2014/03: Apps
Als vor nur sieben Jahren das iPhone vorgestellt wurde, sagten viele ein schnelles Ende der Neuentwicklung voraus. Apps spielten in der damaligen Diskussion kaum eine Rolle und in Apples Entwurf waren sie noch nicht mal vorgesehen. Heute hat das Smartphone Technik, Arbeit und Leben und die Nutzung des Internet revolutioniert; genau genommen, die Art und Weise, wie die Menschen den mobilen Minicomputer „Smartphone“ nutzen, der gleichzeitig am Telefonnetz sowie am Internet hängt und dabei auch nicht selten Ortungsinformationen preisgibt, hat Arbeit und Alltag, Leben und soziale Beziehungen in Kultur und Gesellschaft schnell und in vielfältiger Weise verändert. Dafür spielten und spielen insbesondere Apps eine wichtige Rolle: Sie schaffen eine Fülle von meist einzelnen Anwendungen, von denen manche immens funktional und hilfreich sind, während andere kaum vernünftig brauchbar sind oder gar nur dazu dienen, den Userinnen und Usern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Diese Vielfalt untermauert das geflügelte Wort, es gebe für alles eine App.Mit dem Schwerpunkt von merz 3/2014 soll betrachtet werden, was Apps im Leben der Menschen und insbesondere von Kindern und Jugendlichen bedeuten, an welche Potenziale Medienpädagogik anknüpfen und mit welchen sie sich auseinandersetzen muss und welche Bedeutung sie somit für spezifische Bereiche der Medienpädagogik haben. Dabei ist einschränkend zu sagen, dass die Entwicklung hier derzeit sehr schnell geht, bisher noch wenige belastbare empirische Studien und theoretische Überlegungen vorliegen und auch im Bereich der Medienpädagogik vor allem neue Ideen erprobt werden – über fertige Rezepte verfügt auch hier niemand.
aktuell
Cornelia Pläsken: Lernerlebnisse in digitalen Spielwelten
Computervermittelte Bildung – häufig unterhaltsam verpackt – erfolgt des Öfteren durch Serious Games oder Educational Videogames. Doch auf welche Weise erzielt eine spielende Person den größtmöglichen Lernerfolg? Damit beschäftigt sich die Professur E-Learning und Neue Medien der Technischen Universität Chemnitz. Eine der neuesten empirischen Studien hat sich mit der Effektivität verschiedener Formen der Zielstellung innerhalb von digitalen Spielen beschäftigt. Mithilfe von Minecraft sollten Studierende spielerisch unter anderem die Grundlagen digitaler Schaltungstechnik lernen.
Den Studierenden wurden drei unterschiedliche Zielvorgaben gestellt. Eine Gruppe spielte mit einer genauen Lernzielvorgabe, eine andere bekam ein Performanceziel vorgegeben und eine letzte spielte ohne Vorgaben. Die Studie zeigt, dass die Vorgabe eines bestimmten Lernziels eine geringere mentale Belastung für die spielende Person bedeutet. Zusätzlich ist der Spaßfaktor beim Spielen größer, wenn ein bestimmtes Ziel verfolgt wird. Durch vermeintlich neutral klingende Performanceziele konnte bei den Versuchspersonen keine Motivationssteigerung hervorgerufen werden.
Die Untersuchung zeigt, dass digitale Lernspiele, die einen deutlichen Unterhaltungsfaktor besitzen, mithilfe genauer Lernzielvorgaben Spielspaß und Lernerfolg besonders fördern. Spielen ohne Zielvorgabe führt beim Individuum eher zu Verwirrung als zu Lernerfolg, wobei zwei Drittel dieser Gruppe sich im Verlauf des Spiels eigene Zielvorgaben gesetzt haben. Bei der Gruppe mit Performancezielvorgabe hat ein Viertel ein selbstgestecktes Lernziel verfolgt. Weitere Experimente innerhalb dieses Forschungsfeldes sind auch zukünftig geplant.
Cornelia Pläsken: Ein Medienbier gefällig?
Der Startschuss für das neue innovative Kooperationsprojekt www.medienbier.tv ist gefallen. Bei dem Begriff ‚Medienbier‘, der sofort neugierig macht, handelt es sich um einen Neologismus, der sich aus Medien, Bi-ldung und Er-ziehung zusammensetzt. In dem Projekt geht es darum, dass konkrete Themen aus den Bereichen Medienerziehung und -bildung in kurzen Videos aufgegriffen und aufbereitet werden, die dann Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen wie auch Lehrkräften zur Verfügung stehen. Auf diese Weise können hilfreiche Tipps und Hilfestellungen bezüglich medienerzieherischen Anliegen, Fragen und Problemstellungen gegeben werden, die sonst auch bei typischen Elternabenden zu finden sind. Das Projekt wird in Zusammenarbeit des Evangelischen Dekanats Ingelheim, medien+bildung.com, dem Institut für Medienpädagogik Landesfilmdienst Mainz e. V., dem MUK Hessen e. V. und dem Medienpädagogik Praxis-Blog realisiert. Die kurzen Videos, die über einen YouTube-Kanal laufen, sollen nicht nur als Hilfestellungen fungieren, sondern auch Diskussionen und Erfahrungsaustausch im YouTube-Kanal oder auf der Facebook Seite anregen.
Das erste Video auf medienbier.tv von Tobias Albers-Heinemann dreht sich um „Die ersten Schritte in der Medienerziehung“. In etwa sechs Minuten beschreibt er unter anderem, dass Eltern ihre eigenen medialen Erfahrungen in der Kindheit und Jugend nicht auf ihre Kinder übertragen können, da die Ausgangslagen grundsätzlich verschieden sind. Früher war die Kommunikation beispielsweise mithilfe von Mobiltelefonen – falls man überhaupt schon eines besessen hat – komplizierter und viel teurer als heute. Zusätzlich kommunizieren die heutigen Kinder und Jugendlichen auch über Facebook. Damit stellen sich auch neue medienerzieherische Augaben. Einmal wöchentlich wird ein neues Video online gestellt werden, das sich mit aktuellen oder traditionellen Themen der Medienerziehung auseinandersetzt. Durch diese Art von Verbreitung haben Eltern, Lehrkräfte wie auch Pädagoginnen und Pädagogen die Möglichkeit, Fragen oder Anregungen, die sie zu bestimmten Themen haben, zeitnah zu stellen oder einzuwerfen. Die Anliegen können unverzüglich behandelt werden und müssen nicht erst auf den nächsten Elternabend warten.http://www.medienbier.tv
Kerstin Heinemann: INTO THE WILD – von einer Reise in die digitale Wildnis
re:publica 2014, das waren mehr als 6.000 Menschen, 40 Prozent davon Frauen, 148 Accesspoints, über die sich vom 6. bis 8. Mai 10.659 Geräte eingeloggt haben, 324.684 Kekse, die als Gadgets in den Welcometaschen zu finden waren, 88.974 Tweets mit dem hashtag #rp14, mit einer theoretischen Leserschaft von 193.251.364 Menschen, 18 Bühnen, die alle mit Schrift- oder Gebärdensprachdolmetschern und -dolmetscherinnen ausgestattet waren, 250 Stunden internationales Programm in 350 Sessions und mit noch mehr Speakerinnen und Speakern versehen – der Jüngste unter ihnen gerade mal zwölf Jahre alt … Aber halt, so geordnet ist die Wildnis nicht! Auch, wenn die re:publica bei vielen immer noch als Internetoder Bloggerkonferenz gilt, hat sie doch spätestens 2014 eindrucksvoll bewiesen, dass sie eine Gesellschaftskonferenz (geworden) ist.
Deshalb war das allem zugrunde liegende Thema auch die Beschäftigung mit der Frage, was das Internet mit der Gesellschaft macht und was die Gesellschaft mit dem Internet anstellen kann und dabei ist sie so bunt und vielfältig, wie kaum eine andere Konferenz: Von The Yes Men, einer Netzkunst- und Aktivistengruppe, die eindrucksvoll bewies, wie Guerillakommunikation Aufmerksamkeit für ein Thema generiert, über WikiLeaks-Journalistin Sarah Harrison, die Edward Snowden von Hongkong nach Moskau begleitete, David Hasselhoff, der zusammen mit Mikko Hyppönen über „digital freedom“ sprach, YouTube-Stars, die einen faszinierenden Einblick in die Clipwelt jenseits des Fernsehens gaben, mehreren Sessions mit neuen Narrationen gegen Überwachung, bis hin zu Sascha Lobo, der in seinem traditionellen Rant deutlich machte, dass die „selbsternannte Hobbylobby der Internetversteher“ sich endlich professionalisieren muss, um Antworten zu finden auf die Herausforderungen, die der „größte Meteoriteneinschlag seit Anbeginn des Internets“ (das massenhafte Ausspähen und Speichern unserer aller Daten und die Konsequenzen daraus) dieser Gesellschaft stellt. Erfreulich ist, dass mit der re:learn nun schon seit 2010 ein expliziter Schwerpunkt rund um (digitale) Bildung gesetzt werden konnte.
Ob Gamedesign, Minecraft oder das peer³-Projekt der Oskar-von-Miller-Schule aus Kassel, das selbstgesteuertes Lernen im Lehr-Lern-Kontext erprobt, es gab jede Menge zu diskutieren und zu erleben. Und so ist es den Macherinnen und Machern von INTO THE WILD tatsächlich gelungen, eine res publica, eine Sache der Gesellschaft aus diesen drei Tagen zu machen und das Versprechen einzulösen, das sie in der Veranstaltungsankündigung gegeben haben, nämlich den Blick zu öffnen für verschiedene Ansätze, um das Internet und die Gesellschaft der nahen Zukunft zu verstehen und zu verbessern.http://www.re-publica.de
Swenja Wütscher: Kita-Medienpädagogik: 11 goldene Methoden
Ob ComicLife, Postcrossing oder Wortsalatmaschine, ein ganz grundlegendes Mittel, Medien zu verstehen, ist, selbst Medien zu machen. Die Broschüre mec Methoden für die kreative Medienbildung in der Kita beinhaltet elf Methoden, zur aktiven Medienarbeit – analoger und digitaler Art – mit Fokus auf Kindern vom Elementar- bis zum Primarstufenbereich, da Bücher, Hörspiele, digitale Kameras, Fernsehen, Video und Computer längst zum kindlichen Alltag gehören. Entwickelt wurde der Methodenkatalog vom Team des Medienpädagogischen Erzieher/innen Clubs – der von medien+bildung.com und damit von einer Tochtergesellschaft der Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK) getragen wird –, um Erzieherinnen und Erziehern wie auch anderen pädagogischen Fachkräften in Kindereinrichtungen notwendiges Praxis-Know-how für eine kindgerechte Medienbildung und -erziehung zu vermitteln und damit deren medienpädagogische Fachkompetenz zu stärken.
Die mit einer Methode jeweils anvisierte Zielgruppe, eine adäquate Gruppengröße, Zeitdauer sowie benötigtes Material werden jeweils benannt, die Durchführung erklärt und Varianten aufgeführt. Gestaffelt von schnell und einfach bis hin zu anspruchsvollen Leitfäden decken die in der Praxis erprobten Methoden mit Audio, Video, Comic, Internet und Tablet diverse Medienangebote ab und verknüpfen damit die Förderung von Sprach- und Lesekompetenz in der frühkindlichen Bildung mit Medienkompetenz und fördern außerdem einen altersgerechten Medienumgang. Auf der Website steht die Broschüre zum kostenfreien Download zur Verfügung, eine gedruckte Version kann bei medien+bildung.com angefordert werden.
Swenja Wütscher: Stichwort Qwant
Von Null auf Hunderttausend in Bruchteilen von Sekunden – der Platzhirsch unter den Suchmaschinen Google liefert allerdings nicht nur Suchergebnisse in Hülle und Fülle … er speichert auch nicht unbedingt weniger Informationen über seine Nutzerinnen und Nutzer. Qwant ist eine alternative Suchmaschine, die – so das Versprechen des gleichnamigen französischen Entwicklerunternehmens – keine Nutzerdaten speichert und mit strengen Datenschutzbestimmungen auftritt. Auch bei den Suchergebnissen verhält sich Qwant anders als Google, Bing, My Yahoo! und Co.: keine Cookies, kein Tracking, keine personalisierten Ergebnisse, stattdessen Anonymität, ungefiltertes Suchen, unabhängig von vorherigen Anfragen. Informationen zum Nutzungsverhalten werden per temporärem Sitzungscookie nur für die Dauer der jeweiligen Sitzung gespeichert, es werden keine permanenten Browserdaten von Interessen und Surfgewohnheiten erfasst; das (auf der Startseite offensichtliche) Opt-out für das Trackingtool Piwik muss dafür allerdings per einfachem Klick erst deaktiviert werden.
Wer tatsächlich personenbezogene Suchergebnisse wünscht, kann sich ein Konto anlegen und einloggen – die darüber erhobenen persönlichen Daten werden in Zentren in der EU vorgehalten und unterliegen damit europäischen Datenschutzbestimmungen. Die Ergebnispräsentation bei Qwant ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig, da die Suchmaschine keine herkömmlichen Resultate ausspuckt: Neben der klassischen Spalte zur Suche im NETZ treten die Kategorien NACHRICHTEN – Treffer mit besonders aktuellem Bezug –, SOZIAL–Kommunikation etwa auf Facebook, Twitter, Pinterest oder Tumblr – und SHOPPING. Zudem komplettiert ein eigenes Suchfenster jede Rubrik zur spezifischen Weitersuche. Gesondert werden am oberen Bildrand horizontal Ergebnisse aus Video- und Bilddateien angeführt. Große Orientierungshilfe bietet vor allem die limitierte Ansicht auf 50 Ergebnisse.
Qwant ist damit kein Lexikon mit dem Anspruch auf Vollständigkeit, sondern vielmehr eine Entdeckungsmaschine, ein Katalog, dessen Liste sich endlich scrollen lässt und kein (unübersichtliches) Blättern bedarf. Einzigartig innovativ ist dieses ‚Suchen, ohne gefunden zu werden‘ übrigens nicht, es erreicht allerdings mehr Traffic als die Herausforderer Duckduckgo, Blekko und Ixquick … und bevor jetzt gleich gegoogelt wird: qwant.com, dahinter verbirgt sich auch die deutsche Variante der Suchmaschine!
Swenja Wütscher: nachgefragt Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung
Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) regelt für Rundfunk und Telemedien, welche Medieninhalte wann und wie gesendet bzw. angeboten werden dürfen. Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) prüft, ob Verstöße dagegen vorliegen und entscheidet über die Ahndung von Rechtsverletzungen. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, ist stellvertretender Vorsitzender der KJM. Im Herbst 2011 sagte er: „Jugendmedienschutz darf kein Placebo sein, das die Eltern schlucken, um sich in falscher Sicherheit zu wiegen“. Swenja Wütscher hat mit ihm anlässlich der Novellierung des JMStV gesprochen und ihn gefragt, was dieses Zitat im Umkehrschluss bedeutet: Jugendmedienschutz ist ein Mittel für … ?
Krüger: Jugendmedienschutz ist ein weites Feld, würde Fontane sagen. Ich argumentiere mal von den zu Schützenden her, also dass vor allem bei Kindern der Schutzgedanke im Vordergrund stehen muss, und bei Jugendlichen der Gedanke der Eigenverantwortung. Sprich, wir brauchen differenzierte Lösungen, die den Schutzbedürfnissen Rechnung tragen, die auf der anderen Seite aber auch begreifen, dass es nicht nur um Ordnungspolitik geht, sondern auch um Medienkompetenz. Die medienpädagogische Herausforderung, die Aufgabe, die es zu bewältigen gilt, ist die Stärkung der Eigenverantwortung der Jugendlichen.
merz: Welche Wirkung entfaltet die – im Jahr 2010 gescheiterte, im März erneut gestartete – Novellierung des JMStV bei Ihnen?
