2018/04 Medienpädagogik und Informatik
Medienpädagogik hat eine lange erziehungswissenschaftliche Tradition, Informatik als Ingenieurswissenschaft einen anderen Fokus. Bisherige Bemühungen eines interdisziplinären Austauschs beruhten vor allem auf vorsichtiger gegenseitiger Betrachtung bis hin zur Abgrenzung. Die aktuellen Entwicklungen in Gesellschaft, Informatikdidaktik oder informatischer Bildung schaffen nun Gelegenheit für eine konstruktive gemeinsame Gesprächsbasis. In welchem Verhältnis stehen die Disziplinen aktuell? Was würde eine stärkere Verzahnung von Informatik und Medienpädagogik für Ziele, Qualität und inhaltliche Ausrichtung medienpädagogischer Bildungsangebote bedeuten? Medienkritik und -ethik sind integraler Bestandteil dieser Disziplin. Gilt dasselbe auch für die Informatikbildung in ihren verschiedenen Facetten? Ist deren Integration in schulische Curricula eine Bereicherung oder führt sie zu einer Verwässerung zentraler medienpädagogischer Anliegen?
Mit diesen Fragen rund um Synergien, Konkurrenzen und Gemeinsamkeiten von informatischer Bildung und Medienpädagogik befassen sich die Beiträge dieser merz-Ausgabe.
aktuell
Dana Neuleitner: Boom der Silver Gamer
Computer- und Videospielerinnen und -spieler werden zunehmend älter, so das Ergebnis des Vereins game – Verband der deutschen Games-Branche e. V. Demnach erhöhte sich das Durchschnittsalter zuletzt um 0,4 Monate auf 36,1 Jahre. Ausschlaggebend für diesen Anstieg ist, dass in der Altersgruppe der über 50-Jährigen inzwischen ein erhöhtes Interesse am digitalen Zeitvertreib besteht, wie der Verband verlauten ließ. Mit insgesamt 9,5 Millionen Mitgliedern sind inzwischen nicht etwa Kinder und Jugendliche die größte Spielergruppe Deutschlands, sondern die sogenannten „Silver Gamer“.
Erklären lässt sich dieses Phänomen zum Teil durch die demografische Entwicklung. Die Mitglieder dieser Generation waren früher selbst Pioniere im Videospielbereich und sind nun mit ihm älter geworden. Mit der fortschreitenden Digitalisierung wurden zudem in vielen Seniorenhaushalten Tablet-PCs oder Smartphones angeschafft, die im Vergleich zu Konsolen oder teuren Gaming-Computern deutlich erschwinglicher und leichter zu bedienen sind. Anders als jüngere Generationen, bei denen Ego-Shooter und Reaktionsspiele besonders beliebt sind, bevorzugen ältere Gamerinnen und Gamer die digitalen Versionen von Spielen, die sich auch in der analogen Spielewelt finden lassen. Darunter auch altbekannte Klassiker wie Puzzles, Kartenspiele oder das Zahlenrätsel Sudoku .
game sieht digitale Spiele als Chance für ältere Nutzer, da sie so spielerisch mit der digitalen Technik vertraut gemacht werden und empfiehlt außerdem die Entwicklung und das Angebot spezieller IT-Kurse, um Silver Gamerinnen und Gamer diesbezüglich weiter zu unterstützen. Dem Verband zufolge könnten Computer-und Videospiele Seniorinnen und Senioren dabei helfen, ihr kognitives Leistungsvermögen zu fördern und zu erhalten. Digitale Fitnessspiele seien möglicherweise auch in der Lage, überlastetes Pflegepersonal in Seniorenheimen und Physiotherapeutinnen und -therapeuten zu unterstützen und ihnen sogar kleinere Aufgaben abzunehmen.
Dana Neuleitner
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Dana Neuleitner
Beitrag als PDFEinzelansichtMarko Junghänel: digital.learning.lab startet in Hamburg
Ab dem Schuljahr 2018/2019 können Lehrerinnen und Lehrer in Hamburg ihre Unterrichtsmaterialien aus dem digital.learning.lab abrufen. Die Hamburger Schulbehörde hat in den vergangenen Monaten gemeinsam mit der Technischen Universität Hamburg und der Joachim Herz Stiftung diesen virtuellen Austausch- und Lernraum entwickelt.
Nach Angaben der Projektverantwortlichen verfolge man mit dem neuen Portal zwei wesentliche Ziele. Zum einen soll damit allen Lehrkräften der kostenlose Zugang zu Open Educational Resources ermöglicht werden. Dahinter verbergen sich umfangreiche Unterrichtsbausteine, didaktische Konzepte und digitale Materialien für zahlreiche Themengebiete in allen Fächern an weiterführenden Schulen. Zum anderen soll mit dem Projekt der Weg zur digitalen Bildung im schulischen Bereich grundsätzlich vorgezeichnet und geebnet werden.
Das digital.learning.lab soll Lehrkräfte dabei unterstützen, digitale Inhalte und Werkzeuge in den Unterricht zu integrieren. Neben Beispielen für eine gelingende Unterrichtsgestaltung werden im Portal deshalb gleichzeitig Hilfestellungen zur didaktischen Umsetzung geliefert. Die Projetträger sehen darin einen wesentlichen Schritt zur Etablierung digitaler Medien im Bildungsbereich – zunächst in Hamburg – im Falle eines erfolgreichen Projektabschlusses auch darüber hinaus.
Zur Erstellung der Inhalte des Portals wurde ein Team Hamburger Lehrkräften zusammengestellt, die in regelmäßigen Workshops Themen und Methoden erarbeiten. Der fertiggestellten Materialien werden dann zunächst von externen Sachverständigen geprüft. Die digitalen Unterrichtsbausteine durchlaufen somit einen Qualitätszyklus und werden unter entsprechenden CC-Lizenzen als Open Educational Resources (OER) bereitgestellt.
Neben den digitalen Unterrichtsbausteinen können auf der neuen Plattform zudem verschiedenste Materialien aus Schulen, Fachseminaren, Fortbildungsveranstaltungen und anderen Quellen zusammengetragen und ausgetauscht werden.
Zum Schuljahresbeginn 2018/19 sollen die digitalen Unterrichtsbausteine erstmals allen Lehrkräften in Hamburg im digital. learning.lab bereitgestellt werden. Das Projekt ist zunächst auf eine Laufzeit von zwei Jahren angesetzt und wird danach evaluiert.
digital.learning.lab
Marko Junghänel
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Marko Junghänel
Beitrag als PDFEinzelansichtMarko Junghänel:Neues Wiki: Interlinking Pictura
Im Mai 2018 wurde unter dem Titel Interlinking Pictura eine neue Wiki-Enzyklopädie freigeschaltet und ist als Online- Angebot zur Erforschung der Bildungsgeschichte anhand von Bildern (Zeichnungen und Illustrationen) frei zugänglich. Interlinking Pictura stellt ausgewählte Bestände des Bildarchivs Pictura Paedagogica zur Verfügung und bettet diese in einen interaktiven Bearbeitungsmodus ein. Als erste Inhalte wurde das Bilderbuch für Kinder von Friedrich Johann Justin Bertuch eingepflegt. Das Bilderbuch, das zwischen 1790 und 1830 entstanden war, umfasst mehr als 1.000 Tafeln, verteilt auf 12 Buchbände. Darin wird das Wissen, das im ausgehenden 18. Jahrhundert verfügbar war, für Kinder bildlich wiedergegeben und mit leicht verständlichen Texten erklärt. Die Themen umfassen Tier- und Pflanzenwelt, fremde Völker und Länder sowie zeitgenössische Erfindungen und Naturereignisse.
Interlinking Pictura wird als offene Plattform betrieben, an der – ähnlich wie in Wikipedia – alle Interessierten mitarbeiten sollen. Die redaktionelle Mitwirkung bezieht sich vor allem auf die Übersetzung der Texte in andere Sprachen, die Ergänzung von Text- und Bildmaterial, die Quellen- und Literaturrecherche sowie die Verlinkung der Inhalte zu anderen Wikis bzw. Webseiten.
Interlinking Pictura wird vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung betrieben und ist eine Kooperation zwischen den Abteilungen Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung und dem Informationszentrum Bildung. Ziel ist, die Forschung an Bildern als Quellen der Bildungsgeschichte zu fördern. Erreicht wird dieses Ziel durch das Zusammenbringen verschiedener Sammlungen von Bildmaterialien an einem digitalen Ort, die einheitliche erschlossen und die frei zugänglich sind. Das Projekt zielt zudem auf die Ausarbeitung des in der Pilotphase erprobten Workflows als Modellprojekt, um diesen später auch auf andere Bestände des Bildarchivs anwenden zu können.
interlinking.bbf.dipf.de index.php/Hauptseite
Marko Junghänel
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Marko Junghänel
Beitrag als PDFEinzelansichtMarko Junghänel: Deutsches Schulportal ist online
Seit Anfang Mai 2018 ist das Deutsche Schulportal online. Die Plattform macht erfolgreiche Konzepte aus der Schulpraxis für Lehrende und Schulleitungen frei zugänglich. Insbesondere bietet das Portal aktuelle Beiträge zu den Themen Schulpraxis, Bildungspolitik und Wissenschaft. Das Deutsche Schulportal versteht sich als unabhängiges Fachmedium zur Weiterentwicklung von Schule und Unterricht – darüber hinaus auch für die Gestaltung des Schullebens insgesamt.
Inhaltlich greift das Portal auf eine Sammlung innovativer pädagogischer Konzepte an Schulen zurück, die seit 2006 mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet worden waren. Die Konzepte wurden von der Deutschen Schulakademie multimedial aufbereitet.
Die Beispiele zeigen nicht nur erfolgreiche Schulpraxis, sondern auch den Weg dorthin. Sie geben keine allgemeingültigen Rezepte, sondern setzen Impulse, damit andere Schulen von diesen Konzepten profitieren und für die eigene Entwicklung nutzen können. Die Bandbreite der Themen reicht dabei vom sinnvollen Einsatz digitaler Medien im Unterricht über Aspekte von Inklusion im Schulalltag bis zur Verbesserung der Teamarbeit in den Lehrer-Kollegien. Mit einer kostenlosen Registrierung erhalten Besucherinnen und Besucher des Deutschen Schulportals Zugang zu allen Materialien. Registrierten Besucherinnen und Besuchern bietet das Portal außerdem die Möglichkeit, sich mit Kolleginnen und Kollegen anderer Schulen auszutauschen und zu vernetzen.
Das Deutsche Schulportal ist eine Initiative der Robert Bosch Stiftung, der Deutschen Schulakademie und der Heidehof Stiftung – in Kooperation mit der ZEIT Verlagsgruppe. Deren Engagement für mehr Qualität an Schulen liegt der Anspruch zugrunde, dass alle Kinder und Jugendlichen die gleichen Chancen durch Bildung bekommen sollen. Bei der Frage, was eine ‚gute Schule‘ ausmacht, orientieren sich die drei Institutionen an einem umfassenden Verständnis von Bildung und Lernen, das in sechs Qualitätsbereichen – Leistung, Vielfalt, Unterrichtinhalte, Verantwortung, Schulleben und Schulentwicklung – beschrieben wird.
Marko Junghänel
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Marko Junghänel
Beitrag als PDFEinzelansichtMarko Junghänel: stichwort
Virtuelle Influencer
Sind virtuelle Influencer – programmierte Avatare also, die sich wahlweise als Lifestyle-Vorbilder, beste Freunde oder politische Motivatoren gerieren – ein kurzlebiger Hype oder die nächste Stufe von Beeinflussungsversuchen der Industrie? Zweifel, auf welcher Seite der sich zusehends auflösenden Demarkationslinie man sich gerade befindet, sind beabsichtigt: Hat man es bei Miquela mit einem humanoiden Roboter oder einer erweiterten Form von Transhumanismus zu tun? Bei Miquela handelt es sich um ein Beispiel dafür, wie sogenannte Influencer vollständig in virtuelle Welten übersiedeln können. Das computergenerierte Instagram-Model entstammt einem kalifornischen Animationsstudio und ist Vorreiterin einer neuen Generation von Avataren. Anders als die analogen Influencer Lisa & Lena, Julien, Bibi oder Dagi, die ihre rein kommerziellen Interessen als Online-Sternchen kaum verbergen, verrät die Programmierung eines virtuellen Influencers erst beim zweiten oder gar dritten Blick den monetären Verwertungszweck: Kunstfiguren wie Miquela, Shudu und mit ihnen beispielsweise die holografischen Lebenspartner für Singles, die derzeit in Japan beliebt sind, leben einen vorurteilsfreien globalen Lifestyle, haben wie im Fall von Miquela sogar eigene Songs veröffentlicht oder sind politisch engagiert.
