2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel
Journalismus auf dem Prüfstand. Der Journalismus wie auch der Prüfstand, beide sind in Verruf geraten. Dem Journalismus wird vorgeworfen, dass er lügt oder manipuliert. Und dass Autos mancher Fabrikate auf den Prüfstand manipulierte Emissionswerte präsentiert haben, ist bekannt. In dieser Ausgabe geht es allerdings nicht um Fälschungen und gezielte Desinformation zur Destabilisierung politischer Institutionen und Sicherheiten, wie sie aktuell unter dem Schlagwort Fake News durch die öffentliche Debatte gehen. Das Anliegen dieses Heftes ist, den aktuellen Stand des Journalismus kritisch zu betrachten. Leidet er, und wenn ja, woran? Kann er Wirkung entfalten? Ist er noch notwendig und noch zeitgemäß?merz 02/2017 verschafft einer Forderung nach (Medien-)Bildung eine ganz neue Brisanz. Bildung in dem Sinn, dass dieses Wissen insbesondere den Umgang mit Fremden sowie mit irritierenden und verstörenden Informationen anregen soll. Der Konflikt besteht in dieser Perspektive nicht zwischen einer Bildung aus sinnlich-körperlicher, leibhaftiger und emotional berührender eigener authentischer Erfahrung und einer Medienbildung, die in der Auseinandersetzung mit Medien und ihren Inhalten ansetzt, sondern der Widerstreit zwischen einem ganzheitlichen Verständnis von Bildung als Weg zum Leben in Unsicherheit und Ambiguität und einem instrumentellen Verständnis von Bildung als Verwertbarkeit von marktkonformen ‚Kompetenzen‘.
aktuell
Antje Müller: Jugendliche haben kaum Vertrauen in ihr Lieblingsmedium
Die meisten Jugendlichen (60 %) halten nach eigener Einschätzung einen Großteil der aktuellen Nachrichten in sozialen Netzwerken für falsch. Die Studienergebnisse von Gerüchte im Netz – Wie bewerten Jugendliche Informationen aus dem Internet der Initiative Saferinternet. at zeigen außerdem, dass Fernsehen und soziale Netzwerke (59 %) für Jugendliche von 14 bis 18 Jahren zu den wichtigsten Informationsquellen zählen. Tagesaktuelle Informationen ziehen sie zudem aus dem Radio (33 %), von YouTube (27 %), aus Tageszeitungen (25 %) und von Webseiten der Tageszeitungen (20 %). Den größten Vertrauensvorschuss erhalten jedoch eher traditionelle Medien. Dementsprechend werden Radio (32 %) und Fernsehen (29 %) als glaubwürdiger eingeschätzt als die Webseiten dieser klassischer Medien (23 %), soziale Netzwerke (10 %) oder YouTube (9 %). Zusammenhänge zur Einschätzung der Glaubwürdigkeit von Online-Medien zeigen sich im Grad der formalen Bildung. Demnach erhalten Wikipedia (15 % formal höher Gebildete, 29 % formal niedriger Gebildete), bestimmte YouTuber (3 % zu 23 %) oder soziale Netzwerke (3 % zu 19 %) mehr Zuspruch von Jugendlichen mit formal niedriger Bildung.
Besonders glaubwürdig erscheinen darüber hinaus ästhetische Bilder. Eigenen Angaben zufolge können 71 Prozent der Jugendlichen hier den Grad der Bearbeitung gut einschätzen. Bei der Bewältigung der Informationsflut besteht aber noch große Unsicherheit (86 %), wahre von falschen Meldungen zu unterscheiden. Abgefangen wird dies von einer erhöhten Bereitschaft (62 %) zur Recherche und Kontrolle fragwürdiger Informationen, welche mit dem Grad der Bildung zunimmt. Eine überwiegend oberflächliche Recherche sowie schwach ausgeprägte Kritikfähigkeiten zu Bildkontexten und zur Informationsbewertung steigern jedoch den Bedarf nach einer verbindlichen Förderung in der Schule und fordern auch Eltern in der Vermittlung eines kritischen Umgangs mit (Online-)Medien.
Im Rahmen der Initiative Saferinternet. at beauftragten das Österreichische Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und die Internet Service Providers Austria (ISPA) das Institut für Jugendkulturforschung mit einer repräsentativen Online- Umfrage unter 400 Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren zum Umgang mit Informationen aus dem Netz.
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Autor: Antje Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtAntje Müller: KIM-Studie 2016
In den Kinderzimmern und damit im Eigenbesitz der Sechs- bis 13-Jährigen finden sich am häufigsten Mobiltelefone (51 %), CD-Player (45 %) und bei knapp der Hälfte auch Spielekonsolen. Die KIM-Studie 2016 zeigt außerdem, dass der Fernseher (77 %) am häufigsten täglich genutzt wird, während die Handy- Nutzung 42 Prozent erreicht. Schon jedes vierte Kind nutzt zudem regelmäßig Apps (44 % mindestens einmal die Woche) und Kinderwebseiten (46 % täglich), wenn es im Internet aktiv ist. Einen eigenen Internetzugang besitzen 18 Prozent der Sechs- bis 13-Jährigen. Bei der Betrachtung der täglichen Nutzung fällt die eher geringe Verbreitung des Tablets auf: 28 Prozent der Kinder nutzen es, fünf Prozent verfügen über ein eigenes Tablet. Von den täglich genutzten Internet-/Online-Diensten (41 %) widmen sich 41 Prozent der Kinder WhatsApp, gefolgt von den Webangeboten YouTube (17 %) und Facebook (17 %), welche auch zu ihren Lieblingsseiten gehören. Die Facebook- Nutzung beginnt im Durchschnitt ab dem zehnten Lebensjahr und steigt, wie bei YouTube, mit zunehmendem Alter an. Zu den am meisten genutzten YouTube-Angeboten zählen Humor (72 %) und Musik (62 %), gefolgt von Tier- (37 %) und Sportvideos (34 %) sowie Mode- und Beauty-Inhalten (30 %).
Je älter die Kinder sind, desto eher nutzen sie die verschiedenen Medien ohne Begleitperson, allen voran steht die alleinige Nutzung des Fernsehens (56 %) und Handy- sowie Smartphone- Spiele (42 %). Im Vergleich der Geschlechter zeigen sich leichte Unterschiede bei den beliebtesten Freizeitaktivitäten. Sowohl Mädchen als auch Jungen treffen sich in ihrer Freizeit zwar am liebsten mit Freundinnen und Freunden (Mädchen 56 %, Jungen 54 %), spielen gern draußen (Mädchen 39 %, Jungen 46 %) und sehen gerne fern (Mädchen 31 %, Jungen 32 %). Für Mädchen (13 %) sind jedoch, im Gegensatz zu den Jungen (30 %), PC-/Konsolen- und Onlinespiele eher nachrangig. Dafür nutzen sie in ihrer Freizeit häufiger das Internet (17 %) als Jungen (6 %). Zum Schutz der Kinder vor ungeeigneten Inhalten setzt ein Viertel der Haupterzieherinnen und -erzieher von Kindern, die das Internet nutzen, eine Jugendschutz-Software, -filter oder eine -App ein. Die Studienreihe KIM wird im Auftrag des Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mpfs) seit 1999 durchgeführt. Die repräsentative Studie bildet das Medienverhalten von 1.200 Sechs- bis 13-jährigen Kindern in Deutschland ab.
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Autor: Antje Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtSusanne Eggert: Mobile Medien – Eltern sind gefordert
Familienalltag ohne mobile Medien gibt es heute nicht mehr. Schon die Jüngsten dürfen ab und zu auf dem Familien- Tablet oder dem Smartphone der Eltern Fotos anschauen oder auch schon mal ein kleines Spielchen spielen. Dank der einfachen Bedienbarkeit der Touchscreens, gelingt es ihnen bald, hier etwas zu bewirken. Dass die Ergebnisse jedoch oft dem Zufall entspringen, weil die Kinder die Geräte aufgrund ihres motorischen, vor allem aber ihres kognitiven Entwicklungsstandes noch nicht zielgerichtet bedienen können, ist vielen Eltern nicht bewusst.
Die Frage, wie die Aneignung mobiler, digitaler Medien mit der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zusammenhängt, stand im Mittelpunkt einer Expertise, die 2016 am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis im Rahmen der Studie Mobile Medien in der Familie erarbeitet und unter dem Titel Grundlagen zur Medienerziehung in der Familie veröffentlicht wurde. Im empirischen Teil der Studie ging es darum herauszufinden, worin aus der Perspektive von Eltern und Fachkräften der Erziehungsberatung mit Blick auf mobile Medien die Herausforderungen in der elterlichen Medienerziehung liegen und an welchen Stellen und in welcher Form Eltern und Fachkräfte auf Unterstützung angewiesen sind.
Die Ergebnisse der Studie, die vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert wurde, stehen zum kostenfreien Download zur Verfügung und können darüber hinaus beim JFF – Institut für Medienpädagogik, Arnulfstr. 205, 80634 München angefordert werden.
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Autor: Susanne Eggert
Beitrag als PDFEinzelansichtAntja Müller: Neue Datenbank für Kindermedien
Die Datenbank für Kindermedien des Initiativbüro Gutes Aufwachsen mit Medien bietet pädagogischen Fachkräften und Eltern geprüfte, altersgerechte Kinderwebseiten und Apps, die medienpädagogisch geprüft wurden. Mit einer einfachen Suchfunktion kann nach vielfältigen Themen recherchiert und passende Angebote für junge Nutzerinnen und Nutzer ausgewählt werden. Eine Filterfunktion erleichtert die weitere Eingrenzung auf bestimmte Zielgruppen und Schwerpunkte. Hierbei wird eine differenzierte Unterscheidung in fünf Alterskategorien vom Kleinkind bis zum Jugendlichen ermöglicht. Ebenso vielfältig gestaltet sich das Filtern nach 13 Schwerpunkten, beispielsweise nach instrumentellen Fertigkeiten (Motorik), Alltagskompetenzen oder praktischer Medienarbeit.
Bereits in der Vorschau zeigen die Sucherergebnisse die jeweilige Eignung für Kinder und Jugendliche von Null bis 18 Jahren an. Einmal ausgewählt, erscheint zur Kinderwebseite oder zur App ein detaillierter Angebotsüberblick. Hier erhalten pädagogische Fachkräfte sowie Eltern eine Kurzbeschreibung, eine Zusammenfassung behandelter Hauptthemen, Informationen zur Spracheinstellung und zur Eignung gemäß den Kinder- und Jugendschutz- Richtlinien. Hinzu kommen, je nach Anwendung, Erläuterungen zum Betriebssystem, zu Lauffähigkeiten, zum Preis oder zur Werbefreiheit. Insbesondere die Praxistipps mit Anwendungsvorschlägen für den medienpädagogischen bzw. medienkompetenzfördernden Einsatz des Mediums stechen hervor. Darüber hinaus wird jedes Angebot um eine Empfehlung für mögliche Lernbereiche bereichert, welche zusammen mit den identifizierten didaktischen Schwerpunkten eine gezieltere Auswahl für den Praxiseinsatz bietet.
Die neue Datenbank für Kindermedien umfasst erstmals ein umfangreich geprüftes, aktuelles Angebot von Kinderwebseiten, zertifiziert von den Initiativen klick-tipps, bibernetz sowie dem Erfurter Netcode, das Deutsche Jugendinstitut hat aus der Datenbank Apps für Kinder über 500 App-Bewertungen beigesteuert.
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Autor: Antje Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Gurt: stichwort Technischer Jugendmedienschutz
Im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) ist festgelegt, dass Anbieter von Internetdiensten – genauso wie Rundfunksender – verpflichtet sind, Kinder und Jugendliche vor entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten zu schützen. Dies kann mit technischen Hilfsmitteln gewährleistet werden. Dem Anbieter stehen dafür drei Möglichkeiten zur Verfügung:- Zeitgrenzen, die den Zugang beschränken. So ist die Verbreitung von Angeboten ab 18 Jahren zwischen 23 und 6 Uhr zulässig. Zwischen 22 und 6 Uhr dürfen Angebote ab 16 Jahren verbreitet werden;- technische Mittel, etwa die Jugendschutzvorsperre, bei der zur Freischaltung der Sendung erst ein spezieller Jugendschutz-PIN eingegeben werden muss, oder der sogenannte Perso-Check (auch Personalausweiskennziffernprüfung), bei dem die Personalausweisnummer als Schlüssel für den Zugang zum Angebot dient;- Jugendschutzprogramme: Der Anbieter kann die Inhalte mit einer technischen Altersinformation(Label) versehen, die von anerkannten Jugendschutzprogrammen ausgelesen werden können.
Das derzeit einzige anerkannte Jugendschutzprogramm ist JusProg.Die letzte der drei Möglichkeiten kommt bei vielen Videoportalen zum Einsatz, zum Beispiel bei tvnow.de, der Mediathek der RTL-Gruppe. Dies bedeutet in der Praxis, dass zum Beispiel ungeschnittene Folgen von Game of Thrones, die vom Sender ‚ab 18‘ gelabelt wurden, sieben Tage nach Ausstrahlung abrufbar sind. Um zu verhindern, dass Kinder mit unangemessenen Inhalten in Berührung kommen, müssen Eltern demnach eine Jugendschutzsoftware am heimischen Rechner installieren und entsprechend konfigurieren. Vorausgesetzt, sie sind sich des Problems bewusst und über die entsprechenden Möglichkeiten ausreichend informiert. Die andere Möglichkeit ist, nur gemeinsam mit den Kinder Internetangebote zu nutzen, was mit zunehmendem Alter immer schwieriger werden dürfte.
Noch komplizierter ist die Lage bei mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets. Hier bietet JusProg mit dem JusProg-Kinderschutzbrowser – nach eigenen Angaben – schnell, einfach und kostenfrei einen sicheren Surfraum für Kinder. Diese JusProg-App filtert automatisch Inhalte im Internet nach Anbieterkennzeichnungen und ständig aktualisierten Filterlisten für die jeweils eingestellte Altersgruppe – zumindest für das Betriebssystem iOS, die Android-Variante funktioniert für aktuellere Betriebssysteme nicht (mehr). Ob und wann diese Lücke geschlossen wird, steht in den Sternen. Der Anbieter weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass die Smartphone-Varianten nicht Gegenstand der gesetzlichen Anerkennung sind. Bei Settop-Boxen, Spielekonsolen, Smart-TVs und ähnlichen Geräten, die auch Zugang zu Internetinhalten bieten, sind Zugänge und Sicherungsmöglichkeiten noch unübersichtlicher. Eltern bleibt es also nicht erspart, im Einzelnen die Optionen zu prüfen, und sich mit den jeweiligen technischen Besonderheiten auseinanderzusetzen.
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Autor: Michael Gurt
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Roland Bader/Jürgen Ertelt: Journalismus auf dem Prüfstand
Journalismus auf dem Prüfstand. Der Journalismus wie auch der Prüfstand, beide sind in Verruf geraten. Dem Journalismus wird vorgeworfen, dass er lügt oder manipuliert. Und dass Autos mancher Fabrikate auf den Prüfstand manipulierte Emissionswerte präsentiert haben, ist bekannt. Es soll hier in dieser Ausgabe allerdings nicht um Fälschungen und gezielte Desinformation zur Destabilisierung politischer Institutionen und Sicherheiten gehen, wie sie aktuell unter dem Schlagwort Fake News durch die öffentliche Debatte gehen. Die Idee für dieses Heft liegt länger zurück, und es ist unser Anliegen, den aktuellen Stand des Journalismus kritisch anzuschauen. Leidet er, und wenn ja, woran? Kann er Wirkung entfalten? Ist er noch notwendig und noch zeitgemäß? Den Journalismus, gibt es den überhaupt? Sind das die Lokaljournalistinnen und -journalisten, die für die wenigen noch existierenden Lokalzeitungen über die Skandale der kommunalen Abfallwirtschaft berichten? Oder ‚die Meute‘ – wie im gleichnamigen Film von Herlinde Koelbl –, die ein Foto oder Statement nach der Nachtsitzung des Kabinetts zu erhaschen versucht? Oder die ‚Alpha‘- Journalistinnen und -Journalisten, die mit Politikerinnen und Politikern am Kamin teuren Wein schlürfen? Die investigativen Datenjournalistinnen und -journalisten, die aus Millionen von Dokumenten einen Skandal namens Panama Papers herauspräparieren? Kann man aus der Tatsache, dass es Zeitungen, und vor allem Lokalzeitungen, wirtschaftlich schlecht geht, schließen, dass der Journalismus mittlerweile ins Internet abgewandert ist? Werden nur noch kostenfreie oder Light-Varianten von Information wahrgenommen und bevorzugt? Oder geht das Ergebnis journalistischer Kleinarbeit am Publikum vorbei, weil es die Zuspitzung auf 140 Zeichen einer differenzierten Analyse vorzieht?