Krüger: Zunächst geht es natürlich darum, viele offene Fragen zu diskutieren, die mit der Medienkonvergenz aufgetreten sind, aber auch die Frage, wie es mit dem technischen Jugendmedienschutz weitergehen soll. Ich bin der Meinung, dass die Wirtschaft derzeit nicht in der Lage ist, eine vernünftige Weiterentwicklung der Jugendschutzprogramme alleine zu finanzieren und plädiere vehement für ein stärkeres Engagement der öffentlichen Hände von Bund und Ländern.
merz: Brauchen medienkompetente Heranwachsende überhaupt noch einen Jugendmedienschutz?
Krüger: Kinder brauchen in jedem Fall Vorkehrungen des Jugendmedienschutzes, bei Jugendlichen sieht das schon anders aus. Ich glaube, dass Jugendliche mit zunehmendem Alter selber für sich Verantwortung übernehmen müssen, weil Schutzvorkehrungen nur relative sein können. Deshalb muss der Jugendmedienschutz der Zukunft – also einer, der seinen Namen verdient – begreifen, dass es neben dem Standbein der technischen und ordnungspolitischen Vorkehrungen ein Spielbein der Unterstützung von Medienkompetenz-Projekten für Jugendliche braucht, die sie ermächtigen, eigenverantwortlich mit Medien umzugehen.
merz: Was könnte oder sollte ‚die Medienpädagogik‘ selbst zur Verbesserung des Jugendmedienschutzes beitragen?
Krüger: Medienpädagogik dient zunächst dazu, wozu Pädagogik überhaupt dienen soll, nämlich der Stärkung einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit, die den Qualitätskriterien demokratischer, offener Gesellschaften Rechnung trägt. Insofern müssen medienpädagogische Projekte von Sozialverhalten bis hin zu technischen Kompetenzfragen und der Beurteilung und Bewertung von Medieninhalten ein großes Spektrum abdecken, letztendlich aber darauf hinauslaufen, dass die eigenverantwortliche Persönlichkeit im Mittelpunkt stehen sollte. Bisher wird hier viel zu viel klein-klein gefahren. Es gibt hervorragende dezentrale Initiativen, aber weder eine systematische Förderpolitik noch eine erkennbare Verzahnung mit den schulischen Curricula – vor allem für den Bereich der weiterführenden Schulen.
merz: Welche Aspekte sollten damit einen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag anführen?
Krüger: Die Diskussion um einen JMStV muss berücksichtigen, dass es auch korrespondierende Lösungen für den medienpädagogischen bzw. für den Medienkompetenz-Bereich geben muss. Der JMStV muss Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass tatsächlich übergeordnete Förderpolitik gestartet wird, die dadurch denkbar ist, dass man entsprechende Institutionen aktiviert, diese Aufgabe wahrzunehmen, oder – wie es immer als große Lösung vorgeschlagen wurde – eine Bund-Länder-Stiftung Medienpädagogik auf die Schiene setzt, die ihren Namen aber auch wirklich verdient.
merz: Wer sollte mit wem ein solches Konzept gestalten?
Krüger: Ich finde, die Verantwortlichen in Bund und Ländern müssen genauso an den Start wie die Fachleute, die sich über Jahrzehnte um dieses Themenfeld verdient gemacht haben. Die Medienpädagogik hat einen sehr starken sozialwissenschaftlichen Background in die Waagschale zu werfen, der sehr hilfreich ist, was die Adoleszenz-Phase von Jugendlichen betrifft, und damit sozusagen die Projekte der Medienpädagogik und Medienkompetenz einpasst in die Persönlichkeitsentwicklung. Gleichzeitig kann man auch nicht vorbeigehen an der Expertise starker Anbieter von medienpädagogischen Projekten. Also es gibt im Feld eine Reihe von Experten, die angesprochen und einbezogen werden müssen. Es gibt aber vor allem auch die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern, die endlich begreifen müssen, dass der Jugendmedienschutz auf zwei Beinen zu stehen kommen muss, wenn es um Jugendliche geht: neben den technischen und ordnungspolitischen Vorkehrungen nämlich auch die Stärkung der Eigenverantwortung der Jugendlichen. Das A und O sind die Jugendlichen, die nicht nur Patienten sind, die erzogen oder pädagogisiert werden müssen, sondern wenn wir von Medienpädagogik- und Medienkompetenz-Projekten ausgehen, denken wir eine teilhabeorientierte Bildung – also die Einbeziehung der Jugendlichen selber – immer mit. Ohne Partizipation in diesen Projekten, ohne Mitbestimmung über die Lernszenarien und -settings wird keine Akzeptanz in diesem Bereich herzustellen sein.
merz: Jugendmedienschutz darf nicht nur Regulierung heißen. Jugendliche sind gleichzeitig Regisseure und Darsteller ihrer Lebenswelt – und sollen das auch sein. Ihr Wunsch nach sozialer Zugehörigkeit verlangt dabei auch Webpräsenz: Welche Alternativen sollte es daher für Jugendliche neben sicheren Surfräumen und Filterlösungen geben?
Krüger: Eine Lösung ist vielleicht, ins Kloster zu gehen, aber die gehört eher anderen Jahrhunderten an. Ich glaube, man muss berücksichtigen, dass Jugendliche heute neben der Einbeziehung in den formellen und non-formellen Bildungssektor auch Selbstlernende sind: Sie organisieren sich selbst, auch ihre Lernprozesse – in der pädagogischen Wissenschaft wird das informelle Bildung genannt –, sie vernetzen sich mit Gleichaltrigen, tauschen sich aus und werden quasi durch das Interagieren mit Gleichaltrigen Experten ihres Alltags – auch ihres Medienalltags. Das gilt es in entsprechenden Szenarien und Förderprogrammenzu berücksichtigen. Denn die Akzeptanz bei Jugendlichen wird nur herzustellen sein, wenn sie als eigenverantwortliche Persönlichkeiten von Anfang an mitgestaltend ins Spiel kommen und dieses Terrain mitbestimmen können.
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Friedrich Krotz und Eike Rösch: Apps verändern die Medienpädagogik
Als vor nur sieben Jahren das iPhone vorgestellt wurde, sagten viele ein schnelles Ende der Neuentwicklung voraus. Apps spielten in der damaligen Diskussion kaum eine Rolle und in Apples Entwurf waren sie noch nicht mal vorgesehen. Heute hat das Smartphone Technik, Arbeit und Leben und die Nutzung des Internet revolutioniert; genau genommen, die Art und Weise, wie die Menschen den mobilen Minicomputer „Smartphone“ nutzen, der gleichzeitig am Telefonnetz sowie am Internet hängt und dabei auch nicht selten Ortungsinformationen preisgibt, hat Arbeit und Alltag, Leben und soziale Beziehungen in Kultur und Gesellschaft schnell und in vielfältiger Weise verändert. Dafür spielten und spielen insbesondere Apps eine wichtige Rolle: Sie schaffen eine Fülle von meist einzelnen Anwendungen, von denen manche immens funktional und hilfreich sind, während andere kaum vernünftig brauchbar sind oder gar nur dazu dienen, den Userinnen und Usern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Diese Vielfalt untermauert das geflügelte Wort, es gebe für alles eine App. Natürlich werfen Apps wie alle Programme auch viele alte und neue Fragen auf, so einmal mehr die nach den Potenzialen für Kommunikation und Medienproduktion, aber auch nach dem Verhältnis von Datenschutz und Ausspähung. Hier ist Medienpädagogik nicht nur pädagogisch, sondern auch politisch gefragt. Für die pädagogische Arbeit und die Medienpädagogik im Speziellen haben sich auch die Rahmenbedingungen menschlichen Handelns grundlegend gewandelt, von denen sie ausgehen müssen: Smartphone-Nutzende haben ständig multifunktionale Minicomputer dabei, mit denen sie auf das Wissen der Welt zugreifen können, soweit es im Internet verfügbar ist, mit der Welt kommunizieren können, sofern ihre Kommunikationspartnerinnen oder -partner ebenfalls vernetzt Apps verändern die Medienpädagogik sind, und/oder Medienprodukte herstellen und mindestens in ihren Bekanntenkreisen distribuieren können, für die früher aufwändige Technik bereitgestellt werden musste. Dass man mit Apps auch sonst noch viel mehr machen kann, dass Apps aber auch ausgesprochen eindringlich sind, alle möglichen Rechte verlangen, zum Teil ständig auf die Userinnen und User Einfluss zu nehmen versuchen und an den Konsumkapitalismus anschließen, weiß, wer über ein Smartphone verfügt. Mit dem Schwerpunkt dieser merz-Ausgabe soll daher betrachtet werden, was Apps im Leben der Menschen und insbesondere von Kindern und Jugendlichen bedeuten, an welche Potenziale Medienpädagogik anknüpfen und mit welchen sie sich auseinandersetzen muss und welche Bedeutung sie somit für spezifische Bereiche der Medienpädagogik haben. Dabei ist einschränkend zu sagen, dass die Entwicklung hier derzeit sehr schnell geht, bisher noch wenige belastbare empirische Studien und theoretische Überlegungen vorliegen und auch im Bereich der Medienpädagogik vor allem neue Ideen erprobt werden – über fertige Rezepte verfügt auch hier niemand. Im ersten Aufsatz begreift Friedrich Krotz die Trägermedien Smartphone und Tabletcomputer, auf denen die Idee von Apps entstanden ist, im Sinne des Mediatisierungsansatzes als eine Weiterentwicklung des Mobiltelefons, das unter anderem schon mit Kamera und Kalender ausgerüstet war, bei dem das Telefonieren und SMS-schreiben aber noch im Vordergrund standen. Auf dieser Basis lassen sich Apps dann in ihrer Vielfalt etwas systematischer beschreiben, insofern es darum geht, die damit verbundenen Forschungsfragen zu identifizieren und vielleicht auch erste Antworten auf der Basis explorativer Studien zu entwickeln. Dabei stehen die Potenziale und die Risiken für die Nutzenden im Vordergrund. Die Auseinandersetzung mit diesen Risiken im Umgang mit Apps ist auch ein wichtiger Gegenstand der Medienerziehung. Die trotz aller Skandale weiter wachsenden Zahlen der Nutzerinnen und Nutzer von WhatsApp etwa zeigen, dass es nicht leicht ist, Nutzende zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Manuel Neunkirchen und Jeffrey Wimmer entwickeln mit ihrem Beitrag „Es könnte ja passieren, dass …“ eine wichtige Grundlage für pädagogische Angebote im Hinblick auf Apps: In einer Studie der TU Ilmenau wurde untersucht, welche Risiken im Zusammenhang mit Apps wahrgenommen werden und durch welche Faktoren das Risikobewusstsein beeinflusst wird. Auch in der Schule hat die Diskussion über Lernen mit digitalen Medien durch Smartphones und Tablets eine neue Dynamik bekommen: Apps spielen dabei eine zentrale Rolle.
Eike Rösch und Björn Maurer betrachten die Hintergründe dieser Entwicklung und stellen pädagogische Überlegungen in den Mittelpunkt. In der aktiven Medienarbeit haben Apps eine ganz eigene praktische Relevanz, etwa indem ‚klassische‘ Projektformen mit mitgebrachten Geräten und Apps realisiert werden können, aber auch weil völlig neue Produktionen möglich geworden sind. Björn Friedrich und Daniel Seitz beleuchten die Potenziale und Knackpunkte dieser Entwicklung und kommen unter anderem zu dem Schluss, dass das mediale und pädagogische Know-how der Fachkräfte gefragter ist denn je. An Apps und Smartphones manifestieren sich alle aktuellen Herausforderungen für den Jugendschutz: die zunehmende Dominanz von Konzernen, die Versäumnisse bei gesetzlichen Regelungen sowie die zunehmende Internationalität. Darum und was das für jugendschützerische Aktivitäten bedeutet, geht es in einem Interview, das Swenja Wütscher mit Markus Gerstmann geführt hat. Einen bedeutenden Teil von Apps machen Spiele aus und mit Smartphones sind Games endgültig im Alltag angekommen und überall präsent – gespielt werden kann auf dem Sofa, auf dem Klo, im Bus und auf dem Schulhof. Tobias Miller und Anne Sauer betrachten verschiedene Spielformen im Mobile Gaming und deren jeweilige Attraktivität für die Nutzenden. Als pädagogisches Moment bringen sie Beurteilungskriterien für mobile Spiele in die Diskussion ein.
Steffen Griesinger und die Beteiligten in seinem Projekt haben den Spieß umgedreht und selbst eine App programmiert, mit der sich lokalisierte Spielszenarien realisieren lassen. In seinem Artikel skizziert er die Rahmenbedingungen, den Ablauf und pädagogische Empfehlungen für ein solches Projekt. Abschließend skizziert Christine Feil im Gespräch mit Kati Struckmeyer das Konzept der neuen Datenbank des DJI Apps für Kinder, erläutert Beurteilungskriterien und Entwicklungspläne und gibt generelle Einschätzungen zur App-Welt. Die Datenbank soll einen Orientierungspunkt im immer größer werdenden Ozean von Apps für Kinder bieten. Nicht fehlen dürfen in einer Ausgabe über Apps Empfehlungen zu ebendiesen. Swenja Wütscher hat Medienpädagoginnen und -pädagogen nach ihren Erfahrungen gefragt und einige empfohlene Apps einer kritischen Betrachtung unterzogen. In der Gesamtschau der Einschätzungen aus den verschiedenen Bereichen wird deutlich, dass sich die Medienpädagogik einmal mehr neu erfunden hat: Durch Smartphones, Apps und das mobile Internet erleben Medienpädagoginnen und Medienpädagogen eine neue Phase der Medienevolution, in der einiges neu definiert wird, teilweise aber auch auf alte Erfahrungen zurückgegriffen werden kann.
Mit den genannten Schlaglichtern möchten wir die Diskussion über die Relevanz von Apps für die medienpädagogische Forschung und Praxis anregen, Erfahrung sammeln und offene Fragen stellen. Denn eins ist klar: Auch in diesem Feld bleibt es spannend. Und dies wird auch sicher nicht das letzte Heft sein, das sich mit den Möglichkeiten und Problemen von Programmen auf dem Smartphone beschäftigt.
Friedrich Krotz: Apps und die Mediatisierung der Wirklichkeit
Apps sind zu einem festen Bestandteil der heutigen Zeit geworden. Doch was genau sind Apps überhaupt? Worin besteht der Unterschied zu herkömmlichen Computerprogrammen und -spielen? Wie groß ist die Vielfalt von Apps wirklich und welche Konsequenzen bringen sie für das Individuum und die Gesellschaft mit sich?
Literatur:
Bitkom (Hrsg.) (2011). Mobile Anwendungen der ITK Branche. Umfrageergebnisse. www.bitkom.org [Zugriff: 14.10.2012].
Hall, Edward T. (1976). Beyond Culture. New York: Anchor.
Krotz, Friedrich (2012). Von der Entdeckung der Zentralperspektive zur Augmented Reality. In: Friedrich Krotz /Andreas Hepp (Hrsg.), Mediatisierte Welten. Forschungsfelder und Beschreibungsansätze. Wiesbaden: Springer VS. S. 27-58.
Krotz, Friedrich (2014a im Druck). Augmented Reality und informelle Vereinbarungen. Überlegungen zu einer Theorie des Smartphones. In: Caja Thimm (Hrsg.), Mobilkommunikation. Münster: LIT.
Krotz, Friedrich (2014b im Druck). Einführung: Mediatisierte soziale Welten. In: Friedrich Krotz/ Cathrin Despotovic/ Merle Marie Kruse (Hrsg), Die Mediatisierung sozialer Welten: Synergien empirischer Forschung. Wiesbaden: VS Verlag.
Krotz, Friedrich/Schulz, Iren (2006). Niemals allein und in neu interpretierten Realitäten: Die Bedeutung des Mobiltelefons in Alltag, Kultur und Gesellschaft. In: Ästhetik und Kommunikation, 135, S. 59-66.
Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) (Hrsg.) (2012). Mobil ins Netz. Heft 3 von Digitalkompakt LfM. www.lfm-nrw.de/fileadmin/lfm-nrw/nrw_digital/DK_Mobil_ins_Netz.pdf [Zugriff: 10.04.2014]
Manuel Neunkirchen und Jeffrey Wimmer: „Es könnte ja passieren, dass ...“
Während ein Schwerpunkt bei der Erforschung von Risiken in der digitalen Medienwelt sich auf die Nutzung des Internets bezieht, fehlen bisher Untersuchungen zu Apps auf Smartphones und Tablet-Computern, obwohl deren Verwendung enorm an Bedeutung gewonnen hat. Die Studie exploriert daher, welche Risiken von App-Nutzerinnen und -Nutzern wahrgenommen werden und welche Faktoren das Risikobewusstsein beeinflussen. Hierbei zeigt sich unter anderem eine ausgeprägte Divergenz zwischen den real existenten und den wahrgenommenen Risiken.
Literatur:
ALM GbR (Hrsg.) (2012). Jahrbuch 2011/2012. Landesmedienanstalten und privater Rundfunk in Deutschland. Berlin: Vistas.
Böhmer, Matthias et al. (2011). Falling Asleep with Angry Birds, Facebook and Kindle – A Large Scale Study on Mobile Application Usage. MobileHCI 2011, Aug 30-Sept 2, 2011, Stockholm, Sweden.
Charmaz, Kathleen C. (2006). Constructing Grounded Theory: A Practical Guide through Qualitative Analysis. London: Sage.
Einwiller, Sabine (2003). Vertrauen durch Reputation im elektronischen Handel. Wiesbaden: GWV.
Kleining, Gerhard (2010). „Vertrauen“ in den Medien und im Alltag. In: Maren Hartmann/Andreas Hepp (Hrsg.), Die Mediatisierung der Alltagswelt. Wiesbaden: VS Verlag. S. 127-146.
Krotz, Friedrich (2014). Dein ganz persönlicher Einkaufstipp. taz, 22./23.02.2014
Krotz, Friedrich/Hepp, Andreas (Hrsg.) (2012). Mediatisierte Welten. Forschungsfelder und Beschreibungsansätze. Wiesbaden: VS Verlag.
Kuckartz, Udo (2010). Typenbildung. In: Günter Mey/Katja Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie. Wiesbaden: VS Verlag. S. 553-568.
Matthes, Jörg/Kohring, Matthias (2003). Operationalisierung von Vertrauen in Journalismus. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, 51(1), S. 5-23.
Mayring, Philipp (2008). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. 10. Auflage. Weinheim und Basel: Beltz.
McKnight, Harrison D./Chervany, Norman L. (2002). What Trust Means in E-Commerce Customer Relationships: An Interdisciplinary Conceptual Typology. In: International Journal of Electronic Commerce, 6(2), S. 35-59.
Quandt, Thorsten (2012). What’s Left of Trust in a Network Society? An Evolutionary Model and Critical Discussion of Trust and Societal Communication. In: European Journal of Communication, 27(1), S. 7-21.
Reichertz, Jo (2010). Die Macht der Worte und der Medien. 3. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag.
Sackl, Andreas (2012). Risikowahrnehmung und Nutzungsverhalten in Computer Supported Social Networks am Beispiel studiVZ. In: Hajo Greif/Matthias Werner (Hrsg.), Vernetzung als soziales und technisches Paradigma. S. 169-186.
Stone, Robert J./Mason, J. Barn (1995). Attitude and Risk: Exploring the Relationship. In: Psychology & Marketing, 12(2), S. 135-153.
Verkasalo, Hannu et al. (2010). Analysis of Users and Non-users of Smartphone Applications. In: Telematics and Informatics, 27, S. 242-255.
Wimmer, Jeffrey/Hartmann, Maren (Hrsg.) (2014). Mobilkommunikation in Bewegung: Mobilisierung – Mobile Medien – Kommunikative Mobilität. Wiesbaden: Springer VS.
Beitrag aus Heft »2014/03: Apps«
Autor: Jeffrey Wimmer, Manuel Neunkirchen
Beitrag als PDFEinzelansichtEike Rösch und Björn Maurer: Apps in der Schule
Aktuell steht in der Auseinandersetzung um mobiles Lernen mit Tablets die Diskussion um die besten Apps für den Schulunterricht oft im Vordergrund. Wie ist das Umfeld dieser Diskussion beschaffen? Welche Potenziale und mögliche Fehlentwicklungen gibt es? Und worauf kommt es beim Einsatz von Apps in der Schule wirklich an?
Björn Friedrich und Daniel Seitz: Apps in der außerschulischen Bildung
Apps bieten zahlreiche neue Chancen und einige Herausforderungen für die Medienpädagogik. Es werden Bezüge zur außerschulischen Bildungsarbeit mit Apps aufgezeigt, neue Anwendungsmöglichkeiten betrachtet und die Konsequenzen für die medienpädagogische Praxis beleuchtet.
Swenja Wütscher: Kindersicherung in der Hosentasche?!
Kommunikationsmittel, Spielekonsole, Kamera – mit Apps wird aus jedem mobilen Endgerät ein digitales Schweizer Taschenmesser, welches neue Chancen und Herausforderungen mit sich bringt. Markus Gerstmann, Medienpädagoge im ServiceBureau Bremen und verantwortlich für die Redaktion von jugendinfo.de, beschäftigt sich mit dem Potpourri der Möglichkeiten und informiert seit Jahren über die aktuelle Mediennutzung von jungen Menschen und zeigt Möglichkeiten für lebensnahe, partizipative und kollaborative Lernformen mit digitalen Medien auf.
Tobias Miller und Anne Sauer: „Mutti hat gesagt, geh draußen spielen!“
Mobile Gaming ist ein wichtiger Spieletrend, der aktuell durch Apps einen weiteren Schub erhält. Der Artikel beleuchtet Neuheiten und innovative Spielkonzepte aus medienpädagogischer Sicht und benennt Kriterien zur pädagogischen Beurteilung von Apps, wie sie auch bei spielbar.de genutzt werden.
Literatur:
Agnello, Anthony John (2012). Xbox from Mars, iPhone 5 from Venus: 60% of mobile gamers are women. www.digitaltrends.com/mobile/survey-says-60-of-mobile-gamers-are-women [Zugriff: 16.03.14].
Breuer, Johannes (2010). Spielend lernen? Eine Bestandsaufnahme zum (Digital) Game-Based Learning. LfM-Dokumentation Band 41. Düsseldorf. www.lfm-nrw.de/fileadmin/lfm-nrw/Publikationen-Download/Doku41-Spielend-Lernen.pdf [Zugriff: 16.03.14].
Fritz, Jürgen (2008). Zwischen Lust und Frust. Warum Computerspiele faszinieren können. In: ders. (Hrsg.), Computerspiele(r) verstehen. Zugänge zu virtuellen Spielwelten für Eltern und Pädagogen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 96-111.
Hamburger, Ellis (2014). Indie smash hit ‚Flappy Bird‘ racks up $50K per day in ad revenue. www.theverge.com/2014/2/5/5383708/flappy-bird-revenue-50-k-perday-dong-nguyen-interview [Zugriff: 14.03.14].
Hugger, Kai-Uwe/Tillmann, Angela/Bader, Julia/Cwielong, Ilona/Kratzer, Verena (2013). Kids Mobile Gaming: Mobiles Spielen bei Kindern im Alter von 6 bis 13 Jahren. In: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung 2, S. 205-222.
Miller, Tobias/Sauer, Anne (2012). Motivationsfaktor Games: Spielbesprechungen als Beteiligungsform im Netz. In: Lutz, Klaus/Rösch, Eike/Seitz, Daniel (Hrsg.), Partizipation und Engagement im Netz. Neue Chancen für Demokratie und Medienpädagogik. München: kopaed,S. 105-113.
MPFS (Hrsg.) (2013). JIM 2013. Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest.
Newzoo Trend Report (2013). Mobile Games. Placing Smartphone and Tablet Gaming in Perspective of the total Games Market. Amsterdam: Newzoo. www.newzoo.com/wp-content/uploads/Newzoo_Mobile_Games_Trend_Report_Free.pdf [Zugriff: 16.03.14].
Quandt, Thorsten/Wimmer, Jeffrey (2006). Mobile Gaming. Virtuelles Spielen in realer Bewegung. In: Ästhetik & Kommunikation, 37(135), S. 41-48.
Steffen Griesinger: App-Entwicklung mit Jugendlichen, am Beispiel der Kaiserdom-App
Mit Jugendlichen eine App zu entwickeln, ist mit App Inventor kein großes Problem. medien+bildung.com startete bereits vor drei Jahren ein erstes Modellprojekt um mit dem App-Baukasten von Google ein Stadtspiel zu realisieren. Seit dieser Zeit hat sich technisch vieles verbessert, aber das Projekt Kaiserdom- App zeigt auch die Grenzen solch eines Baukasten-Systems.Literatur:IDC: Android Pushes Past 80% Market Share While Windows Phone Shipments Leap 156.0% Year Over Year in the Third Quarter, According to IDC, www.idc.com/getdoc.jsp?containerId=prUS24442013, 2013Interrogare & SevenOne Media: Mobile Barometer 01/2013
Kati Struckmeyer: Eine App muss auch herausfordern
Im März 2014 ging die Datenbank des Deutschen Jugendinstituts (DJI) www.datenbank-apps-fuer-kinder.de online, in der Apps für Kinder besprochen und bewertet werden. Die Rezensionen von über 150 Apps haben zum Ziel, Eltern und pädagogisches Fachpersonal über die Vielfalt und Qualität der Angebote zu informieren. Die Datenbank wird im DJI-Projekt „Digitale Medien in der Lebenswelt von Klein- und Vorschulkindern“ in Kooperation mit dem Blickwechsel e. V., klick-tipps.net und der Stiftung Lesen erstellt und kontinuierlich erweitert. Im Interview beantwortete Dr. Christine Feil, Projektleiterin der Datenbank, verschiedene Fragen zum Hintergrund des Projekts und Apps im Allgemeinen.
Swenja Wütscher: appgebildet Explain Everything
Der Name ist Programm, denn die (mittlerweile auch ins Deutsche übersetzte) Whiteboard- und Screencast-App ist tatsächlich ein Allround-Erklärbär, um zu erläutern, vorzustellen, gemeinsam zu erarbeiten, audio-visuell zu präsentieren … und anschließend die Skizzen, Bilder, Texte oder Videos zur Verfügung zu stellen. Der Clou an Explain Everything ist nämlich, dass aus praktisch jeder Quelle Daten importiert, kommentiert, in eine Erzählung verpackt und anschließend fast überall hin exportiert werden können. Die umfangreichen und übersichtlichen Funktionen von handschriftlichen Anmerkungen über jegliche Farben, Formen, Fotos bis hin zu Texten und Videos werden à la Power-Point angelegt und nach dem gewohnten Schema F bedient: Fingertippen, Fingerhalten, Fingerspreizen, Fingerrotieren. Die Aufnahmefunktion ermöglicht, die Arbeitsfläche mitzuschneiden, wahlweise mit zusätzlichen auditiven Erklärungen und Augenführungen mittels eines eingebauten Laserpointers; nachträgliche Bearbeitungsmöglichkeit inklusive.
Explain Everything eignet sich damit hervorragend, um in werbefreier Zone – nach kurzer Einweisung auch durch Heranwachsende selbst – Lernvideos zu erstellen (Zeichnungen zu erarbeiten wird weniger empfohlen), lediglich das abschließende Rendern dauert seine gewohnte Zeit.iOS (2,69 Euro)Android (2,56 Euro)
Swenja Wütscher: appgefaltet Foldify
Eine virtuelle 2D-Bearbeitungsfläche, eine 3D-Vorschau, eine selbstgebastelte Papierfigur. Origami 2.0. Per digitalem Pinsel und Stift können mit Foldify Bastelvorlagen wie Würfel, Figuren und Autos nach Belieben gestaltet, also angemalt, beschriftet und mit Bildern – neben dem Import von Eigenproduktionen stehen auch diverse Hände, Augen und Münder zur freien Verfügung – verziert, anschließend (per PDF als Mail, AirPrint und WLAN-Drucker) ausgedruckt, entlang der Schnittlinien ausgeschnitten und schlussendlich zusammengebastelt werden. Neben der Förderung von Kreativität und haptischen Fähigkeiten ermöglicht die App faszinierende und aufschlussreiche Entdeckungen durch den Transfer vom Digitalen zum realen Printprodukt; die simultane 3D-Vorschau während der Bearbeitung am iPad ermöglicht zudem eine direkte Reflexion des medialen Handelns.
Eine soziale Komponente bietet die Foldify-Community, in welcher die individuell bemalten Schablonen mit anderen geteilt werden können. Während allerdings die Bedienung der App anfangs nicht ganz intuitiv funktioniert, hilft auch die ausschließlich englische Anleitung nur bedingt. Außerdem hätten die In-App-Erweiterungen (je 0,89 €) kostenfrei integriert werden können – während es jedoch sehr positiv zu erwähnen ist, dass dieser Dienst eine eingebaute Zugriffssperre mittels Touch-Aufgabe besitzt, deren Lösung zumindest Lesekompetenz bedarf.
Da die werbefreie App auch offline voll funktionstüchtig ist, ist die kreative Perle Foldify für jegliche Faltexperimente in KiTa, (Grundschul-)Unterricht, Freizeit und Zuhause wärmstens zu empfehlen; der neue liebevolle Ableger Foldify Zoo (1,79 €) fordert übrigens ältere Bastelkinder nochmal besonders heraus.iOS (3,69 Euro)
Swenja Wütscher: appgezockt Pixel Press Floors
Jump’n‘Run, selbstgemacht. Pixel Press Floors ist eine Do-it-yourself-Gamingplattform, bestehend aus zwei Elementen: ein sogenanntes Sketch Kit mit Raster und Anweisungen, um eigene 8-Bit-Spiele zu entwerfen, und die App, um Arbeitsergebnisse aufzuzeichnen, einzusenden und letztendlich zu zocken. Nach Super Mario Bros.-Manier können fünf Level (ein einfaches Level kann in weniger als einer Stunde umgesetzt werden) Pixel für Pixel selbst gezeichnet werden – auf speziell gemustertem Papier, direkt am mobilen Endgerät oder auch in Kombination der beiden; Papierskizzen werden mittels Scanner von der App digitalisiert. Am mobilen Endgerät anschließend noch Funktionalitäten einfügen, Design auswählen, Farben modifizieren … und im Handumdrehen bewegt sich die Wunschfigur laufend und hüpfend durch das Terrain, um am Spielfeldrand angekommen mittels Leiter im nächsten Level zu landen.
Die Nutzerinnen und Nutzer bringen die kreative Leistung, den Rest – also das Programmieren – leistet Pixel Press, so dass die App es ermöglicht, eigene Spiele zu programmieren, ohne auch nur einen einzigen Code anfertigen zu müssen. Voraussetzung sind ein gewisses Geschick beim Zeichnen sowie rudimentäre Englischkenntnisse zum Lesen der (momentan noch ausschließlich) englischsprachigen Anleitung; die bebilderte Legende hilft dabei aber enorm. In der Pixel Press Floors-Community muss (!) das fertige Game schlussendlich dann getauscht werden. Alternativ kann der Programmierschritt aber auch übersprungen und direkt mit Level 1 eines bereits vorhandenen Spiels gestartet werden. Pixel Press Floors ist damit ein faszinierendes Kickstarter-Projekt mit einer erfolgreich-zugänglichen, werbefreien Mission: Jump’n‘Run, selbstgemacht.iOS (kostenfrei | englisch)Android (Juni 2014)
Swenja Wütscher: appgehängt Actionbound
Die klassische Schnitzeljagd ist im 21. Jahrhundert angekommen: Actionbound bietet für Einzelpersonen und (Klein-)Gruppen abenteuerliche und lehrreiche Touren zwischen Natur und Kultur, zwischen Geschichte und Politik sowie zwischen den ganz eigenen Lieblingsplätzen. Neben dem Pool bereits vorhandener Routen können Nutzerinnen und Nutzer – vom Grundschulkind bis zur pädagogischen Fachkraft – nämlich ohne spezifisches Vorwissen auch eigene interaktive Rallyes, Stadtführungen oder Schatzsuchen programmieren. Der Editor funktioniert dabei browserbasiert, so dass kein Software-Download notwendig ist.