Natürlich sehen sie gut aus und kleiden sich modebewusst – mit Markenklamotten. Auch wenn die visuelle Darstellung zuweilen beängstigend echt wirkt – irgendwie meldet sich beim Betrachten sofort die eigene Erinnerung. Hatten wir das nicht schon mal? James Cameron lässt grüßen. Doch mitleidig belächeln darf man diesen Trend wohl nicht. Die Inszenierung ist perfekt – kleine absichtlich programmierte Fehler eingeschlossen, die Miquela und ihre künstlichen Kolleginnen und Kollegen noch sympathischer machen sollen. Fast eine Million Follower auf Instagram sprechen eine deutliche Sprache. Kinder und Jugendliche bewundern ihre virtuellen Influencer, wollen so sein wie sie – den Blick in die Welt gerichtet –, wollen für die Rechte von Frauen eintreten, den Hass auf Homosexuelle beenden. Wenn da nur nicht diese eher schlecht versteckten Kaufimpulse wären, die den Avatar und seine Macherinnen und Macher entlarven. An dieser Stelle beginnt das Problem. Dann nämlich, wenn ein makelloses Vorbild suggeriert: Hey, die Welt retten ist voll cool – aber bitte nur in stylischen Klamotten von Chanel, einer Spotify-Flatrate und hipstermäßig uniform. Politische Botschaften mit Kaufanreizen zu verbinden, endet entweder in völliger Lächerlichkeit für den Absender oder beängstigender Naivität bei den Empfängerinnen und Empfängern. Im Fall der virtuellen Influencer steht diese Entscheidung noch aus.
Marko Junghänel
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Marko Junghänel
Beitrag als PDFEinzelansichtDana Neuleitner: Kultur trifft Digital
Nicht jeder hat heutzutage die Möglichkeit, das Potenzial, das in digitalen Medien steckt, vollends zu nutzen. Vor allem sozial- und bildungsbenachteiligte junge Menschen bleiben im Gegensatz zu ihren Peers oft zurück.
Durch das bundesweite Projekt Kultur trifft Digital: Stark durch digitale Bildung und Kultur werden diese Kinder und Jugendlichen im Alter von sechs bis 18 Jahren in den nächsten fünf Jahren überregional darin gefördert, kulturelle Werke mit Hilfe digitaler Medien zu erleben und zu gestalten. Seit Anfang des Jahres setzt die Stiftung Digitale Chancen das Projekt im Rahmen des Förderprogramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) um. Ziel ist unter anderem die Entwicklung wichtiger Kompetenzen für das Leben in einer digitalen Gesellschaft.
Für die Durchführung des Projektes sucht die Stiftung Digitale Chancen deutschlandweit lokale Bündnispartner. Für die Durchführung kooperiert die Stiftung mit mindestens zwei lokalen Partnern als ein Bündnis für Bildung – diese können Familien-, Freizeit-, Jugend- oder Kultureinrichtungen sowie Freiwilligenagenturen sein. Es werden stets zwei aufeinander aufbauende Veranstaltungen durchgeführt: Ein eintägiger digitaler Orientierungsparcours und ein mehrtägiger medienpraktischer Workshop.
Dabei werden an vier verschiedenen Stationen verschiedene Nutzungsmöglichkeiten digitaler Medien aufgezeigt und so Einblicke in die Gestaltungsmöglichkeiten geboten. Zu den Schwerpunkten, die später im medienpraktischen Workshop vertieft werden können, gehören: Digitaler Sound, Digitale Technik, Digitale Sprache und Digitale Realität. Kinder und Jugendliche produzieren unter anderem Melodien am Tablet, erhalten ein Grundverständnis für die Funktionen digitaler Alltagsgegenstände und erwerben erste Programmierkenntnisse.
Für ein möglichst flächendeckendes Angebot sucht Stiftung Digitale Chancen lokale Bündnispartner, die zum Aufbau lokaler Netzwerke beitragen und dauerhafte Bildungsangebote anbieten sollen.
www.kultur-trifft-digital.de
Dana Neuleitner
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Dana Neuleitner
Beitrag als PDFEinzelansichtKarin Knop: nachgefragt
Dr. Karin Knop sprach mit Prof. Dr. Rainer Riedel, Direktor des Instituts für Medizinökonomie und medizinische Versorgungsforschung der Rheinischen Fachhochschule Köln und Leiter der BLIKK-Studie 2017 (BLIKK = Bewältigung, Lernverhalten, Intelligenz, Kompetenz, Kommunikation) über deren Ergebnisse und das Medienverhalten von Heranwachsenden.
merz: Im Rahmen des Projekts BLIKK wurden 5.636 Eltern und deren Kinder zum Umgang mit elektronischen Medien befragt und gleichzeitig im Rahmen der üblichen Früherkennungsuntersuchung die körperliche, entwicklungsneurologische und psychisch-soziale Verfassung nach Paed.Check® dokumentiert. Wie kam es zum Zuschnitt der Studie?
Riedel:In der Fernsehforschung wurde bereits vor einigen Jahren festgestellt, dass der übermäßige Konsum von Fernsehen zu Leistungs- und Schlafstörungen führen kann. Zu lange Nutzungszeiten könnten diagnostisch betrachtet zu Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsstörungen führen. Wir arbeiteten mit Evaluationsinstrumentarien, die auch in der Pädiatrie bei Früherkennungsuntersuchungen etabliert sind. Die empfohlenen Richtwerte der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und von no-ZOFF, einer schweizer Organisation zur Jugend- und Familienberatung, wurden als Cut-off- Werte zur Beurteilung der Nutzung elektronischer Medien für Kinder im Alter von drei bis 14 Jahren verwendet.
merz: Was waren für Sie die überraschendsten oder bedeutsamsten Befunde dieser Querschnittsstudie?
Riedel: Auffallend ist, dass bereits ein wesentlicher Teil der Drei- bis Sechsjährigen elektronische Medien (Fernseher und Smartphone in Kombination) länger als 30 Minuten nutzt. Der entsprechende Richtwert (BZgA bzw. no-ZOFF) wird somit bei jedem zweiten Kind überschritten. In der Gruppe der Sechs- bis Neunjährigen nutzten schon rund 75 Prozent die elektronischen Medien über 30 Minuten pro Tag.
merz: Sie plädieren also für eine starke Begrenzung der Nutzung von mobilen digitalen Bildschirmmedien?
Riedel: Wir empfehlen aufgrund unserer Studienergebnisse grundsätzlich, dass die empfohlenen Richtwerte für die Nutzung elektronischer Medien im Kindesalter eingehalten werden. Einen Einjährigen mit bewegten elektronischen Bildern abzulenken und so zu beruhigen, halte ich im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt noch unzureichende Entwicklung des kindlichen Gehirns für problematisch. Ebenso kann man kontrovers diskutieren, ob es sinnvoll ist, einen Dreijährigen in der S-Bahn mit einem Tablet oder Smartphone zu beschäftigen, damit er Dritte nicht stört. Auch sollten wir darüber nachdenken, dass man noch vor wenigen Jahren Kindern Malbücher für eine kreative Beschäftigung gegeben hat. Ich unterstütze diese Idee mit den Malbüchern, denn hier lernen unsere Kinder bereits früh, die gewünschte Farbe zu wählen; nehmen sie die falsche Farbe, müssen sie radieren oder neu anfangen; dies erfordert eine höhere Konzentrationsspanne im Vergleich zur Nutzung eines Tablets, bei dem man dann das fehlerhafte Ausmalen einfach wegwischen kann. Eine solche Erfahrung ist im Hinblick auf die feinmotorische sowie geistige Entwicklung eines Kindes bedeutsam.
merz:Vom Ausgangsdesign her haben Sie Risiken und Entwicklungsauffälligkeiten und -störungen wie zum Beispiel Konzentrationsschwächen, Sprachentwicklungsstörungen und Hyperaktivität sehr stark in den Mittelpunkt gerückt. Warum?
Riedel:Es sei der Hinweis erlaubt, dass wir die eben angesprochenen Entwicklungsauffälligkeiten nicht in den Fokus gerückt hatten – denn wir haben nur die Untersuchungs-Tools der pädiatrischen Früherkennung unserer Studie zugrunde gelegt. So bestand die Zielsetzung, zu untersuchen, inwieweit gegebenenfalls Hinweise auf mögliche kindliche Entwicklungsstörungen in Verbindung mit einer Nutzung der elektronischen Medien zu beobachten wären. Diese Untersuchung steht im Zusammenhang mit den bereits in der Literatur bei (jungen) Erwachsenen beschriebenen Gesundheitseinschränkungen wie etwa Schlafstörungen oder depressiven Verstimmungen im Zusammenhang mit der Nutzung von elektronischen Medien. So kann man davon ausgehen, dass deren Nutzung eine neuropsychologische Wirkung induzieren kann. Vor diesem Hintergrund kommt dem Untersuchungsdesign eine besondere Bedeutung zu, da man so mögliche Hinweise auf eine neuropsychologische Entwicklungsauffälligkeit im Verlauf der Entwicklung des (früh-) kindlichen Gehirns abbilden kann. In dieser Phase werden dort lebensbedeutsame neuronale Netze „gespannt“, die für die Ausbildung menschlicher Grundelemente wie etwa Empathie, Sprache und auch die motorische Entwicklung erforderlich sind. So verstehen wir unter Letzterer nicht das Herumtippen auf einem Tablet, sondern beispielsweise im Sandkasten mit nassem und trockenem Sand oder Bauklötzen zu spielen oder Dreirad und Roller zu fahren. So können unterschiedliche motorische/ haptische Erfahrungen gesammelt werden.
merz:Kindliche Entwicklung kann nicht ausschließlich über Medienhandeln erfolgen, das ist richtig. Alle Ihre benannten Aspekte sind definitiv wichtig. Nichtsdestotrotz gibt es viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sagen, dass eine strikte Richtlinie für Nutzungszeiten an der Realität vorbei zielt. Denn wenn ein Kind zwar diese Zeiten überschreitet, Bildschirmmedien sonst aber vollkommen funktional, sozial und individuell zuträglich nutzt und all diese außermedialen Entwicklungspotenziale ebenfalls ausschöpft, kann es gar nicht zu diesen negativen Effekten kommen. Man kann es also nicht ausschließlich an der reinen Nutzungsdauer festmachen.
Riedel: Wir sollten jedoch berücksichtigen, dass wir uns heute in einem weltweiten „in vivo-Experiment“ hinsichtlich der Nutzung von elektronischen Medien während der (früh-)kindlichen geistigen, seelischen und motorischen Entwicklung befinden. Wie bereits ausgeführt, müssen Kinder nach den bisherigen entwicklungstheoretischen Modellen hier entsprechende analoge Fähigkeiten entwickeln. So ist es unsere Aufgabe präventiv dafür zu sorgen, dass unsere Kinder heute auch eine entsprechende Entwicklung „mit auf ihren Weg“ bekommen, damit sie in die Lage versetzt werden, sich in einer analogen wie auch in der digitalen Welt erfolgreich zu positionieren. Die angesprochenen Richtwerte sind im Moment die einzige Grundlage für einen adäquaten Umgang mit elektronischen Medien im (Klein-) Kindesalter. Eine ausgewogene und gesunde Ernährung ist eine gute Analogie: Wir können heute auf elektronische Medien genauso wenig verzichten wie auf eine ausgewogene Ernährung – denn wir wissen, dass erworbene falsche Ernährungsgewohnheiten im Kindesalter langfristige gesundheitliche Folgen haben können. Wir möchten Menschen deswegen gerne Empfehlungen an die Hand geben können, ähnlich eines Kochrezeptes, um elektronische Medien in einem „gesunden Maß“ im (Klein-)Kindesalter nutzen zu können
merz: In den pädiatrischen Empfehlungen finden sich Angaben wie „Vermeiden Sie Bildschirmmedien bei unter Dreijährigen“. Finden Sie, dass exakte Angaben für die Nutzung hilfreich sind oder haben Sie selbst Schwierigkeiten, so genaue Richtwerte und Empfehlungen auszusprechen?
Riedel: Als Arzt für Nervenheilkunde möchte ich Ihnen klare Antworten geben. Wenn wir uns nach der BZgA oder no-ZOFF richten, da es keine anderen belastbaren Richtwerte zur Verfügung gibt, empfehle ich keine Nutzung von elektronischen Bildschirmmedien bei den Null- bis Dreijährigen. Nun haben wir auch einen gesellschaftlichen Evaluationsprozess, der darauf abzielt, dass wir uns täglich mit elektronischen Bildschirmmedien umgeben. In diesem „permanently online – permanently connected“-Modus empfehle ich, wieder „On- und Offline-Phasen“ einzuführen – denn unser Gehirn braucht schließlich auch Ruhephasen. So bietet eben nicht nur die digitale Welt schöne Lebensinhalte – auch die Schönheit in der uns umgebenden analogen Natur sollten wir zumindest im gleichen Maße wieder wahrnehmen. Elektronische Medien haben das Verhalten der Menschen und deren Alltag sicherlich extrem verändert. Im Rahmen dieser sozioevolutionären Entwicklung müssen wir nun lernen, entsprechende kinderkonforme pädagogische Konzepte zu entwickeln, um die elektronischen Bildschirmmedien angemessen in eine analoge Erlebniswelt zu integrieren.
merz:Kinder anzuleiten und pädagogisch zu begleiten, sollte für eine individuell und sozial zuträgliche Mediennutzung im Vordergrund stehen. Finden Sie nicht, dass dramatische Befunde da schnell zu einer Verteuflung führen können?
