen die Tage allein endlos werden. Die Situation wird zunehmend schwieriger. Sie erhalten die Aufgabe, mit Hilfe des Kassettenrecorders Englisch zu üben. „We want to go Disney. A ticket please.“ Die kahlen Wände des Zimmers werden zu einer Projektionsfläche für Max und Leo, sie zeichnen dort Heldenfiguren, die sie mit ihrer Fantasie zum Leben erwecken. Kishi Leopo webt dazu animierte Szenen in den Film ein. Die Jungen wissen, sie müssen starke Wölfe sein, um zu überleben. „Wölfe weinen nicht. Wölfe beißen. Sie heulen. Und beschützen ihr Zuhause.“
Migrationserfahrung
Los Lobos ist ein Highlight der Berlinale 2020: eindrücklich wie schonungslos, gleichermaßen authentisch und poetisch – der Film fesselt und berührt. Samuel Kishi Leopo erzählt darin seine eigene Geschichte – und die seines jüngeren Bruders. Sie sind in den 1980er Jahren mit ihrer Mutter aus Mexiko in die USA emigriert. Samuels Bruder Kenji Kishi Leopo hat die Musik für den Film komponiert. Sie verstärkt die Intensität der Story noch, indem den einzelnen Hauptfiguren Instrumente und Melodielinien zugeordnet werden. Besonders hervorzuheben sind zudem die außerordentliche Kameraarbeit von Octavio Arauz und die schauspielerische Leistung. Martha Reyes Arias spielt Lucía liebevoll und bestimmt. Die beiden Jungen Maximiliano Nájar Márquez und Leonardo Nájar Márquez sind auch in Wirklichkeit ein Brüderpaar, deren Besetzung sich als wahrer Glücksfall erwiesen hat.
Es sind tiefgehende Szenen, die Los Lobos unvergesslich machen. Beispielsweise wie Max hadert, wenn er zu den im Hof spielenden Kindern gehen möchte, aber weiß, dass er die Wohnung nicht verlassen darf oder wenn die alte chinesische Vermieterin mit den als Ninjas verkleideten Kindern zu Halloween durch die Nachbarschaft zieht.
Die autobiographischen Züge machen Los Lobos zu Samuel Kishi Leopos bislang wichtigsten Film. Vier Jahre hat er am Buch gearbeitet und bei der Recherche für den Dreh im heutigen Albuquerque die Stimmung vorgefunden, die ihn an die eigenen Erlebnisse der 1980er in Santa Ana (Kalifornien) erinnert haben. Angesichts der heutigen Lage an der Grenze zwischen Mexiko und den USA sowie den weltweiten Flüchtlingsbewegungen ist die Geschichte von Max, Leo und Lucía top aktuell und politisch. Bei seinen Vorarbeiten ist Samuel Kishi Leopo auf den Roman Archiv der verlorenen Kinder der mexikanischen Autorin Valeria Luiselli gestoßen. Das Buch schildert ebenfalls sehr empathisch und leidenschaftlich individuelle Schicksale von Flucht anhand von biographischen Elementen vor dem Hintergrund globaler humanitärer Tragödien (erschienen 2019 im Verlag Antje Kunstmann).
Wähle das Leben!
Im 14plus-Beitrag Kaze No Denwa (Voices in the Wind) nimmt der renommierte japanische Autorenfilmer Nobuhiro Suwa uns und seine Hauptfigur, die 17-jährige Schülerin Haru (Serena Motola) auf eine Reise durch Japan mit. Die Eingangssequenz des Films zeigt eine Texttafel, die erläutert, dass Haru beim Tsunami des Jahres 2011 ihre Eltern und ihren Bruder verloren hat. Wie viele andere Opfer, sind sie bis heute vermisst. Damals war Haru neun Jahre alt. Seit der Katastrophe lebt sie bei ihrer Tante Hiroko (Makiko Watanabe) in der Präfektur Hiroshima. Als beide zum Essen zusammensitzen, überlegt die Tante, bald nach Ōtsuchi zu reisen. Dem Ort, an dem Haru und ihre Familie bis zum Tōhoku-Erdbeben gelebt haben. Haru murmelt nur etwas. Sie redet ohnehin wenig, was sich durch die gesamte Geschichte zieht. Mit einigen wenigen Ausnahmen, wenn sie ihren Schmerz und ihre Trauer in die Welt hinausschreit. Der Verlust lastet schwer auf Haru, aber mindestens genauso stark bedrückt sie die Tatsache, die einzige Überlebende ihrer näheren Familie zu sein. Für das Mädchen wird die Lage noch prekärer, als sie die Tante ohne Bewusstsein im Haus findet. Wartend verbringt sie die Nacht im Krankenhausflur. Die Tante lebt, ist aber nicht ansprechbar. Haru macht sich auf den Weg, um Antworten auf ihre vielen offenen Fragen zu suchen. Die Reise führt sie durch ganz Japan von Hiroshima über Tokio nach Fukushima und weiter bis Ōtsuchi. Dort wartet ein Ziel auf sie, von dem sie zunächst nichts ahnt.