Informationen zum Streckenverlauf können in Form von Erklärungen, Fragen oder Aufgaben interaktiv eingebaut und damit attraktiv vermittelt bzw. abgefragt werden; Bilder, Videos, Maps, QR-Codes et cetera lassen sich integrieren. Auch kann die Anfertigung und der Upload eines Inhalts selbst Teil einer Aufgabenstellung sein, die – wie alle eigenen Produkte – abschließend optional auch für andere zugänglich gemacht werden kann. Die klar strukturierte App kombiniert damit die reale Geschichte einer (selbst programmierten) Wahlumgebung mit der Nutzung und Erprobung digitaler Möglichkeiten mobiler Endgeräte. Offline und ohne GPS-Gerät mit nur einem mobilen Endgerät spielbar, lässt sich Actionbound ideal in jegliche Bildungskontexte und Wandertage einbinden.iOS (kostenfrei)Android (kostenfrei)
Swenja Wütscher: appgemalt colAR Mix
Dieser Mix – buchstäblich bestehend aus Farbe (color) sowie realer und virtueller Welt (Augmented Reality) – ist im Grunde lediglich eine Kamera, die Bildern virtuell Leben einhaucht; und damit beeindruckend präsentiert, was sich hinter dem Fachjargon Augmented Reality (kurz AR, zu deutsch ‚erweiterte Realität‘) verbirgt. Aus ganz normalen Papierzeichnungen generiert colAR Mix voll animierte 3D-Objekte, jedoch beschränkt auf die gut 20 Malvorlagen, die die Website colarapp.com zum kostenfreien Download bzw. zum Ausdruck zur Verfügung stellt; allerdings können anschließend mit der Gratis-App nur bestimmte Motive genutzt werden, im Gegensatz zur Vollversion (2,69 €). Die ausgedruckten Vorlagen werden mit echten Farbstiften – nicht am mobilen Endgerät, wie bei den meisten Mal-Apps – nach Belieben ausgemalt, erst danach kommt die App zum Einsatz: Das Kunstwerk mit einer ruhigen Hand anvisieren, aufnehmen und schon wird die Zeichnung mitsamt der individuell ausgemalten Felder lebendig; es zahlt sich also aus, auch den Hintergrund auszumalen!
Die animierten, teils sogar ein wenig interaktiven, selbstgestalteten Lebewesen begeistern damit nicht nur das Zielpublikum der Vier- bis Neunjährigen. Das kann übrigens trotz englischer Anweisungen, die über ein ‚print‘, ‚color‘ oder ‚play‘ nicht weit hinausgehen, dank der einfach gehaltenen, werbefreien Bedienung intuitiv mit der App umgehen. colAR Mix eignet sich daher nicht nur zur Verknüpfung digitaler Mediengeräte mit dem altbewährten (Aus-)Malen, sondern auch zur Demonstration zukunftsweisender Technik, Augmented Reality nämlich. Kleiner Tipp am Rande: Per Touch auf das Display erscheint eine Lupe, mit der in das AR-Bild hineingezoomt werden kann.iOS (kostenfrei)Android (kostenfrei)
spektrum
Christin R. Müller, Jan Pfetsch und Angela Ittel: Cyberbullying und die Nutzung digitaler Medien im Kindheits- und Jugendalter
Die vorliegende Studie untersucht, wie sich die Mediennutzung von Cyberbullys, Cybervictims und Unbeteiligten unterscheidet. Befragt wurden Lernende im Alter von acht bis 16 Jahren. Die multivariaten Analysen zeigen, dass Cyberbullys und Cybervictims Mobiltelefone und das Internet abhängig von Alter und Geschlecht häufiger und vielfältiger nutzen als Unbeteiligte. Konsequenzen für das Vorgehen weiterer Untersuchungen zu Cyberbullying werden diskutiert.
Literatur:
Dooley, Julian J./Pyzalski, Jacek/Cross, Donna (2009). Cyberbullying versus face-to-face bullying. A theoretical and conceptual review. In: Journal of Psychology, 217, S. 182-188.
Erdur-Baker, Özgür (2010). Cyberbullying and its correlation to traditional bullying, gender and frequent and risky usage of internet-mediated communication tools. In: New Media and Society, 12, S. 109-125.
Field, Andy (2009). Discovering statistics using SPSS (3. Ausgabe). Los Angeles, CA: Sage.Hinduja, Sameer/Patchin, Justin W. (2008). Cyberbullying: An explanatory analysis of factors related to offending and Victimization. In: Deviant Behavior, 29, S. 129-156.
Li, Qing (2007). Bullying in the new playground: Research into cyberbullying and cyber victimization. In: Australasian Journal of Educational Technology, 23, S. 435-454.
Livingstone, Sonia/Haddon, Leslie/Görzig, Anke/Òlafsson, Kjartan (2010). Risks and safety on the internet: The perspective of European children. Initial findings from the EU Kids Online survey of 9-16 year olds and their parents. London.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2012). JIM-Studie 2012. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart.
Perren, Sonja/Gutzwiller-Helfenfinger, Eveline (2012). Cyberbullying and traditional bullying in adolescence: Differential roles of moral disengagement, moral emotions, and moral values. In: European Journal of Developmental Psychology, 9, S. 195-209.
Pfetsch, Jan/Müller, Christin R./Ittel, Angela (2013). Cyberbullying und Empathie – Affektive, kognitive und medienbasierte Empathie im Kontext von Cyberbullying im Kindes- und Jugendalter. Manuskript eingereicht zur Publikation.
Schultze-Krumbholz, Anja/Scheithauer, Herbert (2011). Der Berlin Cyberbullying-Cybervictimization Questionnaire (BCyQ). Unveröffentlichtes Manuskript, Freie Universität Berlin.
Smith, Peter K./Mahdavi, Jess/Carvalho, Manuel/Fisher, Sonja/Russell, Shanette/Tippett, Neil (2008). Cyberbullying: Its nature and impact in secondary school pupils. In: Journal of Child Psychology and Psychiatry, 49, S. 376-385.
Tokunaga, Robert S. (2010). Following you home from school: A critical review and synthesis of research on cyberbullying victimization. In: Computers in Human Behavior, 26, S. 277-287.
Beitrag aus Heft »2014/03: Apps«
Autor: Angela Ittel, Jan Pfetsch, Christin R. Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtAmina Ovcina Cajacob und Yvonne Herzig Gainsford: digezz 2.0: Lehren und Lernen im konvergenten Produktionsraum
Mit digezz (www.digezz.ch) wurde – initial für die Lehre – eine konvergente Medienlaborumgebung aufgebaut, die eine herausragende Ausgangslage für Forschung und neue Lern- und Lehrmethoden bietet. Das Forschungsprojekt ist Teil eines KTI1-Projekts des Instituts für Multimedia Production der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur. Es werden darin die Erfahrungen mit innovativen multi- und crossmedialen Produktionsweisen und Workflows im Konvergenzlabor der HTW systematisch analysiert und beschrieben.
Literatur:
Collins, Allan/Brown, John Seely/Holum, Ann (1991). Cognitive Apprenticeship: Making thinking visible. American Educator, 15(3), pp. 1-18.
Höflich, Joachim R. (1996). Technisch vermittelte interpersonale Kommunikation. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Koschmann, Timothy (1996). Paradigm shifts and instructional technology: An introduction. In: Timothy Koschmann (Ed.), CSCL: Theory and practice of an emerging paradigm. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum Associates.
Lave, Jean/Wenger, Etienne (2008). Situated Learning. Legitimate peripheral participation. Cam-bridge et al.: Cambridge University Press.
McLellan, Hilary (1996) (Ed.). Situated Learning Perspectives. New Jersey: Educational Technology Publications.
Strittmatter, Peter/Niegemann, Helmut M. (2000). Lehren und Lernen mit Medien: Eine Einführung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Weber, Wibke (2012). Newsroom: zu einer Lernarchitektur für medienkonvergente Produktionsprozesse. In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 7(1).
Beitrag aus Heft »2014/03: Apps«
Autor: Yvonne Herzig Gainsford, Amina Ovcina Cajacob
Beitrag als PDFEinzelansichtChristian Helbig und Angela Tillmann: Jugendliche suchen gemeinsam ihre „Game-Life-Balance“
Dein Spiel. Dein Leben. – Find your level! ist eine bundesweite Kampagne zur Sensibilisierung junger Menschen bei der Nutzung virtueller Spielwelten. Sie wurde von November 2011 bis Mai 2013 vom BMFSFJ im Rahmen des Dialog Internet gefördert und im Anschluss daran vom Forschungsschwerpunkt Medienwelten der FH Köln evaluiert. Ziel der Evaluation war es, die Wirksamkeit der Kampagne zu analysieren und Handlungsempfehlungen abzuleiten, die die Professionalität medienpädagogischer Arbeit fördern.
Literatur:
BMFSFJ (2011). Dialog Internet. Die Handlungsempfehlungen der Unterarbeitsgruppen im Überblick. www.dialog-internet.de/documents/10157/0/DialogInternet_Handlungsempfehlungen_November2011.pdf [ Zugriff: 02.12.2013].
Dein Spiel. Dein Leben. – Find your level! (2013). Für Eltern & Pädagogen. www.dein-spiel-dein-leben.de/archiv/fur-eltern-padagogen [Zugriff: 24.02.2014].
Fritz, Jürgen (2009). Virtuelle Welten als Lernort. In: Demmler, Kathrin/Lutz, Klaus/Menzke, Det-lef/Prölß-Kammerer, Anja (Hrsg.), Medien bilden – aber wie?! Grundlagen für eine nachhaltige medienpädagogische Praxis. München: kopaed. S. 41-58.
Tillmann, Angela/Helbig, Christian (2013). Evaluation der Kampagne „Dein Spiel. Dein Leben. – Find your level!“ Eine Initiative des Dialog Internet (unter Mitarbeit von Horst Pohlmann, Jürgen Sleegers, Christopher Wandel). Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. www.dein-spiel-dein-leben.de/wp-content/uploads/Abschlussbericht_DSDL_Evaluation_plus_Anlage.pdf [Zugriff: 24.02.2014].
Beitrag aus Heft »2014/03: Apps«
Autor: Christian Helbig, Angela Tillmann
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medienreport
Lisa Klimesch: Mobben auf dem Cyber-Schulhof
Jakob ist erst vor kurzem in die Stadt gezogen. Widerwillig macht er sich zum ersten Mal in seine neue Schule auf und gerät prompt in ein Abenteuer: Auf dem Schulhof herrscht große Aufregung um Nicole, eine Mitschülerin, die bitterlich weint, weil ihr Facepage-Account gehackt und gemeine Lügen über sie verbreitet wurden. Jakob will helfen und macht sich auf die Suche nach dem Täter und seinem Motiv … Das vom Deutschen Kinderschutzbund Bayern in Kooperation mit Digital Treasure Entertainment veröffentlichte Browserspiel Jakob und die Cyber-Mights setzt sich spielerisch mit der Problematik Cybermobbing auseinander und lädt Kinder ein, sich mit dem Hobbydetektiv Jakob auf die Suche nach dem Cyber-Bösewicht zu begeben. Per Mausklick wird die Spielfigur Jakob dabei durch verschiedenste Szenarien bewegt, in denen er seine Nachforschungen anstellt. Die Suche beginnt auf dem Schulhof, wo Jakob sich während der Pause mit Mitschülerinnen und Mitschülern und Lehrkräften unterhält und Informationen und Hinweise zum Mobbingfall sammelt. Hier wird schnell klar: Ganz so einfach ist die Suche nach dem Übeltäter nicht. Zunächst müssen Hinweise interpretiert, Gegenstände gesammelt und Rätsel gelöst werden, um zum nächsten Level zu gelangen und die Hintergründe der Tat Schritt für Schritt ans Licht zu bringen.
Jedes Level hält eine neue Umgebung und weitere Figuren bereit, die Jakob bei seinen Ermittlungen begleiten. Einige der Spielhandlungen wirken amüsant: Beispielsweise findet Jakob ein Haargummi auf dem Schulhofboden, mit dem er später eine Steinschleuder basteln kann. Andere dagegen sind eher fragwürdiger Natur: Der Handy-Code eines Mitschülers muss geknackt werden, um heimlich an Informationen zum Mobbingfall heranzukommen. Den Spielenden legen die Entwickler hier ein bedenkliches Vorgehen zur Konfliktlösung nahe. Die ‚Point and click‘-Navigation und der farbenfrohe, handgemalte Grafikstil des Spiels sind der Zielgruppe von Kindern ab zehn Jahren entsprechend gestaltet. Die Dialoge mit anderen Figuren erscheinen als kleine Comics, die auditiv unterlegt sind und so für Abwechslung sorgen; verschiedene wählbare Gesprächsthemen gewähren den Spielenden eine gewisse Entscheidungsfreiheit. Etwas schade ist, dass das Spiel nur wenige Tipps zur Lösung der Rätsel bereithält, wenn man an einer Stelle nicht weiterkommt – so ist man auf die eigene Kombinationsgabe und Intuition angewiesen, was vor allem bei jungen Spielerinnen und Spielern schnell zu Frustration führen kann. Das selbständige Erkunden der Umgebungen und die teilweise witzigen Kommentare von Jakob stellen dagegen Spaßfaktoren für die Spielenden dar. Die Figuren des Spiels entsprechen leider den gängigen Klischees und fördern rollenspezifisches Denken: Neben dem Cybermobbing-Opfer, einem unscheinbaren Mädchen mit großer runder Brille, das das Stereotyp der ‚Streberin‘ erfüllt, ist ein klassischer Außenseiter mit abstehenden Ohren in den Mobbingfall verwickelt.
Die Clique der ‚Cyber-Mights‘, eine Gruppe ‚Grufties‘ in düsteren Totenkopf-Shirts zieht durch ihr provokantes Auftreten und ihre vermeintlich bösen Absichten die Aufmerksamkeit auf sich. Obwohl die Cyber-Mights Jakob letztendlich unterstützen, wird nicht thematisiert, dass Cybermobbing weitaus komplexer und nicht auf bestimmte Rollen festgelegt ist. Den Spielemachern ist mit Jakob und die Cyber-Mights ein kurzweiliges Adventure Game für Kinder gelungen, das Lerninhalte zu Medienkompetenz mit kniffligem Rätselspaß verbindet. In pädagogischer Hinsicht erscheint es jedoch stellenweise verbesserungswürdig, um wirklich den beworbenen kompetenten Umgang mit Cyberrisiken zu vermitteln. Das kostenlose Lernspiel ist unter www.jakob-und-die-cyber-mights.de sowohl als Online- als auch als PC-Version verfügbar. Einen völlig anderen Ansatz im Umgang mit Cybermobbing bietet das Planspiel Bloßgestellt im Netz für Zwölf- bis 16-Jährige, das vom und Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e.V., AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation wie auch der Landesstelle Nordrhein-Westfahlen e. V. herausgegeben wurde: Hier sind Einfühlungsvermögen und Kommunikationsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen gefragt. Auch hier beschreibt die Ausgangssituation einen Cybermobbingfall: Die Clique, zu der auch das Pärchen Coco und Puk gehört, geht auf dieselbe Schule und unternimmt viel gemeinsam. Als sich Puk von Coco trennt, stellt diese wütend ein Bild von ihm ins Netz und markiert ihn darauf als „Missgeburt“. Außerdem benutzt sie sein Passwort, um gemeine Nachrichten auf die Pinnwände seiner Freunde zu setzen. Innerhalb weniger Stunden weiß die ganze Schule davon.