Riedel:Das ist genau der Tenor, den wir in unserem Bericht nicht angeschlagen haben. Deswegen haben wir uns auch für die Einbeziehung der Cut-off-Werte entschieden. Wir haben sie entsprechend gewählt, wie diese von der BZgA und von no-ZOFF vorgegeben sind. Des Weiteren gibt es heute etwa US-amerikanische Studien, die Zusammenhänge zwischen der Nutzungsdauer sozialer elektronischer Medien und der Höhe des depression score zeigen. So haben wir darauf hingewiesen, dass die Eltern sowie deren Nachwuchs eine entsprechende Medienkompetenz entwickeln sollten, um zukünftig ein ausgewogenes Gleichgewicht einer analogen-digitalen Erlebniswelt genießen zu können. Im Augenblick sind wir eine Forschungsgruppe, die die Hinweise aus der Fernsehforschung hinsichtlich einer langen Mediennutzungsdauer und den korrespondierenden beobachteten Beschwerden und Leistungsstörungen wie Schlafstörungen, Depressionen oder Leistungsstörungen im Hinblick auf eine mögliche Übertragbarkeit auf die übrigen elektronischen Bildschirmmedien überprüfen. So werden wir die Aufgabe haben, zukünftig die wissenschaftlichen neuropsychologischen mit den medienpädagogischen Kompetenzbereichen zu koppeln, um in Längsschnittstudien etwa tragfähige Konzepte für die Nutzung elektronischer Bildschirmmedien zu untersuchen und zu entwickeln.
merz: In der Medienlogik sagt man ja „bad news are good news“. Wie ist es Ihnen mit der medialen Aufmerksamkeit ergangen?
Riedel: Wir haben keine „bad news“ gebracht, das ist immer eine Frage der Interpretation. Wir weisen nur darauf hin, dass die übermäßige Nutzungsdauer von elektronischen Medien (Fernseher/ Smartphone) in Abhängigkeit zur Altersgruppe zu Entwicklungsstörungen führen kann. Nur weil ein Kind länger als 30 Minuten Medien nutzt, muss es nicht an Konzentrationsstörungen leiden; aber bei den Kindern, die eben über diese Richtwerte hinaus Medien nutzen, ist statistisch signifikant auffällig, dass sie in höherem Maße darunter leiden. Digitalisierung bedeutet ubiquitäre 24-stündige Erreichbarkeit und wir möchten zumindest darauf hinweisen, dass es unter bestimmten Konstellationen zu Entwicklungsauffälligkeiten führen kann. Also ist dies eine „Good News“, denn so ermöglichen wir Eltern und Pädagogen, präventiv die Nutzungszeiten von elektronischen Medien zu steuern, um so unseren Kindern eine ausgewogene analoge und digitale Entwicklung zu bieten.
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Karin Knop
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Kathrin Demmler, Björn Maurer: Die Welt verstehen – geht das noch?
Gesichtserkennung am Smartphone und Sensoren im Smarthome, selbstlernende Algorithmen und selbstfahrende Autos, Blockchains und Uploadfilter... Die digitale Transformation der Gesellschaft ist in vollem Gange. Viele nutzen die niederschwelligen digitalen Annehmlichkeiten mit Begeisterung, andere beobachten sie mit Sorge. Aber ganz gleich, ob wir als digitale Nomaden, Sharing Economists oder Quantified Selfs in unseren medialen und/oder sozialen Echokammern unterwegs sind, ob wir als medienabstinente Skeptikerinnen und Skeptiker oder doch als kritische und engagierte digital Citizens agieren, stellt sich die Frage, auf welcher (Wissens-)Grundlage wir uns zur Digitalisierung positionieren. Was wissen und verstehen wir tatsächlich von den Funktionsweisen digitaler Systeme, der Struktur von Suchalgorithmen oder potenziellen Auswertungsmöglichkeiten von Big Data? Sind wir in der Lage, digitale Angebote bewusst, kritisch und verantwortungsvoll zu nutzen oder zu entwickeln? Angenommen, wir möchten einerseits in der digitalen Gesellschaft handlungsfähig und selbstwirksam bleiben und andererseits die digitale Transformation aktiv mitgestalten; wie können wir dies in einer Welt, in der smarte Geräte für uns mitdenken, sinnvoll leisten?
Sobald Algorithmen und Informatiksysteme unbemerkt in unseren Alltag eingreifen, sind die Möglichkeiten für autonomes Handeln und Selbstbestimmung eingeschränkt. Geolokalisierung, Social Bots und personalisierter Content sind nur wenige Beispiele. Überkomplexe Informationsverarbeitungs- und Nutzungsvereinbarungen digitaler Dienste erschweren die informationelle Selbstbestimmung und die Wahrung der Privatsphäre. Politische Meinungsbildung wird zur Herausforderung, wenn Algorithmen im den öffentlichen Diskurs verdeckt zur Meinungsmache und Propaganda eingesetzt werden. Grenzen verwischen nicht mehr nur zwischen Öffentlichem und Privatem, sondern auch zwischen medialer Oberfläche und digitaler Tiefenstruktur. Und die digitale Welt wirklich zu verstehen, ist voraussetzungsvoll.
Wie soll die Medienpädagogik auf Entwicklungen in informatisch-technischen Bereichen reagieren? Die intensive Auseinandersetzung mit Technik zählte bisher nicht zu den primären Zielen einer erziehungswissenschaftlich ausgerichteten Medienpädagogik in der Tradition der kommunikativen Kompetenz nach Dieter Baacke. Im Fokus standen eher die Menschen als Subjekte der Mediennutzung, medial repräsentierte Inhalte, gestalterische, systemische bzw. ethische Fragen. Die Technik war nötig, stand aber nicht im Zentrum. Hat die kommunikative Kompetenz angesichts der aktuellen technologischen Entwicklung als Referenzrahmen für die Erziehung Heranwachsender zu kritisch-emanzipierten Mediennutzenden ausgedient? Kann die Förderung von Medienkompetenz sich wie bisher trotz einer zunehmenden Verschmelzung von Inhalt und Technik vor allem auf die kritisch-reflektierte Auseinandersetzung mit Inhalten sowie die selbstbestimmte Nutzung und Produktion konzentrieren?
Inwieweit braucht die Medienpädagogik an dieser Stelle die Unterstützung der Informatik(didaktik)? Sollen informatische Kompetenzen im Sinne einer Grundbildung erworben werden oder ist zudem – wie in der bildungspolitischen Öffentlichkeit oft gefordert wird – eine systematische Alphabetisierung etwa im Programmieren erforderlich und muss diese bereits in der frühkindlichen Bildung beginnen?
Medienpädagogik hat eine lange erziehungswissenschaftliche Tradition, Informatik als Ingenieurswissenschaft einen anderen Fokus. Bisherige Bemühungen eines interdisziplinären Austauschs beruhten vor allem auf vorsichtiger gegenseitiger Betrachtung bis hin zur Abgrenzung. Die aktuellen Entwicklungen in Gesellschaft, Informatikdidaktik oder informatischer Bildung schaffen nun Gelegenheit für eine konstruktive gemeinsame Gesprächsbasis.
In welchem Verhältnis stehen die Disziplinen aktuell? Was würde eine stärkere Verzahnung von Informatik und Medienpädagogik für Ziele, Qualität und inhaltliche Ausrichtung medienpädagogischer Bildungsangebote bedeuten? Medienkritik und -ethik sind integraler Bestandteil dieser Disziplin. Gilt dasselbe auch für die Informatikbildung in ihren verschiedenen Facetten? Ist deren Integration in schulische Curricula eine Bereicherung oder führt sie zu einer Verwässerung zentraler medienpädagogischer Anliegen?
Mit diesen Fragen rund um Synergien, Konkurrenzen und Gemeinsamkeiten von informatischer Bildung und Medienpädagogik befassen sich die folgenden Beiträge. Eingangs setzen sich Sven Kommer und Peter Hubwieser mit den Kompetenzbereichen ihrer Disziplinen auseinander und gehen der Frage nach, wo gemeinsame Aufgaben deutlich werden. Heidi Schelhowe formuliert in ihrem Beitrag gesellschaftspolitische Ansprüche einer ganzheitlichen informatischen Bildung. Diese macht Informatik in handlungsorientierten Lernsettings be-greifbar und zeigt durch Programmieren, dass Algorithmen gestaltbar und menschengemacht sind. Thomas Knaus betont in seinem Artikel die Synergien von Medienpädagogik und Informatik. Er zeigt, dass Medienkritik nicht auf die wahrnehmbare mediale Oberfläche beschränkt sein darf, sondern die technische Basis wie Software und Handlungsvorschriften berücksichtigen muss. Ab 2010 wurde in der Deutschschweiz an einem gemeinsamen Lehrplanprojekt (Lehrplan 21) für die Volksschule gearbeitet. Welche Chancen sich aus der Einführung von Medien und Informatik als Modul mit eigener Stundendotation ergeben, erläutert Thomas Merz. In einem Interview mit Leena Simon gehen wir den Bedingungen von Mündigkeit im digitalen Zeitalter nach, bevor sich Fabian Wörz dem Diskurs zum Programmieren mit Kindern widmet und sich mit praxisnahen Zugängen zur kindgerechten Informatik im Synergiefeld von Making und Coding auseinandersetzt.
Die hier angesprochenen Bildungsangebote im Bereich DIY/Making oder auch Hackathons beziehen sich auf Konzepte der aktiven Medienarbeit und greifen zunehmend konzeptionell-technische Fragen auf – meist eingebettet in einen konkreten Anwendungs- und Sinnbezug. An dieser Stelle möchten auch wir mit Bezug auf das Dagstuhl-Modell die Bedeutung des gemeinsamen interdisziplinären Diskurses unterstreichen und hoffen unsererseits, mit dieser Ausgabe von merz beizutragen, den Dialog fortzusetzen und Interesse an den jeweiligen Spezifika der Fachdisziplinen zu wecken. Denn, soweit möchten wir hier Stellung beziehen, die komplexen medialen Strukturen lassen sich sicher nicht in Abgrenzung und ohne Experimentierfreude erfassen. Individuen können die Welt nicht mitgestalten ohne sich Gedanken über digitale Transformationen zu machen. Medienpädagogik ist gerade deshalb so einzigartig, weil sie davon lebt, aufgeschlossen zu sein, integrativ zu wirken und im besten Fall dazu beiträgt, die Welt zu verstehen und mitzugestalten.
Kathrin Demmler ist Direktorin des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis sowie Mit-Herausgeberin der Zeitschrift merz. Ihre Schwerpunkte sind Medienarbeit mit Kindern, Modelle und Konzepte für die Bildungsarbeit sowie Vernetzung.
Dr. Björn Maurer ist Dozent für Medien und Informatik an der Pädagogischen Hochschule Thurgau. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören unter anderem Interkulturelle Jugend-Medienarbeit, Hochschuljournalismus und Mobiles Lernen.
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Kathrin Demmler, Björn Maurer
Beitrag als PDFEinzelansichtSven Kommer: Medienpädagogik und informatische Bildung – Gemeinsam oder besser getrennt?
Die Beziehung zwischen Informatik(-didaktik) und Medienpädagogik war in der Vergangenheit oft schwierig. Mit den Snowden- Enthüllungen und der Debatte um digitale Bildung bestand ein relevanter Anlass, um erneut nach verbindenden und ergänzenden Qualitäten beider Disziplinen zu fragen. Ein „tragfähiges Fundament für eine adäquate Subjektentwicklung“ findet sich demnach für den Autor dieses Beitrages nur in einer Zusammenarbeit.
Dabei zeigen Entstehungskontext des Konzepts ‚Medienkompetenz‘ und der Blick auf die aktuellen Kompetenz-Diskurse, dass die beiden Fächer ‚Informatik‘ und ‚Medienpädagogik‘ als Domänen keinesfalls ineinander aufgehen, die komplexen, theoriebasierten und nur leicht überschneidenden Konzepte der Disziplinen einander aber in jedem Fall bedingen (sollten).
Literatur:Baacke, Dieter (1968). Beat – die sprachlose Opposition, Juventa, Weinheim/München.
Baacke, Dieter (1973). Kommunikation und Kompetenz. Grundlegung einer Didaktik der Kommunikation und ihrer Medien. München. Juventa.
Baacke, Dieter (1996). Medienkompetenz als Netzwerk. Reichweite und Fokussierung eines Begriffs, der Konjunk¬tur hat. In: medien praktisch, 2/96, S. 4–10.
Barberi, Alessandro (i.V.). Von Kompetenzen, Systemen, Kommunikationen und Handlungen Eine diskursanalyti¬sche Tiefenanalyse von Dieter Baackes ›Kommunikation und Kompetenz‹.
