2015/02: Medien und Kindheit
Achtung! Medienpädagogisch sind andere Themen in den Schlagzeilen: YouNow als Plattform für Identitätsarbeit von 13-Jährigen, schwer vermittelbare Folgen von Datenspuren im Netz und die Option politischer Partizipation durch Onlinemedien – die Themen sind vielfältig, die damit verbundenen Chancen groß, weitreichende Veränderungen sind möglich, aber auch an Gefahrenpotenzial bieten die aktuellen Medienentwicklungen kein sparsames Repertoire. Achtung deshalb – weil die Kinder nicht aus dem Blickfeld geraten dürfen. Auch wenn manche medienpädagogischen Herausforderungen schon lange bekannt sind – für die jetzige Kindergeneration sind sie immer noch brisant. Die Altersspanne der frühen und mittleren Kindheit in den Blick zu nehmen und dabei die Rolle der Medien für die Entwicklung insgesamt zu beleuchten, ist ein schwieriges Unterfangen, das auch in merz 2/2015 nicht eingelöst wird. Zu verschieden sind Kindheiten heute, zu verschieden ist auch der kindliche Umgang mit Medien und zu verschieden sind auch die Haltungen, Einstellungen und Verhaltensweisen von Eltern und pädagogischen Fachkräfte zur kindlichen Medienaneignung. Das Heft erhebt daher nicht den Anspruch auf Vollständigkeit in der Darstellung dessen, was Kindheiten heute unter dem Aspekt der Medien bedeuten. Was alle Beiträge miteinander verbindet, ist die Einsicht, dass Medien Teil der Umwelt sind, in der Kinder aufwachsen und die sie sich erschließen müssen. Dass es dabei einer professionellen medienpädagogischen Begleitung bedarf, welche die kindlichen Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit berücksichtigt, steht außer Frage.
aktuell
Konstanze Wegmann: Entwicklungen in der Indizierungspraxis der BPjM
Seit dem 01. April 2013 führt der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Daniel Hajok in Kooperation mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) eine Studie zur Indizierungspraxis der Bundesprüfstelle durch. Für diese Studie werden alle Entscheide der BPjM seit Juli 1954 berücksichtigt, quantifizierbar gemacht und bezüglich der jeweils zugrunde liegenden Argumentation für bzw. gegen eine Indizierung betrachtet. Die quantitative Analyse soll noch im April 2015 – inklusive aller Entscheide bis zu diesem Zeitpunkt – abgeschlossen werden. Eine ausführliche Vorstellung der Ergebnisse wird im Mai 2015 in der Zeitschrift BPjM-Aktuell erfolgen. Die Durchführung und Veröffentlichung vertiefender qualitativer Analysen hingegen wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Begonnen werden soll dabei voraussichtlich mit den Bereichen Musikindizierung und Extremismusdarstellungen. Erste ausgewählte Ergebnisse wurden 2014 bzw. 2015 bereits in zwei Artikeln publiziert. Deutlich wird eine kontinuierliche Anpassung der Prüfkriterien an mediale Entwicklungen und (auch) damit einhergehende Veränderungen der gesellschaftlichen Moralvorstellungen, wie etwa Veränderungen in der Sexualmoral und der Einstellung gegenüber Homosexualität. So wurden durch die Prüfung einiger ‚Schlaglichter‘ fortwährend neue Kategorien als jugendschutzrelevant eingestuft und in die Prüfpraxis aufgenommen. Im Zeitraum von 60 Jahren wurden mehr als 20.000 Objekte geprüft und 16.000 davon schließlich auch indiziert.
Das erste – damals noch von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) – indizierte Medienprodukt, war das Comic-Heft Der kleine Sheriff Nr. 2 – Verwegene Nacht, das wegen seiner als jugendgefährdend eingestuften Darstellung von Gewalt in den Index aufgenommen wurde. Dennoch dominierte die Prüfung von Darstellungen von Sexualität in Erotikromanen und Magazinen die ersten Jahre der Arbeit der Bundesprüfstelle. In den folgenden Jahren wurde die Spruchpraxis um weitere als jugendgefährdend oder schwer jugendgefährdend eingestufte Inhalte erweitert und ausdifferenziert. Im Jahr 1996 wurden Unterseiten der Zuendelsite von Holocaust-Leugner Ernst Zündel als erstes Internetangebot geprüft und indiziert. Mit über 3.600 geprüften Angeboten aus dem Internet, wovon über 3.500 in den Index aufgenommen wurden, handelt es sich seitdem bei den meisten geprüften bzw. zu prüfenden Objekten um Online-Angebote. Knapp ein Viertel der geprüften Internetangebote der letzten zehn Jahre wurde nicht nur als jugendgefährdend, sondern auch als strafrechtlich relevant eingestuft.
Durch die schwere Kontrollier- und Verfolgbarkeit von jugendgefährdenden und strafrechtlich relevanten Inhalten im Internet, ist dort auch verstärkt die Prüfung zuvor selten vorliegender Inhalte, wie die von dokumentierten Verbrechen und Tötungsdelikten, gefordert.Ausführliche Darstellung der Ergebnisse in Hajok, Daniel (2015). Indizierungspraxis der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Zahlen, Fakten und Tendenzen aus über 60 Jahren. In: BPJM-Aktuell, 2 [in Vorbereitung]
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Autor: Konstanze Wegmann
Beitrag als PDFEinzelansichtHelga Theunert und Bernd Schorb: Veränderungen bei merz
Seit neun Jahren prägt Dr. Susanne Eggert als Chefredakteurin das Gesicht von merz entscheidend mit. Als Herausgeberin und Herausgeber sind wir froh darüber, hat sie doch zu allen Zeiten kompetent und in angenehmer Form den Beirat, die ehrenamtliche Redaktion, und Autorinnen und Autoren dazu motiviert, merz als ihr Anliegen zu sehen. Nun aber zieht es Susanne Eggert dorthin zurück, wo sie damals hergekommen ist, in die Forschung des JFF. Erstmal für ein Jahr – vielleicht aber auch länger – wird sie dort unterstützen und mit ihren Erfahrungen vorrangig den Bereich Kinder und Familie mitgestalten. Für die JFF-Forschung ist das ein Glücksfall, was merz angeht, so sind wir natürlich gespalten.
Aber: Susanne Eggert war auch in diesem Zusammenhang konstruktiv und hat uns eine sehr erfolgversprechende Vertreterin empfohlen. Swenja Wütscher, seit 2013 Volontärin bei merz, hat in dieser Zeit auf sich aufmerksam gemacht, als zuverlässige und ideenreiche Mitdenkerin und Mitarbeiterin. Mit ihrem Studium der Medienpädagogik und Erfahrungen mit medienpädagogischen Praxisprojekten und Publikationen bringt Swenja Wütscher gute Voraussetzungen mit, um merz stabil und kreativ weiterzuführen. Susanne Eggert wird Swenja Wütscher inhaltlich unterstützen. Sie betreut darüber hinaus weiterhin merzWissenschaft und wird Mitglied der merz-Redaktion. Wir sind sicher, mit diesen Veränderungen gewährleisten zu können, dass merz seinen hohen Standard hält. Wir wünschen Susanne Eggert viel Erfolg in der Forschung und Swenja Wütscher viel Erfolg bei merz.
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Autor: Helga Theunert, Bernd Schorb
Beitrag als PDFEinzelansichtCornelia Pläsken: stichwort YouNow
Videos aufnehmen, vielleicht noch schneiden und dann ins Netz stellen, das war gestern – Live-Streaming ist heute angesagt! YouNow ist eine kostenlose Live-Videostreaming-Plattform, die als Desktop-Anwendung und App verfügbar ist. Ursprünglich wurde die Plattform für YouTuberinnen und YouTuber sowie Musikerinnen und Musiker geschaffen, damit diese mit ihren Fans direkt in Kontakt treten können. Mittlerweile wird YouNow laut offizieller Aussage aber von 15- bis 25-Jährigen dominiert. Doch wie genau funktioniert das Videostreaming-Portal? Mithilfe eines Facebook-, Google- oder Twitter-Accounts kann man sich anmelden und via Kamera direkt loslegen. Jeder Nutzende hat ein Profil. Für den eigenen Stream kann man Likes bekommen. Je mehr Likes, umso schneller winkt der nächste Level. Auch andere Aktivitäten führen zu einem höheren Level. Der erreichte Level zeigt anderen Nutzenden, wie beliebt und erfahren man in der Community bereits ist.
Neben dem Stream gibt es ein Chat-Fenster, an dem sich angemeldete Userinnen und User beteiligen können, um Kommentare abzugeben oder Fragen zu stellen. Per Chat gibt es auch die Möglichkeit Geschenke zu verschicken, beispielsweise Emojis. Zusätzlich gibt es auch Premium Geschenke, die allerdings bezahlt werden müssen. Durch den Erwerb kann man sich beispielsweise im Chat hervortun oder 50 Likes auf einmal verteilen. Doch was macht die Faszination von YouNow aus? Die Live-Übertragung gibt der Selbstdarstellung eine neue Qualität. Die Nutzenden können ohne weitere Barrieren private Einblicke geben und zeitgleich Rückmeldung dazu aus der Community bekommen. Allerdings wissen sie nicht, wer gerade zusieht und Fragen stellt. Problematisch ist, dass viele Userinnen und User zu unvorsichtig mit ihren persönlichen Daten umgehen und zum Beispiel Namen, Adresse und ihre Schule preisgeben. Das Thema Jugendschutz ist zwar in den Regeln des Anbieters festgesetzt, aber die Kontrolle darüber gestaltet sich schwierig, da die Übertragung in Echtzeit geschieht und jugendgefährdende Inhalte oft erst weit im Nachhinein geblockt werden können.
Eine Gefährdung kann aber auch von den Zuschauenden ausgehen, wenn sie Kinder unter Druck setzen und unangemessene Dinge einfordern. Schließlich spielt auch das Thema Urheberrecht bei YouNow eine Rolle. Musik im Hintergrund ist nicht erlaubt, ebenso wenig wie andere Personen mit zu filmen, die nicht auf der Plattform angemeldet sind. Für einen sicheren Umgang mit der Plattform empfiehlt es sich, wenige Profilinformationen anzugeben, unangemessenes Verhalten von Nutzenden zu melden und während des Streams keinerlei private Informationen weiterzugeben.
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Autor: Cornelia Pläsken
Beitrag als PDFEinzelansichtKonstanze Wegmann: Digitale Schule – Vernetztes Lernen
Der Studienbericht Digitale Schule – Vernetztes Lernen basiert auf zwei repräsentativen Befragungen, die im Auftrag des Digitalverbandes BITKOM durchgeführt wurden. Dafür wurden Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler zur Medienausstattung, dem Medieneinsatz und ihren Wünschen für eine ‚digitale Schule‘ befragt. Als Rahmenbedingung der Einbindung von Medien und medialen Inhalten in den Schulunterricht ist zunächst die Geräteausstattung der Schulen zu berücksichtigen. 65 Prozent der Schülerinnen und Schüler und 69 Prozent der Lehrkräfte halten die technischen Voraussetzungen an ihrer Schule für verbesserungswürdig. Stationäre PCs (99 %), Notebooks (89 %) sowie Beamer (98 %) können dabei als mediale Grundausstattung an Schulen bezeichnet werden, Smart- bzw. Whiteboards (62 %) sind in über der Hälfte der Schulen vorhanden, wohingegen Tablet-PCs (18 %) sowie E-Book-Reader (4 %) nur an wenigen Schulen zur Ausstattung gehören. Während 85 Prozent der Schülerinnen und Schüler von einem täglichen Einsatz von Fotokopien im Schulunterricht berichten, werden Smart- bzw. Whiteboards und Notebooks bzw. Laptops jeweils bei knapp über einem Drittel der Befragten täglich verwendet. Die meisten anderen Medien kommen – auch aufgrund des geringen Gerätebesitzes – nur im Unterricht sehr weniger Schülerinnen und Schüler täglich zum Einsatz. Zusätzlich beschränkt sich der Gebrauch der Geräte zumeist auf Präsentationen und Rechercheaufträge. Eine deutliche Veränderung zeigt sich in der Einstellung der Lehrkräfte gegenüber dem Einsatz von elektronischen Medien im Unterricht: Während 2011 nur 13 Prozent der Lehrenden diesen Einsatz als positiv bewerteten – 64 Prozent jedoch immerhin als eher positiv –, beurteilen ihn 2014 66 Prozent der Lehrkräfte als positiv und 29 Prozent als eher positiv und auch die Schülerinnen und Schüler bestätigen die Technikaffinität ihrer Lehrkräfte. 71 Prozent der Schülerinnen und Schüler wünschen sich den verstärkten Einsatz von Lernvideos im Schulkontext. Thematisch sollten dabei nach Ansicht der Lernenden primär rechtliche Grundlagen (68 %), die richtige Bedienung von Programmen (53 %) und das ‚richtige‘ Verhalten in Chats und sozialen Netzwerken (51 %) besprochen werden. Eine Einführung des verpflichtenden Schulfaches Informatik für die Klassen fünf bis zehn befürworten 75 Prozent der Lernenden und 73 Prozent der Lehrenden.
Die gesamten Studienergebnisse stehen online zum Download bereit.
www.bitkom.org/de/publikationen/38338_81533.aspx
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Autor: Konstanze Wegmann
Beitrag als PDFEinzelansichtKonstanze Wegmann: Ethik macht klick. Werte-Navi fürs digitale Leben
Die Aushandlung von Normen und Wertvorstellungen ist Teil der kindlichen und jugendlichen Entwicklung von Medienkompetenz. Durch die Förderung dieser Aushandlungs- bzw. Lernprozesse sollte eine Sensibilisierung für und Reflexion von interessengeleiteten Wert- und Handlungsangeboten angestoßen werden. Insbesondere digitale Entwicklungen bieten Kindern und Jugendlichen eine Vielzahl solcher Angebote, wodurch eine Orientierung zunehmend schwerfallen kann. Werden in diesem Zusammenhang ‚neue‘ bzw. ‚andere‘ moralische Normen benötigt? Welche unterschiedlichen Perspektiven sollten dabei Beachtung finden?
Basierend auf diesen Überlegungen ist es Ziel des im Februar 2015 erschienenen Werte-Navis von klicksafe und dem Institut für Digitale Ethik (IDE), Medienpädagogik und Medienethik zusammenzuführen und konkrete methodische Herangehensweisen und Projektideen für die medienpädagogische Praxis aufzuzeigen. Das Werte-Navi richtet sich an Lehrkräfte und Pädagoginnen sowie Pädagogen und fokussiert – nach einem Überblick zum Thema Ethik und Werte – thematisch die Bereiche ‚Privatsphäre und Big Data‘, ‚Verletzendes Online-Verhalten‘ und ‚Mediale Frauen- und Männerbilder‘. Inhaltlich bieten die jeweiligen Kapitel unter anderem Informationen, Beispiele, Reflexionsfragen sowie Video-Tipps. Das vollständige Dokument ist online kostenlos abrufbar.