Der 60-jährige Regisseur Nobuhiro Suwa thematisiert in seinen Filmen häufig Reisen und Aufbrüche, lässt seine Protagonist*innen Streunen und Suchen. Er war bereits vor zehn Jahren mit der Filmparabel Yuki & Nina (2009) bei Generation auf der Berlinale vertreten (Rezension in merz 3-2010) und drehte für Paris, je t’aime (2006) die Episode „Place des Victoires“ (mit Juliette Binoche und Willem Dafoe). Auch in Kaze No Denwa verläuft der Roadtrip in Etappen. Das Mädchen trifft auf unterschiedliche Menschen, die für eigene Episoden stehen und jeweils auf empathische Weise Haru auf ihrer Reise weiterhelfen. In den kurzen, aber intensiven Begegnungen lassen sie Haru an ihrem eigenen Schicksal teilhaben und die schweigsame 17-Jährige lernt, dass sie mit ihrem Verlust nicht allein ist. Gleichzeitig nimmt das Mädchen, wenn es weiterzieht, stets ein kleines bisschen von der Last der Menschen mit. Da ist zum Beispiel Kohei (Tomokazu Miura), der Haru weinend auffindet und zu seinem Haus mitnimmt, das durch Zufall von einem Erdrutsch verschont geblieben ist. Hier lebt er mit seiner dementen Mutter. Diese hält Haru zunächst für ihre Tochter, die wie sich herausstellt, vor Jahren Selbstmord begangen hat. In ihren lichten Momenten hat die alte Frau noch gute Erinnerungen an die Atombombe auf Hiroshima. Nach weiteren Episoden trifft Haru auf den ebenfalls stillen Morio (Hidetoshi Nishijima) aus Fukushima, der in seinem Van wohnt, aber ruhelos umherfährt. Morio beschließt Haru bis nach Ōtsuchi zu bringen. Unterwegs halten sie in Fukushima an Morios Haus, das er und seine Familie vor acht Jahren verlassenen haben. Haru erfährt, dass Morio im Atomkraftwerk von Fukushima tätig war und bei der Katastrophe seine Frau und seine Tochter verloren hat. Schließlich erreicht Haru nach rund 1.300 km Ōtsuchi und findet bei den letzten Fundamenten ihres ehemaligen Zuhauses nichts weiter als eine unendliche Einsamkeit. Sie kann jedoch hier ihre Trauer zulassen und hat auf der Reise erkannt, dass es Viele gibt, die Grund zum Verzweifeln haben, aber dennoch nicht aufgeben.
Telefonanschluss ins Jenseits
Harus Weg führt sie noch an ein weiteres Ziel: im Hinterland von Ōtsuchi steht in einem blühenden Garten ein weißes Telefonhäuschen mit einem alten Wählscheibenapparat. Dieser hat keinen Anschluss, kann aber genutzt werden, um mit jenen zu sprechen, die anders nicht mehr zu erreichen sind. Haru hat noch so viele Fragen an ihre Eltern, die sie über das „Wind-Telefon“ stellen kann und die ihr helfen, das zu bewältigen, was noch kommen wird. Haru spricht die längsten Sätze des gesamten Films und aus ihnen klingt nicht nur die unermessliche Trauer, sondern auch ein bisschen Hoffnung: „Ich werde am Leben bleiben. Wenn ich zu euch komme, werde ich eine richtig alte Dame sein. Ich freue mich darauf."
Kaze No Denwa (Voices in the Wind) beruht auf der realen Erdbeben- und Nuklear-Katastrophe vom März 2011 und der wahren Geschichte des „Wind-Telefons“, das sich tatsächlich in diesem idyllischen Garten über dem Meer befindet. Nobuhiro Suwa hat seinen Spielfilm Itaru Sasaki gewidmet, der bereits 2010 – zunächst nur für sich – den Garten und das Telefonhäuschen errichtet hat, um mit seinem verstorbenen Cousin in Kontakt bleiben zu können. Nach dem Tōhoku-Erdbeben und Tsunami, der die Region hart getroffen hat, wurde der magische Ort immer bekannter. Bis heute haben um die 30.000 Menschen Itaru Sasakis Telefon benutzt, das an keine Leitung angeschlossen ist, aber mit dem dennoch eine Verbindung aufgebaut werden kann. Der Film erhielt die „Lobende Erwähnung“ der Internationalen Jury Generation 14plus.
Diversität und Politik
Der Große Preis der Internationalen Jury 14plus wurde an den brasilianischen Film Meu Nome é Bagdá (My Name is Baghdad) vergeben. Ein originelles und engagiertes Plädoyer für Gleichberechtigung und eine offene, tolerante Gesellschaft. Regisseurin Caru Alves de Souza stellt die 17-jährige Skaterin Bagdá ins Zentrum der Geschichte. Sie ist ein selbstbewusstes Mädchen, das Ungerechtigkeit anmahnt und vor allem von ihren männlichen Skater-Kollegen mehr Respekt einfordert. Hauptdarstellerin Grace Orsato stammt selbst aus der riesigen Skaterszene von São Paulo. Sie engagiert sich für bessere Bedingungen der weiblichen Skaterinnen und für einen offeneren Umgang in der brasilianischen Gesellschaft. Der Film macht auf Diskriminierung, Gewalt und Sexismus aufmerksam und zeigt sehr authentisch – auch durch die eingesetzten Laiendarsteller –Anderssein und Vielfalt als Werte des Zusammenlebens. Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in Brasilien ein hoch politisches Statement.
Dana Neuleitner: KonterBUNT – Kontern gegen Stammtischparolen
Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (2019). KonterBUNT. App für iOS und Android. kostenfrei. USK 12.
