2013/04: Exzessive Mediennutzung
In der alltäglichen Lebensbewältigung könnte Vieles für uns einfacher sein, wäre da nicht diese unselige Tendenz zum Exzess. So ziemlich jede Verhaltensweise kann exzessiv betrieben werden und zur Sucht ausarten: das Einkaufen, das Schokolade essen, das Arbeiten, das Geld anhäufen, der Sex. Und natürlich auch die Mediennutzung. Bedauerlicherweise fehlt dem Menschen offensichtlich ein Gen, das für das Maßhalten und die Balance zuständig ist. Gelegentlich essen wir mehr als für uns gut ist, trinken zu viel Alkohol, arbeiten mehr als unserer Gesundheit zuträglich ist. Und wir halten uns länger in Facebook oder mit einem Computerspiel auf als gut für uns ist. Scham, Schuldgefühle, Selbstzweifel und Katzenjammer sind die emotionalen Indizien nach dem Exzess, die uns warnen, dass es zu viel geworden ist. Maßlosigkeit ist ein gesellschaftlich relevantes Thema, und das nicht erst, seit in den modernen Erziehungsratgebern den Eltern mehr Grenzen gegenüber ihren Sprösslingen empfohlen werden. Maßlosigkeit ist auch dasjenige menschliche Streben, das – neben einem Mangel an effizienter Regulierung – in der öffentlichen Darstellung für die Finanzkrise verantwortlich gemacht wurde und wird. Je rigider allerdings eine Gesellschaft die Grenze zwischen Normalität und Abweichung festschreibt, desto stärker gerät eine Medienpädagogik argumentativ in die Defensive, die einerseits medienoptimistisch für mehr Medienkompetenzförderung plädiert, andererseits aber auch in Legitimationsnöte gerät, indem man ihr vorwirft, die negativen Seiten der Mediennutzung schön zu reden oder gar zu ignorieren. Hier kommen sich gelegentlich Medienpädagoginnen und -pädagogen missverstanden vor, ähnlich wie Ernährungsberater, denen man vorwerfen würde, sie wollten Kinder zum unmäßigen Konsum von Schokolade verführen. Zu zeigen, dass es zwischen der Schwarz- und der Weißmalerei eine ganze Menge Grauschattierungen gibt, dies ist ein Anliegen von merz 4/2013.
aktuell
Swenja Wütscher : nachgefragt Walter Schmich, Programmbereichsleiter Bayern 3 und Jugend beim Bayerischen Rundfunk
Die rasante technische Entwicklung und die damit einhergehenden Veränderungen in der Mediennutzung sind eine Herausforderung für alle Medien, auch für die öffentlich-rechtlichen Sender. Gerade in der Phase des Umbruchs den Erwartungen jüngerer und junger Menschen gerecht zu werden scheint dabei besonders schwer. Swenja Wütscher hat für merz mit Walter Schmich, dem Programmbereichsleiter Bayern 3 und Jugend des Bayerischen Rundfunks darüber gesprochen. Das Ergebnis: Der Bayerische Rundfunk ist mit seinen neuesten Entwicklungen am Puls der Zeit.
merz: Schon vor etwa eineinhalb Jahren hat der Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks gefordert, rechtliche Voraussetzungen für ein öffentlich-rechtliches Fernsehprogramm zu schaffen, das junge Menschen adäquater anspricht. Was genau beinhaltet denn ein solch adäquates Angebot?
Schmich: Aus meiner Sicht, dass wir junge Menschen auf allen Ausspiel-Wegen erreichen. Sie suchen in der Regel nicht gezielt nach für sie tauglichen Formaten, sondern brauchen ihr Angebot immer und überall. Ein adäquates junges Angebot wäre also – für das Medium Fernsehen beispielsweise – ein Kanal, bei dem sie rund um die Uhr Angebote für sich finden. Hinzu kommt aber, dass aus meiner Sicht ein eindimensionaler junger TV-Kanal heutzutage nicht ausreicht. Das Stichwort Trimedialität ist bei Jugendlichen einfach viel wichtiger als in älteren Zielgruppen.
merz: Mit einem Jugendkanal soll also verstärkt an der Lebenswelt und den Nutzungsgewohnheiten Jugendlicher angeknüpft werden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass das derzeitige Angebot auf diese Gegebenheiten weniger Wert legt.
