2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung
Die voranschreitende Digitalisierung macht auch vor der Kita nicht Halt. Diese Entwicklung wird sowohl in der Fachwelt wie auch unter den Eltern sehr ambivalent beurteilt. Vor allem die Medien sind dabei Zielscheibe der Kritik. Viele Eltern und pädagogische Fachkräfte erleben das Interesse der Kinder an Mediennutzung als Bedrohung in der Eltern-Kind-Beziehung, weit vor der Entfremdungsphase in der Adoleszenz. Es herrscht Unverständnis, nicht selten sogar Entsetzen über die magische Anziehungskraft digitaler Geräte wie Handys, Tablets oder Spielekonsolen. Die Probleme, die das Aufwachsen mit sich bringt, werden nicht selten direkt den Medien zugeschrieben.Im aktuellen Themenschwerpunkt der merz 2/2018 wird der Frage nachgegangen, vor welchen Herausforderungen Kitas stehen, wenn sie sich entschließen, die digitalen Medien in ihre Konzeptionen mit einzubeziehen. Dabei sind mehrere Hürden zu überwinden: Skeptische Eltern, die Medien kritisch betrachten und zumindest teilweise eher die medienfreien Kitas bevorzugen, medienpädagogisch unerfahrenes pädagogisches Personal sowie fehlende technische Ausstattung, die einen sinnvollen Medieneinsatz in der Kita erschwert. In diesem Heft wird deshalb der aktuelle Stand der Diskussion um eine zukünftige medienpädagogische Ausrichtung der Kita beleuchtet und es werden Erfahrungen, Konzepte und Modellprojekte vorgestellt, die den Weg zur ‚Kita digital‘ eröffnen.
aktuell
Guido Bröckling: Internetguide für Eltern unterstützt die Medienerziehung in der Familie
Für Medienpädagogik und Medienbildung stellt die Elternansprache stets eine große Herausforderung dar. Zum einen gilt es, Eltern zu motivieren und ihre Kinder bei der sinnvollen und kreativen Mediennutzung zu unterstützen. Zum anderen sollen Eltern dabei begleitet werden, ihre Kinder im Umgang mit Medien vor Gefahren zu schützen. Das erfordert individuelle, zielgruppenadäquate und problemzentrierte Angebote, wie den neuen Internetguide für Eltern. Dieser unterstützt Eltern künftig dabei, ihre Kinder bei der Nutzung von insbesondere Apps, Spielen, Webseiten und sozialen Netzwerken kompetent zu begleiten. Die Plattform stellt hierzu aktuelle Medienphänomene aus den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen, altersspezifische Informationen über mögliche Herausforderungen sowie empfohlene Onlineangebote unter anderem zum Kinder- und Jugendmedienschutz bereit.
Eltern erfahren, welche Rolle sie bei der Medienerziehung ihrer Kinder spielen und welchen Einfluss Medien auf die Entwicklung ihrer Kinder haben können. Das Onlineangebot adressiert damit elterliche Defizite im Wissen über die Medienwelten von Kindern und Jugendlichen, über die eigene Vorbildrolle sowie zum Jugendmedienschutz und zur Medienerziehung in der Familie. Mit Hilfe einer „Guided Tour“ gelangen Eltern gezielt zu passgenauen Inhalten und Hil¬festellungen. Ausgangspunkt ist dabei das Alter des Kindes. Darüber hinaus werden die Zugänglichkeit zu passenden Inhalten ebenso durch audiovisuelle Formate sowie einer einfachen und klaren Sprache erhöht. Hierdurch werden auch Eltern erreicht, welche von klassischen Webangeboten oder Methoden der Elternarbeit bislang nicht erreicht werden konnten.
Das Angebot wird von einem Partnernetzwerk bestehend aus Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e. V. (FSM), JFF – Institut für Medienpädagogik, Deutsches Kinderhilfswerk e. V. (DKHW), fragFINN e. V. und klicksafe.de inhaltlich verantwortet und von Facebook unterstützt.
http://elternguide.online
Guido BröcklingBeitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Guido Bröckling
Beitrag als PDFEinzelansichtGeorg Materna: Radikalisierung im Netz?
Extremismus und Radikalisierung sind alte Phänomene, jedoch stellen sie die Medienpädagogik gegenwärtig vor neue Herausforderungen. Besonders offensichtlich wird dies in Bezug auf das Internet, wo extremistische Gruppen ihre Propaganda unzensiert publik machen können. Forschung zu dieser Entwicklung gibt es jedoch erst seit wenigen Jahren. Zu den Pionieren in diesem Kontext gehören die Professoren Diana Rieger (Mannheim), Gary Bente und Hans-Joachim Roth (Köln), die im Februar zur Konferenz Multidisciplinary Perspectives on Radicalisation, New Media and Education nach Köln einluden. Ihrer Einladung folgten Praktikerinnen und Praktiker der Radikalisierungsprävention sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen.
Drei Schwerpunkte der Konferenz lassen sich festhalten:
(1) Es entstehen gegenwärtig eine Reihe von Konzepten zur Extremismusprävention: Bei jugendschutz.net, dem Deutsches Jugendinstitut (Hohnstein/ Herding), in der Würzburger Schulpädagogik (Grafe/Seyferth- Zapf), bei meettolerance.eu oder im CONTRA-Projekt von Rieger et al.
(2) Mehrere Projekte versuchen, den Absichten, der Ästhetik und Argumentationslogik extremistischer Propaganda nahezukommen: „Dschihadismus im Internet“ (Mainz) und „Radikalisierung im digitalen Zeitalter“ (KFN, Hannover).
(3) Repräsentative Ergebnisse darüber, wo Jugendliche medial mit Extremismus in Kontakt kommen und wie sie damit umgehen. Hierzu werden zwei Projekte zeitnah publizieren: Extremismus in sozialen Medien (München) und X-Sonar: Extremistische Bestrebungen in Social Media Netzwerken (Münster u. a.).
Die Konferenz verdeutlichte, dass dem Internet ein wichtiger Stellenwert in Radikalisierungsprozessen zukommt. Erfolgreiche Präventionsarbeit braucht, wie es Uwe Kemmesies (BKA) ausdrückte, eine „Onff- Line-Strategie“. Denn Radikalisierung erfolgt nicht on- oder offline, sondern im Zusammenspiel beider „Lebenswelten“ – und damit in einem Feld, auf das sich die Medienpädagogik seit Jahrzehnten konzentriert.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Georg Materna
Beitrag als PDFEinzelansichtAntje Müller: D21-Digital-Index 2017/2018
Innerhalb der erstmaligen Betrachtung der Akzeptanz und Nutzung intelligenter Geräte unter Onlinern und digital affinen Gruppen zeigt sich eine Zunahme bei der Kompetenz und Offenheit der Bundesbürgerinnen und -bürger ab 14 Jahren. Der Zuwachs in Offenheit auf 52 Punkten (+ 3), in Kompetenz auf 47 (+ 3) und im Zugang auf 66 Punkten (+ 1) lässt den D21-Digital-Index auf 53 Punkten (+ 2) ansteigen. Im Vergleich zu 2016 legt der Digital-Index 2017 eine Zunahme unter den digitalen Vorreitern (34 % vs. 31 %) offen, Digital Mithaltende (41 % vs. 43 %) sowie digital Abseitsstehende (25 % vs. 26 %) sind dagegen leicht rückläufig. Stark verbreitet unter den Bundesbürgerinnen und -bürgern, sind Smartphones (70 %) sowie Notebooks (62 %), Tablets werden dagegen weniger genutzt. Mobiles Arbeiten wird noch stark von den mangelnden Möglichkeiten im Beruf (58 %) bzw. Unternehmen (26 %) oder dem mangelnden Interesse (21 %) beeinflusst. Darüber hinaus besteht noch große Skepsis gegenüber Robotern im Job (50 %) oder digitalen Sprachassistenten (47 %) im privaten Bereich.
Auch eine systematische Wissensaneignung durch Trainings etc. findet noch kaum statt, und das Interesse an Fortbildung im digitalen Bereich ist gering. Für die 19 Prozent der Offliner, welche zu 94 Prozent im Alter von 50 Jahren oder älter sind, bestehen die Hauptgründe für den Verzicht auf digitale Geräte im fehlenden Interesse am Medium und mangelnden Nutzen für den Alltag. Bei den vorhandenen Digitalkompetenzen bleibt die Spaltung zwischen Jung und Alt sowie Mann und Frau weiter bestehen. Dagegen erwarten jedoch insgesamt zwei Drittel der Deutschen, dass der Umgang mit digitalen Medien und Programmierkenntnisse bereits in den Schulen vermittelt werden.
D21-Digital-Index 2017/2018 befragte 20.500 Bundesbürgerinnen und -bürger ab 14 Jahren, inklusive der Offliner. Seit 2013 werden die Schwerpunkte Digitalkompetenzen, Arbeit digital, Gerätenutzung, Zugang zum Internet, Vielfältigkeit der Nutzung und die Einstellung der Menschen zu digitalen Themen im Zeitverlauf betrachtet. Förderer und Schirmherr ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. D21 wird unterstützt von der Bertelsmann Stiftung, dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V., Capgemini Deutschland, dem Kompetenzzentrum Technik- Diversity-Chancengleichheit e. V. und Ricoh Deutschland GmbH.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtDaphne Schubert: FIM Studie 2016
In den Ergebnissen der FIM-Studie 2016, veröffentlicht in 2018, zeigen sich im Vergleich zur Voruntersuchung aus 2011 trotz allgemein zunehmender Mediennutzung wenig Dynamiken. Bezüglich der Nutzung von Textnachrichten zur Kommunikation zwischen Eltern und Kindern lässt sich eine Entwicklung bei den älteren Kindern zwischen zwölf und 19 Jahren feststellen. Hier gaben 2011 etwa ein Drittel (34 %) der Eltern an, häufig bis gelegentlich per Textnachricht mit ihren Kindern zu kommunizieren, wohingegen dies in der aktuellen Untersuchung mit 62 Prozent fast doppelt so viele Eltern angeben. Das Repertoire an Geräten zur Mediennutzung ist in deutschen Familien sehr breit gefächert. So ist in fast allen Haushalten mindestens ein Mobiltelefon zu finden, 93 Prozent haben einen Computer oder einen Laptop, 70 Prozent verfügen außerdem über eine (stationäre oder mobile) Spielekonsole und immerhin noch die Hälfte der Familien besitzt einen Tablet PC. Bei der gemeinsamen Mediennutzung steht noch immer das regelmäßige Fernsehen mit 58 Prozent an erster Stelle. Gefolgt von Radio (knapp 50 %) und gemeinsamen Musik hören (40 %).
Die Medienexpertise bezüglich technischer Aspekte liegt übereinstimmend, auch aus Sicht der Kinder, vor allem bei den Vätern, während die Kompetenzen bezüglich Fernsehprogramm und Büchern bei den Müttern und hinsichtlich Computerspielen bei ihnen selbst liegen. Etwa ein Drittel der Eltern schätzt ihre Medienerziehungskompetenz als sehr gut ein (Männer: 40 %, Frauen: 23 %). Etwa 50 Prozent finden sich „etwas kompetent“. Kein Vertrauen haben vier Prozent der Eltern in ihre Medienerziehung. Die Wahrnehmung der Medienentwicklung der letzten Jahre ist bei Eltern, die sich in der Medienerziehung kompetenter fühlen, positiver als bei unsicheren Eltern. Der Schutz vor negativen Einflüssen durch Medien liegt nach 78 Prozent der Eltern in erster Linie in ihrer eigenen Verantwortung. An zweiter Stelle werden mit 46 Prozent die Unternehmen und anschließend staatliche Organe (37 %) gesehen.
Die repräsentative Studie zum Mediennutzungsverhalten in Familien wurde vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest in Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk erstmals 2011 durchgeführt. Die Erhebung im Jahr 2016 ist die zweite Durchführung im Rahmen dieser Untersuchung, die in Ergänzung zu den KIM-und JIM-Studien vertiefende Erkenntnisse zum familiären Mediennutzungsverhalten liefert. Für die Studie wurden 284 Familien mit Kindern zwischen drei und 19 Jahren befragt.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Daphne Schubert
Beitrag als PDFEinzelansichtSwenja Wütscher: stichwort Messenger Kids
Facebook hat eine neue Version seines Messengers veröffentlicht: Messenger Kids, für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Zunächst gibt es die App allerdings nur auf Englisch. Im Vordergrund von Messenger Kids steht das Erlernen des Umgangs mit sozialen Medien, daher liefert die App im Grunde auch nicht weniger Funktionalität als die Standard-Version: Einzel-, Gruppen- und Videochats, 3D-Masken, Sticker und laut Anbieter vorgefiltert kindgerechte GIFs. Die Nachrichten kann auch der reguläre Messenger empfangen. Der Unterschied: Ein Account kann nur von den Eltern über deren Facebook-Account angelegt werden. Auch entscheiden die Eltern darüber, in welchem Umfang das Programm nutzbar ist und bestätigen jeden einzelnen Kontakt. Damit also ein neuer Kontakt wie eine Schulfreundin hinzugefügt werden kann, müssen sich zuerst die Eltern via Facebook adden, um dann ihren Kindern die Erlaubnis hierfür zu erteilen.
Klingt kompliziert, ist es auch! Gesendete Nachrichten können nicht gelöscht oder versteckt werden, so dass der komplette Chatverlauf jederzeit für die Erziehungsberechtigten einseh- und nachvollziehbar bleibt. Laut Facebook soll in der App keine Werbung enthalten sein und es würde auch auf die Auswertung der Daten für Werbezwecke verzichtet. Die App ist zwar nicht direkt in das soziale Netzwerk eingebunden, und auch das Mindestalter zur Erstellung eines eigenen Facebook-Profils von 13 Jahren bleibt davon unberührt. Dennoch bedeutet die Nutzung des Messengers eine frühe Bindung potenzieller, zukünftiger Nutzerinnen und Nutzer an die Marke Facebook. Auch löst das Einrichten einer Version für Kinder längst nicht alle Probleme, wie im vergangenen Jahr bei der Videoplattform YouTube Kids, bei der auch nicht kindgerechte Inhalte durchrutschten, erst wieder deutlich wurde. Und auch bei Facebook bleibt die Frage, wie der Konzern Kinder vor potenziellen Gefahren wie Gewaltdarstellung, sexueller Belästigung und Pädophilie bewahren kann, bisher unbeantwortet.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtSaskia Eilers: WERTE LEBEN - ONLINE
Ob Hasskommentare auf YouTube, Vorurteile in Online-Games oder Stress über WhatsApp – das Social Web beheimatet eine Vielzahl an negativen Phänomenen, die insbesondere bei jungen Menschen ein großes Schutz- und Aufklärungsbedürfnis hervorrufen. Das Modellprojekt WERTE LEBEN – ONLINE stellt diese Themen in den Vordergrund. Bei dem bundesweiten Online- Projekt engagieren sich Jugendliche für mehr Respekt, Toleranz und Mitgefühl im Netz. Ziel ist es, jungen Menschen nahezulegen, gesellschaftliche Werte nicht nur im realen Leben, sondern auch in der Onlinekommunikation zu achten.