Vom langsamen Niedergang der Lokalpresse
Vor mittlerweile acht Jahren hat Jeff Jarvis (2009) die Wende von der Zeitungskultur zu den Blogs vorhergesagt und zugleich propagiert. Von Google zu lernen, so Jarvis (2009), hieße “Do what you do best and link to the rest“. Für den Journalismus habe das die Konsequenz, dass man nur noch wenige brauche, nur noch den oder die besten. Der oder die beste solle sich eben im Internet vermarkten und den Rest dem Markt, sprich Google, überlassen. ’The winner takes it all‘ – und die restlichen Journalistinnen und Journalisten sind seither wie vorhergesagt zu einem Leben am Existenzminimum verdammt. Was Jarvis weniger in den Blick nahm, war die gesellschaftliche Rolle und Bedeutung des Journalismus. Wenn nur das erfolgreiche Geschäftsmodell zählt, ist Google der Leitstern. Wer Berichterstattung aber als eine gesellschaftlich relevante Aufgabe ansieht, ist nicht unbedingt zu blöd dazu, sich diesem gnadenlosen Geschäftsmodell zu unterwerfen. Er setzt womöglich andere Prioritäten. Jarvis war der erste Prophet in einer Branche, die etwas rascher in den Sog der Zerstörung geraten ist als andere Branchen, die seither vom Silicon Valley ausgehend filetiert werden. Branchenübergreifend hat der Internet-Skeptiker Jaron Lanier diesen Zerstörungsprozess, der uns heute überrollt, an vielen Branchen beschrieben und systematisch analysiert. Für seine Analyse, vor allem in seinem Buch Wem gehört die Zukunft (2014), wurde er im gleichen Jahr mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Der Dortmunder Zeitungsforscher Horst Röper – die Instanz, wenn es um die kritische Beobachtung der Presse geht – wurde in jahrelanger Mühe nicht müde, von der Monopolisierung der Lokalpresse zu berichten, die mittlerweile zu einer weitgehenden Monokultur in der Berichterstattung geführt hat. Auch die Auflage der gedruckten Zeitungen ist kontinuierlich über die Jahre gesunken: von 27,3 Millionen im Jahr 1991 auf 15,3 Millionen im Jahr 2016 (vgl. Statista 2017). Röper hat all die Probleme frühzeitig benannt, vor denen die Vielfalt und Lebendigkeit der Lokalberichterstattung mittlerweile kapituliert hat. Im Jahr 2013 resümierte er: „Journalismus ist nicht mehr erstrebenswert. Ich rate allen, tut euch diesen Beruf nicht an“ (Presseportal 2013). Die knappen historischen Schlaglichter lassen die jüngsten Vorwürfe der ‚Lügenpresse‘ in einem anderen, sprich wirtschaftlichen Licht erscheinen. Die Krise des Journalismus begann nicht erst mit dem Vorwurf der Lügenpresse, er ist auch nicht ihr einziges Problem. Die Arbeitsbedingungen von Journalistinnen und Journalisten sind in den letzten Jahren kontinuierlich schlechter geworden. Die 318 Lokalzeitungen mit ihren 11,8 Millionen Lesenden haben immer noch eine weit größere Bedeutung als die sieben überregionalen Tageszeitungen mit ihren eine Millionen Lesenden (vgl. BDZV 2017). Die meisten Zeitungen sind mittlerweile online. Wer sein Augenmerk nur auf aufmerksamkeitsheischende Nachrichtenhypes in sozialen Netzwerken richtet, macht sich die Reichweite und Wichtigkeit dieser Berichterstattung nicht hinreichend klar. Laut des Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) werden die Angebote der Tageszeitungen gedruckt und online von täglich 60 Millionen (!) Menschen in Deutschland (also drei von vier der Über-14-Jährigen) rezipiert. Mehrere Studien zeigen unabhängig voneinander, dass das Vertrauen auch der jungen Menschen in die Tageszeitungen gerade bei widersprüchlichen Informationen sehr hoch ist (vgl. ebd.; Feierabend et al. 2016). Der Lokaljournalismus hat dem großen Heer von Journalistinnen und Journalisten Arbeit und Brot gegeben. Für ihn gelten andere Regeln als für die überregionale Berichterstattung, etwa der Tagesschau, der Süddeutschen Zeitung oder in politischen Magazinen (siehe das Interview mit Goodwin 2017 in dieser Ausgabe).
Lügenpresse und Vertrauensverlust
Während die einen Lügenpresse skandieren und wachsendes Misstrauen und offenen Hass genießen, arbeiten die so geschmähten investigativen Journalistinnen und Journalisten, wie die Lux Leaks, unermüdlich daran, skandalöse Finanzverflechtungen oder Machtmissbrauch und die Steuerhinterziehung prominenter Fußballer ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Wie passt das zusammen? Wer sich für den Vorwurf der Lügenpresse interessiert, wird im Wikipedia-Eintrag ‚Kompositum aus der Gruppe der Determinativkomposita‘ fündig. Die Geschichte ist lesenswert. Es ist erstaunlich, in welchen Zusammenhängen diese Anschuldigung von politischen, auch antiklerikalen Gegnerinnen und Gegnern schon seit dem 17. Jahrhundert und später massiv mit dem Bedeutungsgewinn der Presse im 19. Jahrhundert benutzt wurde. Keineswegs hatten in der Geschichte rechte Kreise ein Monopol auf diesen Begriff, er wurde von allen Seiten benutzt. Hauptsache, es ging gegen ‚das System‘. Wohl aber reklamieren es rechte Kreise seit dem 21. Jahrhundert. Lügenpresse hat so gut wie nichts mit der Wahrhaftigkeit des Journalismus zu tun. Vielmehr geht es – und ging es in der Vergangenheit – darum, gezielt das Vertrauen in die Berichterstattung der Medien zu erschüttern. Das Ansinnen scheint auch teilweise gelungen. Mehrere Umfragen aus dem Jahr 2015 belegen, dass das Vertrauen in die Berichterstattung der Medien gesunken ist (siehe Krüger 2017 in dieser Ausgabe). Das schleichende Gift des Misstrauens und der Zersetzung zeigt also Wirkung, auch in Deutschland. Der Vertrauensverlust geht über die Medienberichterstattung hinaus und betrifft auch die Politik insgesamt, der viele Menschen nicht mehr zutrauen, Probleme lösen zu können.In den USA scheint dieser Prozess weiter fortgeschritten zu sein. Wenn Trump sich anschickt, große Politik mit Hilfe von Tweets zu machen und der freien Presse und der kritischen Öffentlichkeit den Kampf ansagt, bis hin zum Schritt, den Quellenschutz abschaffen zu wollen (vgl. z. B. Richter 2017), dann weist diese Missachtung in dieselbe Richtung wie die Lügenpresse-Vorwürfe: Die vierte Gewalt soll mundtot werden. Vertrauen ist die Währung, von der die Macht der Presse und die Pressefreiheit leben.
Wer ist die vierte Gewalt?
Die Presse schlägt zurück, die Auflage der New York Times ist seit Trump in die Höhe geschnellt, und neue Stellen für den Faktencheck und die Demaskierung von Desinformation sind eilig eingerichtet worden. In Deutschland ist das Verhältnis von Presse und Politik entspannt, aber deshalb noch lange nicht im grünen Bereich. Die Verbrüderung der Alpha-Journalistinnen und -Journalisten mit den Politikerinnen und Politikern führt schon allzu lange zu unguten Machtverschiebungen in den Säulen der Gewaltenteilung. Medienmenschen halten sich gelegentlich für die besseren Politiker. Die BILD-Zeitung gerierte sich als die wahre Hüterin der Demokratie, als sie – angeblich im Dienst einer schonungslosen Verpflichtung zur Wahrheit (und nichts als der Wahrheit) – den Bundespräsidenten Wulff zur Strecke brachte. Angesichts des unrühmlichen Endes kann man die Vorverurteilung als Angriff auf verfassungsmäßige Institutionen werten. Und das Publikum applaudierte der Treibjagd. Nicht alle Zeitungen gaben sich dem Zeitungssterben klaglos hin. Manche intensivieren gerade den journalistischen Anspruch, der teuer zu halten ist. Die New York Times ist in den ‚postfaktischen‘ Trump-Zeiten ein Beispiel für den Anspruch an Wahrhaftigkeit. Auch die Süddeutsche Zeitung hat sich – ähnlich wie andere renommierte internationale Tageszeitungen in der Krise sinkender Werbeeinnahmen und Abonnentenzahlen – entschlossen, nicht an der journalistischen Qualität zu sparen, sondern sich auf die Kernwerte des Journalismus zu besinnen: Seriöse und gelegentlich aufwändige Hintergrundberichterstattung, Einordnung der Fakten und Verdichtung zu aufwändigen Reportagen. Fällt es den verbitterten Lügenpresse-Rufern denn überhaupt noch auf, wenn internationale Kooperationsnetzwerke für investigative Recherchen die Skandale um die Panama Papers ans Licht bringen oder in der Hochzeit der Lügenpresse-Anschuldigungen Interviews mit PEGIDA-Anhängerinnen und -Anhängern führen, die vormals treue Süddeutsche Zeitung-Lesende waren und ihre differenzierte Sicht darstellen? Zwei von vielen Beispielen, die zeigen, dass sich meinungsrelevante Mainstream-Medien keineswegs immer nur mit dem System arrangieren. Den Lügenpresse-Vorwurf zu dekonstruieren bedeutet nicht, die Massenmedien vom Vorwurf gezielter systematischer Meinungsbeeinflussung freizusprechen. Eine ganze Reihe von Faktoren führen zu einseitiger Berichterstattung und müssen als Gründe für den Vertrauensverlust ernst genommen werden. Uwe Krüger hat diese unter dem Begriff der Mainstream-Medien – in der gleichnamigen Publikation (2015) – analysiert und detailliert beschrieben (mehr dazu und zu möglichen Konsequenzen für medienpädagogische Arbeit siehe Krüger 2017 in dieser Ausgabe).
Die Rolle sozialer Netzwerke bei der politischen Meinungsbildung
Es ist eine Aufgabe des guten Journalismus, Geschehnisse und Fakten in größere Zusammenhänge einzuordnen. Gerade in unsicheren Zeiten und angesichts wachsender Komplexität der Zusammenhänge sollte aktuell der Bedarf an Erklärung und Einordnung besonders groß sein. Kann dieser Anspruch von anderen Medien als den tradierten Massenmedien wahrgenommen werden? Es spricht einiges dafür, dass die verfassungsmäßige Wahrnehmung der Pressefreiheit und der vierten Gewalt nicht durch Twitter, Facebook, Apple und Google kompensiert werden kann. Wie sich immer wieder zeigt, haben diese Konzerne kein verfassungsrechtliches Verständnis von ihrer Rolle, und Bedeutung für ein demokratisches Staatswesen und für die Presse. In Konfliktfällen haben sie sich oft aus der Verantwortung gezogen und sich auf die Seite der herrschenden Politik gestellt, wie es gerade aktuell Apple mit der Sperrung der App der New York Times in China getan hat (vgl. Kreye 2017). Die mächtigen Kommunikations- und Informationsplattformen im Internet, bei denen die stärksten Nachrichten- und Kommentarflüsse und damit ein wesentlicher Teil der Meinungsbildung vonstatten gehen, verstehen sich nicht als verfassungsmäßige Gewalt, sondern als international agierende privatrechtliche Konzerne. Viele Hinweise der Vergangenheit zeigen diese Tendenzen im Selbstverständnis, wobei sich das allerdings auch ändern könnte, wie eine aktuelle Maßnahme von Facebook zeigt (vgl. z. B. Jannasch 2017). Fake News, über die sich genügend Nutzende beschwert haben, will Facebook demnächst durch einen Hinweis kenntlich machen, der auf den mangelnden Wahrheitsgehalt hinweist. Eine (in Zahlen: 1!) Stelle wird eingerichtet, die die Informationen nachrecherchiert und bereitstellt. Es bleibt abzuwarten, ob Facebook eher daran gelegen ist, die drohende Gefahr eines geschäftsschädigenden Schmuddel-Image abzuwehren oder ob es den Wandel zu einem seriösen journalistischen Unternehmen anstrebt. Hat Facebook verstanden, dass Vertrauen eine Basis fürs Geschäft ist?
Algorithmen statt Redaktion
Zur Verschärfung des Problems im Umgang mit der Komplexität und Problematik des Einordnens trägt der schiere Umfang an Nachrichten und Kommentaren im Internet bei. Algorithmen bei den Internetanbietern sortieren die Informationen, die Nutzenden vor Augen kommen, und zwar nicht nach journalistischen Kriterien der Relevanz. Algorithmengesteuert kommt Rezipierenden immer mehr von dem unter die Augen, was sie in der Vergangenheit angeklickt haben. Wenn Nutzerverhalten und alles, was der eigenen vorgängigen Meinung entspricht, zum Maßstab der Selektion wird, läuft die beste journalistische Arbeit, und sei sie noch so sorgfältig und wahrheitsgemäß, ins Leere (siehe Rohde 2017 in dieser Ausgabe). Den eigenen Voreinstellungen Widersprechendes wird ausgeblendet, bevor Rezipierende es überhaupt zur Kenntnis nehmen können. Wo zuvor irritierende Informationen kognitive Dissonanzen und damit Denk- und Suchprozesse auslösen konnten, bekäme nun Bildung nicht einmal mehr eine Chance. Sozialpsychologisch wäre dies der Weg des geringsten kognitiven Aufwands und begünstige Denkfaulheit. Ein solches Nachrichtenuniversum, bestehend aus Vorurteilen und ihrem medialen Pendant, den Filterbubbles, wäre eine zutiefst besorgniserregende Dystopie (siehe Wörz 2017 in dieser Ausgabe). Zugleich wird mit dem Vertrauensverlust in die Massen-, System- oder Mainstream-Medien das Manipulationspotenzial insbesondere sozialer Netzwerke an den Beispielen der Brexit-Entscheidung und der Trump-Wahl deutlich. Die Politikberatungs- und Wahlmanagement-Agentur Strategic Communications Laboratories soll beide Entscheidungen mit Hilfe von Big Data und gezielter Meinungserforschung in den sozialen Netzwerken mit herbeigeführt haben (vgl. Grassegger/Krogerus 2016). Aktuell ist häufig die Rede vom Einfluss durch massenhafte, gezielte und strategisch platzierte Lügen und Desinformation innerhalb der Berichterstattung zur Bildung der öffentlichen Meinung, unter anderem in den Wahlkämpfen der USA, in Frankreich und womöglich auch in Deutschland, etwa durch den russischen Propaganda- Kanal RT (März 2017). Noch fehlen belastbare Beweise, aber Hinweise sind vorhanden und besorgniserregend. Wie anfällig ist die öffentliche Meinung für eine Manipulation in großem Stil? Vermitteln Facebook und Co. politische Informationen, verstärken sie oder verzerren sie diese? Werden soziale Netzwerke als einzige, als wichtige oder als ergänzende Quellen für Informationen genutzt und vielleicht sogar als glaubwürdiger eingestuft als die Mainstream-Medien? Das ist insbesondere für jüngere Mediennutzende eine Frage von eminenter Wichtigkeit. Nur auf der Grundlage empirischer Daten zur Rezeption lässt sich abschätzen, ob die Rolle sozialer Netzwerke für die Meinungsbildung so bedeutsam ist, wie sie oft dargestellt wird, oder ob das möglicherweise einem verzerrten Abbild der Wirklichkeit entspricht, das durch die Resonanz in den Massenmedien verstärkt oder gar erzeugt wird (siehe Hasebrink et al. 2017 in dieser Ausgabe).
Hoffnungsschimmer? –Alternative Informationsportale
„Es waren einmal ein paar Mutige, die sich trotz aller Widrigkeiten unbeirrbar auf den steinigen Weg machten ...", so in etwa könnte die Geschichte der alternativen Informationsportale beginnen, wenn sie denn ein Märchen wäre. Wer sich die Zeit nimmt, nach Alternativen zum Mainstream zu suchen, wird fündig.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Roland Bader, Jürgen Ertelt
Beitrag als PDFEinzelansichtUwe Krüger: Über das Vertrauensproblem des Mainstream-Journalismus
Viele Mediennutzende äußern Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der etablierten Medien und bemängeln enge Meinungskorridore im Mainstream-Journalismus. Dieser Beitrag zeigt, welche sanften Mechanismen zu Homogenität in der Berichterstattung und zu Konformität mit dem Eliten-Diskurs auch in einer freiheitlich-pluralistischen Medienlandschaft führen können, und wie mit alternativen Deutungsmustern und Verschwörungstheorien im schulischen Kontext umgegangen werden kann.Dr. Uwe Krüger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Journalistik der Universität Leipzig. Er lehrt Methodisches Recherchieren und Datenjournalismus und ist Leiter Print/Online der Lehrredaktion Campus. Im vergangenen Jahr erhielt er für seine Publikationen „Mainstream“ (C.H.Beck 2016) und „Meinungsmacht“ (Halem 2013) den Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik der Initiative Nachrichtenaufklärung.
Literaturverzeichnis:
Haller, Michael (2017). Methodisches Recherchieren. 8. Auflage.Konstanz/München: UVK.Krüger, Uwe (2016). Mainstream – Warum wir den Medien nicht mehr trauen. 2. Aufl. München: Verlag C.H.Beck (erhältlich auch als Sonderausgabe der Landeszentralen für politische Bildung).
Krüger, Uwe (2013). Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse. Köln: Herbert von Halem Verlag.
Lesmeister, Christiane (2008). Informelle politische Kommunikationskultur. Hinter den Kulissen politisch-medialer Kommunikation. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Teney, Céline/Helbling, Marc (2013). Die Verteilung liberaler Werte. Elite und Bevölkerung in Deutschland denken unterschiedlich über Immigration. In: WZB Mitteilungen, Heft 142 (Dez.), S. 12–15.
www.wzb.eu/sites/default/files/publikationen/wzb_mitteilungen/s12-15teney.pdf [Zugriff:23.01.2017].
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Uwe Krüger
Beitrag als PDFEinzelansichtChristian Rohde: Auf der Suche nach der Wahrheit
Den Mächtigen unbequem sein. Das war seit der ersten Sendung der Anspruch von politischen Magazinen wie Panorama, Monitor und später Frontal21. Doch Straßenfeger sind die Sendungen längst nicht mehr. Sie erreichen immer weniger Zuschauerinnen und Zuschauer. Der Vorwurf der Lügenpresse wird gegen sie erhoben. Sind die politischen Magazine nicht mehr relevant, haben sie ihre Glaubwürdigkeit verspielt?
Christian Rohde ist stellvertretender Redaktionsleiter bei Frontal21. Er arbeitet seit 2001 für politische Magazine und produzierte Dokumentationen für ARD und ZDF. Seine Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet.
Literaturverzeichnis:
Gäbler, Bernd (2015). „… den Mächtigen unbequem sein“.Anspruch und Wirklichkeit der TV-Politikmagazine. OBSArbeitshefte 81. Frankfurt a. M.: Otto Brenner Stiftung.
Kreil, Alexander (2016). Fakt setzt sich an die Spitze. www.dwdl.de/zahlenzentrale/59256/fakt_setzt_sich_an_die_spitze_der_politmagazine [Zugriff: 02.01.2017].
Koch, Wolfgang/Frees, Beate (2016). Kern-Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2016. www.ard-zdf-onlinestudie.de/fileadmin/Onlinestudie_2016/Kern-Ergebnisse_ARDZDF-Onlinestudie_2016.pdf [Zugriff: 02.01.2017].
Plöchinger, Stefan (2017). Was 2017 zählt.www.ploechinger.tumblr.com [Zugriff: 10.01.2017].