Mit dieser Einführung in die Geschichte startet das Planspiel für Jugendgruppen und Schulklassen, bei dem zunächst die Rollen verteilt werden: In kleinen Gruppen von zwei bis drei Personen sollen sich die Teilnehmenden in die Gedanken- und Gefühlswelten von Coco, Puk und den anderen Cliquen-Mitgliedern hineindenken. Wie fühlt sich Puk? Bereut Coco ihre Aktion? Was halten die anderen von den Nachrichten im Netz? Die Gruppen bekommen Rollenmappen, die Beschreibungen für jede Figur sowie weitere Arbeitsmaterialien enthalten. Zusätzlich wird für jede Rolle eine Beobachterin bzw. ein Beobachter ausgewählt, der die Diskussionen und Gesprächsergebnisse seiner Gruppe möglichst neutral und objektiv festhalten soll. Am Ende des Spiels werden diese Dokumentationen zur Auswertung herangezogen. Jetzt geht es los: Die Rollenteams überlegen, wie sich ihre Figur fühlen könnte und halten ihre Ergebnisse auf der sogenannten Einfühlungsliste fest. Dabei sollen jeweils die Sätze „Wir fühlen“, „Wir befürchten“ und „Wir wünschen“ vervollständigt werden. Außerdem werden erste Schritte des weiteren Vorgehens geplant, zum Beispiel mit welcher Rollengruppe Gespräche geführt werden sollen, um das Problem zu lösen. Ein Gesprächswunsch wird an den Beobachter weitergeleitet, der mit dem Spielleiter einen ‚Termin‘ vereinbart. Tauschen sich beispielsweise die Rollenteams von Coco und Puk aus, können die Teilnehmenden auf rollenspezifische Gesprächsstrategien zurückgreifen. Am Ende jedes Gesprächs hält das Team die aktuelle Gefühlslage seiner Figur auf dem Gefühlsbarometer fest. Das Rollenspiel ermöglicht es Kindern und Jugendlichen selbst mitzuerleben, welche Dynamik Cybermobbing und dessen Folgen entwickeln können und regt zur intensiven Auseinandersetzung mit den Figuren sowie der Problemsituation an. Im Gegensatz zum Onlinespiel Jakob und die Cyber-Mights liegt der Schwerpunkt des Planspiels dabei auf einer aktiven Kommunikation zwischen den Spielenden. So wird eine Sensibilisierung für die Schwierigkeiten beim Lösungsprozess eines Cybermobbingfalls möglich. Im Laufe des Spiels sollen die Teams zudem eigenständig Handlungsstrategien erarbeiten und erproben, die in einer abschließenden Auswertungsrunde gemeinsam reflektiert werden.
Am Ende des Planspiels können die Schülerinnen und Schüler gemeinsam eine Klassenvereinbarung unterschreiben, die denZusammenhalt der Schulklasse stärkt und damit wohl eine der besten Präventionen von Cybermobbing darstellt. Herausgeber des Spiels ist der AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitationin der Erzdiözese Freiburg e. V., der damit nicht nur auf die Aktualität der Thematik Cybermobbing aufmerksam machen, sondern pädagogischen Fachkräften zugleich umfassendes Material zur Durchführung von Präventionsmaßnahmen an die Hand geben möchte. Die Begleit-Broschüre des Planspiels bietet pädagogischen Fachkräften neben einer kurzen Einführung in die Thematik sowie Hinweisen zu Beratungsangeboten eine ausführliche Beschreibung des Rollenspiels. Auf einer beiliegenden CD finden sich alle Arbeitsmaterialien als Kopiervorlagen im PDF-Format. Während das Planspiel Bloßgestellt im Netz für die Durchführung in Schulklassen und Jugendgruppen gedacht ist und die Bedeutung einer intensiven Beschäftigung mit Cybermobbing in einem möglichst realen und sozialen Kontext betont, wird das Browserspiel Jakob und die Cyber-Mights dagegen online in einem – wenn überhaupt – kleinen sozialen Setting, beispielsweise zuhause mit Freunden gespielt. Die pädagogischen Ansätze unterscheiden sich dabei in ihrer thematischen Tiefe und begleitenden Reflexion.
Die Potenziale der Angebote zur Prävention von Cybermobbing sind klar erkennbar: Das Onlinespiel bietet den Userinnen und Usern in erster Linie Unterhaltung und regt nebenbei zum Nachdenken über Cybermobbing an, während das Planspiel tiefer in die Thematik einsteigt und sich auf die Entwicklung praxisnaher Handlungsstrategien und Lösungswege konzentriert. Jakob und die Cyber-Mights kann in diesem Sinn eine abwechslungsreiche Einführung in das Thema geben, die durch das Rollenspiel im schulischen Kontext aufgegriffen und vertieft wird.
Markus Achatz: Kinder, wie die Zeit vergeht …
Regisseur Richard Linklater hat sich auf ein monumentales Projekt eingelassen, um im Kino etwas zu zeigen, was es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Über einen Zeitraum von zwölf Jahren begleitet der Film Boyhood das Heranwachsen von Mason (Ellar Coltrane) sowie seiner Schwester Samantha (gespielt von Lorelei Linklater, der Tochter des Regisseurs). Das außerordentliche Experiment ist gelungen und nimmt das Publikum mit ins Leben einer Patchworkfamilie aus der texanischen Mittelschicht. Patricia Arquette spielt die alleinerziehende Mutter Olivia und Ethan Hawke den getrennt lebenden Vater Mason Sr. „Wir haben uns jedes Jahr ein paar Tage zum Dreh getroffen“, so Linklater – insgesamt 39 Drehtage verteilt auf sage und schreibe zwölf Jahre. Der Begriff „Coming-of-Age“ hat durch diesen Film eine neue Dimension erhalten. Als der Filmemacher seinen ‚Hauptdarsteller‘ Ellar Coltrane findet, ist dieser sechs Jahre alt, am Ende 18 und hat als Mason gerade ein Stipendium fürs College bekommen. Das Phänomen Boyhood ist schwer zu greifen. Im Grunde bleibt die Story stets nah dran am richtigen Leben. Es geht um kleine und große Sehnsüchte, um Sorgen, Hoffnungen und alltägliche Bedürfnisse nach Glück und Zufriedenheit. Es gibt wenig, was nicht schon in vielen anderen Filmen zu sehen war.
Linklater konstruiert keine großen Dramen, sondern zieht Exzerpteaus den Biografien seiner Figuren, die berühren und eigene Erfahrungen und Gedanken wecken. Heraus gekommen ist eine ausgesprochen kurzweilige und flüssig erzählte Studie des Lebens und von vergehender Zeit, die stets eine unvergleichliche Leichtigkeit in sich trägt und das Publikum zu bannen vermag. Mason und Samantha wachsen bei ihrer Mutter auf. Der Vater war irgendwann nach Alaska abgehauen, taucht aber eines Tages wieder auf und kümmert sich zeitweise wieder um die Kinder. Für kurze Zeit scheint alles gut zu laufen, doch Olivia kommt letztlich nicht mit der Situation zurecht. Sie geht zurück an die Uni, um ihren Abschluss nachzuholen und mehr Geld zu verdienen. Dort begegnet sie dem Dozenten Bill Wellbrock. Beide heiraten und Olivia, Samantha und Mason ziehen mit Bill und dessen beiden Kindern zusammen. Bill beginnt immer mehr Alkohol zu trinken und als seine Gewalt gegen die Familie eskaliert, flieht Olivia mit ihren Kindern an einen anderen Ort. Olivias nächster Partner ist ein Irak-Kriegsveteran und diese Beziehung hält auch nur eine Weile. Mason weiß sich inzwischen mehr zu behaupten, muss aber parallel seine eigene Gefühlswelt koordinieren.
Auf einzigartige Weise sieht man in Boyhood wie die Zeit vergeht. Nicht nur bei Mason, der sich vom sechsjährigen Kind zum 18-jähringen jungen Erwachsenen mit Bart verändert, sondern auch bei Patricia Arquette und Ethan Hawke. Ihre Rollen verändern sich mit ihnen, ihre Ansichten und Lebensweisheiten erhalten neue Komponenten. Beispielsweise die Szene, als Mason gegen Ende von zu Hause auszieht, um aufs College zu gehen, wird für Olivia zu einem emotionalen Moment, der ihr den Lauf der Dinge vor Augen führt. Das Publikum hat miterlebt, was Olivia erlebt hat. Ein sentimentaler, aber authentischer Rückblick auf die Jahre. Fiktives und Reales verwischen wie sonst kaum in einer fiktionalen Kinogeschichte. Knapp drei Stunden dauert Boyhood und obwohl ich kein großer Freund der Überlänge bin, hat mich Linklaters Inszenierung überzeugt. Bei der Premiere von Boyhood im Wettbewerb der Berlinale 2014 (vgl. merz 2-2014 Perspektiven des Aufwachsens) war die Resonanz überwältigend. Der Film lief am vorletzten Festivaltag, wenn die Journalistinnen und Journalisten teilweise schon am Rande des ‚Kino-Overkills‘ sind und schon mal im Dunkeln wegschnarchen.
Doch am Ende der voll besetzten Pressevorführung brandete eine selten erlebte Applauswelle über den Abspann. Als ‚Bären‘-Gewinner hoch gehandelt, erhielt Richard Linklater für Boyhood schließlich den Silbernen Bären für die beste Regie. Mit dem Phänomen Zeit hat er sich auch schon in seiner Beziehungsgeschichte von Céline und Jesse (Julie Delpy und Ethan Hawke) auf ganz eigene Weise beschäftigt. 18 Jahre verbinden die Trilogie Before Sunrise (1995), Before Sunset (2004) und Before Midnight (2013). Hier liegt die Relevanz der Zeit zum einen in der Exposition der Geschichte, indem die gemeinsame Zeit für beide Hauptfiguren begrenzt bleibt, zum anderen im großen Abstand der erzählten Begegnungen von jeweils neun Jahren. Mit dem ersten Filmder Reihe hatte Linklater 1995 ebenfalls den Silbernen Bären gewonnen, für das Drehbuch zu Before Sunset war er für einen Oscar nominiert. Boyhood setzt nun mit seiner neuen Form der Langzeitstudie wiederum Maßstäbe. Linklater wollte gezielt die Phase des Heranwachsens über einen längeren Zeitraum zeigen. Der Prozess selbst rückt mehr in den Vordergrund als die einzelnen Meilensteine und einschneidende Erlebnisse. Letztere kommen zwar in der Geschichte von Mason und seiner Familie durchaus vor, drängen sich dabei aber nicht als dramaturgische Höhepunkte nach vorne.
Alltäglichkeiten, Nebensätze und beiläufige Begebenheiten stehen gleichberechtigt neben den größeren Dramen und Übergangsriten. Das ist raffiniert und unkonventionell. Insofern ist diese Geschichte, dieser Film weit mehr als die Summe seiner einzelnen Teile. Für den 54-jährigen Regisseur war das Risiko stets groß, ob alle dabei bleiben, und es war vor allem schwierig, die Finanzierung dieses Monsterprojekts zu stemmen – angesichts der Länge des Zeitplans nicht weiter verwunderlich. Für Ellar und sein Umfeld war es sicher ebenfalls nicht einfach, die Hauptrolle im Film eines berühmten Regisseurs zu spielen, dessen Szenen – geschweige denn das gesamte Werk – auf absehbare Zeit niemand zu sehen bekommen würde. In einem Interview antwortet Ellar auf die Frage, ob er nicht irgendwann einmal überlegt habe, nicht mehr weitermachen zu wollen: „Nicht wirklich“ und ergänzt, dass er jedoch erst mit 13/14 Jahren angefangen habe, es zu mögen. Im Lauf der Zeit war er mehr in den Prozess eingebunden und konnte an der Ausgestaltung seines Charakters mitwirken. Linklater berichtet, dass sich seine Tochter mit etwa elf Jahren einmal gewünscht hatte, er solle ihre Rolle sterben lassen.
Die besondere Leistung Linklaters steckt darin, die Geschichte so weiterentwickelt zu haben, dass am Ende alles flüssig, ohne künstliche Übergänge ineinander greift. Zeitsprünge werden über die Gesichter, Styles und Frisuren und in Details wie den Modellen von Mobiltelefonen oder Spielzeug gezeigt. Daneben werden Ausschnitte aus dem gesellschaftlichen Leben in der Handlung angedockt, wie beispielsweise der Präsidentschaftswahlkampf 2012, in dem Mason Sr. mit seinen Kindern Wahlplakate für Obama in der Nachbarschaft verteilt. Ein wesentliches weiteres Stilelement Linklaters ist in Boyhood – wie in den meisten seiner Filme – die Musik. Songs aus den verschiedenen Jahren werden zum Chronometer und zur Orientierungshilfe. Der Bogen spannt sich von Coldplay („Yellow“) und The Hives („Hate To Say I Told You So”) im Jahr 2000 über Weezer („Island in the Sun“), Flaming Lips („Do you Realize“), Family of the Year („Hero“) bis Yo La Tengo, Arcade Fire und Daft Punk („Get Lucky“) 2013. Mit der engen Verknüpfung von Songs und Plot knüpft Linklater an seine früheren Filme Slacker (1991), Dazed & Confused (1993) oder Suburbia (1996) an. Wenn Mason gegen Ende des Films mit einer neuen Studienkollegin im Abendlicht sitzt und über den Sinn des Lebens nachdenkt, ist auch dies eine kleine Etappe, aber kein Abschluss.
Seine Erkenntnis, dass Augenblicke stets geradejetzt stattfinden, ist keine altersweise Einsicht, sondern eine dokumentierte Momentaufnahme in Masons Leben. Das wirkt beinahe ironisch, ist für ihn aber nun gerade von Bedeutung. Dies geschieht mit Linklaters Magie und Leichtigkeit, die sich zu einem Schmunzeln in den Gesichtern der Zuschauerinnen und Zuschauer verwandeln lässt. Wie nebenbei wird eine neue Facette von Adoleszenz in Kinobildern gespeichert und der Beweis erbracht: Zeit ist relativ. Und: Was sind schon drei Stunden im Vergleich zu zwölf Jahren?
Elisabeth Jäcklein-Kreis: Bewerbungstrainer
Konfetti, Sekt, Jubelschrei – die letzten Prüfungen sind geschafft, das Abschlusszeugnis muss nur noch abgeholt werden, das Leben kann beginnen. Nach der Schule beginnt ein ganz neuer Lebensabschnitt und der birgt tausend Möglichkeiten, die ganz große Freiheit – und jede Menge ganz neue Herausforderungen. Eine der ersten Herausforderungen für frisch gebackene Inhaber von Schulabschlüssen aller Art ist, die ersten Schritte in Richtung der tausend Möglichkeiten der Berufswahl zu gehen. Plötzlich müssen Lebenslauf und Passfotos, Anschreiben und Motivationsbekundungen her und wenn man die gerade alle zusammengebastelt hat, klingelt auch schon das Telefon und Einladungen werden überbracht. Aber nicht solche zu Abschluss-Partys, mit denen man sich schon auskennt – sondern solche zu Bewerbungsgesprächen und mit dieser Art von Einladungen flattern auch gleich eine ganze Menge neue Fragezeichen ins Haus.