Die Projektarbeit erfolgt auf Basis des Peer-Education-Ansatzes. Jugendliche im Alter von 15 bis 21 Jahren werden im Rahmen von Schulungen zu Scouts ausgebildet und vermitteln ihre Werte und ihr Wissen an andere Jugendliche. Die Scouts sind dabei in einem Kernbereich der jugendlichen Lebenswelt aktiv und setzen mit ihrer Vermittlungsarbeit unmittelbar dort an, wo Normverletzungen auftreten – Online. In Webinaren (online-basierten Seminaren) informieren die Scouts über Themen wie Hate Speech, Cybermobbing und die Achtung der Privatsphäre. Dabei leisten sie nicht nur Aufklärungsarbeit, sondern vermitteln Gleichaltrigen auch Wege und Lösungen, um diesen negativen Phänomenen im Online-Alltag kritisch und selbstbewusst zu begegnen.
Mit Haters gonna hate?! – Hass in der digitalen Kommunikation steht bereits das erste kosten lose Webinar für Schulklassen und Einrichtungen der außerschulischen Jugendarbeit zur Verfügung. In Verbindung mit dem Hashtag #wertelebenonline rufen die Scouts darüber hinaus in kreativen Social Media-Aktionen auf Instagram, Twitter und Co. zu einem verantwortungsbewussten und fairen Verhalten im Netz auf. Das von JUUUPORT e. V. initiierte Modellprojekt WERTE LEBEN – ONLINE ist am Safer Internet Day 2018 offiziell gestartet. Durch seinen präventiven Charakter stellt das Projekt eine Ergänzung zur Beratungsplattform www.juuuport.de dar.
WERTE LEBEN – ONLINE wird im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Saskia Eilers
Beitrag als PDFEinzelansichtNicole Lohfink: nachgefragt: Maryanne Redpath, Leiterin der Sektion Generation der Berlinale
Nicole Lohfink hat mit Maryanne Redpath, Leiterin der Sektion GENERATION der Internationalen Filmfestspiele Berlin, über das Profil der Sektion Kinder- und Jugendfilme, die wirtschaftliche Wirklichkeit sowie das Genre Film und dessen Bedeutung für junge Menschen gesprochen.
merz Sie sind bereits seit über 20 Jahren mit dem Festival verbunden. Wenn man so viele Jahre Zeit hat, eine Sektion wachsen zu lassen, was kann man über den Verlauf der Entwicklung sagen?
Redpath Sie ist nicht linear gelaufen. Die Sektion fing vor 41 Jahren an und hieß Kino für Leute ab sechs Jahren, was kein gängiger, attraktiver Titel für eine Sektion innerhalb eines großen Festivals ist. Mit den Kindern wurde damals sehr pädagogisch gearbeitet und nach zwei, drei Jahren wurde gesagt‚ ein Kino ist viel mehr, als Kinder immer wieder zu fragen, was sie aus dem Film gelernt haben‘. Ab ca. 1981 entschied man sich daher für den Namen Kinderfilmfest. Ich bin Mitte der 90er Jahre dazugestoßen. Wir haben immer herausfordernde Filme für junge Menschen gezeigt, mit ganz präzisen, vorsichtig ausgedachten Altersempfehlungen, die nach oben offen sind. Anfang der 2000er haben wir über einen weiteren Wettbewerb diskutiert, denn viele Filme waren nicht ganz für die Altersgruppen geeignet und hätten den Rahmen des Kinderfilmfestivals gesprengt. Am Ende wurde daraus die Idee, dass das Kinderfilmfest zu Kplus wird, dazu haben wir 14plus, und die Überschrift für der Sektion heißt GENERATION. Es steigert die Auswahl für den zweiten Wettbewerb, was natürlich viel mehr Arbeit macht, der Sektion aber auch mehr Aufmerksamkeit eingebracht hat, in der deutschen Filmbranche und international. Und es hat sowohl den unter Achtjährigen, als auch den Ab-14-Jährigen ermöglicht, ein Zuhause innerhalb des Festivals zu finden.
merz Es gibt viele Filme, die aus Erwachsenensicht über Kinder erzählen und moralisieren. Es ist manchmal schwer, Filme für Kinder zu finden. Wie entwickelt sich Kplus aus dieser Perspektive?
Redpath Wir suchen eigentlich immer Filme, die mit Kindern sind, nicht über Kinder. ‚Mit‘ heißt Filme, die dann mehr auf Augenhöhe sind. Wir haben Filme, die man Kinderfilm nennen kann. Aber es gibt auch sehr viele, die nicht ausschließlich für Kinder oder für junge Menschen gemacht sind. Das heißt, dass auch ältere Menschen zu den Kplus-Filmen kommen und ebenfalls etwas für sich entdecken. Das ist diese feine Linie, die wir da fahren.
merz Welche Filme meinen Sie?
Redpath Es sind nicht immer richtige Kinderfilme, in dem Sinne, wie wir dieses Label ‚Kinderfilm‘ verstehen. In der Filmindustrie und auch in der Welt heißt Kinderfilm eigentlich, dass sich ein Film richtig ‚gut benimmt‘, so wie sich ein Kind gut benehmen soll – mit einem Anfang, einer Mitte und einem Happy End. Viele Filme, die wir zeigen, halten sich nicht an diese Regeln. Das junge Publikum, das zu Kplus kommt, begrüßt die Möglichkeit, Filme zu sehen, die sie vielleicht normalerweise nicht in den Kinos sehen werden, aus vielen verschiedenen Ländern dieser Welt, wo es manchmal um Herausforderungen im Leben geht, die man vielleicht nicht in einem Kinderfilm erwartet.
merz Es kommt häufig vor, dass Filme mit Kindern und Jugendlichen als Protagonistinnen und Protagonisten als Kinderfilm abgestempelt werden und sozusagen die Konnotation ‚weniger bedeutsam‘ erhalten. Was sind Ihre Erfahrungen?
Redpath Es hängt davon ab, mit wem ich rede. Es gibt einen wahnsinnig schönen Diskurs mit unserer Zuschauergeneration Kplus und 14plus über die Filme, die sie sehen. Das überrascht manchmal die Filmemacher, die sagen, dass sie gar keinen Kinderfilm gemacht haben. Ich sage wiederum ‚entdecken Sie bitte auch das junge Publikum für Ihren Film‘. Alle Filme, die bei GENERATION laufen, sind auf Festivals weltweit eingeladen. Das ist überhaupt kein Problem und normal. Aber, dass sie dann die Möglichkeit haben, hier in Deutschland in die Kinos zu kommen, ist schwierig. Da müssen sehr viele Sachen passieren und es ist ein schwieriger Schritt für die Industrie.
merz Warum, glauben Sie, ist das so?
Redpath Es geht um das Verständnis, um Geldfreiheit, um die Frage, ob junge Menschen das Geld in die Kinos bringen. Es ist ein Business. Man behauptet, dass junge Menschen nicht mehr ins Kino gehen, dass sie zu Hause sitzen und ihre Computer angucken. Ich sehe Jahr für Jahr bei GENERATION, dass das nicht der Fall ist. Wenn sie ein Angebot von guten Filmen haben, dann kommen Zehntausende zu uns, engagieren sich mit den Filmemachern und nehmen am Festival teil. Sie sind hungrig danach und geben wiederum den Filmemacher und Filmemacherinnen Anstöße, wie sie die gesehenen Filme verstehen und wahrnehmen. Das ist ein sehr interessanter Prozess, der im Rahmen des Festivals passiert. Da gibt es zwischen Festival-Arbeit und -Vorführung und den Vorführungen im normalen Kino ein Riesenloch. Wir werden nicht müde, Verleiher und Produzenten anzusprechen, wie sie Filme, die keine große Marketingstrategie ausschließlich für Kinder oder Familien haben, intelligent für ein junges Publikum vermarkten können. Aber die Sachen bewegen sich ziemlich langsam.
merz Welche Bedeutung haben Kinder und Jugendliche als Protagonistinnen und Protagonisten für den Film?
Redpath Eine große Bedeutung. Oft sind es Laiendarsteller, die das erste Mal vor der Kamera spielen. Wenn der Regisseur oder die Regisseurin dann klug mit diesen jungen Menschen im Rahmen der Geschichte und der Handlung umgeht, werden wir als Zuschauer von diesen jungen Menschen in eine Welt eingeladen. Welche Präsenz diese jungen Menschen auf der Leinwand haben, ist wichtig, und, dass wir ihre Welt durch ihre Augen und ihre Perspektive als Zuschauer erleben dürfen. Die Kinder drehen die Filme nicht. Es sind auch keine Kinder, die das Festival dann organisieren. Wir können nur offen sein für das, was von jungen Menschen kommt.
merz Ein anderer Teilbereich, der dieses Jahr spannend war, betrifft weibliche Helden und weibliche Beteiligung im Filmbereich. Spiegelt sich das Thema mittlerweile auch in den Filmen wieder, also zum Beispiel die Anzahl weiblicher Protagonistinnen?
Redpath Der Anteil weiblicher Regisseurinnen bei GENERATION lag in diesem Jahr bei beiden Wettbewerben bei 51 Prozent. Wir haben nicht bewusst nach Frauenfilmen von Frauen gesucht, aber das hat sich ergeben. Wir beteiligen uns natürlich auch an dieser Debatte. Auch, was die Darstellung und Bedeutung von Mädchen und jungen Frauen in den Filmen, die wir zeigen, angeht. In unseren Filmen gibt es für die jugendlichen Menschen gute, interessante und herausfordernde Rollenmodelle – positiv wie negativ, aber auch männlich und weiblich –, die einen Anstoß zum Reflektieren, Wahrnehmen und Diskutieren geben. Das ist etwas, was Kino für alle Menschen und auch für junge Menschen machen kann.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Nicole Lohfink
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Günther Anfang/Klaus Lutz: Medienerziehung in der Kita
Die voranschreitende Digitalisierung macht auch vor der Kita nicht Halt. Diese Entwicklung wird sowohl in der Fachwelt wie auch unter den Eltern sehr ambivalent beurteilt. Vor allem im Elementarbereich besteht ein breiter Konsens, dass ein möglichst „naturnahes Aufwachsen“ die ideale Grundlage für eine gesunde Entwicklung der Kinder bietet. Das Konzept der Waldkindergärten hat vor allem in der Stadt eine zunehmend hohe Akzeptanz. Natürlich ist es für Kinder von großem Wert, wenn sie die Möglichkeit haben, auf Bäume zu klettern, im Matsch zu spielen oder Käfer und Regenwürmer zu sammeln.
Bedenklich wird es aber dann, wenn diese Form des Aufwachsens so stark idealisiert wird, dass jede Minute, die das Kind mit anderen Dingen als der primären Naturerfahrung verbringt, zu vermeiden sei. Vor allem die Medien sind dabei Zielscheibe der Kritik. Viele Eltern und pädagogische Fachkräfte erleben das Interesse der Kinder an Mediennutzung als Bedrohung in der Eltern-Kind-Beziehung, weit vor der Entfremdungsphase in der Adoleszenz. Es herrscht Unverständnis, nicht selten sogar Entsetzen über die magische Anziehungskraft digitaler Geräte wie Handys, Tablets oder Spielekonsolen. Die Probleme, die das Aufwachsen mit sich bringt, werden nicht selten direkt den Medien zugeschrieben – schlechte Schulleistungen, Übergewicht, Konzentrationsschwierigkeiten und vieles mehr. Vor allem die Hirnforschung liefert hierfür den wissenschaftlichen Unterbau: Kaum ein schwarzes Brett in einem Kindergarten, an welchem nicht Artikel über die Mutation von Kinderhirnen durch den Mediengebrauch angepinnt sind, die oft in apokalyptischer Weise die Zukunft beschreiben, in die unsere Kinder hineinwachsen. Einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema ist hierdurch oft der Weg verstellt. Die Welt ist aber nicht schwarz oder weiß, für Erziehung gibt es keine Patentrezepte, und die Überzeugung, dass früher alles besser war, hilft auch selten weiter.
Es gilt also vielmehr, sich differenziert mit dem Aufwachsen in einer digitalisierten Gesellschaft auseinanderzusetzen. Denn der Mensch ist ein „Hybridwesen“ – wie es der französische Soziologe Bruno Latour beschreibt. In diesem Sinne definiert sich der Mensch sowohl durch sein Verhältnis zur Natur, als auch zu der von ihm geschaffenen technischen Welt. Wenn wir diese Wechselseitigkeit ernstnehmen und die Interessen der Kinder ins Zentrum unserer Bemühungen stellen, gilt es, ihnen den Zugang zu einer vielfältigen, facettenreichen Welt zu erschließen.
Dies ist auch ganz im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention. Kinder haben ein Recht auf Information, auf Bildung, auf Teilhabe – auch mit, durch und in den Medien. In diesem Heft wird der Frage nachgegangen, vor welchen Herausforderungen Kitas stehen, wenn sie sich entschließen, die digitalen Medien in ihre Konzeptionen mit einzubeziehen. Dabei sind mehrere Hürden zu überwinden: Skeptische Eltern, die Medien kritisch betrachten und zumindest teilweise am liebsten eher die medienfreien Kitas bevorzugen, medienpädagogisch unerfahrenes pädagogisches Personal sowie fehlende technische Ausstattung, die einen sinnvollen Medieneinsatz in der Kita erschwert.
Es gibt aber auch positive Erfahrungen in Modellversuchen sowie politische Signale, die sich für eine frühkindliche Medienbildung stark machen. In diesem Heft wird deshalb der aktuelle Stand der Diskussion um eine zukünftige medienpädagogische Ausrichtung der Kita beleuchtet und es werden Erfahrungen, Konzepte und Modellprojekte vorgestellt, die den Weg zur ‚Kita digital‘ eröffnen.
1Zu diesem Heft
Medienarbeit in der Kita sollte sich nach Günther Anfang und Kathrin Demmler an den Grundbedürfnissen der Kinder und ihren altersbedingten Fähigkeiten orientieren. In ihrem Beitrag zur Medienkompetenzförderung in der Kita formulieren sie, dass sich die dortige Medienarbeit immer in ein pädagogisches Gesamtkonzept einordnen muss und niemals der körperlichen, gesellschaftlichen, gefühlsmäßigen und gedanklichen Entwicklung der Kinder im Wege stehen darf. Aus medienpädagogischer Sicht bedeutet dies, Medien für Kinder frühzeitig als Produktionsmittel erfahrbar zu machen, um aufzuzeigen, dass die Medien für unterschiedlichste Begabungen und Interessen Möglichkeiten bieten, sich kreativ auszudrücken und anderen die eigene Sichtweise der Welt mitzuteilen. Medien werden dabei als integrativer Bestandteil des sozialen und gesellschaftlichen Lebens begriffen und die Vermittlung von Medienkompetenz als grundlegende Aufgabe der Kita umrissen. Ziel einer Medienarbeit in der Kita ist, nach Anfang und Demmler, Kinder und Jugendliche für ein souveränes Leben mit Medien stark zu machen und ihre Medienkompetenz zu fördern.