Propagandaschau, anonym (2016). „Putins geheimes Netzwerk“?– Frontal21 lotet neue Tiefpunkte öffentlich-rechtlicher Hetze und Verdummung aus. www.propagandaschau. wordpress.com/2016/10/06/putins-geheimes-netzwerkfrontal21-lotet-neue-tiefpunkte-oeffentlich-rechtlicher-hetze-und-verdummung-aus [Zugriff 02.01.2017].
RT Deutsch, anonym (2016). ZDF Frontal 21 auf dem Prüfstand: Die Protagonisten kommentieren. www.deutsch.rt.com/inland/41581-frontal-21-protagonistenkommentieren-dr [Zugriff: 02.01.2017].
Smith, Benn (2017). These Reports Allege Trump Has Deep Ties To Russia. www.buzzfeed.com/kenbensinger/these-reports-allege-trump-has-deep-ties-to russia?utm_term=.whd4eM6j7#.fw8Rkr8B4 [Zugriff: 11.01.2017].
ZDF Frontal21 (2016). Daten-Leak aus Ministerium der Separatisten.E-Mails belegen Propagandastrategie zum Ukraine-Krieg. www.zdf.de/politik/frontal-21/der-propagandakriegwie-moskau-berichte-zum-ukrainekrieg-100.html [Zugriff:02.01.2017].
ZDF Frontal21 (2016). Putins geheimes Netzwerk. Wie Russland den Westen spaltet. webstory.zdf.de/putins-geheimes-netzwerk [Zugriff: 02.01.2017]
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Christian Rhode
Beitrag als PDFEinzelansichtGünther Anfang: Der Beruf des Journalisten war nie so wichtig wie heute
Digitalisierung, neue Technologien und ein Überangebot an Informationen haben den Berufsalltag von Journalistinnen und Journalisten teilweise verändert. Sind wir in Anbetracht dessen, dass mittlerweilejeder Nachrichten produzieren kann, überhaupt noch auf diese professionalisierte Berufsgruppe angewiesen? Kann ein Journalismus-Studium überhaupt noch empfohlen werden?
Günther Anfang, Leiter der Abteilung Praxis am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, im Gespräch mit Bernhard Goodwin.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Günther Anfang
Beitrag als PDFEinzelansichtFabian Wörz: Die Selektion und Organisation von Informationen im Internet
Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass Informationen in immer größer werdenden Mengen gespeichert und im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden. Dadurch entsteht eine sehr datenreiche Umgebung, die neue Formen der Selektion und Organisation von Informationen erfordert. Für das Internet werden diese Aufgaben zunehmend von Algorithmen übernommen, die damit die Funktion von Gatekeepern übernehmen und einen Einfluss auf kollektive Wissensordnungen bekommen.
Dieser Beitrag zeigt erste Wirkungen anhand des PageRank von Google und des News Feed-Algorithmus von Facebook auf und reflektiert deren Bedeutung für die Gesellschaft.Fabian Wörz ist freiberuflicher Medienpädagoge. Er hat Kommunikations- und Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik an der Universität Leipzig studiert, das Thema seiner Masterarbeit war „Meinungspluralismus in Online-Diskursen“.
Literaturverzeichnis:
Abuse Standards (2012). Abuse Standards 6.2. Operation Manual For Live Content Moderators. de.scribd.com/doc/81877124/Abuse-Standards-6-2-Operation-Manual [Zugriff: 21.01.2017].
Braun, Dominik (2014). WebWissen: „EdgeRank“ – Der Facebook News Feed Algorithmus. www.netzstrategen.com/sagen/edgerank-wie-der-facebook-news-feed-algorithmusfunktioniert [Zugriff: 20.01.2017].
Eichhorn, Wolfgang (1996). Agenda-Setting-Prozesse –eine theoretische Analyse individueller und gesellschaftlicher Themenstrukturierungen. München: Fischer.
Facebook (2017). Hilfeseite. www.facebook.com/help/327131014036297 [Zugriff: 28.01.2017].
Fraas, Claudia/Barczok, Achim (2006). Intermedialität –Transmedialität. Weblogs im öffentlichen Diskurs. In: Androutsoplos, Jannis/Runkehl, Jens/Schlobinski, Peter/Siever, Torsten (Hrsg.), Neuere Entwicklungen in der Internetforschung. Reihe Germanistische Linguistik 186-187/2006.Hildesheim/Zürich/New York Verlag, S. 132–160.
Franceschet, Massimo (2011). PageRank – Standing on the Shoulders of Giants. In: Communications of the ACM, 54 (6), S. 92–101.Luhmann, Niklas (1996). Die Realität der Massenmedien. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Pariser, Eli (2011). The Filter Bubble. What the Internet is Hiding from You. London: Penguin Books.Pew Research Center (2015). The Evolving Role of News on Twitter and Facebook. www.journalism.org/ files/2015/07/Twitter-and-News-Survey-Report-FINAL2.pdf [Zugriff: 01.02.2017].
Rader, Emilee/Gray, Rebecca (2015). Understanding User Beliefs About Algorithmic Curation in the Facebook News Feed. In: Proceeding CHI ‘15 Proceedings of the 33rd Annual ACM Conference on Human Factors in Computing Systems, S. 173–182.
Schiller, Benjamin/Heimbach, Irina/Strufe, Thorsten/Hinz, Oliver (2015). Development of the Social Network Usage in Germany since 2012, Working Paper TU Darmstadt. www.emarkets.tu-darmstadt.de/fileadmin/user_upload/download/Development_of_the_Social_Network_Usage_in_Germany__Feb2015.pdf [Zugriff: 25.01.2017].
Zhang, Cheng (2016). News Feed FYI: Using Qualitative Feedback to Show Relevant Stories. newsroom. fb.com/news/2016/02/news-feed-fyi-using-qualitativefeedback- to-show-relevant-stories [Zugriff: 10.01.2017].
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Fabian Wörz
Beitrag als PDFEinzelansichtUwe Hasebrink/Lisa Merten/Jan-Hinrik Schmidt/Sascha Hölig: Die Rolle von Social Media für Information und Meinungsbildung
Der Beitrag geht der Frage nach, welche Rolle soziale Medien bei der Information und Meinungsbildung spielen. Empirische Grundlage sind Daten des Reuters Institute Digital News Survey 2016 zur Nachrichtennutzung sowie eine vertiefende qualitative Studie zum informationsorientierten Umgang mit Online-Intermediären. Die Ergebnisse zeigen, dass Social Media heute aus der Meinungsbildung nicht mehr wegzudenken sind, aber doch auch nur einen von mehreren Bausteinen im Prozess der Meinungsbildung darstellen.
Dr. Uwe Hasebrink ist Direktor des Hans-Bredow- Instituts und Professor für Empirische Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg. Seine Schwerpunkte sind Mediennutzung in neuen Medienumgebungen, Chancen und Risiken der Online- Kommunikation von Kindern und Jugendlichen sowie Public Service-Funktionen von Medien.
Lisa Merten ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hans-Bredow-Institut. Ihre Schwerpunkte sind Mediennutzung, Medienwirkungsforschung und digitale Kommunikation.
Dr. Jan-Hinrik Schmidt ist wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation am Hans-Bredow-Institut. Seine Schwerpunkte sind die Entwicklungen des Web 2.0 bzw. der sozialen Medien, insbesondere aktuelle Veränderungen onlinebasierter Öffentlichkeiten und sozialer Netzwerke sowie deren Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Dr. Sascha Hölig arbeitet als Senior Researcher am Hans-Bredow-Institut. Seine Schwerpunkte sind Mediennutzung in neuen Medienumgebungen sowie empirische Forschungsmethoden.
Literaturverzeichnis:
Hasebrink, Uwe/Schmidt, Jan-Hinrik (2013). Medienübergreifende Informationsrepertoires. Zur Rolle der Mediengattungen und einzelner Angebote für Information und Meinungsbildung. In: Media Perspektiven, 1/2013, S. 2–12.
Hölig, Sascha/Hasebrink, Uwe (2016a). Reuters Institute Digital News Survey 2016 – Ergebnisse für Deutschland.Hamburg: Hans-Bredow-Institut (Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts; 38)
Hölig, Sascha/Hasebrink, Uwe (2016b). Nachrichtennutzung über soziale Medien im internationalen Vergleich Ergebnisse des Reuters Institute Digital News Survey 2016. In: Media Perspektiven, 11/2016, S. 534–548.
Schmidt, Jan-Hinrik (2011). Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Folgen des Web 2.0. 2. Auflage. Konstanz:UVK.
Schmidt, Jan-Hinrik/Merten, Lisa/Hasebrink, Uwe/Petrich, Isabelle/Rolfs, Amelie (2017). Zur Relevanz von Online-Intermediären für die Meinungsbildung. Hamburg:Hans-Bredow-Institut (Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts; 40).
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Sascha Hölig
Beitrag als PDFEinzelansichtInformations- und journalistische Portale
bento: Likes, Klicks, Reichweite
bento ist eine kostenfreie Plattform, die – unabhängig von bestimmten Interessen – über Weltgeschehen und gesellschaftlich relevante Themen berichtet. bento-Journalistinnen und -Journalisten verbreiten Meinungen und Behauptungen nicht ohne Weiteres, sondern fragen nach und prüfen. Die Recherche erfolgt auf unterschiedlichen Wegen: via Telefon, Chat, Dokumenten oder direkt vor Ort. Dabei bemüht man sich um einen Journalismus nach dem Zwei-Quellen-Prinzip. Ziel ist eine faire und transparente Berichterstattung sowie Kommentierung. Beansprucht wird jedoch keine vollständige Objektivität. Vielmehr stehen Nachvollziehbarkeit der redaktionellen Einschätzungen sowie die Anregung zur Debatte im Vordergrund.
Neben aktuellen Nachrichten bietet bento ein moderiertes Forum, in dem – nach einer Prüfung gemäß der hauseigenen Netiquette – Kommentare zu Artikeln veröffentlicht werden. Über die bento Shopping List empfiehlt die Plattform darüber hinaus auftragsunabhängig Produkte wie Bücher, Gadgets oder Kleidung.
Das Format – ein Ableger von SPIEGEL ONLINE – hat die 18- bis 30-Jährigen als Zielgruppe. Die Redaktion besteht aus dem Leitungsteam Frauke Lüpke-Narberhaus und Ole Reißmann sowie 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. bento finanziert sich ausschließlich durch Werbung. Eingesetzt werden unter anderem Werbebanner, Advertorials, Affiliate Links und sogenanntes Native Advertising.
Blendle
Blendle ist eine Online-Nachrichtenplattform der niederländischen Firma Blendle GmbH und präsentiert sich wie eine digitale Version eines Zeitungskiosks. Blendle hat eine große Menge verschiedener Zeitungen und Zeitschriften zur Auswahl. Leserinnen und Leser können aus dem kompletten Angebot von Veröffentlichungen einzelne Artikel auswählen, die sie interessieren und müssen somit nicht die gesamte Ausgabe kaufen.
Bei Blendle werden viele verschiedene Kanäle zur Suche nach Artikeln angeboten. Es kann digital in einer Zeitung oder Zeitschrift geblättert und auf einen Artikel geklickt werden. Zur Verfügung stehen zudem täglich oder wöchentlich abonnierbare Newsletter und darüber hinaus können Interessierte auch selbst in diversen Themenkanälen und im Mein Blendle Feed nach Artikeln stöbern. Der Kauf erfolgt per Öffnen des Dokumentes. Sollte diese jedoch nicht gefallen, kann er auch wieder zurückgeben werden.
Statt über Abonnements verwalten Nutzerinnen und Nutzer ihre Käufe und Ausgaben über ihren Account, vergleichbar mit einem virtuellen Portemonnaie. Jeder neue Nutzer erhält bei Blende ein Guthaben von 2,50 € und den Zugang zu 37 Medien, um die Plattform auszuprobieren. Ist das Startguthaben aufgebraucht, kann selbst entschieden werden ob oder wieviel wieder aufgeladen werden soll.
Neben Einnahmen durch Einkäufe der Mitglieder unterstützen der Medienkonzern Axel Springer und die New York Times Blendle als Investoren.
http://blendle.com/signup/kiosk
CORRECTIV: Recherche, Crowdfunding, investigativer Journalismus
CORRECTIV ist das erste gemeinnützige Recherchezentrum im deutschsprachigen Raum und bietet unabhängigen und investigativen Journalismus. Durch sein Modell, redaktionelle Arbeit für jeden Verlag und Sender in Deutschland erschwinglich und zugänglich zu machen, versteht sich CORRECTIV als eine von vielen Antworten auf die Medienkrise.Die Redaktion besteht aus Festangestellten sowie freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zum Teil in leitenden Funktionen für große regionale und überregionale Medien arbeiten. Inhaltlich bietet CORRECTIV, mit Recherchen zu unter anderem Politik, Wirtschaft, Umwelt, Kultur oder Bildung, vor allem Themen von nationaler Bedeutung, die Menschen direkt angehen und starke Auswirkungen vor Ort haben. Auf dieser Weise konzentrieren sich die Macherinnen und Macher auf einen unabhängigen Recherchejournalismus, der seinen Bildungsauftrag ernst nimmt.
Mit CORRECTIV ist eine Form des fremdfinanzierten Kampagnen-Journalismus entstanden, die sich selbst als gemeinnützig versteht – getragen von der gemeinnützigen GmbH CORRECTIV–Recherchen für die Gesellschaft und finanziert durch gemeinnützige Stiftungen, Mitgliedsbeiträge und Spenden der Nutzenden und Lesenden. Seine Recherchen und Geschichten reicht CORRECTIV in Kooperationen an große und kleine Zeitungen und Magazine wie auch an Radio- und Fernsehsender weiter. CORRECTIV hat keine Druck- oder Vertriebskosten, sodass der Großteil des Etats direkt in aufwändige und investigative Recherchen fließt.
funk: öffentlich-rechtlich, jung und hip
funk ist ein Content-Netzwerk der ARD und des ZDF, das sich mit seinen ausschließlich online verfügbaren Inhalten an 14- bis 29-Jährige richtet, ein Zielpublikum, das ansonsten kaum oder gar nicht die Fernsehproduktionen der öffentlich-rechtlichen Sender konsumiert. Zusammen mit allen Rundfunkanstalten, mit Partnern aus der Webvideobranche und jungen, talentierten Medienmacherinnen und -machern arbeitet funk an wissenswerten, kritischen, lustigen und unterhaltenden Inhalten. Produziert werden Formate wie Kliemannsland, Game Two und Y-Kollektiv, die auch auf YouTube, Facebook, Snapchat, Instagram und in weiteren sozialen Netzwerken zugänglich sind. Solche Drittplattformen stellen den wichtigsten Berührungspunkt von funk mit dessen Nutzenden dar. In der funk-App (funk.net/app) gibt es zudem internationale Lizenzserien und kostenfreie Serien wie Doctor Who und Orange is the new Black.
funk sucht nach guten Ideen, spannenden Erzählformen und Menschen mit Haltung und arbeitet mit etablierten Köpfen an neuen Projekten abseits von kommerziellen Einflüssen. Das Online-Medienangebot fördert aber vor allem auch Newcomerinnen und Newcomer, unterstützt sie redaktionell und finanziell, um ihnen die Möglichkeit zu bieten, eigene Ideen umzusetzen. funk wird stetig weiterentwickelt und möchte zusammen mit seinen Nutzerinnen und Nutzern neue Ideen entwickeln und über bestehende Inhalte diskutieren. funk ist ein öffentlich-rechtliches Angebot und wird entsprechend durch den Rundfunkbeitrag finanziert. Auf Werbung und Productplacements wird verzichtet. Unter der Leitung von Florian Hager und Sophie Burkhardt betreuen in Mainz rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Netzwerk von Redaktionen und Webvideo-Produzierenden.
heute-show
heute-show.de ist ein öffentlich rechtliches Online-Angebot mit dem Schwerpunkt Satire. Umgesetzt wird es bei Prime Productions in Köln, verantwortet vom ZDF. Zielgruppe sind alle Interessierten.
Das Team der Kölner Produktionsfirma Prime Productions produziert die Inhalte für Online und Fernsehen aus einer Hand. Die Redaktion des ZDF ist dazu in enger Abstimmung mit dem Produzenten und nimmt die Inhalte ab.
Konzeptionell wurde heute-show.de in der Startphase von Isa Ostertag betreut, betreuende ZDF-Redakteurin in Köln ist Karolina Salomon. Verantwortlich ist Stephan Denzer.
HOAXmap
Spätestens seit Mitte des Jahres 2016 ist zu beobachten, dass zunehmend Gerüchte über Asylsuchende in die Welt gesetzt und viral verbreitet werden. Auf HOAXmap werden seit dem 8. Februar 2016 Falschmeldungen im Kontext der Flüchtlingskrise in Europa mit Ursprungs- oder Bezugsort gesammelt und zusammen mit Auflösungen auf Basis der Leitmedien online zugänglich gemacht.
HOAXmap ist, laut der Urheberin Karolin Schwarz, aus dem Wunsch entstanden, eine Ordnung in die Vielzahl gestreuter Gerüchte zu bringen und die Dekonstruktion selbiger zu erleichtern. Sämtliche „Auflösungen“ sind etablierten Medien entnommen und verlinkt. Sofern kein Datum für den jeweiligen Vorfall aufgeführt ist, wurde das Datum des Artikels übernommen. In den wenigen Fällen, in denen kein konkreter Ort angegeben war, wurde die Hauptstadt des Landkreises bzw. Bundeslandes übernommen.
Die Sammlung enthält ein breites Spektrum von Gerüchten und Falschmeldungen und versucht der Meinungsunterdrückung und dem Weltbild der Gerüchteerzählerinnen und Gerüchteerzählern entgegenzuwirken.
HOAXmap ist ein Projekt von @raeuberhose und @fraulutz, umgesetzt mit Exhibit.
Krautreporter: Unabhängig, sorgfältig, über den Tellerrand
Krautreporter ist ein Online-Magazin für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, das seine Beiträge nicht in klassischen Ressorts, sondern in chronologischer Reihenfolge in einer Übersicht, wie man es von einem Blog kennt, veröffentlicht. Die Autorinnen und -Autoren sind dabei immer auf der Suche nach Geschichten, die von den ‚normalen‘ Nachrichten abweichen. Ziel ist es, den Leserinnen und Lesern die Zusammenhänge des Weltgeschehens unabhängig und werbefrei zu vermitteln.