Was zieht man an zu so einem Gespräch, wie soll man sich geben, welche Fragen müssen beantwortet werden und welche Auskünfte darf man verweigern? Wie so oft hilft auch hier ein Blick ins weltweite Netz, das doch zu fast allen Themen etwas zu sagen hat. Auf der Suche nach guter Starthilfe bei der Gesprächsvorbereitung bietet Google Seiten über Seiten an, die „Die zehn besten Tipps“, „Die 15 wichtigsten Dos und Don’ts“ oder gleich „Alles Wichtige“ in petto zu haben scheinen. Da gibt es Informationsseiten und Broschüren, Checklisten und Forendiskussionen rund um Kleiderwahl und Gesprächsverhalten, Selbstvermarktung und potenzielle Inhalte. Nun gibt es Broschüren auch im Arbeitsamt und gute Tipps in Omas Küche – doch das Internet hat noch mehr zu bieten. Auf einigen Seiten können Bewerbungs-Aspiranten mittlerweile nicht mehr nur Texte lesen und Listen abhaken, sondern sich gleich mitten in den Ernstfall stürzen – ohne natürlich die Konsequenzen des Ernstfalls erwarten zu müssen. Diverse Bewerbungstrainer bieten die Möglichkeit, das gefürchtete Gespräch einmal komplett durchzuspielen, von der Auswahl der Garderobe über die Begrüßung des potenziellen Arbeitgebers, von der Getränkewahl bis zur Gehaltsverhandlung und versprechen so die ultimative Vorbereitung auf das Gespräch der Gespräche …
Ich hab Power – Startzündung für die Metall-Karriere
Bunte Farben, Graffiti-Animationen und viel Bewegung – das erwartet einen auf ichhabpower.de, einer Seite des Gesamtverbands der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. Offenbar haben sich hier die Arbeitgeber selbst ein Herz gefasst und bereiten ihre zukünftigen Azubis schon vor der Bewerbung auf ihr zukünftiges Tätigkeitsfeld vor. Die Seite bietet umfangreiche Informationen zur M+E (Metall+Elektronik)-Branche, vermittelt Ausbildungsplätze, hält Tests zum Allgemeinwissen und zur Eignung für das Berufsfeld bereit und trumpft vor allem auf mit dem „Bewerbungstrainer 2.0“. „Wir beamen dich direkt ins Bewerbungsgespräch“, verspricht die Seite und tatsächlich: Wer sich hier einklickt, kann Bewerbungsgespräche in den Berufsfeldern Mechanik, Informatik, Elektrotechnik, ‚Kaufmännisch‘ führen und das sehr realistisch: Zu jedem Bereich wir eine fiktive Firma vorgestellt, mit einem Profil zum Durchlesen, anschließend schlüpft man in den Avatar des Bewerbers und macht sich auf den Weg zum Personaler.
Der stellt durchaus ‚klassische‘ Bewerbungsgesprächs-Fragen, allerdings auch sehr spezifische Fragen zur Berufseignung, zum Hintergrundwissen über das angestrebte Tätigkeitsfeld und zur Firma selbst. Zu jeder Frage werden verschiedene Antwortmöglichkeiten angeboten. Das schöne daran: Die Antworten sind – darauf wird auch vorher hingewiesen – nicht ‚richtig‘ oder ‚falsch‘, sondern eher besser oder schlechter – das macht den Trainer interessant zu bedienen, weil es nicht möglich ist, die offensichtlich ‚blöden‘ Antworten einfach auszuschließen, ohne wirklich darüber nachzudenken. Eine ‚Auflösung‘, wie gut die ‚Bewerbung‘ gelaufen ist, gibt es zwar am Ende des ganzen Gespräches, der Gesprächsverlauf insgesamt nimmt aber durchaus eine andere Richtung, wenn man sich als besonders unvorbereiteter Bewerber entpuppt, was das Programm zusätzlich realistisch macht.
Wer etwa im Bereich ‚Elektrik‘ arbeiten will, weil er ‚schon immer gern am PC‘ arbeitet, wird vom Personaler direkt gefragt, ob er sich nicht lieber in der Informatik bewerben will. Leider werden die Antworten nicht vorgelesen, sondern nur schriftlich eingeblendet – mit sehr viel Lesezeit. Das macht das Gespräch unter Umständen sehr lang. Dennoch ist die Seite insgesamt sehr fundiert und informativ, wer sich für den M+E-Bereich interessiert, wird hier sicher alles finden, was er für den Berufseinstieg braucht – auch wenn man dank etwas unübersichtlicher Gestaltung bisweilen ein wenig suchen muss. Und vor allem der Bewerbungstrainer ist realistisch und anspruchsvoll und bietet eine wirklich gute Auseinandersetzung sowohl mit dem Berufsfeld als auch mit der Bewerbungssituation.
Planet Beruf – Stippvisite auf dem fremden Planeten
Wer längst noch nicht weiß, ob er Informatiker, Florist oder vielleicht Porzellanmaler werden will, kann die ersten Schritte auf dem unbekannten Planeten ‚Berufswelt‘ auf den Seiten der Agentur für Arbeit machen. Diese bietet bwt.planet-beruf.de an, ein Bewerbungshilfeportal mit vielen Angeboten rund um Bewerbungen, Tipps und Materialien von der ersten Information zu Ausbildungsplätzen über die Bewerbungsmappe und Informationenzu Online-Tests, Auswahlverfahren bis hin zum Ausbildungsvertrag. Hier gibt es zwar keinen interaktiven Bewerbungstrainer mit Avataren und einer flexiblen Geschichte, aber doch einen exemplarischen Ablauf eines Bewerbungsgespräches in kurzen Videosequenzen.
Die verschiedenen Phasen eines Vorstellungsgespräches werden nacheinander gezeigt, jede Frage wird vorher eingeblendet und an die Person vor dem Bildschirm weitergereicht: Sollte Frau Baier ein Getränk annehmen? Sollte Frau Baier noch Fragen stellen? Sollte Frau Baier auf diese Frage antworten? Das Feedback zur jeweiligen Auswahl kommt sofort, es gibt eine richtige Verhaltensweise und sonst nur falsche, was etwas schade ist; den Minuspunkt macht die Seite aber dadurch wieder wett, dass die jeweils richtige Antwort immer sofort ausführlich erläutert wird. Insgesamt sind die Fragen hier sehr allgemein gehalten, es werden alle ‚klassischen‘ Szenen einmal durchgespielt, man lernt also die Basics, die man immer kennen sollte – egal in welcher Branche man sich später vorstellt.
So bietet das Tool einen guten und anschaulichen Einstieg für alle, die sich beim Thema ‚Vorstellungsgespräch‘ wirklich fühlen wie Expediteure in fremde Welten. Wer aber schon auf einer Checkliste oder in Omas Küche gelernt hat, dass man nicht nach Cappuccino fragt, wenn Wasser angeboten wird oder sich beim Ankommen über die Wegbeschreibung der Firma beschwert, kann sich die etwas altbackenen und langwierigen Videos sparen und sich den anderen Angeboten der Seite widmen, unter denen sich durchaus hilfreiche Materialien verstecken.
Lizzynet – Frauen an die Arbeitsplätze!
Eine dritte ‚Berufswelt‘ gibt es auf den Seiten von Lizzynet, einer Online-Community für Mädchen. Das Portal beherbergt nicht nur ausführliche Informationsseiten rund um Studiums- und Berufswahl, sondern auch ein umfangreiches interaktives Angebot. Hier beschränkt sich das Selbst-Ausprobier-Angebot nicht nur auf das Bewerbungsgespräch – Berufe-Sucher können gleich den kompletten Bewerbungsprozess von Anschreiben und Lebenslauf über Outfit bis zum Bewerbungsgespräch durchspielen. Und das nicht nur theoretisch: Anschreiben und Lebenslauf etwa können online gleich mit den eigenen Daten befüllt und dann gespeichert werden – so nimmt man von der Übung nicht nur den Lerneffekt, sondern gleich echte Unterlagen mit, die nur noch ein wenig optische Überarbeitung brauchen, dann aber direkt auf den Weg zum Traum-Arbeitgeber wandern können.
Für das Vorstellungsgespräch ist es auch hier möglich, einen Avatar vorzuschicken, der sich in einem von sechs verschiedenen Berufsbereichen (kaufmännisch, Maler/Lackierer, Friseurin, Chemielaborantin, Maßschneiderin, zahnmedizinische Fachangestellte) ins Personaler-Büro wagt. Mit dem Avatar gemeinsam gilt es zunächst, den Kleiderschrank zu plündern und ein Bewerbungsoutfit zusammenzustellen. Im Bewerbungsgespräch-Trainer selbst wird dann mit einem gezeichneten Avatar interagiert, dessen Fragen per Auswahl aus mehreren Möglichkeiten beantwortet werden. Die Antworten sind nicht ganz so spezifisch wie bei ichhabpower, aber deutlich spezifischer als bei planet-beruf.
Auf die ausgewählten Antworten gibt es sofort Feedback, am Ende jeder Rubrik stehen Feedbacks, Checklisten und weitere Tipps … wer hier einmal durchsurft, hat nicht nur dank schöner Animation und klarer Bedienung viel Spaß beim Entdecken und Lernen, sondern darf sich danach auch bestens vorbereitet fühlen für die nächste Bewerbungsrunde. Da fehlt eigentlich nur noch die Adresse der Traumfirma und dem Karrierestart steht nichts mehr im Weg – und das auch für Jungs. Insgesamt ist also für alle was dabei im großen weiten Internet – Grundsatz-Infos für die ganz Ahnungslosen, Ernstfall-Training in realistischen Szenarien und sogar ganz spezifische Vorbereitung auf einzelne Berufsfelder. Ein Rundum-Sorglos-Startpaket für Berufseinsteiger – und für den einen oder anderen vielleicht der erste Schritt zur nächsten „Konfetti, Sekt, Jubelschrei“-Gelegenheit.
Cornelia Pläsken: Rechtsextremismus kompakt
Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) (2013). MEDIENKOFFER gegen RECHTS. DVD und Broschüren, kostenfrei.
Heimatgefühl, Umweltschutz und Proteste gegen Kindesmissbrauch – all diese Themen sind auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich, bedrohlich oder kritisch zu betrachten, allerdings eben nur auf den ersten Blick! Mit scheinbar normalen gesellschaftlichen Themen ködern rechtsextremistische Vereinigungen Kinder und Jugendliche, um ihnen dann rechtsextremistisches Gedankengut schmackhaft zu machen. An dieser Stelle versucht der MEDIENKOFFER gegen RECHTS anzusetzen, um mithilfe von Pädagoginnen und Pädagogen medienpädagogische Aufklärungsarbeit bezüglich Rechtsextremismus zu betreiben. Der Koffer ist ein Gemeinschaftsprojekt der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM), des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit (TMSFG) und des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (Thillm). Er bietet eine umfangreiche multimediale Materialsammlung, die theoretisch von Pädagoginnen und Pädagogen aus Thüringen kostenfrei erstanden werden kann. Praktisch sind alle 600 bestehenden Exemplare des Koffers bereits vergriffen, die Inhalte können aber auch online abgerufen und verwendet werden. Das Material soll wertvolle methodische Anregungen und Hilfen für die Kompetenzförderung im Umgang mit problematischen Medieninhalten geben.
Doch was genau ist eigentlich drin? Eine ganze Menge! Neben einigen Faltblättern und einer DVD gibt es vier Broschüren unterschiedlicher Ausprägungen. Der Titel der umfangreichsten Broschüre lautet: „Rechtsextremismus hat viele Gesichter“. Eine 90-seitige Handreichung für Lehrkräfte von klicksafe.de, in der es darum geht, wie Rechtsextreme im Netz erkennbar sind und was gegen Rechtsextremismus konkret getan werden kann. Lehrerinnen und Lehrer bekommen zum einen umfassende Informationen zur Thematik und zum richtigen Umgang damit in der Klasse. Zum anderen erhalten sie Anregungen, wie beispielsweise ein Elternbrief aussehen könnte, der darüber informieren soll, dass Rechtsextremismus in nächster Zeit im Unterricht thematisiert wird. Zusätzlich enthält die Broschüre hilfreiche Links, auf denen entweder Zusatzmaterial für die Schule abgerufen werden kann oder weitere Informationen rund um das Thema gegeben werden. Die Broschüre verweist außerdem auf Internetseiten, die rechtsextreme Propaganda im Netz verbreiten. Mithilfe dieser Seiten soll Heranwachsenden durch einschlägige Slogans, Musik oder modernes Design der Einstieg in die Szene geebnet werden. Durch die ausführliche Darstellung solcher Seiten ist es Lehrkräften möglich, Schülerinnen und Schüler detailliert und anschaulich über die Gefahren, die hier lauern, zu informieren und darüber zu diskutieren. Im letzten Teil der Broschüre sind nochmals hilfreiche Linklisten aufgeführt und Arbeitsmaterialien für den Unterricht beigelegt, die durch didaktische Empfehlungen ergänzt wurden.
Eine weitere Broschüre von klicksafe.de ist gleich in fünffacher Ausführung im Koffer enthalten. Tipps für Eltern. Rechtsextremismus im Internet zielt, wie der Name bereits verrät, auf Eltern als Zielgruppe ab. Hier sollen Eltern informiert werden, wie Neo-Nazis das Internet für ihre Zwecke nutzen, welche gesetzlichen Vorgaben zu dieser Thematik existieren, wie entsprechende Inhalte als solche deklariert werden können und wie man die eigenen Kinder diesbezüglich informieren und schützen kann. Besonders auffällig bei dieser Broschüre ist, dass Handlungsanweisungen für Eltern keineswegs übertrieben oder übervorsichtig sind, sondern reflektiert und angemessen. Neben Lehrkräften und Eltern werden auch die Jugendlichen bedacht. „Klickt‘s? Geh Nazis nicht ins Netz“ richtet sich an Jugendliche von zwölf bis 15 Jahren, um ihnen eher spielerisch die Thematik näher zu bringen. Ein Teil der Inhalte ist wie ein Chat aufbereitet, durch den sich Jugendliche angesprochen fühlen sollen. Die Verwendung von Jugendsprache soll dies unterstreichen. Der andere Teil besteht aus aufklärenden Informationen und Möglichkeiten. Bei dieser Broschüre ist allerdings fraglich, ob Jugendliche in diesem Alter das Material ernst nehmen und wie genau der Einsatz aussehen soll, da dazu in der Beschreibung des Koffers nichts Genaueres erwähnt wird. In der letzten Broschüre Die Rechtsextremen sagen werden 17 Argumentationslinien der NPD aufgegriffen und argumentativ entkräftet.
Auf diese Weise soll verständlich gezeigt werden, wie Rechtsextremisten die Realität zu ihren Gunsten verdrehen und was hinter den Denkstrukturen wirklich steckt. Neben den Broschüren liegt auch die DVD Gegen Rechts! Handlungsstrategien für die Schule bei. Sie richtet sich an alle Schulformen, ab der achten Jahrgangsstufe. Die DVD ist in vier Kategorien aufgeteilt: Video, Audio, Bild und Material. Es gibt eine Reportage über eine Schulklasse, die ein Konzentrationslager besucht. Bei den üblichen Führungen wird den Schülerinnen und Schülern das KZ näher gebracht. Dazu übernachtet die Klasse mit ihrer Lehrerin dort und hilft bei den anfallenden Arbeiten. Das Video ist sowohl in der rein zu rezipierenden Version als auch interaktiv vorhanden. Die interaktive Version unterscheidet sich im Grunde nur durch interaktive Fragen zum Video, die zwischendruch gestellt werden. Neben der Reportage gibt es drei sogenannte Erklärfilme, ein Interview mit einer Lehrerin und eine Umfrage mit Menschen auf der Straße, bei der es darum geht, was man gegen Neonazismus tun kann. Bei der Umfrage wird jedoch nicht ganz deutlich, worin der Nutzen für die Rezipierenden besteht. Das Audio-Material der DVD ist die Audio-Version der letzten beiden Videos und bietet somit auch keinen besonderen Mehrwert. In der Kategorie Bild werden Bilder aus dem KZ, Zahlen bezüglich Neonazismus in Ost- undWestdeutschland sowie Aufkleber neonazistischer Vereinigungen gezeigt. Das Zusatzmaterial hingegen bietet zum Teil Hilfestellungen für Lehrkräfte, da die Materialien adäquat im Unterricht eingesetzt werden können. Auf das interaktive Material trifft dies allerdings nicht zu, da hier der Anspruch eher geringer ist und keine Herausforderung besteht. Zu den Broschüren und der DVD wurden dem Koffer einige Faltblätter beigelegt, die einen thematischen Bezug aufweisen. Sie reichen von Beschreibungen rechtsextremistischer Symbole, Schriftzüge und Zahlencodes über den Hinweis auf eine ausleihbare Ausstellung über Nazi-Rock und die NPD bis hin zu thematischen Beratungsangeboten und Projekten. Die Faltblätter ergänzen den Koffer also um mehr oder weniger Randinformationen, die durchaus große Relevanz haben.
