2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis
Über die vielfältigen Vernetzungs-, Kollaborations- und Mobilisierungsmöglichkeiten durch neue mediale Öffentlichkeiten und damit verknüpft neue mediale Infrastrukturen, insbesondere Dienste, ist in den vergangenen Jahren viel diskutiert worden. Die Kommunikations- und Partizipationsangebote mittels vielfältiger Medien, Formate und Anwendungen haben sich enorm erweitert. Die neuen medialen Gegebenheiten haben Teilhabemöglichkeiten verändert und auch dazu geführt, dass sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen und/oder Menschen mit Behinderungen in den Medien stärker präsent sind. Dennoch bleibt es eine Herausforderung, Menschen mit Behinderungen tatsächlich gleiche Zugänge zu ermöglichen. merz 3/2016 beschäftigt sich ausführlich mit dem Themenkomplex Inklusion und Empowerment im Zusammenhang mit neuen Medien(angeboten). Wie müssten Inklusion und Empowerment aussehen, was ist zu wünschen – und was tatsächlich machbar? Welche Ansätze gibt es bereits und wo besteht noch Nachholbedarf? Diesen Fragen nähern sich die Autorinnen und Autoren aus theoretischer und praktischer Warte.
aktuell
Jana Schröpfer: SINUS-Jugendstudie
Die Jugend gibt es nicht: Deutsche Jugendliche leben in unterschiedlichen Lebenswelten, dennoch rücken sie vermehrt zusammen. Gezielte Abgrenzungen zur vorhergehenden Generation verlieren an Bedeutung und 'Mainstream' bekommt eine positive Bedeutung: Jugendliche möchten dazugehören, so sein 'wie alle', und folgen daher mehrheitlich einem Wertekanon, der den Wunsch nach Halt und Orientierung ausdrückt und beispielsweise Gemeinschaft, Familie und Sicherheit in den Vordergrund stellt. Zu diesen Ergebnissen kommt die Jugendstudie der SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH, die im Auftrag der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, Bund der Deutschen Katholischen Jugend, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und VDV-Akademie Themen wie Digitale Medien, Mobilität, Umweltschutz, Liebe und Partnerschaft, Glaube und Religion, Geschichtsbilder, Nationalität sowie Flucht und Asyl untersucht hat.
In 87 Tiefeninterviews mit 14- bis 17-Jährigen geht es um die Exploration der vielfältigen Lebenswelten deutscher Jugendlicher, um ihre Grundwerte und um ihre Einstellungen. Es zeigt sich, dass neben teilweise bestehenden Vorbehalten ein Großteil der Jugendlichen Vielfalt in der Gesellschaft akzeptiert und vor dem Hintergrund von Flucht und Asyl eine Willkommenskultur unterstützt. Viele Jugendliche, ganz gleich ob Deutsche oder Befragte mit Migrationshintergrund, sind sich einig, dass soziale Werte wie Freiheit, Aufklärung und Toleranz geschätzt werden müssen, weil sie die Grundlage für ein 'gutes' Leben darstellen – neben materiellen Werten wie Status und Besitz sowie der eigenen Selbstverwirklichung. Im Schwerpunktthema der Digitalen Medien zeigt sich bei den Befragten eine 'Digitale Sättigung'.
Die Durchdringung des jugendlichen Alltags mit digitalen Medien hat einen Höhepunkt erreicht, die bedingungslose Faszination schwindet und erste Wünsche nach Entschleunigung werden geäußert. Die 14- bis 17-Jährigen wissen um die Risiken ihrer Internetnutzung und wünschen sich Hilfestellungen von Schule und Staat, vor allem in Bezug auf Datenschutz: Sie wollen sich sicher, aber dennoch frei im Internet bewegen. In den jugendlichen Lebenswelten sind digitale Kompetenzen unterschiedlich ausgeprägt, gerade in bildungsnahen Gruppen wird kompetenter Medienumgang als wichtige Aufgabe angesehen, um die soziale und berufliche Zukunft zu meistern.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Jana Schröpfer
Beitrag als PDFEinzelansichtJana Schröpfer: Social Media-Apps. Snapchat vor Facebook
Die App-Nutzung deutscher Jugendlicher steigt und dreht sich vor allem um Social Media-Apps und bildhafte Inhalte – das zeigt eine Umfrage der Jugendmarke BRAVO, die von der Bauer Media Group durchgeführt wurde und sich aus dem Youth Insight Panel, dem umfassenden Marktforschungstool von BRAVO, speist. Für die Erhebung 'YouTube- sowie App-Nutzung' wurden 727 Jugendliche im Alter von zehn bis 19 Jahren befragt. Vier Fünftel von ihnen haben bis zu 20 Apps auf ihr Smartphone geladen und interessieren sich besonders für Social Media-Plattformen. Der Messenger-Dienst WhatsApp gehört für 91 Prozent der Befragten zu den drei meistgenutzten Social Media-Apps und bleibt damit unangefochtener Spitzenreiter. Danach folgen YouTube (56 %) und Instagram (52 %). YouTube sichert sich dabei auch den ersten Platz der meistgenutzten Videoplattformen. Neun von zehn Jugendlichen nutzen YouTube mindestens einmal pro Woche bis täglich und auch Nutzungsintensität sowie -dauer sind im Vergleich zu den Vorjahren angestiegen.
Eine besondere Dynamik zeigt sich auf den Folgeplätzen der beliebtesten Social Media-Apps: Der Foto- Messenger Snapchat (35 %) überholt das soziale Netzwerk Facebook (32 %), das zum wiederholten Male auf die hinteren Rangplätze verwiesen wird. Snapchat gewinnt bei deutschen Jugendlichen deutlich an Popularität; zählte es 2015 bei nur 17 Prozent der Befragten zu den beliebtesten Social Media-Apps. Weitere Studienergebnisse zeigen, dass bildlastige Apps wie Instagram oder Snapchat besonders bei Mädchen beliebt sind und viele Jugendliche Social Media-Apps nutzen, um sich über ihre Stars zu informieren. Sei es durch Abonnements bei YouTube oder durch das Folgen auf den benannten Bilddiensten. Facebook hat bei dieser, für Jugendliche relevanten Nutzungsfunktion an Bedeutung verloren.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Jana Schröpfer
Beitrag als PDFEinzelansichtElisabeth Jäcklein-Kreis: stichwort OER
Bildung für alle – frei, gleich, kostenlos. So oder so ähnlich ließe sich die Vision vielleicht zusammenfassen, die hinter dem Phänomen OER, Open Educational Ressources, steht. Wissen, Informationen, (Lern-)Materialien sollen – wenn es nach OER-Befürworterinnen und -Befürwortern geht– jederzeit und für jedermann frei zugänglich sein, sowohl in der Nutzung als auch in der Weiter-Bearbeitung. Konkret bedeutet das: Literatur, Veröffentlichungen, Unterrichtsmaterialien, aber auch Bilder, Filme, Arbeitsmaterialien sollen nicht exklusiv über Verlage oder Distributoren angeboten und nur an Kaufwillige weitergegeben werden, sondern im besten Fall im Internet auffindbar sein, mit einer freien (Creative Commons-)Lizenz versehen sein und von dort aus nach Lust und Laune verbreitet und bearbeitet werden können. Von Fachkräften, von Lehrkräften, aber auch von Lernenden selbst.
So soll Lernen flexibler und individueller gestaltet werden können, so soll befördert werden, dass aktuelle Lernmaterialien auch einen Weg in die Schulen (und freien Bildungsangebote) finden und Pädagoginnen und Pädagogen nicht vor zu hohen Kosten zurückschrecken – und so sollen Fachkräfte motiviert werden, selbst Bildungsmaterialien zu schaffen und zur Verfügung zu stellen, um einen großen und immer wachsenden Pool qualitativ hochwertiger Angebote zu gestalten. Das zumindest wünschen sich die Befürworterinnen und Befürworter, etwa die UNESCO. Auf der anderen Seite stehen natürlich die Befürchtungen, dass Autorinnen und Autoren der Materialien nicht mehr von ihrer Arbeit leben können, wenn alles zum ‚Allgemeingut‘ erklärt wird.
Dass Fachkräfte gar nicht die Zeit haben, OER-Portale im großen Stil zu befüllen – weder in Schulen, wo Stundenpläne die Tage takten, noch in der freien Pädagogik, wo die Finanzierung traditionell kein Selbstläufer ist. Dass eine zu große Freiheit in der Gestaltung auch die Fehlerwahrscheinlichkeit erhöht. Bislang ist der Pool an Materialien (und Vertreterinnen und Vertretern) in Deutschland eher überschaubar; unter OERcommons.com etwa lässt sich suchen, was es bisher zu finden gibt. Doch die Bewegung wächst – und gerade für Akteurinnen und Akteure der (informellen) Medienpädagogik bleibt es spannend, wie sich dieses Thema in Zukunft entwickelt – sowohl in Hinblick auf die Nutzung, als auch auf die Erstellung von Bildungsmaterialien.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansicht#mymerzselfie
Wir wollen Sie sehen – mit Ihrer liebsten merz! Zum 60-jährigen Jubiläum interessiert uns, welche Ausgabe Ihnen bisher am meisten ans Herz gewachsen ist. Also gleich Archiv durchforsten, zusammen mit der Lieblingsausgabe in die Kamera schauen, knipsen … und mit einer Begründung unter www.merz-zeitschrift.de/blog hochladen!Die zwei originellsten, überzeugendsten, authentischsten oder spannendsten Geschichten zum Selfie gewinnen je einen kopaed-Gutschein im Wert von 25 €!
Einsendeschluss ist der 31. August 2016. Die Gewinnerinnen und Gewinner des #mymerzselfie werden in der merz 5/2016 gekührt.
Mitmachen können Sie auf unserem Blog: www.merz-zeitschrift.de/blog
Der Medienpädagogik Praxis-Blog wird 10!
Was, erst? Natürlich sieht der Blog selbst längst nicht so alt aus, sondern immer frisch und jugendlich – gleichzeitig ist er mit dem fast bescheidenen Namen eine solche Institution der (deutschsprachigen) Medienpädagogik, dass man meinen könnte, er hätte die Disziplin quasi vom ersten Tag an begleitet (was vielleicht auch passiert wäre, hätte es damals schon Internet und die beiden Blog- Gründer gegeben …). In der praktischen, medienpädagogischen Arbeit, aber auch als Fundus für die theoretische Betrachtung der Disziplin ist die Seite mit dem dunkelblauen Logo kaum wegzudenken. Nicht nur medienpädagogische Neu-Einsteigerinnen und -Einsteiger, sondern auch ‚alte Hasen‘ finden dort immer wieder kreative Ideen, was mit Medien alles möglich ist.
Vom Bilder- und Musik-Fundus über App-Vorstellungen hin zu kurzen Anleitungen für Projekte mit Medien und Zielgruppen aller Art bietet der Blog ein imposantes Spektrum an Wissen, Ideen und Anregungen – orientiert an kostenfreien oder -günstigen Ressourcen und dem Anspruch, nur erprobte Projekte zu veröffentlichen. Gar nicht so einfach, da noch einen Favoriten heraus zu picken: In jedem Falle stöbern wir immer wieder sehr gerne – und nie ohne Gewinn – durch die vorgestellten Projekte oder klicken uns durch die neuesten App-Empfehlungen. Einfach so, aus (medienpädagogischem) Interesse und weil der Praxis- Blog dafür bekannt ist, immer spannende, interessante und wirklich durchdachte Beiträge zu veröffentlichen.
Aber hin und wieder auch auf der Suche nach Inspiration für merz – denn nicht selten stoßen wir hier auf Ideen und Anregungen zu Themen, die wir auch gerne einmal intensiver ansehen und vielleicht im Heft vorstellen möchten! Lieber Medienpädagogik Praxis-Blog – merz bedankt sich für zehn Jahre tolle, engagierte (und teilweise auch noch ehrenamtliche) Arbeit. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum, wir freuen uns auf die nächste(n) Dekade(n) mit dir!
Dieser Text ist Teil der Blogparade zum Blogjubiläum #mppb10
Kerstin Heinemann: re:publica
Eigentlich setzt die Pubertät erst so mit zwölf Jahren ein. Und eigentlich ist die Pubertät auch nur der Beginn und nicht das Ende des Prozesses erwachsen zu werden. Aber in Zeiten der Digitalisierung ist wohl alles schneller. Und so ist es kein Wunder, dass die größte Digitalkonferenz Europas 2016 nicht nur ihren zehnten Geburtstag feiern konnte, sondern nun auch endgültig bewiesen hat, dass sie erwachsen geworden ist. Aus den 700 nerdigen Bloggerinnen und Bloggern der ersten re:publica sind dieses Jahr über 8.000 Teilnehmende geworden. Auf 17 Stages wurden 500 Sessions mit 770 Sprecherinnen und Sprechern aus 60 Ländern angeboten – fast die Hälfte davon Frauen, fast die Hälfte in englischer Sprache. Diskutiert wurde die Breite der gesellschaftspolitischen Themen unter den Bedingungen der Digitalisierung: Überwachung, Big Data, Verschlüsselung, Netzneutralität, Coding, digitale Bildung, Integrations- und Migrationsfragen, HealthApps und ihre Risiken, die Frage nach digitalen Vermarktungsstrategien, digital Storytelling und neuen Medienformaten, Arbeit 4.0 und natürlich Snapchat.
Das Nischenthema Internet ist zum Querschnittsthema geworden und was jetzt in der Übersicht vielleicht als Buzzword-Bingo daher kommt, wurde zumeist mit großer Expertise und auch manchem Augenzwinkern referiert und diskutiert. Ein Großer war dieses Jahr nach einjähriger Pause wieder dabei: Sascha Lobo. Sein schon traditioneller Rant trug den Titel „TROTZDEM“. Lobo peitschte sein Publikum durch all die Missstände des Digitalen der letzten Jahre, verschonte es nicht mit den Versäumnissen und musste selbstkritisch feststellen, dass er selbst etwa 82 Artikel gegen die Vorratsdatenspeicherung geschrieben hatte und sie trotzdem eingeführt wurde. Und als er dann noch feststellte, dass die AfD mit 237.000 Facebook-Fans genauso viele Fans hätte, wie die großen Parteien zusammen, wurde es endgültig nachdenklich in der Halle und Lobos Appell schlug durch: Mehr einbringen, mehr produzieren, weniger konsumieren. Wir dürfen das Netz nicht den Rechten überlassen!
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Kerstin Heinemann
Beitrag als PDFEinzelansicht
thema
Dagmar Hoffmann und Susanne Heidenreich: Zur Bedeutung und Funktion von Empowerment im Kontext inklusiver Medienpraxis
Über die vielfältigen Vernetzungs-, Kollaborations-und Mobilisierungsmöglichkeiten durch neue mediale Öffentlichkeiten und damit verknüpft neue mediale Infrastrukturen, insbesondere Dienste, ist in den vergangenen Jahren viel diskutiert worden. Die Kommunikations- und Partizipationsangebote mittels vielfältiger Medien, Formate und Anwendungen haben sich enorm erweitert. Die neuen medialen Gegebenheiten haben Teilhabemöglichkeiten verändert und auch dazu geführt, dass sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen und/oder Menschen mit Behinderungen in den Medien stärker präsent sind. Anfang des Jahrhunderts attestierten Gerard Goggin und Christopher Newell (2003) dem Internet und den mobilen Telekommunikationstechnologien das Potenzial, das Leben von behinderten Menschen künftig zu revolutionieren. Insbesondere text-basierte Informationen können für Sehbehinderte in auditive Informationen transformiert werden, auch haben sich einige technische Assistenten etabliert, die Beeinträchtigungen kompensieren können. Doch der technologische Fortschritt und die besseren Zugangsbedingungen zu gesellschaftlichen Teilbereichen, die im Netz (re-)präsentiert werden, mindern und eliminieren – so Katie Ellis und Mike Kent (2011) – nicht ohne Weiteres vorhandene Stigmatisierungen von Be-hinderungen und den sozialen Ausschluss benachteiligter Gruppen. Es werden allenfalls die Lebenswelten und Bedürfnisse marginalisierter Menschen offensichtlicher, was nicht zugleich deren Akzeptanz bedeutet. Weiterhin sind vor allem die Betroffenen selbst aufgefordert, auf ihre Belange hinzuweisen und sich zu ermächtigen, auf Probleme aufmerksam zu machen, Hilfen einzufordern sowie Missstände aufzudecken.