Ein sonniger Tag in der Stadt könnte so schön sein, würde man nicht an jeder Ecke auf Stereotype und Stammtischparolen treffen. So geht es zumindest den Spieler*innen der App KonterBUNT. Zwischen den farbenfrohen Gebäuden, die dem Namen der App alle Ehre verleihen, wimmelt es nur so vor Aussagen wie „Homosexualität ist ansteckend!“ oder „Sinti und Roma gehören alle abgeschoben!“. Wie soll man da nur reagieren? Genau das will die App der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung zeigen. User*innen sollen Hilfestellungen erhalten, anhand derer sie Argumentationsstrategien ausprobieren und konstruktive Argumente sammeln können.
Im Minispiel begeben sich die Spieler*innen auf einen Stadtrundgang zu verschiedenen Schauplätzen: Angefangen zwischen Spielplatz und Supermarkt werden die Nutzenden etwa zu einer Bushaltestelle oder einer Bar gelotst, wo sie mit unterschiedlichen Parolen konfrontiert werden. Die Zuordnung von Themen zu gewissen Orten lässt sich dabei nicht immer nachvollziehen, beispielsweise spielt Sexismus beim Besuch der KonterBUNT-Disco keine Rolle. Pro Minilevel warten vier virtuelle Pöbler*innen darauf, innerhalb einer Minute gekontert zu werden. Dabei sind pro Parole vier Antwortmöglichkeiten gegeben. Ziel des Spiels ist es, die richtige Antwort zu finden, und so dem im oberen Bildrand dargestellten „Gegner“ den bestmöglichen Konter zu bieten. Je nach Qualität der Antwort ändert sich dessen Stimmung: Wandert der Zeiger durch gute Antworten in den grünen Bereich, können Spieler*innen die Diskussion für sich entscheiden. Rutscht die Stimmung aber durch unpassende Äußerungen in den roten Bereich ab, eskaliert das Gespräch und die Spieler*innen müssen das Level wiederholen.
Nach acht Zwischenstationen, bei denen sich die Parolen leider ziemlich schnell wiederholen, folgt schließlich der Endgegner: die Familienfeier. Hier geht es besonders hoch her, denn während bisher jeweils Parolen aus meist zwei Themenbereichen bewältigt werden mussten, prasseln hier Aussagen aus allen Feldern auf einen ein. Daneben wird auch der Zeitdruck erhöht: Sieben Aussagen müssen in 40 Sekunden gekontert werden.
Die Spieler*innen müssen sich mit Äußerungen aus acht verschiedenen Themengebieten gegen verschiedene Teile der Gesellschaft behaupten – sei es aufgrund ihrer (sozialen) Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, gewisser Eigenschaften oder ihres Glaubens. Auf diesen Ebenen will die App Anregungen für Nutzende bieten, die sich mit Vorurteilen dieser Kategorien auseinandersetzen wollen, und Tipps für Reaktionen auf ähnliche Kommentare erhalten möchten. Sie können Argumentationsstrategien und Argumente in einem geschützten Umfeld ausprobieren. Auch wenn die Antwortmöglichkeiten vorgegeben sind, können sie sich so einen Überblick verschaffen, welche funktionieren könnten. Denn dass die Antworten der App nicht in jeder Situation und gegenüber jeder*m Gesprächspartner*in die richtigen sein mögen, wird nie behauptet. Es kann schließlich auch nicht davon ausgegangen werden, dass die aufgezeigten Parolen den Spieler*innen genauso beim echten Stadtspaziergang oder der nächsten Familienfeier unterkommen. Doch mithilfe der in der App beschriebenen Strategien werden Nutzende sensibilisiert und könnten den Mut fassen, sich der nächsten Äußerung von Hetze, Hass oder Vorurteilen kritisch gegenüber zu stellen – und sie nicht einfach unbeantwortet im Raum stehen zu lassen. Ähnliche Argumente könnten entkräftet und der Frieden bei Familienfeiern oder dergleichen durch Strategien wie das ‚Brückenbauen‘ oder den Verzicht auf Belehrungen bzw. den moralischen Zeigefinger gewahrt werden.
Die Anzahl der jeweiligen Beispiele ist mit fünf bis sieben begrenzt, und bietet somit nur einen kleinen Einblick in mögliche prekäre Szenarien. Dass nicht alle Stammtischparolen aufgeführt werden, ist verständlich. In der Kategorie Sexismus wäre es jedoch wünschenswert, wenn nicht nur gegenüber Frauen, sondern auch auf Männer bezogene Stereotype eingebaut worden wären. Ebenso wären im Bereich Klassismus nicht nur abwertende Aussagen gegenüber der sozialen Unterschicht, sondern auch gegenüber höhergestellten Personen denkbar. Daneben sind die Grenzen zwischen den Bereichen Ablehnung von Geflüchteten und Rassismus nicht trennscharf.
KonterBUNT bietet nicht nur mögliche Konter, sondern nebenbei auch Anstoß zur Reflexion der Lebensumstände der Parolenverbreitenden und versorgt die Nutzenden mit hilfreichen Hintergrundinformationen. Bei Kontern ist in der Realität jedoch zu beachten, dass Hetze und Co. differenzierter ausfallen können als sie in der App dargestellt werden, und Schlagfertigkeit kein Indiz für das stichhaltigere Argument ist.