Die Themenauswahl und die redaktionelle Arbeit basieren auf einem engen, stetigen Austausch mit Unterstützerinnen und Unterstützern, Leserinnen und Lesern sowie Autorinnen und Autoren. Inhaltlich werden wenige, aber explizit sorgfältig recherchierte Beiträge geboten. Die Recherche erfolgt aus erster Hand und möglichst vor Ort. Die digitale Zugänglichkeit des Recherchematerials mit Originalquellen steht ebenso im Vordergrund wie die Suche nach dem persönlichen Gespräch bei unter anderem selbst organisierten Veranstaltungen, Workshops und Treffen zwischen Unterstützenden sowie Autorinnen und Autoren. Im Ergebnis werden somit nicht nur reine Meinungsbeiträge, sondern auch Reportagen und ‚Erklärstücke‘ geboten. Autorinnen und Autoren teilen ein Verständnis von Journalismus, der unabhängig, sorgfältig und offen ist, und verpflichten sich einer journalistischen Qualität mit handwerklichen Standards.
Die Finanzierung der Plattform erfolgte durch Crowdfunding. Heute ist die Trägergesellschaft eine Genossenschaft, finanziert ausschließlich durch einen Mitgliedsbeitrag von fünf Euro im Monat von allen Abonnentinnen und Abonnenten. Bezahlte Anzeigen werden nicht geschaltet.
NachDenkSeiten
NachDenkSeiten ist eine kritische Website, die eine gebündelte Informationsquelle für jene Bürgerinnen und Bürger sein möchte, die am Mainstream der öffentlichen Meinungsmacher zweifeln und gegen die gängigen Parolen Einspruch anmelden.NachDenkSeiten versteht sich als Anlaufstelle für alle Interessierte an gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Problemen. Sie will hinter die interessengebundenen Kampagnen der öffentlichen Meinungsbeeinflussung leuchten, systematisch betriebene Manipulationen aufdecken und Denkfehler sowie kollektive Vorurteile aufdecken. NachDenkSeiten hinterfragt die Feindseligkeit gegenüber allen staatlichen und öffentlichen Einrichtungen, setzt sich für die Anregung öffentlicher Debatten ein und möchte Mut zu abweichenden Meinungen machen. Ziel ist die Förderung der Qualität der öffentlichen Meinungsbildung und die stärkere öffentliche Beachtung der Lebens-, Abhängigkeits- und Einkommensverhältnisse und damit der Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität. Das Projekt geht auf die Initiative von Albrecht Müller und Wolfgang Lieb zurück und ist unabhängig von geschäftlichen Interessen. Seine Realisierung folgt der Idee, etwas gegen die Einseitigkeit und Oberflächlichkeit der öffentlichen Debatte tun zu wollen und dazu das Medium Internet zu nutzen. NachDenkSeiten.de wird von dem Verein Initiative zur Verbesserung der Qualität politischer Meinungsbildung e.V. (IQM) getragen und gefördert.
netzpolitik: Journalistisch, demokratisch, aber nicht neutral
netzpolitik.org ist ein Blog für digitale Freiheitsrechte und andere netzpolitische Themen. Mit Hilfe von über dreißig Reporterinnen und Reportern werden wichtige Fragestellungen rund um Internet, Gesellschaft, Kultur und Politik thematisiert und Möglichkeiten aufgezeigt, wie man sich selbst mit Hilfe des Netzes für digitale Freiheiten und Offenheit engagieren kann. Die Redakteurinnen und Redakteure beschreiben, wie die Politik das Internet durch Regulierung verändert und wie das Netz die Politik und Öffentlichkeiten wie auch alles andere verändert.
Die Plattform netzpolitik.org versteht sich als journalistisches, jedoch nicht neutrales Angebot, dessen Mitarbeitenden sich für digitale Freiheitsrechte und deren politische Umsetzung engagieren. Dementsprechend wird aus der Perspektive von Grund- und Menschenrechten berichtet. Von Staaten, die die Meinungs- und Pressefreiheit nicht ausreichend respektieren, distanziert sich netzpolitik.org und vermeidet eine Instrumentalisierung durch die Verweigerung der Kommunikation mit deren Staatsmedien.Das Blog wird über Werbung, Spenden und durch die Agentur Newthinking querfinanziert. Gründer und Chefredakteur Markus Beckedahl bezeichnet das als ‚Open-Source-Geschäftsmodell‘. Außerdem gibt es Einnahmen durch Workshops oder Vorträge der einzelnen Autorinnen und Autoren.
piqd: Personalisiert und handverlesenswert
piqd ist die Programmzeitung für guten Journalismus, die von den Journalisten Konrad Schwingenstein, Frederik Fischer (tame) und Marcus Jordan (torial) ins Leben gerufen wurde. piqd-Themenkanäle werden von einer kleinen Redaktion aus Fachjournalistinnen und -journalisten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie anderen Expertinnen und Experten betreut. Jeder dieser Kuratorinnen und Kuratoren empfiehlt pro Tag maximal einen Beitrag. Zusätzlich zu den verlinkten Beiträgen verfassen die Kuratorinnen und Kuratoren zu jeder Empfehlung Rezensionen, Reflektionen und Zusammenfassungen. Im Zentrum steht dabei die Frage: Warum ist diese Empfehlung die Zeit der Lesenden wert?piqd ist der Gegenentwurf zu den reichweiteoptimierten Algorithmen sozialer Netzwerke. Was relevant ist, bestimmen ausschließlich die Kuratorinnen und Kuratoren sowie Mitglieder. Auf diesem Weg möchte die Redaktion zu einer informierten Öffentlichkeit im Netz beitragen.
Die Inhalte auf www.piqd.de sind frei verfügbar. Wer ein Thema abonniert, wird per E-Mail über neue sogenannte piqs informiert. Nur angemeldete Mitglieder können Links posten oder die Empfehlungen von Expertinnen und Experten kommentieren. Die Nutzung ist grundsätzlich kostenfrei, die Mitgliedschaft kostet pro Monat drei Euro und erlaubt unter anderem das Kommentieren der piqs und das Einstellen eigener Empfehlungen. Zu den Themenkanälen gehören ‚Flucht und Vertreibung‘, ‚Volk und Wirtschaft‘ sowie populäre Gebiete wie ‚Spiele und Kultur‘ und ‚Musik und Subkultur‘. Finanziert wird das Projekt mit derzeit sechs festen Mitarbeitenden sowie 140 Expertinnen und Experten von Konrad Schwingenstein, dem Medien-Investor (torial.com, egoFM und logos.vision) und Mitinhaber der August Schwingenstein Stiftung. Seit Februar 2017 wird neben der deutschsprachigen Plattform übrigens auch ein rein englischer Service angeboten.
VICE
VICE ist ein werbefinanziertes und ursprünglich kanadisches Lifestyle- und Jugendmagazin. Herausgeber ist das Unternehmen Vice Media, das größte globale Jugendmedienunternehmen mit 38 Büros weltweit und führend in seinem Segment der Online-Video-Content-Produktion und Distribution.
VICE startete 1994 als Punk-Fanzine und expandierte seither als Multimedia-Network, inklusive der weltweiten Plattform für Online-Videos, VICE.com, einem internationalen Netzwerk digitaler Kanäle, TV- und Filmproduktionsstudios, Plattenlabel und einem Buchverlag. Zu VICE gehören zudem das Vermarktungsnetzwerk VICE Digital Network sowie die Inhouse-Kreativagentur Virtue Worldwide.
Die Online-Zeitschrift beschäftigt sich vorwiegend mit zeitgenössischer Jugendkultur und behandelt kontroverse Themen wie auch länderübergreifend wichtige Sozialprobleme oder politische Konflikte. Dabei steht VICE für eine direkte und selbstironische Berichterstattung und richtet sich an die Kernzielgruppe im Alter von 18 bis 34 Jahren.
Für seine Produktionen wurde VICE mehrfach ausgezeichnet. In Deutschland wurde VICE zuletzt mit dem Lead Award in der Kategorie „Webmagazin des Jahres 2015“ ausgezeichnet.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
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spektrum
Gerhard Tulodziecki: Thesen zu einem Curriculum zur „Bildung in einer durch Digitalisierung und Mediatisierung beeinflussten Welt“
Mediatisierung und Digitalisierung gelten als bedeutsame Prozesse für den Wandel von Kommunikation, Meinungsbildung, Verhaltensbeeinflussung, Demokratie und Gesellschaft. In diesem Zusammenhang stellt sich – nicht zuletzt mit Blick auf die von der Kultusministerkonferenz 2016 vorgelegte Strategie zur „Bildung in der digitalen Welt“ – erneut die Frage nach der Bedeutung von Digitalisierung und Mediatisierung für Lernen, Erziehung und Bildung. Insbesondere für die Schule stellt sich die Aufgabe, geeignete Antworten auf entsprechende Fragen zu finden. Ein wichtiger Schritt dazu ist es, einen curricularen Rahmen zu entwickeln, der sowohl als Grundlage für die Einordnung bisheriger Projekte oder Unterrichtseinheiten als auch als Basis für die Konzeption neuer Aktivitäten im Feld der bildungsbezogenen Auseinandersetzung mit Digitalisierung und Mediatisierung genutzt werden kann. Dr. Gerhard Tulodziecki ist emeritierter Universitätsprofessor an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Allgemeine Didaktik, Medienpädagogik und Lehrerbildung. Er war Mitglied in mehreren länderbezogenen und länderübergreifenden Arbeitsgruppen zur Bildungstechnologie und Medienpädagogik.
Literaturverzeichnis:
Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) (1995). Medienerziehung in der Schule. Orientierungsrahmen. Bonn: BLK.
Faulstich, Werner (2004). Medienwissenschaft. Paderborn: Fink/UTB.Gapski, Harald (2016). Medienkompetenz 4.0. Entgrenzungen, Verschiebungen und Überforderungen eines Schlüsselbegriffs. In: merz | medien + erziehung, 60 (4), S. 19–25.
GI-Gesellschaft für Informatik (2016). Bildungsstandards Informatik für die Sekundarstufe II. Beilage zu LOG IN 36 (183/184).
GI-Gesellschaft für Informatik (2008). Grundsätze und Standards für die Informatik in der Schule. Bildungsstandards für die Sekundarstufe I. Beilage zu LOG IN 28 (150/151).
Helbing, Dirk/Frey, Bruno S./Gigerenzer, Gerd/Hafen, Ernst/Hagner, Michael/Hofstetter, Yvonne/Hoven, Jeroen van den/Zicari, Roberto V./Zwitter, Andrej (2015). Digitale Demokratie statt Datendiktatur. www.spektrum.de/news/wie-algorithmen-und-big-data-unsere-zukunft-bestimmen/1375933 [Zugriff: 05.02.2017].
Herzig, Bardo (2012). Medienbildung. Grundlagen und Anwendungen. München: kopaed.KMK-Kultusministerkonferenz (2016). Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz. Beschluss vom 08.12.16. Berlin: Sekretariat der KMK.
KMK-Kultusministerkonferenz (2012). Medienbildung in der Schule. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08.03.2013. Berlin: Sekretariat der KMK.
Krotz, Friedrich (2016). Wandel von sozialen Beziehungen, Kommunikationskultur und Medienpädagogik. In: Brüggemann, Marion/Knaus, Thomas/Meister, Dorothee M. (Hrsg.), Kommunikationskulturen in digitalen Welten. Konzepte und Strategien der Medienpädagogik und Medienbildung. München: kopaed, S. 19–42.
Marotzki, Wilfried/Jörissen, Benjamin (2010). Dimensionen strukturaler Medienbildung. In: Herzig, Bardo/Meister, Dorothee M./Moser, Heinz/Niesyto, Horst (Hrsg.), Jahrbuch Medienpädagogik 8. Medienkompetenz und Web 2.0. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 19–39.
Rummler, Klaus/Döbeli Honegger, Beat/Moser, Heinz/Niesyto, Horst (2016) (Hrsg.). Medienbildung und informatische Bildung – quo vadis? Themenheft 25 der Online- Zeitschrift MedienPädagogik. www.medienpaed.com/issue/view/31 [Zugriff. 05.02.2017].
Schorb, Bernd (2016). Jugend Konsum Kultur. In: merz | medien + erziehung, 60 (4), S. 52–59.Schorb, Bernd (2005). Medienkompetenz. In: Hüther, Jürgen/Schorb, Bernd (Hrsg.), Grundbegriffe Medienpädagogik. München: kopaed, S. 257–262.
Tulodziecki, Gerhard (2016). Konkurrenz oder Kooperation? Zur Entwicklung des Verhältnisses von Medienbildung und informatischer Bildung. In: Rummler, Klaus/Döbeli Honegger, Beat/Moser, Heinz/Niesyto, Horst (2016) (Hrsg.). Medienbildung und informatische Bildung – quo vadis? Themenheft 25 der Online-Zeitschrift MedienPädagogik. www.medienpaed.com/article/view/425/424 [Zugriff: 05.02.2017].
Tulodziecki, Gerhard (2015). Medienkompetenz. In: von Gross, Friederike/Meister, Dorothee M./Sander, Uwe (Hrsg.), Medienpädagogik – ein Überblick. Weinheim und Basel: Beltz Juventa, S. 194–228.
Tulodziecki, Gerhard (1997). Medien in Erziehung und Bildung. Grundlagen und Beispiele einer handlungs- und entwicklungsorientierten Medienpädagogik. 3. Auflage. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Tulodziecki, Gerhard (1993). Medienerziehung in der Schule – Zielsetzungen, Strategien, Methoden. In: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Medien als Bildungsaufgabe in Ost und West. Nutzungsdaten – Konzepte –Erfahrungsberichte. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung, S. 59–66.
Tulodziecki, Gerhard/Herzig, Bardo (2002). Computer und Internet im Unterricht. Medienpädagogische Grundlagen und Beispiele. Berlin: Cornelsen.
Tulodziecki, Gerhard/Herzig, Bardo/Grafe, Silke (2010). Medienbildung in Schule und Unterricht. Grundlagen und Beispiele. Bad Heilbrunn: Klinkhardt/UTB.
Wagner, Wolf-Rüdiger (2013). Bildungsziel Medialitätsbewusstsein. Einladung zum Perspektivwechsel in der Medienbildung. München: kopaed.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Gerhard Tulodziecki
Beitrag als PDFEinzelansichtDaniel Hajok/Konstanze Wegmann: Feind- und Selbstbilder rechtsextremistischer Musik
Ob auf der Straße oder in der Welt der Medien: Gewalt von rechts hat wieder zugenommen. Dabei hat das, was heute als Hass im Netz diskutiert wird, bereits früh seine mediale Repräsentation gefunden. Im Bereich der Musik etwa findet rechtsextremistisches Gedankengut seit etwa 30 Jahren Verbreitung, auch unter Jugendlichen. Wie eine Analyse indizierter Tonträger zeigt, werden dabei nicht nur die bekannten Feind- und Selbstbilder propagiert, sondern auch gezielt gesellschaftliche Entwicklungen aufgegriffen. Dr. Daniel Hajok ist Kommunikations- und Medienwissenschaftler und Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Kindheit, Jugend und neue Medien (AKJM). Konstanze Wegmann, M. A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Medienpädagogik der Universität Bremen
Literaturverzeichnis:
Bouse, Christina (2010). Sprache der Gewalt und der Fremdenfeindlichkeit in Texten rechtsextremer Musik. In: Schuppener, Georg (Hrsg.), Sprache des Rechtsextremismus. Spezifika der Sprache rechtsextremistischer Publikationen und rechter Musik. Leipzig: Edition Hamouda, S. 161-165.
Döhring, Kirsten/Feldmann, Renate (2002). Ich weiß genau was ich will, halt nicht die Schnauze und bin still…Frauen(bilder) in rechten Subkulturen. In: Dornbusch, Christian/Raabe, Jan (Hrsg.), RechtsRock. Bestandsaufnahme und Gegenstrategien. Münster: Unrast, S. 187-214.
Erb, Rainer (2001). Der ewige Jude. Die Bildersprache des Antisemitismus in der rechtsextremen Szene. In: Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.), Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland. Berlin: Tilsner, S. 131-156.
Erb, Rainer/Kohlstruck, Michael (2009). Die Funktionen von Antisemitismus und Fremdenfeindschaft für die rechtsextreme Bewegung. In: Braun, Stephan/Geisler, Alexander/Gerster, Martin (Hrsg.), Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten. Wiesbaden: Springer VS, S. 419-439.
Farin, Klaus (2001). Vorwort. In: Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.), ReaktionäreRebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland. Berlin: Tilsner, S. 7-8.
Farin, Klaus/Flad, Henning (2001). Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland. In: Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.), Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland. Berlin: Tilsner, S. 9-98.
Flad, Henning (2002). Trotz Verbot nicht tot. Ideologieproduktion in den Songs der extremen Rechten. In: Dornbusch, Christian/Raabe, Jan (Hrsg.), RechtsRock. Bestandsaufnahme und Gegenstrategien. Münster: Unrast, S. 91-124.
Friedemann, Sebastian/Hoffmann, Dagmar (2013). Musik im Kontext der Bearbeitung von Entwicklungsaufgaben des Jugendalters. In: Heyer, Robert/Wachs, Sebastian/Palentien, Christian (Hrsg.), Handbuch Jugend – Musik – Sozialisation. Wiesbaden: Springer VS, S. 371-394.
Grollmütz, Lisa/Chernykh, Sofya/Chekelova, Velina (2016). Selbstbilder und Feindbilder in rechtsextremer Musik. Seminararbeit. Seminar für Kommunikationswissenschaft. Universität Erfurt.
Hajok, Daniel (2017). Höchststände bei der Indizierung von Medien aus dem Bereich des politischen Extremismus. Eine aktuelle Entwicklung im Fokus. In: BPJM-Aktuell, 25 (1), S. 8-17.
Hajok, Daniel/Wegmann, Konstanze (2016a). Extremismus in der Musik. Eine deskriptiv-explorative Analyse der Tonträgerindizierungen. In: BPJM-Aktuell, 24 (2), S. 3-14.