Dem Internet wird ein besonderes demokratisches Potenzial zugeschrieben, es gilt bisweilen als Befreiungsinstrument, doch findet sich dort faktisch jeder mit seinen persönlichen und/oder kollektiven Interessen wieder? Ist es nunmehr wirklich für alle sozialen Gruppen einfacher geworden, sich zielorientiert öffentlich zu machen und sich mit persönlichen Problemen und Nöten ausreichend Gehör zu verschaffen? Zu fragen ist, welche vielfältigen Bemühungen es derzeit gibt, mittels digitaler Medien und Anwendungen die Integration marginalisierter Akteure zu fördern und sie zu ermutigen, am sozialen und kulturellen Leben gleichberechtigt teilzunehmen sowie offensiv ihre Rechte verstärkt einzufordern. In diesem Kontext ist Empowerment zu einem Schlagwort avanciert, dass auf die (Wieder-) Herstellung von Selbstbestimmung über die Umstände des eigenen Lebensalltags abzielt und Menschen befähigen soll, eigenverantwortlich für die eigenen Bedürfnisse, Interessen und Wünsche aktiv einzutreten und sich gegen Bevormundung zu wehren. Es geht darum, sich der eigenen Ressourcen und des eigenen Gestaltungsvermögens bewusst zu werden sowie positive Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und sozialer Anerkennung zu machen. Es sollen Wege aufgezeigt werden, wie man sich Zugang zu relevanten Informationen, Dienstleistungen und Unterstützungsressourcen verschaffen kann, die einem nützlich sind und die helfen, sich mit seinen Problemen nicht allein zu fühlen. Empowerment-Konzepte sind in den letzten Jahrzehnten in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen erprobt und bisweilen kritisch diskutiert worden. Sie haben eine längere Tradition in der Sozialen Arbeit, der Behinderten- und Heilpädagogik, sie sind aber auch in der Bewegungsforschungund Entwicklungspolitik vertreten und in Arbeiten der Cultural Studies zu finden. Fokussiert wird auf Aspekte von gesellschaftlichem Machtgewinn und der Stärkung der Autonomie marginalisierter Gruppen. Ferner gilt es, Menschen zu befähigen, Strategien zu entwickeln und anzuwenden, die ihnen bei der Bewältigung der alltäglichen Lebensbelastungen behilflich sind (vgl. u. a. Bröckling 2003; Herriger 2014).
Kernfragestellungen und Problemfelder
Im Mittelpunkt aktueller Betrachtungen stehen Prozesse von Selbstbemächtigung und Selbstkompetenz, die einerseits über die Thematisierung anlassbezogener, temporärer sowie auch dauerhaft relevanter Ereignisse und Probleme, andererseits über selektive Kooperationen und die Nutzung medialer Infrastrukturen möglich werden. Das Laut- und Sichtbarwerden marginalisierter Individuen und Gruppen soll eine verstärkte Sensibilisierung gewähren und ein neues Problembewusstsein seitens der breiten Bevölkerung gegenüber benachteiligten Menschen schaffen. Daraus könnten sich dann – so die damit verbundenen Hoffnungenund Intentionen – Unterstützungsmomente für Inklusionsbestrebungen in unterschiedlichen Bereichen ergeben. Zugleich werden aber auch die Herausforderungen und pädagogischen Handlungsbedarf ein verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen evident, werden die Grenzen des Möglichen und Machbaren proaktiver Selbstintegration marginalisierter Gruppen verdeutlicht. Im Kontext der Debatte um Empowerment-Strategien und inklusive Medienpraxis gilt es herauszufinden, inwieweit strukturelle Ermutigungsbedingungen konkret dazu beitragen können, soziale Benachteiligung, Diskreditierung und Diskriminierung transparent zu machen, ihnen entgegen zu wirken und sie gegebenenfalls überwinden zu helfen. Kaum systematisch untersucht sind bislang die Formen öffentlicher Artikulation – wie etwa Blogging – marginalisierter Gruppen, die effektiv der Empörung, der Kritik und Destigmatisierung dienen. Empowerment-Strategien fokussieren primär auf die benachteiligten Individuen, ihren Befähigungen und Defiziten, eher selten werden die Affordanzen digitaler Medien, Infrastrukturen und Dienste in den Blick genommen, wenn es um die potenzielle und faktische Förderung von Emanzipation, Integration und Inklusion geht. Zu fragen und zu ermitteln ist, ob Bedürftigkeiten sowie Ressourcen und Bereitschaften der Betroffenen mit den vorhandenen Medienangeboten eigentlich zusammenpassen und inwieweit sie gewinnbringend mit gewisser Nachhaltigkeit genutzt werden (können). Welche Kompetenzen sind basale Voraussetzung, um sich eigenständig für soziale und kulturelle Teilhabe stark zu machen und gegebenenfalls andere als Unterstützende und Mitmachende zu gewinnen? Empowerment-Konzepte dienen dazu, sich der eigenen Stärken und Macht bewusst zu werden, sie erlauben es, Schritt für Schritt mutiger zu werden, um sich einzumischen. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass bestimmten pädagogischen und psychologischen Empowerment-Maßnahmen auch Grenzen gesetzt sind.
Zu diesem Heft
Die Frage von Ulrich Bröckling, was Medien mit Empowerment zu tun haben, scheint fast beantwortet: Sie bemächtigen (auch marginalisierte) Individuen, Kommunikation vernetzter, leichter und effizienter zu gestalten, durch einen erleichterten, globalen Zugang zu Wissen und Waren. Zugleich etablieren sie neue Ansprüche an Kommunikation (ständige Erreichbarkeit) und Effizienz (Multitasking, Informationsselektion). „Die Kommunikationsmöglichkeit ist zur Kommunikationspflicht geworden“, so Bröckling. Er hinterfragt, welche Rolle das Konzept des Empowerment spielt, mit welchen Widersprüchen der Begriff ausgestattet ist und in welcher Paradoxie Macht und Ohnmacht im Empowerment-Begriff vereint sind. Im Anschluss begibt sich Alexander Röhm auf die Suche nach Prozessen, die zu stigmatisierenden und destigmatisierenden Medieneffekten führen (können). Vor allem die Potenziale von Medien zur Destigmatisierung von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen oder Behinderungen stehen im Fokus und die Frage, wie sie als Empowerment-Instrument nutzbar gemacht werden können. Die Debatte um Inklusion greift Jan-René Schluchterauf, indem er die Frage nach Chancen-gleichheit in und Zugangsgerechtigkeit zur mediati¬sierten Gesellschaft – unabhängig von sozialer und/ oder kultureller Herkunft, Geschlecht, Alter oder Behinderung – zum Anlass nimmt, den Zusammenhang von Medien und sozialer Ungleichheit zu beleuchten. Dabei stellt Schluchter Medien als Instrumente des Empowerment vor und erarbeitet den Zusammenhang zur aktiven Medienarbeit.
Einen weiteren Schritt gehen Alexander Schmoelz und Oliver Koenig auf ihrer Spurensuche nach einer inklusiven Medienpädagogik. Sie sprechen von einer „Not“ für jene Menschen, „die in ihrer Biografie keine Möglichkeiten für Erfahrungen des Medienzugangs, der Medienkompetenz und der Medienbildung hatten.“ Daraus entsteht die Notwendigkeit einer Medienpädagogik, die in der Lage ist, „befähigende Räume zu schaffen“. Die Journalistin Mareice Kaiser berichtet im Interview mit Dagmar Hoffmann über ihre Intentionen, ein inklusives Familienblog zu führen. Sie erläutert, welches Vorwissen und welche Kompetenzen von Vorteil sind, um solch ein Blog kreativ und erfolgreich zu betreiben. Eindrücklich schildert sie ihre Erfahrungen des digitalen Austausches mit Eltern, die ebenfalls ein Kind mit Behinderung pflegen und betreuen, sowie von behinderten-feindlichen Reaktionen. Abschließend werden zwei Beispiele vorgestellt, in denen Medien Instrumente für Empowerment sind. Die Artikel widmen sich aus zwei Sinnes-Perspektiven dem Medium Film: Kira van Bebber- Beeg analysiert anhand einer US-amerikanischen Fernsehserie die Partizipationsformen gehörloser Rezipierender, während Lena Hoffmann neue Möglichkeiten für blinde und sehbehinderte Menschen im Kino erläutert. Zwei Zugänge, die hörende und sehende Leserinnen und Leser dafür sensibilisieren, dass ein Kinobesuch oder Fernsehabend viel mehr sind als nur Freizeit und Unterhaltung, nämlich Selbstbemächtigung und Teilhabe!
Literatur:
Bröckling, Ulrich (2003). You are not responsible for being down, but you are responsible for getting up. Über Empowerment. In: Leviathan, 31 (3), S. 323–344.
Ellis, Katie/Kent, Mike (2011). Disability and New Media. New York/London: Routledge.
Goggin, Gerard/Newell, Christopher (2003). Digital Disa¬bility: The Social Construction of Disability in New Media. Lanham u. a.: Roman & Littlefield.
Herriger, Norbert (2014). Empowerment-Landkarte: Diskurse, normative Rahmung, Kritik. In: APuZ, 13–14, S. 39–46.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Susanne Heidenreich, Dagmar Hoffmann
Beitrag als PDFEinzelansichtUlrich Bröckling: Auch Aufrichten ist Zurichten
Empowerment ist ein Konzept, das über politische Fraktionierungen und fachliche Zuständigkeiten hinweg fraglose Plausibilität beansprucht. Bürgerinitiativen und Graswurzelbewegungen berufen sich ebenso darauf wie neokonservative Beraterinnen und Berater von Politik und Unternehmen, Sozialarbeiterinnen und -arbeiter ebenso wie Personalmanagerinnen und -manager. Diese Analyse der politischen Grammatik des Empowerment geht auch den Transformationen des Konzepts seit den 1970er-Jahren nach. Im Zeichen des Bemächtigungsimperativs stellen Autonomie, Freiheit und Eigenverantwortung nicht länger die Antithese von Herrschaft dar, sondern den avanciertesten Modus ihrer Ausübung.1Anmerkung:1 Der Beitrag stützt sich auf Überlegungen aus meiner Studie „Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Sub¬jektivierungsform“ (2007). Er ist die überarbeitete Version des Artikels „Fallstricke der Bemächtigung. Zwischen Gegenmacht und Sozialtechnologie“ (2008) erschienen in: Prävention. Zeitschrift für Gesundheitsförderung, 31 (1), S. 2–6.
Literatur:
Antonovsky,Aaron (1997). Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Tübingen: dgvt-Verlag.
Berger, Peter L./Neuhaus, Richard John (1977). To Empower People. The Role of Mediating Structures in Public Policy. Washington, DC: American Enterprise Institute for Public Policy Research.
Block, Peter (1997). Entfesselte Mitarbeiter. Demokratische Prinzipien für die radikale Neugestaltung der Unternehmensführung. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
Brickman, Philip/Rabinowitz, Vita C./Karuza, Jurgis/Coates, Dan/Cohn, Ellen/Kidder, Louise (1982). Models of helping and coping. In: American Psychologist, 37 (4), S. 368–384.
Cruikshank, Barbara (1999). The Will to Empower: Democratic Citizens and Other Subjects. Ithaca, NY: Cornell University Press.
Freire, Paulo (1973). Pädagogik der Unterdrückten. Bildung als Praxis der Freiheit. Reinbek: Rowohlt.
Kant, Immanuel (1784). Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Berlinische Monatsschrift, 12, S. 481–494.
Levy Simon, Barbara (1994).The Empowerment Tradition in American Social Work.A History. New York: Columbia University Press.
Peters, Tom (1993).Jenseits der Hierarchien. Liberation Management. Düsseldorf: Econ.
Scott, Cynthia D./Jaffe, Dennis T. (1995). Empowerment – mehr Kompetenzen den Mitarbeitern, Wien: RedlineWirtschfatsverlag.
Seligman, Martin E.P. (1979). Erlernte Hilflosigkeit. München: Urban & Schwarzenberg.
Solomon, Barbara Bryant (1976). Black Empowerment.Social Work in Oppressed Communities. New York: Columbia University Press.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Ulrich Bröckling
Beitrag als PDFEinzelansichtAlexander Röhm: Destigmatisierung und soziale Medien
Ein Überblick über die Prozesse, die stigmatisierenden und destigmatisierenden Medieneffekten zugrunde liegen: Besonderer Fokus liegt dabei auf den Potenzialen zur Destigmatisierung von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen oder Behinderungen. Dafür wird anhand ausgewählter Befunde aus der Forschung zu Filmen und Serien sowie dem sogenannten Health Blogging vorgestellt und diskutiert, welche Formen medialer (Selbst-)Darstellung Stigmatisierung abbauen sowie Empowerment und Selbstbestimmung fördern können.
Literatur:
Allport, Gordon W. (1954). The Nature of Prejudice. Cambridge, MA: Addison-Wesley.
Clement, Sarah/Lassman, Francesca/Barley, Elizabeth/ Evans-Lacko, Sara/Williams, Paul/Yamaguchi, Sosei/Slade, Mike/Rüsch, Nicolas/Thornicroft, Graham (2013). Mass Media Interventions for Reducing Mental Health-related Stigma. In: Cochrane Database of Systematic Reviews, (7). DOI: 10.1002/14651858.CD009453.pub2.
Cloerkes, Günther (2007). Soziologie der Behinderten. Eine Einführung. Heidelberg: Edition S.
Corrigan, Patrick W. (Ed.) (2014). The Stigma of Disease and Disability. Understanding Causes and Overcoming Injustices. Washington, DC: American Psychological Association.
Gerbner, George (1980). Stigma: Social Functions of the Portrayal of Mental Illness in the Mass Media. In: Rabkin, Judith G./Gelb, Lenore/Lazar, Joyce B. (Eds.). Attitudes Toward the Mentally Ill: Research Perspectives. Washington, DC: U.S. Government Printing Office, pp. 45–47.
Gerbner, George/Gross, Larry (1976). Living With Televi¬sion. The Violence Profile. In: Journal of Communication, 26 (2), pp. 172–194. DOI: 10.1111/j.1460-2466.1976. tb01397.x.
Link, Bruce G./Phelan, Jo C. (2001). Conceptualizing Stigma. In: Annual Review of Sociology, 27 (1), pp. 363–385. DOI: 10.1146/annurev.soc.27.1.363.
Netzwerk Artikel 3 e. V. (2009). Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Korrigierte Fassung der zwischen Deutschland, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz abgestimmten Übersetzung. www. nw3.de/attachments/article/93/093_schattenueberset¬zung-endgs.pdf [Zugriff: 23.03.2016].
Rains, Stephen A. (2014). The Implications of Stigma and Anonymity for Self-Disclosure in Health Blogs. In: Health Communication, 29 (1), pp. 23–31. DOI: 10.1080/10410236.2012.714861.
Ritterfeld, Ute/Hastall, Matthias R./Röhm, Alexander (2014). Menschen mit Krankheit oder Behinderung in Film und Fernsehen: Stigmatisierung oder Sensibilisierung? In: Zeitschrift für Inklusion, 8 (4). www.inklusion-online.net/ index.php/inklusion-online/article/view/248/239 [Zugriff: 23.03.2016].
Stout, Patricia A./Villegas, Jorge/Jennings, Nancy A. (2004). Images of Mental Illness in the Media: Identifying Gaps in the Research. In: Schizophrenia Bulletin, 30 (3), pp. 543–561.
World Health Organization (2010). User Empowerment in Mental Health – A Statement by the WHO Regional Office for Europe. Kopenhagen: WHO. www.euro. who.int/__data/assets/pdf_file/0020/113834/E93430.pdf [Zugriff: 23.03.2016].