Schmich: Die Möglichkeiten waren in der Vergangenheit einfach nicht so da oder man hat sie nicht ausgeschöpft. Als Bayerischer Rundfunk hat man aber mit dem Bayerischen Fernsehen nun mal nur den einen großen Fernsehkanal – und BR-alpha, der aber in Richtung Bildung und Wissen ausgerichtet ist. Wir im BR haben aber schon immer viele Programme für Jugendliche angeboten. Man darf nicht vergessen, dass wir derzeit allein mit BAYERN 3 im Radio schon 630.000 unter 30-Jährige erreichen. Vielleicht waren unsere anderen Angebote aufgrund nicht immer optimaler Verbreitungswege in der Vergangenheit für die Zielgruppe zu schwer auffindbar – das versuchen wir mit PULS derzeit zu verbessern – Stichwort neue Radio-App.
merz: Mit PULS, dem trimedialen Jugendprogramm hat der BR mit seinem Bemühen um junge Mediennutzerinnen und -nutzer bereits Ernst gemacht: der Radio-, TV- und Online-Sender ist gestartet. Wie genau schafft es PULS denn, in Anmutung und Inhalt nun stärker auf jüngere und junge Menschen zugeschnitten zu sein?
Schmich:Gerade mit Inhalten und der etwas anderen Musik sowie dem vorher erwähnten trimedialen Angebot. PULS besteht ja aus mehreren Teilen: zum einen dem 24-Stunden-Radioprogramm. Auch da haben wir der Erwartungshaltung Jugendlicher ans Radio Rechnung getragen, denn sehr viele Jugendliche nutzen heute entgegen anders lautender Gerüchte das Medium Hörfunk. Wir setzen auf alle möglichen Verbreitungswege, vom Digitalradio DAB+ über die App bis hin zur reinen Online-Nutzung. Aber auch Jugendliche erwarten von ‚ihrem Radio‘ vor allem eine persönliche Ansprache, daher senden wir nun ein 24 Stunden moderiertes Radioprogramm, vorher waren es nur vier Stunden. Lange Musikstrecken bringen relativ wenig, denn nur Musik kann man sich mittlerweile über mp3 Player oder Musikdienste besser nach seinem eigenem Geschmack zusammenstellen, als das ein Radiosender erledigen kann. Bei PULS sitzen jetzt Moderatorinnen und Moderatoren, die definitiv die Sprache der Zielgruppe sprechen. Hinzu kommen natürlich Bewegtbilder, die wir online und über unser wöchentliches PULS-TV-Magazin zeigen. Ganz wichtig ist uns auch der Kontakt mit unserem Publikum, dabei spielen natürlich die gängigen Social Media Kanäle eine große Rolle. Das heißt, wir sind auf allen Ausspielwegen präsent und sind – vor allem durch unsere eigene App – schlichtweg besser erreichbar als früher. Inhaltlich unterscheiden wir uns auch deutlich von anderen Jugendangeboten in Bayern. Wir legen nicht nur auf die Musik, sondern auch auf öffentlich-rechtlich Inhalte sehr viel Wert.
merz: Leistet das junge Programm von PULS jetzt Vorarbeit für einen integrierten TV-Jugendkanal von ARD und ZDF?
Schmich: Das können wir nicht, da wir im Moment kein 24-Stunden-Fernsehprogramm bestücken könnten, da fehlen uns einfach die Mittel. Wir könnten derzeit nur einzelne Beiträge oder Formate eines ARD-ZDF-Jugendkanals liefern. Wenn es aber um die Entwicklung geht, da sind wir in jedem Falle beteiligt und arbeiten gerade dran. Für uns ist da unser Jugendleiter Thomas Müller mit im Boot.
merz: Momentan sind Pro7 und RTL mit ganz oben auf der Favoritenliste der Jugendlichen. Und das, obwohl ARD und ZDF mit EinsPlus, ZDFneo et cetera schon – zumindest teilweise – Jugendkanäle besitzen: EinsPlus möchte mit der Abendsparte 14- bis 30-Jährige ansprechen, ZDFneo grundsätzlich 25- bis 49-Jährige, das Durchschnittsalter des Publikums liegt allerdings über 50 Jahren. Ist ein neuer integrierter Jugendkanal tatsächlich die Lösung?