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2007). Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Expertise. Unter Mitarbeit von Eckhard Klieme, Herman Avenarius und Manfred
Prenzel. Berlin. www.bmbf.de/ pub/zur_entwicklung_nationaler_bildungsstandards.pdf [Zugriff: 17.06.2018].Döbli, Beat (2017). Dagstuhl-Dreieck: “Speak with one voice” reloaded. (Blogeintrag). blog.doebe.li/Blog/ DagstuhlDreieck [Zugriff: 17.6.2018].
Habermas, Jürgen/Luhmann, Niklas (1971). Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Herzig, Bardo (2016). Medienbildung und Infor¬matische Bildung – Interdisziplinäre Spurensuche. In MedienPädagogik, 25, S. 59–79, doi:10.21240/ mpaed/25/2016.10.28.XKnaus, Thomas (2017). Verstehen – Vernetzen – Ver¬antworten. Warum Medienbildung und informatische Bildung uns alle angehen und wir sie gemeinsam weiter¬entwickeln sollten. In: Diethelm, Ira (Hrsg.), Informati¬sche Bildung zum Verstehen und Gestalten der digitalen Welt. 17. GI-Fachtagung Informatik und Schule. Bonn: Gesellschaft für Informatik (GI) 2017, S. 31–48. www. pedocs.de/volltexte/2017/14862/pdf/Knaus_2017_Ver¬stehen_vernetzten_verantworten.pdf [Zugriff: 17.6.2018].
Maturana, Humberto R. (1982). Erkennen: Die Organi¬sation und Verkörperung von Wirklichkeit: Ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie, Braunschweig: Vieweg & Sohn.
Swertz, Christian (2013). Freiheit durch Partizipation. Ein Oxymoron? In: Biermann, Ralf/Fromme, Johannes/ Verständig, Dan (Hrsg.), Partizipative Medienkulturen. Positionen und Untersuchungen zu veränderten Formen öffentlicher Teilhabe, Wiesbaden: Springer, 69–88.
Tulodziecki, Gerhard (2016). Konkurrenz oder Koopera¬tion? Zur Entwicklung des Verhältnisses von Medienbil¬dung und informatischer Bildung. In: MedienPädagogik, 25, S.7–25. doi:10.21240/mpaed/25/2016.10.25.X
Prof. Dr. Sven Kommer ist seit 2011 Professor im Lehr- und Forschungsgebiet Allgemeine Didaktik mit dem Schwerpunkt Technik- und Medienbildung an der RWTH Aachen University.
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Sven Kommer
Beitrag als PDFEinzelansichtPeter Hubwieser: Informatische Bildung und Medienerziehung
Digitale Systeme durchdringen zunehmend den beruflichen und privaten Alltag. Sich selbstbestimmt und verantwortungsvoll in einer digitalen Welt zu bewegen wird künftig ohne informatische Bildung kaum noch vorstellbar sein. Anhand aktueller Entwicklungen werden in diesem Beitrag wichtige digitale Herausforderungen, aber auch Potenziale für Schule und Gesellschaft herausgestellt.
Insbesondere wird der aktuelle bayerische Informatikunterricht darauf bezogen sowie Schnittstellen zwischen Medienbildung, Medienerziehung sowie informatischer Bildung beleuchtet. Der Beitrag schlägt weiter vor, wie informatische Bildung in Abstimmung mit einer angemessenen Medienbildung in der heutigen Zeit umgesetzt werden kann und was dazu in allen Bundesländern unternommen werden sollte.Anmerkungen
1 www.xing.com/news/klartext/warum-wir-lehrer-kein-generelles-handyverbot-wollen-2309 [Zugriff: 18.04.2018].
2 www.sueddeutsche.de/bayern/unterrichtsge¬setz-bayern-will-das-handy-verbot-an-schulen-lo-ckern-1.3978571 [Zugriff: 12.06.2018].
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Prof. Dr. Peter Hubwieser ist Professor für Didak¬tik der Informatik an der Technischen Universität München und wissenschaftlicher Leiter des Schü¬lerforschungszentrums Berchtesgadener Land. Im Jahr 2017 wurde er von der Bayerischen Staats¬regierung zum Sprecher für den Bereich Bildung im Zentrum Digitalisierung.Bayern berufen. Sein damals neuartiger didaktischer Ansatz führte zur Einführung eines Pflichtfaches Informatik an den bayerischen Gymnasien. Derzeit beschäftigt er sich vor allem mit empirischer Lehr-Lernforschung zu Informatik-Kompetenzen.Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Peter Hubwieser
Beitrag als PDFEinzelansichtHeidi Schelhowe: Vom Digitalen Medium und vom Eigen-Sinn der Dinge
Informatik kann der Medienpädagogik die Chance bieten, in Bildungsprozessen die Dinge mit ihrem Eigen-Sinn in den Blick zu nehmen. Über das Erforschen Digitaler Medien als programmierte und interaktive Medien wird begreifbar, wie sich Persönlichkeitsentwicklung in der Digitalen Kultur verändert, wie die Beziehung zu anderen und zur Welt neu gestaltet wird. Die Digitalen Medien mit ihren begreifbaren Interfaces bieten die Möglichkeit, das Be-Greifen als Learning-by-Design zu organisieren.
Anmerkungen
1 idw-online.de/de/news615217
2 www.gi-hill.de/Memorandum_Schulinformatik.pdf
3 www.golem.de/news/umfrage-mehrheit-der-deutschen-fuer-pflichtfach-informatik-1803-133387.html www.gi.de/ fileadmin/redaktion/Download/memorandum _schulinfor-matik040921.pdf
4 In den Äußerungen ihrer Gliederungen, insbesondere des Fachbereichs Ausbildung/Informatikdidaktik wird allerdings weit stärker der Bezug zur Allgemeinbildung hergestellt.
5 GI-Empfehlung 2000: Informatische Bildung und Medienerziehung. In: Informatik Spektrum, Band 23, Heft 2.
6 mit einigen frühen Ausnahmen, z. B. Werner Sesink.
7 dsgvo-gesetz.de
8 GI-Dagstuhl-Seminar (2015): „Erklärung zur Informati¬schen Bildung in der Schule“. Informatik-Spektrum Bd. 38 Heft 3 Juni, 244–245.
9 Strategie der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“ 2016 www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/ PresseUndAktuelles/2016/Bildung_digitale_Welt_Webversi¬on.pdfLiteratur
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Prof. Dr. Heidi Schelhowe ist Professorin für Digi¬tale Medien in der Bildung am Fachbereich Infor-matik und Mathematik der Universität Bremen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören unter anderem Software- und Hardwareentwicklung für Bildungskontexte, Gestaltung von Lernumgebungen und Medienbildung.
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Heidi Schelhowe
Beitrag als PDFEinzelansichtThomas Knaus: Gegeneinander – Nebeneinander – Miteinander?
Wir kommunizieren und kooperieren in medialer Form auf digitaler Basis. Die digitale Basis erweitert mediale Funktionen und ermöglicht so, dass alle Menschen zu medial und technisch Handelnden werden. Medienkompetenzförderung bleibt damit unverzichtbar, sie gewinnt – gerade in andauernden Wandlungsprozessen – weiter an Relevanz. Auch handlungsorientierte Praxisansätze sind aktueller denn je, zumal sie auch zur Förderung technischen Grundlagenwissens und informatischer Bildung herangezogen werden könnten. Medienpädagogische Fragen haben also Konjunktur. Dennoch sollte die Medienpädagogik ihren interdisziplinären Blick auch um technisch-gestalterische Disziplinen erweitern, da sie nicht (mehr) ausblenden kann, dass nicht nur potentiell alle Menschen, sondern auch die digitaltechnische Basis sowie eingeschriebene und selbstlernende Handlungsvorschriften die mediale Oberfläche beeinflussen. Im Beitrag wird diskutiert, warum und worin Medienpädagogik und Informatik in Forschung und Praxis voneinander profitieren können.
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Dr. phil. Thomas Knaus ist Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik und Leiter der Abteilung Medienpädagogik an der PH Ludwigsburg, Wissenschaftlicher Direktor des FTzM in Frankfurt am Main und Honorarprofessor am Fachbereich Informatik & Ingenieurwissenschaften der Frankfurt UAS. Seine Forschungsschwerpunkte sind Medienpädagogik und Bildungsinformatik. Er ist Mitglied des Lenkungskreises von KBoM! sowie der GI, Mitglied des Bundesvorstands der GMK und Sprecher der Fachgruppe Qualitative Forschung.Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Thomas Knaus
Beitrag als PDFEinzelansichtThomas Merz: Endlich Verbindlichkeit für schulische Medienbildung in der Schweiz
Im deutschsprachigen Raum der Schweiz findet derzeit eine bemerkenswerte Entwicklung zur Etablierung der Medienpädagogik in der Volksschule statt. Erstmals hält ein gemeinsamer Lehrplan für die ganze Deutschschweiz verbindlich zu erreichende Kompetenzen im Bereich Medienbildung und Informatik fest, erstmals werden dafür sogar Stundengefäße eingeplant.
Dieser Schritt löst auf allen Ebenen des Bildungswesens eine große Dynamik aus und kann für die Integration der Medienpädagogik ohne Zweifel als historisch bezeichnet werden.Literatur:
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Süss, Daniel; Lampert, Claudia; Wijnen, Christine W. (2010). Medienpädagogik. Ein Studienbuch zur Einführung. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Prof. Dr. phil., lic. theol. Thomas Merz ist Prorektor für Forschung und Wissensmanagement an der Pädagogischen Hochschule Thurgau im Bildungsraum Kreuzlingen/Konstanz. Er ist als Medienpädagoge seit vielen Jahren in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung tätig und engagiert in zahlreichen Fach- und Expertenkommissionen, darunter auch bei der Erarbeitung des neuen Deutschschweizer Lehrplans.Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Thomas Merz
Beitrag als PDFEinzelansichtKathrin Demmler, Björn Maurer: Digitale Mündigkeit heißt nicht nur den Hebel drücken
Entscheidungen werden im Alltag zunehmend automatisiert getroffen. Filter, Empfehlungen, Klicks und Likes steuern die Handlungen im Netz und wirken auf das (künftige) Dasein im Hier und Jetzt. Als frei erlebte Entscheidungen müssen sie nicht unbedingt einer echten Freiheit entsprechen. Wo aber beginnt digitale Mündigkeit und was befähigt zu (Problem-)Bewusstsein und differenziertem Umgang mit Technik? Kathrin Demmler, Direktorin des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, und Björn Maurer, Dozent für Medien und Informatik an der Pädagogischen Hochschule Thurgau, im Gespräch mit Leena Simon von Digitalcourage e. V., einem gemeinnützigen Verein, der sich für Grundrechte, Datenschutz und Lebensqualität im digitalen Zeitalter engagiert
<I>Leena Simon ist graduierte (Netz-)Philosophin und arbeitet als IT-Beraterin im Anti-Stalking- Projekt im Frieda Frauenzentrum. Außerdem ist sie freiberuflich mit Vorträgen und Schulungen unterwegs und aktiv bei Digitalcourage e. V. Zu ihren Schwerpunkten gehören Netzphilosophie, digitale Selbstverteidigung, digitale Mündigkeit, Rahmenbau, Datenschutz, Freiheitsrechte, Technikphilosophie, Frauenpolitik, Urheberrecht, Linguistik und freie Software.</I>
Das Interview führten Kathrin Demmler und Björn Maurer.
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Björn Maurer, Kathrin Demmler
Beitrag als PDFEinzelansichtFabian Wörz: Coding für Kinder
„Programmieren ist die Sprache des 21. Jahrhunderts“, verkündete der Journalist und TV-Moderator Ranga Yogeshwar als er 2014 die Initiative Jeder kann programmieren zusammen mit Thomas Bendig und Studio NAND ins Leben rief.1 Ziel der Initiative sei es, digitale Geräte nicht ausschließlich zu nutzen, sondern ihre technische Funktionsweise zu verstehen und mitzugestalten. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer frühen Auseinandersetzung mit dem Programmieren (Coding) wird in Deutschland seit einigen Jahren kontrovers diskutiert.
Auf der einen Seite steht die Notwendigkeit des Verstehens der digitalen Technik, um sie kompetent nutzen und mitgestalten zu können. Auf der anderen Seite wird Programmieren als überflüssiges Spezialwissen gesehen, das der Aneignung anderer Kompetenzen im Weg stehe. Während die Diskussion für die Zielgruppe der Jugendlichen schon etwas älter ist, steckt das Feld für die jüngere Generation noch in den Kinderschuhen. In den letzten zwei Jahren hat die Debatte jedoch stark an Fahrt aufgenommen.Fabian Wörz ist Mitarbeiter der Abteilung Praxis am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis und betreut derzeit die Projekte bildmachen und webhelm.de. Zu seinen Schwerpunkten gehören Digitale und interaktive Medien, Alternate Reality Games, Datenschutz, Sicherheit, Privatsphäre und Überwachung in digitalen Medien sowie Meinungsbildungsprozesse und die Aushandlung von Themen im Internet
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Fabian Wörz
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spektrum
Daniel Hajok: Alles anders mit digitalen Medien?