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Alexander Röhm
Beitrag als PDFEinzelansichtJan-René Schluchter: Medien, Medienbildung, Empowerment
Mit dem Begriff der Inklusion wird die Auseinandersetzung mit Zusammenhängen zwischen Formen gesellschaftlichen Ausschlusses und hieraus erwachsenden nachteiligen Lebensverhältnissen und -lagen von Menschen widerbelebt. Inklusion ist in dieser Perspektive Entwicklungsaufgabe und -anspruch von Gesellschaft. Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Mediatisierungsprozesse steht die Analyse, Reflexion und Bearbeitung von Formen sozialen Ausschlusses in enger Verbindung mit medienbezogenen und -pädagogischen Aufgaben- und Fragestellungen.
Literatur:
Bröckling, Uwe (2003). You are not responsible for being down, but you are responsible for getting up. Über Empowerment. In: Leviathan, 31 (2), S. 323–344.
Demmler, Kathrin/Rösch, Eike (2012). Aktive Medien¬arbeit in Zeiten der Digitalisierung. Kontinuitäten und Entwicklungen. In: Rösch, Eike/Demmler, Kathrin/Jäck¬lein-Kreis, Elisabeth/Albers-Heinemann, Tobias (Hrsg.), Medienpädagogik Praxis Handbuch. Grundlagen, Anre¬gungen und Konzepte für aktive Medienarbeit. München: kopaed, S. 19–26.
Herriger, Norbert (1997). Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Stuttgart: Kohlhammer.
Hradil, Stefan (2001). Soziale Ungleichheit in Deutschland. Wiesbaden: VS Verlag.
Kronauer, Martin (2013). Soziologische Anmerkungen zu zwei Debatten über Inklusion und Exklusion. In: Burt¬scher, Reinhard/Ditschek, Eduard/Ackermann, Karl-Ernst/ Kil, Monika/Kronauer, Martin (Hrsg.), Zugänge zu Inklusion. Erwachsenenbildung, Behindertenpädagogik und Soziologie im Dialog. Bielefeld: Bertelsmann, S. 17–25.
Niesyto, Horst (2010). Medienpädagogik. Milieusensible Förderung von Medienkompetenz. In: Theunert, Helga (Hrsg.), Medien. Bildung. Soziale Ungleichheit. Differenzen und Ressourcen im Mediengebrauch Jugendlicher. München: kopaed, S. 147–161.
Schluchter, Jan-René (Hrsg.) (2015). Medienbildung als Perspektive für Inklusion. Modelle und Reflexionen für die pädagogische Praxis. München: kopaed.
Schluchter, Jan-René (2012). Medienbildung als Perspektive für Inklusion. In: merz | medien + erziehung, 56 (1), S. 16–21.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Jan-René Schluchter
Beitrag als PDFEinzelansichtAlexander Schmoelz und Oliver Koenig: Spuren inklusiver Medienpädagogik?
Wie können befähigende Räume beschaffen sein? Welchen Beitrag können Informations- und Kommunikationstechnologien leisten, um marginalisierten Personen und Gruppen zu ermöglichen, von (digital) Konsumierenden zu Produzierenden zu werden? Die Dimensionen befähigender Räume werden unter Berücksichtigung des Medialen skizziert, um zu zeigen, wie Medienpädagogik zum Empowerment beitragen kann.
Literatur:
Baacke, Dieter (1999). "Medienkompetenz": theoretisch erschließend und praktisch folgenreich. In: Medien und Erziehung, 43 (1), S. 7–12.
Benner, Dietrich (1980). Das Theorie-Praxis-Problem in der Erziehungswissenschaft und die Frage nach Prinzipien pädagogischen Denkens und Handelns. In: Zeitschrift für Pädagogik, 26 (4), S. 486–497.
Cleppien, Georg/Kutscher, Nadia/Otto, Hans-Uwe (2003). Die digitale Bildungskluft als Herausforderung für die Pädagogik. In: Internationaler Jugendaustausch- und Besucherdienst der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.), Forum Jugendarbeit International. Münster: S. 262–283.
Craft, Anna (2011). Creativity and Education Futures. Stoke on Trent: Trentham Books.
Giddens, Anthony (2003). Die große Globalisierungsdebatte In: Kleiner, Marcus/Strasser, Hermann (Hrsg.), Globalisierungswelten. Köln, S. 33–47.
Hepp, Andreas/Krotz, Friedrich/Winter, Carsten (Hrsg.) (2005). Globalisierung der Medienkommunikation, Wiesbaden: Springer VS.
Herriger, Norbert (2014). Empowerment in der Sozialen Arbeit. Stuttgart: Kohlhammer-Verlag.
Humer, Petra (2011). Informations- und Kommunikationstechnologienals Instrumente für Women’s Empowerment. In: Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 36 (3), S. 49–58
Iske, Stefan/Klein, Alexandra/Kutscher, Nadja (2005). Differences in web usage – social inequality and informal education on the internet. In: Social Work and Society, 3 (2). www.socwork.net/2005/2/researchnotes/495/IskeKleinKutscher2005.pdf [Zugriff: 05.05.2016].
Iske, Stefan/Verständig, Dan (2014). Medienpädagogik und die Digitale Gesellschaft im Spannungsfeld von Regulierung und Teilhabe. In: Medienimpulse. Beiträge zur Medienpädagogik, 4. www.medienimpulse.at/articles/view/751 [Zugriff: 05.05.2016].
Keupp, Heiner (1999). Identitätskonstruktionen: Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne. Hamburg: Rowohlt.
Koenig, Oliver (2014). Erwerbsarbeit als Identitätsziel. Wiesbaden: Springer VS.
Krotz, Friedrich (2005). Von Modernisierungs- über Dependenz- zu Globalisierungstheorien In: Hepp, Andreas/Krotz, Friedrich/Winter, Carsten (Hrsg.), Globalisierung der Medienkommunikation. Wiesbaden: Springer, S. 21–43.
Marotzki, Winfried/Jörissen, Benjamin (2010). Dimensionen strukturaler Medienbildung. In: Herzig, Bardo/Meister, Dorothee/Moser, Heinz/Niesyto, Horst (Hrsg.), Jahrbuch Medienpädagogik 8. Medienkompetenz und Web 2.0. Wiesbaden: VS-Verlag, S. 19–39.
Marotzki, Winfried/Nohl, Arnd-Michael (2004). Bildungstheoretische Dimensionen des Cyberspace. In: Thiedeke, Udo (Hrsg.), Soziologie des Cyberspace. Wiesbaden: VS Verlag, S.335-354.
Parsons, Sarah/Daniels, Harry/Porter, Jill/Robertson, Christopher (2008). Resources, Staff Beliefs and Organizational Culture: Factors in the Use of Information and Communication Technology for Adults with Intellectual Disabilities. In: Journal of Applied Research in Intellectual Disabilities, 21 (1), S. 19–33.
Peschl, Markus/Fundneider, Thomas (2012). Spaces enabling game-changing andsustaining innovations: Why space matters for knowledge creation and innovation. In: Journal of Organisational Transformation and Social Change, 9 (1), S. 41–61.
Peschl, Markus/Fundneider, Thomas (2014). Designing and Enabling Spaces for collaborative knowledge creation and innovation: From managing to enabling innovation as socio-epistemological technology. In: Computers in Human Behavior, 37, S. 346–359
Näslund, Rebecka/Gardelli, Åsa (2013). ‘I know, I can, I will try’: youths and adults with intellectual disabilities in Sweden using information and communication technology in their everyday life. In: Disability & Society, 28 (1), S. 28–40.
Niesyto, Horst (2009). Digitale Medien, soziale Benachteiligung und soziale Distinktion. In: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 17, S. 1–19
Renblad, Karin (2003). How do people with intellectual disabilities think about empowerment and information and communication technology (ICT). In: International Journal of Rehabilitation Research, 26 (3), S. 175–182.
Schein, Edgar (2003). Organisationskultur. 2. korr. Auflage. Bergisch Gladbach: Edition Humanistische Psychologie.
Schmoelz, Alexander (2015). Mediale Teilnahme und Teilhabe. In: Sozialpädagogische Impulse, 3, S. 34–35
Sen, Amartya (1993). Inequality Rexamined. Oxford: Claredon Press.
Söderström, Sylvia (2009). The significance of ICT in disabled youth's identity negotiations. In: Scandinavian Journal of Disability Research, 11(2), S. 131–144.
Treumann, Klaus-Peter/Burkatzki, Eckhard/Strotmann, Mareike/Wegener, Claudia (2005). Hauptkomponentenanalytische Untersuchung zum Medienhandeln Jugendlicher. In: Bachmaier, Ben/Diepold, Peter/De Witt, Claudia (Hrsg.), Jahrbuch der Medien-Pädagogik 4, Wiesbaden: VS Verlag, S. 145–167.
Zillien, Nicole (2006). Digitale Ungleichheit: Neue Technologien und alte Ungleichheiten in der Informations- und Wissensgesellschaft. Wiesbaden: VS Verlag.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Oliver Koenig, Alexander Schmoelz
Beitrag als PDFEinzelansicht"Ein Bewusstsein dafür bekommen, wie politisch das Private ist"
Seit 2014 betreibt die Journalistin Mareice Kaiser das Blog „Kaiserinnenreich", auf dem sie über ihr Leben als Mutter von zwei Töchtern, mit und ohne Behinderung, über Inklusion sowie nunmehr auch über Trauer und Trauerbewältigung berichtet. Das inklusive Familienblog wurde 2016 bei den „Goldenen Bloggern“ als Bestes Tagebuch-Blog ausgezeichnet. Im Gespräch mit Dagmar Hoffmann berichtet Mareice Kaiser über ihre Erfahrungen, über Ansprüche an ein kreatives und ansprechendes Blog sowie über allgegenwärtige strukturelle Diskriminierungen.
merz: Du hast deinen Blog vor zwei Jahren eingerichtet mit dem Titel ‚Das inklusive Familienblog‘. Was genau war deine Intention?
Kaiser: Ich glaube, es hieß damals Kaiserinnenreich: Unser Leben zwischen Krankenhaus und Kita. Ich hatte nämlich noch gar nicht auf dem Schirm, was Inklusion eigentlich bedeutet und was wir als Familie damit eigentlichzu tun haben. Das ist irgendwann später entstanden, macht aber gut anschaulich, was in der Zwischenzeit mit mir passiert ist.
merz: Welches Ereignis hat dazu geführt, dass du irgendwann entschieden hast, dass es für dich ein inklusives Familienblog ist?
Kaiser: Ich bin mir gar nicht sicher, ob es das über¬haupt ist. Mittlerweile bin ich noch einen Schritt weiter und denke: Nur weil ich eine behinderte Tochter hatte, habe ich noch lange nicht das Recht, das Wort Inklusion für mich gepachtet zu haben. Aber ich glaube, die Umbenennung in ein ‚inklusives Familienblog‘ war in dem Moment, als ich so eine Ahnung hatte, wie eine inklusive Gesellschaft aussehen kann und wie viele unterschiedliche Menschen davon profitieren können. Unter anderem auch wir, als Familie mit einem behinderten Kind. Ich bin einfach Fan von dem Wort Inklusion und vor allem von seinem Wortsinn geworden – und fand es schön, es als Blickfang auf meinem Blog zu haben.
merz: Weißt du etwas über die Leserinnen und Leser deines Blogs?
Kaiser: Es gibt viele Menschen, die Blogs gründen, damit ein Marketingziel verfolgen und ganz genau wissen, woher die Leserschaft kommt. Das ist bei mir anders. Ich schaue ungefähr alle zwei Monate mal, wie viele Leute meine Texte gelesen haben und freue mich darüber. Ich bekomme Kommentare auf Blog-Artikel und viele Mails – übrigens von viel mehr Frauen als Männern. Am Anfang dachte ich, dass sich viele Eltern behinderter Kinder mel-den. Das passiert auch, aber in der Relation nicht viel mehr als andere Menschen, die bisher keinen Kontakt zu behinderten Menschen in ihrem Leben hatten und für die mein Blog eine Horizonterweiterung war. Auch Menschen, die mit behinderten Kindern oder behinderten Menschen arbeiten, haben mir zurückgemeldet, dass sie einen ganz neuen Blick auf ihre Arbeit bekommen haben. Und dann melden sich Frauen, die schwanger sind bzw. werden wollen. Sie haben mir viele Rückmeldungen gegeben, dass meine Texte sie dazu bewegt haben, neu über Pränataldiagnostik nachzudenken. Oder ein konkretes Beispiel, was mich sehr bewegt hat: Eine Frau, die ein Kind bekommen hatte, welches nur zehn Wochen gelebt hat. Sie wusste nicht, wie lange es leben würde – und in den zehn Wochen musste sie sich damit auseinandersetzen, vielleicht mit einem schwerbehinderten Kind zu leben. Mein Blog hat ihr geholfen, mit dieser Vorstellung zu leben. Es gibt noch andere Beispiele – und genau die waren für mich immer ein Grund weiterzuschreiben, auch wenn ich zwischendurch daran gezweifelt habe.
merz: Du kommst aus dem journalistischen Bereich und hast schon viele Kompetenzen mitgebracht. Was denkst du muss man für Eigenschaften haben, um einen Blog zu führen und wie aufwändig ist die Gestaltung?
Kaiser: Je nachdem wie perfektionistisch man veranlagt ist, kann man es mit ganz einfachen Mitteln machen. Es gibt unterschiedliche Systeme zum Bloggen, so dass man auch mit wenig Technikwissen selbst einen Blog starten kann. Als meine nicht-behinderte Tochter geboren wurde, hatte ich mich mehr mit Elternblogs beschäftigt und mich mit den Themen, die ich mit ihr hatte, wiedergefunden. Aber nicht mit den Themen, die ich dann noch extra mit meiner behinderten Tochter hatte. Die Blogs, die ich dafür gefunden hatte, waren mir zu sehr auf das Thema Behinderung spezialisiert. Und sie sahen leider für mich auch ganz oft so aus, wie sich viele Menschen Behinderung vorstellen: uncool. Ich wollte einfach gerne, dass mein Blog das widerspiegelt, was ich im Alltag mit meiner behinderten Tochter erlebt habe. Wenn ich von ihr erzählt oder ihre Diagnosen aufgezählt habe, dann waren immer alle total geschockt. Wenn sie aber meine Tochter gesehen haben, haben sie gesagt „die ist total süß und hübsch und so liebenswert“ – was natürlich überhaupt nicht im Gegensatz zu einer Behinderung steht. Ich wollte auf meinem Blog zeigen, dass auch ein behindertes Kind cool ist und auch der Blog von einer Mutter eines behinderten Kindes cool sein kann. Von daher hatte ich an mich selbst hohe Ansprüche, als ich mein Blog gestartet habe. Die resultierten auch daraus, dass ich schon vorher als Social Media-Redakteurin gearbeitet und andere Blogs konzipiert habe – und jetzt nicht irgendwas starten wollte. Natürlich ist es gut, wenn man dann bekannter werden möchte, wenn man auch auf anderen Social Media-Kanälen unterwegs ist. Das bin ich sowieso schon gewesen, weil ich indirekt seit 2001 online publiziere. Ich glaube aber, das Einzige, was man mitbringen muss, ist sowas wie ein Sendungsbewusstsein und ein Thema. Das habe ich eben mit meiner behinderten Tochter quasi in den Schoß gelegt bekommen. Seitdem sie tot ist, habe ich gar nicht mehr das große Bedürfnis noch weiter zu erzählen. Für mich persönlich reicht jetzt dieses ‚normale‘ – in Anführungszeichen – Familienleben nicht mehr zum Schreiben aus. Ich finde es spannend, über Trauer und Tod im Internet zu lesen und vielleicht ab und zu mal was dazu zu schreiben. Aber das eigentliche, für mich auch politische Thema, das bleibt – ich habe bloß aus dem Alltag nicht mehr so viel dazu zu erzählen. Da muss ich jetzt gerade gucken, in welche Richtung es gehen kann.
merz: Gab es andere Bloggerinnen und Blogger, die deine Arbeit beeinflusst haben?