Hajok, Daniel/Wegmann, Konstanze (2016b). Feind- und Heldenbilder rechtsextremistischer Musik. Ergebnisse einer explorativen Analyse von indizierten Tonträgern. In: JMS-Report, 39 (5), S. 2-6.
Hurrelmann, Klaus/Quenzel, Gudrun (2013). Lebensphase Jugend. Eine Einführung indie sozialwissenschaftliche Jugendforschung. 12., korr. Aufl. Weinheim/München: BeltzJuventa.
Jaschke, Hans-Gerd (2001). Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Begriffe – Positionen – Praxisfelder. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.Kaddor, Lamya (2015). Warum junge Deutsche zu Dschihadisten werden? In: BPJM-Aktuell, 23 (4), S. 18-19.
Ritter, Nadja (2010). Inhalte von rechtsextremistischem Liedgut. In: Schuppener, Georg (Hrsg.), Sprache des Rechtsextremismus. Spezifika der Sprache rechtsextremistischer Publikationen und rechter Musik. Leipzig: Edition Hamouda, S. 147-152.
Schellenberg, Britta (2011). Unterrichtspaket Demokratie und Rechtsextremismus. Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus anhand rechtsextremer Musik. Schwalbach: Wochenschau Verlag.
Scholz, Volker (2010). Rechtsextremismus und Mythologie aus Sicht des Verfassungsschutzes. In: Schuppener, Georg (Hrsg.), Sprache des Rechtsextremismus. Spezifika der Sprache rechtsextremistischer Publikationen und rechter Musik. Leipzig: Edition Hamouda, S. 17-24.
Schuppener, Georg (2010). Der Missbrauch germanischer Mythologie in der Sprache des Rechtsextremismus. In: Schuppener, Georg (Hrsg.), Sprache des Rechtsextremismus. Spezifika der Sprache rechtsextremistischer Publikationen und rechter Musik. Leipzig: Edition Hamouda, S. 25-52.
Wegmann, Konstanze (2016). Entwicklungen des mit Liedtexten seit den 1980er Jahren propagierten rechtsextremen Gedankenguts. Magisterarbeit. Universität Erfurt.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Daniel Hajok, Konstanze Wegmann
Beitrag als PDFEinzelansichtBjörn Friedrich/Gerhard Knecht/Holger Mügge: Spiel.Punkte
Stadtteilrallyes sind eine geeignete Methode, um mit Kindern das lokale Umfeld genauer zu erkunden und mit neuen Augen zu entdecken. Das Projekt Spiel.Punkte verbindet im Rahmen einer geheimnisvollen Geschichte analoge und digitale Spielerfahrungen und klärt zugleich über Tracking und die Nachvollziehbarkeit digitaler Spuren auf. Im Folgenden werden das Projekt, die pädagogische Konzeption und erste Erfahrungen aus der praktischen Umsetzung erläutert.
Björn Friedrich arbeitet als Medienpädagoge im SIN – Studio im Netz in München. Seine Schwerpunkte sind Social Media, mobile Anwendungen und digitale Selbstverteidigung. Daneben ist er als Referent für Vorträge und Fortbildungen sowie als Autor tätig. Gerhard Knecht ist Dozent für Spielpädagogik an der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und Landes NRW und setzt spiel- und kulturpädagogische Projekte bei der Pädagogischen Aktionum. Außerdem ist er im Vorstand von Spiellandschaft Stadt e. V. und BAG Spielmobile e. V. Holger Mügge ist Informatiker und Software-Entwickler. Als Geschäftsführer der QuestMill GmbH entwickelt er die Plattform GeoQuest, mit der mobile Apps für pädagogische Projekte, Museen und Tourismus realisiert werden können.
Literaturverzeichnis:
Friedrich, Björn/Palme, Hans-Jürgen (2017). Über analoge Geheimnisse und digitale Analysetechniken: Praktische Anregungen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. In: Tillmann,
Angela/Mikat, Claudia/Eder, Sabine (Hrsg.), Software takes command. Welche Medienbildung und Medienpädagogik brauchen Kinder, Jugendliche und Familien heute? München: kopaed (in Arbeit).
Knecht, Gerhard (2015). Entdecker gesucht! Mit Digitalkamera, Smartphone und Tablets auf der Suche nach neuen Bildungsorten. In: Kulturelle Bildung. Reflexionen. Argumente. Impulse. Digitale Medien, 13/2015, S. 33–35.
Mügge, Holger (2016). Die Heldenreise im Stadtteil. In: gruppe & spiel, 42 (2), S. 46–49.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Gerhard Knecht, Holger Mügge, Björn Friedrich
Beitrag als PDFEinzelansichtSebastian Gomon/Gabriele Hooffacker/Ulrich Schmedes: Room-Escape-Challenge Subjekt 12
Das Konzept von Subjekt 12 verbindet eine Room-Escape-Challenge mit Live-TV-Übertragung und interaktiver Mitspielmöglichkeit: Eine Spielerin bzw. ein Spieler versucht, in einer vorgegebenen Zeit durch das Lösen von Aufgaben und Rätseln einen Weg aus einem Raum zu finden. Die Rätsel geben dem Live- Publikum Möglichkeit zur Interaktion. Anhand von Narration, Story, Plot und Spielhandlung zeigt das Projekt, dass sich die Kategorien Konflikt und Kooperation auf eine interaktive Live- Game-Show anwenden lassen. S
ebastian Gomon arbeitet als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig. Seine Schwerpunkte sind AV-Medien und Studioproduktion. Dr. Gabriele Hooffacker ist Professorin an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig. Ihr Schwerpunkt ist die medienadäquate Inhaltsaufbereitung. Dr. Ulrich Schmedes ist Professor an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig. Seine Schwerpunkte sind Multimedia-Produktionssysteme und -technologien.
Literaturverzeichnis:
Backe, Hans-Joachim (2008). Strukturen und Funktionen des Erzählens im Computerspiel. Eine typologische Einführung. Würzburg: Königshausen & Neumann.Bopp, Matthias (2008). Storytelling und parasoziales Design als Motivationshilfe in Computerspielen. In: Medien-Pädagogik, 15/16, S. 1–20.
Früh, Werner/Frey, Felix/Blümler, Jette (2014). Narration und Storytelling. Theorie und empirische Befunde. Köln:Herbert von Halem.Hooffacker, Gabriele (2015). Online-Journalismus. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis (Journalistische Praxis). 4. Auflage. Wiesbaden: Springer VS.Jöckel,
Sven/Schumann, Christina (2010). Spielen im Netz. Online-Spiele als Kommunikation. www.researchgate.net/profile/Sven_Joeckel/publication/251222376_Spielen_im_Netz_Online-Spiele_als_Kommunikation/links/0f31753bfca3b58c2a000000/Spielen-im-Netz-Online-Spiele-als-Kommunikation.pdf [Zugriff: 02.02.2017].
Kammerl, Rudolf/Unger, Alexander/Grell, Petra/Hug, Theo (2014). Jahrbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: Springer VS.Neuberger, Christoph (2014). Konflikt, Konkurrenz, Kooperation. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, 62 (4),S. 567–586.
Neuberger, Christoph (2007). Interaktivität, Interaktion, Internet.Eine Begriffsklärung. In: Publizistik, 52 (1), S. 33–50.
Primbs, Stefan (2015). Social Media für Journalisten (Journalistische Praxis). Wiesbaden: Springer VS.
Quandt, Thorsten/Wimmer, Jeffrey/Wolling, Jens (Hrsg.), (2009). Die Computerspieler. Studien zur Nutzung von Computergames. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer VS.
Zota, Volker (2014). Panne beim TV-Quizduell: “Das ging komplett in die Hose”. www.heise.de/newsticker/meldung/Panne-beim-TV-Quizduell-Das-ging-komplett-in-die-Hose-2187782.html [Zugriff: 02.02.2016].
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Sebastian Gomon, Gabriele Hooffacker, Ulrich Schmedes
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medienreport
Tillmann P. Gangloff: Mittagessen mit Zombies
Es ist still geworden um den Jugendmedienschutz. Selbst die Verabschiedung eines neuen Staatsvertrags im vergangenen Herbst hat keine größeren medialen Wellen geschlagen. Allein die Landesmedienanstalten melden sich hin und wieder zu Wort. Jüngster Stein des Anstoßes sind die im Tagesprogramm der privaten Fernsehsender ausgestrahlten Hinweise auf Sendungen nach 22 Uhr, die angeblich nicht für Kinder und Jugendliche geeignet sind. Diese Trailer sind laut Kommission für Jugendmedienschutz ( KJM) teilweise „grenzwertig gestaltet“; das sei zumindest das Ergebnis einer Untersuchung, bei der die Jugendschützerinnen und -schützer 3.250 Trailer von 14 Sendern gesichtet hätten. Bei vielen sei ein „Anfangsverdacht auf eine Entwicklungsbeeinträchtigung“ festgestellt worden, teilt eine KJM Sprecherin mit. Details will sie jedoch nicht verraten, weder hinsichtlich konkreter Beispiele noch der genauen Anzahl der Verdachtsmomente. Ins gleiche Horn stößt der Medienrat der Stuttgarter Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg ( LFK). Das Gremium findet es bedenklich, dass überhaupt tagsüber mit bewegten Bildern auf Sendungen hingewiesen werden darf, „die aus Sicht des Jugendschutzes problematische Inhalte aufweisen“.
Als theoretisches Beispiel wird auf Nachfrage die bei RTL II gezeigte Zombie-Serie The Walking Dead genannt. Die entsprechenden Trailer entpuppen sich zwar als denkbar harmlos, zumal sie gar keine bewegten Bilder enthalten, aber es geht den Jugendschützerinnen und -schützern ohnehin ums Prinzip: Ein Trailer wecke bei jungen Zuschauerinnen und Zuschauern womöglich ein Bedürfnis, das vorher gar nicht da gewesen sei. Da Programmangebote mit einer Sendezeitbeschränkung ab 16 oder 18 Jahren rund um die Uhr in der Mediathek der Privatsender zur Verfügung stünden, könnten Kinder oder Jugendliche sie dort jederzeit aufrufen. Hintergrund der Diskussion sind zwei Änderungen im Jugendmedienschutzstaatsvertrag. Die eine betrifft die Programmtrailer. Die Landesmedienanstalten haben den entsprechenden Paragrafen früher so ausgelegt, als dürften Filme mit Sendezeitbeschränkung ab 22 Uhr auch generell erst ab 22 Uhr beworben werden.
Man hat sich dann mit den Sendern auf den Kompromiss geeinigt, dass die tagsüber ausgestrahlten Trailer für solche Sendungen keine bewegten Bilder enthalten dürfen. Im Kino wird das allerdings anders gehandhabt, hier dürfen selbst Filme mit einer Freigabe ab 18 Jahren theoretisch im Vorprogramm eines Kinderfilms beworben werden; allerdings werden die Trailer von der Freiwilligen Selbstkontrolle Filmwirtschaft ( FSK) geprüft. Die Sender forderten die gleichen Bedingungen für das Fernsehen, zumal jeder Trailer im Internet zur Verfügung stehe. Daniela Hansjosten, Leiterin Standards & Practices der Mediengruppe RTL, versichert, man sei sich der besonderen jugendschützerischen Verantwortung in diesem Bereich bewusst. Die Mediengruppe RTL habe schon seit einigen Jahren ein funktionierendes internes System der Trailer-Abnahme etabliert: „Alle Trailer durchlaufen einen engmaschigen Abnahmeprozess, in dessen Verlauf jeder jugendschutzrelevante Trailer vom Jugendschutzbeauftragten gesichtet, eingestuft und für die jeweilige Sendezeit freigegeben wird.“ Joachim von Gottberg, Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), räumt dennoch ein, die Sender müssten noch lernen, mit diesem Instrument umzugehen. Sinnvoller als den Vorstoß der LFK hätte er es jedoch gefunden, eine gemeinsame Tagung mit der FSF, den Jugendschutzbeauftragten der Sender und Vertreterinnen und Vertretern der Programmdirektion zu veranstalten, und in diesem Rahmen über exemplarische Fälle zu diskutieren.
Die für diese Debatte maßgebliche zweite Änderung im neuen Staatsvertrag betrifft den technischen Jugendschutz: Während in den Bereichen Kino und DVD sämtliche Filme der FSK vorgelegt werden müssen, damit sie eine Jugendfreigabe erhalten, können Internetanbieter die entsprechende Kennzeichnung selbst vornehmen. Der Gesetzgeber erwartet von den Eltern, dass sie auf ihren Computern Jugendschutzprogramme wie etwa JusProg installieren, die automatisch alles herausfiltern, was nicht den elterlichen Parametern entspricht. In der Theorie klingt das gut. In der Praxis, glaubt von Gottberg, kenne kaum jemand diese Programme; er schätzt, dass allenfalls ein bis zwei Prozent der Eltern JusProg tatsächlich installiert hätten. Davon abgesehen kritisiert der FSF-Chef das „etwas veraltete Bild von Kindern und Jugendlichen“, das man bei den Landesmediananstalten habe: „Dort geht man offenbar davon aus, dass ein Kind im Fernsehen den Trailer zu einer Serie wie ‚Walking Dead’ sieht und umgehend zum Tablet greift, um die Mediathek von RTL II aufzurufen. In Wirklichkeit brauchen die Kinder keinen Trailer, um auf solche Angebote aufmerksam zu werden, so etwas erledigen ihre sozialen Netzwerke viel reibungsloser. Mit der gleichen Argumentation könnte man auch Hinweise in den Programmzeitschriften verbieten.“
Tillmann P. Gangloff ist Journalist und Medienkritiker.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Tilmann P. Gangloff
Beitrag als PDFEinzelansichtMarkus Achatz/Michael Bloech: Auf der Suche nach einem Platz
Mehr als 400 Filme liefen dieses Jahr auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin. Allein in der Sektion GENERATION für Kinder (Kplus) und Jugendliche (14plus) waren es 66 Filme aus 43 Nationen. In der 40. Ausgabe von GENERATION wurden 2017 mehr Dokumentarfilme ins Programm aufgenommen, was auch auf die anderen Berlinale-Sektionen zutraf. Ein Indiz dafür, dass viele Filmemacherinnen und -macher versuchen, näher an der Realität anzudocken. Die Berlinale versteht sich seit vielen Jahren auch als ein Anker für politische und gesellschaftliche Themen im Kino. Dokumentarischen Formen kommt an dieser Stelle eine besondere Bedeutung zu, aber auch Fiktionales vermag den Blick auf gesellschaftliche und politische Prozesse zu schärfen und den Diskurs darüber zu befördern. Sowohl in den Filmen und ihren Storys als auch in den Kommentaren und Statements im Rahmen der Berlinale zeigte sich dieses Jahr politische Verunsicherung. Große Utopien sind gescheitert, die globalisierte Welt ist entzaubert. Festivaldirektor Dieter Kosslick bemerkte dazu, dass viele Filmkünstlerinnen und -künstler „versuchen, die verunsichernde Gegenwart vor dem Hintergrund der Geschichte zu verstehen. Vielleicht sind es ja die Geschichten von starken Individuen und die Ideen herausragender Künstlerinnen und Künstler, die an die Stelle der großen Utopien treten.“
Leben im und nach dem Krieg
Im Dokumentarfilm Shkola nomer 3 (School Number 3) aus der Ukraine begegnen wir gleich 13 bemerkenswerten Persönlichkeiten: Es sind Jugendliche aus Mykolaivka (Slowjansk/Donbas), einer im Konflikt mit Russland 2014 zerstörten und teils wieder aufgebauten Stadt. Die Schülerinnen und Schüler berichten vor der Kamera jeweils eine persönliche Erinnerung aus ihrem jungen Leben. Mit Mut und deutlicher Emotion erzählen sie von ihren Gefühlen, von Erlebnissen, von Ängsten und Hoffnungen. Die Kamera bleibt während des Erzählens meist statisch. In Zwischenszenen sehen wir die Jugendlichen von einer bewegten Kamera begleitet, wie sie beispielsweise auf einer Anhöhe über der Stadt vor den Schornsteinen einer großen Fabrik herumstreunen oder mit dem geliebten Hund spielen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Jugendlichen sind geprägt von den Erlebnissen aus einem aktuellen Krieg. 13 Leben in einem Zwischenraum. Nicht mehr Krieg und auch kein Frieden, keine Resignation und keine reine Hoffnung, aber auf der Suche nach einem Platz in der Welt. Entstanden als Fortsetzung eines Theaterprojekts und erweitert mit den ästhetischen Mitteln eines Films erhielt Shkola nomer 3 den Großen Preis der Internationalen Jury in der Sektion GENERATION 14plus für den besten Film. Bemerkenswert am Gesamtkonzept ist vor allem die Intensität, mit der das Regie- Team einen Raum des Vertrauens zwischen der Kamerafrau und den jugendlichen Protagonistinnen und Protagonisten erzeugt hat. Zitat der Preisjury: „Dieser Film lässt dem Narrativ des Krieges keine Überhand gegenüber der emotionalen Welt seiner jungen Charaktere gewinnen, die uns erlauben, Zugang zu den innigsten und intimsten Details ihres Lebens zu erhalten.“
Vom Tod lernen
Innig und intensiv sind auch die Annäherungen an die Protagonistinnen und Protagonisten im ungewöhnlichen Dokumentarfilm Almost Heaven der britischen Regisseurin Carol Salter. Sie begleitet die 17-jährige Ying Ling bei ihrer Ausbildung zur Bestatterin in einem der größten Bestattungsunternehmen Chinas. Die Lehrlinge arbeiten in 24-Stunden-Schichten und kommen häufig aus weit entfernten Orten. Für Ying Ling ist der Umgang mit Toten anfangs schwierig und mit den anderen Lehrlingen gemeinsam übt sie zunächst an Puppen oder untereinander, bevor die Reinigungen an den Verstorbenen durchgeführt werden. Nach vorgebebenen Ritualen werden die Toten für das Begräbnis vorbereitet. Was Ying Ling erlebt, reicht von der Angst vor den Geistern der Toten in den kalten Gängen des Krematoriums bis zu den kindlichen Scherzen mit ihrem Teamkollegen. Zwischen ihr und dem gleichaltrigen Kollegen bahnt sich eine behutsame Freundschaft an. Carol Salter hat sich auf die Portraits besonderer Menschen in unterschiedlichen Kulturkreisen und auf ungewöhnliche Geschichten spezialisiert und nähert sich auch diesem Thema mit viel Sensibilität. Ein interessanter Einblick in eine uns sonst eher verborgene Welt.