Im Fachdiskurs wurde schon früh thematisiert, was wir heute verwundert bei jungen Menschen zur Kenntnis nehmen: Tatsächlich hat das Heranwachsen nicht mehr allzu viel mit dem zu tun, was uns Erwachsende in Kindheit und Jugend umtrieb. Aber haben wir es in der Welt digitaler Medien wirklich mit einem völlig neuen Sozialisationstypus zu tun?
Dr. Daniel Hajok ist Kommunikations- und Medienwissenschaftler und Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Kindheit, Jugend und neue edien (AKJM).
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Daniel Hajok
Beitrag als PDFEinzelansichtHans-Uwe Daumann/Birgid Dinges/Friedhelm Lorig: Holzspielzeug statt Bildschirm – Schritt für Schritt kinderleicht kreativ programmieren
Der Coding-Trend in der Medienbildung hat die Kita erreicht. Verschiedene Lernspielzeuge versprechen, dass Vorschulkinder mit ihnen grundlegende Begriffe der Steuerungs- und Programmierlogik erwerben. medien+bildung.com erprobt den Holzroboter „Cubetto“ in rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten und entwickelt Begleitmaterialien und Methoden zur informationstechnischen Grundbildung in der Kita.
Hans-Uwe Daumann ist Stellvertretender Geschäftsführer bei medien+bildung.com mit einem Arbeitsschwerpunkt in der frühkindlichen Medienbildung.
Birgid Dinges ist Bildungsreferentin und Leiterin der Lernwerkstatt Kita bei medien+bildung.com. Zu ihrem Arbeitsbereich gehört der Medienpädagogische Erzieher/innen Club mec.
Friedhelm Lorig ist Bildungsreferent bei medien+bildung.com im Regionalbüro Mainz und arbeitet im Projekt Emma und Cubetto mit
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Hans-Uwe Daumann, Friedhelm Lorig, Birgid Dinges
Beitrag als PDFEinzelansichtRalf Steckert: The History is Unwritten
Kollektive Erinnerung wird durch einen Mix von Narration medienkultureller Produkte bedingt. Diese konstruieren und verwerfen Geschichtsbilder, welche unter anderem Hate Speech befeuern. Zugleich öffnen sie Verhandlungsräume als unabgeschlossene Erinnerungs-Mash-Ups. Im interagierenden Prozess des Erinnerns und Vergessens wird deutlich, dass Gedächtnis nur als ein mediatisiertes erklärbar ist, welches sich nicht zuletzt auch durch wirksame alternative Wirklichkeiten herstellt. Der Beitrag fokussiert beispielhaft ein Artefakt verzerrender Erzählung. Eingebettet in plurimediale Konstellationen wird jenes bedeutend gemacht und vermag einen Prozess der Erinnerung zu initiieren, der in einem Zuge Geschichte sowohl umschreibt als auch erinnert. Abschließend wird eine Handlungsempfehlung zur Medienbildung gereicht, die für Konfliktzonen bewusste Doing Memorys plädiert.
Literatur:
amazon prime (2015). The Man in the High Castle. Hg. v. facebook. de-de.facebook.com/HighCastleAmazon/, zuletzt aktualisiert am 12.01.2018 [Zugriff: 21.03.2018]
Erll, Astrid; Wodianka, Stephanie (2008). Einleitung: Phänomenologie und Methodologie des ‚Erinnerungsfilms’. In: Erll, Astrid/Wodianka, Stephanie (Hrsg.), Film und kulturelle Erinnerung. Plurimediale Konstellationen. Berin/New York: Walter de Gruyter, S. 1–20.
Gapski, Harald (2015). Medienbildung und Medienkatstrophe – Big Data als Herausforderung. In: Gapski, Harald (Hrsg.), Big Data und Medienbildung. Zwischen Kontrollverlust, Selbstverteidigung und Souveränität in der digitalen Welt. München: kopaed (Schriftenreihe zur digitalen Gesellschaft NRW, 3), S. 63–79.
Jacke, Christoph/Zierold, Martin (2009). „The Grass Was Always Greener“ – Popkulturwissenschaft und Erinnerungsforschung: eine einleitende Konfrontation. Universität Halle-Wittenberg. sjschmidt.net/konzepte/texte/jacke-zierold1. htm [Zugriff: 15.02.2018]
Jameson, Fredric (1986). Zur Logik der Kultur im Spätkapitalismus. In: Huyssen, Andreas/Scherpe, Klaus R. (Hrsg.), Postmoderne Zeichen eines kulturellen Wandels. Hamburg, S. 45–102.
Krotz, Friedrich (2017). Hate Speech und Fake News im Netz. Von individueller und gesellschaftlicher Verantwortung. In: merz | medien + erziehung, 61 (3), S. 20–26.
Lauber, Achim (2017). Tätigkeit, Aneignung und Vergegenständlichung in der kulturhistorischen Psychologie. In: JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (Hrsg.), Medien Pädagogik Gesellschaft. Der politische Mensch in der Medienpädagogik. München: kopaed (Interdisziplinäre Dikurse, 9), S. 95–109.
Link, Jürgen (2013). Diskurs, Interdiskurs, Kollektivsymbolik. Am Beispiel der Krise der Normalität. In: Keller, Reiner/ Schneider, Werner/Viehöfer, Willy (Hrsg.), Zeitschrift für Diskursforschung. Bd. 1. Weinheim: Beltz, S. 7–23.
Pietraß, Manuela (2017). Die politische Dimension von Medienkompetenz. In: JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (Hrsg.), Medien Pädagogik Gesellschaft. Der politische Mensch in der Medienpädagogik. München: kopaed (Interdisziplinäre Dikurse, 9), S. 41–51.
Quindeau, Ilka (2004). Spur und Umschrift. Die konstitutive Bedeutung von Erinnerung in der Psychoanalyse. München: Fink (Übergänge, 52).
Schmidt, Siegfried J. (2017). Geschichten und Diskurse. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Münster: LIT (Kultur: Forschung und Wissenschaft, Band 23).
Spotnitz, Frank (2015). The Man in the High Castle. Originaltitel: The Man in the High Castle. Staffeln 1-3. 30 Episoden. Amazon Studios/Amazon TV und Erin Smith & Ridley Scott. USA. Streaming Serie, 60 Min. Amazon Video.
Ralf Steckert ist Sozialwissenschaftler und arbeitet im Bereich Übergang Schule-Beruf sowie transkultureller Quartiersarbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung der Leibniz Universität Hannover.
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Ralf Steckert
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medienreport
Markus Achatz, Nicole Lohfink: Seelenverwandtschaften
Cineasten haben das asiatische Kino längst für sich entdeckt. Schon mit dem Hongkong-Kino der 1980er Jahre hat der asiatische Film Einfluss auf die westliche Filmgeschichte genommen, in dem vor allem die technische und erzählerische Seite der Actionsequenzen weiterentwickelt wurde. Aus dem japanischen Kino stechen immer wieder starke Dramen hervor, wie zuletzt beispielsweise der Film Like Father, Like Son (Regie: Hirokazu Koreeda), der den Weg in wenige deutsche Kinos gefunden hat. Doch nicht nur für Cineasten gibt es Perlen zu entdecken. Aktuelle Filme aus dem asiatischen Raum bieten vielfältige und spannende Facetten in einem sehr eigenen Stil. Aus Japan kommen das erfrischende Filmdebüt Amiko sowie das Drama Blue Wind Blows, die Sinnsuche eines 12-Jährigen zwischen Krimi und Poesie. Die tibetische Geschichte Wang zha de yuxue – Wangdraks Regenstiefel erhellt die kindliche Logik, wie seinerzeit eine Astrid Lindgren und der indische Kurzfilm Circle geht so unaufgeregt wie eindrücklich auf vererbte Gewalt ein. Dabei stechen vor allem die heranwachsenden Hauptprotagonistinnen und -protagonisten hervor, deren Themen, Wünsche und Hoffnungen im Zentrum des Geschehens stehen. Allen erwähnten Filmen gemeinsam sind inspirierende Momente, die eine Nähe zur dargestellten Lebenswelt erzeugen und verwandte Seelen in den Akteuren erkennen lassen, unabhängig von ihrem Wohnort. Die einzelnen Filmgeschichten sind jeweils eng mit den Orten verbunden, an denen sie spielen. Die Gefühle und Sehnsüchte ihrer Hauptfiguren sind jedoch global gültig und machen die Welt ein bisschen kleiner.
Gemeinsam gegen den Strom
Amiko ist das Filmdebüt der erst 20-jährigen Japanerin Yoko Yamanaka. Mit ihrem unkonventionellen Spielfilm war sie als eine der jüngsten Regisseurinnen im diesjährigen Berlinale-Programm zu Gast. Die 16-jährige Amiko ist darin die Hauptfigur und befindet sich ständig auf der Suche nach Zuneigung und Sinnhaftigkeit in ihrem Leben. Das Mädchen ist überzeugt, anders zu sein als alle anderen und sehnt sich nach Gleichgesinnten jenseits des Mainstreams. Als sie dem etwas älteren Mitschüler Aomi begegnet, glaubt sie jemanden gefunden zu haben, der denkt und fühlt wie sie. Er ist in Amikos Augen der süßeste Junge der Schule und seit einem langen gemeinsamen Winterspaziergang ist sie davon überzeugt, dass auch Aomi gegen den Strom schwimmt. Das Mädchen projiziert alle ihre Wünsche in Aomi hinein. Ihre Gefühle gehen weit über so etwas „Normales“ wie Liebe hinaus. Aomi ist ihr Seelenverwandter. Schließlich hatte er wie sie selbst den Song „Lotus Flower“ von Radiohead als Favoriten in der Playlist seines Smartphones. Doch nach dem Spaziergang vergeht immer mehr Zeit ohne einen einzigen Kontakt zwischen den beiden. Aomi ist für Amiko nicht mehr greifbar und sie verliert sich völlig darin, über ihn und sein Handeln nachzudenken. So wie in Amikos Gedankenwelt Realität und Fantasie auseinanderdriften, zeigt auch der Film Sequenzen, deren Geschehnisse kaum mehr einzuordnen sind. Eines Tages wird bekannt, dass Aomi aus dem provinziellen Nagano in Richtung Tokioabgehauen sei. Als auch noch das Gerücht umgeht, dass er dort mit Miyako zusammen sei, versteht Amiko die Welt nicht mehr. Ausgerechnet die unfassbar durchschnittliche Miyako – der „Inbegriff der Massenkultur“. Amiko sieht sich in der Pflicht zu handeln. Das rebellische Mädchen fährt nach Tokio, um die Konfrontation mit Aomi zu suchen. Gibt es noch eine Chance für Aomi und Amiko?
Yoko Yamanakas Filmdebüt Amiko sprüht vor Einfallsreichtum. Die Hauptfigur ist unberechenbar, wildromantisch und besitzt eine gewisse Besessenheit. Eigenschaften, die auf die gesamte Story übertragen werden können. So wird plötzlich eine U-Bahn-Station zur Musical-Szenerie oder Amiko schreit sich gemeinsam mit einem schimpfenden Mann auf der Straße in Rage über all die Dummheit in der Welt. Wie Yoko Yamanaka im Interview bestätigt, steckt auch ein Teil von ihr in Amiko. Schon als kleines Kind konnte Yoko nicht aufhören nachzudenken und Dinge zu hinterfragen. Bereits mit knapp 20 Jahren hat sie ein Kunststudium und danach ein Filmstudium abgebrochen – trotz einiger Auszeichnungen für Studienarbeiten. Aus der entstandenen Leere und Einsamkeit heraus, hat sie diesen Film gedreht. Insofern ist Amiko auch ein Statement zur japanischen NEET-Generation und dem verbreiteten Phänomen der Hikikomori – jungen Japanerinnen und Japanern, die sich abkapseln und ihre Wohnungen kaum verlassen. Beides gesellschaftliche Entwicklungen, die auch in aktuellen Mangas häufiger aufgegriffen werden. Yoko Yamanakas Humor tritt zu Tage, wenn sie beispielsweise erzählt, dass ein nicht unwesentlicher Teil des kleinen Filmbudgets für die Reparatur des Autos aufzubringen war, welches sie auf dem Weg zum Dreh nach Nagano kaputt gefahren habe. Amiko erschien in der Sektion FORUM auf der Berlinale 2018 und hat beim japanischen PIA FILM FESTIVAL 2017 den Publikums-Preis sowie den Hikari TV-Award gewonnen.