Kaiser: Ich hab mich immer so eher als Außenstehende (im besten Sinne) von zwei digitalen Filterblasen gefühlt: Auf der einen Seite die Familienblogger, auf der anderen Seite die Inklusionsblogger. Ich war bei den Inklusionsbloggern das Anhängsel, weil ich nicht selbst behindert bin, und hatte bei den Elternbloggern die Außenseiterrolle, weil ich eben eine behinderte Tochter habe – und dadurch natürlich auch ein paar extra Themen. Ich fand es aber schön, sowohl in der einen als auch der anderen Filterblase wirklich herzlich begrüßt zu werden und von vielen Menschen lernen zu können. Aber es gab nicht die Bloggerin oder den Blogger. Gleichzeitig lese ich unheimlich gerne Blogs, in denen es nicht um Familie oder Behinderung geht, sondern um Musik, Bücher, das Leben, Politik, Gesellschaft. Was für mich selbst eine Horizonterweiterung war, waren Blogs von behinderten Menschen, vor allem von behinderten Frauen, zu denen ich mittlerweile oft auch persönlichen Kontakt habe. Denn das ist spannend, wenn man vor jemandem sitzt, ungefähr im gleichen Alter. Eine Frau, die irgendwie so tickt wie ich selbst, einfach wie eine Freundin, und gleichzeitig bin ich aber eben die Mutter, die über ein behindertes Kind schreibt und sie selbst ist quasi das behinderte Kind und hat auch eine Beziehung zu ihrer Mutter ... Es gab da viele spannende, Horizont erweiternde Gespräche, vor allem mit Anastasia Umrik, die mittlerweile auch eine Freundin von mir geworden ist. Ich weiß nicht, ob ich eine solche Begegnung gehabt hätte, wenn ich meinen Blog nicht gestartet hätte, und letztendlich ist das dann auch eine schöne Rückmeldung, von so jemanden eine Wertschätzung zu erfahren.
merz: Was hat der digitale Austausch oder auch die Präsenz mit dir und deiner Familie gemacht?
Kaiser: Auf jeden Fall habe ich daraus ganz viel gelernt: Zum Beispiel, was Diskriminierung bedeutet. Durch den digitalen Austausch ist mir erst bewusst geworden, wie viel Diskriminierung wir erlebt haben als Familie mit einem behinderten Kind. Bewusst war mir das schon vorher, aber ich konnte es nicht so richtig artikulieren. Vor allem auch, was strukturelle Diskriminierung angeht. Durch Kontakte zu anderen Bloggerinnen und Bloggern – nicht nur aus dem Behindertenkontext – habe ich viel gelernt, beispielsweise aus Blogs über Rassismus. Einfach ein Bewusstsein dafür bekommen, wie politisch das Private ist. Also, dass es tatsächlich eine politische Relevanz hat, was wir erleben bzw. erlebt haben: rund um die Beantragung von Hilfsmitteln, dass Hilfsmittel für behinderte Menschen von der Krankenkasse abgelehnt werden und viele einfach gar nicht wissen, dass sie Widerspruch einlegen können. Wenn ich solche Sachen aufgeschrieben und darauf Reaktionen bekommen habe und gesehen habe, dass wir kein Einzelfall sind, sondern dass es mindestens jeder zweiten Familie mit einem behinderten Kind so geht, sind das so Momente, in denen man sich fragt: Okay, wo ist denn jetzt die Gesellschaft? Und genau an diesen Punkten zeigt sich, dass sie behinderte Menschen eigentlich nicht will und sie ausschließt. Das hätte ich ohne das Internet auch erlebt, aber sehr viel schwächer in der politischen Dimension.
merz: Gab es auch Reaktionen, die du auf gar keinen Fall veröffentlichen wolltest auf deinem Blog?
Kaiser: Die behindertenfeindlichen Teile der Gesellschaft sind auch im Internet. Ich habe auch einige verletzende und diskriminierende Kommentare bekommen. Die meisten habe ich nicht freigeschaltet. Ab und an habe ich mich dazu entschieden sie zu veröffentlichen und fand es dann schön zu sehen, dass die Leserschaft, die ich dann schon hatte, das quasi selbst geregelt hat. Letztendlich tut es dann auch nicht mehr so weh.
merz: Gab es Momente, in denen du das Schreibensein lassen oder abbrechen wolltest?
Kaiser: Immer wieder. Die positiven Momente überwiegen aber. Ich glaube, der deutlichste Moment war nach dem Tod meiner Tochter. Ich hatte auf meinem Blog veröffentlicht, dass sie gestorben ist und dann gab es eine sehr große Anteilnahme, auch über das Netz hinaus. Alles, was im Netz passiert ist, war für mich in Ordnung, aber als es die Grenzen des Internet überschritten hat und auf einmal eine dpa-Nachricht wurde, war es zu viel. Es wurde ohne meine Zustimmung ein Foto von meiner Tochter und mir veröffentlicht. Da war für mich die Grenze eindeutig überschritten. Ich hatte ein Gefühl von Kontrollverlust. Gleichzeitig – mit etwas Abstand – ist es natürlich auch die Quittung dafür, dass ich mit meinen Texten Nähe erzeuge. Wobei das das ekelhafte Verhalten inklusive Urheberrechtsverletzung der Zeitung natürlich nicht rechtfertigt. Das war aber wirklich der einzige Moment, wo ich dachte, ich mach nicht weiter. Ansonsten erzeugt Kritik bei mir eher Power nach vorne, à la ‚jetzt erst Recht‘.
merz: Du hast nach dem Tod deiner Tochter eine Zeit lang pausiert. Dann gab es große Resonanz und Freude, als du wieder präsent warst. Hast du dich verpflichtet gefühlt, dich wieder zu zeigen?
Kaiser: Ich wünsche mir, dass Tod und Trauer auch Themen sein können, über die wir miteinander sprechen, so dass ein Rückzug für mich eine falsche Reaktion gewesen wäre. Gleichzeitig ist aber Trauer auch keine Situation, in der man öffentliche Entscheidungen treffen möchte. Also war es schwierig – und ist es auch weiterhin schwierig für mich. Den genauen Weg für mich suche ich gerade noch.
merz: Der Tod eines geliebten Menschen ist immer schmerzlich. Ein Kind zu verlieren fordert nochmal ganz anders, nicht wahr?
Kaiser: Zum Leben gehört eben auch Tod dazu und bei einem Leben mit Behinderung ist das vielleicht ein noch präsenteres Thema – oft, nicht immer. Ich habe mich irgendwann dazu entschieden, dieses Thema öffentlich zu machen und wie es jetzt zukünftig weitergeht, weiß ich nicht bzw. weiß ich schon ein wenig, weil ich auch ein Buch geschrieben habe, das in diesem Jahr veröffentlich wird.
merz: Ein Buch über deinen Blog?
Kaiser: Über meinen Weg als Mutter einer behinderten Tochter, die arbeitet und weitere Themen um Inklusion und Feminismus entdeckt. Es gibt im Buch kleine Ausschnitte vom Blog, aber auf 256 Seiten erzähle ich natürlich anders als in Posts.
merz: Hast du eine Wunschvorstellung, wohin es mit dem Blog gehen soll?
Kaiser: Ich würde mir wünschen, dass es ein Ort ist, an dem Eltern behinderter Kinder und alle Interessierten eine Horizonterweiterung und einen Perspektivwechsel erfahren können. In einer Porträt-Reihe stelle ich andere Mütter behinderter Kinder vor. Als Journalistin setze ich gern Menschen in Szene und lasse sie erzählen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das Kaiserinnenreich vielleicht in ein oder zwei Jahren eine Plattform ist, auf der Mütter behinderter Kinder aus ihrem Alltag berichten; dass es mehrstimmiger wird. Ich sehe mich nicht als Vorbild und meine nicht, dass andere Mütter behinderter Kinder es so machen sollen wie ich. Ich denke einfach, dass es wichtig ist, dass Mütter behinderter Kinder sprechen können und Gehör bekommen.
Mareice Kaiser, 1981 geboren, lebt als Journalistin und Autorin in Berlin. Sie schreibt über Inklusion, Geschlechtergerechtigkeit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter anderem für das MISSY Magazine und die taz. Im November erscheint ihr erstes Buch Alles inklusive im S. Fischer Verlag.Das Interview führte Dagmar Hoffmann.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Dagmar Hoffmann
Beitrag als PDFEinzelansichtLena Hoffmann: Kino neu erfahren
In den letzten Jahren eröffnete sich für blinde und sehbehinderte Menschen das Kino als Möglichkeit kultureller Teilhabe auf eine neue Weise. Mit der Novellierung des Filmförderungsgesetzes und der Entwicklung technischer Anwendungen für Mobile Devices wurden mehr Filme mit Audiodeskription im Kino erlebbar. Wie sich das Angebot verändert hat und inwiefern mit den Technologien eine selbstbestimmte Gestaltung des Kinobesuchs einhergeht, zeigen Gespräche mit blinden und sehbehinderten Kinogängerinnen und -gängern.
Film
Night on Earth (USA 1991; R: Jim Jarmusch) – Kinowelt Home Entertainment 2010, Jim Jarmusch Collection, 123', DVD.
Literatur:
Fickert, Barbara (2015). Warum Blindgängerin. www. blindgaengerin.com/warum-blindgaengerin-com [Zugriff: 07.04.2016] .
Hörfilm e. V. – Vereinigung deutscher Filmbeschreiber (2009). Wenn aus Bildern Worte werden … – 20 Jahre Hörfilm in Deutschland. www.hoerfilmev.de/index.php?id =373&PHPSESSID=726b54daceca2b0cad62d779ef5110df [Zugriff: 07.04.2016].
Huber, Nathalie (2004). Ohne Bilder im Bilde. Eine qualitative Studie zur Mediennutzung und Medienbewertung von blinden Menschen in Deutschland. Münster: Lit Verlag.
Ohrens, Christian (2009). Ich sehe was, was du auch siehst. In: merz | medien + erziehung, 53 (5), S. 64–69.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Lena Hoffmann
Beitrag als PDFEinzelansichtKira van Bebber-Beeg: Inklusives Fernsehen. Die Serie Switched at Birth
Die US-Serie „Switched at Birth“ thematisiert das Leben von hörenden und gehörlosen Teenagerinnen und Teenagern und greift dabei viele soziale Probleme und Diskurse auf, die beim Zusammenleben entstehen. Die Serie untertitelt die jeweiligen Dialoge sowie verschiedene Kommunikationsformen (Lautsprache und Gebärdensprache) und ermöglicht somit eine neue Form der Partizipation gehörloser Rezipierender, die oftmals von vielen anderen TV-Formaten ausgeschlossen werden.
Literatur:
Chilla, Solveig/Fuhs, Burkhard (2013). Kindheiten zwischen Inklusion, Normalisierung und Autonomie. Das Beispiel Hörbeeinträchtigungen. In: Kelle, Helga/Mierendorff, Johanna (Hrsg.), Normierung und Normalisierung der Kindheit. Weinheim: Beltz Juventa.
Clarke, Valerie (2006). Unerhört. Eine Entdeckungsreise durch die Welt der Gehörlosigkeit und Gebärdensprache. Augsburg: Zentrum für Interdisziplinäres Erfahrungsorientiertes Lernen.
Deutscher Gehörlosen-Bund e. V. (2015). www.gehoerlosen-bund.de/index.php?option=com_content&view=article&id=1730%3Agehoerlosigkeit&catid=106%3Ahoerbehinderung&Itemid=152&lang=de [Zugriff: 09.09.2015].
Deutsche Gehörlosen-Zeitung (n.d.). Umfrage: Bist du mit den heutigen Untertiteln im Fernsehen zufrieden?. www.gehoerlosenzeitung.de/Umfrage [Zugriff: 09.09.2015].
Knörzer, Kilian. (2014). Einsatz von Gebärdensprache und Untertiteln in den elektronischen Medien. RKW Kompetenzzentrum. www.rkw-kompetenzzentrum.de/fileadmin/media/Dokumente/Publikationen/FB_Barrierefreiheit_Gebaerdensprache_280113.pdf [Zugriff: 09.09.2015].
Kurrer, Rauthgundis (2013). Gehörlose im Wandel der Zeit. Dissertation. LMU München: Fakultät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft. Lane, Harlan/Hoffmeister, Rober/Bahan, Ben.(1996). A Journey into the Deaf-World. San Diego, CA: Dawn Sign Press.
Pennington, Gail (2013). TCA: 'Switched at Birth' goes deeper into deaf culture. www.stltoday.com/entertainment/television/gail-pennington/tca-switched-at-birth-goes-deeper-into-deaf-culture/article_d91c3105-de2a-5167-a313-f88074d19afa.html [Zugriff: 09.09.2015].
Scholl, Judith/Borstel, Friederike von/Fries, Sabine (2009). Inklusion: Chancen und Risiken. Broschüre zum Internationalen Tag der Gehörlosen 2009. Deutscher Gehörlosen-Bund e. V. www.diskutiere.de/diskutiere_wp/wp-content/uploads/deutscher-gehoerlosen-bund_inklusion2009.pdf [Zugriff: 09.09.2015].
Superdeaf (2013). Statistik: TV-Sendungen in Deutschland mit Untertitel im Jahr 2013. www.untertitel.superdeaf.de/download/Statistik_Untertitel-DeutschlandTV_2013.pdf [Zugriff: 09.09.2015].
Switched at Birth. [TV-Serie in fünf Staffeln]. Ausstrahlung: ABC Family. USA 2011–2015.
Weiss, Elizabeth (2014). For the cultural advancement of the Deaf Community. www.gallaudet.edu/Documents/Alumni/WeissCogswell.pdf [Zugriff: 09.09.2015].
Wilck, Frauke (2003). Eine Annäherung an die Anforderungen zur Medienuntertitelung für Gehörlose, Schwerhörige und Spätertaubte mit dem Schwerpunkt: Film- , Video- und DVD-Untertitelung. Hausarbeit. Universität Hamburg: Institut für Deutsche Gebärdensprache.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Kira van Bebber-Beeg
Beitrag als PDFEinzelansicht
spektrum
Daniel Hajok und Daniel Hildebrandt : Jugendgefährdung im Wandel der Zeit
Kein Instrument des Jugendmedienschutzes hat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland für so viele Diskussionen gesorgt, wie die Indizierungen jugendgefährdender Medien durch die Bundesprüfstelle. Sie entfachen aber nicht nur immer wieder Kontroversen – wie die Ergebnisse einer umfassenden Studie und vertiefender Detailanalysen zeigen, gewähren sie auch spannende Einblicke in eine nunmehr 62-jährige Praxis. Skizziert werden die veränderten Perspektiven der Jugendschützerinnen und -schützer auf das Gefährdungspotenzial von Medien und den spezifischen Schutzbedarf Heranwachsender als Mediennutzende.
Literatur:
Dreyer, Stephan (2013). Rechtliche Grundlagen des Jugendmedienschutzes. In: Friedrichs, Henrike/Junge, Thorsten/Sander, Uwe (Hrsg.), Jugendmedienschutz in Deutschland. Reihe Medienbildung und Gesellschaft, Band 22. Wiesbaden: VS Verlag, S. 65–82.
Fleischer, Sandra/Hajok, Daniel (2016). Einführung in die medienpädagogische Praxis und Forschung. Kinder und Jugendliche im Spannungsfeld der Medien. Weinheim und Basel: Beltz Juventa.
FSK – Freiwillige Selbstkontrolle Filmwirtschaft (n.d.). Die Geschichte der FSK. Von den Anfängen im Nachkriegsdeutschland bis zur heutigen Arbeit im Deutschen Filmhaus in Wiesbaden. www.fsk.de [Zugriff: 05.05.2016].
FSM – Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (Hrsg.) (2016). FSM-Beschwerdestelle 2015. Pressemitteilung vom 22. Februar 2016. www.fsm.de/aktuelles-und-presse/20150222_PM_Beschwerdestelle.pdf [Zugriff: 05.05.2016].