Am Beispiel eines Modellprojekts einer Münchner Kita zeigen die Autorin und der Autor auf, dass Medienarbeit in der Kita gelingen kann und dies viele Potenziale der Förderung von Medienkompetenz beinhaltet. Wissenschaftlich fundiert wird diese Erkenntnis im Beitrag von Jasmin Bastian, Stefan Aufenanger und Hans-Uwe Daumann. Im Projekt KiTab.rlp wurde die Verwendung von Tablets über ein Jahr lang in drei rheinland-pfälzischen Kindereinrichtungen erprobt. In regelmäßigen Abständen wurden dabei Erziehende sowie Eltern zu ihren Einstellungen, Meinungen und Erwartungen befragt und parallel die Tablet- Nutzung beobachtet. KiTab.rlp beleuchtet darüber hinaus die Wahrnehmung der Erzieherinnen und Erzieher zum Umgang mit dem Tablet und die Einschätzung eigener Kompetenzen im Rahmen des Einsatzes digitaler Medien in der Kindertageseinrichtung.
Die Auswertung gibt wichtige Aufschlüsse über die Hürden und Stolpersteine, aber vor allem über den Nutzen und die Potenziale sowie den Abbau von Vorurteilen gegenüber mobilen Geräten, die mit dem Einsatz des digitalen Werkzeugs Tablet in Kindereinrichtungen verknüpft sind. Im Interview mit Eva Reichert-Garschhammer zu Chancen der Digitalisierung im Bildungssystem Kita wird deutlich, dass noch einige Hürden zu überwinden sind, um auch Eltern und pädagogische Fachkräfte von Medienpädagogik in der Kita zu überzeugen. Sie zeigt auf, dass sich Kitas in einem enormen Spannungsfeld befinden, da sie nach den Bildungsplänen der Länder im Sinne einer kind- und lebensweltorientierten Frühpädagogik seit inzwischen 15 Jahren verpflichtet sind, Medienbildung zu leisten, die Diskussion um eine medienfreie Kita dem jedoch immer wieder entgegensteht. Kinder sind nach Meinung Reichert-Garschhammers am besten vor Medienrisiken geschützt, je früher sie sich in einem begleiteten, kindgerechten und zeitlich dosierten Rahmen mit Medien aktiv, kreativ und kritisch auseinandersetzen und so Medienkompetenz entwickeln. Sie plädiert deshalb dafür, Eltern und Fachkräfte darüber zu informieren und Vorurteile abzubauen.
Klaus Lutz beschreibt in seinem Artikel, dass eine Unterscheidung zwischen realer und virtueller Welt so nicht mehr gegeben ist und Kinder von Anfang an mit Medien aufwachsen. Während in der Schule der Umgang mit Medien als wichtiges Ziel erkannt wurde, herrscht im Bereich der Kita nach wie vor große Skepsis. Viele Eltern von Kindern im Alter bis sechs Jahren sind der Überzeugung, dass die Verfügbarkeit von Medien oder eine hohe Mediennutzung den natürlichen Lehr- und Lernraum für ein gesundes Aufwachsen empfindlich stören. Dem stellt Lutz einen Paradigmenwechsel mit Blick auf die Medien gegenüber, die unser Leben in einer atemberaubenden Geschwindigkeit zunehmend verändern. Sich mit ihnen zu beschäftigen, bedeutet nicht, sie unkritisch und mit blinder Technikbegeisterung in all unsere Lebensbereiche aufzunehmen. Als aktiv genutztes Gestaltungsinstrument ermöglichen sie jedoch vielen Menschen, die Zukunft zu begreifen. Um dies zu gewährleisten, bedarf es einer Annäherung an Medien, auch schon bei den Allerkleinsten. Dass digitale Technologien auch in der musikalischen Kinder- und Jugendbildung stetig an Bedeutung gewinnen, beschreibt Matthias Krebs in seinem Artikel zu Musikmachen mit dem Tablet in der Kita. In Musikschulen, im Nachmittags-bereich von Schulen, in Sozial- und Kultureinrichtungen werden Angebote erprobt, in denen Kinder und Jugendliche kreativ-gestalterisch mit Musik-Apps umgehen. Dabei steht im Mittelpunkt, dass Kinder ohne Zwang und Überforderung an gestalterische, kollaborative Projekte mit digitalen Technologien herangeführt werden. Der Autor beschreibt einige Musik-Apps, die in begleiteten Settings das klangliche Experimentieren unterstützen können. Darin werden die bekannten und etablierten Instrumente der ‚analogen Welt‘ nicht ersetzt, sondern durch neue Ausdrucksmöglichkeiten ergänzt. Neue Zielgruppen können sich einen kreativen Umgang mit Musik erschließen und sich damit neue Erfahrungsräume eröffnen.
Im Interview mit Sabine Eder vom Verein Blickwechsel e.V. wird deutlich, dass sich durch den raschen Wandel der Medienlandschaft in der Kita einiges geändert hat. Vieles ist handlicher und einfacher geworden. Medienpädagoginnen und -pädagogen stehen andererseits vor Her-ausforderungen vernetzer Welten, zum Beispiel in Bezug auf den Datenschutz oder die Persönlichkeits- und Urheberrechte. Hier herrscht, laut Eder, eine große Verunsicherung. In vielen Kitas dürfen keine Fotos mehr gemacht werden, weil die Sorge darüber, wo sie verbreitet werden, zu groß geworden ist. Hinzu kommt eine unglaubliche Schnelllebigkeit, angefangen von Apps, die ständig aktualisiert werden, bis hin zu Streamingdiensten, auf denen Kinder Filme oder Serien schauen, von denen Erziehende zumeist zuvor noch nichts gehört haben. Umso wichtiger sei das Interesse und die Offenheit, mit den Kindern und deren Eltern in den Austausch zu kommen und neugierig zu bleiben, sie zu begleiten und sie dabei zu unterstützen, ihren Medienkonsum zu reflektieren.
Abschließend zeigt Anna Hielscher in ihrem Artikel auf, wie eine Frühförderung von sehbehinderten Kindern mit Medien aussehen kann. Für Menschen mit Beeinträchtigung eröffnen digitale Medien große Chancen. Mögliche sinnesspezifische Förderziele beim Einsatz digitaler Medien können so unter anderem die Förderung von Fähigkeiten zum Abgleich und Vergleich sowie zur Raum-Lage-Orientierung, Detailerkennung, Abstraktionsfähigkeit und Beweglichkeit der Augen darstellen. In der Frühförderung können digitale Medien und Apps daher sinnvoll eingesetzt werden, um die Wahrnehmungsbedingungen und Handlungsspielräume von Kindern sowie Pädagoginnen und Pädagogen zu erweitern. Grundsätzlich weisen alle Beiträge des Hefts darauf hin, dass Medien in der Praxis der Kita immer mehr an Bedeutung gewinnen, ob als Instrumente, um Menschen mit Beeinträchtigung zu fördern, oder als kreative Werkzeuge zur Gestaltung des Alltags oder einfach nur, um Spaß zu haben.
Günther Anfang ist Leiter des Medienzentrums München des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Seine Schwerpunkte sind Medienprojekte mit Kindern und Jugendlichen, auch an Schulen und in Kindertagesstätten.Klaus Lutz ist pädagogischer Leiter des Medienzentrum PARABOL e. V. in Nürnberg, Fachberater für Medienpädagogik im Bezirk Mittelfranken sowie Dozent an der Simon-Georg-Ohm Hochschule in Nürnberg.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Günther Anfang, Klaus Lutz
Beitrag als PDFEinzelansichtGünther Anfang/Kathrin Demmler: Medienkompetenzförderung in der Kita
An welchen Grundbedürfnissen und Fähigkeiten der Kinder muss sich Medienarbeit in der Kita orientieren? Welche Rolle spielen dabei mobile Medien in der praktischen Arbeit im Kindergarten und Hort? Ausgehend von grundsätzlichen Überlegungen zu Voraussetzungen und Zielen medienpädagogischer Arbeit in der Kita werden am Beispiel eines Modellprojekts in einer Münchner Kindertageseinrichtung wichtige Kriterien der frühen Medienarbeit mit Kindern herausgearbeitet und praktisch erprobt.
Literatur:
Largo, Remo H. (1999). Kinderjahre. Müchen: Piper, S. 229.
Theunert, Helga (Hrsg.) (2007). Medienkinder von Geburt an: Medienaneignung in den ersten sechs Lebensjahren. München: kopaed.
Theunert, Helga (2009). Medienkompetenz. In: Schorb, Bernd/Anfang, Günther/Demmler, Kathrin (Hrsg.), Grundbegriffe der Medienpädagogik. Praxis. München: kopaed.
Spanhel, Dieter (2009). Medienerziehung. In: Schorb, Bernd/Anfang, Günther/Demmler, Kathrin (Hrsg.), Grundbegriffe der Medienpädagogik. Praxis. München: kopaed.
Wagner, Ulrike/Eggert, Susanne/Schubert, Gisela (2016). MoFam – Mobile Medien in der Familie. Kurzfassung der Studie. www.jff.de/studie_mofam [Zugriff: 15.01.2018 ]
www.medienfuehrerschein.bayern.de/Elementarbereich.n149.html [Zugriff: 15.01.2018]
www.kinderfotopreis.de [Zugriff: 15.01.2018]www.medienzentrum-muc.de/angebotevent/medienprojekte-mit-kindern [Zugriff: 15.01.2018]
Anfang, Günther (2016). Frühe Medienerziehung digital – Konzeption eines medialen Erfahrungsraums für Krippenkinder. In: Lauffer, Jürgen/Röllecke, Renate (Hrsg.). Krippe, Kita, Kinderzimmer. München: kopaed.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Günther Anfang, Kathrin Demmler
Beitrag als PDFEinzelansichtJasmin Bastian/Stefan Aufenanger/Hans-Uwe Daumann: KiTab.rlp – Medienbildung mit Tablets in der Kita
Wissenschaftlich begleitete Tablet-Projekte in Kitas bundesweit
Mit Tablets, den digitalen Flachbildschirmen, zieht ein neues Werkzeug der frühkindlichen Bildung in die Kita ein. Gleichzeitig eröffnen die Minicomputer ein neues Feld der altersgerechten Medienerziehung. Im rheinland-pfälzischen Projekt KiTab.rlp wurde die Verwendung von Tablets im Kita-Alltag konsequent erprobt. Drei Teams aus Kindertageseinrichtungen in Mainz und Nackenheim wagten sich in die digitale Welt, unterstützt vom Qualifizierungspartner medien+bildung.com und dem IT-Ausstatter REDNET und begleitet von der AG Medienpädagogik der Universität Mainz.
Günther Anfang: Chancen der Digitalisierung im Bildungssystem Kita
Wenn digitale Medien in den Kindergarten einziehen, werden selten nur Vorteile gesehen. Insbesondere Eltern und pädagogische Fachkräfte sehen den Einsatz kritisch. Dabei gibt es bereits erfolgreiche Projekte wie KiTab.rlp in Rheinland-Pfalz, aber auch gute Konzepte in anderen Bundesländern. Günther Anfang im Gespräch mit Eva Reichert-Garschhammer, Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP), unter anderem über Potenziale von digitaler Bildung in der Kita und Qualifizierung des Personals.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Günther Anfang
Beitrag als PDFEinzelansichtKlaus Lutz: Digitale Kindheit
Wenn es um digitale Bildung in der Grundschule oder in der Kita geht, sehen Eltern eher die Schule als Ort für eine erste Orientierung in einer von Medien durchdrungenen Welt. Eine digitale Transformation muss auch in der Schulbildung stattfinden. Aber ebenso vor Krippen und Kindergärten macht die Digitalisierung nicht mehr Halt, auch wenn hier noch Widerstand geleistet wird. Bund und Länder verhandelten folglich den Digitalpakt und verschiedene Studien befassen sich mit den Entwicklungen und Auswirkungen digitaler Bildung. Dieser Beitrag beleuchtet Herausforderungen und Positionen in den Handlungsfeldern Schule, Politik, Krippen und Kindergärten und weist auf zukunftsgerichtete Projekte in Medienkitas.
Literatur:
Aufenanger, Stefan (2015). Wie die neuen Medien Kindheit verändern. Kommunikative, soziale und kognitive Einflüsse der Mediennutzung. In: merz | medien + erziehung, S. 10–16.
Bader, Roland (2015). Medienarbeit als Spiel. Entwicklungspsychologische Voraussetzungen für die aktive Medienarbeit mit Kindern. In: Anfang, Günther/Demmler, Kathrin/Lutz, Klaus/Struckmeyer, Kati (Hrsg.), wischen klicken knipsen. Medienarbeit mit Kindern. München: kopaed, S. 211–222.Bertelsmann Stiftung. www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/in-vielfalt-besser-lernen [Zugriff: 15.02.2018]
Bostelmann, Antje (2018a). Antje Bostelmann. www.antje-bostelmann.de [Zugriff: 15.02.2018]
Bostelmann, Antje (2018b). Die Klax-Pädagogik. www.antje-bostelmann.de/klax-paedagogik [Zugriff: 15.02.2018]
Bundesministerium für Gesundheit (2017a). Ergebnisse der BLIKK Studie 2017 vorgestellt. Übermäßiger Medienkonsum gefährdet Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Drogenbeauftragte fordert mehr „digitale Fürsorge“ www.drogenbeauftragte.de/presse/pressekontakt-und-mitteilungen/2017/2017-2-quartal/ergebnisse-der-blikk-studie-2017-vorgestellt.html [Zugriff: 15.02.2018]
Bundesministerium für Gesundheit (2017b). Heute schon mit Ihrem Kind gesprochen? Kampagne „Medien-Familie-Verantwortung“. www.drogenbeauftragte.de/presse/projekte-und-schirmherrschaften/projekte-des-monats/2017/012017-medienfamilieverantwortung.html [Zugriff: 15.02.2018]
Gebhard, Ulrich (2010). Wie wirken Natur und Landschaft auf Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität? In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), Naturschutz & Gesundheit. Allianz für mehr Lebensqualität. Bonn, S. 22–28.
IFP – Staatsinstitut für Frühpädagogik (2017). Bildung Erziehung Betreuung von Kindern in Bayern. In: IFP-Infodienst, Jg. 22. www.ifp.bayern.de/imperia/md/content/stmas/ifp/infodienst_2017_web.pdf [Zugriff: 15.02.2018]
Interactive Media Foundation gGmbH (2018). tuduu.org/home [Zugriff: 15.02.2018]
Leonhard, Gerd (2017). Technologie vs. Humanity – Unsere Zukunft zwischen Mensch und Maschinen, München 2017. München: Vahlen.
Lutz, Klaus (2015). Bildergeschichten digital. In: Anfang, Günther/Demmler, Kathrin/Lutz, Klaus/Struckmeyer, Kati (Hrsg.), wischen klicken knipsen. Medienarbeit mit Kindern. München: kopaed.
mpfs – Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2017). KIM-Studie 2016. Kindheit, Internet, Medien. www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2016/KIM_2016_Web-PDF.pdf [Zugriff: 16.02.2018]
Oerter, Rolf (1999). Psychologie des Spiels: Ein handlungstheoretischer Ansatz. Weinheim: Betz.
Renz-Polster, Herbert/Hüther, Gerald (2013). Wie Kinder heute wachsen. Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken. Weinheim: Belz 2013.