Schmich:EinsPlus ist derzeit noch ganz anders definiert, der Vergleich hinkt also. Pro7 erreicht die junge Zielgruppe vor allem mit amerikanischen Serien – das kann und wird nicht das Ziel eines öffentlich-rechtlichen Jugendkanals sein. Aber ich bin mir sicher, dass wir mit einem gut aufgestellten 24-Stunden-Programm gute Möglichkeiten haben werden, eine jüngere Klientel zu erreichen. Ich glaube auch, dass wir da derzeit den richtigen Weg eingeschlagen haben.
merz: Wäre eine Online-Vernetzung von ARD und ZDF vielleicht sogar eine bessere Vernetzungsalternative um junge Menschen zu erreichen? Schmich Das ist für mich kein ‚Entweder – Oder‘, ich denke, dass wir ein neu aufgestelltes, sehr junges TV-Angebot auf alle Fälle auch in der Online-Welt abbilden müssten. Eine Vernetzungsmöglichkeit sehe ich auch in der Bündelung vieler junger Inhalte der ARD und, wie bereits erwähnt, darf man nicht die Wichtigkeit der verschiedenen Social Media Kanäle außer Acht lassen. merz Was wünschen Sie sich für die jungen Radio-, TV- und Online-Nutzerinnen und Nutzer?
Schmich:Wenn ich mir tatsächlich was wünschen könnte, dann dass wir möglichst schnell mit unserem neuen Angebot vorankommen und dass wir ideale Verbreitungswege erhalten.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtElisabeth Jäcklein-Kreis: Stichwort Prism
„Yes we scan!“ prangt es groß vom zur Karikatur umfunktionierten Obama-Wahlplakat: Der sonst so beliebte amerikanische Präsident ist derzeit Zielscheibe von Spott, Häme aber auch erbitterter Wut. Schuld ist der Skandal um das Programm Prism, mit dem der US-Geheimdienst NSA (National Security Agency) im großen Stil ‚im Internet mitliest‘. Am 6. Juni 2013 veröffentlichten die Washington Post und der Guardian Informationen des Whistleblowers Edward Snowden, eines 29-jährigen ehemaligen Mitarbeiters einer Firma, die die Ausspäh-Programme der NSA anbietet und wartet. Der hatte sich die Praktiken der NSA eine Zeit lang angeschaut, entschieden, dass er sie nicht so gut fand, sich dann krank gemeldet, in Hongkong versteckt und die brisante Information über das amerikanische Verhältnis zur Privatsphäre an die Medien weitergegeben – in Form einer PowerPoint-Präsentation. Daraus geht in etwa hervor: Die NSA weiß alles, kein Klick bleibt geheim.Konkreter: Diensteanbieter im Netz sind verpflichtet, Verbindungsdaten und Inhalte an staatliche Stellen auszuliefern, wenn dafür ein Gerichtsbeschluss vorliegt. Diese Beschlüsse lässt sich die NSA vom geheim tagenden FISA-Gericht in großer Zahl produzieren, so wurden im Jahr 2012 etwa 1.856 Anträge abgesegnet. Das ist nicht wirklich illegal, aber auch nicht transparent. Mitspielen mussten in den letzten Jahren so ziemlich alle großen Internet-Dienste: Google, YouTube, Facebook, Microsoft, Skype, PalTalk, AOL, Yahoo und Apple haben nach und nach ihre Datenwege mit Ausfahrten Richtung amerikanische Regierung versehen.
Das konnten sie theoretisch nicht verhindern: Die Auslieferung der Daten ist verpflichtend und alle Anbieter geben sich nun auch große Mühe, entrüstet darüber zu sein, dass ihre Kollaboration so schamlos ausgenutzt wurde. Immer bessere technische Möglichkeiten zu finden, um Daten schnell und übersichtlich zu sammeln und weiterzugeben dagegen ist nichts, was gerichtlich eingefordert werden kann – der Kurznachrichtendienst Twitter etwa spart sich schon lange das technische Know-how für solcherlei Bemühungen und hält sich so auch aus der NSA-Party heraus. Aber was macht Prism genau? Eigentlich das, was früher heimlich, über Wasserdampf passieren musste. Mitlesen. Prism überwacht die Internet-Aktivitäten an den ‚Ausleitungsstellen‘, also den Knotenpunkten, wo Diensteanbieter Informationen übergeben, und liest Inhalte aus. Und scheinbar ist Prism damit nur ein Teil einer ganzen ‚Späh-Familie‘: Angeblich gibt es Mainway, ein Programm, das Informationen über Telefonverbindungen sammelt, Marina, Mainways Schwester, die sich um die Internetdaten kümmert, und Nucleon, der mit Vorliebe Telefongespräche belauscht und Inhalte herausfiltert. Eine ganze Familie also, um die große Neugier der US-Regierung zu befriedigen.Nur Prism wurde allerdings so ausführlich aufgedeckt.