Väter und Söhne auf Reisen
Jorge fährt mit seinem achtjährigen Sohn Valentino auf das Land. Primero enero (Anfang Januar) handelt im argentinischen Calamuchita-Tal, wo die Familie ein Ferienhaus besitzt, das aufgrund der Trennung der Eltern verkauft werden soll. In alter Tradition soll Valentino als Heranwachsender dort einige Aufgaben erfüllen: auf einen Berg wandern, einen Baum fällen, Fischen gehen oder im eiskalten Fluss tauchen. Der Junge beginnt zunehmend, den Sinn der Riten anzuzweifeln. Der Vater zeigt dafür aber wenig Verständnis. Das Spielfilmdebüt des 29-jährigen Regisseurs Darío Mascambroni, der in der Sektion GENERATION Kplus gezeigt wurde, ist ein schweigsamer Film und eine zähe Angelegenheit. Über weite Strecken bleibt das Zusammenspiel der beiden Figuren uninspiriert. Die Inszenierung ist hölzern und die Zuschauenden werden auf Distanz gehalten. In seltenen Augenblicken kommt die schöne Landschaft zur Geltung, wobei die Protagonistinnen und Protagonisten eher teilnahmslos bleiben. Bereits in der endlos wirkenden Eingangsszene blickt die Kamera in einer dialogfreien Autofahrt entweder von hinten starr auf Vater und Sohn, die durch das Gegenlicht der Windschutzscheibe unkenntlich bleiben, oder durch ein trübes Heckfenster, das die Umgebung kaum sichtbar macht. Das junge Publikum im Kino verhält sich mit Ausnahme einzelner Unmutsäußerungen überraschend ruhig, bis zu einer Szene, in der Valentino wohl erfahren muss, wie ein Lamm geschlachtet wird. Die Kamera rückt so nahe ans Geschehen, wie während der gesamten Zeit zuvor nicht, und zeigt das Abtrennen des Lammkopfes mit einem großen Messer. Wie die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer im Kino bleibt auch der kleine Valentino in der Geschichte nicht unbeeindruckt und verweigert am Abend den gegrillten Braten. Im Publikumsgespräch räumt der auf die Szene angesprochene Regisseur ein, dass das Lamm wirklich getötet wurde, und hinterlässt dennoch viele Fragen. Ein merkwürdiger Höhepunkt in einem Film, der das kindliche Publikum ‚ab 9 Jahren‘ irritiert und den erwachsenen Kinderfilmrezensenten ärgert.
Deutlich mehr Nähe zu seinen Hauptfiguren schafft Thomas Arslan im deutschen Berlinale-Wettbewerbsbeitrag Helle Nächte. Auch hier wird die Reise eines Vaters mit seinem Sohn in die abgeschiedene Natur thematisiert: Der in Berlin lebende Österreicher Michael fährt zur Beerdigung seines Vaters nach Norwegen. Er nimmt seinen 15-jährigen Sohn Luis mit, zu dem er seit vielen Jahren kaum Kontakt hatte. So wie Michael mit seinem Vater jahrelang nicht gesprochen hatte, sind sich auch er und Luis fremd. Für Michael wird die Reise zu einem Versuch, Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten und an Luis wieder enger heranzurücken. Für Luis ist das Reiseziel Nordnorwegen zwar interessant, er weiß aber selbst nicht, was das alles überhaupt soll. Dem Vater gegenüber bleibt er reserviert bis ablehnend. Helle Nächte ist ebenfalls ausgesprochen langsam, beinahe träge. Nichtsdestotrotz ist Arslan ein emotional intensives Zusammenspiel von Vater und Sohn gelungen, das mit einigen dramaturgischen Finessen aufwartet. Die weite und karge Landschaft in der nordnorwegischen Provinz Troms trägt wesentlich zur Geschichte bei. Es gibt längere Passagen, die im Auto spielen. Für Vater und Sohn einerseits ein Schutzraum vor Wetter und Naturgewalt, andererseits ein Gefängnis, in dem sie zusammen eingepfercht sind – gleichsam in der Begrenzung des eigenen emotionalen Raums. Georg Friedrich hat den Silbernen Bären als bester Darsteller erhalten. Wenngleich sich die Art, wie er die Rolle des Vaters spielt, nicht so sehr von seinen anderen Auftritten unterscheidet, wirkt Friedrichs larmoyante, teils enervierende Sprechweise in diesem Film authentisch und macht das Unverständnis und die steigenden Aggressionen des Sohnes umso nachvollziehbarer. Tristan Göbel meistert dies in seiner Rolle als Luis ganz hervorragend und verleiht der Aura des schweigsamen, zuweilen geheimnisvollen Jungen, die er in Winnetous Sohn (2015) oder in den Rico und Oskar-Filmen zeigte, eine neue Facette. Im Verlauf der Geschichte tauchen die beiden Protagonisten immer tiefer in die Berg- und Nebelwelt ein. Das Tempo der Reise wird abermals gedrosselt und Worte werden gänzlich überflüssig. Am Ende steht eine große Offenheit für die Suche nach einem Platz in der Welt und vielleicht sogar für neue Utopien.
Das ‚schwache Geschlecht‘ auf der Berlinale ganz stark!
Generell glänzen im filmischen Mainstream primär männliche Helden, die ihre Probleme auch oft durch maskuline Autorität lösen. Daher scheint es legitim, Filme einmal genauer zu betrachten, die Heldinnen in den Mittelpunkt rücken.
Ein Mädchen im Kampf mit ihrer Krankheit
In der Sektion Kplus lief die turbulente deutschitalienische Produktion Amelie rennt von Tobias Wiemann, die den Kampf eines 13-jährigen Berliner Mädchens gegen ihre Asthmaerkrankung schildert. Eindringlich, aber ohne Betroffenheitsmelancholie, legt der humorvolle Film seinen Blick auf das Problem von Heranwachsenden, die vermeintlich keine eigenen Schwächen zeigen dürfen. Wie eine Drogenabhängige hängt das Mädchen an ihrem Asthmaspray, verheimlicht die ständige Benutzung und lehnt zunächst die für sie so dringend notwendige Behandlung in einer Südtiroler Klinik ab. All dies zeigt ihre innere Wut auf eine Krankheit, die ihr im wahrsten Sinne des Wortes den Atem abschnürt. Amelie isoliert sich immer mehr und verweigert alle Maßnahmen des Klinikteams. Schließlich reißt sie aus und muss dabei schmerzhaft lernen, sich ihren Dämonen zu stellen. So wird deutlich, wie wichtig es ist, Hilfe anzunehmen und aktiv der Krankheit entgegen zu treten. Damit zeigt der sympathische Kinderfilm, dass es auch Chancen gibt, über sich selber hinaus zu wachsen.
Indigene Mystik
Wesentlich härter geht es in dem brasilianischen Beitrag Não devore meu coração! (Don‘t Swallow My Heart, Alligator Girl!) in der Sektion 14plus des Regisseurs Felipe Bragança zu. An der Grenze zwischen Brasilien und Paraguay toben seit Jahrhunderten Konflikte zwischen der indigenen Landbevölkerung Paraguays und den weißen Farmern Brasiliens. Immer wieder treiben im Grenzfluss Apa Leichen und in mörderischen Straßenrennen bekämpfen sich Motorradgangs. Zwischen diesem Chaos müssen Kinder aus beiden Ländern ihren Alltag meistern und ihre kulturelle Identität sichern. Zunächst steht der kleine Junge Joca im Mittelpunkt, doch die wahre Heldin der Geschichte ist das starke Indio Mädchen Basano, das tätowierte ‚Alligator Girl‘, in das sich der Junge unsterblich verliebt hat. Das Alligator Girl hat durch ihre indigene Herkunft Macht, all diese Konflikte für einen Augenblick zu mildern. Doch der Preis dafür ist hoch, denn sie soll dafür die Liebe von Joca zu ihr opfern. Auf der Brücke über dem Apa kommt es schließlich zu einem dramatischen Showdown. Mittels symbolisch aufgeheizten Bildern wird eine ungeheure Spannung erzeugt, in der das Alligator Girl souverän ihre Entscheidung trifft. Zwar verfolgt der Film zu viele Handlungsstränge, präsentiert aber dennoch eine magische Persönlichkeit, die Zuschauende noch lange nach dem Kinobesuch beschäftigen wird.
Im Mumblecore-Märchen prügelnd durch Berlin
Noch drastischer erweist sich der deutsche Panorama- Beitrag Tiger Girl von Jakob Lass. In grellen Bildern wird die Freundschaft zwischen zwei sehr unterschiedlichen Frauen, der strebsamen Vanilla und der Nonkonformistin Tiger Girl geschildert. Schon in einer der ersten Szenen wird deutlich, dass hier ein etwas unübliches Frauenbild vorgestellt wird. Nachts im einsamen U-Bahnhof wird Vanilla von drei Halbstarken sexuell belästigt. Tiger Girl kommt hinzu, entwendet den Jungs den Baseballschläger und verdrischt sie: Der Beginn einer innigen Freundschaft zwischen den Frauen, die dann prügelnd ihren Alltag meistern. Was so alptraumhaft beginnt, wird leider nicht konsequent im Film durchgehalten. Immer mehr schleicht sich düstere Realität in die fiktionale Handlung. Improvisierte Dialoge, originelle Laiendarstellerinnen und -darsteller sowie eine Handkamera, die stets dicht am Geschehen ist, gaukeln Realitätsnähe vor. Diese Art des Filmemachens, quasi als Indie Subgenre, wird oft als Mumblecore bezeichnet und rückt dadurch den handelnden Personen ausgesprochen nah. Dennoch hält sich der Film nicht damit auf, psychologische Hintergründe für Handlungsmuster zu bemühen. Die beiden Frauen agieren aus sich heraus, das Ganze bleibt somit vornehmlich eine Situationsbeschreibung. Insgesamt büßt der Film damit leider ein wenig von seiner anarchistischen Haltung ein. Dennoch ist es interessant, wie traditionelle Rollenbilder systematisch im wahrsten Sinne gebrochen werden und Frauen sich in die männliche Domäne körperlicher Hoheit drängen.
Markus Achatz ist Erziehungswissenschaftler und Medienpädagoge, Leiter des Bereichs Bildung im Deutschen Jugendherbergswerk und nebenbei als freier Journalist, Filmrezensent, Musiker und DJ aktiv.
Michael Bloech war medienpädagogischer Referent am Medienzentrum München des JFF mit den Schwerpunkten Videoarbeit, Kinderfilm und Technik.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Markus Achatz, Michael Bloech
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Bloech: Der Kinderfilm auf der Berlinale feiert Geburtstag!
Immer jünger: Die späten 1970er-Jahre!
Wenn das kein Grund zur Freude ist: Genau vor 40 Jahren wurde der Grundstein für eine neue Sektion auf der Berlinale gelegt. Bislang richteten sich die Internationalen Filmfestspiele Berlin ausschließlich an ein erwachsenes Publikum, doch 1977 entwickelte sich die Berlinale unter dem damalig neuen Leiter Wolf Donner weiter in Richtung ‚junges Publikum‘. Außerdem setzte er starke inhaltliche Akzente in Richtung ‚junger deutscher Film‘. Schließlich gelang es Donner im Februar 1978, ein eigenes Kinderfilmfest in die Berlinale – unter dem schlichten Titel Kino für Leute ab sechs – zu integrieren. Was dann begann, war ein allmählicher Wandel im Kinderfilm-Programm, ausgehend von hauptsächlich deutschen Produktionen und Filmen skandinavischer und osteuropäischer Länder, generell hin zu Produktionen aus aller Welt. Zwar wurden zunächst keine Kinderfilme mit Preisen bedacht, dennoch konnte 1985 der Kinderfilmklassiker Ronja Räubertochter überraschend einen Silbernen Bären für eine besondere künstlerische Leistung erringen. Allerdings lief diese Produktion im Wettbewerbsprogramm und nicht auf dem Kinderfilmfest. Vielleicht führte diese Preisvergabe, als generelle Anerkennung für einen Kinderfilm, jedoch dazu, schon im Jahr darauf eine eigene Jury – bestehend aus Berliner Kindern – einzurichten. Bald darauf erweiterte eine international zusammengesetzte Jury aus dem professionellen Filmbereich die Preisvergabe der Kinderjury.
Der Kinderfilm wird erwachsen!
Allmählich veränderten sich aber nicht nur die Zusammensetzung der im Programm vertretenen Länder und die offizielle Anerkennung für den Kinderfilm an sich, sondern das Altersspektrum der Protagonistinnen und Protagonisten in den Filmen, und damit auch das Alter des anvisierten Publikums. Immer mehr Produktionen für ältere Jugendliche rückten in den Fokus, sodass unter dem damalig neuen und bis heute amtierenden Leiter Dieter Kosslick eine völlig eigene Sektion mit dem Titel 14plus ins Leben gerufen wurde. Diese Sektion präsentiert Filme, die sich mit der Lebenswelt von Heranwachsenden ab 14 Jahren beschäftigen. Die letzte große Veränderung wurde 2007 durch die Zusammenlegung der Kinderfilme – unter dem neuen Titel Kplus – und der Jugendfilme – 14plus – in die gemeinsame Sektion GENERATION eingeleitet. Was damit auf den ersten Blick als Umbenennung erscheinen mag, deutet jedoch eine grundsätzliche Richtungsänderung des gesamten Kinder- und Jugendfilmteils der Berlinale an. Mit dem generellen Anspruch der gesamten Berlinale, ein vornehmlich politisches Festival zu sein, kommt ein weiterer programmbildender Faktor hinzu. Daher geht es bei 14plus vornehmlich um Coming-of-Age-Produktionen, die eingebettet sind in sozioökonomische und politische Strukturen. Dieser Umstand erweist sich damit für das gesamte Berlinale-Programm als besonders bereichernd.
Filme über Kinder? Oder Filme für Kinder?
Bei Kplus führt dies teilweise zu Verwerfungen, denn jetzt steht primär nicht mehr das junge Publikum an sich im Vordergrund. Vielmehr werden überwiegend Filme über Kinder in bedrückenden, existenziellen Schicksalslagen präsentiert. Daher verwundert es nicht, dass dieses Jahr mit Estiu 1993 zwar ein wirklich wunderbarer Film über ein berührendes Kinderschicksal gezeigt und vielfach ausgezeichnet wurde, der es aber, wegen seiner unendlich langsamen Erzählweise und an Höhepunkten armen Dramaturgie, sehr schwer haben dürfte, ein begeistertes Kinder- Publikum zu finden. Kurz: Diese bewusste und gewollte Schwerpunktsetzung macht deutlich, warum viele Kinder nach dem Berlinale-Besuch das Kino oft etwas irritiert verlassen. Naturgemäß wirkt sich diese Diskrepanz, zwischen Filmen für eine Zielgruppe und Filmen über eine Zielgruppe, besonders bei Kinderfilmen gravierend aus. Bei Jugendproduktionen schmilzt diese Kluft natürlich komplett. So gesehen wäre ein Abtrennen der genuinen Kinderfilme mit einer etwas stärkeren Ausrichtung hin zum Kino für Leute ab sechs und ein eigenständiges Coming-of-Age-Programm unter dem Titel Generation konsequent und durchaus eine interessante Option. Und bis zum 50. Geburtstag ist ja noch genügend Zeit für eine kleine Neujustierung. Ach ja: Das Kino für Leute ab sechs hätte es verdient!
Michael Bloech war medienpädagogischer Referent am Medienzentrum München des JFF mit den Schwerpunkten Videoarbeit, Kinderfilm und Technik.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Michael Bloech
Beitrag als PDFEinzelansichtMelanie Theissler: Und welches Tier bist du?
Brandis, Katja (2016). Woodwalkers – Carags Verwandlung. Hörbuch, Arenaaudio. 309 Min., 16,99 €.
Wie wäre es, wenn sich ein Mensch mittels seiner Gedanken plötzlich in ein Tier verwandeln könnte? Wie würde dieses Leben als Gestaltwandlerin bzw. -wandler wohl aussehen? Der Junge Carag im Hörspiel Woodwalkers – Carags Verwandlung besitzt diese Fähigkeit schon seit seiner Geburt. Doch Carag und seine Familie leben nicht als Menschen in Häusern, sondern in ihrer Tiergestalt als Pumas im Wald in der Region rund um den Grand Canyon und die Rocky Mountains. Menschliche Sitten und Gebräuche sind ihm größtenteils fremd. Als seine Mutter zusammen mit ihm und seiner Schwester Mia zum ersten Mal in Form der Menschengestalt einen Ausflug in die Welt der Menschen macht, ist Carag fasziniert von dieser Welt und deren Gestalt. Und so beschließt Carag im Alter von elf Jahren, seine Familie zu verlassen, und sich in die Welt der Menschen zu begeben, um dort sein Leben als Mensch weiterzuführen. Mittels eines raffiniert ausgearbeiteten Plans schafft er es, unter dem Decknamen Jay in eine Pflegefamilie aufgenommen zu werden. Seine Pflegefamilie glaubt, Carag hätte sein Gedächtnis verloren und bringt ihm daher alles Notwendige bei, um in der Welt wieder klar zu kommen. Carag lebt dort zwei Jahre, besucht die Junior High und hat trotz der Bemühungen seiner Pflegefamilie Schwierigkeiten, sich vollständig einzuleben. Seine Mitschülerinnen und Mitschüler mobben ihn, und er hat bis jetzt keine einzige Freundin und keinen einzigen Freund gefunden. Auch mit seinen Pflege-Geschwistern, besonders mit seinem Bruder, gibt es andauernd Streit. Mittlerweile belastet Carag sein neues Leben sehr, und er beginnt zu zweifeln, ob es eine gute Idee war, seine alte Familie hinter sich zu lassen und zu den Menschen zu ziehen. Als er sich eines Tages auf den Weg zur Schule macht, trifft er Lissa Clearwater, die ebenfalls eine Gestaltwandlerin – ein sogenannter Woodwalker – war. Sie erklärt ihm, dass sie ihn bereits seit geraumer Zeit beobachten lässt, dass Woodwalker andere Woodwalker wahrnehmen könnten, und dass sie ein Internat für Woodwalker gegründet habe: die Clearwater High. Sie lädt Carag ein, von nun an diese Schule zu besuchen, da ihm dort neben gewöhnlichen Fächern auch alles Notwendige über Gestaltwandlerinnen und -wandler beigebracht werden würde. Carag ist mit der Situation, dass es noch andere wie ihn gibt, zunächst überfordert und überlegt, wie er seiner Pflegefamilie erklären sollte, dass er ab sofort eine Schule für Gestaltwandlerinnen und -wandler besuchen möchte. In den darauffolgenden Tagen erhalten seine Pflegefamilie und er Besuch von Andrew Miller, einem sehr vermögenden, berühmten und einflussreichen Mann aus der Gegend, der behauptet, Carag fördern zu wollen. Tatsächlich spürt Carag, dass es sich hierbei um einen Gestaltwandler handelt, der ihm aber nicht wohlgesonnen ist. Trotz Millings zwielichtigem Erscheinen – und zu Carags völliger Überraschung – empfiehlt er Carags Familie die Clearwater High sehr. Seine Familie, die sich viel aus Millings Meinung macht, gibt Carag schlussendlich die Erlaubnis, die Clearwater High zu besuchen. Doch: Wie wird es ihm auf der neuen Schule unter seinesgleichen wirklich ergehen? Und welche Rolle spielt Andrew Milling noch für Carag?