Tiroler Tageszeitung Onlineausgabe (2017). Jede Maus kann sich besser konzentrieren als Kinder www.tt.com/panorama/13501952-91/jede-maus-kann-sich-besser-konzentrieren-als-kinder.csp [15.02.2018]
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Klaus Lutz
Beitrag als PDFEinzelansichtMatthias Krebs: Apps als Instrumentarium für Kinder im Vorschulalter
Smartphones und Tablets werden in Bezug auf Kleinkinder von erwachsenen Bezugspersonen häufig auf (Musik-)Konsum reduziert: (YouTube-)Videos werden gezeigt und simple Spiele bereitgehalten. Kreativ-gestalterische Anwendungen, die zum Musizieren, Singen bis hin zu Klangexperimenten anregen können, spielen dagegen eine untergeordnete Rolle im frühkindlichen Medienumgang. Kindern werden damit nicht nur zentrale Aspekte ihrer digitalisierten Lebensrealität vorenthalten, auch bleiben Bildungspotenziale des erweiterten Möglichkeitsraums ungenutzt. In diesem Beitrag wird das Verhältnis von frühkindlicher musikalischer Bildung und technologiegestützten Bildungsangeboten mit Apps aus musikpädagogischer Perspektive beleuchtet und diskutiert.
Literatur:
Bostelmann, Antje/Fink, Michael (2014). Digital Genial. Erste Schritte mit Neuen Medien im Kindergarten. Berlin: Bananenblau.
Burton, Suzanne L./Pearsall, Aimee (2016). Music-based iPad app preferences of young children. In: Research Studies in Music Education, 38 (1), S. 75–91.
Dartsch, Michael (2016). Musiklernen in der frühen Kindheit. Grundfragen und Tendenzen. In: Roswitha Staege (Hrsg.), Ästhetische Bildung in der frühen Kindheit. Weinheim: Beltz Juventa, S. 227–244.
GMK (2017). Kinder im Mittelpunkt: Frühe Bildung und Medien gehören zusammen. Positionspapier der GMK-Fachgruppe Kita.
Krebs, Matthias (2018). Digitales Instrumentarium. Die Musikapp als zukünftiges Instrument in der Musikschule. In: Üben & Musizieren, 1, S. 40–43.
Krebs, Matthias/Godau, Marc (2016). App-Kids: Tablets im Kindergarten. In: Kinderzeit, 1, S. 18–23.
Landesverband der Musikschulen in Schleswig-Holstein e.V. (2018). MoMu.SH – Mobiler Musikschulunterricht in Schleswig-Holstein. musikschulen-sh.de/fileadmin/redakteure/user_upload/MoMu.SH_Ergebnisse_Bedarfsanalyse_02_2018.pdf [Zugriff: 02.03.2018]
Lepold, Marion/Ullmann, Monika (2017). Montessori und digitale Medien. In Krippe und Kita. Freiburg: Herder.
Roboom, Susanne (2017). Mit Medien kompetent und kreativ umgehen. Basiswissen & Praxisideen. 1. Aufl. Weinheim, Basel: Beltz.
Schatt, Peter W. (2014). Ganzheitlich, kreativ, elementar, kindgemäß. Mythen in der musikpädagogischen Arbeit mit Vorschulkindern. In: Michael Dartsch (Hrsg.), Musik im Vorschulalter. Dokumentation Arbeitstagung 2013. Kassel: Bosse, S. 78–90.
Theunert, Helga/Demmler, Kathrin (2016). Digitale Medien im Leben von Kindern zwischen null und sechs Jahren. Realitäten und Handlungsnotwendigkeiten. In: Herzig, Bardo/Grafe, Silke (Hrsg.), Digitale Medien in der Schule. Standortbestimmung und Handlungsempfehlungen für die Zukunft. Studie zur Nutzung digitaler Medien in allgemein bildendenden Schulen in Deutschland. Dt. Telekom, Zentralbereich Unternehmenskommunikation.
Ulrich, Danja (2012). Mobile Musik: Die mobile iPod-Hörkultur und ihre gesellschaftlichen und ästhetischen Konsequenzen, Diplomics Verlag.
Weber-Krüger, Anne (2014). Die kindliche Perspektive in musikalischen Bildungsprozessen. Ein Forschungsfokus. In: Michael Dartsch (Hrsg.), Musik im Vorschulalter. Dokumentation Arbeitstagung 2013. Kassel: Bosse, S. 91–98.
Zarius, Karl-Heinz (1985). Musikalische Früherziehung. Grundfragen und Grundlagen. Mainz: Schott.
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Autor: Matthias Krebs
Beitrag als PDFEinzelansichtGünther Anfang: Die frühe Medienpädagogik steht vor großen Herausforderungen
Die Digitalisierung und veränderte Techniken in der Arbeit mit Kindern machen vieles einfacher, stellen zugleich jedoch große Herausforderungen an eine frühe Medienpädagogik. Pädagogische Fachkräfte und Erziehende sind verunsichert, insbesondere, wenn es um Datenschutz oder Persönlichkeits- und Urheberrechte in Kindertageseinrichtung geht. Günther Anfang, Leiter des Medienzentrums München, sprach mit Sabine Eder von Blickwechsel e. V. über Medienausstattung und Projekte in Kindergärten und die medienpädagogische Ausbildung von Erziehenden sowie Erfahrungen mit Eltern.
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Autor: Günther Anfang
Beitrag als PDFEinzelansichtAnna Hielscher: Frühförderung von sehbeeinträchtigten Kindern mit digitalen Medien
Für Menschen mit Beeinträchtigung eröffnen digitale Medien große Chancen. In der Frühförderung können sie sinnvoll eingesetzt werden, um die Wahrnehmungsbedingungen und Handlungsspielräume von Kindern und Pädagoginnen und Pädagogen zu erweitern. Bei sehbeeinträchtigten Kindern bieten sich durch den Einsatz audiovisueller Medien besondere Chancen. Der Beitrag beleuchtet pädagogisch relevante Aspekte, bietet lebendige Einblicke in die Praxis und umreißt Rahmenbedingungen für den Einstieg in die Nutzung digitaler Medien in Einrichtungen.
Literatur:
bbs nürnberg – Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte (2017). Der Einsatz der App 'dob pro' in der Frühförderung Sehen. www.bbs-nürnberg.de/index.php/home/archiv/718-der-einsatz-der-app-dob-pro-in-der-fruehfoerderung-sehen [Zugriff: 01.02.2018]incobs.de (2018).
Incobs informiert über Technologien für Blinde und Sehbehinderte. www.incobs.de/startseite.html [Zugriff: 01.02.2018]profax Verlag AG (Jahr). dob pro – Visuelles Wahrnehmungstraining. www.profax.ch/produkt/dob-visuelles-wahrnehmungstraining-pro [Zugriff: 01.02.2018]PRO RETINA Deutschland e. V. (2011).
Sehstörungen: Simulator von PRO RETINA und BKK. www.pro-retina.de/simulation [Zugriff: 01.02.2018]Stiftung Warentest (2016). Apps für Sehbehinderte und Blinde: Lotsen für das Unsichtbare. www.test.de/Apps-fuer-Sehbehinderte-und-Blinde-Lotsen-fuer-das-Unsichtbare-5033370-0 [Zugriff: 01.02.2018]Thurmair, Martin/Naggl, Monika. (2007).
Praxis der Frühförderung. München: Ernst Reinhardt.Walthes, Renate (2014). Einführung in die Pädagogik bei Blindheit und Sehbeeinträchtigung. München: Ernst Reinhardt.
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Autor: Anna Hielscher
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spektrum
Birgit Eickelmann/Kerstin Drossel/Julia Gerick: Die Relevanz schulischer IT-Ausstattungskonzepte für die Implementierung neuer Technologien in Schulen
In diesem Beitrag wird mit den repräsentativen Daten der IEA-Studie ICILS 2013 (International Computer and Information iteracy Study) der Frage nachgegangen, inwiefern sich in Deutschland Schultypen hinsichtlich schulischer IT-Ausstattungskonzepte identifizieren lassen und in welcher Weise diese mit der Nutzung neuer Technologien im Unterricht sowie den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Zusammenhang stehen.
Literatur:
Bos, Wilfried/Eickelmann, Birgit/Gerick, Julia (2014). Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der 8. Jahrgangsstufe in Deutschland im internationalen Vergleich. In: Bos, Wilfried/Eickelmann, Birgit/Gerick, Julia/Goldhammer, Frank/Schaumburg, Heike/Schwippert, Knut/Senkbeil, Martin/Schulz-Zander, Renate/Wendt, Heike (Hrsg.), ICILS 2013 – Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in der 8. Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann, S. 113–145.
Breiter, Andreas/Zeising, Aanja/Stolpmann, Björn Eric (2017). IT-Ausstattung an Schulen: Kommunen brauchen Unterstützung für milliardenschwere Daueraufgabe. Gütersloh: Bertelsmann-Stiftung.
Drossel, Kerstin/Eickelmann, Birgit/Gerick, Julia (2016). Predictors of Teachers’ Use of ICT in School – the Relevance of School Characteristics, Teachers’ Attitudes and Teacher Collaboration. Education and Information Technologies, 21 (2), S. 1–21.
Eickelmann, Birgit (2017a). Kompetenzen in der digitalen Welt. Konzepte und Perspektiven. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung. library.fes.de/pdf-files/studienfoerderung/13644.pdf [Zugriff: 09.01.2018]
Eickelmann, Birgit (2017b). Schulische Medienkonzepte als Instrument der Schulentwicklung. Journal für Schulentwicklung, 21 (3), S. 49–52.
Eickelmann, Birgit/Gerick, Julia/Koop, Christian (2017). ICT use in mathematics lessons and the mathematics achievement of secondary school students by international comparison: Which role do school level factors play? Journal for Education and Information Technologies, 22 (4), S. 1527–1551.
Eickelmann, Birgit/Schaumburg, Heike/Drossel, Kerstin/Lorenz, Ramona (2014). Schulische Nutzung von neuen Technologien in Deutschland im internationalen Vergleich. In: Bos, Wilfried/Eickelmann, Birgit/Gerick, Julia/Goldhammer, Frank/Schaumburg, Heike/Schwippert, Knut/Senkbeil, Martin/Schulz-Zander, Renate/Wendt, Heike (Hrsg.), ICILS 2013 – Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in der 8. Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann, S. 197–229.
Fraillon, Julian/Ainley, John/Schulz, Wolfram/Friedman, Tim/Gebhardt, Eveline (2014). Preparing for life in a digital age: The IEA International Computer and Information Literacy Study international report. Cham: Springer.
Gerick, Julia/Schaumburg, Heike/Kahnert, Julia/Eickelmann, Birgit (2014). Lehr- und Lernbedingungen des Erwerbs computer- und informationsbezogener Kompetenzen in den ICILS-Teilnehmerländern In: Bos, Wilfried/Eickelmann, Birgit/Gerick, Julia/Goldhammer, Frank/Schaumburg, Heike/Schwippert, Knut/Senkbeil, Martin/Schulz-Zander, Renate/Wendt, Heike (Hrsg.), ICILS 2013 – Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in der 8. Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann, S. 147–196.
Gerick, Julia/Eickelmann, Birgit/Bos, Wilfried (2017). The international computer and information literacy study from a European perspective: Introduction to the Special Issue. European Educational Research Journal, 16 (6), S. 707–715. doi.org/10.1177/1474904117735417.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Birgit Eickelmann, Kerstin Drossel, Julia Gerick
Beitrag als PDFEinzelansichtFranziska Bosse/Linda Siefert: „Ein unperfekter Körper zeigt dir eine unperfekte Person!“
Pro Ana steht für eine befürwortende Einstellung zur Essstörung Anorexia nervosa und ist ein medial verbreitetes Phänomen. Aktuell finden sich junge Frauen, die nach einem anorektischen Ideal streben, unter anderem in dem beliebten Messenger-Dienst WhatsApp in Chat-Gruppen zusammen. Anhand eines qualitativen Forschungsdesigns wird ein solcher Chat untersucht und der Frage nachgegangen, welche thematischen Inhalte hier verhandelt werden. Von diesen Resultaten ausgehend werden sowohl eine erste Einschätzungen über potenzielle Risiken oder Chancen für die Jugendlichen abgeleitet als auch Handlungsperspektiven entwickelt.
Literatur:
Bachmann, Stefanie/Hajok, Daniel/Schermutzki, Eva (2012). „Hunger nach weniger!" Pro-Ana und Pro-Mia im Internet. In: tv diskurs. Verantwortung in audiovisuellen Medien, 16 (3), S. 66–71.
Becker, Moritz (2018): Mündliche Mitteilung zu medienpädagogischen Perspektiven auf ‚Pro Ana‘ von Smiley - Verein zur Förderung der Medienkompetenz e.V., www.smiley-ev.de [14.02.2018]
Eichenberg, Christiane/Flümann, Andra/Hensges, Kristin (2011). Pro-Ana-Foren im Internet. Befragungsstudie ihrer Nutzerinnen. In: Psychotherapeut, 56 (5), S. 492–500.
Glaser, Stefan/Özkilic, Murat/Schindler, Friedemann (2013). Jugendschutz im Internet. Ergebnisse der Recherchen und Kontrollen. www.jugend-schutz.net/fileadmin/download/pdf/bericht2013.pdf [Zugriff: 30.06.2016]
Herpertz-Dahlmann, Beate/Hagenah, Ulrich/Vloet, Timo/Holtkamp, Kristian (2005). Essstörungen in der Adoleszenz. In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 54 (4), S. 249–267.
Jaite, Charlotte/Salbach-Andrae, Harriet/Miller, Samantha/Lock, James (2013). Anorexia nervosa. In: Lehmkuhl, Gerd/Poustka, Fritz/Holtmann, Martin/Steiner, Hans (Hrsg.), Lehrbuch der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Störungsbilder. Bd 2. Göttingen: Hogrefe, S. 800–828.
Klicpera, Christian/Gasteiger-Klicpera, Barbara (2007). Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter. Wien: Facultas.
Mayring, Philipp (2002). Einführung in die qualitative Sozialforschung. Eine Anleitung zum qualitativen Denken. 5. Aufl. Weinheim und Basel: Beltz.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (Hrsg.) (2015). Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf15/JIM_2015.pdf [Zugriff: 30.06.2016]
Rauchfuß, Katja (2008). Abschlussbericht der Recherche zu Pro-Anorexie-Angeboten. Mainz. www.jugendschutz.net/fileadmin/download/pdf/bericht_pro-ana.pdf [Zugriff: 30.05.2016]
Siefert, Linda (2015). Das anorektische Ideal auf ,Pro Ana‘ Weblogs. Eine qualitative Studie zu einer virtuellen Inszenierungspraktik. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Stemmer-Lück, Magdalena (2009). Verstehen und Behandeln von psychischen Störungen. Psychodynamische Konzepte in der psychosozialen Praxis. Stuttgart: Kohlhammer.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Franziska Bosse, Linda Siefert
Beitrag als PDFEinzelansichtSigrid Fahrer: Reisen in virtuelle Welten
Mit dem Projekt „Virtuelle Klassenreisen mit Google Expeditions“ setzt die Stiftung Lesen gemeinsam mit der Google Zukunftswerkstatt auf eine erfolgreiche Anregung des Lern- und Wissenserwerbs durch digitale Medien. Google Expeditions sind Virtual Reality-Anwendungen mit sphärischen Fotos von Sehenswürdigkeiten, Naturphänomenen und Ausstellungsräumen. Die Stiftung Lesen hat Szenarien entwickelt, Google Expeditions sinnvoll im Unterricht einzubetten und eine Brücke zur Leseförderung zu schlagen.