Dass die App nicht bei jeder*m Nutzenden auf Zufriedenheit stößt, lässt sich aus den Rezensionen erahnen: Im Google Play Store etwa erreicht die App lediglich eine Bewertung von 2,3 von 5 Sternen, was auf eine hohe Anzahl von Bewertungen zurückzuführen ist, bei denen ein Stern vergeben wurde. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass viele entsprechende Kommentare befürchten, die App diene der Wahlbeeinflussung, Meinungsmache oder „Hetze gegen Andersdenkende“.
Die App, deren gesamtes Angebot auch ohne Download auf der zugehörigen Website abrufbar ist, wurde für ihren Beitrag zu einer toleranten Demokratie 2019 mit dem Pädagogischen Medienpreisausgezeichnet. Die Website bietet zusätzlich vertiefende Informationen und weiterführende Quellen, etwa zu Rassismus und dessen Entstehung. Während der Einsatz der App in Alltagsdiskussionen nicht denkbar ist, könnte sie theoretisch bei Online- Diskussionen verwendet werden.
Von der KonterBUNT-App können übrigens nicht nur Heranwachsende ab zwölf Jahren profitieren, sondern auch Erwachsene können auf dieser Basis ihre Argumentationsstrategien auf den Prüfstand stellen, kritisch hinterfragen und erweitern.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Dana Neuleitner
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publikationen
Stefanie Neumaier: Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung
Kutscher, Nadia/Ley, Thomas/Seelmeyer, Udo/Siller, Friederike/Tillmann, Angela/Zorn, Isabel (Hrsg.) (2020). Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung. Weinheim: Beltz Juventa. 658 S., 39,95 €.
In der Sozialen Arbeit ist die Digitalisierung längst kein Fremdwort mehr, jedoch blieb ein Überblick zu den aktuellen Diskursen bisweilen noch aus. Mit ihrem Handbuch zeichnen nun die Herausgeber*innen Nadia Kutscher, Thomas Ley, Udo Seelmeyer, Friederike Siller, Angela Tillmann und Isabel Zorn ein detailreiches Bild zu den Schnittstellen von Sozialer Arbeit und Digitalisierung. Dabei liegt dem im Open- Access zugänglichen Werk ein erweitertes Verständnis von Digitalität zugrunde, indem „die Etablierung soziotechnischer Arrangements und [ihre] Folgen“ (S. 10) mitgedacht werden. Ferner wird nicht nur der Ist-Zustand in der Digitalisierungslandschaft der Sozialen Arbeit aufgegriffen, sondern auch Perspektiven aufgezeigt. Hinzu kommt der hervorzuhebende Umstand, dass die Herausgeber*innen selbst auch zahlreiche Beiträge zum Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung als (Co-)Autor*innen beisteuern. Dabei verfolgen sie das Ziel, gesicherte Erkenntnisse zwischen im Zuge der Digitalisierung entstehenden Vorgängen und der Sozialen Arbeit zusammenzufassen, um einen Beitrag zur Verortung der Sozialen Arbeit im Kontext von Digitalisierungsprozessen zu leisten.
Das Handbuch gliedert sich in sieben Teile:
- Disziplinäre Perspektiven: Hervorzuheben ist, dass nicht nur ‚Soziale Arbeit‘ drauf steht, sondern auch drin steckt – und damit ein wichtiges Signal für die Anerkennung der Sozialarbeitswissenschaft als etablierte Disziplin gesendet wird. In vier theoretischen Beiträgen findet ein Aufbrechen des parallel verlaufenden, nebeneinanderher Denkens von Sozialer Arbeit und Digitalität statt. Gleichzeitig werden nicht nur die Perspektiven aus einer Bezugswissenschaft eingenommen, sondern auch stets aus Sicht der Sozialarbeitswissenschaft (mit-)argumentiert.
- Gesellschaftliche Entwicklungen und Diskurse: In acht Aufsätzen wird zunächst ein Blick in bisherige und mögliche künftige Veränderungen in differente Lebenswelten geworfen, bevor höchstaktuelle, sozialpolitische Thematiken behandelt werden.
- Digitalisierte Formen der Dienstleistungserbringung: Im dritten Teil halten neun Beiträge Einzug. Das Kapitel überzeugt im Aufbau durch einen rekapitulierenden, gegenwartsbezogenen und zukunftsorientierten Dreischritt. Dabei wird ein besonderer Blick darauf geworfen, wie sich sozialarbeiterisches Handeln in diesem Kontext durch digitalisierte Erweiterungen verändert und welche positiven bzw. negativen Konsequenzen damit einhergehen (können). Ferner wird diskutiert, welcher Mehrwert in analogen Formen der Dienstleistungserbringung in der Sozialen Arbeit steckt. Und auch eine Grundsatzdebatte, ob etablierte Konzepte wie die Sozialraumorientierung im Zuge der Digitalisierung restrukturiert werden müssten, gibt der Leserschaft interessante Denkanstöße.
- Digitalisierung und Profession: Eine Metabetrachtung der sich entwickelnden Profession Soziale Arbeit wird im vierten Kapitel vorgenommen. Insgesamt fünf Aufsätze befassen sich mit Fragen nach den Handlungsmodalitäten, der Ausbildung von Sozialarbeitenden und den erforderlichen Kompetenzen für eine professionelle Praxis. Besonders hervorzuheben ist der für sich stehende Beitrag zu ethischen Fragen und der damit zugeschriebenen Relevanz.