Hajok, Daniel (2014). Schlaglichter aus 60 Jahren Bun¬desprüfstelle. Erweitertes Manuskript. In: BPJM-Aktuell, 22 (4), S. 8–18. Hajok, Daniel (2015a). Zur Indizierung jugendgefährden¬der Medien durch die Bundesprüfstelle. Zahlen, Fakten und Tendenzen aus über 60 Jahren. In: BPJM-Aktuell, 23 (3), S. 3–16.
Hajok, Daniel (2015b). Filmindizierungen im Spiegel der Zeit. Vom Striptease auf Super8 zur detailliert-realistischen Gewalt auf DVD. In: JMS-Report, 38 (6), S. 2–6.
Hajok, Daniel (2016). Extremismus und Fundamentalismus in der Welt der Medien. Wie neue Formen der Propaganda gezielt auch junge Menschen in den Blick nehmen. In: JMS-Report, 39 (1), S. 2–7.
Hajok, Daniel/Hildebrandt, Daniel (2015). Jugendgefährdung im Wandel der Zeit: Veränderungen und Konstanten in der BPjM-Spruchpraxis zu Darstellungen von Sexualität und Gewalt. In: BPJM-Aktuell, 23 (1), S. 3–17.
Hajok, Daniel/Lauber, Achim (2013). Jugendmedienschutz im Spannungsfeld unterschiedlicher Akteure und Interessen. In: JMS-Report, 36 (2), S. 2–6.
Hildebrandt, Daniel (2015). Wandel der Vorstellungen von Jugendlichen im Jugendmedienschutz in Deutschland. Eine inhaltsanalytische Auswertung von Entscheiden der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Magisterarbeit. Universität Erfurt.
jugendschutz.net (2015). Rechtsextremismus online beobachten und nachhaltig bekämpfen. Bericht über Recherchen und Maßnahmen im Jahr 2014. Mainz: jugendschutz.net
Kaddor, Lamya (2015). Warum junge Deutsche zu Dschihadisten werden? In: BPJM-Aktuell, 28 (4), S. 18–19.
Naumann, Kolja (2009). Jugendschutz im Internet – Verfassungsrechtlich bedenklich, rechtspolitisch ungenügend. In: ZRP – Zeitschrift für Rechtspolitik, 42 (2), S. 44–46.
Wegmann, Konstanze (2016). Entwicklungen des mit Liedtexten seit den 1980er Jahren propagierten rechtsextremen Gedankenguts. Magisterarbeit. Universität Erfurt.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Daniel Hajok, Daniel Hildebrandt
Beitrag als PDFEinzelansichtStefan Schönwetter, Maria Schuster und Niels Brüggen: Engagement in unterschiedlichen Lebenswelten Jugendlicher unterstützen
In digitalisierten Lebenswelten sieht das Jugendengagement-Programm „Think Big“ die Chance, das soziale Engagement von Jugendlichen und ihre gesellschaftliche Teilhabe zu stärken, um damit dem Digital Divide entgegenzuwirken. Der Beitrag beleuchtet die Erfahrungen und Herausforderungen dabei, alle Jugendlichen in der digitalen Projektarbeit zu erreichen und mitzunehmen.
Literatur:
Calmbach, Marc/Borgstedt, Silke/Borchard, Inga/Thomas, Peter Martin/Flaig, Berthold Bodo (2016). Wie ticken Jugendliche 2016? Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. 1. Aufl. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (Hrsg.) (2014). DIVSI U25-Studie. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der digitalen Welt. www.divsi. de/wp-content/uploads/2014/02/DIVSI-U25-Studie.pdf [Zugriff: 25.04.2016].
Kaiser, Sabine (2016). Medienaneignung im Jugendalter. Zwischen sozialer Ungleichheit und Anerkennung von Heterogenität. In: Becker, Ulrike/Friedrichs, Henrike/ Gross, Friederike von/Kaiser, Sabine (Hrsg.), Ent-Grenztes Heranwachsen. Wiesbaden: Springer VS, S. 149–168.
Kutscher, Nadia/Otto, Hans-Uwe (2014). Digitale Ungleichheit – Implikationen für die Betrachtung medialer Jugendkulturen. In: Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.), Digitale Jugendkulturen. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer VS, S. 283–298.
Leven, Ingo/Schneekloth, Ulrich (2015). Freizeit und Inter¬net: Zwischen klassischem Offline und neuem Sozialraum. In: Albert, Mathias/Hurrelmann, Klaus/Quenzel, Gudrun (Hrsg.), Jugend 2015. Eine pragmatische Generation im Aufbruch. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, S. 111–152.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (Hrsg.) (2015). JIM-Studie 2015 – Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart. www.mpfs.de/fileadmin/ JIM-pdf15/JIM_2015.pdf [Zugriff: 28.04.2016].
Schneekloth, Ulrich (2015). Jugend und Politik: Zwischen po¬sitivem Gesellschaftsbild und anhaltender Politikverdrossenheit. In: Albert, Mathias/Hurrelmann, Klaus/Quenzel, Gudrun (Hrsg.), Jugend 2015. Eine pragmatische Generation im Aufbruch. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, S. 153–200.
Wagner, Ulrike/Brüggen, Niels (2012). Von Alibi-Veranstaltungen und „EverydayMakers“. Ansätze von Partizipation im Netz. In: Lutz, Klaus/Rösch, Eike/Seitz, Daniel (Hrsg.), Partizipation und Engagement im Netz. Neue Chancen für Demokratie und Medienpädagogik. München: kopaed. S. 21–42.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Niels Brüggen, Stefan Schönwetter, Maria Schuster
Beitrag als PDFEinzelansichtIsabella Hollauf: Erfahrungsräume in digitalen Spielen
In Medien und Wissenschaft werden digitale Spiele häufig polarisiert. Dem gegenüber wird hier der Begriff ‚Erfahrungsraum‘ entwickelt und in explorativen Interviews überprüft, der den positiven und negativen Aspekten digitaler Spiele gleichermaßen offen gegenübersteht. Die Herausarbeitung der unterschiedlichen Erfahrungsräume zielt darauf ab, unterstützende Analysekategorien für (sozial-)pädagogisches Handeln im Bereich der Jugendarbeit oder Schule bereitzustellen. Sie sind ein Schlüssel zur Lebenswelt vieler Jugendlicher und junger Erwachsener.
Literatur:
Anderle, Michaela/Pöyskö, Anu (2016). Screenagers* International Research Project. Using Ict, Digital and Social Media in Youth Work. Digitale Medien in der österreichischen Jugendarbeit. www.wienxtra.at/filead-min/web/medienzentrum/PDF/Screenagers_Bericht_DigitaleMedienJugendarbeit.pdf [Zugriff: 27.04.2016].
Anthropy, Anna (2012). Rise of the Videogame Zinesters. How Freaks, Normals, Amateurs, Artists, Dreamers, Dropouts, Queers, Housewives, and People Like You Are Taking Back an Art Form. New York: Seven Stories Press.
Bogos, Ian (2008). The Rhetoric of Video Games. In: Salen, Katie (Hrsg.) The Ecology of Games. Connecting Youth, Games and Learning. Cambridge, MA: The MIT Press, S. 117–140.
Convay, Steven (2010). Hyper-Ludicity, Contra-Ludicity, and the Digital Game. In: Eludamos: Journal for Computer Game Culture, 4 (2), S. 135–147.
ESA (2015). Sales, Demographic and Usage Data. Essential Facts about the Computer and Videogame Industry. www.theesa.com/wp-content/uploads/2015/04/ESA-Es¬sential-Facts-2015.pdf [Zugriff: 27.04.2016].
Hollauf, Isabella (2015). Erfahrungsräume in digitalen Spielen. Masterarbeit. Universität Graz. Huizinga, Johan ([1938] 2013). Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. 23. Auflage. Rowohlt: Hamburg.
Koller, Gerald (2012). risflecting© – Jugend und Risiko. In: Stadt Wien (Hrsg.), Perspektiven. Wien: Schmid Verlagsgesellschaft.
Matthew, Emily (2012). Sexism in Video Games. There is Sexism in Gaming. www.blog.pricecharting. com/2012/09/emilyami-sexism-in-video-games-study.html [Zugriff: 02.09.2015].
Murray, Liam/Maher, John (2011). The Role of Fantasy in Videogames. A Reappraisal. Eludamos: Journal for Com¬puter Game Culture, 5 (1), S. 45–57.
Salen, Katie/Zimmerman, Eric (2004). Rules of Play. Game Design Fundamentals. Cambridge, MA: The MIT Press.
Stampfl, Nora S. (2012). Die verspielte Gesellschaft. Ga¬mification oder Leben im Zeitalter des Computerspiels. Hannover: Heise Zeitschriften Verlag.
Smith, Ed (2012). A Personal Journey. Jenova Chen’s Goals for Games. In: Gamasutra: The Art & Business of Making Games. www.gamasutra.com/view/feature/170547/a_personal_journey_jenova_chens_.php [Zugriff: 27.04.2016].
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Isabella Hollauf
Beitrag als PDFEinzelansichtAmina Ovcina Cajacob und Yvonne Herzig Gainsford: Politik? Ja, aber bitte multimedial!
Die heutige Jugend ist unpolitisch. So zumindest lautet eine weit verbreitete Meinung. Eine Befragung von über 3.000 jungen Menschen aus der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein sollte zeigen, wieviel Wahrheit darin steckt. Untersucht wurde, ob sich Jugendliche für Politik interessieren, wie sie sich allenfalls über politischen Themen informieren und darüber diskutieren. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dabei helfen, die Partizipation junger Menschen an politischen Prozessen zu fördern und zu unterstützen.
Literatur:
Albert, Mathias/Hurrelmann, Klaus/Quenzel Gudrun (2011). Jugend 2010: Selbstbehauptung trotz Verunsicherung? In: Albert, Mathias/Hurrelmann, Klaus/Quenzel, Gudrun (Hrsg.), Jugend 2010. Eine pragmatische Generation behauptet sich. Frankfurt am Main: S. Fischer, S. 37–51.
Buhl, Monika (2003). Jugend, Familie, Politik. Opladen: Leske + Budrich.
Haltiner, Karl W. (2008). Politik als Teil des Lebens. In: Bertossa, Luca/Haltiner, Karl W./Meyer Schweizer, Ruth (Hrsg.), Werte und Lebenschancen im Wandel – Eine Trendstudie zu den Lebens-, Bildungs-, Arbeits- und Politikorientierun¬gen junger Erwachsener in der Schweiz. Zürich: Rüegger, S. 182–278
. Hurrelmann, Klaus/Albert, Mathias/TNS Infratest Sozial¬forschung (Hrsg.) (2002). 14. Shell Jugendstudie. Frankfurt: Fischer Taschenbuch.
Ladner, Andreas (2008). Kinder und Jugendliche in der Politik – Wie soll ihr Interesse geweckt werden? Vortrag vom 17. Juli 2008 am 1. Kongress für Kinder- und Jugendförderung, Sommerakademie zum Thema „für das Leben lernen“.
Schmid, Christine (2004). Politisches Interesse von Jugend¬lichen – Eine Längsschnittuntersuchung zum Einfluss von Eltern, Gleichaltrigen, Massenmedien und Schulunterricht. Wiesbaden: Deutscher Universität-Verlag/GWV Fachverlage.
Vonlanthen, Beat (2007). Zuerst kommt der Fun und dann die Politik. Politik ohne Jugend: Gefahr für die direkte Demokratie? In: Biedermann, Horst/Oser, Fritz/Quesel, Carsten (Hrsg.), Vom Gelingen und Scheitern Politischer Bildung. Studien und Entwürfe. Zürich: Rüegger, S. 33–44.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Amina Ovcina Cajacob, Yvonne Herzig Gainsford
Beitrag als PDFEinzelansichtWolf Borchers: Leseclubs – mit Freu(n)den lesen
Die Stiftung Lesen hat seit 2013 im Rahmen des Förderprogramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung 250 Leseclubs in allen Bundesländern eingerichtet. Diese werden mit Medien, Weiterbildungen für Ehrenamtliche und didaktischen Materialien unterstützt, damit bildungsbenachteiligte Kinder Fortschritte in ihrer Lesesozialisation machen können.
Literatur
Bündnisse für Bildung (Hrsg.) (2015). BMBF_KMS_Zahlen. www.buendnisse-fuer-bildung.de/media/content/ 160330_BMBF_KMS_Zahlen_Stand_1_Maerz_2016.pdf [Zugriff: 02.05.2016].
Prenzel, Manfred/Sälzer, Christine/Klieme, Eckhard/Köller, Olaf (Hrsg.) (2013). PISA 2012. Fortschritte und Herausforderungen in Deutschland. Münster/New York: Waxmann.
Stiftung Lesen (2011). Leseclubs. Praxisanregungen und wissenschaftliche Befunde. Mainz: Stiftung Lesen.
Stiftung Lesen (Hrsg.) (2014). Erfolgreiche Leseförderung im Leseclub. Ein Handbuch für Ehrenamtliche. Mainz: Stiftung Lesen.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Wolf Borchers
Beitrag als PDFEinzelansicht
medienreport
Elisabeth Jäcklein-Kreis: Gemobbt im Netz? Ab in den App-Store!
klicksafe (Hrsg.) (2015). Cyber-Mobbing Erste-Hilfe App. Betriebssysteme Android und iOS, kostenfrei.
„Jemand hat dich übers Handy oder Internet verletzt und jetzt brauchst du Hilfe? Dann lade dir die App.“ Was im Google-Playstore so lapidar klingt, hat einen ziemlich ernsten Hintergrund: ‚Hass im Netz‘, ‚Gewalt im Netz‘, ‚Cybermobbing‘ ist nach wie vor ein großes Thema für Kinder und Jugendliche – und leider auch nach wie vor häufig ein Thema, mit dem sich Betroffene eher allein gelassen fühlen, weil es mit Angst, Scham oder Ratlosigkeit besetzt ist. Was tun, wenn Gleichaltrige, Klassenkameradinnen, Klassenkameraden oder Kinder aus der Nachbarschaft hänseln, ärgern oder sogar gewalttätig werden, sei es auf der Straße und in Schulfluren oder sei es – häufig die wesentlich grausamere Variante – im Kontext neuer Medien, in WhatsApp-Gruppen, auf Facebook-Seiten, in Instagram- oder Snapchat-Profilen et cetera? Wie kann man reagieren, wie sich wehren, wie einen Weg finden, den (häufig anonymen) Bullys zu begegnen und die Gewalt im besten Fall zu beenden?
klicksafe versucht, dieser Thematik da zu begegnen, wo sie meist stattfindet: auf den Smartphones der Kinder und Jugendlichen. Gemeinsam mit dem klicksafe Youth Panel, einer ‚Internet- Arbeitsgruppe‘, in der Jugendliche eingeladen sind, ihre Sichtweisen und Fragen zu Medien einzubringen und anzugehen, erarbeitete die Initiative eine App, die Mobbing-Opfern erste, aber auch langfristige Hilfe leisten soll. Dazu kommt die App zunächst einmal in ansprechender Optik und sehr übersichtlichem Aufbau daher. Satt großer Menüführung, Begrüßungsseiten oder ähnlichem Schnickschnack gibt es genau drei Seiten, die sich auswählen lassen: ‚Tutorials‘, ‚Hilfe‘ und ‚Info‘. Die ‚Info‘-Seite bietet einige erklärende Sätze dazu, was Cyber- Mobbing eigentlich ist, nützliche Links zu klicksafe und juuuport (von denen beim Testlauf leider nur die klicksafe-Links funktionierten) sowie anhand deutscher Strafgesetzbuch-Paragrafen erläuterte Erklärungen, warum bzw. inwiefern Cyber-Mobbing strafbar ist. All das in kurzen, informativen ‚Info-Häppchen‘, die auch ohne viel Lese-Zeit oder -Lust verstanden und genutzt werden können.