Literatur:
Beijing Bluefocus E-Commerce Co., Ltd./Beijing iBokan Wisdom Mobile Internet Technology Training Institutions (2016). A Case Study – The Impact of VR on Academic Performance. cdn.uploadvr.com/wp-content/uploads/2016/11/ A-Case-Study-The-Impact-of-VR-on-Academic-Performance_20161125.pdf [Zugriff: 04.01.2017]
Bitkom Resarch (2017). Kinder und Jugend in der digitalen Welt. www.bitkom.org/Presse/Anhaenge-an-PIs/2017/05- Mai/170512-Bitkom-PK-Kinder-und-Jugend-2017.pdf [Zugriff: 04.12.2017]
Gartner (2017). Hype Cycle for Education, 2017. www. gartner.com/doc/3769145/hype-cycle-education- [Zugriff: 04.12.2017]
Schwan Stephan/Bruder, Jürgen (2006). Virtuelle Realität und Lernen. www.e-teaching.org/didaktik/gestaltung/vr/vr.pdf [Zugriff: 04.12.2017]
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Sigrid Fahrer
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medienreport
Saskia Eilers: Kinderleichtes Programmieren
Wonder Workshop (2017). Dash. Ein Bildungsroboter zum Programmieren für Kinder. 179,99€
Er fährt geradeaus und summt dabei fröhlich vor sich hin. Wenn er ein Klatschgeräusch hört, bleibt er stehen und fängt zu tanzen an. Er tanzt so lange, bis jemand den großen weißen Knopf auf seinem Kopf drückt, dann ruft er ‚Howdy!‘ und fährt wieder los ... Der Spielzeugroboter Dash ist ein lustiges und durchaus intelligentes Kerlchen. Als Repräsentant moderner digitaler Spielfreude verbindet er Haptik, Experimentierfreude und digitalisierte Intelligenz zu einem neuen Erlebnis im Kinderzimmer. Mithilfe von eingebauten Mikrofonen kann Dash Geräusche orten und dabei sogar Händeklatschen von Stimmen unterscheiden. Die an den Rollfüßen befindlichen Sensoren ermöglichen es ihm, Hindernisse wahrzunehmen und zu umfahren.
Wenn sich mehrere Dash-Roboter in einem Raum befinden, können auch hier die Sensoren für ein gemeinsames Spiel genutzt werden. Daneben bieten vier Knöpfe am Kopf verschiedene Interaktionsmöglichkeiten. Die Vielzahl an komplexen Drehbewegungen, seine humanisierte Darstellung sowie seine Reaktion auf Ton und Bewegung lassen Dash somit zu einem lebendigen Spielkameraden werden, dessen Handlungsspektrum beinahe unerschöpflich erscheint. Die Bandbreite an unterschiedlichen Funktionen ermöglicht eine individuelle Verknüpfung und Ausgestaltung des eigenen Spielroboteres. Ob als Rennauto, als eifriger Nachplapperer oder als Gladiator in einer selbst gebauten Arena – der kleine Roboter kann vielseitig sein.
Dabei bietet er Kindern ab sechs Jahren nicht nur eine Menge kreativen Spielspaß, sondern vermittelt nebenbei auch grundlegende Programmierfunktionen wie Abfolgen oder bedingte Anweisungen. In Verbindung mit verschiedenen Apps kann die Programmierung von Funktionen für Dash erlernt und weiterentwickelt werden.Die App Wonder beispielsweise richtet sich an jüngere Kinder. Hier wird vordergründig mit einer bunten Symbolsprache gearbeitet, um Programmierfunktionen kennenzulernen. Die einzelnen Lernaufgaben werden dabei in eine fortlaufende Geschichte eingebettet. Doch auch der Kreativität wird im ‚Erfindermodus‘ der App keine Grenzen gesetzt. Denn hier können eigene Programme erstellt und im Anschluss über Codes mit Freunden und Freundinnen geteilt werden.
Die App Blockly richtet sich an ältere Kinder und weist bereits eine anspruchsvolle Ähnlichkeit zur Programmiersprache Scratch auf. In Form eines Baukastensystems werden bunte Funktionsblöcke miteinander verknüpft. Nachdem das Tutorial durchlaufen und somit der ‚Führerschein‘ für Dash erworben ist, können verschiedene Funktionen zu komplexeren Handlungsabläufen verbunden oder aber Lernkarten in Printform als Inspiration verwendet werden. Diese Lernkarten betten einzelne zu erlernende Programmierprinzipien in kleine Geschichten. So muss Dash zum Beispiel als bellender Hund programmiert werden und seinem Herrchen durchs Zimmer folgen.
Die verschiedenen Aufgaben der Lernkarten beinhalten überwiegend die Verwendung anderer Alltagsgegenstände, sodass die Fantasie der Kinder durch diese einfachen Mittel angeregt werden kann. Dash muss hier zum Beispiel einen Parcours aus Klebeband und anderem Spielzeug überwinden, ein Kuscheltier beschützen oder er wird so programmiert, dass er vor zwei Monstern – repräsentiert in Form von Bechern – ängstlich zurückschreckt. In unterschiedlichen Schwierigkeitslevel von A bis E werden die bisherigen Lernerfolge berücksichtigt und aufeinanderaufgebaut. Zu Beginn geben die Lernkarten noch konkrete Anweisungen für das Bausteinsystem. Bei fortgeschrittenem Level müssen Spielerinnen und Spieler selbst die richtige Funktion für eine gewünschte Handlung finden.
Über den Erwerb weiterer zusätzlicher Apps sowie materiellen Zusatzkäufen kann Dash zudem ein Katapult bedienen oder Xylophon spielen. Die Nutzung ist für eine Vielzahl mobiler Endgeräte mit den Betriebssystemen Android und iOS geeignet. Die Usability der Apps Wonder und Blockly ist allerdings auf Smartphones mit kleineren Bildschirmen eingeschränkt. Hier sind die notwendigen Hinweise und Erklärsätze sowie die Touchbereichsfelder zur Verbindung von Befehlen sehr klein und können kaum gelesen bzw. angesteuert werden. Entgegen der gegenwärtig aufkommenden Debatte über die Risiken eines zunehmend digitalisierten Kinderzimmers stellt Roboter Dash eine innovative und wertvolle Bereicherung für den Kinderzimmeralltag dar.
Der oftmals befürchtete Datenmissbrauch durch digitale Spielkameraden wird von Dash nicht unterstützt. Zwar reagiert der kleine Roboter auf Bild und Ton in seinem Umfeld, es findet jedoch kein Datenspeichern und -übermittlung statt. Nach der erstmalig erforderlichen Internetverbindung für das Herunterladen der Apps von Wonder Workshop ist für das tägliche Spiel mit Dash lediglich eine Bluetoothverbindung erforderlich. Die narrative Einbettung der einzelnen Lernaspekte in den Apps und Lernkarten sowie integrierte Gamification-Ansatz mittels Freischaltung von Belohnungen sowie weiteren Geschichten für Lernerfolge motivieren und vermitteln der Zielgruppe auf spielerische Weise ein technisches Verständnis. Dabei steht die Förderung von Kreativität, Neugier und Intuition im freien Spiel stets im Vordergrund. Eine hohe Spiel-Affinität wird durch die bunten Lichter erreicht und frechen Sounds, wie beispielsweise Rülps- und Pups-Geräusche, die einen kreativen Experimentierfreiraum gewährleisten.
Die Andockstellen für Lego-Bausteine geben Dash ein zusätzliches haptisches Feature, welches zu einer gelungenen Kombination aus traditioneller und moderner Spielfreude führt. Die geschlechtsneutrale Gestaltung sowie der weit gefasste Einsatzbereich von Dash bergen zudem den Vorteil, beide Geschlechter anzusprechen. So kann der kleine Roboter gewiss auch Mädchen und auch beide Elternteile für ein gemeinsames Spiel motivieren und nebenbei für das Programmieren begeistern. In den Vereinigten Staaten wurden das Bildungspotenzial von Dash bereits nutzbar gemacht, indem das Spielen und Lernen mit dem kleinen Roboter im amerikanischen Curriculum integriert wurde. Insbesondere die haptischen Lernkarten der Blockly-App eignen sich für den schulischen Unterricht und Gruppenarbeiten und vermitteln ein grundlegendes Verständnis für die Programmiersprache Scratch. Der kindgerechte Ansatz über farbige Symbolsprache rechtfertigt den Nutzungshinweis ab sechs Jahren des Herstellers. Die anfänglichen Schritte in den Apps sind dennoch sehr textlastig, so dass jüngere Kinder bei ihren ersten Interaktionen mit Dash begleitet werden sollten.
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Autor: Saskia Eilers
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Bloech, Markus Achatz, Nicole Lohfink: Berlinale 2018 – Politik und Filmkunst
Die Berlinale hat seit Jahren einen ausgesprochen politischen Anspruch. In diesem Jahr waren hier die Erwartungen allerdings besonders hoch: Ausgelöst durch die #MeToo-Debatte und aufgrund der geringen Frauenquote in nahezu allen Bereichen der Filmindustrie, wurde gespannt darauf gewartet, welche Schwerpunkte das Festival setzen würde. Doch vielleicht war die Berlinale von der Dynamik dieses Themas überrascht worden, denn es kam nur zu einzelnen, wichtigen Aktivitäten. Aus dem riesigen Programmangebot sind Michael Bloech, Markus Achatz und Nicole Lohfink einige bemerkenswerte Geschichten in Erinnerung geblie¬ben, die sie innerhalb von drei Schwerpunkten reflektieren.
Unterhaltung darf sein!
Neben der Setzung von relevanten Schwerpunkten möchte die Berlinale unbedingt ein attraktives Angebot für das breite Publikum bieten und bekanntlich ein Publikumsfestival sein. Zwar hat in punkto verkaufter Tickets das Filmfestival im kanadischen Toronto inzwischen die Nase vorne, doch das gesamte Filmangebot mit seinen vielfältigen Programmblöcken bedient auch auf der Berlinale ein sehr breites Publikum. Gewisse Zugeständnisse an das Unterhaltungsbedürfnis waren damit für eine positive Annahme des Angebots unumgänglich. Grund genug, sich unter dem Aspekt des Unterhaltungswertes die jeweiligen Eröffnungsfilme des Wettbewerbs und der Jugend- und Kinderfilm-Sektionen 14plus und Kplus anzuschauen.
Besonders „fabelhafte“ Eröffnung des Wettbewerbs
Eröffnet wurde der diesjährige Wettbewerb mit dem Puppentrick-Animationsfilm Isle of Dogs (Ataris Reise) von Wes Anderson, der seit 2001 bereits zum fünften Mal als Filmemacher bei einer Berlinale vertreten war. In der wunderbaren, moralischen Fabel geht es laut Wes Anderson in erster Linie um den Hund und erst in zweiter Linie um eine postmoderne, moralische Parabel: „Ich wollte unbedingt einen Film über Hunde machen“. Herausgekommen ist eine Dystopie über die Megacity Megasaki, die von dem omnipotenten, tyrannischen Bürgermeister Kobayashi regiert wird. Alle Hunde werden per Gesetz, wegen vorgeblich nicht behandelbarer Seuchengefahr, auf eine Insel deportiert. Die ferne Insel mit ihrer gigantischen Müllkippe und den monströsen Industrieruinen ist Heimat der streunenden, zotteligen Hunde, die zunehmend verwildern und vom Hungertod bedroht sind. Als sich Atari, der Pflegesohn des Despoten, auf den gefährlichen Weg dorthin macht, um seinen geliebten Hund Spots zu suchen, beginnt eine klassische Heldenreise. Allerdings ist es nicht Atari, der im Mittelpunkt der Geschichte steht, sondern die struppige und ungeheuer liebenswerte Hundemeute rund um Chief, Rex, King, Duke und Boss. Wes Anderson nimmt dabei Jung und Alt mit auf eine wunderbar altmodisch animierte Reise und transportiert dabei ganz nebenbei die wichtige Message, dass es im Leben immer Sinn macht, schier Unmögliches zu wagen, um gegen Missstände solidarisch organisierten Widerstand zu leisten. Anderson konnte mit Isle of Dogs, für einen Animationsfilm etwas überraschend, den Silbernen Bären für die Beste Regie gewinnen.
„Endlich erwachsen?“: Wiederkehrende Kernfrage im Eröffnungsfilm bei 14plus
Um eine Reise geht es auch in 303 von Hans Weingartner, dem Eröffnungsfilm der Jugendfilm- Sektion 14plus der Berlinale. Halb Europa bildet dabei den Hintergrund der gefühlsbetonten Geschichte zweier sehr unterschiedlicher, junger Menschen, die beide noch nicht zu sich selbst gefunden haben. Schon nach wenigen Minuten erinnert 303 an Richard Linklaters Independent- Filmklassiker Before Sunrise. Weingarnter hat 1995 bei dieser Produktion seine ersten Filmerfahrungen, sowohl als Nebendarsteller als auch Produktionsassistent gemacht. Hier wie dort sind es vor allem die pointierten, natürlich wirkenden Dialoge, die ein Zusehen spannend machen. Eine junge Frau und ein junger Mann treffen durch einen Zufall aufeinander und schon beginnt das spannende Sprachduell um Anziehung, Auseinandersetzung und Zurückweisung. Ort der Handlung bildet ein mehr als betagtes Mercedes Wohnmobil, dessen modifiziertes Typenschild für den Filmtitel verantwortlich zeichnet. Die Kombination von romantisch gefärbtem Dialogfilm und ästhetisch ansprechendem Roadmovie unterhält bestens, zumal dabei Themen diskutiert werden, die über den Austausch von Banalitäten weit hinausgehen.
Fantasievoll bunte Eröffnung des Kinderfilmprogramms bei Kplus
Das populäre Kinderbuch Die unglaubliche Geschichte von der Riesenbirne von Jakob Martin Strid bildete die Vorlage für den gleichnamigen Auftaktfilm der Sektion Kplus: Den utrolige historie om den kæmpestore pære der Filmemacher Philip Einstein Lipski, Amalie Næsby Fick und Jørgen Lerdam. In diesem farbenfroh animierten Film wird die abenteuerliche Reise der wasserscheuen Katze Mika, dem ängstlichen Elefanten Sebastian und dem verschrobenen Professor Glykose erzählt. Gemeinsam machen sie sich, in einer als Boot umfunktionierten Riesenbirne, auf eine abenteuerliche Suche nach ihrem verschwundenen Bürgermeister. Dabei müssen sie auf hoher See mit diversen Widrigkeiten kämpfen, treffen auf vermeintlich böse Piraten und Seeungeheuer, bevor sie schließlich im Showdown auf den verbrecherischen, größenwahnsinnigen Stellvertreter des entführten Bürgermeisters treffen. Zwar mangelt es der Dramaturgie ein wenig an Eleganz, aber insgesamt wird die Geschichte für junge Zusehende durchaus fantasievoll und unterhaltsam präsentiert.