Stille Vertrautheit
Das Langfilmdebüt Blue Wind Blows (Küstennebel) des japanischen Regisseurs Tetsuya Tomina handelt von der engen Seelenverwandtschaft zwischen den Heranwachsenden Ao und Sayoko. Der zwölfjährige Ao lebt mit seiner Mutter Midori und seiner kleinen Schwester Kii auf der Insel Sado. Ao vermisst seinen vor kurzem spurlos verschwundenen Vater. Niemand weiß, was mit ihm geschehen ist. Als der zurückhaltende Junge der geheimnisvollen Gastschülerin Sayoko begegnet, spüren die beiden Kinder eine enge Vertrautheit. Obwohl auch das Mädchen kaum spricht und noch stärker in sich gekehrt scheint, nähern sich die beiden behutsam an und verstehen sich ohne viele Worte. Die beiden Außenseiter suchen gemeinsam nach Spuren von Aos Vater. Aus früheren Zeiten existiert eine Kinderzeichnung des Vaters. Er hat damals ein Monster gezeichnet, das an der Küste aufgetaucht war und sich zwischen dieser Welt und der nächsten Welt bewegte. Ao erinnert sich an die Erzählungen dazu: Wer das Monster sehen könne, wird von ihm in die nächste Welt mitgenommen. Die Sehnsucht nach dem Vater treibt Ao immer wieder an den Rand der Steilküste. Mit der wachsenden Freundschaft beginnen die beiden Kinder mehr und mehr ihre Sorgen und Nöte zu teilen. Sayoko lebt in einer Pflegefamilie, wo sie von den anderen Kindern schikaniert wird. Nachdem sie begonnen hat, sich zu wehren, ist sie in der Folge auch der offenen Gewalt durch Erwachsene ausgesetzt. Auf der Insel geschehen immer wieder merkwürdige Dinge und eines Tages verschwindet auch Sayoko. Ao muss sich nun auch auf die Suche nach dem Mädchen machen.
Blue Wind Blows ist ein ausgesprochen ruhiger Film, der streckenweise eine triste Atmosphäre erzeugt. Jedoch wird die Geschichte durch die intensiven Bilder vor der eindrucksvollen Kulisse der Küstenlandschaft umso eindringlicher. Es geht um Verlust und Tod, aber auch um Freundschaft und Zusammenhalt. Tetsuya Tomina inszeniert mit viel Gespür für die Erlebnisse der kindlichen Protagonistinnen und Protagonisten. Die Kinder sind trotz des begrenzten Raums auf der Insel ständig unterwegs und machen den Film zu einer poetischen und geheimnisvollen – manchmal gar gespenstischen Reise. Für den Regisseur ist eine wichtige Botschaft, dass alle Dinge einer permanenten Veränderung unterworfen sind. Was sich verändert, wird nie wieder so sein wie zuvor. Etwas, das aus der einen Perspektive betrachtet wird, kann aus einer anderen völlig unterschiedlich aussehen. Tomina vergleicht dies mit dem blinkenden Licht einer Lampe im Wind. Und so bleibt die letzte Begegnung zwischen Ao und Sayoko wie ein kurzes Aufflackern. War sie real oder nur ein Teil von Aos Vorstellung? Hat Sayoko wirklich das Monster gesehen? Blue Wind Blows lief im Februar 2018 als Weltpremiere in der Sektion GENERATION Kplus auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin (mit einer Altersempfehlung ab elf Jahren).
Die Kraft der Sehnsucht des kleinen Kindes
Mit Wang zha de yuxue (Wangdraks Regenstiefel) hat Regisseur Lhapal Gyal ein sensibles und poetisches Portrait einer Kindheit in den Bergen Tibets geschaffen. Der neunjährige Wangdrak hat während der Regenzeit in Tibet nichts zu lachen, denn er besitzt als einziger in dem Bergdorf keine Gummistiefel und muss mit durchnässten Turnschuhen laufen. Damit die Turnschuhe nicht ständig völlig durchweicht sind, trägt ihn seine Freudin Lhamo schon mal auf ihrem Rücken durch Pfützen, doch dafür handelt Wangdrak sich den Spott der anderen Kinder ein. Wangdrak wünscht sich endlich eigene Gummistiefel. Doch die Familie hat kein Geld dafür. Besonders der Vater hat zudem andere Sorgen. Denn die Getreideernte steht an, die Lebensgrundlage der Familie, und es gibt Zwist unter den Bauern. Als die Mutter entscheidet, ein Ziegenfell gegen neue, hellblaue Stiefel für ihn einzutauschen, ist Wangdraks Freude groß. Stolz trägt er sie zur Schule, trotz strahlendem Sonnenschein. Wieder erntet er Spott von den anderen Kindern. So wartet Wangdrak sehnsüchtig auf Regen. Mit Hilfe von Lhamo versucht er sogar, Regenwetter zu ‚organisieren‘, denn dann wäre alles endlich gut. Inmitten dieser weiten Landschaft und ihrer Dorfgemeinschaft, die beherrscht wird von der Holz- und Landwirtschaft und der das ganze Leben bestimmenden Ernte, folgt Regisseur Lhapal Gyal den Wünschen eines kleinen Jungen und weckt die Erinnerung an die eigene Kindheit. Erinnerungen daran, als das kleine Kind, das man war, sich das erste Mal etwas wirklich fest wünschte, egal, was andere davon halten. Und an die kleinen Momente der Freude, wenn die Welt in Ordnung ist. Um das zu erreichen, folgt Gyal dabei konsequent dem Blickwinkel seiner jungen Protagonistinnen bzw. Protagonisten und verweilt innerhalb der Grenzen ihrer Welt, an die sie hier und da stoßen.
Wenn Wangdrak seine nassen Turnschuhe ans Feuer stellt, seine Not demonstrierend, allen Mut zusammennimmt, um mit seinem Vater über sein Bedürfnis zu sprechen und darin scheitert, dann spüren wir mit ihm die Machtlosigkeit, für seine Gefühle Worte zu finden, das Ringen um Verständnis. Nur mit der Mutter findet er ebensolche vertrauten Momente. So können sich die Zuschauenden dem Weltverständnis der Kinder nicht entziehen, denn alles ist aus ihrer Sicht erlebt. Allein in den wenigen Szenen, in denen nur Erwachsene sind, zum Beispiel in einem Gespräch zwischen den Eltern oder einer Versammlung der Dorfbauern, gibt es auch kurze Einblicke in die Welt der Erwachsenen.
Mit diesen Informationen und den Situationen aus der Erlebniswelt von Wangdrak ergibt sich ein Gesamtbild, das anschaulich, aber auch liebevoll die Spannung zeigt, die sich aus der Reibung zwischen den Bedürfnissen der Kinder und denen der Erwachsenen-Welt speist. Dazwischen offenbaren sich die kleinen und größeren Brücken zwischen ihnen. Und so endet der Film versöhnlich mit dem Schwenk über die weite Landschaft, die diese Menschen prägt, und die beiden Kinder, die darin umherlaufen und zuhause sind. Und ganz unverhofft sind wir mit ihnen dort zuhause.Lhapal Gyal selbst stammt aus Hainan, dem autonomen Bezirk der Tibeter in der chinesischen Provinz Qinghai und studierte in Peking an der Filmhochschule. Wang zha de yuxue ist sein erster Langfilm und basiert auf einem Roman des tibetischen Schriftstellers Cai Langdong Zhu. In der Originalfassung wird in tibetischer Sprache gesprochen. Wang zha de yuxue – Wangdraks Regenstiefel lief im Februar in der Sektion GENERATION Kplus auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin (mit einer Altersempfehlung ab sieben Jahren).Die Macht des Ungesagten
Nicht unerwähnt bleiben soll der Dokumentarkurzfilm Circle, von der britisch-indischen Filmemacherin Jayisha Patel. Circle folgt drei Generationen von Frauen in ihrem Lebensumfeld in Indien, blickt dabei hinter die Fassaden und deckt den Kreislauf der Gewalt auf. Dabei fokussiert der Film auf die 13-jährige Khushboo, die sich nach einer Gruppenvergewaltigung mit der Tatsache konfrontiert sieht, dass ihre eigene Großmutter das organisiert hat und sich schließlich in einer Kinderheirat mit einem Mann, den sie nicht kennt, wiederfindet. Die Regisseurin begegnete Khushboo während sie in Uttar
Pradesh für ein anderes Filmprojekt tätig war. Was folgte, waren drei Jahre, in denen Patel die Familie begleitete und in deren Prozess es möglich war, auf die tieferen Beweggründe für die Gewaltbereitschaft der Großmutter zu blicken – auf die Internalisierung von negativen Sichtweisen, um in Machtstrukturen, die nicht zum eigenen Vorteil sind, zu überleben. In unaufgeregten Bildern und in Alltags-Situationen und Gesprächen zeigt Patel diese Internalisierung von Gewalt und Misogynie, im Sinne von subtil in der Gesellschaft verankerten frauenverachtenden Mustern. Da tauschen sich Mutter und Tochter geradezu distanziert über ihnen widerfahrene Gewalt aus. Die Großmutter beschimpft Tochter und Enkelin und hält sie zum schnelleren Arbeiten an, lässt in ihren Begründungen für diese Handlungsweise aber erkennen, dass sie es schließlich auch nicht anders kennt. So schält sich nach und nach heraus, dass der Kreislauf der Gewalt schon viel früher begann. In dem Film wird vieles mit Worten angesprochen, doch letztlich sind es die Momente, in denen niemand etwas sagt, die am aussagekräftigsten sind: Wenn die Mutter Khushboo ihre Haare flicht, wenn Khushboo den Boden schrubbt und die Großmutter zusieht, dann wird die innere Anspannung und Zerrissenheit unwillkürlich spürbar. So ist es auch die letzte Einstellung des Films, die noch lange nachwirkt: Die 13-jährige Khushboo in vollem Braut-Ornat auf ihrer Hochzeit, blickt ein letztes Mal in die Kamera, hinter der Patel steht, ein langer, konzentrierter Blick. Es ist ein Abschiedsgruß an die Filmemacherin, die sie drei Jahre begleitet hat und die nach der Hochzeit auch keinen Kontakt mehr zu ihr hat. Es wäre zu gefährlich für Khushboo.
Seine Aktualität bezieht der Film nicht nur aus der MeToo-Debatte, sondern aus dem Gegenpol zu der Wohlstands-Gesellschaft und den damit einhergehenden Privilegien, in denen die Debatte hauptsächlich stattfindet. Im ländlichen Indien ist es ungleich schwerer, Strukturen der Gewalt zu durchbrechen und wo Internet sowieso kaum eine Rolle spielt, lassen sich lange verankerte Ansichten und Gewohnheiten auch nicht durch eine Facebook- Debatte ins Wanken bringen. Der Film befasst sich mit keinem leichten Thema und er macht es ohne Effekthascherei durch die beobachtende Linse. So kann Circle in seiner geografischen und kulturellen Ferne, seiner menschlichen Nähe und der Tragweite zum Thema Gewalt und ihre Ursachen ein wertvoller Anreiz sein, um wichtige Fragen zu stellen. Circle lief im Februar in der Sektion BERLINALE SHORTS auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin.Markus Achatz ist Erziehungswissenschaftler und Medienpädagoge, Leiter des Bereichs Bildung im Deutschen Jugendherbergswerk und nebenbei als freier Journalist, Filmrezensent, Musiker und DJ aktiv.
Nicole Lohfink ist freie Journalistin, Film- und Theaterkünstlerin, medienpädagogische Referentin und derzeit in Elternzeitvertretung für Birgit Irrgang, Leiterin der Medienstelle Augsburg, tätig.
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Nicole Lohfink, Markus Achatz
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publikationen
Tanja Gottsmann: Digitale Bildung – existiert so etwas überhaupt?
Ralf Lankau (2017). Kein Mensch lernt digital. Über den sinnvollen Einsatz neuer Medien im Unterricht. Weinheim: Beltz. 191 S., 24,95 €.
„Kein Mensch lernt oder arbeitet digital.“ Diese provokante These lässt Lankau bereits im Titel verlauten. Damit kritisiert er den weit verbreiteten Ausdruck der „digitalen Bildung“ der beispielsweise als Slogan vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gewählt wird und sich fest in der medienpädagogischen Terminologie etabliert hat. In seinem Band zum sinnvollen Einsatz digitaler Medien im Unterricht konstatiert Lankau, dass lernen und arbeiten zwar mit oder an digitalen Geräten und neuen Technologien stattfindet, dies allerdings immer als Mensch erfolgt. Demnach haben humane Komponenten einen erheblichen Einfluss auf unsere Lernprozesse und können nicht durch digitale Medien ersetzt werden. In Anbetracht dessen hinterfragt Lankau in seinem Werk kritisch den pädagogischen Nutzen des Einsatzes digitaler Technologien im Unterricht. Die Digitalisierung an Schulen wird dabei unter Einbezug der zugehörigen Akteure betrachtet. Treibende Kräfte für das Voranschreiten der „digitalen Bildung“ seien neben wissenschaftlichen und politischen Vertreterinnen und Vertretern auch Stiftungen, Wirtschafts- und Lobbyistenverbände.