Auf der ‚Tutorials‘-Seite ist ebenfalls genau das zu finden, was angekündigt wurde, nicht weniger und nicht mehr. Sortiert nach den Plattformen, in denen Cybermobbing stattfinden könnte, gibt es hier kurze Anleitungen, wie bei Facebook, Instagram oder WhatsApp Personen bzw. Inhalte gemeldet oder blockiert werden können und eine Info, wie man Screenshots mit dem Handy erstellt. Letzteres ist leider nicht für alle Smartphone-Typen gültig, die anderen Tutorials sind dafür umso richtiger und wichtiger – und bestehen ausschließlich aus Fotos, in denen die jeweiligen Schritte zum Melden oder Blockieren markiert sind, keinerlei langatmige Erklärungen und Beschreibungen. Das Herzstück der App ist die ‚Hilfe‘-Seite. Hier lässt sich direkt per Klick auf ‚Beratung‘ die ‚Nummer gegen Kummer‘ aufrufen, um mit jemandem ins Gespräch zu kommen. Oder aber man nimmt die Dienste der App in Anspruch, wählt sich dazu einen Guide aus (Tom oder Emilia, zwei Jugendliche ‚von nebenan‘) und lässt sich von diesem durch die ersten Schritte im Kampf gegen Cybermobbing begleiten.
In sechs aufeinanderfolgenden Tipps versuchen die beiden, Nutzerinnen und Nutzern erste Schritte aufzuzeigen. Diese gehen von ‚Bleib ruhig und lenk dich ab‘ (dazu werden eigens Links zu lustigen Spielchen und Videos zur Verfügung gestellt) über ‚Dokumentiere die Angriffe‘, ‚Vertrau dich jemandem an‘, ‚Blockiere, melde, lösche‘ und ‚Verteidige dich‘ bis hin zu ‚Du bist in Ordnung‘. In kurzen, aufmunternden Videos nehmen die ‚Guides‘ betroffene Jugendliche an die Hand und ermutigen sie, sich kurz zu sam¬meln, um anschließend nacheinander die notwendigen Schritte zu gehen, um ihren Peinigern erfolgreich die Stirn zu bieten und ihre Situation zum Besseren zu wenden. Auf jedes Video folgt eine Info-Seite mit den entsprechenden Informationen (etwa Tutorials), die direkt genutzt werden können. Wenn Tom und Emilia ihre ‚Schützlinge‘ schließlich mit einem „Du bist toll, so wie du bist! Niemand hat das Recht, dich zu verletzen!“ entlassen, ist deren Cybermobbing-Geschichte vielleicht noch nicht final beendet – hat aber möglicherweise einen dramatischen Wendepunkt erfahren, weil die Opfer den Mut und die Entschlossenheit aufbringen konnten, nicht mehr ausschließlich Opfer zu sein, sondern anfangen, Mobbing zu bekämpfen. Und dieser erste Wendepunkt ist nicht selten der wichtigste Part all dessen, was anschließend folgen kann und muss. Insgesamt also eine ansprechende, engagierte und mutmachende App von klicksafe – die zu Recht bereits mit dem ENABLE Hackathon-Preis ausgezeichnet wurde. Bleibt zu hoffen, dass viele Jugendliche in misslichen Lagen sich hierhin klicken und Cybermobbing erfolgreich zu einem Thema ihrer Vergangenheit machen.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansichtJana Schröpfer: Flucht und Asyl filmisch inszeniert
Medienprojekt Wuppertal (2016). HIN und WEG 1. Filmreihe bestehend aus acht Kurzfilmen. www.medienprojekt-wuppertal.de, kostenfrei.
Können Filme die Gesellschaft verändern? Und was können sie zu Zeiten von Krieg, Flucht, Asyl und Integration leisten? Das Jugendvideoprojekt HIN und WEG 1, das vom Medienprojekt Wuppertal ins Leben gerufen wurde, hat die Bearbeitung dieser Fragen in die Hände von jungen Menschen gelegt. Herausgekommen ist eine eindrucksvolle Filmreihe mit Kurzfilmen unterschiedlichster Art, die Jugendliche mit und ohne Migrations- bzw. Fluchthintergrund entwickelt und produziert haben. Das von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderte Modellprojekt besteht derzeit aus acht Beiträgen, die das gesellschaftliche Phänomen ‚Flucht‘ in dessen Facetten beleuchten.
In dem knapp vierminütigen Animationsfilm Vom Untergang des Schlaraffenlandes wird der vielprognostizierte Untergang des Abendlandes mit einer gehörigen Portion dunklem Humor eruiert. Dazu werden deutsche Werte und Tugenden vorgestellt: „Das Schlaraffenvolk feierte ein ewig währendes Oktoberfest, Bier floss in Strömen und Schweinshachsen wuchsen an den Bäumen. Umhüllt von christlich abendlichen Werten lebte und konsumierte das Volk glücklich, zufrieden und cool.“ Gezeigt werden derweil eine fesche Blondine mit Einkaufstüten, die fleißig Selfies knipst, Oktoberfest-Riesenräder und Bierkrüge, der WM-Pokal, Gartenzwerge sowie – zu allem Überdruss – rollende Panzer im Hintergrund. Ein überspitzes, aber dennoch treffend-trauriges Bild der deutschen Nation. Doch wie geht es weiter im Schlaraffenland? ‚Fremdlinge‘ wollen in das gelobte Land, die ‚Gutmenschen‘ locken sie herein und bald darauf bricht das Chaos aus: Grasende Kühe verwandeln sich in Kamele, palastartige Moscheen werden hochgezogen, Kulturgüter zerstört und Schlagzeilen zum Diebstahl von Arbeitsplätzen und entführten Kindern – „um sie zu verspeisen“, natürlich – machen die Runde. Doch die ‚Schlaraffen‘ begehren auf: Sie rotten sich zu einer wütenden Meute zusammen und setzen die Moschee-Paläste in Brand. Riesige Grenzzäune entstehen vor der Schlaraffenpforte, bewacht von einer schwerbewaffneten Vertreterin bzw. einem Vertreter: Frauke Petry und Horst Seehofer. Doch die Apokalypse im Land ist nicht mehr aufzuhalten und die Schlaraffen verwandeln sich. Die Botschaft des Kurzfilms ist klar: „Und die Moral von der Geschicht', zum Affen werden sollst du nicht“. Eine filmische Mischung aus hyperbelhafter Gesellschaftskritik, gar nicht so weit hergeholter Nachskizzierung aktueller Ereignisse und einer deutlichen Warnung, das eigene Paradies nicht durch animalisches Verhalten zu zerstören.
In der Kurzdokumentation Eine etwas andere Kindheit erzählen zwei 13-jährige Jungen, Faramoz Nasimi und Sayed Musa Abasy, von ihrer Flucht aus Afghanistan. An das „gute mittelständische Leben“, das ihre Familien einst führten, reihen sich unsägliche Erzählungen über Entführungen durch die Taliban, Angriffe durch bewaffnete Diebesbanden auf der Flucht, geldgierige Schlepper oder die Zustände im bulgarischen Gefängnis. Die enormen organisatorischen Probleme, die die Jungen auf der Flucht bewältigen mussten, oder die gewaltigen Geldsummen, die ihre Eltern im Heimatland an immer wieder neue Schlepper bezahlen mussten – „Man wird von Hand zu Hand weiterverkauft“ –, wirken dagegen fast nichtig. Der Titel der Doku macht bereits klar: Gemessen an ihren Erfahrungen handelt es sich bei Faramoz und Sayed nicht mehr um Kinder bzw. Jugendliche. Deshalb mutet es fast seltsam an, wenn man die beiden auf einem Fußballplatz in Deutschland beim Kicken beobachtet. Der Kurzfilm ist sehr sachlich gehalten und verzichtet auf jegliche Art der Emotionalisierung. Es ist ein Gespräch mit zwei sehr sympathischen Jungen, die in einem Wohnzimmer sitzend von ihren Erfahrungen berichten. Dennoch überkommen die Zuschauenden rührende Gefühle, wenn die Jungen von ihrem ‚Happy End‘ in Deutschland berichten. Über die Diakonie Wülfrath, in der sie nun untergebracht sind, hält Sayed fest: „Man wünscht sich, dass ich glücklich bin. Ich merke, dass ich den Menschen wirklich was bedeute.“ Am Ende des Films wünscht man sich, dass die erlebten Gefühle der Empathie und des Stolzes auf die deutschen Helferinnen und Helfer auch auf andere Teile der Bevölkerung überschwappen würden.
Eine etwas andere emotionale Wertigkeit trägt der Kurzfilm Eine Familie, in dem der 17-jährige Syrer Hussam, der nun seit mehreren Monaten in einer Wuppertaler Wohngruppe für Jugendliche lebt, von seiner beschwerlichen Flucht erzählt und davon, was es bedeutet, als ‚Flüchtling‘ erkannt und abgestempelt zu werden. Er berichtet von Abzocke und Ausbeutung sowie von Gefahren, die ihn wegen seines ungewollten Status zu Teil wurden (und werden). Auch er gehörte zu den ‚Glücklichen‘, die noch vergleichsweise problemlos in Deutschland einreisen durften, hier willkommen geheißen und aufgenommen wurden. Er hat in den anderen Jugendlichen der Wohngruppe eine Familie gefunden, dennoch erzählt er, dass es darüber hinaus schwer ist, Freundschaften zu schließen. Außerdem hat er im Gegensatz zu seinem Leben in Syrien – in dem er immer viel unterwegs war – in Deutschland nichts zu tun. Er kam, um zu studieren, langweilt sich stattdessen nun und verbringt gezwungenermaßen viel Zeit in seinem Zimmer und im Internet. Der Kurzfilm gibt keine Wertung vor. Wie viele andere Beiträge des Filmprojekts portraitiert er lediglich. Doch man bekommt das eindringliche Gefühl: Hussam wartet darauf, integriert zu werden.
Auch die anderen Kurzfilme der achtteiligen Reihe HIN und WEG 1 lassen Flüchtlinge zu Wort kommen und beleuchten verschiedene Aspekte ihres (Leidens-)Weges – so zum Beispiel in Abd Al & Malaz, Der einzige Weg oder Tomaten im Regen. In Füreinander da sein geht es ferner um ein selbstorganisiertes, beidseitig gewinnbringendes Familienpaten-Projekt, während Im Dschungel der Flüchtlinge von illegalen Flüchtlingscamps handelt.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Filmreihe der Komplexität des Themas ‚Flucht‘ gerecht wird und die derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklungen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet – sei es die überspitze und fast schmerzhafte Selbstkritik in Vom Untergang des Schlaraffenlandes, das Empathie-auslösende Gespräch in Eine etwas andere Kindheit oder die problemzentrierte Darstellung in Eine Familie. Es bleibt zu hoffen, dass durch die diversen Blickwinkel und Positionen noch so manch meinungsverhärtete Filterblasen zum Platzen gebracht werden können. Die Filmreihe richtet sich an alle, die einen tiefen Einblick in die Themenlage erhalten und zur Reflexion angeregt werden wollen. Vor allem aber ist sie zur Vorführung geeignet, gerade auch in Schulklassen. Auf dem YouTube-Kanal des Medienprojekt Wuppertal sind alle Filme abrufbar, bald sind sie auch als DVD erhältlich.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Jana Schröpfer
Beitrag als PDFEinzelansichtFranziska Schlachtbauer: Mehr als nur ein Tag
Baltscheit, Martin/Rauers, Wiebke (2016). Nur ein Tag. Hamburg: Dressler Verlag. 105 S., 12,99 €.
Was würdest du tun, wenn heute dein letzter und einziger Tag wäre? Mit dieser Frage ist die kleine Eintagsfliege konfrontiert – nur weiß sie gar nichts von ihrem Schicksal. Und selbst ihre Freunde Fuchs und Wildschwein bringen es nicht übers Herz, ihr die Wahrheit zu sagen ...
Aber von vorne. Als der Fuchs und das Wildschwein es sich gerade an einem See gemütlich gemacht haben, begegnen sie einer frisch geschlüpften Eintagsfliege. Diese ist so voller unbändiger Lebensfreude, dass die beiden gutherzigen Tiere es nicht schaffen, sie über ihre sehr kurze Lebenserwartung aufzuklären – und der misstrauischen Fliege in ihrer Not eine Lügengeschichte auftischen. Der Fuchs müsse in einem Tag bereits sterben, erklären die zwei dem erschrockenen Jungtier, und deshalb seien sie beide etwas traurig und geknickt. Doch die Eintagsfliege reagiert prompt: Wenn der Fuchs schon nur noch einen Tag zu leben hat, so beschließt sie, muss dieser Tag für ihn eben so schön und erlebnisreich gestaltet werden, wie es nur geht. So wirbeln die drei gemeinsam durch einen Tag voller aufregender Abenteuer, es wird die Schulbank gedrückt und es werden Hühner gejagt, es wird gelacht und geki-chert, geheiratet, gestritten und versöhnt und es wird in vollen Zügen gelebt. Immer mit dem drohenden Ende im Blick (wessen Ende das auch sein mag), schaffen die drei es, ihrem Leben einen herrlichen Tag lang alles abzuverlangen und es in seiner ganzen Herrlichkeit und seiner ganzen Dramatik auszuschöpfen. Selbst ein größerer Rückschlag muss verkraftet werden und lässt die Freunde, aber auch ihre Leserinnen und Leser, stärker, liebevoller und noch lebenslustiger als jemals zuvor zurück.
Die vielen farbig gestalteten, wunderbar verspielten Illustrationen von Wiebke Rauers, das übersichtliche und schöne Layout des Buches, aber auch die einfühlsamen, manchmal herzzerreißenden treffenden Texte von Martin Baltscheit – „Der Tod ist wie das Leben – unvermeidbar. Niemand weint über das Leben und deshalb sollte auch keiner über den Tod weinen.“ – treiben kleineren und größeren Leserinnen und Lesern von der ersten bis zur letzten Seite Tränen in die Augen, manchmal vor Ergriffenheit und manchmal vor Lachen. Durch die Teilüberschriften ist das Buch inhaltlich gut gegliedert, so dass auch kleinere Leserinnen und Leser gut verständlich an der Geschichte von Fuchs, Wildschwein und der kleinen Eintagsfliege teilhaben können. Nicht nur die Erlebnisse der zwei Waldbewohner und ihrer kleinen Freundin können Kinder und auch Erwachsene in den Bann ziehen, es werden zudem auch wichtige Botschaften und Lebensweisheiten vermittelt. Dass es beispielsweise nicht auf die Dauer des Lebens ankommt, sondern auf die Art und Weise, es zu gestalten: „Und weil das Leben kurz ist und niemand weiß, wie lange man noch davon kosten darf, sollte man feiern, bevor die Sonne das Licht ausmacht. Das weiß der Fuchs und auch die Fliege und das Wildschwein sowieso und alle singen.“ Insgesamt ist das Kinderbuch mit seiner an¬schaulichen Gestaltung und der erlebnisreichen Handlung gut gelungen und durchaus sowohl für Kinder als auch deren Eltern und/oder Vorleserinnen und Vorleser zu empfehlen.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Franziska Schlachtbauer
Beitrag als PDFEinzelansichtElisabeth Jäcklein-Kreis: Monster!
Robert Paul Weston (2014). Die Monsterabteilung. Hörbuch, gelesen von Bastian Pastewka. 4 CDs, etwa 310 Minuten. Berlin: Der Audio Verlag. 16,99 €.
Eine uralte, halb verfallene Villa – mitten auf dem Hof des fünftgrößten Elektronikherstellers der Welt und des modernsten Gebäudes der Stadt. Wände, die sich von Zauberhand öffnen, Türen, die keiner sehen kann, ein kleines Hinterzimmer, das viel größer ist, als das ganze Haus. Gügor und Goggelmoggel, Patti Matschmeyer und der General Admiral, ein Fledermauself, ein Bombastodon, eine Sumpfnymphe und ein Kopf auf Beinen … und mittendrin Elliot und Leslie. Das kann ja heiter werden. Aber von vorne. Denn eigentlich ist Elliot ein ganz normaler Junge. Sehr normal sogar. Seine Welt besteht, ganz normal, aus Schule und Ferien, Essen und Schlafen, ein bisschen Spaß und ein bisschen Langeweile. Und mit Zauberei, Monstern oder sonst irgendwelchen abgefahrenen Dingen hat er gar nichts am Hut. Besser gesagt: Hatte er nichts am Hut. Bis jetzt. Denn in diesen denkwürdigen Sommerferien geht Elliots größter Wunsch in Erfüllung – er darf die Mega-Fabrik DENKi-3000, in der sein Onkel Archie arbeitet, endlich einmal von innen sehen.