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Autor: Konstanze Wegmann
Beitrag als PDFEinzelansichtKonstanze Wegmann: KIM-Studie 2014
Im Februar 2015 ist die aktuelle KIM-Studie 2014 (Kinder + Medien, Computer + Internet) des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs) erschienen. Für die repräsentative Studie, die seit 1999 regelmäßig das Medienverhalten der Sechs- bis 13-Jährigen in Deutschland untersucht, wurden 2014 rund 1.200 Kinder und deren Haupterziehende befragt. Neben den Basisthemen und -fragen, die zum Zwecke der Vergleichbarkeit der Ergebnisse bei jeder KIM-Studie berücksichtigt werden, wurde der variierende Fokus im Jahr 2014 auf die Nutzung von Tablet-PCs gelegt. Während nur zwei Prozent der Kinder über ein eigenes Tablet verfügen, befinden sich in 19 Prozent der befragten Haushalte Tablet-PCs. 54 Prozent der Kinder, die Zugriff auf ein Tablet haben, nutzen dieses täglich oder zumindest regelmäßig, wobei die tägliche und regelmäßige Nutzung mit zunehmendem Alter steigen. Die Hälfte der Kinder mit Tablet-Zugang spielt damit regelmäßig, 36 Prozent sehen sich Bilder oder Videos an und 35 Prozent surfen im Internet. Auch 2014 ist das Fernsehen mit 61 Prozent (2012: 57 %) immer noch das Medium, auf das die Kinder am wenigsten verzichten könnten, gefolgt von Computer/Laptop/Internet mit 24 Prozent (2012: 25 %). Nutzen Kinder das Internet, so sind 40 Prozent (2012: 36 %) (fast) täglich online. Zudem ist der Anteil der Wenig-Nutzenden (bis 30 Minuten) auf 23 Prozent (2012: 29 %) gesunken und der Anteil der Intensiv-Nutzenden (mehr als 60 Minuten) auf 33 Prozent (2012: 24 %) gestiegen. Dabei greifen 87 Prozent der Kinder regelmäßig über einen Computer oder Laptop und 32 Prozent über ein Handy oder Smartphone auf das Internet zu. 43 Prozent (2012: 44 %) sind bei einem sozialen Netzwerk angemeldet, 72 Prozent (2012: 55 %) davon bei Facebook. Der Großteil der Eltern (80 %), deren Kinder das Internet nutzen, stellt Regeln bezüglich der erlaubten Internetseiten und -angebote auf. Ähnlich verhält es sich bei Computer- und Konsolenspielen sowie der Fernsehrezeption. Zur Nutzung des Handys oder Smartphones werden anteilig am wenigsten Absprachen getroffen. Medienübergreifend werden insbesondere Regeln bezüglich der erlaubten Angebote und Inhalte gesetzt. Von zeitlichen Reglementierungen hingegen berichtet nicht einmal die Hälfte der befragten Haupterziehenden. Die gesamten Studienergebnisse stehen online zum Download bereit. www.mpfs.de/index.php?id=646
Beitrag aus Heft »2015/02: Medien und Kindheit«
Autor: Konstanze Wegmann
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thema
Stefan Aufenanger: Wie die neuen Medien Kindheit verändern
Welche kommunikativen, sozialen und kognitiven Einflüsse hat Mediennutzung auf Kindheit? Entgegen dem oft einseitigen, negativ urteilenden öffentlichen Diskurs, werden mögliche Potenziale des kindlichen Medienumgangs und die damit verbundenen Herausforderungen für die Medienpädagogik angeführt. Ziele der Medienpädagogik sollten das Schaffen von Erfahrungsräumen und die Unterstützung des kindlichen Autonomiebestrebens sein.
Literatur:
Ball, Samuel/Bogatz, Gerry Ann (1970). The first year of Sesame Street: An evaluation. Princeton, New Jersey: Educational Testing Service.
Carr, Nicholas (2010). Wer bin ich, wenn ich online bin ...: und was macht mein Gehirn solange? München: Karl Blessing.
Feierabend, Sabine/Klingler, Walter (2014). Was Kinder sehen – Eine Analyse der Fernsehnutzung Drei- bis 13-Jähriger 2013. In: Media Perspektiven, 4, S. 182-194.
Götz, Maya (1999). Begeisterung bei den Kindern – Besorgnis bei den Eltern. In: TELEVIZION, 12(2), S. 54-63.
MPFS (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest) (2013). KIM-Studie 2012. Kinder + Medien, Computer + Internet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger. Stuttgart.
MPFS (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest) (2015). KIM-Studie 2014. Kinder + Medien, Computer + Internet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger. Stuttgart.
Paus-Hasebrink, Ingrid/Kulterer, Jasmin (2014). Praxeologische Mediensozialisationsforschung. Langzeitstudie zu sozial benachteiligten Heranwachsenden. Baden-Baden: Nomos.
Prensky, Marc (2001). Digital Natives, Digital Immigrants. In: On the Horizon, 9(5), S. 1-6.
Radesky, Jenny S./Schumacher, Jayna/Zuckerman, Barry (2015). Mobile and Interactive Media Use by Young Children: The Good, the Bad, and the Unknown. In: Pediatrics, 135(1), S. 1-3. doi: 10.1542/peds.2014-2251 [Zugriff: 16.03.2015].
Tapscott, Don (1998). NetKids. Die digitale Generation erobert Wirtschaft und Gesellschaft. Wiesbaden: Gabler.
Beitrag aus Heft »2015/02: Medien und Kindheit«
Autor: Stefan Aufenanger
Beitrag als PDFEinzelansichtIngrid Paus-Hasebrink: Mediensozialisation in sozial benachteiligten Familien
Eine als integrative Familienforschung angelegte Langzeitstudie zeigt, dass die Mediensozialisation sozial benachteiligter Kinder von sozio-ökonomischen wie sozio-emotionalen Faktoren geprägt wird, die die Lebensführung ihrer Familie in zentraler Weise mitbestimmen. Zwar sind die Familien zumeist mit Mediengeräten gut ausgestattet, die Ressourcen der Eltern zur (Medien-)Erziehung ihrer Kinder sind jedoch deutlich begrenzt.
Literatur:
Elias, Norbert (1987). Engagement und Distanzierung. Arbeiten zur Wissenssoziologie I. Frankfurt am Main:Suhrkamp.
Kränzl-Nagl, Renate/Mierendorff, Johanna (2007). Kindheit im Wandel – Annäherungen an ein komplexes Phänomen. In: Sozialwissenschaftliche Gesellschaft: SWS Rundschau, 47(1), S. 3-25.
Paus-Hasebrink, Ingrid/Bichler, Michelle (2008). Mediensozialisationsforschung. Theoretische Fundierung und Fallbeispiel sozial benachteiligter Kinder. Innsbruck/Wien/Bozen: Österreichischer Studienverlag.
Paus-Hasebrink, Ingrid/Kulterer, Jasmin (2014). Praxeologische Mediensozialisationsforschung: Langzeitstudie zu sozial benachteiligten Heranwachsenden. Baden-Baden: Nomos.
Paus-Hasebrink, Ingrid/Ponte, Cristina/Dürager, Andrea/Bauwens, Joke (2012). Understanding digital inequality: the interplay between parental socialisation and children´s development. In: Livingstone, Sonia/Haddon, Leslie/Görzig, Anke (Hrsg.), Children, risk and safety on the internet. Research and policy challenges in comparative research. Bristol: The Policy Press. S. 257-271.
Statistik Austria (2012). Armutsgefährdung vor und nach sozialen Transfers nach soziodemographischen Merkmalen. www.statistik.at/web_de/static/armutsgefaehrdung_vor_und_nach_sozialen_transfers_nach_soziodemographische_022859.pdf [Zugriff: 22.10.2014].
UNICEF (2012). Measuring child poverty. New league tables of child poverty in the worlds rich countries. www.unicef.de/blob/9338/550775748dbe6cacc983c88fedbc4454/ar043-rc10-eng-web-final-29may-2012-pdf-data.pdf [Zugriff: 22.10.2014].
Beitrag aus Heft »2015/02: Medien und Kindheit«
Autor: Ingrid Paus-Hasebrink
Beitrag als PDFEinzelansichtKlaus Lutz: Sehnsuchtsort Natur oder das Verschwinden der sinnlichen Wahrnehmung
Die Natur-Angst früherer Zeiten hat sich zu einer Technik-Angst gewandelt, die die Natur ‚romantisiert‘ und für die Förderung der kindlichen Entwicklung idealisiert. Sowohl Natur- als auch Technik-Angst sind aus einem Gefühl des Kontrollverlusts und der Nichtbeherrschbarkeit durch eine ‚Eigendynamik‘ von Natur bzw. Technik entstanden. Es wird für eine Pädagogik plädiert, die Kindern sowohl in der Natur als auch in den Medien Freiräume lässt, aber zugleich Anregungen liefert.
Literatur:
Bunz, Mercedes (2012). Die stille Revolution: Wie Algorithmen Wissen, Arbeit, Öffentlichkeit und Politik verändern, ohne dabei viel Lärm zu machen. Berlin: Suhrkamp.
Renz-Polster, Herbert/Hüther, Gerhard (2013). Wie Kinder heute wachsen: Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken. Weinheim/Basel: Beltz.
Sadigh, Parvin (2013). „Begeisterung soll das Kind leiten“. Wir setzen zu sehr auf kognitive Fertigkeiten, findet Kinderarzt Herbert Renz-Polster: Kinder sollen sich in der Natur ihre fundamentalen Kompetenzen aneignen. Interview mit Herbert Renz-Polster. In: Zeit Online vom 10.09.2013. www.zeit.de/gesellschaft/familie/2013-09/renz-polster-natur-kind [Zugriff: 12.02.15].
Uta Hauck-Thum: „Die kennen sich mit Tablets ja besser aus als ich!“
Digitale Medien spielen im Literaturunterricht der Grundschule nach wie vor eine geringe Rolle. Im Rahmen eines Seminars der Deutschdidaktik an der Ludwig-Maximilians-Universität München erhalten Lehramtsstudierende die Möglichkeit, mit einer 3. Klasse iBooks zu erstellen. Konkrete Praxiserfahrungen im Umgang mit Medien sollen bei den Studierenden zu mehr Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Weiterentwicklungen führen. Nur medienoptimistische Lehrerinnen und Lehrer sind bereit, den fachspezifischen Nutzen des kreativen Einsatzes digitaler Medien im Literaturunterricht zu erkennen.
Literatur:
Aufenanger, Stefan/Luca, Renate (2007). Geschlechtersensible Medienkompetenzförderung: Mediennutzung und Medienkompetenz von Mädchen und Jungen sowie medienpädagogische Handlungsmöglichkeiten, (hrsg. v. Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen). Berlin: Vistas.
Bertschi-Kaufmann, Andrea (2002). Multimedia und Leseförderung in der Schule. Ergebnisse aus den Forschungsprojekten „Literalität im medialen Umfeld“ und „Lesen im Kontext neuer Medien“. In: Bonfadelli, Heinz/Bucher, Priska (Hrsg.), Lesen in der Mediengesellschaft. Stand und Perspektive der Forschung. Zürich: Pestalozzianum. S. 145-161.
Hauck-Thum, Uta (2011). Geschlechtersensible Medienarbeit im Deutschunterricht der Grundschule. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren.Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS) (2012). KIM-Studie 2012. Kinder + Medien, Computer + Internet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger in Deutschland. www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf12/KIM_2012.pdf [ Zugriff: 09.02.2015].
Möbius, Thomas (2005). Wahrnehmen – Vorstellen – Versprachlichen. Aspekte einer Filmdidaktik in der Grundschule. In: Frederking, Volker (Hrsg.), Medien im Deutschunterricht 2005 – Jahrbuch. München: kopaed. S. 92-115.
Nieding, Gerhild/Ohler, Peter (2004). Der Erwerb von Medienkompetenz zwischen 3 und 7 Jahren. In: tv diskurs, 10(4), S. 47-51. www.fsf.de/data/hefte/ausgabe/38/nieding_ohler046_tvd38.pdf [Zugriff: 09.02.2015].
Richter, Karin/Plath, Monika (2005). Lesemotivation in der Grundschule. Empirische Befunde und Modelle für den Unterricht. Weinheim/München: Juventa.
Schulz-Zander, Renate (2002). Geschlecht und neue Medien im Bildungsbereich Schule – Empirische Befunde zur Computernutzung, zu Interessen, zu Selbstkonzept, Interaktion und Förderungsmaßnahmen. In: Kampfshoff, Marita/Lumer, Beatrix (Hrsg.), Chancengleichheit im Bildungswesen. Opladen: Leske + Budrich. S. 251-272.
Achim Lauber und Maren Würfel: Entmutigende Medienkompetenzförderung?!
Welche Konsequenzen hat es für die Medienkompetenzförderung von Kindern, wenn im gesellschaftlichen Diskurs zumeist Risiken des Medienumgangs betont werden? Um zur Diskussion dieser und weiterer Fragen beizutragen, setzt sich der Artikel mit dem Status quo der Medienbildung in inner- und außerschulischen Bildungseinrichtungen und in der Familie auseinander. Anknüpfend an die Herausstellung gegenwärtiger Defizite werden Entwicklungsperspektiven aufgezeigt.
Literatur:
BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) (2014). Deutsche Schüler kennen sich nur mittelmäßig mit Computern aus. www.bmbf.de/de/25291.php [Zugriff: 23.03.2015]BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) (o. J.). Zukunftsprojekt Industrie 4.0. www.bmbf.de/de/9072.php [Zugriff: 23.03.2015].
Bos, Wilfried/Eickelmann, Birgit/Gerick, Julia/Goldhammer, Frank/Schaumburg, Heike/Schwippert, Knut/Senkbeil, Martin/Schulz-Zander, Renate/Wendt, Heike (Hrsg.) (2014). ICILS 2013. Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in der 8. Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. www.waxmann.com/fileadmin/media/zusatztexte/ICILS_2013_Berichtsband.pdf [Zugriff: 23.03.2015].
Deutsche Telekom Stiftung (Hrsg.) (2014). Medienbildung entlang der Bildungskette. Ein Rahmenkonzept für eine subjektorientierte Förderung von Medienkompetenz im Bildungsverlauf von Kindern und Jugendlichen. www.telekom-stiftung.de/dts-cms/sites/default/files//dts-library/materialien/pdf/buch_medienbildung.bildungskette_end.pdf [Zugriff: 23.03.2015].
Eickelmann, Birgit/Gerick, Julia/Bos, Wilfried (2014). Die Studie ICILS 2013 im Überblick – Zentrale Ergebnisse und Entwicklungsperspektiven. In: Bos, Wilfried/Eickelmann, Birgit/Gerick, Julia/Goldhammer, Frank/Schaumburg, Heike/Schwippert, Knut/Senkbeil, Martin/Schulz-Zander, Renate/Wendt, Heike (Hrsg.), ICILS 2013. Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in der 8. Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. S. 9-31. www.waxmann.com/fileadmin/media/zusatztexte/ICILS_2013_Berichtsband.pdf [Zugriff: 23.03.2015].
EU Kids Online (2014a). EU Kids Online: Findings, methods, recommendations. www.eprints.lse.ac.uk/60512/1/__lse.ac.uk_storage_LIBRARY_Secondary_libfile_shared_repository_Content_EU%20Kids%20Online_EU%20Kids_interactive_Final_Report_2014.pdf [Zugriff: 23.03.2015].
EU Kids Online (2014b). EU Kids Online Deutschland Video. www.eukidsonline.de [Zugriff: 23.03.2015].
GMK (Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur) (Hrsg.) (2013). Zusammenfassung: Medienkompetenzförderung für Kinder und Jugendliche – Eine Bestandsaufnahme. www.medienkompetenzbericht.de/pdf/Medienkompetenzbericht_Zusammenfassung.pdf [Zugriff: 23.03.2015].
Heise Online (2015). CeBIT Studie: Personal- und Geldmangel führt Deutschland in Digital-Dilemma. In: Heise Online am 16.03.2015. www.heise.de/newsticker/meldung/Studie-Personal-und-Geldmangel-fuehrt-Deutschland-in-Digital-Dilemma-2575258.html [Zugriff: 23.03.2015].
KBoM! (Keine Bildung ohne Medien!) (2014). Nach ICILS 2013: Initiative „Keine Bildung ohne Medien!“ fordert Bund-Länder-Initiative für Grundbildung Medien in allen pädagogischen Studien- und Ausbildungseinrichtungen. www.keine-bildung-ohne-medien.de/keine-bildung-ohne-medien-fordert-bund-laender-initiative-fuer-grundbildung-medien [Zugriff: 23.03.2015].
Raschdorf, Janina (2015). Wir brauchen einen Internetführerschein für Kinder. In: The Huffington Post am 27.01.2015. www.huffingtonpost.de/janina-raschdorf/wir-brauen-einen-internetfuehrerschein-furkinder_b_6230166.html [Zugriff: 23.03.2015].
Wütscher, Swenja (2015). Nachgefragt Ida Pöttinger, Vorsitzende der GMK. In: merz | medien + erziehung, 59(1), S. 6-7.