Das Hörspiel Woodwalkers – Carags Verwandlung nach dem gleichnamigen Roman von Katja Brandis ist der erste Teil der Woodwalkers-Reihe. Er wird sehr emotional, einfühlsam und mit einer hervorragenden Intonation von Timo Weisschnur gelesen. Er präsentiert sich mit einer sehr warmen, fast noch jugendlichen energischen Stimme, die die Geschichte noch lebendiger macht. Obwohl die Zuhörenden gleich zu Beginn der Erzählung mit vielen verschiedenen Personen konfrontiert werden, lassen sie sich dank Weisschnur, der jeder Person eine auf deren Persönlichkeit zugeschnittene Stimme verleiht, sehr gut voneinander unterscheiden. Die Geschichte wird in einem ansprechenden Tempo aus der Ich-Perspektive erzählt. Es wird eine im Jugendstil gehaltene Sprache mit altersgemäßen Sprachelementen (z. B. keine komplizierten Sätze) verwendet sowie Wörter, wie sie eine heranwachsende Person ebenfalls im Alltag nutzen würde. Beschreibungen von Örtlichkeiten stehen weniger im Fokus, sondern eher das Leben des jungen Carag. Umschreibungen von zwischenmenschlichen Aktionen, wie Konflikte oder die erste große Liebe, werden realitätsnah und gut verständlich dargestellt. Der Hauptprotagonist Carag verkörpert einen klassischen Außenseiter hinsichtlich seines Charakters und Aussehens, der von der gewöhnlichen Gesellschaft gemobbt wird und Schwierigkeiten hat, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Dafür zeigt er aber eine ungewöhnlich hohe mentale Reife für sein Alter. Er erkennt stets, dass die Diskriminierung durch die menschliche Gesellschaft falsch ist, und zweifelt zu keinem Zeitpunkt an seinem Aussehen und Charakter. Stattdessen zeichnen Gerechtigkeit, Besonnenheit, geistige Stärke und Empathie seine Persönlichkeit aus. Carag stellt eine Identifikations- und Vorbildfigur für alle Jugendlichen dar, die selbst Erfahrungen mit Mobbing machen oder gemacht haben.Am Beispiel der Woodwalker lassen sich gesellschaftliche Schwierigkeiten von Randgruppen sowie das allgemeine Zusammenleben dieser gut darstellen. Das Hörbuch befasst sich mit realen Problemen eines 13-jährigen Jungen, der auf dem Weg ist, erwachsenen zu werden: Abschied und Neuanfang wie auch Mobbing aufgrund eines veränderten Aussehens und Verhaltens sowie die ständige Suche nach einem Anschluss an eine Gruppe sind allesamt sehr alterstypisch. Hier liegt auch der (medien-)pädagogische Mehrwert: Jugendlichen werden, neben der Ermunterung zum Ausleben ihrer Fantasie, wertvolle moralische und ethische Werte vermittelt. So stehen in Carags Welt Loyalität, Freundschaft und Gerechtigkeit immer an erster Stelle – und auch mit Diskriminierung lehrt die Geschichte einen sensiblen Umgang.
Die Erzählung wird auf vier CDs erzählt und hat eine Gesamtlaufzeit von 309 Minuten. Woodwalkers eignet sich für Kinder zwischen zehn und 13 Jahren wie auch für alle (medien-)pädagogischen Fachkräfte in der Praxis, die Kindern wichtige moralischen Werte auf fantasiefördernde Weise vermitteln möchten.
Melanie Theissler ist studentische Hilfskraft bei merz | medien + erziehung. Sie studiert derzeit angewandte Psychologie an der Hochschule Fresenius.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Melanie Theissler
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publikationen
Buchner, Tobias/Koenig, Oliver/Schuppener, Saskia (Hrsg.) (2016). Inklusive Forschung. Gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten Forschen. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt. 338 S., 21,90 €.
In den letzten drei Jahrzehnten konnte sich der inklusive Forschungsansatz im englischen Sprachraum zunehmend etablieren, im Deutschen führt er noch ein Nischendasein. Inklusive Forschung fokussiert Menschen mit Lernschwierigkeiten und beleuchtet neben inklusiven Beispielen auch einige der partizipativen und emanzipatorischen Forschung. Zunächst werden die Geschichte bildungswissenschaftlicher Forschung und deren Grundlagen erläutert. Darauffolgend werden Qualitätskriterien entworfen, welche der inklusiven Forschung zugrunde liegen sollten. Im zweiten Kapitel werden exemplarisch Forschungsprojekte vorgestellt. Diese sind überwiegend im deutschsprachigen Raum angesiedelt, aber enthalten auch einen internationalen Exkurs.Der dritte Abschnitt der Publikation widmet sich den verschiedenen Herausforderungen und Erweiterungsmöglichkeiten inklusiver Forschung.
Um zeitliche Verläufe und länderspezifische Unterschiede abbilden zu können, wählen die Autorinnen und Autoren eine multiperspektivische Betrachtungsweise.Das vierte Kapitel behandelt Strukturen akademischer Institutionen und inwiefern diese gemäß einer inklusiven Hochschule geöffnet werden können. Anhand nationaler und internationaler Beispiele werden deren Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Bilanzierend stellt das Herausgeberteam Herausforderungen für die inklusive Forschung, besonders im deutschsprachigen Raum, dar und weist gleichzeitig auf deren Notwendigkeit hin.Das Buch ist in überwiegend deutscher Sprache verfasst, beinhält allerdings auch einige englischsprachige Kapitel. Inklusive Forschung wurde in ‚schwerer Sprache‘ veröffentlicht. Eine Version in ‚leichter Sprache‘ ist unter dem Titel Gemeinsam Forschen im Lebenshilfe-Verlag erschienen. Inklusive Forschung enthält zahlreiche unterschiedliche Praxisbeispiele. Es gibt einen weitreichenden Überblick über die diversen Einsatzgebiete im Bereich der gemeinsamen Forschung mit Menschen mit Lernschwierigkeiten und verweist auf das Potential digitaler Medien.
Das Buch eignet sich für Forscherinnen und Forscher aus den Bereichen (Medien-)Pädagogik und Psychologie. ss
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Beitrag als PDFEinzelansichtFingerling, Michael/Jaenicke, Angelika (Hrsg.) (2017). Rundfunk für alle. Die Bürgermedien in Hessen – Eine Bestandsaufnahme. München: kopaed. 229 S., 20,00 €.
Bürgermedien sind ein zentraler Baustein bei der Orientierung in der Angebotsvielfalt der Rundfunklandschaft der Länder und ermöglichen Artikulations- und Partizipationschancen, wo Bürgerinnen und Bürger im professionellen Rundfunk nicht zu Wort kommen oder kein Gehör finden. Doch den wichtigsten Beitrag leisten Bürgermedien für die Medienkompetenzentwicklung junger Nutzerinnen und Nutzer wie auch für die Fortbildung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Rundfunk für alle ist die erste Publikation der Schriftenreihe der Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien Hessen (LPR Hessen), die sich mit der Hörfunk- und auch der Fernsehvariante beschäftigt und Nichtkommerzielle Lokalradios (NLK) sowie Medienprojektzentren Offener Kanäle (MOK) einbezieht.
Die Publikation geht der Fragestellung nach, wie die vier MOK-Einrichtungen der LPR Hessen und die sieben von ihr lizenzierten und geförderten NLKs nach 24 Jahren aufgestellt sind. Es wird erläutert, wie sie sich selbst sehen und wie sie von ihrem Klientel gesehen werden, aber auch was gut läuft und wo Probleme liegen. Jede hessische Einrichtung bekommt die Möglichkeit, sich auf acht bis 18 Seiten selbst darzustellen: mit Informationen über aktuelle Angebote, Aufgabengebiete, Kooperationen und Daten zu den Entwicklungen. Ihre Einzigartigkeit unter den Bürgermedien unterstreichen sie zudem bei der Hervorhebung besonderer Sendungen, medienpädagogischer Projekte oder erzielter Meilensteine.
Das Werk besticht durch vielfältige Erfahrungsberichte von Mitarbeitenden und Nutzenden. Rundfunk für alle präsentiert einen gelungenen Überblick über die Bürgermedienlandschaft in Hessen und eignet sich für alle, die sich über das Angebot in der Region informieren möchten. Darüber hinaus kann es für medienpädagogische Fachkräfte zur Anregung dienen und bei der Weiterentwicklung von MOKs und NLKs behilflich sein. am
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtKnaus, Thomas/Engel, Olga (2016). Wi(e)derstände. Digitaler Wandel in Bildungseinrichtungen. München: kopaed. 240 S., 16,80 €.
Die Publikation der framediale-Reihe befasst sich im fünften Band mit strukturellen und organisatorischen Hürden bei der Bewältigung des digitalen Wandels und den Vollzug des pädagogischen Einsatzes neuer Medien in formalen und non-formalen Bildungskontexten. Zu überwinden sind nicht nur technische oder strukturelle Hemmnisse, sondern – wie sich zeigt – auch „tradierte Ressentiments“ den neuen Medien gegenüber. Denn Bildungsinstitutionen bleiben häufig ihren traditionsreichen Strukturen treu und schließen digitale Medien, trotz Weiterentwicklung der Technik, häufig mit besorgtem Blick aus. Dabei bergen diese auch Potenziale, die das Lehren unterstützen und das Lernen fördern können.
Dieser Band stellt sich daher der Frage, wie organisatorische, institutionelle und innere Widerstände sichtbar gemacht und überwunden werden können. Basierend auf Beiträgen der Frankfurter Fachtagung und Medienmesse fraMediale 2015 werden dafür strukturelle und habituelle Hemmnisse in der sozialen Arbeit, im schulischen Kontext und auch in der universitären Lehrerausbildung identifiziert und analysiert. Der Band schließt mit einer Untersuchung der skeptischen Haltung von Digital Natives und macht Angebote zum Aufzeigen von Lernwiderständen sowie zu deren Nutzbarmachung in der Medienkompetenzförderung.
Als einschlägiges medienpädagogisches Fachbuch legt Wi(e)derstände medienpädagogisch Wirkenden vielfältige Perspektiven zur Problematik der Integration digitaler Medien in formalen wie non-formalen Bildungskontexten offen. Dabei wird neben der Bestandsaufnahme weder der Blick von Praxiserfahrungen abgewendet noch die Auseinandersetzung mit didaktischen Konzepten gescheut. Die Publikation präsentiert sich als sehr gut aufbereitetes und schlüssig gegliedertes Werk und liest sich wie ein aufrüttelnder, konstruktiver Aufruf zur überfälligen Akzeptanz des digitalen Wandels. am
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtSusanne Eggert: Grundschulkinder fit machen fürs Internet
Jäcklein-Kreis, Elisabeth (2016). Erste Hilfe ins Internet. (Kriterien zur) Beurteilung von Unterstützungsangeboten für Kinder. München: kopaed. 506 S., 27,80 €.
„Auch und gerade für Kinder, die bereits vor dem Grundschulalter Erfahrungen im Umgang mit online agierenden Medien gesammelt haben, scheint es angebracht, […] unterstützend zu wirken, denn auch ihre Mediennutzung erfährt mit dem Schuleintritt eine Zäsur: Wo vorher Spiel und Unterhaltung über bekannte Apps oder voreingestellte Lesezeichen möglich war, eröffnet die neu erworbene Lese- und Schreibfähigkeit nun ganz andere Wege der Nutzung und Aneignung.“ (S. 46) Dieses Zitat aus der Dissertation von Elisabeth Jäcklein-Kreis, die als Band 3 in der von Gudrun Marci-Boehncke und Matthias Rath herausgegebenen Schriftenreihe MedienBildungForschung erschienen ist, fasst das Anliegen der Autorin zusammen, das sie dazu bewogen hat, sich mit der Palette an Angeboten zu beschäftigen, die dazu beitragen sollen, Kinder bei der Entwicklung eines souveränen Umgangs mit dem Internet zu unterstützen. Eine zentrale Rolle spielt aus ihrer Sicht dabei die Grundschule als Vermittlerin wichtiger Kompetenzen für eine souveräne Lebensführung. Diese Sichtweise teilt sie mit der Wissenschaft, der Politik und auch den Eltern. Sie stellt jedoch fest, dass Medien in der Schule „längst keinen adäquaten Platz" gefunden haben.
In der großen Mehrheit der Bundesländer gibt es bisher nur vage Ideen und Anregungen in den allgemeinen Teilen der Lehrpläne sowie einen sehr unklar gefassten Medienbegriff“ (S. 120). Das erste Kapitel ist nicht nur eine Einführung in das Thema, sondern gleichzeitig ein engagiertes Plädoyer für die Verankerung von Medien und Medienerziehung in der Grundschule. Folgerichtig soll die Arbeit auch dazu dienen, motivierten Lehrkräften Anhaltspunkte für die Bearbeitung des Themas Internet im Unterricht zu liefern. Auf stattlichen 500 Seiten überprüft Jäcklein-Kreis Materialien in Printform oder als Online-Angebote unterschiedlicher sowohl kommerzieller als auch nicht-kommerzieller Anbieter, die dazu beitragen sollen, Kindern im Grundschulalter den richtigen Weg ins Internet zu weisen. Zunächst setzt sie sich dabei mit den Begriffen der Medienkompetenz, Medienbildung und Medienerziehung auseinander und stellt einschlägige Definitionen sowie relevante Positionen vor, um anschließend die Bedeutung und Verwendung der Konzepte im Rahmen ihrer Arbeit zu umreißen.
Als Grundlage der anschließenden Analyse – dem Kernstück ihrer Dissertationsschrift – identifiziert Jäcklein-Kreis verschiedene Menschenmodelle, an denen sich die Materialien orientieren, sowie unterschiedliche Sichtweisen auf Medien und damit verbundene medienpädagogische Ansätze, die den Materialien zugrunde liegen und deren Ausrichtungen und Zielsetzungen beeinflussen. In der Auseinandersetzung mit diesen erarbeitet sie Kriterien, entlang derer sie die Analyse der Materialien durchführt, und entwickelt anschließend ein Raster, das eine differenzierte Einordnung der Materialien ermöglicht.
Die Analyse von 25 ausgewählten Materialien nach formalen, didaktischen und inhaltlichen Merkmalen macht deutlich, dass der Großteil der Broschüren, Bücher und Online-Angebote zur Unterstützung von Kindern bei der Entwicklung eines souveränen Umgangs mit dem Internet ein endogenistisches Menschenmodell zugrunde legt, das weder dem Kind selbst noch dessen Umwelt eine aktive Rolle bei der Entwicklung von Medienkompetenz zuschreibt, sondern davon ausgeht, dass es sich bei der Entwicklung eines Kindes um einen vorgegebenen Fahrplan handelt, der jedoch darin unterstützt werden kann, wie schnell ein Ziel erreicht wird. Lenkt man den Blick dabei auf Materialien, die sich an Eltern richten, so weisen diese eine Tendenz zu einer bewahrpädagogischen Sichtweise auf, während an pädagogische Fachkräfte gerichtete Angebote eher darauf ausgerichtet sind, ein reflektiertes Medienhandeln zu unterstützen. Materialien, die Kinder adressieren, verfolgen tendenziell ein aufklärerisches Ziel und setzen darauf, Kindern die Bedeutung von Medien an sich, deren Funktionsweisen sowie Potenziale und Gefährdungen aufzuzeigen.Elisabeth Jäcklein-Kreis hat mit dieser Arbeit einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, medienpädagogische Unterstützungsmaterialien, die sich an Eltern, pädagogische Fachkräfte aber auch an Kinder selbst richten, einzuschätzen und anhand verschiedener Kriterien für den eigenen Bedarf auszuwählen. Dennoch bleibt die Leserin bzw. der Leser am Ende der Lektüre ein wenig unbefriedigt und ratlos zurück. Dies liegt einerseits daran, dass die eingangs gestellte Frage nach der Tauglichkeit von medienpädagogischen Materialien für den Einsatz im Rahmen des Unterrichts in der Grundschule nicht zufriedenstellend beantwortet wird. Hinweise darauf geben die Ergebnisse der Analyse, deren Anwendbarkeit jedoch eine Herausforderung bedeutet. In einer umfänglichen Tabelle stellt Jäcklein-Kreis die Bewertung der analysierten Angebote dar und macht sie damit auch vergleichbar. Da diese Tabelle aufgrund der darin enthaltenen Fülle von Informationen nicht auf eine Buchseite passt, steht diese auch online als PDF-Datei zur Verfügung, was an sich eine positive Lösung ist. Allerdings fehlt bei der Grafik im Netz eine Legende, die die Verwendung der Farben erläutert, so dass diese nur gelesen werden kann, wenn das Buch daneben liegt. Insgesamt ist die Verwendung von Grafiken im Buch nicht sehr gelungen. Dies betrifft insbesondere diejenigen Abbildungen, die Ergebnisse differenziert und ‚materialgenau‘ darstellen und in denen pro Material eine eigene Farbe, das heißt ein anderer Grauton verwendet wird (z. B. Abb. 47). Diese Abbildungen enthalten eigentlich interessante Informationen, die der Grafik jedoch nicht zu entnehmen sind. Hier wäre es sinnvoller gewesen, auf die Abbildungen zu verzichten und die wichtigsten Ergebnisse im Text darzustellen.