Doch was als harmloser Besuch mit Firmenrundgang beginnt – endet im größten Abenteuer in Elliots kurzem und an Abenteuern armem Leben. Kaum nämlich haben sich die hochmodernen Türen der DENKi-3000-Fabrik hinter Elliot, dessen (neuer) Freundin Leslie und Onkel Archie geschlossen, überschlagen sich die Ereignisse. Nicht nur, dass Elliot und Leslie, deren Freundeskreise vorher jeweils eher sparsam ausfie¬len, plötzlich schier unüberschaubar viele neue Freundinnen und Freunde gewinnen: solche nämlich, die über und über lila behaart sind oder solche, die nur wenige Zentimeter groß sind, dafür aber fliegen können oder auch solche, die zwar fürchterliche Ausmaße haben, mit ein paar Keksen im Mund aber die friedlichsten Gesellen sind. Kurz, viele neue Monster- Freundinnen und -Freunde, die alle in der DENKi-3000-Forschungsabteilung leben und arbeiten – oder zumindest arbeiten sollten, statt dort für Chaos zu sorgen. Auch trotzt die Fabrik jeder Logik dieser Welt, sie ist der abgefahrenste Ort, den man sich überhaupt vorstellen kann.Als wenn all das nicht genug wäre, purzeln Elliot und Leslie auch noch unversehens mitten in einen Krimi hinein. In eine feindliche Übernahme. In eine Entführung. In einen Wettlauf mit der Zeit. Und in … ach was, mehr wird nicht verraten.Wer den ganzen Krimi in all seiner Spannung, seiner Lustigkeit und seiner Verrücktheit hören will, muss schon selbst zu den CDs greifen und die Anlage mit der Die Monsterabteilung-CD füttern. Dann gibt es 300 Minuten lang Monsterquatsch auf die Ohren.
Bastian Pastewka hat das gleichnamige Kinderbuch von Robert Paul Weston eingesprochen und erzählt seinen jüngeren (und vielleicht auch älteren) Zuhörerinnen und Zuhörern launig und mit viel Stimm-Virtuosität von Elliot, Leslie und ihren monstermäßigen Sommerferien. Empfohlen ist das Hörspiel ab neun Jahren – und ist wohl auch erst dann interessant. Zum einen, weil mehr als fünf Stunden Spielzeit (die bereits eine gekürzte Version des Buches darstellen) doch einen einigermaßen langen Atem einfordern, den jüngere Kinder noch nicht unbedingt aufbringen können. Zum anderen aber, weil Weston seinem Publikum doch ein paar aktive Synapsen zutraut. Den Überblick über alle Monster zu behalten, den Humor und teilweise auch die Begrifflichkeiten zu verstehen ist eine Aufgabe, die eher für ältere Grundschulkinder zu meistern ist. Problematisch sollte es für Kleinere nicht sein – man kann also ganz unbesorgt auch auf der fünfstündigen Fahrt in den Urlaub die Monster ins Auto lassen. Vieles finden sicher alle witzig – manches eben nur manche. Insgesamt besticht Weston – und dessen deutsche Stimme Pastewka – durch einen sehr netten, feinsinnigen Humor.
Die Figuren sind liebevoll gezeichnet, jede eine ganz eigene, liebenswerte Persönlichkeit mit ihren ganz ei-genen, liebenswerten Macken. Die Story ist klar und übersichtlich, aber spannend. Und aus jeder Hör-Minute quellen witzige, kleine Ideen, unglaubliche Bilder, die der Zuhörerschaft in den schönsten Tönen vor das innere Auge gemalt werden und eine riesige Lust am Fantasieren und Traumwelten erkunden. Fast ist es nicht möglich, sich von der Fröhlichkeit und fantastischen Fabulier-Lust des Hörstücks und der herzlichen Liebenswürdigkeit der Monster nicht mitreißen zu lassen. Darüber hinaus ist die Geschichte eine schöne Fabel über Freundschaft und Teamwork, über das Zusammenhalten, selbst bei kleineren und größeren Unterschieden und darüber, wie kleine Leute (und Monster) Großes erreichen können. Und so etwas können Kinderohren schließlich gar nicht oft genug hören!
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansicht
publikationen
Ingrid Paus-Hasebrink: Klassiker der Sozialisationsforschung
Hurrelmann, Klaus/Bauer, Ullrich/Grundmann, Matthias/ Walper, Sabine (Hrsg.) (2015). Handbuch Sozialisationsforschung., 8., vollst. überarb. Aufl., Weinheim: Beltz. 944 S., 78,00 €.
„Nein, gewiß nicht; jedenfalls wollen wir darüber nicht streiten; es ist ein (zu) weites Feld. Und dann sind auch die Menschen so verschieden.“ Zu diesem Schluss kommt in Theodor Fontanes großem Roman Effi Briest Effis Vater, der alte Briest, wenn es gilt, eine unüberschaubare oder widersprüchliche Lage zu beurteilen oder ein komplexes, brisantes Thema zum Abschluss zu bringen.
Klaus Hurrelmann, Ullrich Bauer, Matthias Grundmann und Sabine Walper werden dem alten Briest vermutlich zustimmen: Auch die Sozialisationsforschung ist ein weites Feld. Das Autorenteam aber, welches das Handbuch Sozialisationsforschung nunmehr in seiner achten Auflage herausgebracht hat, ist nicht davor zurückgeschreckt, sich dem breiten interdisziplinären Feld zu stellen und es erneut zu beackern. Das Handbuch Sozialisationsforschung, erstmals 1980 erschienen (damals von Hurrelmann und Ulich herausgegeben), hat seither allen an Sozialisationsforschung interessierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, gleich welcher disziplinären Herkunft, mit zahlreichen erfolgreichen Auflagen mit Aktualisierungen, mit seiner Neuausgabe 1991 und seiner Neuausrichtung 2008 (nunmehr herausgegeben von Hurrelmann, Grundmann und Walper) als kundiger und damit unverzichtbarer Begleiter gedient. Es hat in diesen Jahren das weite Feld der Sozialisationsforschung nicht nur vermessen und mit kritischem, aber unvoreingenommenem Blick für seine vielfältigen interdisziplinären Bezüge die Grenzen des Feldes stets weiter herausgeschoben. Vielmehr hat es das Feld Sozialisationsforschung eigentlich erst als zusammenhängendes Forschungsfeld konturiert und damit wahrnehmbar gemacht, so dass sich etwa zehn Jahre nach dem erstmaligen Erscheinendes Handbuchs eine Konsolidierung des Forschungsfeldes abzuzeichnen begann.
Stets kennzeichnet das Handbuch das Bemühen, die Verwobenheit von Individuum und Gesellschaft zu begreifen. Der Forschungsgegenstand wird aus zwei dominanten Perspektiven – dem Blick auf die Handlungssubjekte und dem Blick auf die sozialen Beziehungen des Individuums – bearbeitet und zunehmend auch ihre Verflochtenheit reflektiert. Das Handbuch Sozialisationsforschung zeichnet nicht nur die Geschichte der Sozialisationsforschung nach, es hat sie vielmehr selbst (mit-) geschrieben. Die Erwartungen an die nun vorliegende Neuausgabe (2015) sind deshalb nicht klein. Das Herausgeberteam des Handbuchs – Klaus Hurrelmann, Matthias Grundmann und Sabine Walper – wurde nunmehr durch Ullrich Bauer, Professor für Sozialisationsforschung in Bielefeld, verstärkt, der mehr noch als bisher den Blick für die hohe Relevanz von Ungleichheit und sozialen Milieus in Sozialisationsprozessen öffnet. Vorweg: Das Handbuch wird den Erwartungen gerecht; es zeigt erneut – und mehr denn je – eindrucksvoll, dass die Sozialisationsforschung ein interdisziplinäres Forschungsfeld ist. Aus der Sicht einer Kommunikationswissenschaftlerin ist der Beitrag von Andreas Lange, der Sozialisation in der mediatisierten Gesellschaft behandelt, besonders erfreulich. Ihm liegt die Überzeugung zu Grunde, dass „die Behandlung des Themas Sozialisation durch Medien von einer Integration medienwissenschaftlicher und sozialisationstheoretischer Konzepte und Befunde profitiert“ (S. 537). Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen: Sozialisationsforschung gerät ohne die Rolle von Medien und den Blick auf den Sinn, den Individuen ihnen vor dem Hintergrund ihrer sozio-strukturellen lebensweltlichen Bedingungen im Rahmen ihrer Entwicklungs- und Lebensaufgaben zumessen, in eine Engführung.
Das Handbuch Sozialisationsforschung ist als der Klassiker weiterhin lebendig. Ihm gelingt es in 47 durchweg überzeugenden Beiträgen von namhaf¬ten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die gesamte Spannbreite der Forschung zur Sozialisation auszumessen und die vielfältigen Facetten der Sozialisation in sechs umfangreichen Kapiteln aufzuspannen: Ausführlich bearbeitet werden die interdisziplinären Grundlagen der Sozialisation (1.), von den beiden tragenden Disziplinen, der Soziologie und der Entwicklungspsycholo¬gie, der Erziehungswissenschaft und Philosophie und – modernen Entwicklungen in der Forschung geschuldet – nun auch der Neurowissenschaften. Es folgt die Reflexion relevanter Modelle und Theorien der Sozialisation (2.), die vom Modell des produktiv realitätsverarbeitenden Subjekts (Hurrelmann/Bauer) und der klaren Verortung der Sozialisation innerhalb unterschiedlicher sozialisatorischer Kontexte als Beziehungspraxis (Grundmann) eingeleitet werden. In vier Beiträgen werden für die Sozialisationsforschung relevante methodische Zugänge vorgestellt (3.), darunter auch methodische Zugänge der Genetik, die für die neuereSozialisationsforschung wieder an Bedeutung gewonnen hat und die etwa am Beispiel von Kindesmisshandlung eindrucksvoll Interaktionen zwischen Genetik und Umwelt aufzeigt. Erfreulich gewesen wäre trotz des guten Überblickartikels von Boenke und Hadjar zu Forschungsdesigns und statistischen Verfahren und der darin enthalten kurzen Erläuterung triangulativen Forschens noch ein eigenes Kapitel zu paradigmenüberspannenden Mehr-Methodendesigns.
Den zentralen Kontexten der Sozialisation (4.) wird mit zwölf Beiträgen zu Recht breiter Raum zugemessen. Von der Familie über die Gleichaltrigengruppe, formelle wie informelle Bildungskontexte – um nur einige in diesem Oberkapitel behandelte Themen zu nennen – bis hin zur zentralen Frage nach den sozialen Milieus, die mit ihren jeweiligen Begrenzungen und Ermöglichungen den Rahmen der lebenslangen Sozialisation setzen, und der Frage, was Sozialisation in der Einwanderungsgesellschaft bedeutet. Das mittlerweile breit ausdifferenzierte Konzept der sozialräumlichen Sozialisation wird ausführlich beleuchtet. Erfreulicherweise wird auch die für die deutsche Medienpädagogik relevante, von Dieter Baacke auf Bronfenbrenners Zonen- Modell beruhende, sozial-ökologische Perspektive auf konkrete Handlungs- und Erfahrungsräume junger Menschen gewürdigt. Nach den Dimensionen der Sozialisation (5.) (etwa dem Geschlecht) folgen Beiträge – auch dies anerkennenswert – zur Sozialisation im Lebenslauf (6.). Darin wird der Tatsache Rechnung gezollt, dass Sozialisation mitnichten allein in Kindheit und Jugend stattfindet, sondern dass Sozialisation als ein lebenslanger Prozess zu verstehen ist, der sich in verschiedenen sozialen Zusammenhängen, an denen das Individuum beteiligt ist, vollzieht.
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Ingrid Paus-Hasebrink
Beitrag als PDFEinzelansichtBirgit Irrgang: Medienethik im Diskurs
Prinzig, Marlis/Rath, Matthias/Schicha, Christian/Stapf, In¬grid (Hrsg.). (2015). Neuvermessung der Medienethik. Bilanz, Themen und Herausforderungen seit 2000. Wein-heim/Basel: Beltz Juventa. 392 S., 39,95€.
Häufig werden Werte mit Traditionen und Vermächtnissen aus vergangenen Tagen gleichge-setzt – und erhalten dadurch ein etwas verstaubtes Image. Allerdings ist gerade in der Wertediskussion ein stetiges Anpassen und Neuausrichten an sich verändernde Gegebenheiten notwendig. Besonders in Bereichen, in denen ständig neue Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten entstehen, wird der Ruf nach Normen – die regeln, was moralisch ge-boten, verboten oder erlaubt ist – laut. Globale Medienmärkte und -praktiken, eine umfassende Medienkonvergenz sowie veränderte Nutzungsbedingungen stellen die Medienethik vor neue Herausforderungen. Die Neuvermessung der Medienethik war daher im Jahr 2013 Thema der Jahrestagung der DGPuK-Fachgruppe Kommunikations- und Medienethik und des Netzwerk Medienethik. Um die Ergebnisse und Beiträge der Tagung zu sichern, haben Marlis Prinzig, MatthiasRath, Christian Schicha und Ingrid Stapf das Sammelwerk Neuvermessung der Medienethik. Bilanz, Themen und Herausforderungen seit 2000 herausgegeben. Überlegungen, Forschungsergebnisse und Forderungen gliedern sich darin in sechs Teilgebiete.
Von der Fachgeschichte und Fachzunft über die Klärung von Begrifflichkeiten bis hin zu medialen Spannungs- und Anwendungsfeldern sowie einem Theorie-Praxis-Transfer – der Sammelband nimmt das Thema mit insgesamt 22 Aufsätzen ganzheitlich unter die Lupe. Die Entwicklung der deutschen Kommunikations- und Medienethik bildet den Einstieg. Im Kapitel Fachgeschichte und Fachzunft wird unter anderem ein „konsequente[r] Übergang zur Interdisziplinarität sowie die Wiedergewinnung transdisziplinärer Perspektiven durch den Einbezug von Praktikern“ (S. 11) gefordert. Begriffe, Theorien und die Systematisierung der Medienethik bilden den zweiten Teilbereich. Dessen Schwerpunkte liegen auf der Definition der Medienethik als angewandte Ethik sowie auf Überlegungen über eine ‚Ethik des medialen Zeitalters‘.
Nicht nur der Journalismus wird als mediales Spannungs- und Anwendungsfeld identifiziert. Neue Medien sowie Medienakteurinnen und -akteure müssen auch in den Diskurs um medienethische Fragestellungen einbezogen werden. Auch Computerspiele als Alltagshand-lung fordern moralische Entscheidungen. Daher werden aus der Perspektive der Rezipiente-nethik die Verantwortungshorizonte der unterschiedlichen Akteurinnen, Akteure und Institu-tionen betrachtet. Als Spannungsfeld wird auch das Internet identifiziert. Dabei wird der Fokus vor allem auf den Zusammenhang von Internetnutzung und sozialer Ungleichheit gelegt. Netzneutralität sowie der technische Zugang zu Online-Angeboten werden von Alexander Filipović genauer beleuchtet. Die Neuvermessung der Medienregulierung wird in einem eigenen Kapitel behandelt. Die Frage nach journalistischen Standards spielt hier eine wesentliche Rolle. Kostenlose Veröffentlichungen und Fluten von Informationen im Internet stellen Journalistinnen und Journalisten immer wieder vor die Frage, wie Qualität gesichert werden kann. Das Kapitel ‚Theorie-Praxis-Transfer und Methoden‘ greift erneut das komplizierte Verhältnis von Medienethik und Journalismus auf. In der Praxis wird deutlich, dass gerade der Umgang mit Online-Kommentaren geregelt sowie über ein ‚Recht auf Vergessen‘ im Netz nachgedacht werden müsste. Abschließend beschreibt Marlis Prinzig die Situation der Medienethik in der Ausbildung. An Hochschulen, Universitäten sowie an Journalistenschulen spielt die Medienethik – trotz großen Interesses vonseiten der Auszubildenden und Studierenden – keine große Rolle. Prinzig fordert die Medienethik stärker in der Ausbildung von Medienberufen zu verankern.