Beitrag aus Heft »2015/02: Medien und Kindheit«
Autor: Achim Lauber, Maren Würfel
Beitrag als PDFEinzelansichtFriederike Tilemann und Angelika Speck-Hamdan: "Medienbildung ist Glückssache" Medienkompetenzförderung in der Kindheit
Achtung! Medienpädagogisch sind andere Themen in den Schlagzeilen: YouNow als Plattform für Identitätsarbeit von 13-Jährigen, schwer vermittelbare Folgen von Datenspuren im Netz und die Option politischer Partizipation durch Onlinemedien – die Themen sind vielfältig, die damit verbundenen Chancen groß, weitreichende Veränderungen sind möglich, aber auch an Gefahrenpotenzial bieten die aktuellen Medienentwicklungen kein sparsames Repertoire. Achtung deshalb – weil die Kinder nicht aus dem Blickfeld geraten dürfen. Auch wenn manche medienpädagogischen Herausforderungen schon lange bekannt sind – für die jetzige Kindergeneration sind sie immer noch brisant. So zeigt die aktuelle KIM-Studie 2014 (vgl. MPFS 2015), dass das Fernsehen (trotz aller großen Veränderungen auf dem Medienmarkt und auch in manchen Bereichen der kindlichen Mediennutzung) immer noch das Medium ist, auf das Kinder (zwischen sechs und 13 Jahren) am wenigsten verzichten mögen und welches sie am meisten nutzen.
Manche langjährigen Fragen der Medienkompetenzförderung von Kindern bekommen durch aktuelle Formate, (z. B. Scripted-Reality) oder Nutzungsweisen (mobile Geräte als ‚Beruhigungsmittel‘ bei den außerhäusigen Erledigungen der Familien) neue Herausforderungen. Die Erwartungen, die hingegen Medienpädagoginnen und Medienpädagogen in der Praxis entgegentreten, sind meist andere: „Ich hätte gern ihre Appliste!“ Bei der Hoffnung der Eltern auf die zusätzliche Förderung mithilfe der Medien in den ersten Lebensjahren, die das schulische Lernen der Kinder steigern, verbessern, erhöhen soll …, muss die Medienbildung bereit sein, ihr Kerngebiet der Förderung medienkompetenten Verhaltens zu erklären und dafür zu begeistern. Auch wenn schon viel auf gutem Wege ist, so ist in der Gesellschaft die Medienbildung für Kinder noch lange nicht als selbstverständliches Thema angekommen. Deshalb ist es gut, die Kinder der Altersstufe bis zehn Jahre immer wieder gezielt in den Blick zu nehmen. So soll dieses Heft sich auch dieser Altersgruppe widmen.
Was bedeutet medienpädagogische Kompetenz für pädagogische Fachpersonen bezogen auf die Altersstufe von Kindern?
Im Folgenden wird dies an einzelnen Schlaglichtern der Medienbildung aufgezeigt: Medien und Medieninhalte als Teil der alltäglichen Welt begreifen. Medien sind Teil des Alltags, den Kinder mit Erwachsenen leben. Sie sind Teil der Welt, die Kinder zu verstehen suchen und in der sie sich zurechtfinden lernen. Dies hat die Konsequenz, dass Medienbildung als Teil der Erziehung ernst genommen werden muss und nicht als „gesondertes Extra“, für das noch irgendwo zusätzliche Zeit gefunden werden muss.
Für Chancengleichheit in der Medienbildung sorgen
Die familiäre Medienerziehung findet sehr heterogen statt. Von einer elterlichen, bewahrpädagogischen Haltung bis hin zu einer Überforderung durch Mediennutzung ist der familiäre Umgang mit medienpädagogischen Fragen extrem unterschiedlich. Sehr viele Kinder sind deshalb darauf angewiesen, dass sie in der Schule bzw. in den pädagogischen Einrichtungen dabei unterstützt werden, Medienkompetenz zu entwickeln – und das nicht zufällig und punktuell, sondern basierend auf einem gründlich konzipierten, aufeinander aufbauenden Konzept. Die besondere Chance in den KiTas, aber vor allem in der Grundschule, liegt darin, dass sie wirklich alle Kinder erreicht (im Kindergarten nur annähernd). Dabei fällt den Einrichtungen die keineswegs einfache Aufgabe zu, auf die sehr unterschiedlichen Ausgangslagen der Kinder in angemessener Weise zu reagieren, das heißt, sich einerseits in den Angeboten adaptiv auf die unterschiedlichen Kinder einzustellen und andererseits ein gewisses Fundament für alle zu gewährleisten.
Medienbildung als selbstverständlicher Bestandteil der Pädagogik
In den Ausbildungen und Studiengängen aller pädagogischen Fachkräfte muss die Unterstützung der Medienkompetenzentwicklung von Kindern in den Curricula fest verankert sein. Schwer zu verstehen ist die Situation derzeit, in der medienpädagogische Inhalte verkürzt oder nur sporadisch berücksichtigt werden bzw. auf technische Kompetenz reduziert sind. So ist es vom ‚Glück‘ eines Kindes abhängig, ob dieses eine qualitativ hochwertige Medienbildung erfährt oder von einem Bildungsinhalt ausgeschlossen bleibt. Daraus ergibt sich die logische Konsequenz, dass Medienbildung in den Bildungsplänen aller Länder ausreichend integriert werden muss.
Die Besonderheiten kindlicher Medienaneignung ernst nehmen
Auch in der kindlichen Medienaneignung stellen sich spezifische Entwicklungsaufgaben, die pädagogische Unterstützung erfordern. So ist beispielsweise das Medialitätsbewusstsein (Groeben 2002) eine typische Herausforderung für junge Kinder. Ebenso herausfordernd ist es für sie, Medieninhalte in ihrer Konstruiertheit zu erkennen bzw. ihre Bedeutung für die subjektive Konstruktion von Wirklichkeit einschätzen zu lernen. Hier haben sich diverse handlungsorientierte Methoden bewährt, die durch aktive Medienarbeit und gezielte Reflexion eine wachsende Medienkompetenz ermöglichen.
Medienhandeln als Ausdrucksmittel
Medienpädagogische Angebote sollten nicht nur auf die rezeptive Nutzung von Medien zielen, sondern insbesondere auch Raum für aktives Medienhandeln öffnen. Kinder sollen Medien als Werkzeuge für ihren kreativen Ausdruck, als Mittel zur Verfolgung ihrer Interessen und als Kommunikationsinstrument entdecken können. Schließlich geht es darum, dass sie sich selbst alsMedienhandelnde erfahren.
Medienspuren als symbolische Ausdrucksformen von Kindern lesen
Kinder bearbeiten ihre handlungsleitenden Themen unter anderem mit symbolischem Material ihrer Kultur und verwenden dabei auch Symbolische Objektivationen, um sich und ihrem Umfeld von ihren Fragen und Themen etwas mitzuteilen (Bachmair 1994). Pädagogische Fachkräfte müssen lernen, wie solche Medienspuren in den kindgemäßen Ausdrucksweisen (Zeichnungen, Rollen(-spiel), usw.) zu lesen sind, wie dem kindlichen Thema ein Raum gegeben werden kann und wie die Erkenntnisse für die pädagogische Begleitung des Kindes in seiner individuellen Entwicklung genutzt werden können. Dies sind nur einige Schlaglichter der aktuellen Medienbildung für Kinder, aber in der alltäglichen pädagogischen Arbeit mit Kindern leider noch nicht selbstverständlich.
Zu diesem Heft
Die Altersspanne der frühen und mittleren Kindheit in den Blick zu nehmen und dabei die Rolle der Medien für die Entwicklung insgesamt zu beleuchten, ist ein schwieriges Unterfangen, das auch in diesem Themenheft nicht eingelöst wird. Zu verschieden sind Kindheiten heute, zu verschieden ist auch der kindliche Umgang mit Medien und zu verschieden sind auch die Haltungen, Einstellungen und Verhaltensweisen von Eltern und pädagogischen Fachpersonen zur kindlichen Medienaneignung. Stefan Aufenanger gibt in seinem Beitrag einen Überblick über die Mediennutzungsgewohnheiten von Kindern. Dabei setzt er sich kritisch mit vorgeblichen und tatsächlichen Ergebnissen zur Wirkungsforschung auseinander. Ist es tatsächlich so, dass Medien zum Beispiel für angeblich immer schlechter werdende Leseleistungen von Kindern verantwortlich zu machen sind? Angesichts der Komplexität dessen, was Kinder heute zu verarbeiten haben, wäre das eine zu einfache Zuschreibung. Gleichwohl – und das macht der Beitrag unmissverständlich klar – bergen Medien für Kinder ebenso Risiken wie auch Chancen. Es kommt auf Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen an, Kinder verantwortungsvoll zu begleiten.
Dass dies jedoch sehr unterschiedlich geschieht, thematisiert der Beitrag von Ingrid Paus-Hasebrink. Sie beleuchtet die Mediensozialisation von jüngeren Kindern in sozial belasteten Familien. Es hat den Anschein, als wäre Kindheit unter diesen Bedingungen in besonderer Weise „Medienkindheit“, da auf weniger andere Ressourcen der Weltaneignung zurückgegriffen werden kann. Allerdings ist auch hier nicht von einem durchgehenden und gleichen Muster auszugehen. Medien können Zugang zur Welt bedeuten, können aber auch den Zugang zur Welt versperren. Es kommt auf die Art und Weise an, wie sie genutzt werden und welche Nutzungsmuster Kindern zur Verfügung stehen. Den gefühlten Gegensatz zwischen medialer und realer Erfahrung behandelt der Beitrag von Klaus Lutz. Er durchleuchtet die Widersprüchlichkeit in der Haltung vieler Erwachsener – insbesondere Pädagoginnen und Pädagogen –, in der die Natur zu einem „Sehnsuchtsort“ stilisiert wird, während der mediale Erfahrungsraum, den sich junge Kinder erobern, eher abgewertet wird. Dass sich im Zuge der Leistungsanforderungen der Schule die Prioritäten wieder zu verschieben scheinen, sollte auf jeden Fall zu denken geben. Erfahrungen in der Natur und Erfahrungen mit Medien gegeneinander auszuspielen, wird der Komplexität der Herausforderungen, die Kinder beim Aufwachsen zu bewältigen haben, nicht gerecht.
Einen Bogen zur medienpädagogischen bzw. mediendidaktischen Praxis schlägt Uta Hauck-Thum. Sie berichtet von einem Projekt, in dem Lehramtsstudierende zusammen mit Kindern E-Books erstellen. Hier zeigt sich einerseits deutlich, wie unterschiedlich auch die Medienkompetenzen von Studierenden sind, die wir eigentlich schon zu den ‚digital natives‘ zählen; andererseits wird aber auch deutlich, was im Titel dieses Editorials als „Glückssache“ bezeichnet wird. Die Kinder in diesem Projekt hatten die Chance, an ihre individuellen medienbezogenen Alltagserfahrungen anzuknüpfen und sie an einem schulrelevanten Gegenstand weiter entwickeln zu können. In glücklicher Weise verband sich hier literarisches, kreatives und medienbezogenes Lernen. Abschließend fragen Achim Lauber und Maren Würfel, wie die Querschnittsaufgabe der Medienbildung und Medienkompetenzförderung in Deutschland umgesetzt wird. Sie kommen zu dem Schluss, dass es an der Zeit ist, die derzeitigen Praxen kritisch zu prüfen und sich für neue Wege und Kooperationen zu öffnen.
Das Heft erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit in der Darstellung dessen, was Kindheiten heute unter dem Aspekt der Medien bedeuten. Was alle Beiträge miteinander verbindet, ist die Einsicht, dass Medien Teil der Umwelt sind, in der Kinder aufwachsen und die sie sich erschließen müssen. Dass es dabei einer professionellen medienpädagogischen Begleitung bedarf, welche die kindlichen Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit berücksichtigt, steht außer Frage.
Literatur:
Bachmair, Ben (1994). Handlungsleitende Themen: Schlüssel zur Bedeutung der bewegten Bilder für Kinder. In: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.), Handbuch der Medienerziehung im Kindergarten. Opladen: Leske + Budrich. S. 171-184.
Groeben, Norbert (2002). Dimensionen der Medienkompetenz: Deskriptive und normative Aspekte. In: Groeben, Norbert/Hurrelmann, Bettina (Hrsg.), Medienkompetenz. Voraussetzungen, Dimensionen, Funktionen. Weinheim: Juventa. S. 160-197.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS)(2015). KIM-Studie 2014. Kinder + Medien, Computer + Internet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger in Deutschland. www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf14/KIM14.pdf [Zugriff: 18.03.2015].
Beitrag aus Heft »2015/02: Medien und Kindheit«
Autor: Friederike Tilemann
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spektrum
Gerhard Brandhofer: E-Learning. Informatik! Digitale Bildung?
Gibt es eine „digitale Bildung“? Was könnte damit gemeint sein? Schwierigkeiten bereiten die Begriffe digitale Bildung, digitale Kompetenz, E-Learning und die Abgrenzung zur informatischen Bildung und zur Medienbildung. Schließlich stellt sich auch die Frage, welche Konsequenzen das in Anbetracht der Leitmedientransformation für die Schule hat.
Literatur:
Baacke, Dieter (1996). Medienkompetenz - Begrifflichkeit und sozialer Wandel. In: Rein, Antje von (Hrsg.), Medienkompetenz als Schlüsselbegriff. Bad Heilbronn: Klinkhardt. S. 112-124.
Bachmann, Gudrun/Bertschinger, Antonia/Miluška, Jan (2009). E-Learning ade – tut Scheiden weh? In: Apostolopoulos, Nicolas/Hoffmann, Harriet/Mannsmann, Veronika (Hrsg.), E-Learning 2009: Lernen im digitalen Zeitalter. Münster: Waxmann. S. 118-128.
Baier, Stefan (2009). Einsatz digitaler Informations- und Kommunikationsmedien im Fremdsprachenunterricht. Methodisch-didaktische Grundlagen. Frankfurt a. M.: Peter Lang.
Baumgartner, Petra/Häfele, Hartmut/Maier-Häfele, Kornelia (2002). E-Learning Praxishandbuch: Auswahl von Lernplattformen; Marktübersicht - Funktionen - Fachbegriffe. Innsbruck: Studien Verlag.
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Beitrag aus Heft »2015/02: Medien und Kindheit«
Autor: Gerhard Brandhofer
Beitrag als PDFEinzelansichtIgor Krstoski: Das iPad – im Spannungsfeld zwischen Kommunikationshilfe und Arbeitsmittel
An Schulen für Körperbehinderte aber auch an Schulen für geistige Entwicklung werden häufiger iPads eingesetzt. Deren Einsatz ist evident. Zum einen werden iPads, wie bisher PCs und Lernsoftware, zum Üben von Aufgaben und Festigen von Lerninhalten verwendet. Auf der anderen Seite kommen iPads als Kommunikationshilfen zum Einsatz. Warum erfreuen sich gerade iPads an den beiden genannten Schularten besonderer Beliebtheit?
Literatur:
Andres, Paul (1996). Die Bedeutung der Positionierung für eine erfolgreiche Unterstützte Kommunikation. In: isaac – Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation (Hrsg.), „Edi, mein Assistent“ und andere Beiträge zur Unterstützten Kommunikation. Reader der Kölner Fachtagungen. Düsseldorf: selbstbestimmtes leben. S. 290-299.
Breul, Wolfgang (2012). Elektronische Kommunikationshilfen - ein Überblick. In: von Loeper Literaturverlag/isaac – Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation (Hrsg.): Handbuch der UK. Karlsruhe: von Loeper. S. 04.005.001-04.011.001.
Hallbauer, Angela (2013). „Appsolut Literacy“. In: Hallbauer, Angela/Hallbauer, Thomas/Hüning-Meier, Monika (Hrsg.), UK kreativ! Wege in der Unterstützten Kommunikation. Karlsruhe: von Loeper. S. 161-180.
Hallbauer, Angela (2014). Alles iPad – oder was? Unterstützt Kommunizieren, Lernen und Teilhaben mit dem iPad. In: Das Band, 4, S. 18-19.
Hallbauer, Angela/Kitzinger, Annette (Hrsg.) (2015). Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad. 1. Aufl. Karlsruhe/Baden: von Loeper.
Hallbauer, Angela/Reinhard, Sven (2015). Accessibility des iPads. Bedienbarkeit, Einstellmöglichkeiten und Zubehör für einen (fast) barrierefreien Zugang. In: Hallbauer, Angela/Kitzinger, Annette (Hrsg.), Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad. 1. Aufl. Karlsruhe/Baden: von Loeper. S. 86-100.