Der Band ist in neun Kapitel untergliedert. Im ersten Kapitel steht der aktuelle Diskurs über digitale Medien im Unterricht im Fokus. Es werden Modelle und Konzepte vorgestellt, die auf die Standardisierung und Automatisierung des Unterrichts abheben. Ziel sei allerdings nicht, dass die Lehrkräfte digitale Medien nach pädagogischen Prämissen in den Unterricht einbringen. Vielmehr würden sie ein isoliertes und individuelles Arbeiten an Lernstationen anstreben. Lankau formuliert drastisch, dass Schulen auf diese Weise zu „digitalen Lernfabriken“ verkämen, in denen Schülerinnen und Schüler durch Lernsoftware „zugerichtet“ würden.
In Anlehnung an Piaget werden im zweiten Kapitel elementare Lernprozesse erläutert. Kognitive und motorische Fähigkeiten können demnach in schlüssiger Weise nur in einem altersgerechten Lernumfeld entwickelt werden. Daran anschließend gibt der Autor einen kurzen Abriss zur Geschichte der Digitaltechnik. Im Kontext von gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Theorien wird die technische Entwicklung von Internet und Computern betrachtet und sich auf das „Internet der Dinge“ und das Gefährdungspotenzial durch gesammelte und gehackte Daten bezogen. Überleitend zu den Themen Cybersicherheit und Datenschutz kommt Lankau zu dem resoluten, für ihn aber unausweichlichen Schluss, Digitaltechnik sei ein Synonym für Steuerung und Kontrolle, da alle Aktionen abgespeichert und protokolliert werden. Er bezieht sich insbesondere auf den permanenten Rücklaufkanal, bei dem alle medialen Aktionen, kommunizierten Inhalte und Verbindungsdaten von den Anbietern und Providern abgespeichert werden. Dies ermögliche auch bei Learning Analytics und E-Learning- Tools das Datensammeln und die Profilierung von Minderjährigen und stelle einen besonders einschneidenden Verlust der Kontrolle dar. So müsse „Unterricht und Schule […] vom Menschen her gedacht werden“, wie der Autor bereits in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung konstatierte. Berechtigterweise wirft Lankau ein, dass für den Gebrauch neuer Medientechniken an Schulen zuerst valide pädagogische Konzepte
benötigt werden. Die am 25. Mai 2018 in Kraft getretene Europäische Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO), die personenbezogene Daten schützen soll, widerspreche jedoch dem Lernverhalten von Schülerinnen und Schülern, da Datenspeicherung innerhalb der Nutzung digitaler Technologien nicht zu verhindern sei, müssten Schulen zumindest vom öffentlichen Netz genommen werden bis eine datenschutzrechtliche Lösung gefunden worden sei. Der Autor schärft den Blick für die Risiken durch die Integration von digitalen Medien an Bildungseinrichtungen. Es gilt, sensibler im Umgang mit personenbezogenen Daten Minderjähriger zu verfahren. Dennoch wirft die Positionierung zur Unterbindung des Zugangs zu öffentlichen Netzwerken an Schulen mehr Fragen auf als sie Antworten gibt. Wie sollen Kinder zu einer mündigen Partizipation im Netz befähigt werden, wenn kein betreuter Zugang gewährleistet ist? Kann ein kompetenter und kritischer Umgang mit digitalen Medien von ihnen erwartet werden ohne, dass dieser zunächst in der Schule erprobt und erlernt wird?
In Kapitel 5 behandelt der Autor die Potenziale und Probleme von Medien im Unterricht und stellt die Frage nach sinnvollen Inhalten, Altersbegrenzungen und didaktischen Konzepten. Aufgrund mangelnder Studienbelege zum positiven Nutzen neuer Medien für die Schülerschaft stellt er schließlich die Behauptung auf: Analog ist immer besser. Gerade in Kitas und Grundschulen sollen demnach lediglich die klassischen Medien thematisiert werden. Erst danach könnten digitale Werkzeuge anknüpfen – obwohl etwa die KIM-Studie 2016 andere Befunde aufwies. Hiernach zählen sich bereits über die Hälfte der Grundschulkinder zu den Computernutzenden und die selbst angeeigneten Medienkompetenzen übersteigen häufig die in der Schule vermittelten. Allerdings bedeutet dies nicht, dass ein wünschenswerter kritischer Umgang mit den Medien stattfindet. Gerade deshalb ist fraglich, ob dem Autor in Hinblick darauf, Kindern den Umgang mit digitalen Medien allein zu überlassen, gefolgt werden sollte.
Im sechsten Kapitel unterzieht Lankau Deutschland bezüglich des Einsatzes digitaler Medien einem Faktencheck, bevor er im Anschluss daran drei Zukunftsszenarien zum digitalen Lernen entwirft, wobei er in zwei Dystopien unterteilt – den asiatischen Weg unter dem Titel „Drill als Lebenselixier“ und den amerikanischen der sozialen Spaltung –, neben denen die europäische Variante der Aufklärung als einzig richtige Option erscheint.
Schließlich formuliert Lankau konkrete Empfehlungen, Ratschläge und Forderungen für den medialen Unterricht, bei denen seine recht konservative Haltung zu Tage tritt. Trotz einiger diskutabler Standpunkte ist seine Hauptdevise, die Didaktik stehe immer vor der Technik, nicht zu verkennen. Digitale Medien sollten demnach ein Hilfsmittel oder Lerninhalt bleiben, und Lehrkräfte sich auf ihren fachlichen und pädagogischen Auftrag besinnen.
Die Frage nach dem richtigen Maß an digitalen Medien wird wohl auch zukünftig für Kopfschmerzen sorgen. Es bedarf weiterer Forschung zu Auswirkungen von neuen Technologien im Schulkontext. Lankau bietet hierfür Ansätze, die es zu überprüfen gilt. Er zeigt Risiken und Gefahren besonders im datenschutzrechtlichen Bereich auf, die es sowohl in pädagogischen Einrichtungen als auch bei Eltern zu beachten gibt und regt mit seinen polarisierenden Aussagen zum Nachdenken an.
Tanja Gottsmann ist studentische Hilfskraft in der medienpädagogischen Forschung am JFF. Sie studiert derzeit Medienforschung, Medienpraxis an der Technischen Universität Dresden.
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Tanja Gottsmann
Beitrag als PDFEinzelansichtHans-Dieter Kübler: Digitale Bildung auf dem Prüfstand
McElvany, Nele/Schwabe/Bos, Wilfried/Holtappels, Heinz Günter (Hrsg.) (2018). Digitalisierung in der schulischen Bildung. Chancen und Herausforderungen. Münster und New York: Waxmann.
Schlagwort, ja zur Leerformel geworden, die fast in keiner öffentlichen Rede zur Zukunftsfähigkeit des Landes fehlen darf. Doch was sie theoretisch wie praktisch meint, wozu sie führen soll und – noch wichtiger – wie sie zu erreichen ist, das ist noch weitgehend disparat bis nebulös. Zahlreiche Positionspapiere und Ankündigungen einerseits und die Erklärung der Kultusministerkonferenz (KMK) zur „Bildung in der digitalen Welt“ von 2016 andererseits haben zu keinen echten Fortschritten geführt. Begriffliche Klärungen, wissenschaftliche Fundierung, empirische Grundierung sowie praktische Erfahrungen aus den Arbeitsfeldern wollte deshalb der 2. Bildungsdialog des Dortmunder Instituts für Schulentwicklungsforschung 2017 beisteuern, dessen Beiträge in diesem schmalen Sammelband publiziert werden. Nach einem grundlegenden, instruktiven Überblick der Schulpädagogin Birgit Eickelmann, der zum einen auf der Grundlage der ICILS-Studie (International Computer und Information Literacy Study) von 2013 (!) den bescheidenen Stand und die Defizite der bundesdeutschen Entwicklung im internationalen Vergleich widergibt, zum anderen die vier von der KMK postulierten prinzipiellen Zielsetzungen und Anforderungen der Digitalisierung in der schulischen Bildung abhandelt, folgen fünf kürzere Beiträge zu „Chancen, Voraussetzungen und Risiken der Digitalisierung“ sowie drei weitere zu „Perspektiven […] aus Sicht der Bildungsforschung und -praxis“.
Zur Lernwirksamkeit digitaler Medien liegen besonders im angloamerikanischen Raum zahlreiche Studien vor, in Deutschland dagegen nur einige wenige. Mittels verfügbarer Meta-Analysen findet die Berliner Lernforscherin Heike Schaumburg heraus, dass die Lernwirksamkeit eher positiv, aber sehr gering ausfällt. Über diese vor allem technikzentrierte Perspektive hinaus lässt sich erkennen, dass schüler-, problemorientierte, offene – mithin „konstruktivistische“ – Unterrichtsformen ungleich bessere und vielfältigere Ergebnisse erzielen als traditionelle lehrerzentrierte. Kompetente Lehrkräfte werden aber dadurch nicht überflüssig; im Gegenteil: sie müssen noch besser qualifiziert sein und schülerorientiert handeln. Diese differenzierten Erkenntnisse bestätigt exemplarisch der Praxisbericht über das Projekt eXplorarium des Berliner Trägervereins Life e. V., das an einem Gymnasium in Berlin-Neukölln mit vielen Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund durchgeführt wurde. Selbständiges Lernen und Medienkompetenz waren die zentralen Zielsetzungen in unterschiedlichen Fächern; gerade die Lernplattform Moodle erweist sich als geeignet, um unterschiedliche digitale Formate einzubinden und selbstständiges Lernen zu befördern, sofern Lehrkräfte sie zu formatieren und aktiv zu gestalten wissen. Technische und organisatorische Bedingungen, Einstellungen und Kompetenzen der Lehrkräfte können als Voraussetzungen, aber auch als Qualitätsmaßstäbe für den Einsatz digitaler Medien gelten. In der dreijährigen Studie Schule digital – der Länderindikator am Dortmunder Institut (2015 bis 2017) sind bundesweit Lehrkräfte dazu befragt worden. Sie zeigten sich großenteils – erstaunlicherweise – mit der IT-Ausstattung ihrer Schulen und dem Support zufrieden. Im Vergleich zu früheren Befragungen betonten sie stärker die positiven Potenziale des digitalen Lernens, wobei viele ihre eigenen medienpädagogischen Kompeten
zen und die Wahrnehmung von Fortbildungsangeboten als noch entwicklungsbedürftig einschätzten, um einen schüler- und fachgerechten, digitalen Unterricht zu bewerkstelligen.
Mit den „Schattenseiten“ der Internetnutzung beschäftigen sich die beiden Artikel zu „Cyberbullying“, deutsch auch: Cybermobbing, und zu „Internetsucht“. Beide zählen eher zum Erziehungsauftrag von Schulen, weniger zur Fachdidaktik. Entsprechend gering oder zögerlich ist die Wahrnehmung fachdidaktischer Problemstellungen, obwohl die schädlichen Folgen nicht ohne Einfluss auf den Erfolg und das Verhalten der Lernenden in der Schule sind. Die beiden Beiträge liefern deshalb auch viele Ratschläge für die Prävention, aber auch für die Bekämpfung dieser dissozialen und subjektbedrohenden Aspekte – freilich ohne empirische Belege über ihre Effektivität.
Im Abschnitt II werden Perspektiven für Bildungsforschung und -praxis thematisiert. Zunächst rekapituliert die geschäftsführende Direktorin des Instituts für Schulentwicklungsforschung und Herausgeberin Prämissen und Desiderate der Bildungsforschung für das digitale Lernen in der Schule. Entgegen eilfertiger Postulate zeigt sie auf, dass eine Fülle von Fragen und didaktischen Aufgaben wissenschaftlich noch nicht einmal angegangen sind und dass ihre Erforschung in jedem Fall nicht leichter ausfällt als früher; eher komplexer und grundsätzlicher müsse sie werden, so dass nur interdisziplinäre und multimethodische Ansätze angemessen sind. Auch der bereits zum dritten Mal eingesetzte Monitor Digitale Bildung der Bertelsmann-Stiftung, der im nächsten Beitrag vorgestellt wird, verlangt, dass traditionelle didaktische Ansätze nicht lediglich digitalisiert werden, sondern auch als Auftrag für neue, umfassende Veränderungsoptionen verstanden werden müssen. Wie diese aussehen sollen, bleibt allerdings vage oder wieder einmal eher technikorientiert. Schließlich wird am Beispiel des Franz-Stock-Gymnasium in Arnsberg über die bereits seit fünf Jahren betriebene Schulentwicklung berichtet. Die tiefgreifende Umstrukturierung von Unterrichtsprozessen kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten daran mitgestalten und sich damit identifizieren können. Dies gelinge nur mit ständiger „systematischer Kommunikation“, so das Fazit.