Unter dem Strich liefert die Arbeit zum einen eine gründliche Einschätzung der Bedeutung von Medien in der Grundschule, indem sie die Ist-Situation beschreibt und daraus die entsprechenden Konsequenzen zieht. Zum anderen bietet sie einen fundierten Kriterienkatalog zur Einschätzung und Beurteilung medienpädagogischer Materialien und leistet dadurch einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung von Kindern im Grundschulalter bei der Entwicklung eines souveränen Medien- und Internetumgangs.
Susanne Eggert ist stellvertretende Leiterin der Abteilung Forschung des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Ihre Schwerpunkte sind Medien in der Familie sowie Medien und Migration.
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Autor: Susanne Eggert
Beitrag als PDFEinzelansichtKonrad Weller: Quo vadis Porno?
Schmidt, Anja (Hrsg.) (2016). Pornographie. Im Blickwinkel der feministischen Bewegungen, der Porn-Studies, der Medienforschung und des Rechts. Band 42 der Schriften zur Gleichstellung. Baden Baden: Nomos. 176 S., 46,00 €.
„Mit dem vorliegende Band soll die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit Pornographie durch grundlegende Überblicksartikel zu den feministischen PorNO- und PorYES-Bewegungen in ihrer wissenschaftlichen Fundierung, zu den Porn Studies, zur Wirkungsforschung und zur Medienpädagogik unter Einbeziehung von Aspekten der Nutzungsforschung gefördert werden. Zudem sollen die Impulse dieser Beiträge für das Pornographiestrafrecht aufgezeigt und damit dazu beigetragen werden, die […] rechtswissenschaftliche Kritik am Pornographiestrafrecht für andere Fachrichtungen verfügbar zu machen.
“Um es vorweg zu sagen: Der Sammelband enthält kein unmittelbar medienpädagogisch umsetzbares Wissen. Wer sich jedoch medienpädagogisch an das ‚heiße Eisen‘ Pornographie herantraut, dem liefern die von der Rechtswissenschaftlerin Schmidt herausgegebenen Texte ein differenziertes Hintergrundwissen zu den Diskursen über Pornographie, die neue Antworten auf alte Fragen (Was soll das Strafrecht eigentlich schützen?), aber auch neue Fragen (Seit wann gibt es Pornographie und wie lange noch?) ermöglichen.
Das Rechtswissenschaftler-Team Michael Bader und Ekaterina Nazarova widmet sich der radikalfeministischen PorNO-Debatte und den unter PorYES! gelabelten Strömungen der sexpositiven Frauenbewegung. Die breit angelegte Sexismus-Kritik der PorNO-Bewegung seit den 1970er-Jahren wird differenziert dargestellt, ebenso wie die späteren konkreten Gesetzgebungsinitiativen für ein Verbot der Pornographie in den 1980er-Jahren und die Gründe ihres juristischen Scheiterns. Nazarova verortet mit der 1978 in San Francisco gegründeten lesbischen S/M-Gruppe Samois den Beginn der feministischen sexpositiven Bewegung. Die diametrale Debatte um Pornographie (Feminist Sex War) erreicht 1982 auf einer Konferenz ihren Höhepunkt. Der patriarchatskritischen Pauschalkritik der PorNO-Aktivistinnen (z. B. der Annahme, S/M-Praktiken könnten niemals freiwillig praktiziert werden, sondern seien per se Resultat verinnerlichter Muster von Dominanz und Unterwerfung) wird radikal widersprochen. Die Generalkritik betrifft das dichothome Geschlechterbild der PorNO-Fraktion, deren Argumentation aus PorYes-Sicht patriarchale Strukturen festigt anstatt sie zu verändern. Aus sex-positiver Perspektive wird unter Pornographie wertneutral die detaillierte mediale Inszenierung sexueller Handlungen verstanden, die nicht als Abbild von Realität verstanden werden darf.
Während die PorNO-Bewegung aus historischem Abstand betrachtet wird und aktuelle Bezüge fehlen (die es zweifellos gibt), wird die Entwicklung der sexpositiven Bewegung bis dato betrachtet: „Zur heutigen sex-positiven Bewegung gehören zahlreiche Aktivitst*innen aus verschiedensten Bereichen: LGBTI*, Sexaktivist*innen, Zensurgegner*innen, Sexradikale sowie zunehmend auch Porno- und Erotikproduzent*innen“ (S. 54). Im Kontext dieser Bewegung hat sich seit Ende der 1980er-Jahre ein eigenes Forschungsfeld herausgebildet, welches die Kultur- und Medienwissenschaftlerin Nina Schumacher in ihrem Artikel umreißt. Die Porn Studies grenzen sich ab von wirkungsorientierter Pornographieforschung und nehmen die inhaltlichen Diversifizierungen des Genres in den Blick. Insbesondere „Bereiche jenseits des heteronormativen Mainstreams entwickelten sich zu einem zentralen und geradezu dominierenden Wirkungsfeld der Porn Studies“ (S. 64). Über diese sexuellen Pluralisierungen hinaus analysieren die Porn Studies neue sogenannte Bindestrich-Pornographien wie War-, Food-, Tortureporn; Genres, die das Spiel mit der sinnlichen Erregung, der Angst-/Ekel-Lust, des lüsternen Voyeurismus, der intensiven Grenzüberschreitung jenseits einer genitalzentrierten Lust oder eines Orgasmusparadigma inszenieren. Die beschriebenen Entwicklungen verweisen auf die Notwendigkeit begrifflicher Neuverhandlungen.
Einen Überblick über 37 ebenso aktuelle wie traditionell angelegte empirische Studien zur Wirkung von Pornographie liefern Lembke und Weber. Die beiden Medienwissenschaftler schildern nach ausführlicher methodologischer Kritik Erkenntnisse und blinde Flecken der Forschung. Zu den aus ihrer Sicht gut belegten Negativwirkungen von Pornographie gehört „die Steigerung der Akzeptanz sexueller Gewalt und missbräuchlicher sexueller Verhaltensweisen (vor allem bei Männern und bei gewalthaltiger Pornographie), sowie die Steigerung von Unsicherheit in Bezug auf das eigene sexuelle Handeln und den eigenen Sexualkörper (vor allem bei Frauen)“ (S. 104). Sie stellen darüber hinaus fest, dass verschiedene nachweisbare Effekte (z. B. die Tendenz zu sexueller Freizügigkeit) fast generell als Negativwirkung gedeutet und Fragen nach positiven Wirkungen noch kaum gestellt werden.
Der Medienpädagoge Vollbrecht referiert Erkenntnisse zur Pornographienutzung im Jugendalter. Ausgangspunkt ist die moderne medienpsychologische Herangehensweise, wonach Aussagen zu möglichen Folgen des Pornographiekonsums eine differenzierte Analyse der Nutzungsbedingungen, der Inhalte und der Nutzungsmotive voraussetzen. Er konstatiert die Veralltäglichung der Nutzung, insbesondere unter männlichen Jugendlichen, die keine allgemeine Pornographisierung und damit einhergehende sexuelle Verwahrlosung der Jugend nach sich zieht. Insofern wendet er sich auch gegen bewahrpädagogischen Kinder- und Jugendmedienschutz und plädiert für die Förderung von Medienkompetenz in Bezug auf den Umgang mit expliziten sexuellen Medieninhalten.
Abschließend diskutiert die Herausgeberin die strafrechtliche Bewertung der Pornographie vor dem Hintergrund der im Band vorgestellten Perspektiven. Bezugnehmend auf den rationalen Kern des PorNO-Diskurses schlägt Schmidt vor, den Schutz der Menschenwürde und der sexuellen Selbstbestimmung zu den tragenden Kriterien strafrechtlicher Bewertung zu erklären. Aufgrund der historisch fortgeschrittenen Veruneindeutigung des Pornographiebegriffs (seiner Diversifikation und teilweise emanzipatorischen Besetzung) wird ein Verzicht seiner weiteren strafrechtlichen Nutzung nahegelegt: „Soweit rechtliche Einschränkungen sexuell expliziter Materialien legitim sind, sollte der Gesetzgeber den Begriff der Pornographie meiden und selbst klar benennen, auf welche sexuell expliziten Inhalte sich Verbote beziehen“ (S. 160).
Schmidt spricht sich für die rechtliche Regelung eines ‚Konfrontationsschutzes‘ gegenüber sexuell expliziten Medieninhalten aus, der in Bezug auf Erwachsene ordnungsrechtlich zu regeln wäre, gegenüber Kindern und Jugendlichen strafrechtlich. Die strafrechtliche Regulierung sollte sich jedoch in Bezug auf Jugendliche auf das Verbot der ungewollten Konfrontation mit sexuell explizitem Material beschränken. Hier wird aus rechtswissenschaftlicher Sicht eine Neujustierung des Rechts auf Schutz vor (möglicherweise entwicklungsbeeinträchtigenden Erfahrungen) und des Rechts auf sexuelle Erfahrung eingefordert. Damit würde die Abkehr von bewahrpädagogischen Schutzkonzepten hin zu emanzipatorischer Medienkompetenzförderung unterstützt.
Dr. Konrad Weller ist Professor für Psychologie/Sexualwissenschaft an der HS Merseburg sowie Leiter des Masterstudiengangs „Angewandte Sexualwissenschaft. Bildung und Beratung im Kontext von Sexualität, Partnerschaft und Familienplanung“.
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Autor: Konrad Weller
Beitrag als PDFEinzelansichtMatzat, Lorenz (2016). Datenjournalismus. Methode einer digitalen Welt. Konstanz: UVK. 111 S., 17,99 €.
Wir sind umgeben von Daten. Das Internet, die tagtäglich genutzte Software oder die darin verwendeten Algorithmen – sie alle durchdringen unseren Alltag und versorgen uns mit Unmengen an Informationen, die es gilt, in gut ausgewählter Form und Präsentation zugänglich zu machen. Mit steigender Kraft verlangt es dadurch nach einer Spezialisierung des Journalismus.
Lorenz Matzat stellt in Datenjournalismus die Notwendigkeit der jungen Berufsgruppe der Datenjournalistinnen und -journalisten hinsichtlich ihrer Recherche-, Selektions- und Aufbereitungsarbeit heraus, und unterstützt insbesondere auch Einsteigende darin, das Handwerk besser zu erfassen. Dazu gehört für ihn vor allem auch, zu klären was zum sogenannten data-driven-journalism gehört und wie er sich umsetzen lässt, damit das Medium Internet mit aussagekräftigen und vielfältigen Informationen bespielt werden kann.
Datenjournalismus erscheint in einem handlichen Format mit stilsicherer Aufmachung. Beginnend mit grundlegenden Erläuterungen von unter anderem Struktur und Format von Daten sowie Software, erfolgt eine Vertiefung im Methodik-Abschnitt, der sich auch mit Quellenkritik, Datenbeschaffung und Rechtlichem auseinandersetzt. Einen besonderen Fokus legt Matzat auf die Präsentation der so gesammelten Daten. Denn das Design stellt für ihn auch ein Mittel der Rhetorik dar.
Ohne aus den Lesenden eine Datenjournalistin bzw. -journalisten oder eine Programmiererin bzw. einen Programmierer machen zu wollen, überzeugt das Werk mit einer klaren Sprache und einem kompakten Überblick über das umfangreiche Tätigkeitsfeld. Zahlreiche aktuelle Beispiele, Webhinweise und ein Glossar ermöglichen zudem auch medienpädagogischen Fachkräften, mit Vorwissen zu Big Data und Data Mining, eine Annäherung an das Fachgebiet. Trotz der Kürze umfasst Datenjournalismus nahezu eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für werdende Datenjournalistinnen und -journalisten und bietet eine ideale Ergänzung innerhalb der Medienbildung. am
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Autor: Antje Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtSchmidt, Jan-Hinrik/Taddicken, Monika (Hrsg.) (2017). Handbuch Soziale Medien. Wiesbaden: Springer VS. 407 S., 49,99 €.
Soziale Medien haben Auswirkungen auf unsere Gesellschaft – aber wie genau? Das Herausgeberteam Jan-Hinrik Schmidt und Monika Taddicken informiert in Handbuch Soziale Medien über den aktuellen Forschungs- und Diskussionsstand hinsichtlich der Nutzung, Einbettung und Folgen sozialer Medien im gesellschaftlichen Kontext. Mittlerweile gibt es die unterschiedlichsten Formen, die sich hinsichtlich ihrer Verbreitung, Bandbreite und Funktionen unterscheiden. Dabei ist deren größte Gemeinsamkeit, dass jede kommunizierte Information für andere Nutzende jederzeit im Internet zugänglich gemacht werden kann und somit ein großer Personenkreis erreicht wird bzw. werden kann. Das Handbuch legt unterschiedliche Ansichten über gesellschaftliche Folgen, die soziale Medien mit sich bringen, dar.
Dazu ist es in drei Teile gegliedert: Zuerst werden die Grundlagen sozialer Medien erläutert, der zweite Teil handelt von Einsatzbereichen und Anwendungsfeldern dieser. Der dritte und größte Teil beleuchtet schließlich übergreifende Fragestellungenund Entwicklungen sozialer Medien. Zu Beginn eines jeden Kapitels gibt es einen einseitigen Überblick, bestehend aus einem kurzen Inhaltsverzeichnis, einer Zusammenfassung und zugehöri-gen Schlüsselwörtern. Das Werk ist besonders für medienpädagogische Fachkräfte in der Forschung geeignet, da es sich dank der inhaltlichen Breite sehr gut als Basisliteratur für weitere Forschungsarbeiten nutzen lässt.
Aufgrund des Theoriefokus und den wenigen Berührungspunkten mit dem praktischen Arbeiten ist das Handbuch für Praktikerinnen und Praktiker nur bedingt geeignet. Zudem sind Vorkenntnisse in den Bereichen der Kommunikationswissenschaft bzw. Sozialwissenschaft hilfreich. Daher kann diese Publikation für Studierende dieser Fachbereiche erst ab einem höheren Semester empfohlen werden. mt
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kolumne
Michael Gurt: Medienpädagogik first!
Die Welt steht am Abgrund. Atomare Apokalypse, Klimakatastrophe, die nächste Finanzkrise, Rassenhass, weltweite Massenpanik und, und, und. Das alles, weil ein orangefarbener US-Präsident jegliche Medienkompetenz vermissen lässt und die Finger nicht von Twitter lassen kann. Was hilft? Natürlich nur die Medienpädagogik. Warum? Ein Blick auf das „Medien-Menü“ (John Oliver) des POTUS gibt Aufschluss:
- Actionmovies Was erregt die Aufmerksamkeit unseres Sonnenkönigs für Arme mehr als Healthcare, nordkoreanische Raketen oder Verschwörungen des Deepstate? Die Karriere von Arnold Schwarzenegger, Nachfolger von DT in The Apprentice. Der österreichische Actionhero mit politischem Background wird niedergemacht und er revanchiert sich: „Wenn ich Präsident wäre, könnten die Leute wenigstens wieder ruhig schlafen.“ Bammm. Hasta la vista, Baby. Unvergessen auch die Reaktion von DT auf den Actionfilm Air Force 1 mit Harrison Ford als US-Präsident, der seine Kidnapper eigenhändig ungespitzt in den Boden rammt. “A president, that stood up for America“, oder so ähnlich. Daraufhin Ford: “Donald, it was a movie. It’s not like this in real life, but how would you know?” Ja, warum eigentlich? Weil US-Präsidenten Action-Kracher à la Hollywood nicht für bare Münze nehmen sollten? Weil sie sonst denken, sie könnten sich alles erlauben und Gewaltenteilung wäre was für Weicheier? Wie schon Voltaire, Spider-Man und Sheldon aus The Big Bang Theory wussten: “With great power comes great responsibility!” Read FLIMMO, dumbass!
- Reality TV Der Mann ist quasi Mister Reality TV, auf deutsche Verhältnisse übertragen eine Kreuzung aus Dieter Bohlen, Robert Geiss und Sonja Zietlow. Das Handwerk hat der POTUS von der Pieke auf bei The Apprentice gelernt, einer menschenverachtenden Casting-Show für Möchtegern-Mogule. Seither weiß der Mann: Auf die Inszenierung kommt es an. Jemand sollte ihm sagen, dass das Konzept von Scripted Reality nicht eins zu eins auf das amerikanische politische System übertragbar ist. Klar gibt es Drehbuchschreiber und schlechte Schauspieler, aber manchmal funkt dann doch die Realität dazwischen. Oder seriöse Presseorgane. Oder unabhängige Bundesrichter. Oder die Gesetze der Physik. Dabei weiß jedes Kind, dass Reality TV in die Rubik ‚Mit Ecken und Kanten‘ gehört, weil: „Die Geschichten sind frei erfunden, was durch den dokumentarischen Stil schwer zu durchschauen ist.“ Read FLIMMO, dumbass!
- So called News Channel Zum Frühstück genehmigt sich DT die volle Dröhnung FOX & Friends. Die haarsträubend (haha) verzerrten, diffamierenden und reißerischen ‚News‘ des Frühstücksfernsehens werden sofort auf Twitter als Tatsachen verbreitet: “Terrible! Just found out that Obama had my ‘wires tapped’ in Trump Tower”, und so weiter und so fort. Good Lord, lass Hirn vom Himmel regnen. Man stelle sich vor, Angela Merkel würde ihre morgendlichen Briefings durch Volle Kanne, Susanne ersetzen. „Schockierend! Habe herausgefunden, dass Howard Carpendale nicht live singt!“ Read FLIMMO, dumbass!
Da hilft nichts, eine Abordnung medienpädagogischer Fachleute muss im Weißen Haus vorsprechen und dem POTUS Medienkompetenz beibringen. Allerdings nicht ohne zielgruppengerechte Ansprache via Twitter vorab: “Hey Orange Guy, you gotta learn! But we can fix that! Follow us on @jff_de.”
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Autor: Michael Gurt
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Ansprechperson
Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
kati.struckmeyer@jff.de
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