Kitzinger, Annette (2015). Backup, Kindersicherung und mehr. Tipps und Tricks rund um das iPad. In: Hallbauer, Angela/Kitzinger, Annette (Hrsg.), Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad. 1. Aufl. Karlsruhe/Baden: von Loeper. S. 29-36.
Krstoski, Igor (2015a). Das iPad an Förderzentren für körperlich-motorische Entwicklung und an Förderzentren für geistige Entwicklung. In: Hallbauer, Angela/Kitzinger, Annette (Hrsg.), Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad. 1. Aufl. Karlsruhe/Baden: von Loeper. S. 8-17.
Krstoski, Igor (2015b). Kommunikationsanbahnung und iPad – geht das?. Erscheint in Orientierung, 3, 2015. [in Vorbereitung]
Krstoski, Igor/Reinhard, Sven (2013). Das iPad in der Unterstützten Kommunikation. In: Hallbauer, Angela/Hallbauer, Thomas/Hüning-Meier, Monika (Hrsg.), UK kreativ! Wege in der Unterstützten Kommunikation. Karlsruhe: von Loeper. S. 409-428.
Lange, Sabina (2015). Kommunikation mit Symbolen. Deutschsprachige Apps für das iPad. In: Hallbauer, Angela/Kitzinger, Annette (Hrsg.), Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad. 1. Aufl. Karlsruhe/Baden: von Loeper. S. 46-65.
Lingen, Achim (1994). Elektronische Kommunikationshilfen für nichtsprechende Schülerinnen und Schüler mit infantiler Zerebralparese. Grundlagen - Ziele - Möglichkeiten. Wetter: Evangelische Stiftung Volmarstein.Urff, Christian (2011). Computergestützte Handlungen. www.lernsoftware-mathematik.de/?p=953 [Zugriff: 16.02.2015].
Waigand, Monika (2015). Schriftbasierte Kommunikation. Deutschsprachige Apps. In: Hallbauer, Angela/Kitzinger, Annette (Hrsg.), Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad. 1. Aufl. Karlsruhe/Baden: von Loeper. S. 66-75.
Zentel, Peter (2010). Zur Bedeutung multipler Repräsentationen beim Lernen mit dem Computer und Internet für Menschen mit geistiger Behinderung, ver. Diss., Eberhard – Karls – Universität Tübingen.
Heinz Moser, Klaus Rummler und Walter Scheuble: Medieneinsatz im Berufswahlunterricht – visualisierte Berufswünsche
In der Berufswelt hat die Arbeit mit Medien einen hohen Stellenwert. Dies sollte auch der Berufswahlunterricht verstärkt abbilden. Vor diesem Hintergrund hat das an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PH Zürich) initiierte Schulprojekt „Visualisierte Berufswünsche: Potenziale der Fotografie für Berufsbildung und Berufswahlunterricht (VIBES)“ (gefördert durch den Schweizerischen Nationalfonds) gearbeitet: Mit selbst gestalteten Fotografien visualisieren Jugendliche die eigene Berufswünsche. Gleichzeitig entstanden aus der Fotodokumentation visuelle und narrative Berufsbiografien, welche die Schülerinnen und Schüler mittels einer Powerpoint-Präsentation im Unterricht vortrugen.
Literatur:
Amiel, Tel/Reeves, Thomas C. (2008). Design-Based Research and Educational Technology: Rethinking Technology and the Research Agenda. In: Educational Technology & Society, 11(4), S. 29-40.
Moser, Heinz (2015). Instrumentenkoffer für die Praxisforschung. Freiburg: Lambertus.
Reinmann, Gabi/Sesink, Werner (2014). Begründungslinien für eine entwicklungsorientierte Forschung. In: Hartung, Anja/Schorb, Bernd/Niesyto, Horst/Moser, Heinz/Grell, Petra (Hrsg.), Jahrbuch Medienpädagogik 10. Methodologie und Methoden medienpädagogischer Forschung. Wiesbaden: Springer VS. S. 75-89.
Tulodziecki, Gerhard/Grafe, Silke/Herzig, Bardo (2013). Gestaltungsorientierte Bildungsforschung und Didaktik. Theorie – Empirie – Praxis. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Wang, Feng/Hannafin, Michael J. (2005). Design-based research and technology-enhanced learning environments. In: Educational Technology Research and Development, 53(4), S. 5-23.
Weitere Projektinformationen: blog.phzh.ch/vibes [Zugriff: 11.02.2015].
Beitrag aus Heft »2015/02: Medien und Kindheit«
Autor: Walter Scheuble, Klaus Rummler, Heinz Moser
Beitrag als PDFEinzelansichtTimo Bautz: Kommunikation
Dass Unterrichten schwieriger wird, gehört zu den wenigen unstrittigen Einsichten der pädagogischen Profession. Es gelingt nur noch mit Mühe ein Thema in einer Klasse über eine Schulstunde hinweg zu kommunizieren. Die Grundkonstellation, themenzentriert mit Schülerinnen und Schülern über ein ganzes Schuljahr hinweg zu interagieren, wird immer störanfälliger. Sozialisiert in einer thematisch, zeitlich und sachlich selbstgesteuerten Kommunikation am Handy, mit beliebig vielen Personen in der Ferne, erlebt die jetzige Schülergeneration Kommunikation unter Anwesenden zum Zwecke der Instruktion viel stärker als Zumutung. Diese Ausgangthese liegt den folgenden Überlegungen zur Kommunikation und ihrer pädagogischen Ausrichtung zugrunde.
Literatur:
Baecker, Dirk (2011). Studien zur nächsten Gesellschaft. Frankfurt: Suhrkamp.
Comenius, Johann A. (2007). Große Didaktik. Die vollständige Kunst, alle Menschen alles zu lehren. Stuttgart: Klett-Cotta.
Luhmann, Niklas (1984). Soziale Systeme. Frankfurt: Suhrkamp.
Wittgenstein, Ludwig (2003). Philosophische Untersuchungen. Frankfurt: Suhrkamp.
medienreport
Markus Achatz und Michael Bloech: Starke Kinder – Schwache Eltern
Einen inhaltlichen Schwerpunkt der Filme in der Sektion GENERATION der diesjährigen Internationalen Filmfestspiele in Berlin bildete häufig ein aus den Fugen geratenes Verhältnis zwischen Kindern und Eltern. Konkret wurde in vielen Produktionen das Versagen der Eltern in den Vordergrund gestellt, auf das im Gegenzug die Kinder mit Stärke, Mut und anarchischer Selbstständigkeit reagieren mussten. In einigen Produktionen fehlten die Eltern sogar gänzlich, wie in der amerikanischen Produktion Golden Kingdomvon Brian Perkins, der das Leben von vier kleinen Jungen erzählt, die als burmesische Mönche eine Zeit lang völlig auf sich allein gestellt sind. Oder Im Spinnwebhaus von Mara Eibl-Eibesfeldt (gezeigt in der Berlinale Cross-Section), die Geschichte dreier Kinder, die nach dem Weggang ihrer Mutter ebenfalls ganz ohne Erwachsene ihren Alltag meistern müssen. Maryanne Redpath, die Leiterin der Berlinale Sektion GENERATION Kplus, also des Kinderfilmprogramms, hat Jahr für Jahr bei der Zusammenstellung der Filme mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Das Dilemma besteht zum einen darin, dem Unterhaltungsbedürfnis des jungen Kinopublikums gerecht zu werden und zum anderen anspruchsvolle Kinokost zu präsentieren, das heißt Kinder zur Rezeption differenzierter ästhetischer Formen, komplexer und oft eher emotional belastender Handlungsstränge zu animieren. Daneben gilt es, das gesamte Altersspektrum der Zielgruppe zu berücksichtigen. Kein leichtes Unterfangen, zumal viele Produktionsfirmen sich bei der Terminsetzung der Filmstarts nicht nach dem Terminplan der Berlinale richten beziehungsweise richten können. Einige deutsche Filme, die im Laufe des Jahres 2015 starteten, wie Rico, Oskar und das Herzgebreche von Wolfgang Groos oder Rettet Raffi!, der neue Film von Arend Agthe, waren daher schon allein aus diesem Grund nicht im Programm von Kplus. So hat Maryanne Redpath 2015 den Schwerpunkt auf formal anspruchsvolle Filme gelegt, ältere Kinder stärker in den Fokus gerückt und inhaltlich den Blick auf eher Bedrückendes gelegt.
Die Leichtigkeit eines Papierfliegers
Fulminant eröffnet wurde das Programm mit der farbenfrohen, australischen Produktion Paper Planes (Papierflieger) von Robert Conolly, einem warmherzigen, humorvollen, unterhaltsamen Film für die ganze Familie. Der elfjährige Dylon lebt nach dem Tod seiner Mutter zusammen mit dem depressiven Vater in einer Baracke im australischen Outback. Allerdings ist der Junge das genaue Gegenteil seines Vaters, er ist engagiert, optimistisch, mutig und auch überaus geschickt, wenn es darum geht Papierflieger zu basteln und diese über eine enorme Distanz segeln zu lassen. Mit seiner ausgeklügelten Papierfalttechnik, seiner enormen Beharrlichkeit und vielem Training gelingt es dem Jungen sogar, an den Weltmeisterschaften in Tokio teilzunehmen. Selbst den in völlige Lethargie versunkenen Vater kann er mit seiner ansteckenden Euphorie ein wenig aus der depressiven Situation reißen. Der wunderbare Film vermag gut zu unterhalten und ein angenehmes Gefühl von Leichtigkeit zu vermitteln. Die Grundaussage, wonach es nur darauf ankommt etwas Wunderbares zu schaffen, unabhängig vom Erreichen eines Sieges, verfolgtder Film allerdings ein wenig halbherzig, was zwar schade, insgesamt aber zu verschmerzen ist.
Schneepiraten – Kindheit im eisigen Faschismus
Wesentlich bedrückender ist die Situation der Kinder im türkisch/kurdischen Film Kar Korsanları (Schneepiraten) von Faruk Hacıhafızoğlu. Die Freunde Serhat, Gurbuz und Ibrahim erleben 1981 in der türkischen Kleinstadt Kars im armen Nordosten Anatoliens einen der grimmigsten Winter. Gemeinsam sausen sie tagsüber auf ihren Schlitten durch die bitterkalte Schneelandschaft, immer auch auf der Suche nach etwas Brennbarem, den Kohleresten aus achtlos entsorgten Aschenhaufen. Ihre Väter sind nicht präsent, arbeiten zumeist fern der Heimat im Ausland. Die totalitären Auswirkungen der Militärdiktatur erleben die Kinder dabei mehr und mehr, insbesondere als ihr älterer Freund entführt und schließlich gefoltert wird. Neben all diesem Grauen merken die Kinder, wie wichtig Freundschaft und Mut in einer solch beklemmenden Situation sind, um bestehen zu können. Mit der handlungsarmen Geschichte, den überaus ruhigen, sorgfältig gewählten Einstellungen und dem radikal zurückgenommenen Musikeinsatz, steht der Film den Rezeptionsgewohnheiten heutiger Kinder entgegen. Vielleicht ist aber gerade dies der Reiz der Schneepiraten, denn der Film zeigt aus dem unverstellten Blick von Kindern ein Stück aktueller Geschichte um Ohnmacht und Willkür.
So wie ich bin – You‘re Ugly Too
Ohne ihre Eltern muss auch die elfjährige Stacey im Film You’re Ugly Too (So wie ich bin) (Irland 2014) auskommen. Nachdem sie beide Eltern verloren hat, ist ihr Onkel Will der einzige nahe Verwandte und soll sich um das Mädchen kümmern. Stacey kennt ihn gar nicht richtig und bleibt ihm gegenüber skeptisch. Will möchte partout nicht erzählen, warum er im Gefängnis war. Die beiden ziehen in eine Trailerparksiedlung in den Midlands. Obwohl Staceys Mutter erst vor sechs Wochen gestorben ist und die Lebensbedingungen schwierig bleiben, bemüht sich Will, dass die Dinge möglichst normal laufen. Er muss sich bewähren, denn sonst droht die Rückkehr in den Knast. Stacey leidet überdies an Narkolepsie und schläft manchmal unvermittelt ein. Als sie schließlich herausfindet, warum Will im Gefängnis war, wird alles noch schwieriger. Das Langfilmdebüt von Mark Noonan ist ein lakonischer Film, der mit wunderbaren Dialogen und irischem Humor gleichermaßen anrührend und charmant wirkt. Stacey und Will sind zwei starke Figuren, deren Persönlichkeiten zwar aufgrund der schicksalhaften Erlebnisse Risse bekommen haben, sich aber dennoch ihrer jeweiligen Verantwortung stellen. Noonan, von dem auch das Drehbuch stammt, gelingt es dabei hervorragend, der Protagonistin und dem Protagonisten intelligente und witzige Texte auf den Leib zu schreiben. Das anfangs spröde Duo Stacey und Will – grandios dargestellt von Nachwuchstalent Lauren Kinsella und dem vor allem in Irland bekannten Aidan Gillen (u. a. Game of Thrones) – wächst dabei behutsam zusammen, obwohl die Zukunft der beiden alles andere als rosig erscheint. Mit seinem relativ offenen Ende gibt der Film keine eindeutige Auflösung, wie es mit Stacey und Will weitergehen wird, bietet aber auf berührende Weise eine hoffnungsvolle Perspektive zwischen feinsinnigem Humor und Pragmatik.
"Iss doch was" – Ess-Störung und Leistungssport
Mit dem Thema Ess-Störung greift der schwedisch/deutsche Beitrag Min Lilla Syster (Stella) von Sanna Lenken ebenfalls ein sehr ernstes und wichtiges Problem auf. Die etwas pummelige Stella merkt allmählich, wie ihre große Schwester Katja immer größere Schwierigkeiten hat, Essen zu sich zu nehmen. Schließlich überrascht sie bei einem gemeinsamen Restaurantbesuch ihre Schwester, als diese sich in der Toilette den Finger in den Hals steckt, um sich zu übergeben. Zu all dem trainiert Katja mehr als hart, um eine erfolgreiche Eiskunstläuferin zu werden und bewegt sich durch die Nahrungsverweigerung mehr und mehr in eine katastrophale, lebensbedrohliche Krise. Stella will helfen, muss aber versprechen, den zunächst unwissenden Eltern nichts zu erzählen. Schließlich eskaliert die Lage, Stella bricht ihr Schweigen und informiert die Eltern, die von dieser Situation allerdings völlig überfordert sind. Mit den Stilmitteln des klassischen Fernsehspiels gibt der Film einen realistischen und oft sehr deprimierenden Blick in das Krankheitsbild von Ess-Störungen, die lebensbedrohliche Formen annehmen können und die ohne fremde, klinische Hilfe kaum zu bewältigen sind. Der Film ist ein Plädoyer dafür, Kindern Mut zu machen, Probleme mit ihren Eltern zu besprechen, aber auch dafür, dass Eltern sich im Umgang mit ihren Kindern Zeit nehmen und genau hinschauen sollten. Vor allem sollten sie den Mut haben, professionelle Hilfe anzunehmen. Die pädagogische Altersempfehlung im Rahmen der Berlinale ist daher mit der Eignung ab 12 Jahren passend. Der mit einem Gläsernen Bären der Kinderjury und einer lobenden Erwähnung der internationalen Jury prämierte Film kann eine gute Gesprächsgrundlage bilden, um eine Diskussion über den Umgang mit diesem Krankheitsbild zu beginnen.
Hermetisch abgeriegelte Welten Berlinale Filme in der Sektion GENERATION 14plus
In zahlreichen Filmen der 14plus-Reihe müssen sich die heranwachsenden Protagonistinnen und Protagonisten in hermetisch abgeriegelten Welten zurechtfinden oder sind in ihrer jeweiligen Umgebung stark auf sich alleine gestellt. Manchmal sind sie abgeschottet innerhalb von isolierten Dorfgemeinschaften oder Familien, werden Opfer religiöser oder kulturell motivierter Ausgrenzung oder leben mehr in virtuellen als realen Welten. Häufig sind sie Außenseiterinnen oder Außenseiter – von anderen ausgeschlossen, Verbannte, Flüchtlinge oder schlichtweg Gefangene.