Wieder einmal erweist sich in der Bildungsforschung, Didaktikkonzeption und im konkreten Unterrichten und Lernen, sei es weiterhin analog oder digital, dass es mit schnellen Lösungen und wohlfeilen Rezepten nicht getan ist, sondern sorgfältiger und gründlicher Planung und Evaluation bedarf, und zwar anhaltend und systemimmanent. Mit digitalem Lernen werden Schule und Unterricht gewiss nicht einfacher; dafür haben Medien noch nie getaugt. Wer sie als essenzieller, unentbehrlicher Bestandteil und Motor künftigen Lernens haben will, und das müssen sie infolge der allseitigen Digitalisierung in Beruf und Alltag sein, wird sich dieser Problematik und dieses Anspruchs stellen müssen. Die nächste ICILS-Studie für 2018 wurde von Birgit Eckelmann schon angekündigt. Und ihr werden noch viele andere folgen.
Dr. Hans-Dieter Kübler war Professor für Medien-, Kultur- und Sozialwissenschaften an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg und Privatdozent an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Von 2004 bis 2014 war er als Gutachter und im Beirat von merz | medien + erziehung tätig.
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Hans-Dieter Kübler
Beitrag als PDFEinzelansichtTina Drechsel: Otto, Philipp/Gräf, Eike (Hrsg.) (2018). 3TH1CS. Die Ethik der digitalen Zeit. Bonn; Bundeszentrale für politische Bildung. 264 S., 4,50 €.
Die Digitalisierung hat einen enormen Einfluss auf unsere heutige Welt. In alle Bereiche unseres Lebens werden digitale Komponenten integriert, um es in irgendeiner Art und Weise „besser“ zu machen. Zudem werden massenhaft Daten gesammelt, die unser Verhalten und unsere Handlungsspielräume verändern. Daraus ergeben sich Chancen und Herausforderungen, denen sich die Gesellschaft stellen muss, um entsprechende Anpassungen an die digitale Welt zu ermöglichen und auch weiterhin eine Gesellschaft zu gestalten, die nach moralischen Grundsätzen lebt, so die Herausgeber. Ethik kann dabei helfen, Orientierung zu geben und Handlungen sowie Situationen reflektierter zu betrachten. Im Sammelband 3TH1CS werden diese Herausforderungen in Bezug auf unterschiedliche Fachbereiche und Themenschwerpunkte, wie beispielsweise der Medizin, der Altenpflege, der Kriminalität und soziale Belangen differenziert diskutiert.
Entstanden sind dabei zwanzig Artikel zu unterschiedlichsten Themenbereichen, die durchweg als gesellschaftlich relevant erachtet werden können. Bei der Auswahl bewiesen die Herausgeber Weitblick, da neben bereits in breiter Öffentlichkeit diskutierter Themen, auch solche aufgegriffen werden, die bislang nur in Fachkreisen Erörterung finden. Neben technisch-materiellen Inhalten werden insbesondere auch ethische und moralische Herausforderungen gebündelt, die die kontroversen Standpunkte der Autorinnen und Autoren widerspiegeln. 3TH1CS gibt Lesenden einen übersichtlichen Input über die Bereiche und Formen der sie beeinflussenden Digitalisierung, einschließlich aktueller Forschungsergebnisse. Das Sammelwerk bietet interessierten Personen eine umfassende Grundlage, um anschließend tiefer in eines der behandelten Themen einzusteigen. Aufgrund des inhaltlichen Spektrums der Publikation wäre eine Zusammenfassung zu Beginn eines jeden Artikels sinnvoll, um den Leserinnen und Lesern einen besseren Überblick zu ermöglichen.
Der Band 3TH1CS enthält inspirierende und differenzierte Beiträge, die das Publikum zum Nachdenken und zur Bildung eines eigenen ethischen Standpunktes anregen. 3TH1CS eignet sich nicht nur für den akademischen und Expertendiskurs, sondern für alle, die Interesse an der Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellungen haben und differenzierte Informationen zu gesellschaftlich relevanten Themen in der digitalisierten Welt erhalten wollen. tdBeitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Tina Drechsel
Beitrag als PDFEinzelansichtDana Neuleitner: Hofmann, Jana (2018). Medienstress durch Smartphones? Eine quantitative und qualitative Analyse. Köln: Herbert von Halem Verlag, 264 S., 32 €.
Wir sind heute ständig online und über das Internet mit der Außenwelt verbunden – alles muss möglichst schnell und effizient abgearbeitet werden und beansprucht unsere Aufmerksamkeit. Das kann auf Dauer zu Stress und Apathie führen, konstatiert die Autorin Jana Hofmann. In ihrer Promotionsstudie Medienstress durch Smartphones? befasst sie sich mit diesem Phänomen der Digitalisierung und stellt sich der Frage, welche Faktoren eine exzessive Smartphone-Nutzung auslösen können. Dabei verknüpft sie sozialpsychologische und kommunikationswissenschaftliche Ansätze.
Die Publikation setzt sich zunächst mit der Entwicklungsgeschichte der Medien auseinander bis hin zu den heutigen digitalisierten Lebenswelten, in denen paralleles Medienhandeln selbstverständlich ist. Die hieran anknüpfenden medientheoretischen Überlegungen zeigen eine Doppelrolle der Medien: Sind sie bei übermäßiger Verwendung zum einen ein Stressfaktor, können sie andererseits zur Stressbewältigung genutzt werden. Hofmanns Forschungsergebnisse offenbaren, dass sich Nutzende über diese Dualität der Effekte durchaus im Klaren sind und Smartphones nur dann zum Stressfaktor werden, wenn sie nicht zum reinen Zeitvertreib genutzt werden. Medienstress entstünde demnach, wenn Anwendende mehrere Dinge gleichzeitig erledigen müssen, um zeitlich effizient arbeiten zu können. Untersucht wird auch der Zusammenhang zwischen Bildung und chronischen Bewältigungsschwierigkeiten sowie das Empfinden von Zeitverlust durch die Smartphone- Nutzung. In der Fokussierung auf negative Wirkungsweisen der Nutzung, lässt die Untersuchung mögliche positive Effekte weitgehend außer Acht – obwohl die Befragten diese zum Teil klar benennen konnten. Auch die Frage nach möglichen Bewältigungstaktiken bleibt zudem offen. Eine Folgestudie, in der die unterrepräsentierten Bevölkerungsschichten mit Haupt- oder Realschulabschluss und über 50-Jährige stärker berücksichtigt werden, wäre in Betracht zu ziehen. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass je nach Art und Kontext der Mediennutzung das befürchtete Stressausmaß unterschiedlich stark ausfällt und relativiert werden kann. Der Band eignet sich für eine kritische Reflexion durch medienpädagogische Fachkräfte, aber auch für all diejenigen, die ihr Smartphone- Verhalten hinterfragen wollen. Durch die Verknüpfung der quantitativen und der qualitativen Analyse sowie einen ausgeprägten Theorieteil bietet die Arbeit fundierte Einblicke in das junge Forschungsfeld Medienstress.
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Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Dana Neuleitner
Beitrag als PDFEinzelansichtHeinrike Paulus: Lepold, Marion/Ullmann, Monika (2018). Digitale Medien in der Kita. Alltagsorientierte Medienbildung in der pädagogischen Praxis. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder. 160 S., 20,00 €.
Die Digitalisierung prägt die heutige Erfahrungs- und Lebenswelt von Kindern bereits in den ersten Lebensjahren. Allein schon über die intuitiv bedienbare Oberfläche eines Tablets erobern sie sich mühelos ihre digitale Welt. Gleichzeitig gab es noch nie so viele verschiedene Möglichkeiten zur Information, Kommunikation oder Unterhaltung. Deshalb müssen Kinder früh auf die Medienwelt vorbereitet werden. Intensiv und teilweise emotional wird derweil der Einsatz digitaler Medien in Kindertageseinrichtungen von pädagogischen Fachkräften und Experten, Eltern sowie Erziehenden diskutiert.
Mit Blick auf die gegenwärtige medienpädagogische Forschung widmen sich die Sozialpädagogin Marion Lepold und die Montessori-Pädagogin Monika Ullmann intensiv den Themenbereichen Medienumgang, Medienaneignung sowie Medienkompetenz im Kindesalter. Schwerpunkt ist zudem, inwieweit Kindertagesstätten auf die digitale Gesellschaft und digitale Medien reagieren müssen, um diese altersgerecht in ihrer pädagogischen Arbeit einsetzen zu können.
Für eine aktive Medienarbeit mit Kindern werden dabei beispielhaft Projekte wie unter anderem Videodreharbeiten oder Foto-Memorys vorgestellt. Der Band zeichnet sich durch seine hochaktuelle Praxisorientierung aus und intendiert gleichzeitig die Ausbildung und Förderung von Medienkompetenz bei Kindern und deren Eltern sowie pädagogischen Fachkräften. Dies spiegelt sich auch im von Marion Lepold und Monika Ullmann aufgezeigten pädagogischen Beispielkonzept wider, das für Neueinsteigerinnen und -einsteiger im Bereich Medienbildung besonders gewinnbringend ist. In einem solchen Konzept kann jede Einrichtung ihr medienerzieherisches Profil und die damit verbundenen Ziele verankern. Fundiert erläutern die Autorinnen in diesem Zusammenhang, wie sich etwa digitale Medien in der Kindertageseinrichtung implementieren oder Medienleitlinien entwickeln lassen. Ihr Band ist deshalb als geeignete Starthilfe in die medienpädagogische Arbeit allen pädagogischen Fachkräften sowie all jenen zu empfehlen, die sich mit dem Medieneinsatz und den dafür erforderlichen Rahmenbedingungen in Kindertageseinrichtungen befassen möchten.
hp
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Heinrike Paulus
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kolumne
Franz Josef Röll: Von Kindern lernen
Bei einem Netzwerktreffen der Arbeitsgruppe „Digitalpakt“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter des hessischen Kultusministeriums, des Schulamtes Frankfurt, eine Lehrerin und ich als Hochschulvertreter. Ich hatte die Gelegenheit auszuführen, dass mit der Verbesserung der technischen Infrastruktur und dem Anschaffen von Hard- und Software die Lernsituation in der Schule nicht automatisch verbessert wird. Notwendig sei, so meine zentrale These, ein verändertes Verständnis von Lernen ins Zentrum der Bemühungen zu stellen. Verblüfft war ich, dass die von mir vorgestellte Vision einer zukünftigen Schule mit reformpädagogischem Ansatz von allen Beteiligten begrüßt wurde. Gleichwohl haben wir aber über diese Vision nicht diskutiert. Der Bedarf bei den anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern war nicht die Auseinandersetzung mit veränderten Lernkonzepten in der digitalen Lebenswelt, sondern die Kritik an erheblichen Mängeln der Infrastrukturen in den Schulen, der mangelnden Mitsprache bei Entscheidungen, dem Regulierungswahn und dem Gefühl mit den Alltagsproblemen allein gelassen zu werden.
Gleichzeitig scheint es jedoch so zu sein, dass es nur in wenigen Fällen gelingt, kindliche Lernfreude mit Lernmethoden zu verknüpfen, die die Kinder handlungsfähig macht für die Zukunft. Stattdessen verlieren Kinder im Laufe der Zeit ihre Begeisterung für die Schule. Nach meinem Gefühl hat es jedoch noch nie eine so günstige Situation gegeben, die Lernutopien der Reformpädagogik umzusetzen und die spielerisch erworbenen kognitiven Lernkonzepte von Kindern in der Schule fortzusetzen. Im effizienten spielerischen Als-Ob verfügen sie über Potenziale der Weltaneignung, die anders sind als bei Erwachsenen – ganzheitlich, explorativ, assoziativ und spielerisch-simulativ.
Ich habe Soziologie und außerschulische Pädagogik studiert und promovierte nach mehrjähriger Tätigkeit als Bildungsreferent über ein medienpädagogisches Thema. Zu diesem Zeitpunkt verfügte ich über eine vielfältige medienpädagogische Handlungskompetenz – und die habe ich von Kindern und Jugendlichen gelernt. Durch Beobachtung, wie Kinder und Jugendliche mit Hilfe von Medien sich ihre Lebenswelt erschließen, richtete sich mein Blick auf die Ressourcen und die Potenziale. Zugleich agierte ich wie ein Ethnologe, der sich darum bemüht, das Anderssein einer Gruppe nachzuvollziehen. So wandelte ich mich von einem Pädagogen hin zu einem „Navigator“, der sich um die Lernumgebung kümmert, der die Rahmenbedingungen schafft und dem es nicht darum geht, seine vorher festgelegten Ziele erfüllt zu sehen. Mein „Lernziel“ war die Fähigkeit zu vermitteln, ein Verständnis für Wissensgebiete aus unterschiedlichen Perspektiven zu entwickeln. Und was ich dabei erlebte war, dass die Erfahrung selbstgesteuerten Lernens die Lust und Faszination des Lernens der Kindheit wieder erlebbar macht.
Wir brauchen komplementären Lernkonzepte, die nicht auf Defizite gerichtet sind, sondern vor allem eine veränderte Haltung bzw. Einstellung der Lehrenden. Lehrende müssen sich auch als Lernende verstehen, nur dann profitieren Lehrende und Lernenden wechselseitig voneinander.
Beitrag aus Heft »2018/04 Medienpädagogik und Informatik«
Autor: Franz Josef Röll
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Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
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