- Digitalisierung und Organisation: Die Organisation Sozialer Arbeit sowie organisierte Organisationen in der Sozialen Arbeit werden im fünften Kapitel anhand von sechs Beiträgen thematisiert. Das Kapitel scheint ganz im Zeichen des Wandels zu stehen, da allen Aufsätzen ein gewisser Aufbruch innewohnt. Ob sozialwirtschaftliche, bürokratische oder datenschutzrechtliche Umbrüche im Zuge von Digitalisierungsprozessen, um nur einige ausgewählte Beispiele zu nennen, aber auch, wie soziale Einrichtungen Social Media für sich nutzen können. Die Diversität der Beiträge garantiert vielversprechenden Lesestoff für ein breites Fachpublikum.
- Digitalisierung in Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit: Von der Wiege bis zur Bahre – diese Floskel beschreibt passend das umfangreichste Kapitel des Handbuchs. 15 Beiträge decken hierbei nicht nur verschiedenste Lebensalter ab, sondern liefern auch spannende Einblicke in Digitalisierungsprozesse von Berufsfeldern der Sozialen Arbeit, die von Zeit zu Zeit in Vergessenheit geraten, ohne dabei zentrale Handlungsfelder, wie den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, außer Acht zu lassen.
- Forschung: Als abschließendes Kapitel fungiert dieser Bereich mit drei Perspektiven auf qualitative, quantitative und internationale Forschung zu Sozialer Arbeit und Digitalisierungsvorgängen. Hiermit wird sich der Frage angenommen, wie Forschungsdesigns an die zunehmend vermischten Online-Offline-Welten der Klientel angepasst werden können, um sich dem Gegenstand Sozialer Arbeit empirisch anzunähern.
Die Herausgeber*innen stellen in ihren einleitenden Worten fest, dass ihr Handbuch aufgrund der schnelllebigen und vielfältigen Diskurse in diesem Feld nicht mehr als ein „erster konzeptioneller Versuch“ (S. 11) sein kann. Diese Umschreibung bildet in keiner Weise den Gehalt des Handbuches ab. Mit den unterschiedlichsten theoretischen und empirischen Perspektiven auf die Disziplin und Profession Soziale Arbeit im Kontext von Digitalisierungsprozessen wird ein impulsgebender und erkenntnisreicher Schritt für Wissenschaft und Praxis begangen. Der eigene Anspruch, ein breites Themenspektrum trotz subjektiver Priorisierungen durch die Herausgebenden abzudecken, ist als erfüllt zu betrachten. Lediglich das Kapitel der Forschung ist mit drei der insgesamt 50 Beiträge spärlich skizziert. Ein angemessener Umfang des Handbuchs, gepaart mit einem schlüssigen Gesamtaufbau des Inhalts, rahmen die Positionen einer Fülle der versiertesten Wissenschaftler*innen des Fachgebiets. Die Publikation Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung eignet sich hervorragend für Sozialarbeitende, die Ausschau nach einer Unterfütterung ihres praktischen Handelns in den Schnittstellen von Sozialer Arbeit und Digitalisierung halten. Außerdem bietet es Studierenden der Sozialen Arbeit und Bezugswissenschaften einen (ggfs. ersten) Einblick in das weitreichende Feld, aber auch erfahrenen Akademiker*innen kann die Lektüre nahegelegt werden. Mit ihrer Arbeit haben die Herausgeber*innen einen wirklich empfehlenswerten Anknüpfungspunkt für die verschiedensten Kontexte und Diskurse sowie eine umfassende Querschnittsanalyse geschaffen.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Stefanie Neumaier
Beitrag als PDFEinzelansichtCornelia Stoll: Evers-Wölk, Michaela/Opielka, Michael (2019). Neue elektronische Medien und Suchtverhalten
Evers-Wölk, Michaela/Opielka, Michael (2019). Neue elektronische Medien und Suchtverhalten. Forschungsbefunde und politische Handlungsoptionen zur Mediensucht bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Baden- Baden: Nomos. 161 S., 39 €.
Elektronische Medien durchdringen immer mehr den Alltag. Dadurch gerät auch das Risiko der suchtartigen Mediennutzung zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. Michaela Evers- Wölk und Michael Opielkasetzen sich in der Publikation Neue elektronische Medien und Suchtverhalten mit aktuellen Forschungsergebnissen zur Medienabhängigkeit auseinander.
In dem ersten Teil wird der theoretische Rahmen der Studie dargestellt: Neben dem Zusammenhang von Sucht und Gesellschaft und der Relevanz der Mediensucht für Kinder und Jugendliche werden verschiedene Formen der Mediensucht wie die Onlinespielsucht oder die allgemeine Internetsucht differenziert betrachtet. Sowohl aus diesen Forschungsergebnissen als auch aus den Resultaten einer wiederholten Befragung zur Mediensucht mit Stakeholder*innen leitet das Autorenteam Schlussfolgerungen in Form von politischen Handlungsoptionen ab. Damit wird die Notwendigkeit der verstärkten Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Mediennutzungsverhalten postuliert.