Auf sich alleine gestellt – El Gurί
Der zehnjährige Gonzalo lebt in einem abgeschiedenen Dorf im Nirgendwo Argentiniens. Wer hier landet, heißt es einmal im Film, kommt nur schwer wieder weg. Der Junge muss sich alleine um seine kleine Schwester kümmern, die noch ein Baby ist und lebt in einem Haus mit der senilen Großmutter, die ebenfalls auf seine Hilfe angewiesen ist. Gonzalos Mutter ist vor einigen Tagen fortgegangen und er glaubt, dass sie schon bald zurück sein wird. Dennoch muss er immer wieder über die drei Dinge nachdenken, die ihm seine Mutter zuletzt gesagt hatte: "Dass sie mich sehr lieb hat, dass ich erwachsen werden soll und dass ich mich um meine Schwester kümmern muss." Erst nach und nach wird Gonzalo klar, was die anderen im Dorf längst wissen: Seine Mutter wird nicht zurückkehren. Doch wer wird sich um ihn und vor allem um seine kleine Schwester kümmern? Julio, der Tierarzt, der kinderlos mit seiner Frau in der Nähe wohnt, oder die junge Lorena, die zufällig aufgrund eines defekten Autos im Dorf gestrandet ist und nicht weiß, wann sie wieder wegkommt? El Gurί ist ein langsamer, ruhiger Film. Die Lethargie des Dorfes bestimmt das Tempo der Geschichte. Regisseur Sergio Mazza hat dies in einer verschachtelten und dadurch fesselnden Erzählweise inszeniert. Wie einzelne Puzzleteile fügt sich die Story nach und nach zusammen und wir erkennen stückweise die Verstrickungen der Dorfbewohner, erhalten Hinweise auf die Vergangenheit der Mutter und das Schicksal Gonzalos und seiner Familie. Die Programmierung von El Gurί in Generation 14plus könnte in Frage gestellt werden und einzelne junge Zuschauerinnen und Zuschauer waren mit diesem Film möglicherweise überfordert. Ein Eindruck, der sich verstärkte, als der zehnjährige Darsteller Maximiliano Garcίa am Ende der Vorführung mit Tränen in den Augen neben dem Regisseur auf die Bühne trat, nachdem er den Film in Berlin zum ersten Mal gesehen hatte. Wie seine Filmfigur Gonzalo erfuhr er erst allmählich die ganze Wahrheit der Geschichte und war davon tief ergriffen. Andererseits ist dies aber auch eine Bestätigung dafür, dass El Gurί in der Tat zu den bemerkenswertesten und beeindruckendsten Beiträgen des diesjährigen Festivals zählte.
Bruder und Schwester – Märchensymbolik mit Fantasy
Im US-amerikanischen Film One & Two ist das Modell der hermetisch abgeriegelten Welt wohl am drastischsten und plakativsten zu finden. Die Geschwister Eva und Zac leben mit ihren Eltern auf einem isolierten Bauernhof ohne Strom, Maschinen und moderne Technik. Alles mutet zuerst wie eine historische Geschichte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts an. Die Familie bewirtschaftet Hof und Felder per Handarbeit, die Wägen werden von Pferden gezogen. Dass hier etwas nicht stimmt, wird nur langsam deutlicher: Hoch oben am Himmel fliegen Jets vorüber und der Vater versucht verbissen, permanent alles unter Kontrolle zu halten. Das naturalistische Ambiente wird zudem durch eine mystische Komponente durchbrochen, denn Eva und Zac haben die übernatürliche Fähigkeit, sich kurzzeitig in Staub zu verwandeln und in Sekundenbruchteilen an anderer Stelle wieder zu erscheinen. Von dieser Eigenschaft machen die beiden vor allem nachts Gebrauch, wenn sie heimlich das Elternhaus verlassen, um in der Natur zu toben oder in den Himmel zu schauen. Die Landschaft, in der die Familie lebt, ist von einer hohen, unüberwindbaren Holzmauer umgeben. Niemand scheint zu wissen, was sich hinter der mysteriösen Grenze verbirgt. Der vermeintlich romantische Ort wird zum Schauplatz dramatischer Ereignisse und zunehmender Tyrannei des Vaters. Die Situation eskaliert weiter, als der Vater hinter Evas und Zacs nächtliche Ausflüge kommt. Strenge Strafen für die beiden Kinder sind die Folge. Gleichzeitig leidet die Mutter an einer unerklärlichen Krankheit. Das bisherige Leben der Familie gerät völlig aus den Fugen, als die Mutter stirbt. Streckenweise hochspannend hat Regisseur Andrew Droz Palermo die Geschichte inszeniert. Die Story changiert dabei zwischen der ländlichen Idylle, den Gewaltexzessen des Vaters gegen die Kinder und der Fantasy-Ebene. Allerdings zeigt die Dramaturgie deutliche Schwächen, indem angedeutete Erzählstränge nicht hinreichend durchdacht sind, offene Fragen unbeantwortet bleiben und selbst die Märchensymbolik schablonenhaft bleibt. Umso mehr wirken die teils gewalthaltigen Szenen, in denen der Vater die Kinder bestraft, übertrieben und für das junge Publikum möglicherweise belastend. Als eine Botschaft des Films könnte gelten, dass vieles im Leben durch Zufall und Schicksal entschieden wird. Doch dies ist bei der komplexen Exposition der Geschichte am Ende zu wenig. Durchaus schade, denn es gibt zahlreiche Szenen, die visuell und akustisch ausgesprochen gelungen sind. Vor allem die Kamera von Autumn Cheyenne Durald und der Score von Nathan Halpern wissen insgesamt zu überzeugen. Leider zerfällt die Klimax im Showdown durch den Einsatz eines völlig aus dem Rahmen fallenden Popsongs.
Tristesse der Vororte – perfekte Kulisse für ein schrilles Jugenddrama
Eröffnet wurde die Jugendfilmreihe GENERATION 14plus mit Prins (Prinz), dem beeindruckenden Spielfilmdebüt des Niederländers Sam de Jong. In einem sich mehr und mehr beschleunigenden Erzähltempo und grellen, teilweise in Visionen eines beklemmenden Drogenrausches getauchten Bildern, wirft der Autor und Regisseur de Jong ein verstörendes Bild der Situationheutiger Jugendlicher in den vom Wohlstand abgekoppelten Vorstädten westlicher Industrienationen. Genauer gesagt, bilden die tristen Wohnfabriken am Ortsrand von Amsterdam die ideale Kulisse für seine mit Laiendarstellerinnen und -darstellern inszenierte Leidens- und Heldengeschichte des Jugendlichen Ayoub. Hier lebt er zusammen mit seiner Halbschwester Demi und seiner frustrierten, depressiven Mutter in einer kleinen Wohnung. Mit seinen halbwüchsigen Freunden hängt er oft im Viertel ab und besucht hin und wieder seinen drogenabhängigen, obdachlosen Vater, der ihn um Geld anbettelt. Die Situation eskaliert, als sich Ayoub mehr und mehr in die hübsche Laura verliebt, die jedoch mit dem älteren, gewalttätigen Franky liiert ist. Um aus der Geschichte heil herauszukommen, sucht Ayoub fatalerweise den Kontakt zu dem bizarren Schwerverbrecher Kalpa. Zwar streift der Film ironisch mit all diesen teils klischeehaften Story-Zutaten die Grenze zum Sozialkitsch, aber dennoch vermag de Jong durch die unsentimentale und packende, immer dichter und drastischer werdende Erzählweise zu fesseln und zunehmend Spannung zu erzeugen. Vielleicht gelingt es dem Film damit sogar, Verständnis für die soziale, finanzielle und emotionale Situation dieser Jugendlichen zu erzeugen, die aus den Verhaltensmustern behüteter Mittelschichtsjugendlicher herausfallen. Zu Recht erhielt Prins eine lobende Erwähnung der Jugendjury.
Paper Planes (Papierflieger)
Australien 2014, 97 Min.
Regie und Buch: Robert Connolly
Darsteller: Ed Oxenbould (Dylan), Sam Worthington
(Jack), Ena Imai (Kimi), Nicholas Bakopoulos-Cooke
(Jason), Julian Dennison (Kevin)
Produktion: Arenamedia (Melbourne), Weltvertrieb:
Arclight (Los Angeles)
Kar Korsanları (Schneepiraten)
Türkei 2014, 83 Min.
Regie und Buch: Faruk Hacıhafızoğlu
Darsteller: Taha Tegin Özdemir (Serhat), Yakup
Özgür Kurtaal (Gürbüz), Ömer Uluç (İbo), Yücel Can
(Deli Durdağı), Isa Mastar (Cesur Cello)
Produktion: Kars Film (Istanbul), Weltvertrieb: noch
offen
You’re Ugly Too (So wie ich bin)
Irland 2014, 81 Min.
Regie und Buch: Mark Noonan
Darsteller: Lauren Kinsella (Stacey), Aidan Gillen
(Will), Erika Sainte (Emilie), George Pistereanu
(Tibor)
Produktion: Savage Production (Dublin), Weltvertrieb:
Picture Tree International (Berlin)
Min Lilla Syster (Stella)
Schweden/Deutschland 2015, 95 Min.
Regie und Buch: Sanna Lenken
Darsteller: Rebecka Josephson (Stella), Amy Deasismont
(Katja), Annika Hallin (Karin), Henrik Norlén (Lasse),
Maxim Mehmet (Jacob), Ellen Lindbom (Iga)
Produktion: Tangy (Stockholm), Weltvertrieb: Wide
(Paris)
El Gurί (The Kid)
Argentinien 2015, 88 Min.
Regie und Buch: Sergio Mazza
Darsteller: Maximiliano Garcίa (Gonzalo), Sofίa Gala
Castiglione (Lorena), Daniel Aráoz (Julio), Susana
Hornos (Alicia)
Produktion: Masa Latina (Victoria, Entre Rίos),
Weltvertrieb: Fandango (Rom)
One & Two
USA 2015, 91 Min.
Regie und Buch: Andrew Droz Palermo
Darsteller: Kiernan Shipka (Eva), Timothée Chalamet
(Zac), Grant Bowler (Vater), Elizabeth Reaser
(Mutter)
Produktion: One & Two / Bow & Arrow (Los Angeles),
Weltvertrieb: Protagonist Pictures (London)
Prins (Prinz)
Niederlande 2015, 78 Min.
Regie und Buch: Sam de Jong
Darsteller: Ayoub Elasri (Ayoub), Jorik Scholten
(Franky), Achraf Meziani (Achraf ), Oussama Addi
(Oussama), Elsie De Brauw (Ayoubs Mutter), Sigrid
Ten Napel (Laura), Olivia Lonsdale (Demi), Chaib
Massaoudi (Ayoubs Vater)
Produktion: 100% Halal (Amsterdam), Weltvertrieb:
Mongrel International (Toronto)Beitrag aus Heft »2015/02: Medien und Kindheit«
Autor: Michael Bloech, Markus Achatz
Beitrag als PDFEinzelansichtKonstanze Wegmann: Von bleichgesichtigen Indianern und düsteren Angsthasen
Der zehnjährige Max (Lorenzo Germeno) ist blass, pummelig und ein Indianer-Häuptling! Was rein äußerlich betrachtet als Gegensatz erscheint, schließt sich für Max nicht aus. Denn es kommt schließlich darauf an, wer man im Herzen ist – das hat ihm sein Vater von klein auf beigebracht. Vor kurzem haben sich seine Eltern jedoch getrennt. Sein Vater Torsten (Christoph Letkowski), ein etwas chaotischer Musiker und ehemals großer Träumer, lässt sich nun gehen, spielt Konsolenspiele statt Musik, trinkt regelmäßig und kommt immer wieder zu spät, wenn er Max abholen soll. Seine Mutter Birte (Alice Dwyer) gibt Stadtführungen und bildet sich an einer Abendschule mit Englisch fort. Dass ihr Lehrer George (Tyron Ricketts) auch ihr neuer Freund ist, erfahren Max und Torsten erst später. Max, der die Geschichte auch als Ich-Erzähler aus dem Off nacherzählt, freut sich auf das Indianer-Camp auf Evis (Katharina Marie Schubert) Ranch, wo er – zumindest von den meisten – als Indianer-Häuptling anerkannt wird. Dort begegnet ihm der dunkel gekleidete Morten (Tristan Göbel), der eigentlich gar nicht ins Indianer-Camp möchte, es aber zumindest als Chance sieht, seinen Eltern (Kathi Angerer und Bernd Moss) – die hinter seinem Rücken, aber in Hörweite über ihn diskutieren – für ein paar Tage aus dem Weg zu gehen.
Max merkt sofort, dass Morten ein echter Indianer ist, auch wenn dieser nichts damit zu tun haben möchte. Max versucht immer wieder, sich Morten freundschaftlich anzunähern – dieser blockt jedoch ab. Zudem lässt er Max spüren, dass er ihn auch nicht für einen Indianer hält. Um sich besser in Morten hineinversetzen zu können, beschließt Max eines Nachts, in dessen Schuhen – oder Mokassins – einen Spaziergang zu machen und überrascht Morten dabei, als dieser sich heimlich seine Lieblings-Sendung Unfälle und Katastrophen im Radio anhört. Als die beiden in der darauffolgenden Nacht wieder einschalten, erfahren sie, dass der Junge, der bei den Karl-May-Festspielen Winnetous Sohn spielen sollte, bei den Proben vom Pferd gefallen ist. Sofort ist Max davon überzeugt, der Richtige für die Rolle zu sein. Die meisten anderen lassen ihn mehr oder weniger deutlich spüren, dass sie ihn nicht ernst nehmen und für einen Träumer halten, der die Augen vor dem optisch Offensichtlichen verschließt. Das bringt Max jedoch weder von seinem Glauben noch von seiner Motivation ab, Winnetous Sohn zu spielen und dadurch vielleicht sogar seine Eltern wieder zu vereinen. Auf dem Weg zu seinem Ziel stehen Max viele Hürden bevor, die er durch seinen unerschütterlichen Optimismus und die Hilfe seines neuen Freundes Morten jedoch meistern kann – Max ist eben doch ein echter Indianer. Die erste Szene zeigt Winnetou mit einem Strick um den Hals, eine Schussszene entwickelt sich.
Was in einem Kinderfilm vielleicht zunächst etwas deplatziert wirkt, wird durch plötzliche Rufe gebrochen – der Regisseur der Karl-May-Festspiele (Uwe Ochsenknecht) ist nicht zufrieden. Als dieser schließlich auch gezeigt wird und die Kamera aus der Theaterszene fährt, um das Western-Szenenbild sichtbar zu machen, dürfte auch den Kindern im Publikum klar sein, dass hier gerade eine fiktive Szene geprobt wird. Zusätzlich können Karl-May-Kennerinnen und -Kenner die Charaktere und Referenzen in den Dialogen wiedererkennen. Es wird also Action geboten, diese ist jedoch sinnvoll in den Kontext und die Narration eingebettet. Auch eine spätere Szene, in der Morten in seinem Zimmer einen Knallkörper zündet und dann von zu Hause loszieht, um seine Angst zu überwinden, steht symbolisch. Winnetous Sohn behandelt die Thematiken der Trennung der Eltern, der Freundschaft sowie des ‚Andersseins‘. Das zunächst etwas einfach gezeichnete Bild des dunkel gekleideten, dunkel- und langhaarigen Jungen mit den düsteren Interessen – passend zu seiner Lieblings-Radiosendung Unfälle und Katastrophen, schmückt er seine Zimmerwände mit seinen Lieblings-Katastrophen – wird ein Stück weit durch seine Angst vor dem Reiten und Fahrradfahren gebrochen.