Und warum das Ganze? Klar: Wenn man die US-Regierung fragt, geht es um Sicherheit. Mindestens zwei Terroranschläge will Prism verhindert haben. Und mit solcherlei Schutz bedenken neben Amerika auch andere Länder ihre Bürgerinnen und Bürger. Deutschland etwa lässt seinen Geheimdienst bestimmte Mails nach Schlüsselbegriffen durchsuchen. Dass viele der so geschützten Menschen dafür gar nicht so richtig dankbar sind, können die fleißigen Internet-Mit-Leser scheinbar nicht verstehen. Aber die Leute wollten ja schon früher nie richtig einsehen, dass die Nachbarin mit dem Fernglas nur ihr Bestes will. Manche lernen es eben nie.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansichtJanina Strobel: Interaktive Infografiken zur politischen Bildung
Politische Bildung ist für alle wichtig. Aber viele, vor allem junge Menschen, informieren sich nicht über politische Themen und beteiligen sich schon gar nicht aktiv an Politik. Um bei Kindern und Jugendlichen ein Interesse an politischen Themen zu wecken und um ihnen diese verständlich zu machen, hat e-politik.de, ein Onlinemagazin, das über politische, gesellschaftliche und politikwissenschaftliche Themen informiert, 2010 das Projekt WissensWerte ins Leben gerufen. Hier werden Animationsclips zu politischen Themen produziert und online gestellt. Die Clips behandeln Themen wie Wasser, Migration, Klimawandel, Globalisierung und Energiewende und sind verständlich und anschaulich gestaltet.Die neueste Entwicklung, die von WissensWerte im Sommer 2013 gestartet wurde, sind interaktive Infografiken, die ebenfalls das Interesse für politische Bildung anregen möchten.
Ein Beispiel dafür ist die erste Infografik, die sich dem Thema Migration widmet. Dabei handelt es sich um eine interaktive Weltkarte, die Informationen zu jedem Land wie Bevölkerungszahl und Migrationsanteil liefert. Sobald der Mauszeiger auf ein Land zum Beispiel Japan oder Indien geführt wird, erscheint ein Kasten, der die Migranten- und Einwohnerzahl des Landes, die fünf wichtigsten Herkunftsländer der Migrantinnen und Migranten sowie deren prozentualen Anteil an der Bevölkerung verrät. Aber nicht nur das ist mit der interaktiven Infografik möglich, sondern sie enthält zudem eine Navigationsleiste, über die ein Video angeschaut sowie Fakten und Informationen zum Thema eingeholt werden können.
www.e-politik.de/lesen/wissenswerteinfografikwww.e-politik.de/lesen/wissenswerte-animationsclips-zur-politischen-bildung
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Janina Strobel
Beitrag als PDFEinzelansichtElisabeth Jäcklein-Kreis: Medienkompetenz – Bericht und Datenbank
Viel diskutiert, viel gelobt, viel definiert und viel herbeigewünscht – und dann doch irgendwie immer zu wenig vorhanden, zu schwammig, zu vernachlässigt. Medienkompetenz schwirrt seit langem durch die Köpfe und Münder, in und außerhalb von genuin medienpädagogischen Kontexten, als Zieldimension und frommer Wunsch, als Diskussionsthema und Herausforderung für Theorie und Praxis gleichermaßen. Definitionsversuche und praktische Umsetzungen gibt es zu Hauf – aber scheinbar nirgendwo ‚auf einem Haufen‘. Damit diese Unklarheit und die vielen kleinen ‚eigenen Süppchen‘ ein Ende haben, wurde nun unter www.medienkompe-tenzbericht.de ein Angebot vorgelegt, das Klarheit und Übersichtlichkeit in die Bemühungen bringen und nicht nur die bisherigen Anstrengungen bündeln, sondern auch allen zukünftigen hilfreiche Unterstützung sein soll. Wie das funktioniert? Ganz einfach: Was Kristina Schröder im Namen des Dialog Internet im Dezember 2011 als Empfehlung aussprach, nahm die GMK, die Gesellschaft für Medien- und Kommunikationskultur anschließend praktisch in Angriff und brachte den Medienkompetenzbericht mit Hilfe vieler ihrer Mitglieder aus der ganzen, deutschsprachigen Medienpädagogik, auf den Weg. Der Medienkompetenzbericht ist nun als 107 Seiten starkes PDF-Dokument online verfügbar. ‚Medienkompetenz‘ wird von allen Seiten betrachtet und hinterfragt, in Theorie und Praxis und allen Anwendungsgebieten vorgestellt und als umfassendes Konzept und Ziel greif- und nutzbar gemacht.