Die Publikation ist besonders für interessierte Psycholog*innen und Pädagog*innen zu empfehlen. Durch die rudimentäre Verknüpfung der präsentierten – weniger überraschenden – Studienergebnisse mit Anregungen für die praktische Arbeit bleibt die Arbeit allerdings auf einer theoretisch-abstrakten Ebene. Gleichwohl fußt die medienkritische Haltung auf einer fundierten Grundlage.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Cornelia Stoll
Beitrag als PDFEinzelansichtAndrea Stephani: Hofer-Krucker Valderrama, Stefan/ Kauffmann, Rémy (Hrsg.) (2019). Neue Medien – neuer Unterricht?
Hofer-Krucker Valderrama, Stefan/ Kauffmann, Rémy (Hrsg.) (2019). Neue Medien – neuer Unterricht? Bern: hep. 263 S., 24 €.
Im schulischen Kontext wird Digitalisierung oft mit einer rein technologischen Entwicklung gleichgesetzt. Allein der Einsatz von digitalen Geräten im Unterricht kann jedoch nicht zum Lernerfolg führen. Es bedarf dazu auch einer didaktisch sinnvollen Betreuung seitens der Lehrkräfte. Die Publikation Neue Medien – neuer Unterricht? bietet Unterrichtsmethoden und Tipps zur Integration von neuen Medien wie Computer, Tablet und Handy im Unterricht. Hierdurch sollen Lehrkräfte die Digitalisierung weniger als Bedrohung erfahren, und vielmehr in die Lage versetzt werden, die neuen Möglichkeiten wahrzunehmen. Der erste Teil widmet sich der Darstellung des Mehrwerts digitaler Medien im Unterricht. Im nächsten Schritt werden Unterrichtsszenarien zur Verbesserung der Medienkompetenz der Schüler*innen vorgestellt. Insbesondere für Lehrkräfte, die sich zum ersten Mal mit diesem Thema auseinandersetzen, sind diese Anwendungsbeispiele von großem Nutzen. Weiterhin wird gezeigt, wie Lehrkräfte Projektarbeiten im Unterricht einsetzen können. Mit Hilfe dieser Projektarbeiten können sich Schüler*innen intensiver mit einem Lerngebiet auseinandersetzen. Dabei bleibt das neu erlernte Wissen auch nach der Prüfung vorhanden. Eine Liste der erwähnten Tools befindet sich im Anhang und erleichtert Lehrenden die Auswahl für ihren Unterricht. Im letzten Kapitel werden Vorstellungen präsentiert, wie die Schule von morgen mit einer integrierten Digitalisierung aussehen sollte. Von besonderer Bedeutung sind die ‚Intermezzo‘- Unterkapitel, in denen die Ergebnisse einer Erhebung vorgestellt werden. Dabei wurden Schüler*innen zweier Klassen zu ihren Meinungen befragt. Sie geben hier eine praktische Orientierungshilfe über ihre Wünsche und Schwierigkeiten im Umgang mit digitalen Medien. Hofer-Krucker und Kauffmann sind Geistes- und Kulturwissenschaftler*in und selbst Lehrkräfte an Gymnasien. Sie adressieren mit den in dieser Publikation zusammengetragenen Erfahrungen mit neuen Medien im Unterricht insbesondere Lehrkräfte, die ebenfalls in der Sekundärstufe unterrichten. Auch Lehrende anderer Schulstufen, die sich der Herausforderung neuerer Entwicklungen im Unterrichtskontext stellen wollen, können von dieser Publikation profitieren, und verschiedene leicht verständliche Arbeitsmethoden mit digitalen Medien für ihre Unterrichtsgestaltung ausfindig machen. Viele der vorgestellten Methoden können auch für die Anwendung im außerschulischen Kontext angepasst werden.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Andrea Stephani
Beitrag als PDFEinzelansichtCornelia Stoll: Killguss, Hans-Peter/Meier, Marcus/ Werner, Sebastian (Hrsg.) (2020). Bildungsarbeit gegen Antisemitismus.
Killguss, Hans-Peter/Meier, Marcus/ Werner, Sebastian (Hrsg.) (2020). Bildungsarbeit gegen Antisemitismus. Grundlagen, Methoden & Übungen. Frankfurt am Main: Wochenschau Verlag. 224 S., 24,90€.
Antisemitismus wird häufig mit der Zeit des Nationalsozialismus assoziiert. Die Publikation Bildungsarbeit gegen Antisemitismus, herausgegeben von Hans- Peter Killguss, Marcus Meier und Sebastian Werner, zielt mit Informationen zu Grundlagen, Methoden und Übungen darauf ab, einen Beitrag gegen die zunehmende Judenfeindlichkeit zu leisten. Der Fokus liegt dabei im Besonderen auf der schulischen und außerschulischen politischen Bildungsarbeit mit Jugendlichen. Unter anderem wird hier auf Verschwörungstheorien, die Diskriminierung von Muslim*innen und verschiedene Abwehrmechanismen nach dem Holocaust eingegangen.
Neben einem einführenden Abriss über die historische Entwicklung des Antisemitismus werden verschiedene Facetten und Formen von Judenfeindlichkeit beleuchtet. Mit der Darstellung von Möglichkeiten, Grenzen und Herausforderungen diesbezüglicher politischer Bildungsarbeit werden Pädagog*innen, wie durch die Thematisierung der Lebenswelten von Jugendlichen, Perspektiven für den Umgang mit Antisemitismus eröffnet. Darüber hinaus finden sich sowohl Einblicke in die soziale Konstruktion von Differenzen als auch in den Zusammenhang zwischen moderner Gesellschaft und Judenfeindlichkeit wieder.