Mortens Charakterzeichnung steht optisch sowie charakterlich im Kontrast zum ‚indianerlich‘ bunt gekleideten, blonden, pummeligen, lebensfrohen, optimistischen und mutigen ‚Indianer-Häuptling‘ Max. Die beiden werden dennoch Freunde und unterstützen sich gegenseitig beim Überwinden ihrer jeweiligen Schwächen und Ängste. Auch die dramaturgischen Muster Pessimismus versus Optimismus sowie Rationalität versus Träumerei ziehen sich durch den gesamten Film. Als Fazit des Films steht die ermunternde Botschaft, dass jede und jeder es schaffen kann, aus vermeintlich festgeschriebenen Kategorisierungen und den damit einhergehenden Zuordnungen auszubrechen. Wer mit dem Herzen dabei ist, an sich glaubt und für sein Ziel kämpft, kann Grenzen überschreiten, auch wenn es die Umstände und Mitmenschen noch so schwer machen. Um die Botschaft nicht allzu utopisch erscheinen zu lassen und dadurch nicht ihrer Glaubwürdigkeit zu schaden, lässt es Winnetous Sohn jedoch offen, ob Max‘ Eltern am Ende wieder zueinander finden. Indem beispielsweise gezeigt wird, wie es Torsten, Max‘ Vater, und George, der neue Freund seiner Mutter, gemeinsam schaffen, Max doch noch die Teilnahme am Casting zu ermöglichen, nähert sich der Film in kleinen Schritten auch an mögliche alternative Lösungen des Konflikts an.
Neben Western-Elementen, wie an das Genre angelehnten kleineren Action-Szenen und der Zitation von ‚Indianer-Weisheiten‘, verfügt der Film über eine interessante Erzählstruktur und ist gestalterisch liebevoll aufbereitet. Winnetous Sohn spielt mit Stereotypen und Kategorisierungen, indem er sich zwar auf diese – und die Kenntnis darüber – bezieht, jedoch bemüht ist, sie im Verlauf des Films in ihren starren Festschreibungen zu brechen. Die FSK-Freigabe ohne Altersbeschränkung ist zwar nachvollziehbar, die Referenzen zum Western-Genre in den Action-Elementen sowie die Symbolik der Zündung des Knallkörpers können jedoch von sehr jungen Kindern vermutlich noch nicht in ihrer kontextuellen Bedeutung und der damit einhergehenden ‚Entlastung‘ der Situation verstanden werden, weshalb eine gemeinsame Rezeption als Familienfilm sinnvoll erscheint. Zudem scheint Winnetous Sohn aufgrund des Alters seiner Protagonisten (zehn Jahre) und deren lebensweltlichen Problemen eher Kinder ab einem Alter von sechs Jahren anzusprechen. Winnetous Sohn ist der Gewinner der Förderinitiative
Der besondere Kinderfilm 2013/2014.
Winnetous SohnDeutschland 2015, 92 MinutenRegie: André ErkauDarsteller: Lorenzo Germeno, Tristan Göbel, UweOchsenknechtVerleih: WeltkinoFSK: Freigegeben ohne AltersbeschränkungFilmstart: 09.04.2015
Beitrag aus Heft »2015/02: Medien und Kindheit«
Autor: Konstanze Wegmann
Beitrag als PDFEinzelansichtStefan Piasecki: Deutsche Kinderhilfe e. V. nutzt Computerspiele
Angekündigt wird das kostenlos abrufbare Spiel als „spannendes Detektivcomputerspiel“ mit einer prospektierten Spieldauer von 45 Minuten. Ziel des Spiels ist es, Kinder „eigenständig und altersgerecht Medienkompetenz kennenlernen“ zu lassen. Begründet wird die Notwendigkeit dieses Ansinnens damit, dass zwei Drittel der Kinder in Deutschland einen PC besäßen und „bereits 10-Jährige über größtenteils ein Handy oder ein Smartphone verfügten“. Daher sei es von Bedeutung, dass ihnen ein „verantwortungsbewusster Umgang mit den neuen Medien beigebracht würde“ (welche für die Zielgruppe der digital natives jedoch kaum „neue Medien“ sein dürften!).
Installation und Technik
Für welchen Computer und welches Betriebssystem das Spiel genau vorgesehen ist, wird übrigens nirgendwo verraten. Eine Testinstallation (Entpacken des Zip-Verzeichnisses reicht) und der Start des Programms unter Windows XP waren jedoch erfolgreich. Eine Spielanleitung findet sich auch innerhalb des Verzeichnisses und im Spiel selbst nicht. Das Spielfenster öffnet sich in einer festen Größe, die Anpassung an die generelle Bildschirmauflösung scheint nicht möglich. Wer demnach in hohen Auflösungen arbeitet, muss das Spiel möglicherweise sehr klein erleben. Auch reagieren die Menüs nicht auf Mausaktionen, das Spiel ist mit der Tastatur zu steuern. Die Spiel- und Auswahlmöglichkeiten sind recht limitiert und lassen nur wenig mehr zu, als gerade vorgesehen ist. So kann in der anfänglichen Straßenszene nur exakt auf dem Gehweg gelaufen werden oder man muss den Zebrastreifen nutzen. Bis auf die Spielfigur – Luca – und die auftauchenden Texttafeln ist die Landschaft kaum animiert. Autos repräsentieren lediglich den Verkehr, indem sie mitten auf der Straße stehen, obwohl man Verkehrsgeräusche hören kann. In Level 2 hüpfen wenigstens Kleintiere über den Rasen. Geschehen dramatische Ereignisse (eine Texttafel wird eingeblendet), ändert sich die Musik.
Spielgeschehen und Interaktivität
Interaktion ist kaum möglich. Beispiel: Luca erfährt gleich zu Beginn, dass eine Freundin von anderen Jugendlichen gemobbt wird und soll zur Hilfe eilen. Als sie an einem Süßigkeitenstand vorbeikommt, wird sie angesprochen, ob sie etwas kaufen will, sie kann jedoch nur ablehnen, nicht aber um Hilfe bitten. Erreicht sie die Freundin, gibt es nur die Möglichkeit, sich ihr von der Straßenseite her zu nähern und es kann nur dort eine Aktion ausgeführt werden (Leertaste), die erneut einen Textbildschirm aufbringt. Die Freundin bittet um Hilfe. Mehr geschieht nicht. Spricht Luca mit ihren Gegnerinnen, erhält man ein neues Textfeld mit vier Möglichkeiten: „Kämpfen“, „Haut ab“, „Seid nett“ und „Andere Lösung“. „Kämpfen“ bringt den guten Rat, dass Gewalt keine Lösung sei.
„Haut ab“ erntet eine gegnerische Drohung, „Seid nett“ provoziert die Frechheit, Luca möge doch „Bitte“ sagen und „Andere Lösung“ bringt die Gegner immerhin dazu festzustellen, dass sie hungrig sind und Luca kommt auf die Idee, sie könne die Bedränger ihrer Freundin mit Essen fortlocken. Am Süßigkeitenstand will man ihr helfen, verlangt aber, dass sie eine Aufgabe übernimmt und Müll wegbringt. Die erledigte Aufgabe wird mit einem hübschen Grafikeffekt und einem ‚magischen‘ Sound quittiert. Der Süßigkeitenverkäufer lockt also einen der Peiniger zu sich, so dass Luca mit dessen Komplizin Klara fertig wird und ihre Freundin befreit. Zur Belohnung verspricht eine Texttafel „10 Euro Taschengeld“. Danach treffen sie eine weitere Freundin, Trixi, die ihren Hund sucht. So erscheinen die Spielaktionen doch sehr vorbestimmt – insbesondere für eine Zielgruppe, die sich aus diversen App-Stores jederzeit umfangreiche und interaktive Unterhaltungsangebote vielfach kostenlos laden kann. Die Taste „Q“ ruft in vielen Kapiteln Tipps auf, die auch im echten Leben weiterhelfen sollen. Es sind allerdings stets die gleichen und es wird jeweils der letzte Tipp erneut aufgerufen.
Zwischenwertung
- Grafik: schön, entspricht Konsolenspielen der frühen 90er Jahre- Musik: Titelmusik schmissig, Melodie im Spiel in den ersten Minuten nett, dann bald unerträglich eintönig- Sound: Soundeffekte klar und zweckmäßig
- Spielerleben: Das Spiel wird mit den Pfeiltasten sowie der Leertaste/RETURN gesteuert, Q bringt Texttafeln mit Tipps hervor.
Fazit
Wem wird das Spiel nun gefallen? Grafik und Aufmachung sind insgesamt als schön zu beschreiben, die tatsächliche Benutzbarkeit ist jedoch äußerst begrenzt, der Ablauf linear. Es geht stets darum zu erraten, was wohl nun wound wie getan werden muss. Damit schreitet das Spiel noch hinter den Entwicklungsstand von Konsolenspielen der frühen 90er Jahre zurück. Die Spiellandschaft lässt sich nicht nutzen, die Spielfigur kann Felder betreten oder eben nicht. Es erscheint daher fraglich, wer angesprochen werden soll und letztlich angesprochen wird und was der Zweck ist. Die Texttafeln sind zu klein und die Texte zu kurz, um medienpädagogische Hinweise und Hilfen zu vermitteln, die über Allgemeinwissen hinausgehen. Ein interaktiver Comic hätte möglicherweise mehr bewirkt. Luca und ein geheimnisvoller Sommer vermittelt den Eindruck, als hätten pädagogisch motivierte und überzeugte Nichtspieler unbedingt ein Spiel produzieren wollen, ohne sich mit dem Medium, der Zielgruppe, dem Markt oder Prämissen von Medienpädagogik auseinanderzusetzen. Da dies leider sehr häufig der Fall ist, wird die Reserviertheit der angestrebten Zielgruppe gegenüber ‚gut gemeinter‘ Unterhaltung von Ministerien oder Verbänden und Institutionen verständlich. Werbespiele machen da oft mehr Spaß.
Anmerkungen
Ob übrigens die Namensähnlichkeit zu dem mit FSK 16 bewerteten Film Ein verhängnisvoller Sommer aus dem Jahr 2008, in dem es um die emotionalen und sexuellen Erlebnisse eines jungen Mannes im Pittsburgh der frühen 80er Jahre geht, intendiert war, wird leider nicht deutlich. Etwas unglücklich ist zudem die Außendarstellung des Spiels gelungen: Auf der Webseite des Auftraggebers, der Deutschen Kinderhilfe e. V. in Berlin (www.kindervertreter.de), findet sich das Spiel zwar momentan mit Datumsvermerk vom 04.02.2015 prominent auf der Hauptseite (unter „Aktuelles“), allerdings führen die Links jeweils nur zu neuen kleineren Texthäppchen. Wer mehr wissen will, muss unter → Projekte/Bildung suchen. Das dürfte bedeuten, dass das Spiel, wenn erst einmal aktuellere Meldungen diesen Eintrag verdrängt haben, nicht mehr so oft aufgesucht und gefunden wird. Auch die als Kooperationspartner aufgeführte Firma Waza-Games in Berlin, die übrigens unter den wichtigen Hauptmenüpunkten „Gamification“ und „Serious Games“ auf ihrer Homepage kaum informative Erläuterungen vorhält und als „Best Practice“-Beispiele ältere Produktionen anderer Firmen bewirbt, weist dieses Spiel ebenfalls nicht aus – gleichwohl die Deutsche Kinderhilfe wiederum als Kooperationspartner angegeben wird.
Konstanze Wegmann: „Schließlich sehen doch alle Schwarzen irgendwie ziemlich gleich aus, findest du nicht?“
Boie, Kirsten (2014). Schwarze Lügen. Hörbuch, Goya Libre. 378 Min., 19,99 €.
Melody (15 Jahre) lebt mit ihren Geschwistern Amadeus (17 Jahre) und Soprano „Soppy“ (4 Jahre), ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in einer kleinen schäbigen Wohnung irgendwo im Norden Deutschlands unweit der Ostsee. Die Familie hat ihre afrikanische Heimat verlassen und ist nach Deutschland gekommen, als der leibliche Vater drohte festgenommen zu werden. Nach dieser Beschreibung dürfte in den Köpfen vieler schon ein Bild der Familie entstanden sein. Ist dies ein negatives Bild? Bestätigen sich darin gesellschaftlich verfestigte oder zumindest zirkulierende Vorurteile? Die hier selektierten und entkontextualisierten Informationen sind auch das, was viele Charaktere der Geschichte (zunächst) sehen und wissen. Diese Informationen und visuellen Eindrücke – mit einer ständigen Betonung des ‚Schwarzseins‘ – formen ihr Bild von Familie Kwakye. „Schließlich sehen doch alle Schwarzen irgendwie ziemlich gleich aus“, ist dabei eine wiederkehrende Äußerung.
Doch ein genauerer Blick lohnt sich: Herr Kwakye sollte festgenommen werden, als er sich als Universitätsdozent gegen die Regierung aussprach. Da die Eltern eine Vorliebe für deutsche Hochkultur in Literatur und Musik hatten und Deutschland daher für „das wunderbarste Land der Welt“ hielten, entschieden sie sich für Deutschland als Ziel ihrer Migration. Kurz nachdem Soppy geboren wurde, starb der Vater und die Mutter heiratete den Alkoholiker Herrn Schnappgans, den die Geschwister „der Arsch“ nennen. Da die ausländische Qualifikation der Mutter nicht anerkannt wird, geht sie putzen, verdient alleine jedoch nicht genügend Geld, um der Familie den Aufenthalt in Deutschland sichern zu können. Daher muss die Familie mit „dem Arsch“ zusammenleben, der nach einem Arbeitsunfall seine geringe Rente, den Lohn der Mutter und das Kindergeld in Alkohol investiert. Melody fühlt sich in Deutschland zu Hause, ist sehr gut in der Schule und spielt im Schulorchester. Trotzdem gehört sie in ihrer Schule in einer reichen Wohngegend, die Amadeus und Melody auf Wunsch der Eltern besuchen, um sich eine ‚sozial anerkannte‘ Basis zu ermöglichen, nicht richtig dazu und sieht sich im Alltag immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. Einen Tag vor Melodys Soloauftritt bei einem großen Schulkonzert beschädigt der Stiefvater in einer Auseinandersetzung die von der Schule geliehene Klarinette und sie darf nicht am Konzert teilnehmen. Damit sich ihre Mutter wegen der Ehe mit „dem Arsch“ nicht noch mehr Vorwürfe macht, beschließt Melody, ihr nichts von dem geplatzten Auftritt zu erzählen und die Nacht nicht zu Hause zu verbringen. Vor sich selbst rechtfertigt sie dies als Notlüge oder „white lie“, wobei sie darüber nachdenkt, dass „black lie“ – daher der Titel des (Hör-)buches – aufgrund ihrer Hautfarbe passender wäre.
Durch diese Notlüge, einige Vorfälle und Missverständnisse landet Melody in der Nacht schließlich auf dem Grundstück von Herr Sönnichsen, einem reichen, nahezu blinden Rentner, der sie zunächst für seine Enkelin hält. Da Melody nicht nach Hause kommt, gehen ihre Mutter und ihr Bruder Amadeus zur Polizei, um sie als vermisst zu melden. Hier wird Amadeus aber für einen gesuchten Bankräuber gehalten und in Untersuchungshaft gebracht. Melody wird verdächtigt, seine Komplizin zu sein, die mit dem Geld auf der Flucht ist. Der wahre Täter ist jedoch Amadeus‘ Nachhilfeschüler Lukas, der erpresst wird und Geld für Drogen benötigt. Um den Verdacht auf seinen Nachhilfelehrer zu lenken, hat er am Tatort eine Voodoo-Puppe und einen Zettel mit Amadeus‘ Fingerabdrücken hinterlegt. Nach dem Überfall sind Lukas und Melody zufällig zusammengestoßen und haben versehentlich ihre Taschen vertauscht, weshalb Melody das Geld aus dem Überfall unwissentlich bei sich trägt. Bei Herrn Sönnichsen trifft Melody auf den rassistisch eingestellten Jugendlichen Kenneth, der zu Besuch bei seiner Großtante, Herrn Sönnichsens Haushälterin, ist. Als er die Fahndungsbilder im Fernsehen sieht, konfrontiert er sie mit den Vorwürfen. Melody kann ihn jedoch von ihrer Unschuld überzeugen und für sich gewinnen. Schließlich trifft Herr Sönnichsens echte Enkelin, Linda von Altenhagen, ein.