Der Sammelband Neuvermessung der Medienethik schafft es, auch unerfahrene Leserinnen und Leser mitzunehmen, obwohl es sich nicht um ein in die Medienethik einführendes Werk handelt. Durch die Beschreibung der Entwicklung der deutschsprachigen Kommunikations-und Medienethik sowie das anfängliche Klären von Begrifflichkeiten werden Leserinnen und Leser an die Thematik herangeführt und können nachvollziehbar der anschließenden Diskussion folgen. Die Perspektivenvielfalt, aus der die Neuvermessung der Medienethik beleuchtet wird, ist einmalig. Es gelingt hier, sich von alten Begrifflichkeiten und Modellen loszureißen und neue Perspektiven einzunehmen. Es wird deutlich, dass Medienethik mehr als nur der Pressekodex im Bereich des Journalismus ist und weitere mediale Handlungsfelder in die Diskussion mit einbezogen werden müssen. Allerdings liegt auch in Neuvermessung der Medienethik der Schwerpunkt auf journalistischen Fragestellungen.
Die Frage nach Qualitätssicherung und journalistischen Standards – auch im digitalen Zeitalter – wird umfassend beleuchtet. Obwohl Marlis Prinzig das Fazit zieht, „dass in einer Mediengesellschaft, bei der sich das Publikum zur Community entwickelt, in der jeder publizieren kann, auch jedem die ethischen Grundlagen des Publizierens bekannt sein müssen“ (S. 18), kommen Ansätze zu kurz, die sich auf die Alltagswelt von Kindern und Jugendlichen beziehen, welche sich selbstverständlich in der Onlinewelt bewegen und Beiträge, Meinungen und Informationen veröffentlichen. Gleichwohl wird deutlich, dass Handlungsempfehlungen für die Medienbildung längst überfällig sind. Medienethik wird nicht nur als Professionsethik gesehen, vielmehr steht der zivilgesellschaftliche Charakter im Vordergrund. Empfehlenswert ist der Sammelband für eine breite Öffentlichkeit. Nicht nur in (medien-)ethischen Fachkreisen sind die Thematik und deren Umsetzung lesenswert.
Die fachliche Expertise von 24 Autorinnen und Autoren gesammelt in einem Werk spricht zusätzlich für sich. Vor allem auch für die Medienpädagogik liefert das Herausgeberwerk einen wichtigen Beitrag, medienethische Fragestellungen sowie die aktuellen medienethischen Diskussionen in die praktische Arbeit zu integrieren und auch mit Kindern und Jugendlichen zu diskutieren.
Blatter, Martin/Hartwagner, Fabia (Hrsg.). Digitale Lehr- und Lernbegleiter. Mit Lernplattformen und Web-2.0-Tools wirkungsvoll Lehrund Lernprozesse gestalten. Bern: hep. 248 S., 33,00 €.
Wer seinen Umgang mit medialen Tools zur Unterstützung von Lehr-Lern-Prozessen bislang eher als Experiment betrachtet hat und diesen in Expertise verwandeln möchte, findet in der Publikation von Blatter und Hartwagner hilfreiche Inputs und Erfahrungsberichte. Zudem bietet die umfangreiche Methodensammlung im Ideen-Pool vielfältige Formate für unterschiedliche Lehr-Lern-Situationen. Zu jeder Methode gibt es eine Kurzbeschreibung sowie eine Auflistung von Einsatzmöglichkeiten, notwendigen Tools und Vorbereitungen. Anschließend wird der genaue Ablauf beschrieben. Aus diesem breiten didaktischen Fundus können Lehrende schöpfen, um individuellen, selbstbestimmten Lernprozessen und verschiedenen Zielgruppen gerecht zu werden.
Das Autorenteam betont die unterstützende Funktion medialer Tools beim Aneignen von Lerninhalten. Sinnvoll eingesetzt steigern diese nicht nur die Interaktivität und Partizipation der Lernenden, sondern auch den Spaßfaktor. Dem tristen Einsatz von PDFs sagen sie „Ade!“. Stattdessen tragen sie mit ihrer Publikation zur Förderung eines kreativen, wirkungsvollen Einsatzes von digitalen Lehr-/Lerntechnologien bei. Sie setzen auf die Devise ‚Methode statt Technik‘ und bieten nicht nur Anschauungsbeispiele zu genauen Einstellungen von Tools und konkreten Umsetzungen, sondern auch Zugang zu einem Kurs, über dessen Moodle-Plattform die Autorinnen und Autoren persönlich erreichbar sind. In Genuss dieses Services kommt jedoch nur, wer auf der Verlags-Webseite als Standort die Schweiz wählt.
Alternativ gibt es Leseprobe und -service hier: www.hep-verlag.ch/digitale-lehr-lernbegleiter.
Kreß, Jennifer (2016). Onlinecommunities für Senioren. Wie virtuelle Netzwerke als Unterstützung im Alltag dienen. Wiesbaden: Springer VS. 308 S., 49,99 €.
Das Internet ist längst allgegenwärtig und beeinflusst jeden Lebensbereich – und Menschen jeden Alters. Seit geraumer Zeit gibt es vermehrt zielgruppenspezifische Untersuchungen, die vor allem die Internetnutzung der älteren Generation betrachten – wie im Dissertationsprojekt von Jennifer Kreß. Sie erinnert in Onlinecommunities für Senioren daran, dass bereits der demografische Wandel eine umfassende Betrachtung dieser Zielgruppe rechtfertigt und fragt, inwieweit die Nutzung des Internets und im Speziellen die Einbindung in eine Onlinecommunity ältere Userinnen und User bei der Aufrechterhaltung, Aktivierung oder Neuentwicklung von Ressourcen unterstützt, die ihnen bei der Bewältigung ihres Alltags behilflich sein können. Dazu vereint sie wissenschaftliche und praxisorientierte Standpunkte. Sie zeichnet nach, wie sich moderne Gesellschaftsstrukturen auf die Lebensphase des hohen Alters auswirken und mit welchen Krisen die betroffene Generation konfrontiert ist. Auch wird der bisherige Stand der Alter(n)sforschung – vor allem hinsichtlich Mediennutzung – beleuchtet.
In den nachfolgenden Kapiteln werden zentrale Ergebnisse aus problemzentrierten Interviews mit Seniorinnen und Senioren mittels Falldarstellungen narrativ erschlossen. Es werden sowohl die Biografien von vier Interviewten als auch deren Nutzung und Bedeutungsbeimessung der 50+-Onlineplattform Feierabend.de vorgestellt. Anhand von Musterbildungen werden die Ergebnisse beleuchtet und theoretisch untermauert: Im Fokus stehen Vergemeinschaftungsformen, Identitätsarbeit und schlussendlich die Beantwortung der ressourcenbezogenen Forschungsfrage. Die Publikation richtet sich an Dozierende und Studierende der Medienpädagogik, der Sozialen Arbeit und der Gerontologie, ist aber auch für Interessierte geeignet, die den möglichen Nutzen von Onlinecommunitys für Seniorinnen und Senioren ergründen wollen. Die Darstellung der Studie ist umfassend und zuweilen sehr abstrakt. Die Fallbeispiele lockern das Leseerlebnis jedoch auf und erlauben einen narrativen Einblick in das Phänomen.
Schemmerling, Mareike/Kupser, Thomas (2015). Kampagnen selbstgemacht. Mit Jugendlichen für Toleranz. Praxishandbuch für Jugendarbeit, politische Bildung & Medienpädagogik. München: kopaed. 95 S., 10 €.
Kampagnen erreichen uns in unserem alltäglichen Leben auf unterschiedlichsten Wegen, über das Fernsehen, das Radio, auf Plakatwänden oder im Internet. Das Modellprojekt KAJUTO befasst sich mit KAmpagnen von JUgendlichen für TOleranz und verfolgt dabei zwei Ziele: Toleranzbereitschaft allgemein und Medienkompetenz der partizipierenden Jugendlichen sollen gefördert werden. Die kritische Auseinandersetzung mit Andersartigkeit und Vorurteilen soll nicht nur auf einer reflexiv-theoretischen, sondern auch auf einer aktiv-kreativen Ebene stattfinden, indem Jugendliche alle Produktionsschritte einer Kampagne selber durchlaufen und so zu einem fertigen Endprodukt gelangen.
Die im Rahmen des Projekts erschienene Publikation Kampagnen selbstgemacht versteht sich als Anleitung für eben solche Kampagnenprojekte. Das Autorenteam bezieht sich auf eigene Erfahrungen in der Arbeit mit Jugendlichen. Der zunächst theoretischen Herangehensweise folgt eine Beleuchtung der Kampagnenarbeit aus Sicht der Medienkompetenzförderung. Anschließend wird modellhaft der Projektablauf geschildert, bevor mehrere Vorschläge für verschiedene Kampagnenarten detailliert dargestellt werden. Vorgeschlagen werden Kampagnen, die sich mit Videoclips, Fotoaktionen oder Audiobeiträgen befassen. Kampagnen selbstgemacht dient damit als Grundlage, Ideenanstoß und Leitfaden für all diejenigen, die eine aktive und praktische Herangehensweise zur Förderung der Medienkompetenz anstreben.
Wendel, Johann (2015). Fenster zur Welt. Interkultureller Film, marginalisierte Jugendliche und Performance- Autoethnographie, LiteraturFilm Band 8, Beiträge zur Medienästhetik. Frankfurt am Main: Peter Lang. 521 S., 84,95 €.
Fenster zur Welt beschreibt ein Filmprojekt der interkulturellen Jugendarbeit, das im Jahr 2002 als Kooperation der Universität Siegen und dem Vygotskij Institute in São Paulo initiiert wurde. Das Projekt bestand aus drei Phasen (2002 bis 2006; 2007 bis 2009; 2009 bis 2011) und vernetzte Jugendliche verschiedener Altersstufen, Nationalitäten und sozialer Hintergründe miteinander. In der dritten Phase des Projekts, auf die sich die Dissertation überwiegend stützt, kam es zum Austausch zwischen Zehn- bis 17-Jährigen aus gesellschaftlichen Peripherien in Brasilien, Deutschland und der Türkei.
Dabei schufen sie etwa durch selbst geschriebene Drehbücher autobiografische Fenster zur ihrer ‚real‘ erlebten Welt, lernten Fremdsprachen und standen per Webcam im Aus-tausch miteinander. Wendel ordnet die methodische Herangehensweise seiner Dissertation als Performance-Autoethnographie ein, die partizipative Handlungsforschung, tägliche Projektpraxis, deskriptive Feldforschung und die kontinuierliche Selbstreflexion der Position des Forschenden umfasst. Das übergreifende medienpädagogische Potenzial des Projektes sieht er im Anstoßen einer kritischen Hinterfragung des (industriell) produzierten Mediums Film und der darin teilweise enthaltenen stereotypen Darstellungen anderer Kulturen sowie in der Möglichkeit des Empowerment zur Aneignung narrativer und technischer Fähigkeiten mit dem Ziel der digitalen Inklusion.
Die abgedruckten Artefakte, Feldtagebücher, Interviews machen diesen Prozess und die Evaluation des Projektes auch für die Lesenden transparent und nachvollziehbar. Die Dissertation eignet sich für Medienpädagoginnen und -pädagogen sowie Sozialarbeiterinnen und -arbeiter der Jugendarbeit und/oder Flüchtlingsarbeit mit einem Interesse an medienpädagogischen Projekten.
kolumne
Jürgen Ertelt: #witzefrei
Spaß beiseite, Ernst komm' her. Es geht um Medienkunst. Und um Medienkompetenz. Der schmale blasse Junge mit seiner kleinen Looser-Show Neo Magazin Royale (bisher nur etwa 300.000 Zuschauerinnen und Zuschauer je Erstausstrahlung im TV) soll hier mit einem verdienten Lob- und Dank- ‚Gedicht‘ bedacht werden. Jan Böhmermann heißt die in einem fast 50-köpfigen Produktionsteam eingebettete Figur des gleichnamigen Schauspielers, Sängers, Entertainers und Moderators Jan Böhmermann und er spielt sie virtuos und gut, auf der vollständigen Klaviatur der Medien, online und offline. Er schafft in seiner Sendung mit der Maus für Erwachsene den Spagat von belustigender Unterhaltung und ernsthafter Aufklärung mit dem schärfsten Besteck des Narren – der Satire. Nein, er ist weder egomaner Clown noch arroganter Spießbürger, wie ihn viele Kritikerinnen und Kritiker unverstanden darstellen. Die lauten Rufer, die ihm spätpubertierendes Verhalten vorwerfen, verwechseln Rolle und Person, verstehen den Witz schlicht nicht und gehen ihm so dennoch auf den Leim – wie auch Kanzlerin Merkel, Staatspräsident Erdogan sowieso, BILD-Springer-Döpfner mit falscher Solidarität, und irgendein Hinterbänkler im Bundestag, der das umstrittene Erdogan-Schmähgedicht ohne Kontext in der Debatte um den Majestätsbeleidi-gungsparagrafen rezitierte. Jan Böhmermann, dessen satirischer Beitrag zur Kunstfreiheit innerhalb weniger Tage zur Staatsaffäre wuchs und in den Google-Suchtrends die zeitgleichen Panama Papers weit hinter sich ließ, ist nicht der Staatsfeind Nummer Eins – wohl aber die, die Gegenstand seiner medialen Attacken sind. Jan Böhmermann ist Peter Pan und Robin Hood, Hacker und Aufklärer, Zauberlehrling und Dadaist, Wallraff und Ego-Shooter der Medienkritik, und ein bisschen ‚Au Weiwei‘ :-) – Baacke würde es gefallen. Wir verdanken dem Grimme-Preisträger in der Medienpädagogik den Stinkefinger-Hack #Varoufake und die Entlarvung der geskripten Schwieger-Freakshow #Verafake. Und er macht uns deutlich, dass Journalismus den Medienumbruch noch immer nicht durchdrungen hat. Während Jan Böhmermann mit millionenfacher Reichweite in den Social Media am Beispiel eines bewusst verletzenden Gedichtes vielschichtig ungeklärte Fragen des europäischen Wertegebildes, den Preis der Flüchtlingskrise, der durch einen Autokraten annektierten Demokratie und nicht zuletzt der Presse- und Kunstfreiheit thematisiert, befassen sich die alten Medien mit dem Boten statt mit der überbrachten Nachricht. Der Narr hält den Spiegel bereit und die Hineinschauenden erkennen sich dennoch nicht. Das ist witzig. Wir müssen uns ernsthaft Sorgen machen, dass das Geschäft der anprangernden Analyse und mutigen Bewertung heute mehr von Kabarettisten des Formats wie Schmickler, Pispers, Wagner, Priol, Kalkofe, Kebekus, [nein, Nuhr macht nur Unterhaltung] Böhmermann in Sendungen wie Die Anstalt, extra 3, heute-show oder Mitternachtsspitzen geleistet wird und nicht von gelernten Medienwerkerinnen und -werkern in Politmagazinen und Tageszeitungen. Besonders steil ist das Gefälle in den Weiten des Internets: Dort ist die klassische Berichterstattung fast gar nicht mehr sichtbar und die Stars des politischen Theaters feiern dort Reichweiten, die das Fernsehenund die Zeitung nicht mehr aufholen kann. Was bleibt: Letztlich entscheiden die Gerichte über #freeboehmi und #freecumhuriyet.
[Service: Der Autor stellt gerne den wegen vorgeschobener Qualitätsmängel zensierten Auftritt (nicht nur das alberne Gedicht!) zum Download für lehrende Zwecke zur Verfügung. Den Link zur Sicherungskopie gibt es nach Mail an merz@ertelt.info]
Beitrag aus Heft »2016/03: Empowerment und inklusive Medienpraxis«
Autor: Jürgen Ertelt
Beitrag als PDFEinzelansicht
Ansprechperson
Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
kati.struckmeyer@jff.de
+49 89 68 989 120
Ausgabe bei kopaed bestellen
Zurück