Michael Bloech arbeitete als Medienpädagoge am Medienzentrum München des JFF mit den Schwerpunkten Videoarbeit, Kinder- und Jugendfilm.
Das Gewicht von Verantwortung: Filme bei GENERATION der 68. Berlinale - Von den Sorgen um andere und den Grenzen des Lebens
Aus dem Programm der Berlinale-Sektion GENERATION ragten Filme heraus, die die jungen Hauptfiguren mit einer widersprüchlichen Welt und schwer verstehbaren Realitäten konfrontieren. Häufig ging es um die Übernahme von Verantwortung für andere und Fragen nach den Grenzen des Lebens.
Wenn Superhelden sterben
Ein berührendes Highlight im diesjährigen Berlinale-Programm der Sektion GENERATIONKplus war die kenianisch-deutsche Koproduktion Supa Modo. Die neunjährige Jo ist unheilbar an Krebs erkrankt. Jos Mutter Kathryn beschließt, ihr Kind für die verbleibende Zeit mit nach Hause zu nehmen. Kathryn ist eine starke Persönlichkeit, doch mit dem Wissen um das unaufhaltbare Sterben ihrer Tochter kann sie ihrer Arbeit als Hebamme nicht mehr nachkommen. In dieser Konstellation übernimmt Mwix, Jos ältere Schwester, mehr und mehr Verantwortung. Jo liebt Superhelden-Geschichten und Mwix erkennt in Jos Fantasie einen Schlüssel für glückliche Momente. Sie bestärkt das kranke Kind in der Vorstellung, selbst magische Superkräfte entwickeln zu können. Dabei gewinnt sie immer mehr Dorfbewohner, sich an dem Spiel zu beteiligen und gemeinsam erfüllen sie Jo den sehnlichen Wunsch, Superheldin in einem eigenen Film zu werden. Neben der herausragenden Darstellerleistung der drei Protagonistinnen liegt die Stärke von Supa Modo darin, aus dem todtraurigen Plot auch hoffnungsvolle Botschaften zu ziehen. Durch die Film-im-Film-Story schafft Regisseur Likarion Wainaina ein Element der Distanz, das Jos Familie (und letztlich auch den Zuschauenden) hilft, mit der Tragödie umzugehen. Supa Modo wurde durch das deutsch-kenianische Produktionskollektiv One Fine Day (gegründet von Marie Steinmann Tykwer und Tom Tykwer) realisiert und ist mit einem rein afrikanischen Team entstanden. Auf der Webseite von One Fine Day findet sich das mit Jugendlichen aus dem Kibera-Slum Nairobi gedrehte Tanzvideo „Ping“. Begrüßenswert wäre es, wenn es künftig mehr afrikanische Filme nach Europa schaffen würden. Supa Moda wurde unter anderem mit Zuschüssen der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit gefördert. Über Bilder und Geschichten Emotionen zu wecken und den jungen Zuschauerinnen und Zuschauern Wege zu mehr Empathie aufzuzeigen, sind gut angelegte Mittel zur Förderung der internationalen Gemeinschaft. Die Kplus-Kinderjury sprach dem Film eine Lobende Erwähnung aus.
Poetische Wege des Abschieds
Eine ungewöhnliche und bewegende Geschichte über das Abschiednehmen erzählt auch der balinesische Film Sekala Niskala (The Seen and Unseen). Auch hier bestimmt eine unheilvolle Diagnose den Verlauf des Geschehens. Tantris Zwillingsbruder Tantra wird schwerkrank. Im Hospiz wagt sich die zehnjährige Tantri nicht ans Krankenbett ihres Zwillingsbruders – außer, wenn sie völlig in magische Zwischenwelten abgleitet, in denen sie mit Tantra spielt und tanzt. Das Mädchen nutzt alles Mystische und Symbolhafte, was sich ihrer kindlichen Welt erschließt, um mit dem nahenden Verlust umzugehen. Mit Kostümen und Körperbemalungen beginnt sie der Trennung zu begegnen. Sekala Niskala – das Sichtbare und das Unsichtbare – spielt dabei auf einer hoch stilisierten Ebene mit langen Traumsequenzen, in denen sich Tantri mit der jenseitigen Welt befasst. Obwohl sie dies alles nicht wirklich begreifen kann, möchte sie mehr Verantwortung übernehmen. Sie äußert einmal, wie gerne sie mit Tantra tauschen würde, damit er weiterleben könnte. Eine Rückblende zeigt, wie sich die Kinder gekochte Eier teilen: Tantri das Eiweiß und Tantra das Eigelb. Eines Tages öffnet Tantri ein Ei, darin fehlt das Eigelb, so wie Tantra. Die indonesische Regisseurin Kamila Andini hat ebenso das Buch zum Film geschrieben. Ihr Regiedebüt The Mirror Never Lies lief 2012 bei Berlinale GENERATION. Mit Sekala Niskala hat sie 2018 den Großen Preis der Internationalen Jury Kplus gewonnen.
Fortuna – Moral und Verantwortung
Fortuna vom Schweizer Regisseur Germinal Roaux hat gleichzeitig den Gläsernen Bären der Jugendjury 14plus und den Großen Preis der Internationalen Jury 14plus erhalten. Die 14-jährige Fortuna ist als Flüchtling aus Äthiopien in einem Kloster in den Schweizer Bergen gestrandet. Seit der Überquerung des Meeres in einem Boot fehlt von Fortunas Eltern jede Spur. Die Abgeschiedenheit und das rauhe Klima verstärken ihre Einsamkeit und Sehnsucht nach Geborgenheit. Auch andere Flüchtlinge haben vorübergehend im Kloster Zuflucht gefunden und dennoch kann sie nur mit den Tieren des Hofes über alles reden. Vor allem fürchtet sich Fortuna davor, Kabir die Wahrheit zu sagen: Sie ist schwanger von dem 26-Jährigen, der ebenfalls aus Äthiopien kommt. Als sie allen Mut zusammennimmt und es ihm erzählt, reagiert er schroff und gibt dem Mädchen die Schuld. Zunächst hofft das Mädchen auf eine gemeinsame Zukunft, doch bei einer unerwarteten Polizei-Razzia im Kloster verschwindet Kabir spurlos. Der Film besticht vor allem durch seine ästhetische Schärfe. In klaren Schwarz-Weiß-Bildern (im Format 4:3) erhält die Bergwelt eine eigene Hauptrolle. In den Rückblenden der Flucht fließen die tosenden Wellen des Meeres auf imposante Weise mit den Wolkenbewegungen über dem Gebirge ineinander. Fortunas Schwangerschaft kommt allmählich ans Licht und der Film wechselt den Blickwinkel auf andere Instanzen: Einerseits die Politik und Einwanderungsbehörden – repräsentiert in der Figur des Herrn Blanchet –, die auf Basis von Paragraphen Entscheidungen fällen. Er versucht, unbegleitete Minderjährige an Familien zu vermitteln und sieht in einer Abtreibung den einzigen Ausweg. Andererseits die Mönche des Klosters – allen voran Bruder Jean (dargestellt von Bruno Ganz) –, die ihr Haus als Zufluchtsort zur Verfügung stellen. Verantwortung richtet sich hier nach dem Prinzip von Nächstenliebe und göttlicher Weisung. Und es gibt noch eine dritte Ebene – in deren Perspektive wir am Ende zurückkehren: Was wünscht sich Fortuna selbst? Es ist ein Film über ein ergreifendes persönliches Schicksal vor dem Hintergrund der humanitären Katastrophe. Anhand von Fortunas jungem Leben stehen alle, die sich darauf einlassen, vor der Frage nach der Verantwortung. Roaux liefert am Ende keine Antwort, aber viele neue Fragen, die weit über das eine Leben hinausgehen.
Markus Achatz ist Erziehungswissenschaftler und Medienpädagoge, Leiter des Bereichs Bildung im Deutschen Jugendherbergswerk und nebenbei als freier Journalist, Filmrezensent, Musiker und DJ aktiv.
Die ‚persönliche‘ Seite der Berlinale - Die Attraktivität des Autobiographischen
Mit eindrücklichen Filmen quer durch die Sektionen rückten persönliche Lebensgeschichten in den Blickpunkt und verbanden zwei klassische Wahrheiten miteinander. Das Leben schreibt die interessantesten Geschichten – und Kunst, ob auf der Bühne, im Bild oder Film, bildet Leben ab, manchmal auch ‚larger than life'. Besonders beeindruckt dies, wenn es gelingt, diese Realität ganz nah an die Zuschauerin bzw. den Zuschauer heranzurücken. So erzählten folgende drei Beispiele aus dem diesjährigen Programm persönliche Geschichten von realen Menschen und schlagen eine Brücke zu anderen Lebenswelten, aber auch zu universalen Themen wie tiefe Freundschaft, der eigenen Verwundbarkeit und Stolpersteinen des Erwachsenwerdens.
Mut zur eigenen Schwäche – vom äußeren und inneren Terror
Ein bestechender Film aus der Sektion Panorama Special heißt Profile, ein Film von Timur Bekmambetov. Im Mittelpunkt steht die britische Journalistin Amy Whittaker und ihre Recherche über die Rekrutierung junger europäischer Frauen durch den IS. Die Journalistin nimmt über ein gefälschtes Facebook-Profil Kontakt zu einem IS-Kämpfer auf und gibt sich als junge Konvertitin aus. Hierauf folgt ein Katz-und-Maus-Spiel zweier Jäger. Der Film beginnt als Einblick in die Struktur des Terrors, legt aber später zunehmend Gewicht auf die verschwimmende Grenze zwischen sich einlassen und Distanz wahren, Zerbrechlichkeit der eigenen Persönlichkeit und emotionale Manipulationsmechanismen. Der gesamte Film verläuft dabei nur auf der Computer-Bildschirm-Oberfläche, auch das alltägliche Leben der Protagonistin wird über online geführte Unterhaltungen via diversen Web-Diensten gezeigt. Der Zuschauende wechselt zwischen Identifikation mit der Protagonistin und der Beobachterposition. Trotz Eile in der Erzählung, welche die Genauigkeit bestimmter Abläufe überholt, wird die gesamte Tragweite offenbar, wenn Protagonistin – und Zuschauende – mit den Konsequenzen der eigenen Handlungen konfrontiert werden: Die französische Journalistin, auf deren Geschichte der Film basiert, lebt heute unter anderem Namen. Die Veröffentlichung ihres Berichts führte zu mehreren Verhaftungen und einer Todesdrohung durch den IS-Staat. Profile gewann den Publikums-Preis in der Sektion Panorama.
Spirituelle Begegnung mit einem Ausnahme-Musiker
Aus der Reihe Berlinale Special bewies der Dokumentarfilm Gurrumul aus down under erneut die verbindende Wirkung von Musik und macht mit der Persönlichkeit und Musiker Geoffrey Gurrumul Yunupingu, einem Aboriginal aus dem australischen Arnhemland, vertraut. Bewiesen als ein außerordentlich begabter Musiker von Kindheit an, aber blind geboren, bietet Gurrumuls Leben schon genug Stoff, um erzählt zu werden. Aber die Geschichte erlaubt der Zuschauerin bzw. dem Zuschauer einen Einblick in die Würde einer Kultur mit deren Werten einer uns zunächst unvertrauten Gesellschaft. In persönlichen Bildern und Interviews erzählt Regisseur Paul Williams von der frühen Begabung des Musikers – der sich vier Instrumente selbst beibrachte –, von seinem Stammesleben, den Ängsten seiner Verwandten, dass er als blinder Mann keine Unabhängigkeit leben kann, aber auch von der Wertschätzung, die er in seinem Stamm erfährt. Der Zuschauende erfährt von der Begegnung Gurrumuls mit seinem langjährigen engen Freund und Wegbegleiter Michael Hohnen, einem Musiker und ‚baladan‘, das heißt ‚weißer Typ‘ auf Yolngu Matha. Hohnen wird zum Sprachrohr und Übersetzer für den extrem scheuen Musiker, der dennoch Konzerte vor vielen tausenden Menschen gibt. Vor dieser Hintergrundgeschichte schafft es der Film Gurrumul eine Geschichte von persönlicher Freiheit zu erzählen. Dazu kommen Momente, in denen mündlich überlieferte Lieder die Traditionen und Geschichten der früheren Generationen vermitteln und somit den kulturellen Reichtum erlebbar machen. Die Suche nach einer visuellen Entsprechung der Tiefgründigkeit der Musik gelingt durch intime Einblicke, die der Film in die Lebensumstände des Künstlers gewährt – Einblicke, die das enge freundschaftliche Verhältnis zwischen den beiden Musikern Michael und Gurrumul erst ermöglichen und welche so zwischen einem ‚baladan‘ und einem ‚yolnu‘ (schwarzer Typ) selten vorkommen. So findet sich der eigentliche Schatz des Films darin, dass ein ungewollter Star nicht nur Wissen über das kulturelle Erbe Australiens vermittelt, sondern auch die Universalität dieser Traditionen enthüllt. Geoffrey Gurrumul Yunupingu starb kurz vor Veröffentlichung des Films.
Erwachsenwerden – die Suche nach der Identität in turbulenten Bildern animiert
Der Animationsfilm Virus Tropical von Regisseur Santiago Caicedo ist die autobiographische Geschichte der kolumbianisch-ecuadorianischen Cartoonistin Paola Gaviria, basierend auf ihrem gleichnamigen Comic von 2014. Mit der eigenen Existenz als Ergebnis eines tropischen Virus startet der Film in eine humorvolle und bildgewaltige Reise zum Thema Stolpersteine der Kindheit und Jugend im Programm von GENERATION 14plus. Dabei geht es vordergründig um das Mädchen Paola und die Entwicklung ihrer Familienbeziehungen – insbesondere zur Mutter und zu den beiden Geschwistern. Es geht um den Umgang mit Veränderungen, den Umzug in eine andere Stadt, Zugehörigkeitsgefühle der Protagonistin und die eigene Definition. Es ist die Inventur eines Lebens und Konstruktion des eigenen Selbst, inklusive aller Elemente und Orte des Aufwachsens, die eine wichtige Rolle in der Kindheit und Jugendzeit der Autorin gespielt haben. Der Zuschauerin bzw. dem Zuschauer bietet sich dadurch ein Spiegel der Erinnerung, während der Film mit Augenzwinkern und Rasanz die verschiedenen Stationen anläuft. Die Bedeutung von Familie, Erkundung von Sexualität und auch, was es bedeutet, eine Frau zu sein, samt der Entwicklung der persönlichen Identität als zentrale Themen des Erwachsenwerdens werden sowohl inhaltlich als auch stilistisch erfahrbar gemacht. Die turbulenten Wechsel der Kindheit und die Auseinandersetzung mit der Außenwelt spiegeln sich unentwegt in diversen graphischen Spielarten wider. Der Haupt-Charakter ist immer im Entwicklungszustand. Auch musikalisch wird handlungsorientiert gearbeitet – die Liedtexte stehen für die jeweilige Situation in Paolas Leben. Entstanden ist ein sehr ansprechendes und persönliches Werk, dem die Cartoonistin insgesamt neun Jahre ihres Lebens gewidmet hat. Vier Jahre für die Erarbeitung der Novelle und fünf Jahre für die Gestaltung des Films, für den sie über 1.000 Zeichnungen erstellt hat. Real existierende Menschen im Fokus der Filme schaffen so eine gelungene persönliche Begegnung zwischen Fremden und bieten in ihrer Vielseitigkeit noch lange Stoff zum Nachdenken und Nachspüren – und damit sicherlich eine Leistung von gesellschaftlicher Relevanz durch die Berlinale.