Diese lebt zwar in finanzieller und sozialer Sicherheit, hat aber unter ihrem gefühlskalten Politiker-Vater zu leiden. Als die drei ungleichen Jugendlichen erfahren, dass Lukas Soppy entführt hat, um von Melody das Geld aus dem Banküberfall zu erpressen, meistern die drei die gefährlichen Herausforderungen gemeinsam.Schwarze Lügen erzählt eine Geschichte des Bestehens, Reproduzierens und Hinterfragens von kulturellen und sozialen Stereotypen und Vorurteilen. Durch ihr gemeinsames Ziel und die ‚wirklichen‘ Erfahrungen und Eindrücke, legen die drei Jugendlichen aus unterschiedlichen kulturellen und sozialen Hintergründen ihre gegenseitigen Vorurteile immer weiter ab. Lukas‘ rassistische Vorstellung, eine Voodoo-Puppe am Tatort würde den Verdacht sofort auf einen Dunkelhäutigen lenken, wird anfangs scheinbar bestätigt, als die Polizei der Spur zunächst in diese Richtung folgt. Tatsächlich zeigt dies jedoch nur, dass Lukas und die Polizei den Voodoo-Puppen-Fund an einem Tatort gleich deuten (würden), die Voodoo-Puppe als Symbol bzw. Zeichen also entlang des gleichen Vorurteils dekodieren. Dass der Zusammenhang zwischen Amadeus und der Voodoo-Puppe konstruiert sein muss, fällt dem Polizisten erst auf, als er seine scheinbar unbewusst rassistische Denkweise kritisch hinterfragt: „Das einzige, was zusammenpasste, waren seine afrikanische Herkunft und die Puppe. Der Junge selbst und die Puppe aber ganz sicher nicht.“ Es wird deutlich, dass die nationale bzw. kulturelle Herkunft nicht der nationalen bzw. kulturellen Identität entsprechen muss. Vielmehr handelt Amadeus – wie auch Melody – seine Identität mit einer Summe an verschiedenen nationalen, kulturellen und sozialen Einflüssen aus.
Die durch den Vorfall erlangte Erkenntnis des Polizisten kann auch als eine zentrale Botschaft der Geschichte bezeichnet werden: „Im tiefsten Inneren, tief unter ihren bewussten Überzeugungen, hatten sie alle ein Bild davon, wie Afrikaner eben waren. Auch wenn sie alles dafür taten, keine Vorurteile zu haben, waren sie nicht wirklich dagegen gefeit.“ Zudem wird – wie eingangs bereits angedeutet – gezeigt, dass ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital zwar in wechselseitiger Beeinflussung stehen, jedoch immer unter den jeweils spezifischen Bedingungen betrachtet werden sollten. Familie Kwakye hatte in ihrem Heimatland einen hohen sozialen Status und besitzt viel kulturelles Kapital, das eigentlich auch in Deutschland als solches anerkannt ist. Ihre beruflichen Qualifikationen sind jedoch wertlos, weshalb ihnen der Zugang zu ökonomischem und damit verbundenem sozialen Kapital an der ‚besseren‘ Schule verwehrt bleibt. Was als Eindruck nach außen bleibt, ist der einer immigrierten Familie, die mit einem deutschen Alkoholiker in einer schäbigen Wohnung zusammenlebt, um in Deutschland bleiben zu dürfen.
Dass Amadeus und Melody begabt und fleißig sind, wird wegen ihres Hintergrundes und ihres niedrigen finanziellen Status‘ – Melody bezeichnet ihre Familie als „Familie Werbung“, weil sie fast ausschließlich mit Werbegeschenken ausgestattet ist – von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern kaum anerkannt.Schwarze Lügen spielt mit kulturell konnotierten Gegensätzen, die immer wieder für Konfliktpotenzial innerhalb der Geschichte sorgen. Der Konflikt wird jeweils gelöst, wenn die subjektive Perspektive überwunden wird, beide ‚Seiten‘ als Team arbeiten und so die Kategorisierungen und Vorurteile durchlässig machen bzw. abbauen. Daneben greift das Hörbuch die Themen Geschlecht, Drogen, Familie, den Tod eines Elternteils bzw. die Vernachlässigung durch ein Elternteil, Freundschaft, Liebe, die Kommunikation zwischen verschiedenen Generationen und die mediale Inszenierung in der Politik auf. Durch die Vielzahl an verschiedenen Konfliktbereichen und die Darstellung von Jugendlichen aus verschiedenen Kontexten, kann die Geschichte potenziell auch viele verschiedene Jugendliche erreichen. Hans Löw schafft es als Sprecher, den unterschiedlichen Charakteren Leben einzuhauchen und so ihre jeweilige Persönlichkeit herauszustellen. Ohne gewollt ‚lehrreich‘ zu wirken, setzt sich Schwarze Lügen mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinander und kann so potenziell eine Selbstreflexion der eigenen Denk- und Handlungsweisen anstoßen.
Aufgrund des Alters der beiden Protagonistinnen und des Protagonisten, der durchaus komplexen Narration und der spannenden Geschichte um die Folgen von Drogenkonsum, Erpressung und Entführung ist das Hörbuch für Jugendliche ab etwa 14 Jahren geeignet.Schwarze Lügen belegte auf der hr2 Hörbuchbestenliste im Juli 2014 den ersten Platz im Bereich Kinder- und Jugendhörbücher und erhielt das AUDITORIX Hörbuchsiegel.
Beitrag aus Heft »2015/02: Medien und Kindheit«
Autor: Konstanze Wegmann
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publikationen
Barthelmeß, Hartmut (2015). E-Learning – bejubelt und verteufelt. Lernen mit digitalen Medien, eine Orientierungshilfe. Bielefeld: wbv. 144 S., 34,90 €.
E-Learning ist eine moderne Form der Wissensvermittlung. Doch nicht alle Institutionensind dieser Form des Lernens gewachsen, da es sich um ein hochkomplexes Gefüge handelt. Hartmut Barthelmeß versucht in seiner Monografie E-Learning – bejubelt und verteufelt einen Orientierungsrahmen für dieses Feld zu spannen. Einleitend wird die Ausgangssituation bezüglich E-Learning dargestellt und dessen bisherige Nachhaltigkeit näher betrachtet. Weiter geht der Autor auf die Konzeptentwicklung für E-Learning ein. Im darauffolgenden Kapitel steht das Individuum im Fokus. Unter anderem wird die Schwierigkeit der Zuordnung von Lernenden in verschiedene Schemata thematisiert. Anschließend werden der Bereich Wissen und der erweiterte Wissensreproduktionszyklus angeschnitten, da Wissen sich in einem sich ständig verändernden Prozess befindet.
Im sechsten Kapitel widmet sich Barthelmeß Lehren und Lernen als Kommunikationsprozesse. Es soll herausgestellt werden, dass die digitalen Medien diese Prozesse nicht einschränken, sondern erweitern. Daneben werden auch die digitale Bildungsinfrastruktur und die Rolle von Bildungsorganisationen thematisiert, die im Kontext von E-Learning nicht zu vernachlässigen sind. Nach der Beschreibung des Managements von E-Learning-Projekten zieht der Autor abschließend ein Fazit, in dem er bewusst keine Aussage bezüglich der Zukunft von E-Learning tätigt. Das Autorenwerk richtet sich vorrangig an Fachkräfte aus der Medienpädagogik, Medienwissenschaft und Kommunikationswissenschaft, die sich intensiv mit dem Thema E-Learning beschäftigen.
Hangartner, Urs/Keller, Felix/Oechslin, Dorothea (Hrsg.) (2013). Wissen durch Bilder: Sachcomics als Medien von Bildung und Information. Bielefeld: transcript. 336 S., 32,99 €.
Das Forschungsprojekt Angewandte Narration: Sachcomics (2009-2012; Schweizerischer Nationalfonds) an der Hochschule Luzern – Design und Kunst bildet den Ausgangspunkt des Sammelbandes, in welchem zuerst ein Forschungsdefizit festgestellt wird. Die darin abgedruckten Aufsätze verstehen sich als Beitrag zum Anstoß einer fachlichen Diskussion und zur Klärung eines sich erst eröffnenden Forschungsfelds. In diesem Zusammenhang sind sie Aufruf und Anregung zur Diskussion und ermöglichen Analyse, Reflexion und Kritik in Bezug auf Sachcomics. Werden im ersten Teil des Bandes Begriffserklärungen vorgenommen und die bildliche Tradition des Comics erörtert sowie Lösungsansätze für Alltagsprobleme von Jugendlichen durch Comics beschrieben, beschäftigen sich die Autoren und Autorinnen im zweiten Teil mit sozialwissenschaftlichen Perspektiven. Überleitend gehen sie im dritten Teil auf historische Aspekte des Comics ein, verweisen auf Klippen und Fallen bei der Wissensvermittlung und bearbeiten pädagogischdidaktische Probleme aus kulturwissenschaftlicher Perspektive. Urs Hangartner betont in seinem etwas lang geratenen Überblick – beginnend mit der Definition über die Entstehungsgeschichte bis zum heutigen Stand der (Er-)Forschung von Sachcomics –, dass in den letzten zwanzig Jahren ein deutliches Wachstum solcher Titel zu verzeichnen sei.
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts zeigen, dass die Evaluation von Comics bei deren Produktion kein Thema zu sein scheint und dass sowohl technisch-handwerkliche als auch dramaturgische Aspekte unterbelichtet bleiben. In seinem informativen Beitrag zum Manga-Comic bezweifelt Bernd Dolle-Weinkauff deren trivialen Ruf; er motiviert stattdessen dazu, die Serien unter dem Aspekt des Sachcomics und ihrem Nutzen für Bildungszwecke zu prüfen. Matthias Vogel untersucht die ikonischen Elemente von Sachcomics mittels einer ästhetischen Analyse und diskutiert, wie Zeichnerinnen und Zeichner, Autorinnen und Autoren der Trivialisierung entgegentreten. Am Beispiel von Logicomix, einer graphic novel, schildert der Autor, wie das Pathos der Bilder von der Textebene aufgegriffen wird, die Betonung erzählerischer Elemente im Sachcomic die affektive Dimension stärkt und wie die Bilder bei den Rezipierenden für eine Emotionalisierung sorgen. Felix Keller unterstellt in seinem Beitrag, dass zur Darlegung unsichtbarer gesellschaftlicher Prozesse bislang eine allgemein geltende, diese Prozesse symbolisch darstellende Technik fehle. Mit seiner Argumentation versucht er, diese Lücke mittels Otto Neuraths Projekt der Bildsprache und einem Verweis auf Bourdieu zu schließen, der eine neue visuelle Ordnung der wissenschaftlichen Darstellung soziologischen Wissens vorschlug.
Historische Comics besitzen Anne Hillenbach zufolge einen „referenziellen Wirklichkeitsbezug zu vergangenen Ereignissen oder Epochen“ (S. 131). Ihre These lautet, dass solche Verfahren historische Comics prägen und als Gattungsmerkmale fungieren. Am Beispiel des Comics Gift beschreibt sie, wie infolge der Verlinkung zu Paratexten der historische Comic glaubwürdiger wird. Christine Gundermann fokussiert auf die erziehungswissenschaftliche Perspektive und trägt praktikable Vorschläge zur Gestaltung von Geschichtsunterricht mit Sachcomics bei, wogegen unbeantwortet bleibt, auf welche Schul- bzw. Lernstufe sich diese beziehen. Sie geht davon aus, dass Comics in Deutschland seit wenigen Jahren in der politischen Bildung eingesetzt werden, weil Jugendliche dadurch leicht zu erreichen seien. Ulrich Schmid verweist bei seiner Betrachtung der sowjetischen Zeit auf die Bedeutung des damaligen Animationsfilms und diskutiert dessen Funktion und Entwicklung. Die zumeist satirisch gehaltenen Themen sollten die Bürgerinnen und Bürger stets auf ihre Pflicht aufmerksam machen: Saboteure und ‚Schädlinge‘ galt es zu erkennen und zu denunzieren. Darum, so Schmid, komme dem sowjetischen Animationsfilm neben der ideologiekritischen eine innovativ-ästhetische Funktion zu. Im Hinblick auf den Comic Hotnights zum Thema HIV und Jugendsexualität präsentiert Dorothea Oechslin die Ergebnisse des Forschungsprojekts Angewandte Narration: Sachcomic. Aufgrund ihres Texts entsteht der Eindruck, die Studie sei an manchen Stellen wissenschaftlich unzureichend fundiert. Bei der Aussage um das „richtige Interpretieren von Sprache“ (S. 193) fehlt die Definition des zentralen Begriffs.
Die Aussage, wonach bei Jugendlichen niedrigerer Bildungsniveaus die Akzeptanz für Medien, die Informationen und Wissen in Form von Bildern vermitteln, recht groß sei, steht begründungslos ohne Bezug zu wissenschaftlichen Befunden und ohne Quellennachweis im Text (vgl. S. 198). Heike Elisabeth Jüngst teilt die in Deutschland erhältlichen, übersetzten Comics in US-amerikanische (englisch), Bandes dessinées (französisch) und Mangas (japanisch) ein. Sie erörtert die Relevanz der kulturellen Komponente für das Übersetzen von Comics und damit auch die Notwendigkeit eines Mitdenkens von Kulturspezifika bei der Übersetzungsarbeit. Markus Prechtls interessantem Beitrag zur Anwendung von Comics im Rahmen von Wissenschaft in der Schule zufolge begegnet uns naturwissenschaftliches Denken im Comic bei Daniel Düsentrieb, Batman, Superman oder Spiderman. Prechtl fragt danach, wie Comics als Lehrmittel einsetzbar und gleichzeitig als vorher zu erlernendes Medium zu begreifen seien. Kinder und Jugendliche müssten den Umgang mit Comics lernen, soll das Medium Lernstoff adäquat in den wissenschaftlichen Unterricht einbringen. Im letzten Beitrag geht Urs Hangartner auf das Comic-Projekt Out of Somalia ein. Das offene Interview belegt den erheblichen Einfluss, den Auftraggeber auf die Kreation und die Aussage eines Comics haben und bezeichnet Interessenskonflikte der jeweiligen Autorschaft. Diese veranschaulicht Hangartner exemplarisch am Auftrag, die Schicksale in einem Flüchtlingslager und die Arbeit von Médecins Sans Frontières zu portraitieren.
Der Sammelband kommt seinem Anspruch einer fachlichen Diskussion zum wissenschaftlich bisher kaum berücksichtigten Thema Sachcomic nach. Das Autorteam zeigt, dass diese Art der Erforschung von Sachcomics hinsichtlich medien- und erziehungswissenschaftlicher Aspekte eine themensetzende Funktion aufweisen kann. Inhaltlich bietet das Buch sowohl Medien- als auch Kulturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern ebenso wie pädagogischen Fachkräften, insbesondere Didaktikern und Didaktikerinnen informative und kritische Anstöße. Zu empfehlen ist der Sammelband jenen, welche sich kritisch-konstruktiv für Comics, ihre Geschichte, ihren Einsatz und ihre Erforschung als vergleichsweise neue Ausdrucksform, interessieren.
Gasser, Brigitte (2014). Freunde und Medienfiguren verstehen. Zur Empathie bei Kindern in realen und fiktionalen Welten. Konstanz/München: UVK. 258 S., 39 €.
Das Empfinden von Empathie gegenüber Medienfiguren ist eine wichtige Voraussetzung für Mediengenuss. Wer sich nicht in andere hineinversetzen kann, der kann – im Realen wie im Fiktionalen – das individuelle Handeln und die Gefühle anderer nicht nachvollziehen und ‚fiebert‘ folglich keinem positiven Ende der Geschichte entgegen. Ziel Gassers ist es, mittels einer Methoden-Triangulation von verschiedenen quantitativen und qualitativen Methoden zu untersuchen, welche empathischen Fähigkeiten und Prozesse bei Kindern im Alter von zwölf bis 13 Jahren im Alltag und bei der Mediennutzung zum Einsatz kommen bzw. ablaufen. Empathieempfinden im ‚Alltag‘ meint hier das Einfühlen in ‚reale‘ Menschen, während es sich im Rahmen der Mediennutzung auf fiktionale Charaktere in Büchern, Filmen und Computerspielen bezieht.
Ein weiteres Ziel ist es herauszufinden, ob Empathieempfinden im Alltag und in der Mediennutzung von Kindern unterschiedliche Kompetenzen verlangt und ob sich die ablaufenden Muster des Empathieempfindens außerdem zwischen verschiedenen Medien unterscheiden. Dazu wird der Begriff „Empathie“ im Theorieteil aus entwicklungs- und sozialpsychologischer sowie medienwissenschaftlicher Perspektive betrachtet. Die Dissertation eignet sich für Medienwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler verschiedener Disziplinen sowie (konzeptionell und produktiv) in den Medien Tätige und kann auch Medienpädagoginnen und -pädagogen interessante Denkanstöße bieten.