Durch die methodische Verankerung der theoretischen Inhalte richtet sich die Publikation an Studierende, Praktiker*innen und Forscher*innen der Pädagogik. Ihnen wird aufgrund der Bandbreite der Themenbereiche die Möglichkeit gegeben, für ihre Zielgruppe angemessene Übungen auszuwählen. Die Theorie-Praxis-Verzahnung bietet dabei die Gelegenheit, Jugendliche auf kompetente Art für den alltäglichen Antisemitismus zu sensibilisieren.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Cornelia Stoll
Beitrag als PDFEinzelansichtMonika Himmelsbach: Krommer, Axel/Lindner, Martin/Mihajlovic, Dejan/Muuß-Merholz, Jöran/ Wampfler, Philippe (2019). Routenplaner #digitaleBildung
Krommer, Axel/Lindner, Martin/Mihajlovic, Dejan/Muuß-Merholz, Jöran/ Wampfler, Philippe (2019). Routenplaner #digitaleBildung. Auf dem Weg zu zeitgemäßer Bildung. Eine Orientierungshilfe im digitalen Wandel. Hamburg: ZLL21 e. V. 300 S., 22,50 €.
Welche Bedeutung haben das Internet und der digitale Wandel für die Bildung sowie die Gesellschaft? Eine weitgreifende Frage, der die Autoren aus verschiedenen Perspektiven begegnen möchten. Die Beiträge sind aus dem Kontext von Diskussionen innerhalb der Gruppe sowie auf öffentlich zugänglichen Kanälen wie Blogs und Sozialen Netzwerken entstanden. Der Band strebt an, auch in der Offline- Diskussion genutzt zu werden. Dabei wird mit Elementen von Netzbeiträgen wie Querverweisen und nicht-linearem Lesen gearbeitet. So ist die Reihung und Aufteilung der Texte nur ein unverbindlicher Vorschlag. Dabei mussten die Autoren, wie sie auch selbst sagen, einige Abstriche machen, um die Lesenden zur Diskussion in der Netzwelt zu bewegen. Ziel ist es unter anderem, neben den im öffentlichen Diskurs vorhandenen warnenden oder euphorischen Haltungen zur digitalen Bildung eine aufgeschlossene Herangehensweise zu fördern. Im Mittelpunkt stehen konkrete Phänomene – nicht deren Bewertung. Zu diesen gehören unter anderem auch neue Lernräume wie Barcamps, Flipped Classroom oder Gamification. Gleichzeitig nehmen sich die Autoren Begriffe vor, die ihrer Meinung nach verwechselt werden oder überflüssig sind. So findet Wampfler, dass es keine digital natives gibt, und dieser Begriff nur Vorurteile in sich birgt. Die damit einhergehenden Vorannahmen erschweren eine neutrale Betrachtung dessen, wie sich Menschen (neue) Medien aneignen. Weiterhin gehen die Autoren darauf ein, wie Bildung, Lehren und Lernen digitalisiert werden können, sodass die neuen Medien nicht nur als Optimierung der ‚alten‘ Pädagogik fungieren. Routenplaner #digitale Bildung regt dazu an, (eigene) Sichtweisen auf digitale Bildung zu hinterfragen, neue zu erfahren und nach eigenen Wegen zu suchen sowie eine zeitgemäße Bildung zu ermöglichen. Einen Nutzen hieraus ziehen alle Tätigen, Forschende und Studierende aus Bereichen wie Medien- oder Kulturpädagogik, Erziehungs- oder Kommunikationswissenschaften.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Monika Himmelsbach
Beitrag als PDFEinzelansichtMonika Himmelsbach: Pirsching, Manfred (2019). Bluff-Menschen. Selbstinszenierungen in der Spätmoderne. Weinheim: Beltz Juventa. 326 S., 29,95 €.
In einer Welt, in der Individualisierung und gleichzeitig Konformität gefordert werden, muss sich jedes Subjekt Strategien überlegen, um sich in dieser Umgebung verorten zu können. Schlussendlich wird zum Bluff gegriffen. Bei diesem Begriff handelt es sich laut Pirsching um Denk- und Handlungssysteme, bei denen alle Beteiligten wissen, dass die Spielregeln Fiktionen, Imaginationen und Metaphern enthalten. Ihm zufolge weiß aber nicht nur jede Person von diesem Verfahren – es wird von jeder und jedem auch erwartet, dieses zu beherrschen. Denn ohne diese Fähigkeit wäre es den Menschen nicht möglich, eine Überbrückung zwischen ihrem individuellen und anschlussfähigen Wesen zu schaffen. In Bluff-Menschen will Pirsching beispielhafte Anwendungen dieser Mechanismen aus Religion, Gemeinschaft, Politik und Wissenschaft darlegen. Dabei geht es dem Autor nicht darum, in irgendeiner Form therapeutische oder moralische Wegweiser von dieser Entwicklung weg zu bieten. Vielmehr geht es um die Aufdeckung der Erscheinungsformen. Besonders hervorzuheben sei die ‚Generation Me‘. Ihr werde vermittelt, dass sie einzigartig und wertvoll sei, und große Eigenständigkeit verdiene. Entscheidungsfreiheit kann jedoch auch zu Unsicherheit führen, und begünstigt so die Entwicklung eigener Bluffstrategien. Wie in der Einführung angegeben, verfügt der Band über keine (direkten) Hinweise zu möglichen Verhaltensweisen, die dem entgegenwirken. Dies – zusammen mit den negativ konnotierten Entwicklungen von heute und positiveren Schilderungen von damals – lässt die Leserschaft leider etwas frustriert zurück. Bluff-Menschen eignet sich als Überblick über verschiedene Ausprägungen und Ausbreitungsgebiete des beidseits wahrgenommenen Bluffs. Da keine Hinweise zur Durchbrechung dieser Strukturen vorgestellt werden, können die Erkenntnisse eventuell schwer ohne Mehrarbeit in der Praxis oder Forschung angewandt werden. Der Autor richtet sich vor allem an Soziologinnen und Soziologen. Der Band ist jedoch auch für Tätige in der Pädagogik, Kommunikationswissenschaft und anverwandte Bereiche geeignet. Die Publikation ist übrigens eine komplette Neufassung von Das Selbst, die Maske, der Bluff. Über die Inszenierungen der eigenen Person (2009). mh
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Monika Himmelsbach
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kolumne
Hans-Dieter Kübler: Lebst du noch – oder bist du online?