Nicole Lohfink ist freie Journalistin, Film- und Theaterkünstlerin und medienpädagogische Referentin.Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Michael Bloech, Markus Achatz, Nicole Lohfink
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publikationen
Adrian Roeske: Alltagskonflikte Jugendlicher in der Konfliktarena ‚soziale Medien‘
Schimpf, Elke/Stehr, Johannes (Hrsg.) (2017). Soziale Medien als Konfliktarena. Alltagskonflikte Jugendlicher und wie sie über die Nutzung von Social Network Sites bearbeitet werden. Marburg: Büchner-Verlag. 174 S., 20,00 €.
Private Lebensgestaltung funktioniert für Kinder und Jugendliche nicht mehr ohne Social Network Sites. Über Soziale Netzwerke werden unter anderem Peerbeziehungen gepflegt und Apps wie Facebook, WhatsApp und Co. sind von den Smartphones der Heranwachsenden kaum noch wegzudenken. Lebenswelten sind zunehmend von Sozialen Medien durchdrungen und sowohl Soziale Arbeit als auch Medienpädagogik sind dazu aufgefordert, sich kontinuierlich mit diesen Phänomenen auseinanderzusetzen. Hierunter fällt auch die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, unter anderem in Form von ‚(Jugend)Konflikten‘. Aus Sicht von Schimpf und Stehr werden diese im gesellschaftlichen Diskurs und in Sozialer Arbeit „häufig problematisiert und skandalisiert“.
Mit Hilfe eines verstehenden Zugangs sowie einer kritischen, konfliktorientierten Forschungsperspektive wird dem eine Studie entgegengesetzt, welche die Lebenswelten von Jugendlichen als Räume der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit gesellschaftlich dominierenden Diskursen begreift. In dem von 2013 bis 2016 durchgeführten Projekt an der Evangelische Hochschule Darmstadt sind die „Alltagskonflikte Jugendlicher und ihre Strategien des Umgangs mit sozialen Medien bzw. die Relevanz ihrer Nutzung soziale Medien“ untersucht worden. Der Band besteht aus sechs Beiträgen, welche anhand exemplarischer Auszüge aus den drei Gruppendiskussionen unterschiedliche Fragestellungen bearbeiten. Das Werk bietet einen tiefen Einblick in die Lebenswelten von Jugendlichen und verbindet diese inhaltlich mit Sozialen Medien.
Nach dem Überblick über die Genese, das Forschungsdesign sowie die Probleme beim Feldzugang sticht zunächst die Eingrenzung auf den Schulkontext hervor. Zudem werden soziale Medien als gesellschaftliches Konfliktfeld deklariert und einige zentrale Problembereiche benannt. Dabei stellt sich unter anderem heraus, dass hegemoniale Sexualisierungs- und Geschlechterdiskurse durch die Jugendlichen reproduziert und Konflikte vorwiegend innerhalb eigener Strukturen bearbeitet werden. Soziale Arbeit wird dazu aufgefordert, sich mit gesellschaftlichen Diskursen und den Weltbildern der Jugendlichen sowie der Aufklärung über gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse auseinanderzusetzen. Die Ergebnisse werden darauf verdichtet, dass soziale Medien ein „elementarer Bestandteil“ der Lebenswelt von Jugendlichen sind und diese „als Ressource zur Lebensbewältigung, aber auch zur Demonstration von Eigenständigkeit und autonomer Gestaltung genutzt werden.
“Die Beiträge von Dumke, Turgay und Mosell zoomen unter der Prämisse der Perspektivenvielfalt tiefer in das Material hinein. Es wird festgehalten, dass es sich in den Gruppendiskussionen um typische Jugendkonflikte und keine gefährliche Kategorie von Konflikten handelt, die überdramatisiert werden sollte. Hierbei wird der Bogen zu gesellschaftlich prägenden Diskursen über soziale Medien gespannt und der ‚Skandalisierung‘ widersprochen. Stattdessen wird auf die bewahrpädagogische Haltung von Eltern sowie die Rolle der Schule hingewiesen, welche normative und hegemoniale Konstrukte unterstützt und Diskurse zum Teil (re)produziert. Die Institution Schule gerät durchweg in die Kritik, indem sie als „Macht-Wissen-Gefüge“ und „Arena“ beschrieben wird, in der Normen entlang von geschlechtlichen Einteilungen verhandelt, (re)produziert und somit „auch bestimmte Handlungsmöglichkeiten von Jugendlichen strukturiert werden.“
Zuletzt wird „die (Re)produktion hegemonialer Skripte“ in den Artikulationen angemahnt, wenngleich zusätzlich „Irritationen und Widersprüche“ ausgemacht werden konnten. Die Kämpfe und Konflikte der Jugendlichen um eine eigene Position sind letztlich mit „Ambivalenzen, Pragmatismus und Eigensinn“ verbunden. Soziale Arbeit wird hierbei das Potenzial einer dekonstruierenden Figur zugeschrieben, was sowohl hegemoniale Deutungsmuster als auch dominantes Wissen betrifft. Ziel müsse es sein, eine Verschiebung von einer „Politik des Verhaltens“ in eine „Politik der Verhältnisse“ zu ermöglichen.
Die Analysen zeigen gesellschaftskritisch auf, wie Jugendliche Alltagskonflikte in ihrer Lebenswelt verhandeln und welche Diskurse dabei relevant werden. Die detaillierten Einblicke geben ein präzises Bild über die Strategien der Jugendlichen – wenngleich die eingeschränkte Erhebungssituation kaum Verallgemeinerungen zulässt. Der Band liefert wichtige Erkenntnisse zu den Lebenswelten der Jugendlichen und stellt dabei zahlreiche kritische Fragen an die Institution Schule. Soziale Arbeit wird vor allem hinsichtlich ihres kritischen Charakters aufgerufen und erhält Hinweise, um mit den im Alltag und in sozialen Medien auftauchenden Konflikten umzugehen. Die Ergebnisse bieten auch dank der konfliktorientierten Forschung sozialer Arbeit sowie Medienpädagogik die Möglichkeit, praktische Arbeit gezielter entlang lebensweltlicher Realitäten auszurichten. Unter anderem kann der „problematisierenden und skandalisierenden“ Debatte um Cybermobbing, Sexting oder Gewalt im Netz besser begegnet und der öffentliche Diskurs präziser geführt werden.
Literatur
Alfert, Nicole (2015). Facebook in der Sozialen Arbeit. Aktuelle Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe für eine professionelle Nutzung. Wiesbaden: Springer VS.
Krotz, Friedrich (2012). Von der Zentralperspektive zur Augmented Reality. Wie Mediatisierung funktioniert. In: Krotz Friedrich/Hepp, Andreas (Hrsg.), Mediatisierte Welten. Forschungsfelder und Beschreibungsansätze. Wiesbaden: Springer VS, S. 27–57.
Kutscher, Nadia (2013). Jugend und Medien. In: Rauschenbach, Thomas/Borrmann, Stefan (Hrsg.), Herausforderungen des Jugendalters. Weinheim, Basel: Beltz Juventa, S. 118–138.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Adrian Roeske
Beitrag als PDFEinzelansichtSaskia Eilers: Jetzt und in Zukunft
Schmidt, Jan-Hinrik/Taddicken, Monika (Hrsg.) (2017). Handbuch Soziale Medien. Wiesbaden: Springer VS. 407 S., 39,99 €.
Die Gestaltung des Alltags ohne WhatsApp, Facebook & Co. ist in einer mediatisierten Gesellschaft für viele Menschen nur schwer vorstellbar. In den letzten Jahren haben sich soziale Medien zu einem wesentlichen Bestandteil digitaler Kommunikation entwickelt und damit das Phänomen der ‚vernetzten Individualität‘ begründet. Durch die existierende Bandbreite an Anwendungen wird heutzutage eine vielfältige Nutzung im gesellschaftlichen Kontext ermöglicht, wobei die Chancen und Risiken Hand in Hand gehen.
Handbuch Soziale Medien präsentiert den aktuellen Forschungs- und Diskussionsstand zu diesem Thema und bezieht sich dabei vorrangig auf die Kommunikationswissenschaft sowie angrenzende sozialwissenschaftliche Disziplinen. In den einzelnen Beiträgen werden Perspektiven aus unterschiedlichen Fachrichtungen mit gesellschaftlichen Kontexten in Bezug gesetzt und sowohl eine Betrachtung der Nutzungsformen sozialer Medien als auch deren gesellschaftliche Einbettung mit möglichen Konsequenzen vorgenommen.Das Handbuch besitzt einen strukturlogischen Aufbau, der die Einordnung des vermittelten Wissens durch aufeinander aufbauende Teilbereiche erleichtert.
Der erste Teil der Publikation führt in den Themenbereich ein und beinhaltet diesbezügliche kommunikations- und sozialwissenschaftliche Grundlagen. Es werden spezifische Charakteristika sozialer Medien wie Beziehungsaufbau und -pflege, die Verdatung zwischenmenschlicher Beziehungen sowie die Deinstitutionalisierung von massenmedialen Öffentlichkeiten hervorgehoben. Eine gattungsspezifische Differenzierung in Plattformen, Personal Publishing, Instant-Messaging und Wikis dient als Verständnisgrundlage für die weiterführende Lektüre. Darüber hinaus wird sich mit der Entwicklung und Verbreitung sozialer Medien befasst und auf die darin vollzogenen Handlungen als soziokulturell geprägte Tätigkeit eingegangen. Eingehend betrachtet werden dabei verschiedene Funktionen wie das Kommentieren, Veröffentlichen und Weiterleiten von Inhalten. Auch werden verschiedene Praktiken des Identitäts-, Beziehungs-, und Informationsmanagements differenziert.
Im zweiten Teilbereich folgen theoretische Überlegungen sowie empirische Erkenntnisse zu verschiedenen Anwendungsfeldern. Hier werden die Nutzungsmotive, Nutzungsformen sowie Wirkungen sozialer Medien aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Dabei widmen sich einige Beiträge vorrangig persönlichen Aspekten, wie der Selbstpräsentation, dem Impression Management und der Identitätsbildung. Andere beziehen sich wiederum auf die Beziehungsgeflechte sozialer Medien mit verschiedenen Arbeitsbereichen, wie der politischen Kommunikation, dem Journalismus oder auch der externen wie internen Organisationskommunikation. Auf dieser Grundlage werden anschließend übergreifende Fragestellungen behandelt, welche sich auf die zukünftigen Entwicklungen der sozialen Medien innerhalb der Gesellschaft beziehen. Die hier zu findenden Beiträge beinhalten sowohl Zukunftskonzepte als auch Diskussionen, in denen die Potenziale sowie Risiken sozialer Medien aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Neben den ökonomischen und partizipativen Chancen der Netzwerkeffekte werden auch Gefahren dieser Technologien zur Überwachung und Kontrolle reflektiert. Außerdem werden die Perspektiven der Software Studies zu technischen Voraussetzungen sowie der empirischen Sozialforschung und ihrem methodologischen sowie instrumentellen Fokus miteingeschlossen.
Die Publikation Handbuch Soziale Medien vermittelt einen fundierten Einblick in den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs und beleuchtet unter Einbezug interdisziplinärer Blickwinkel mit theoretischen und empirischen Schwerpunkten die Funktionen sowie die gesellschaftliche Einbettung sozialer Medien. Die Bedeutung dieser Anwendungen wird unter anderem für Individuen, verschiedene Arbeitsbereiche, für die empirische Forschung und für die Medienpädagogik hervorgehoben und den Zielgruppen dabei konkrete Denkanstöße übermittelt. Für den Bereich der Medienpädagogik ist insbesondere das vor dem Hintergrund der Vor- und Nachteile sozialer Medien entwickelte Kompetenzmodell interessant, welches sich mit der Gewährleistung einer adäquaten Medienkompetenzförderung in der Zukunft auseinandersetzt.
Die Publikation eignet sich somit als umfassender Überblick über den Themenbereich und spricht zugleich die spezifischen Interessen von Fachpersonen aus verschiedenen Forschungs- und Praxisbereichen an. Dabei vereinen die einzelnen Beiträge optimistische und kritische Betrachtungen zu sozialen Medien und verhelfen Leserinnen und Lesern, zu einer eigenständig reflektierten Einschätzung zu gelangen. Jeder Beitrag enthält ein Inhaltsverzeichnis, eine kurze Inhaltszusammenfassung sowie ein eingebettetes Fazit. Dadurch gelingt eine schnelle Orientierung im gesamten Themenspektrum wie auch über den konkreten Informationsgehalt jedes einzelnen Beitrags. Die Integration von einschlägigen Schlüsselwörtern, die zu Beginn eines Beitrags präsentiert werden, bietet darüber hinaus eine zusätzliche Möglichkeit der thematischen Einordnung. Der Verzicht auf ein Verzeichnis dieser Schlüsselwörter sowie deren mangelnde Verknüpfung in den einzelnen Beiträgen verringert jedoch deren potenziellen Mehrwert. Visuelle Darstellungen in Form von Abbildungen und Tabellen heben die zentralen Aspekte der Beiträge hervor und unterstützen somit die Wissensvermittlung. Durch die Verbindung von wissenschaftlichen Grundlagen sozialer Medien und den spezifischeren Beitragsthemen kann die Publikation zum einen als Einführung in den Themenbereich genutzt werden und dient zum anderen auch als Vertiefungslektüre zu einzelnen Anwendungsgebieten.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Saskia Eilers
Beitrag als PDFEinzelansichtDürnberger, Martin (Hrsg.) (2018). Öffentlichkeiten. Salzburger Hochschulwochen. Innsbruck, Wien: Tyrolia. 264 S., 21,00 €.
Dürnberger, Martin (Hrsg.) (2018). Öffentlichkeiten. Salzburger Hochschulwochen. Innsbruck, Wien: Tyrolia. 264 S., 21,00 €.
Die Digitalisierung wandelt das individuelle und gesellschaftliche Leben. In Zeiten von Facebook, YouTube oder Instagram verschwimmt die Grenze zwischen privat und öffentlich. Mediennutzende erstellen eigene Medienprodukte und konstruieren so ihre Identitäten. Gleichzeitig stellen Fake News nicht nur den Journalismus vor Herausforderungen. Im Sommer 2017 widmeten sich die Salzburger Hochschulwochen dem aktuellen wissenschaftlichen Diskurs über mediale und nicht-mediale „Öffentlichkeiten“, unter anderem aus theologischer, soziologischer und medienwissenschaftlicher Perspektive.