Paulitz, Tanja/Carstensen, Tanja (Hrsg.) (2014). Subjektivierung 2.0. Machtverhältnisse digitaler Öffentlichkeiten, (Österreichische Zeitschrift für Soziologie, Sonderheft 13/2014). Wiesbaden: Springer VS. 189 S., 34,01 €.
In diesem Sammelband werden digitale Subjektivierungsprozesse aus sozialwissenschaftlichmachtanalytischer Perspektive sowohl als Vergesellschaftungsform als auch als Selbsttechnologie betrachtet. Mit Bezug auf Foucaults Machtanalytik wird davon ausgegangen, dass digitale Subjektivierungsprozesse zwar zu einer Sichtbarmachung und Artikulation durch eigenes Handeln führen, jedoch zugleich im medialen Kontext gesehen werden müssen. Denn durch dieses Handeln innerhalb digitaler Strukturen könne der mediale Kontext, etwa durch im Medienangebot inhärente eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten, die Selbsttechnologien des Einzelnen mitbestimmen.
Auch die – im gesellschaftlichen Diskurs vermittelte – vermeintliche Notwendigkeit, sich digital sichtbar zu machen, um als Subjekt anerkannt zu werden, werde durch die Strukturen innerhalb des jeweiligen Medienangebotes – nur wer postet, kann auch ‚geliked‘ werden et cetera – mitbestimmt. Ziel des Sammelbandes ist es, einen Beitrag zu diesem sozialwissenschaftlichen Diskurs zu leisten. Ein weiterer Fokus der Arbeit liegt dabei auf dem Verschwimmen der ehemals klaren Grenze zwischen Privatheit und Öffentlichkeit.
Die Beiträge des Sammelbandes setzen sich mit verschiedenen Teilbereichen dieser Thematik, wie etwa Normalisierung und Authentizität, Widersprüchen und Grenzen sowie Beteiligung und Widerstand auseinander, wobei die Theorie durch die Ergebnisse empirischer Untersuchungen und Felderkundungen reflektiert wird. Der Sammelband ist für Medien-, Sozial- und Kulturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler geeignet.
von Gross, Friederike/Meister, Dorothee M./Sander, Uwe (Hrsg.) (2015). Medienpädagogik – ein Überblick. Weinheim/Basel: Beltz Juventa. 448 S., 29,95 €.
Kinder und Jugendliche wachsen heutzutage in Medienwelten auf. Dadurch ergeben sich viele Herausforderungen, Konsequenzen und Diskurse für die Medienpädagogik. Aus diesem Grund haben Friederike von Gross, Dorothee M. Meister und Uwe Sander das Sammelwerk Medienpädagogik – ein Überblick herausgegeben. Heinz Moser eröffnet die Publikation mit einem Übersichtsartikel zu Medienpädagogik im deutschsprachigen Raum. Weiter wird der Inhalt in drei Bereiche unterteilt: medienpädagogische Felder, Aufwachsen mit Medien sowie aktuelle Diskurse. Im ersten Kapitel werden die Begrifflichkeiten Mediendidaktik, Mediensozialisation und Medienethik ausführlich erläutert und diskutiert. Das zweite Kapitel, das sich mit dem Aspekt des Aufwachsens befasst, erläutert die Bedeutung, die Aneignung und den Umgang von und mit Medien in der frühen Kindheit, in der Kindheit und anschließend auch im Jugendalter. Dabei werden auch Chancen und Herausforderungen von Medien in Augenschein genommen.
Von aktuellen Diskursen, die in der Gegenwart relevant sind, handelt das dritte Kapitel. Den Anfang macht ein Beitrag zum Thema Medienkompetenz, der die Aufarbeitung verschiedener Modelle und die Bezugnahme zur Medienbildung beinhaltet. Neben der Entwicklung von Medienkritik und Medienbildung wird auch die Medienerziehung in Kindertagesstätten in den Blick genommen. Medienerziehung zeigt sich in diesem Bereich noch immer als Randelement der Pädagogik, weshalb der aktuelle Diskurs an dieser Stelle aufgenommen und letztendlich von pädagogischen (Nutzungs-)Möglichkeiten abgerundet wird. Daneben werden die Spannungsfelder Medien und Geschlecht wie auch Medien und Sexualität thematisiert. Der darauffolgende Beitrag beschäftigt sich mit Medienkonvergenz und „Berühmtwerdungsprozessen“ (S. 10). Als Beispiel werden hier YouTube-Stars angeführt. Gewalt im Kontext von Medien darf an dieser Stelle nicht fehlen. Michael Kunczik und Astrid Zipfel gehen in ihrem Beitrag zunächst auf Erklärungsansätze bezüglich der Anziehungskraft von gewalthaltigen Inhalten ein und runden dies mit Wirkungsthesen von Mediengewalt ab.
Abgerundet wird der Sammelband mit dem Thema Computerspiele. Nach einem historischen Abriss wird dabei auch auf die Potenziale von Computerspielen für die Medienbildung eingegangen. Medienpädagogik – ein Überblick eignet sich für Studierende der Medienpädagogik oder vergleichbarer interdisziplinärer Studiengänge, um wichtige Einblicke in das Themenfeld zu bekommen. Gleichzeitig ist es ein gutes Überblickswerk für Fachkräfte der Pädagogik, Kommunikationswissenschaft oder Medienpädagogik, die sich mit dem Thema Medien auseinandersetzen.
Walden, Thomas (2015). Hollywoodpädagogik. Wie Blockbusterfilme das Lernen des Lernens organisieren. München: kopaed. 380 S., 22,80 €.
Filme anschauen gehört zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Doch worin liegt der Erfolg, der Menschen immer wieder in Kinos gehen lässt? Sind es die ausgeklügelten, hochfinanzierten Marketingkonzepte oder die besondere Narration und Identifikationsfiguren? Das Autorenwerk Hollywoodpädagogik versucht Antworten auf diese Fragen zu finden und den pädagogisch medienkritischen Mehrwert von Blockbusterfilmen herauszuarbeiten. Die Publikation gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil geht es um theoretische Grundlagen, die für den weiteren Verlauf notwendig sind. Neben dem Thema Blockbuster geht Walden auch auf die Narration von Star Wars, auf Campbells Heldenreise bis hin zu Star Wars Episode IV und auf seine Inhaltsanalyse, typologische Analyse wie auch die untersuchten Filme ein. Im zweiten Teil werden die Ergebnisse der Analysen präsentiert, bei denen es hauptsächlich darum geht, „ob die Blockbusterfilme des Samples dem Erzählschema der Heldenreise folgen und inwieweit sich die einzelnen Aspekte der Heldenreise pädagogisch-didaktisch interpretieren lassen.“ (S. 19)
Die Ergebnisdarstellung verfolgt die vier Phasen inklusive Unterkategorien einer Heldenreise: Aufbruch, Prüfungen, Flucht und Heimkehr. Dabei wird vorangehend die Reise als Bildungsreise beschrieben. Daran schließt sich der Aufbruch an, bei dem es um die Ausgangslage des Lehr-Lern-Settings geht. Nach einem Umriss zum Thema Helden und der Frage, ob Lernende Helden sind, wird auf erweiterte Lerngelegenheiten und -potenziale eingegangen. Als Beispiele werden hier unter anderem Obi-Wan Kenobi und Jack Sparrow als Mentoren angeführt. In den beiden darauffolgenden Kapiteln finden auch die Helfer der Helden Beachtung. Weiter geht es mit den Sozialformen des Lehr-Lern-Settings und den Lernprozessen in der Abenteuerwelt. Am Ende des zweiten Teils beschreibt der Autor, welche Lehren die Heldinnen und Helden aus ihren Erlebnissen und Prüfungen gezogen haben und welche abschließenden Prüfungen noch auf sie warten, die sie beispielsweise zu eigenständigem Handeln befähigen.
Abschließend wird im dritten Teil der Monografie die Reflexion des Autors bezüglich der Lernerträge der lernenden Helden aufgezeigt und es werden Brücken zu pädagogischen und neurobiologischen Kontexten geschlagen. Insgesamt zeigt sich Hollywoodpädagogik als empfehlenswert für Medienpädagoginnen und -pädagogen wie auch Medienwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die sich hauptsächlich mit dem Medium Film und daraus resultierenden pädagogischen Implikationen beschäftigen.
Feilitzen, Cecilia von/Stenersen, Johanna (Hrsg.) (2014). Young People, Media and Health. Risks and Rights. Göteborg: Nordicom. 202 S., 26,77 €.
Die Frage nach den Zusammenhängen zwischen dem Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen und gesundheitlichen Risiken ist ein Thema, das nicht nur Eltern beschäftigt. Auch medienpädagogische Fachkräfte, Medizinerinnen und Mediziner setzen sich auf breiter Basis mit dieser Problematik auseinander. Häufig beschränkt sich der Blick dabei jedoch auf den Medienkonsum junger Leute in den entwickelten Industrienationen. Nicht so Young People, Media and Health – Risk and Rights der Herausgeberinnen Cecilia von Feilitzen und Johanna Stenersen. Das Jahrbuch 2014 desInternational Clearinghouse on Children, Youth and Media am Nordic Information Centre of Media and Communication Research (NORDICOM) der Universität Göteborg hat die Auswirkungen von Medien, ihrer Omnipräsenz oder ihres Fehlens, auf die Gesundheit von Kindern und jungen Menschen weltweit untersucht. Dabei gliedert sich das Sammelwerk in zwei große Bereiche. Unter dem Kapitel „Media Use and Health Risks“ beschäftigen sich Ingrid Paus-Hasebrink und Jasmin Kulterer unter anderem mit den Implikationen von Mediennutzung für sozial benachteiligte Kinder. Herausgeberin Cecilia von Feilitzen reflektiert in ihrem Beitrag über das Problem der mediatisierten Gewalt und die damit verbundenen Risikofaktoren vor dem Hintergrund von Einflussgrößen wie Familien, Erziehung der Eltern und soziokulturellem Umfeld.
Dieser Untersuchung schließt sich Ibrahim Salehs Betrachtung einer kaum zu begreifenden Spirale aus häuslicher und medialer Gewalt im Umfeld von Kindern in der Gesellschaft Ägyptens an. Den Auswirkungen des gestiegenen Medienkonsums auf die physische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen widmet sich die American Academy of Pediatrics‘ Council on Communication and Media und beleuchtet dabei das Phänomen Fettleibigkeit. In welchem Zusammenhang stehen dabei Fernsehkonsum, eingeschränkte körperliche Aktivität, ungesunde Essgewohnheiten, auf Kinder und Jugendliche zentrierte Werbung und Schlafgewohnheiten und welche Schlussfolgerungen und Empfehlungen lassen sich daraus ableiten? Den Gefahren einer ständigen Medienverfügbarkeit für junge Menschen wird im zweiten Kapitel ausführlich das Recht nach medialer Teilhabe in ärmeren Regionen der Erde gegenübergestellt. Es geht dabei vor allem um Kommunikation als Mittel für sozialen Wandel und mediale Aufklärung in den Bereichen Gesundheit und Sexualität – Aspekte, welche unter den Vorgaben religiöser Normen, traditioneller gesellschaftlicher Werte und geschlechtlicher Rollendefinitionen häufig nicht thematisiert werden.
Am Beispiel junger Frauen in Nicaragua zeigt Co-Herausgeberin Johanna Stenersen, welche Rolle Medien für sexualkundliche Gesundheitserziehung spielen können und wie sie gleichzeitig zu einem Sprachrohr gegen Diskriminierung und Unterdrückung werden können. Mit einem Blick auf das Edutainment-Programm Soul Buddyz beleuchtet Susan Goldstein die gesundheitliche Aufklärung von Kindern in Südafrika im Alter zwischen acht und zwölf Jahren als Reaktion auf die Auswirkungen von AIDS und den jahrzehntelangen verheerenden Umgang mit dieser vermeidbaren Krankheit. Young People, Media and Health ist eine Aufsatzsammlung, die sich durchdacht, strukturiert und dabei dennoch breit angelegt den Interdependenzen zwischen Medien und Gesundheit im Fokus auf die junge Generation rund um den Globus widmet. Sie nimmt mit der Mediennutzung verbundene Risiken ebenso in den Blick wie Chancen und Rechte und eignet sich damit als Lektüre für Eltern, Erziehungspersonen und Medienakteure ebenso wie für Gesundheitsexpertinnen und -experten.
kolumne
Dagmar Hoffmann: Was nützt der Tweet nur in Gedanken – Microblogging en passant
Berufsbedingt sitze ich viel vor dem Rechner. Wenn ich dabei meinen Gedanken nachgehen darf und nicht nur Mails zu beantworten habe (was leider inzwischen zum Kerngeschäft von Hochschullehrerinnen und -lehrern geworden ist), dann tue ich das sehr gerne und mit großer Ausdauer. Als ich vor vier Jahren im Nachgang zum Medienpädagogischen Kongress in Berlin (#kbom) einen Twitter-Account anlegte, war meine Familie empört. Das müsse ja wohl bitte nicht auch noch sein. Ich hinge eh schon genug vor dem Bildschirm und nun würde beim gemeinsamen Fernsehen auch noch die Timeline durchgescrollt werden, auf der sich (mehrheitlich) mir unbekannte Personen unter anderem über die Bahn beschweren, die Dramaturgie beim Tatort kritisieren, sich auch über Netzpolitik austauschen oder manchmal zu gerne selbst promoten. Ich versuchte, die Kritikerinnen und Kritiker in meinem Umfeld mitzunehmen, ihnen zu zeigen, was für mich wichtige Infos und Kontakte sind, und was manchmal eher Amüsement ist, das in meinem Alltagsgeschäft leider viel zu kurz kommt. Man – vor allem mein Sohn, damals 15 Jahre alt – versuchte, mit mir Regeln zu vereinbaren: Wenn Fußball oder Tatort geguckt wird, ist ein zweiter Bildschirm tabu. Lediglich bei der sonntäglichen Talkshow Günther Jauch dürfe ich mal einen Blick in die Tweets zum Hashtag wagen.
Die eigens berufliche Intension war nicht vergessen, wenngleich sich nach kurzer Zeit herausstellte, dass Microblogging für mich mehr als die Teilhabe am bildungspolitischen Diskurs und mehr als temporäres Networking sowie Kollaboration bedeuteten. Neben dem Mehrwert im beruflichen Kontext fand ich zudem die privaten Facetten mancher – nicht aller – Akteurinnen und Akteure interessant, denen ich folg(t)e. Junge Wissenschaftlerinnen und Journalistinnen, die ihren Alltag mit kleinen Kindern zu managen haben, Frauen, die sich gegen Sexismus und Stigmatisierung auflehnen, Nachwuchsakademikerinnen und -akademiker, die an ihrer Karriere basteln müssen und dabei manchmal scheitern, Kolleginnen und Kollegen mit Leidenschaften für Fußball, Wein, Italien, Karikaturen sowie zuweilen dubiosen TV-Präferenzen. Studierenden folge ich #ausgründen nur selten, obgleich ich über ihre Tweets viel über Formen und Ursachen der Prokrastination lerne, aber auch erfahre, was sie neben ihrem Studium alles leisten (können), was sie darüber hinaus interessiert, bewegt und bedrückt. Manche Dinge, wie ihr Liebeskummer oder ihre Selbstzweifel, sind aber doch recht intim. Manchen Menschen ist vermutlich nicht immer bewusst, wer ihnen folgt und zuhört. Doch wem ist das schon klar – etwa im Bus? Ohne Zweifel ist die Zuwendung zu solchen Diensten zeitintensiv. Ich aber mag die bunte Mischung aus Sinnigem und Vordergründigem, aus belanglosen Inhalten und tiefen Wahrheiten. Dabei kommt mir die Frage von Frank Schirrmacher in den Sinn: Wollen wir denn, dass unser ganzes Leben Effizienzkriterien unterworfen wird? Ich will das nicht. Im Übrigen wird twittern in unserem Haushalt längst akzeptiert und begrüßt – nicht nur bei Wahlen, Talkshows und beim Tatort.
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Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
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