Mehr als vier Stunden – so schätzen Zwölf- bis 19-Jährige laut JIM-Studie 2018 selbst – sind sie täglich im Netz, allerdings in den Altersgruppen und Bildungsniveaus recht unterschiedlich. Zu über 90 Prozent tun sie dies mit dem Smartphone oder Laptop, stationärer Computer und Tablet erreichen erst recht deutlich geringere Werte. Und in der Tat: Trifft man Jugendliche irgendwo, sind sie ständig mit ihrem Smartphone beschäftigt, nehmen andere und ihre Umgebung kaum mehr war, leben gewissermaßen in einer virtuellen Blase. Bei den Sechs- bis 13-Jährigen zeigen sich laut KIM-Studie 2018 ähnliche Trends. Da kann es Eltern und Erziehenden schon bang werden, wenn sie an die Realitätswahrnehmung ihrer Sprösslingen denken, an die möglichst ausgewogene Entwicklung ihrer Fähigkeiten, an deren Kontaktkultur und Empathie. Entsprechend häufen sich Warnungen, Hilfsangebote und Ratgeber, wie man im ‚digitalen Leben‘ richtig oder falsch leben soll. Die Kontroversen polarisieren zwischen Beschränkung und Verbot, weil körperliche und psychische Schäden drohen, und euphorischen Zustimmungen und Appellen, um die Welt endlich digitaler und künftige Generationen dafür fit zu machen. Ob bei Arbeit, Medizin, Pflege, Verkehr, Haustechnik, Kultur und natürlich Bildung – überall sind Digitalisierung 4.0 und KI zu faszinierenden Zauberwörtern für Fortschritt und Wohlstand avanciert. Politik und Wirtschaft überbieten sich im permanenten Wettbewerb mit Investitionsforderungen und kühnen Szenarien dazu.
Plakativ sind viele Behauptungen und Vorwürfe auf beiden Seiten: Seit der milliardenschwere Digitalpakt zwischen Bund und Ländern beschlossen ist und erste Gelder – allerdings viel zu wenige – abgerufen werden können, schwärmen die Befürworter*innen vom Ende der schulischen Kreidezeit. Eilends verbreitete Erhebungen, wie etwa die ICLS, weisen allerdings nach, dass sich die ‚Computerkenntnisse‘ von Achtklässler*innen zwischen 2013 und 2018 kaum verbessert haben. Und die jüngste PISA-Studie vermeldete sogar Rückgänge der allgemeinen Lese- und Rechenfähigkeiten. Kritiker*innen wie der Mediengestalter Lankau (2017) versichern, dass „kein Mensch digital“ lernen könne und fordern die Schule als „Schutzraum“ für alle IT-Risiken. Der Schweizer Sachbuchautor Dobelli landete sogar einen paradoxen Coup: Seine Kunst des digitalen Lebens (2019) propagiert die totale Medien- und Online-Askese – und wurde damit Bestseller.
Fragt man genauer nach, was denn digitale Bildung konkret im Unterricht bedeutet, bleibt es noch immer recht vage: Dann sollen Schüler*innen etwa „algorithmisch denken“, also Problemlösungen konzipieren, aus Webseiten und mittels Internetrecherchen Informationen erarbeiten und bewerten, Bilder gestalten, Grafiken erstellen lernen, sich in komplexen Computersimulationen zurechtfinden – alles Aufgaben und Fähigkeiten, die auch schon in der analogen Welt bildungswertig waren, und nun mit IT-Techniken womöglich neue Formatierungen erfahren. Doch wenn sie vor der Digitalisierung von vielen nicht gelernt wurden, wie dann mit digitalen Medien? Da kommt erneut der uralte Traum von Lernmaschinen auf, die stets automatische Lernfortschritte versprachen und hernach scheiterten. Jener Technikdeterminismus dürfte auch beim nächsten digitalen Schub eine Zeitlang vorhalten. Anstatt zu erproben, was, wie, in welchem Alter und mit welchen Hilfs- und Motivationsmitteln gelernt wird, wird zuerst ein gigantischer Markt für IT- und Lernsoftware-Industrie aufgemacht, zumal er im privaten Konsum längst etabliert ist und derzeit an seine Grenzen stößt.
Beitrag aus Heft »2020/02 Beruf Medienpädagog*in«
Autor: Hans-Dieter Kübler
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Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
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