Im hieraus entstandenen Sammelband Öffentlichkeiten erläutern Expertinnen und Experten aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, wie (mediale) Öffentlichkeit die individuelle und gesellschaftliche Diskussion prägt. Sie appellieren beispielsweise an die Verantwortung der Medienakteure durch qualitätsvolle Arbeit Vertrauen zu gewinnen. Daneben werden Vorschläge für eine pflichtbewusste Kommunikation in sozialen Medien aufgezeigt. Zu den Mitautorinnen und -autoren gehören etwa die Sozialwissenschaftlerin Marianne Heimbach-Steins, der Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer oder die Soziologin Kristina Stoeckl. Die hohe Bedeutung der Themen Privatheit und Öffentlichkeit wird durch die explizite Behandlung in allen Beiträgen erkennbar. Diese zeichnen sich jeweils durch einen sehr übersichtlichen Aufbau aus. Der Publikation liegt dabei ein religiöser Schwerpunkt zugrunde.
Breite interdisziplinäre Kenntnisse sind für ihre Lektüre teilweise unerlässlich. Öffentlichkeiten ist für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Sozial- und Bildungswissenschaften sowie Medien- und Kommunikationswissenschaften interessant, da sie einen vertiefenden Einblick in verschiedene Sichtweisen erhalten, die vor dem Hintergrund der digitalen Gesellschaft neue Denkanstöße liefern können. hp
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Heinrike Paulus
Beitrag als PDFEinzelansichtElisa Eberle: kurz notiert
Eickelmann, Jennifer (2017). „Hate Speech“ und Verletzbarkeit im digitalen Zeitalter. Phänomene mediatisierter Missachtung aus Perspektive der Gender Media Studies. Bielefeld: transcript. 329 S., 32,99 €.
Cybermobbing, Trolling und Hate Speech sind im allgemeinen Umgangston innerhalb des Internets präsenter denn je. Wie sich diese als virtuelle Gewaltakte auf die einzelnen Subjekte auswirken, untersucht die Soziologin Jennifer Eickelmann in ihrer Dissertation „Hate Speech“ und die Verletzbarkeit im digitalen Zeitalter aus der Perspektive der Gender Media Studies. Das Werk beginnt mit der Diskussion seiner theoretischen und methodologischen Perspektiven. Dabei geht die Autorin insbesondere auf Theorien aus den Bereichen Soziologie, Performativität und Gender Studies ein.
Im Zentrum stehen unter anderem die Frage nach der Materialität der Welt und Prozesse der Subjektivation im Netz. Im Verlauf werden konkrete Phänomene des Hasses auf ihre Figuration hin untersucht und Analysen der Fallbeispiele Anita Sarkeesian und Amanda Todd vorgestellt. Sarkeesian machte in einer Webserie auf die Geschlechterstereotypen in digitalen Spielen aufmerksam und sah sich daraufhin Missachtungen im Netz ausgesetzt. Die 15-jährige Amanda Todd hingegen dokumentierte ihre Leidensgeschichte bis zu ihrem Suizid auf YouTube. Im Hinblick auf den virtuellen Gewaltakt am Medienkörper der Opfer von Hate Speech fordert Eickelmann einen verantwortungsbewussten Umgang mit Medien. Somit kann die Publikation einen Ausgangs-punkt für eine moderne Medienpädagogik darstellen. Aufgrund seines theoretisch-abstrakten Charakters eignet sich der Band in erster Linie für Leserinnen und Leser, die mit soziologischen und verwandten Thematiken und Theorien vertraut sind.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Elisa Eberle
Beitrag als PDFEinzelansichtAntje Müller: kurz notiert
Fürst, Michael (2017). Emersive Bilder. Paderborn: Wilhelm Fink. 348 S., 49,90 €
Das Werk Emersive Bilder von Michael Fürst befasst sich intensiv mit spezifischen Wirkweisen von Bewegtbildern. Das Bild trägt dabei unterschiedliche Intentionen der Kunstsprache in sich und macht die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt bewusst. Im Mittelpunkt des Interesses stehen daher die Entwicklungen eines spezifischen Verhältnisses zum Zuschauenden – von der Kontaktaufnahme bis hin zur Überschreitung der Bildgrenze, indem sich das Bild zum Betrachtenden hinzubewegen scheint. Solch emersive Bilder finden sich oft in Horrorfilmen, deren ‚Bildattacke‘ auf die Zuschauenden eine ganz eigene Lebendigkeit und Körperlichkeit entfaltet, nicht zuletzt, da sie die Zuschauenden zur Handlung auffordern. Am Beispiel von King Kong, Poltergeist und Videodrome untersucht Fürst dieses Eigenleben emersiver Wirkungen, welche im Resultat durch ein Zusammenspiel narrativer wie auch bildästhetischer Mittel gekennzeichnet sind und in enger Verbindung mit der Figur eines Monsters oder monströsen Erscheinungen stehen.
Im Vergleich zu früheren audiovisuellen Produktionen unternehmen ‚Überwältigungsstrategien‘ der neuen digitalen Bildwelten so den Versuch, ihren Status als Bilder zugunsten eines stärkeren Realitätseindrucks zu überspielen.Emersive Bilder schafft einen spezifischen Zugang zu neueren filmtheoretischen Überlegungen, die im Einbezug zahlreicher Beispiele einen detailreichen, hoch analytischen Blick auf die reflexiven Wirkweisen von Bewegtbildern, insbesondere in Horrorfilmen, eröffnen. Trotz mühevoller Aufarbeitung theoretischer, historischer und aktueller Wissensbestände der audiovisuellen Mediendispositive Kino, Fernsehen und Video verfestigen sich nur einige Momente, während andere – auch aufgrund einer hohen sprachlichen Komplexität und häufigen inhaltlichen Repetition – ab und an die Spur verlieren lassen.
Der Band eignet sich insbesondere für Filmschaffende und Filmwissenschaftlerinnen sowie -wissenschaftler. Aber auch (medien-)pädagogische Fachkräfte im Bereich Film und Fernsehen können sich aus den präsentierten Studienergebnissen Anregungen für ihre Arbeit in Bezug auf Vermittlung von Wirkweisen und Stärkung kompetenter Nutzweisen herausziehen.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtAntje Müller: kurz notiert
Knaus, Thomas (Hrsg.) (2017). Forschungswerkstatt Medienpädagogik: Projekt – Theorie – Methode. Bd. 1, München: kopaed. 350 S., 19,80 €.
Der Band Forschungswerkstatt Medienpädagogik: Projekt – Theorie – Methode des Herausgebers Thomas Knaus stellt die Frage nach der Existenz einer medienpädagogischen Forschung und rückt die Abbildung eines facettenreichen Standbilds aktueller Forschungsansätze und -methoden in der medienpädagogischen Forschung und Praxis ins Zentrum, mit dem Ziel, diese der Scientific Community als mehrbändige Printausgabe auch Open Access auf niedrigschwelliger Ebene zugänglich zu machen.
Ausgewählt wurden Werkstattbeiträge und Grundlagentexte nach ihren kreativen Ansätzen und innovativen Methoden, ohne den Blick ausschließlich auf Ergebnispräsentationen zu richten. Entsprechend den Zielstellungen, die Methodendiskussionen zu beleben, das ‚Wie‘ des Forschungsprozesses zu beleuchten und insbesondere Studierende und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern Orientierung zu bieten, folgen alle Beiträge einer einheitlichen Struktur. Dabei wird auf eine Offenheit der Systematisierungen ohne lenkende Kategorisierungen Wert gelegt, die der multiparadigmatischen Beschaffenheit der Disziplin bei fortwährenden Umbrüchen gerecht wird. Ebenfalls der Orientierung dienend, erleichtern Verschlagwortung der Beiträge mittels Tags eine Einordnung der Beiträge und beschleunigen die Suche in Onlinedatenbanken. Darüber hinaus trägt die umfangreiche einschlägige Literatur zur Qualifizierung der Lesenden in wissenschaftlicher Aus- und Fortbildung bei.
Es findet sich überblicksartige Aufbereitungen bewährter Methoden, Entwicklungskontexte aber auch neue methodische Ansätze. Der Querschnitt durch eine Vielzahl angrenzender Fachbereiche, die die Medienpädagogik mit konstituieren, ein hoher Aktualitätsgrad der Forschungsliteratur und die Einhaltung einer stringent inhaltlichen Nachvollziehbarkeit kommen den adressierten Studierenden und Nachwuchswissenschaftlerinnen sowie -wissenschaftlern entgegen. Gemäß seines Anliegens gelingt es dem Herausgeber somit einen methodische Diskussionsgrundlage zu schaffen, die die Vernetzung von Wissen sowie die Weiterentwicklung medienpädagogischer Forschungsansätze, -zugänge und -methoden in den Mittelpunkt stellt.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtDaphne Schubert: kurz notiert
Pietraß, Manuela/Fromme, Johannes/ Grell, Petra (Hrsg.) (2017). Jahrbuch Medienpädogogik 14. Der digitale Raum – Medienpädagogische Untersuchungen und Perspektiven. Wiesbaden: Springer VS. 239 S., 44,99 €.
Im wissenschaftlichen wie praktischen Kontext der Pädagogik ist die Frage nach Raum und Raumkonzepten keine neue. Jedoch ergeben sich durch die zunehmende Digitalisierung unserer Welt und unseres Alltags völlig neue Fragen: Anhand welcher Kategorien können diese immateriellen Räume definiert werden und – aus pädagogischer Perspektive – inwiefern können diese für Lern-, Sozialisations- und Bildungsprozesse genutzt und gestaltet werden?
Das Jahrbuch Medienpädagogik 14 beinhaltet Beiträge der Herbsttagung 2015 der Sektion Medienpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) zum Thema „Digitaler Raum – digitale Zeit. Form und Veränderung grundlegender Kategorien von Erfahrung und ihre Bedeutung für die Medienpädagogik“. Der erste Teil des Bandes beschäftigt sich mit theoretischen Zugängen zur Thematik des digitalen Raums unter den Aspekten der Subjektbildung, der Selbstdarstellung und der Frage nach Aneignungsformen digitaler Kommunikationsräume. Der zweite Teil des Bandes schlägt den Bogen zu verschiedenen Aspekten der Raumfrage in der medienpädagogischen Praxis anhand verschiedener vorgestellter Projekte wie zum Beispiel einer Unterrichtseinheit, die den virtuellen und realen Raum innerhalb einer geographischen Exkursion mit Grundschulkindern miteinander verknüpft.
Aktuelle Entwicklungen unserer Gesellschaft werden durch die zunehmende Digitalisierung in diesem Band im Hinblick auf ihre Bedeutung für pädagogische Grundsatzfragen von Subjektbildung und sozialräumlichen Konzepten betrachtet. Erscheinungen unserer Zeit wie zum Beispiel die Gestaltung von Facebook-Profilen zur Selbstdarstellung werden aufgegriffen und in den medienpädagogischen Kontext eingebettet. Der Einbezug verschiedener pädagogischer Zielgruppen sowie verschiedener Formen physischer wie digitaler Räume, bietet im zweiten Teil einen breitgefächerten Einblick in die Möglichkeiten der medienpädagogischen Praxis. Durch die Betrachtung von Theorie und Praxis ist der Band für pädagogisch Forschende, aber auch für interessierte Fachkräfte aus der Praxis gleichermaßen geeignet. Ein gewisses Maß pädagogischen Grundwissens ist von Vorteil.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Daphne Schubert
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kolumne
Niels Brüggen: "eine Puppe, die spricht"
Die Digitalisierung hält ja auch wirklich überall Einzug. So auch im Wunschzettel von Kindern in Form von digitalen Spielwaren. Bei uns war es konkret „eine Puppe, die spricht“. Nun gut, hier könnte eingewendet werden, die gibt es ja schon lange. Also Puppen, die nach einem Druck auf Bauch oder Rücken freundlich rufen „Spiel mit mir!“. Aber eine derart mechanische Dialogsteuerung mutet Kindern heute ähnlich antik an wie ein Wählscheibentelefon. Zumal, wenn heute schon ein auf dem Flohmarkt erstandener Plastikvogel mit verzerrter Zwitscherstimme diktierte Sätze nachzwitschert.Die Erwartung, die mit „eine Puppe, die spricht“ ausgedrückt wird, umfasst vielmehr vollwertige Dialoge.
Also genau genommen eine Puppe, die nicht nur spricht, sondern auch versteht. Und dann wieder sinnvoll reagiert. Dank Digitalisierung und künstlicher Intelligenz heute doch eigentlich kein Problem mehr. Und irgendwie muss ich unweigerlich an den Turing-Test denken. Jenen Test, den sich Alan Turing 1950 ausdachte, um abzuschätzen, ob ein Computersystem ein dem Menschen gleichwertiges Denkvermögen erreicht hat. Ganz kurz geschildert ist die Idee, dass man so recht ja nicht weiß, wie Intelligenz gefasst werden kann. So gilt beim Turing-Test eine Maschine als intelligent, wenn ein Mensch nicht mehr erkennt, ob er mit einer Maschine, einem Computer oder einem anderen Menschen interagiert.
Plötzlich stand sie da, auf meinem Schreibtisch. Die Puppe, die sprechen und verstehen ‚kann‘. Mit digitaler Spracherkennung. Echtes Hightech-Spielzeug. Wir hatten es als Testprodukt bekommen. Das Kind war zunächst im Glück – und zugleich etwas enttäuscht, dass wir sie wieder zurückgeben müssten. Vielleicht wäre ich ja auch noch zu überzeugen gewesen, das Testprodukt nicht zurückzugeben.Und dann kam der Turing-Test. Nicht ganz unbekannt war mir die Aufforderung der Puppe, das eben Gesagte doch bitte noch einmal zu wiederholen. Ich musste an schwerhörige Großeltern denken. Interessant, dass es doch durchaus etwas Mut kostet, richtig laut mit so einer sprechenden Puppe zu sprechen. Mit gefestigter Stimme war die Puppe dann auch eher der Meinung, verstanden zu haben. Nur was?
Hätten Kinder etwas mehr Sinn für Dada, wäre die Puppe der Renner. Es hat schon semantischen Charme, wenn die Frage, was im Bild zu sehen ist, mit „Eine Fliege“ beantwortet wird und die Puppe dann freudig ruft „Richtig. Eine Spinne!“. Das war aber schon zu dem Zeitpunkt, als das Kind begonnen hatte, bewusst zu probieren, wie falsch es antworten kann, um trotzdem ein jubelndes „Richtig!“ auf die Rate- und Reimspiele zu erhalten. Das war nach der Phase der Verzweiflung, in der zunächst doch die eigene Unzulänglichkeit vermutet wurde. Beim Tinkern, also dem Herumprobieren, was so geht, war dann aber eine neue Motivation zu erkennen. In gewisser Weise war es eine Umkehrung eines Turing-Tests, bei dem die Kreativität menschlichen Denkens im Vorschulalter sichtbar wurde, Spracherkennungstechniken auszutricksen. „Im Sommer ist es heiß, da wünsche ich mir ein Schokoladen…“ „Schweiß." Richtig!“ Wir haben gemeinsam gelacht.Und das Zurückschicken war dann kein großes Problem mehr.
Ich habe zwischenzeitlich auch gehört, dass künstliche Intelligenz mit Kindersprache und in Dialogen mit Kindern immer noch Schwierigkeiten hat. Das wäre doch vielleicht eine neue Messlatte für den Turing-Test.
Beitrag aus Heft »2018/02 Kita digital: Frühe Medienerziehung«
Autor: Niels Brüggen
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