Der MEDIEN-KOFFER gegen RECHTS bietet vieles zum Thema Rechtsextremismus. Mithilfe von medienpädagogischen Materialien befähigt er Lehrkräfte wie andere pädagogische Fachkräfte, Heranwachsende umfassend über die Thematik aufzuklären, zu informieren und zum kritischen Nachdenken anzuregen. Die beiliegenden Unterrichtsmaterialien sind passendes Werkzeug für den Schulalltag. Didaktisch wertvoll sind die zusätzlichen Anleitungen für die Benutzung der Materialien. Die Broschüren für Lehrkräfte und Eltern sind im Vergleich zur Broschüre für Jugendliche besonders positiv zu bewerten, da sie sinnvoll aufgebaut und äußert informativ sind. Die Handreichung für Jugendliche hingegen wirkt aufgesetzt und nicht überzeugend. Zwar sind die Inhalte an sich gut gewählt, doch ist es schwer vorstellbar, dass sie in dieser Aufmachung wirklich bei der Zielgruppe ankommen. Auch die DVD hat einen mäßigen Mehrwert für den Koffer. Die Reportage und die Erklärfilme sind nett anzusehen, doch fehlt ihnen die stichhaltige Relevanz. Insgesamt war es im ersten Moment etwas überraschend, dass kaum eines der Materialien speziell für den Koffer angefertigt wurde, sondern es sich eher um eine Sammlung von bereits vorhandenem Material handelt. Dies soll den Wert der Inhalte nicht schmälern, da sie einen wichtigen Beitrag für die medienpädagogische Auseinandersetzung mit dem Thema liefern.
Der MEDIEN-KOFFER gegen RECHTS ist damit ein sinnvolles und brauchbares Werkzeug für Pädagoginnen und Pädagogen, die sich in verschiedenen Bereichen der Medienbildungsarbeit mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandersetzen wollen.
Swenja Wütscher: Gefühle sind Farben
Wie mache ich mein Kind sicher und stark? Helfen Sie mit diesem Hörbuch, Kinder vor Gewaltverbrechen und Missbrauch zu schützen. Sicher-Stark-Team Audio-CD, oomoxx media, 65 min., € 19,99.
„[…] Wut ist ein Gefühl, das wir Erwachsene zwar häufig bei Kindern nicht sonderlich schätzen, das aber in vielen Situationen durchaus hilfreich und nützlich sei kann. Gefühle sind […] Farben, sie sind weder gut noch schlecht“. Vielmehr geht es darum, wie mit diesen Gefühlen umgegangen wird. Gefühle an sich sind immer in Ordnung, lediglich der Umgang mit ihnen sollte angemessen sein und bedarf daher der Förderung von Gefühlswahrnehmung und -erkennung. Mit solchen und anderen Strategieansätzen werden speziell Eltern – im Grunde aber alle Personen, die mit Kindern arbeiten – angesprochen, um ihnen dabei zu helfen, ihre Kinder sicher und stark zu machen und in ihrer weiteren Entwicklung zu unterstützen: In welchem Alter sollten Kinder mit Gefahren überhaupt vertraut gemacht werden? Wie kann ich mein Kind effektiv schützen? Was mache ich, wenn mein Kind erpresst wird? Wie vermittle ich meinem Kind Selbstbewusstsein? Fragen über Fragen, denen sich das Elternhörbuch Achtung! Starkes Kind! – Wie mache ich mein Kind sicher und stark? unter dem Motto „Prävention statt Therapie“ annähert.
Gefahrensituationen werden simuliert, Übungsspiele für zu Hause angeregt, Eltern in ihrem Vorhaben durchweg gestärkt. „Dein Vater hatte heute Morgen einen Autounfall und ich soll dich von der Schule abholen, um dich ins Krankenhaus zu bringen. Deine Mutter ist auch schon dort und die warten alle auf dich. Komm, steig schnell ein, damit wir losfahren können.“ Es sind Beispiele, die beim ersten Höreindruck etwas altmodisch klingen, da sie mit demselben Wortlaut auch schon vor einigen Jahrzehnten auf der Tagesordnung standen. Allerdings sind sie in der Realität heute nicht weniger aktuell, im Gegenteil. Es gibt sie nämlich noch, die Maschen von damals, die bei Eltern längst in Vergessenheit geraten sind, mit denen sich aber auch heute Kinder noch locken lassen. Durch gezieltes Training, Gefahren zu erkennen, einen adäquaten Situationsumgang parat zu haben, gezielte Fragen zu stellen und richtiges Verhalten zu zeigen, soll unter anderem das Selbstvertrauen der Kinder gestärkt werden – aber auch das der Eltern, ihren Töchtern und Söhnen ein solches zu vermitteln. In 25 teils auch sehr kurzweiligen Hörbuch-Tracks – mit einer Gesamtlaufzeit von 65 Minuten – liefert Autor Ralf Schmitz, Trainer für Gewaltprävention, praxisorientierte Alltagstipps sowie Anregungen und Hilfestellungen.
Die Sozialinitiative Sicher Stark möchte mit diesem Konzept erreichen, dass Eltern ihre Kinder besser vor Gewaltverbrechen schützen und gegen Missbrauch stärken können, da Kinder, die sich wehren können und das Nein-Sagen gelernt haben, nicht so schnell Opfer von Gewaltverbrechen werden und wissen mit Übergriffen im nahen Umfeld besser umzugehen. Revolutionär sind manche der Ratschläge nun wirklich nicht, daher wirken so einige der Tracks etwas ausgelutscht. Allerdings ist es auch nicht die Absicht des Elternhörbuchs, neue Präventionsmaßnahmen vorzustellen, vielmehr geht es um eine Bündelung wichtiger – teils auch altbewährter – Strategien, um diese frisch ins Gedächtnis der Erziehenden zu rufen und den interessierten Hörerinnen und Hörern mit Trainingsratschlägen zur Seite zu stehen. Auch die sehr schlichte auditive Aufbereitung der einzelnen Tracks unterstreicht den inhaltlichen Schwerpunkt, wenn auch auf manch banale Bekräftigungsnebensätze gut hätte verzichtet werden können.
Die Abbildung einer weiblichen Figur auf dem Booklet sowie der CD wiederum hätte gerne um einen männlichen Gegenpart ergänzt werden können, um das Stereotyp, dass nur weibliche Kinder geschützt und unterstützt werden sollten, nicht unnötig aufzufrischen. Die eigentlich Botschaft des Sicher Stark-Werks bedarf allerdings keiner weiteren Worte: „Kinder sollen nicht nur sicher und stark [gemacht werden], sondern […] Stärken erfahren, von denen sie vorher noch nichts wussten.“
publikationen
Eick, Dennis (2014). Digitales Erzählen. Die Dramaturgie der Neuen Medien. Konstanz und München: UVK. 252 S., 24,99 €.
„Eine gut erzählte Geschichte macht aus den Ohren Augen“, so beschreibt es ein chinesisches Sprichwort. Schon seit Urzeiten üben Geschichten und Erzählungen eine besondere Faszination auf uns Menschen aus. Mit den digitalen Medien erhielt eine Vielzahl neuer Rezeptionsmöglichkeiten Einzug in unseren Alltag, die in stetig steigender Zahl genutzt wird: In E-Books, Online-Blogs, Sozialen Netzwerken oder Web-Serien genauso wie Computerspielen und Werbeclips – überall werden Inhalte in Geschichten verpackt. Dennis Eick greift diese Entwicklung auf und beschäftigt sich mit der Frage, auf welche Weise sich der aktuelle Prozess der Digitalisierung auf Erzählungen auswirkt. Was sind die derzeitigen Entwicklungen? Gibt es Grenzen des digitalen Erzählens? Wo könnten zukünftige Trends liegen? Mit seinem Buch möchte Eick einerseits den Eroberern neuer Geschäftsfelder und Absatzmärkte essenzielles Werkzeug für narrative Inhalte an die Hand geben, andererseits jedoch auch Profi-Erzählern einen Zugang zu den neuen Medien ermöglichen. Anhand anschaulicher Beispiele und Anekdoten aus Literatur, Film und Fernsehen beschreibt er im zweiten Kapitel die Entwicklung verschiedener Erzählformate und resümiert: Die Inhalte der Geschichten haben sich im Laufe der Jahrhunderte nicht viel verändert, umso mehr dagegen mit jedem neuen Medium auch die Formen des Erzählens. Welche Chancen und Herausforderungen hält digitales Erzählen bereit? Eick beantwortet diese Frage, indem er besonders auf die aktuelle Entwicklung von geschlossenen Erzählformen hin zu offenen, interaktiven Narrationen eingeht, die von der Kreativität der Rezipientinnen und Rezipienten leben.
In den Mittelpunkt des dritten Kapitels stellt der Autor die Zielgruppen und Märkte, die durch Höchste Zeit für neue Geschichten die neuen Medien angesprochen bzw. genutzt werden sollen. Durch Analogieschlüsse zu Film- und Musikindustrie sowie empirischen Befunden zu Internetnutzung und Konsumentenverhalten versucht er zukünftige Entwicklungen zu prognostizieren und den aktuellen Absatzmarkt ‚digitale Welt‘ zu beschreiben. Besonderen Fokus legt Eick dabei auf das Medium Fernsehen, dessen Grenzen durch vielfältige TV-Streaming-Angebote im Internet in Auflösung begriffen sind. Die folgenden fünf Kapitel widmet Eick konkreten Erzählformaten digitaler Medien, die er in der Reihenfolge der jeweiligen Länge des Formats sowie dessen Komplexität genauer beschreibt: von Viral Spots – kurzen, innovativen Werbeclips –, über Web-Serien und Games bis hin zu umfangreicheren Formaten wie E-Books und transmedialen Erzählformen. Hintergrundinformationen zur Entwicklung der Erzählweisen und den ihnen zugrunde liegenden Ideen und Intentionen stellen dabei eine gute Grundlage zum Verständnis der Tragweiten und Potenziale digitaler Erzählformate dar. Eick beschreibt außerdem die jeweiligen Absatzmärkte und beleuchtet in jedem Kapitel auch die Interaktivität und Zuschauerbindung des digitalen Erzählens. Spezielle Zielgruppen werden dabei identifiziert. Auch die Fragen nach narrativen Inhalten, Erzählweisen und dramaturgischer Aufbereitung der digitalen Geschichten kommen nicht zu kurz. In diesem Zusammenhang informiert er auch über konkrete Eigenschaften und spezifische Besonderheiten des entsprechenden Erzählformats. Wer produziert eigentlich Viral Spots? Welche dramaturgischen Techniken werden in der Spielentwicklung verwendet? Auf welchen Plattformen sind transmediale Erzählformen zu finden? Und welchen Vorteil bieten E-Books gegenüber altbekannten Büchern in Papierformat? Das Buch bietet Antworten auf diese Fragen und liefert dabei ausführliche Beschreibungen zu verschiede nen Erzählformaten.
Die im Buch behandelten Themen geben dem Lesepublikum besonders durch Eicks lebendigen Schreibstil und seine illustrativen Beispiele einen unterhaltsamen und gleichzeitig umfassenden Einblick in die Welt des digitalen Erzählens. In Zitaten kommen Expertinnen und Experten aus Literatur, Film, Fernsehen und Werbung zu Wort und unterstreichen Eicks Aussagen auch aus Praxis-Perspektive. Das Buch spricht Medienschaffende und (digitale) Erzählerinnen und Erzähler aller Branchen an und eignet sich auch als informative Lektüre für medienpädagogische Fachkräfte. Leider wird im Buch das Wissen um Begriffsdefinitionen (z. B. Viral Spots oder transmediale Erzählformen) oftmals vorausgesetzt. Daher kann es für ‚digitale Laien‘ sinnvoll sein, sich vorab über einzelne Begriffe zu informieren. Eicks unkonventionelle Schreibart, die einerseits lebendig, andererseits stellenweise etwas sprunghaft und durcheinander wirkt, lässt darauf schließen, dass das Buch dem Thema des digitalen Erzählens in authentischer Form gerecht werden will.
Gut ist, dass Eick die zentralen Aussagen im Kapitel ‚Zusammenfassungen‘ stichpunktartig nochmal auf den Punkt bringt: Während der Prozess der Digitalisierung bisher in erster Linie Veränderungen im technischen und wirtschaftlichen Bereich mit sich brachte, befindet sich nun auch die inhaltliche Form der Medien im Wandel: Die Schlagworte Interaktivität, Mitbestimmung und Kreativität der Konsumierenden prägen zukünftige Trends. Digitale Erzählerinnen und Erzähler sollten diese genauso berücksichtigen wie den Wunsch der Rezipientinnen und Rezipienten nach non-linearen, jedoch gut strukturierten Formaten. Zu einem wirklich stimmigen Erlebnis für die Lesenden wird eine digitale Erzählung dann, wenn sich deren Form an den Inhalt anpasst, wobei die Grenzen zwischen Buch, Film und Computerspiel sich in Zukunft immer weiter auflösen werden.
Im Anhang des Buchs werden die Personen, die mit ihren Expertenmeinungen – in Form von Zitaten gekennzeichnet – zum Buch beigetragen haben, kurz vorgestellt. Die Frage, warum ausgerechnet ein Buch über digitales Erzählen noch in Papierausgabe vorliegt, beantwortet Eick selbst: Neue Medien verdrängen nicht zwangsläufig die alten. Sein Buch ist außerdem auch als E-Book verfügbar und dem Thema wurde unter www.digitaleserzählen. de eine Website gewidmet.
Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland- Pfalz (Hrsg.) (2013). Mit Kindern unterwegs im Internet. Beobachtungen zum Surfverhalten – Herausforderungen für die Medienaufsicht (Jugendschutz & Werbung). Schriftenreihe der LMK, Bd. 29. Baden-Bade
Sprichwörtlich ins „Netz“ gehen Kinder den Werbetreibenden im Internet laut den Studienergebnissen des Forschungsteams um Petra Grimm, die in dem Band Mit Kindern unterwegs im Internet. Beobachtungen zum Surfverhalten – Herausforderungen für die Medienaufsicht der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) berichtet werden. In punkto Werbung von TV-Sendern wird mit zweierlei Maß gemessen: Für Werbeinhalte, die im klassischen Rundfunk ausgestrahlt werden, gelten strikte Regulierungen zum Schutz von Kindern vor potenziell gefährdenden Inhalten. Die Vorgaben für Online-Werbung auf den Websites von TV-Sendern sind weitaus weniger differenziert, obwohl deren Zahl stetig zunimmt und die (jungen) Zuschauerinnen und Zuschauer im laufenden Programm ständig dazu animiert werden, die entsprechenden Websites zu besuchen. Dennoch fanden diese Problematik und daraus resultierende Fragestellungen, welchen Risiken bezüglich Online-Werbung Kinder im Internet konkret gegenüber stehen, lange Zeit wenig Beachtung.
Erfreulich also, dass sich die Forschergruppe der Hochschule für Medien in Stuttgart um Petra Grimm diesen Themen im Rahmen einer qualitativen Studie zum Internetverhalten von Kindern widmete. In einem ersten Schritt wurde eine Inhaltsanalyse der Websites einiger bekannter TV- Sender durchgeführt, die sich vor allem der Art und Gestaltung von Werbeinhalten widmete. Nicht selten, so zeigte sich, verschwimmen dabei die Grenzen zwischen redaktionellen und werblichen Inhalten, werden Werbungen gar als normale Seiteninhalte ‚getarnt‘. Der Fließtext wird durch anschauliche Beispielgrafiken der untersuchten Websites unterbrochen, also genau so, wie Werbeinhalte nicht präsentiert werden sollen bzw. dürfen (auf rechtliche Grundlagen wird später eingegangen). Im Anschluss wird durch eine Eyetracking-gestützte Rezeptionsstudie der Umgang von Kindern mit der Werbung auf Websites der TV-Sender sowie deren Wirkung untersucht. Sehr ausführlich mutet die Ergebnisdarstellung an, in der die Beobachtungen zu nahezu jedem einzelnen Studienteilnehmenden detailliert aufgeführt werden. Die Kernbeobachtungen werden dem Lesepublikum in einem Fazit an die Hand gegeben, wobei insbesondere auf die Problematik von Werbung in Verbindung mit Online-Spielen hingewiesen wird, ein äußerst ansprechender und von Kindern oft gesuchter Inhalt.
Ergänzend wurden die Interpretationen und Werthaltungen der Kinder zu Werbung im Rahmen einer Evaluationsstudie untersucht, wobei die Aspekte Werbeerkennung und Werbekompetenz im Vordergrund standen. Anschauliche Beispiele unterstreichen unter anderem die Befunde, dass zumeist erst ab einem Alter von zwölf Jahren von einer gewissen Kritikfähigkeit gegenüber Werbung auszugehen ist. Auch die Entwicklung von Werbekompetenz findet erst in diesem Alter statt. Zudem wird Werbung oftmals nicht erkannt, sofern sie nicht explizit gekennzeichnet ist. Aus den Ergebnissen leitet das Autorenteam ein (Online-) Werbekompetenzmodell sowie Handlungsempfehlungen für den konkreten Umgang ab. Dieses Kapitel fällt nach den ausführlichen Ergebnisbeschreibungen vergleichsweise knapp aus, bietet aber einige Ansatzpunkte für die Umsetzung im pädagogischen Rahmen. Abschließend wird auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und bestehende Gesetzeslücken zur Online-Werbung eingegangen. Ein insgesamt runder Abschluss, der auch auf rechtlicher Ebene noch Handlungsbedarf aufzeigt. Zusammenfassend liegt der Fokus des Werks eindeutig auf der Darstellung der Studienergebnisse.
Gut gelungen ist die Veranschaulichung der aktuellen Situation von Online-Werbung, der Problemstellungen und Risiken, die sich beim Surfverhalten von Kindern ergeben und des ermittelten Handlungsbedarfs, sowohl im pädagogischen als auch im rechtlichen Rahmen. Damit eignet sich das Buch nicht nur als Grundlage für weitere medienpädagogische Forschungs- und Handlungsansätze, sondern ist auch für die Bereiche Medienpolitik und Medienrecht relevant.
Dittler, Ullrich/Hoyer, Michael (Hrsg.) (2014). Social Network – Die Revolution der Kommunikation. Kundenkommunikation, Facebook-Freundschaften, digitale Demokratie und virtuelle Shitstorms unter medienpsychologischer und mediensoziologischer Perspektive.
Soziale Netzwerke haben in den letzten Jahren großen Einfluss auf die Kommunikation genommen. Um verschiedene Perspektiven aus unterschiedlichen Disziplinen zu vereinen, wurde der Sammelband Social Network – Die Revolution der Kommunikation herausgegeben, anlässlich des 5. Medienkongress Villingen-Schwenningen. Die Beiträge lassen sich in vier Bereiche einteilen. Im ersten Themenkomplex geht es um die Nutzung sozialer Netzwerke. Neben den aktuellen Ergebnissen der ARD-ZDFOnlinestudie 2013 werden die Veränderungen von Kommunikation durch soziale Netzwerke und die Auswirkungen der Internetnutzung auf die Demokratie thematisiert.
Der Themenbereich Soziale Medien und Firmenkommunikation beinhaltet unter anderem Beiträge, zu sozialen Netzwerken bezüglich firmeninterner Kommunikation wie auch Chancen und Möglichkeiten für die Kundenkommunikation mithilfe von sozialen Netzwerken. Der Schwerpunkt rund um soziale Medien innerhalb der privaten Kommunikation beschäftigt sich mit diversen Beiträgen rund um Rollen, Identität und Freundschaft. Dabei wurden Rollenbilder von Jugendlichen im Internet anhand des symbolischen Interaktionismus betrachtet, sozialraumbezogenes Medienhandeln und Identitätsarbeit in sozialen Netzwerkdiensten untersucht sowie Mädchenfreundschaften innerhalb sozialer Medien näher beleuchtet.
Der vierte Themenkomplex umfasst den politischen Kommunikationsaspekt. Aspekte wie Bürgerbeteiligung im Web 2.0, die Rolle des Internets bei Wahlkämpfen wie auch der Einfluss medialer Berichterstattung am Beispiel Stuttgart 21 werden thematisiert. Der Sammelband richtet sich an Kommunikationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler,Medienpädagoginnen und -pädagogen wie auch an fachähnliche Fachkräfte, die sich im Speziellen mit sozialen Medien und Netzwerken auseinandersetzen.
Ferrin, Nino (2013). Selbstkultur und mediale Körper. Zur Pädagogik und Anthropologie neuer Medienpraxen. Bielefeld: transcript. 242 S., 29,80 €.
Neue mediale Spielpraxen und Simulationen ermöglichen es Nutzenden, das Selbst, den Körper und die Lebensführung zu erproben und mit verschiedenen Selbstinszenierungen zu experimentieren. Nino Ferrin stellt zwei neue Spielkulturen – die Sportsimulationen auf der Nintendo Konsole Wii und das Onlinespiel World of Warcraft – in den Fokus seiner Untersuchungen und beginnt mit einem Blick auf Theorien der Selbst-Kultur: Welche Grundannahmen der Konzepte von Selbstbildung gibt es? Wie lassen sich diese im Hinblick auf Bildungstheorien verorten? Schließlich lenkt er die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser auf performative Technografie und erläutert Stil- und Netzwerkanalysen.
In Anthropologie ludischer Selbstverhältnisse analysiert Ferrin zum einen die Wii-Sportsimulationen hinsichtlich der körperlichen Avatar-Steuerung, zum anderen nimmt er den strategischen Körper in der Welt der Kriegskunst im Spiel World of Warcraft genauer unter die Lupe. Abschließend geht er auf diverse Formen und Entwürfe der Selbstkultur ein und diskutiert deren Potenziale und Möglichkeiten. Selbstkultur und mediale Körper ist eine interessante Fachlektüre für Fachkräfte aus Erziehungsund Kulturwissenschaft sowie Soziologie, die sich mit Medienforschung beschäftigen.
Inderst, Rudolf Thomas/Just, Peter (Hrsg.) (2013). Build ‘em Up – Shoot ‘em Down. Körperlichkeit in digitalen Spielen. Glückstadt: Werner Hülsbusch. 404 S., 35,90 €.
Die Themenfelder Körper und Körperlichkeit nehmen immer weiter Einzug in verschiedene Disziplinen wie Game Studies. Der Sammelband Build ‘em Up – Shoot ‘em Down versucht beide Felder zusammenzubringen und die noch klaffende Lücke weiter zu schließen. Inhaltlich gliedert sich der Band in vier Kapitel. Im ersten Kapitel ‚Avatare, Konstruktion und Identität‘ untersucht Martin Lüthe die Historie von digitalen Fußballspielen und darin vorkommende virtuelle Körper. Zudem setzt er sich mit der Bedeutung von Körperlichkeit in zwei bekannten Fußballspielen auseinander. Iris Schäfer beschäftigt sich mit der Zombie-Shooter-Reihe Left 4 Dead und der Identifikation zwischen Spielenden und Avataren.
Mit körperlichem Schmerz in digitalen Spielen setzt sich Rudolf Inderst intensiv auseinander. Er zeigt, auf welchen Ebenen Schmerz dargestellt wird und welche Sinne und psychologischen Prozesse involviert sind. Das zweite Kapitel behandelt das Thema Interfaces. Christian Hubertus geht auf körperliche Forschungsästhetik in Bezug auf die Analyse von Computerspielen ein. Rund um analoge Technologien und digitale Computerspiele dreht sich der Beitrag von Stefan Höltgen. Der dritte Themenkreis handelt vom Schwerpunkt Gender. Hier befassen sich Simone Schreiber und Janna Beier mit Körperwelten von Männern und Frauen innerhalb digitaler Spiele wie auch mit der objekthaften Anschauung von Frauen.
Das vierte und letzte Kapitel widmet sich der Jenseits-Ludografie. Hierzu wird der tote Körper innerhalb Computerspielen und das Sterben als Prozess von Dominik Härig thematisiert. Besonders interessant ist dieser Sammelband für Medienpädagoginnen und Medienpädagogen, die sich intensiv mit digitalen Spielen und Körperlichkeit in der Medienpädagogik auseinandersetzen.
Schatz, Jennifer (2014). Erste Schritte im Internet. Analyse von ausgewählten Materialien für die Grundschule. München: kopaed. 117 S., 14,80 €.
Wie kann der Erwerb grundlegender Internetkompetenzen von Dritt- und Viertklässlern gefördert werden? Welche Materialien gibt es? Brauchen Lehrkräfte Unterstützung bei deren Gebrauch? Jennifer Schatz hat sich dieser Fragen angenommen und Materialien zur Konzeption und Entwicklung schulbegleitender Lernbroschüren untersucht. Zunächst wirft sie einen Blick auf den derzeitigen Umgang der Grundschule mit aktuellen Anforderungen der Medienbildung und legt ihren Fokus auf das Internet, dessen kognitive und technische Voraussetzungen sie genauer beschreibt. Anschließend entwickelt sie auf Grundlage wissenschaftlicher Literatur und empirischen Befunden einen Kriterienkatalog für Material zum Erwerb von Internetkompetenz. Welche Einsatzmöglichkeiten im Unterricht gibt es? Werden die Nutzerinnen und Nutzer mit in die Lernumgebung eingebunden? Wie sind Layout, Text und Bild gestaltet? Anhand des konstruierten Analyseinstruments unterzieht Schatz vier ausgewählte didaktische Informationsbroschüren für Lehrkräfte einer detaillierten Untersuchung.
Erste Schritte im Internet leistet mit einem umfassenden Kriterienkatalog einen wichtigen Beitrag zur medienpädagogischen Praxisforschungund liefert pädagogischen Fachkräften einen praktischen Leitfaden zur Auswahl didaktischer Materialien.
Wolf, Philipp (Hrsg.) (2013). Medieninnovationen: Internet, Serious Games, TV. Leipzig: Universitätsverlag. 265 S., 28 €.
Vor- und Nachteile neuer Medienwerden auch in der Wissenschaft nach wie vor eifrig diskutiert. Das Herausgeberwerk greift diesen Diskurs auf und beschäftigt sich damit, welche Chancen moderne Medientechnologien eröffnen und welche Risiken sie bergen. In elf Beiträgen beleuchtet das Expertenteam aus Medienwissenschaft, Soziologie, Germanistik und weiteren Fachdisziplinen die Entwicklung neuer Medien und deren Konsequenzen. Während das erste Kapitel Auseinandersetzungen um medientechnologische Grundlagen und diverse Medienmilieus untersucht, behandelt das zweite Kapitel soziale und kulturelle Folgen der gesellschaftlichen Vernetzung durch das Internet. Die Leserschaft wird schließlich mit in die Welt der digitalen Spiele genommen und erhält anhand wissenschaftlicher Befunde, theoretischer Konzepte und konkreter Projektvorstellungen einen umfassenden Einblick in Serious Games.
Ein künstlerischer Beitrag gewährt dem Lesepublikum einen Einblick in die Möglichkeiten der medialen Kunst. Vor allem medienwissenschaftlich Interessierte erhalten in Medieninnovationen gut strukturierte und ausführliche Infos – vom Buchdruck bis zum Web 2.0.
kolumne
Jürgern Ertelt: www.Ideen-Jugendmedienschutz.de
„Totgesagte leben länger“ oder „Ein Zombie hing am Glockenseil“ waren die alternativen Überschriften für diesen Beitrag zur im Titel adressierten Beteiligungsplattform zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der mit seinem holprigen Namen und Inhalt schon Gegenstand eines Abgesangs in merz 2011/01 war [Disclaimer: Mit geschriebenen Buchstaben darf man auch ohne zu berücksichtigende Altersfreigaben mediale Titel abbilden]. Im Dezember 2010 stolperte bereits das wortgewaltige Ungetüm über die Internet-Evolution ins Koma, wurde aber jetzt nach einem mehrjährigen Tiefschlaf geweckt, ohne dass in dieser Zeit etwas Neues bewirkt worden wäre. Das Internet und die digitale Gesellschaft haben sich rasant weiterentwickelt, der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – kurz JMStV – nicht.
Eigentlich wurde schon alles zum Thema gesagt, aber weil niemand richtig zuhörte, geschweige denn etwas zur Weiterentwicklung aufgriff, werden wir wie Zeitreisende ins Jahr 2010 zurückgeholt. Frustrierend und langweilig. Sollte dies etwa die Strategie für einen erneuten Durchsetzungsversuch eines fragwürdig geänderten JMStV der Staatskanzleien der Länder gewesen sein, – abwarten und nicht bewegen – ermüden und durchwinken lassen? Doch, es gibt etwas Neues! Es wurde eine Mitmachfalle aufgestellt, die scheinbar zum Einbringen von Ideen und Vorschlägen zum Jugendmedienschutz – eigentlich geht es nur um den JMStV – einlädt. „Hier geht es zu Ihren Beteiligungsmöglichkeiten“ heißt es, ein Klick weiter wird eingegrenzt auf zehn Fragen in einer Online-Konsultation, wobei die Frage Nr. 10 die einzige offene Fragestellung ist: „Welche Änderungen am Jugendmedienschutz-Staatsvertrag erscheinen Ihnen darüber hinaus sinnvoll?“ Es handelt sich um ein instrumentalisiertes Partizipationsverfahren zur Durchsetzung von bereits vorbereiteten Entscheidungen.
Das Beteiligungsangebot, welches auf hohem juristischen Niveau auch noch die Kommentierung von fünf ausgewählten Absätzen des ‚neuen‘ JMStV-Entwurfs vorsieht, missachtet alle Regeln der Beteiligung: Es gibt keine Transparenz über die Interessen und Bearbeitungen im Beteiligungsverfahren, eine Wirksamkeit des Eingebrachten ist nicht verbrieft, was nach welchen Kriterien in der weiteren Diskussion berücksichtigt wird, ist nicht nachvollziehbar, die Sprache ist nicht barrierefrei im Sinne von Verständlichkeit, die Auswahl der Themen tendenziös durch Weglassen anderer gewichtiger Aspekte, die angebotenen Informationen zum Jugendmedienschutz und seiner Ausdifferenzierung in Deutschland sind zur Meinungsbildung einseitig (Kritik wird nicht verlinkt) und unzulänglich. Es wird also mit potemkinschen Interessen am Glockenseil gezogen, um Untote zu reanimieren und dabei auch noch Nebenschauplätze wie die Extremismus-Debatte zu bedienen. Die kritische Auseinandersetzung mit dem JMStV in 2010 brachte unter anderem die Forderung nach mehr Beteiligung von Eltern und Jugendlichen (was jetzt wenigstens wieder vom Bundesjugendministerium herausgestellt wird) und die stärkere Einbeziehung der Parlamente zu Beginn des Novellierungsprozesses hervor. Auch von diesen wichtigen Positionen wurde nichts aufgenommen und lässt damit umso mehr an den hehren Absichten einer Online-Beteiligung zweifeln, die offline starten muss.
Meine Empfehlung lautet, sich an nichts zu beteiligen, wo keine ernsthafte Beteiligung stattfindet! Angesichts von derzeit nur 111 Teilnehmenden (02. Mai 2014) fühle ich mich verstanden.
Ansprechperson
Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
kati.struckmeyer@jff.de
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