Von der allgemeinen Begriffsbestimmung (Ulrike Wagner und Bernd Schorb) über einen einleitenden Forschungsüberblick (Dagmar Hoffmann) gelangt der Bericht zu den diversen Anwendungsgebieten des Konzeptes, die jeweils fundiert vorgestellt und erläutert werden: Medienkompetenz in der frühen Kindheit (Norbert Neuß), in der Schule (Dorothee M. Meister) und außerschulisch (Angela Tillmann), exzessive Mediennutzung (Rudolf Kammerl) und Medienkompetenz in Familie (Bernward Hoffmann); Fachkräfte als Zielgruppe (Franz Josef Röll) und ‚Berufsfeld Medienkompetenzförderung‘ (Kai-Uwe Hugger) – und als Abschluss eine Stellungnahme der GMK selbst aka Ida Pöttinger. Da kommt ein schöner Reigen an Wissen zusammen; der offenbart zwar keine echten Neuigkeiten, denn all diese Facetten des schillernden Begriffs wurden und werden an diversen Stellen bereits bearbeitet, besprochen und umgesetzt, sei es in der medienpädagogischen Grundlagenliteratur, in diversen Veranstaltungen und Diskussionen oder in praktischen Handreichungen und Berichten. Nichtsdestoweniger ist der Bericht aber eine nützliche Wissensquelle, denn es werden wirklich fast alle relevanten Themen aufgegriffen und in überschaubarem Umfang präsentiert. Außerdem macht natürlich die kostenlose Verfügbarkeit des Dokumentes einen Unterschied für Spontane, Internet-Affine und Neulinge – sie können hier einen guten Einblick erhalten, bevor sie sich in langen Bibliotheksreihen in die Untiefen der einzelnen Themenfelder stürzen.
Doch bei dem Bericht bleibt das Angebot nicht stehen – die schwarz-auf-weiße Theorie soll auch mit praktischer Farbe gefüllt werden und so hat der kleine, aber feine Internet-Auftritt des Medienkompetenz-Berichtes nicht nur einen Button, der zum PDF-Dokument führt, sondern daneben einen zweiten, der eine „Medienkompetenz-Datenbank“ verspricht. Ab Herbst 2013 sollen Interessierte hier ein Sammelsurium finden (bisher gibt es leider nur einen Verweis auf die anvisierte Datenbank), wo Projekte, Materialien und praktische Erfahrungen gesammelt und zur Verfügung gestellt werden sollen. Wenn das nicht nur umfassend, sondern auch nachhaltig funktioniert (die Idee allein ist ja nicht revolutionär), wäre das Angebot also durchaus eine schöne und runde Fundgrube, in der medienpädagogische Neulinge nicht nur theoretisches Wissen sondern auch gleich praktische Anregungen und ‚alte Hasen‘ neue Perspektiven, Ideen und Anregungen finden könnten – ob sie das tun, bleibt abzuwarten.
www.medienkompetenzbericht.de
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansichtUlrike Wagner: Mediatisierung und Politik
Unter dem Titel Crises, ‚Creative Destruction‘ and the Global Power and Communication Orders fand vom 25. bis 29. Juni 2013 die Jahrestagung der International Association for Media and Communication Research (IAMCR) in Dublin statt. 1.400 Delegierte aus über 80 Nationen machten den Kongress zu einer beeindruckenden Veranstaltung. Von den Herausforderungen aktueller Publikumsforschung bis Online-Aktivismus, von alternativem Journalismus bis zu historischer Kommunikationswissenschaft, von Medien im Kalten Krieg bis zur Erforschung sozialer Netzwerkdienste und ihrer Bedeutung für aktuelle politische Bewegungen: Die 16 Sektionen der IAMCR widmeten sich dem Themenkomplex von Machtverhältnissen, Krisen und den Herausforderungen für die Sozialwissenschaften in unterschiedlicher Ausrichtung und methodischer Vielfalt.
Zu den Themenbereichen der Medienerziehung und der Medienforschung zur Zielgruppe Heranwachsende fanden sich ebenfalls eine Vielzahl an Vorträgen unter anderem aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, Neuseeland, Australien und dem EU Kids Online-Netzwerk. In ihrem Selbstverständnis ist die IAMCR sowohl internationaler wissenschaftlicher Dachverband als auch NGO und beim diesjährigen Tagungsthema waren damit die Stichworte Prism und Tempora, aber auch der Blick auf globale Zusammenhänge in vielen Keynotes gegenwärtig. Auf der Website zur Konferenz gibt es die vollständigen Keynotes und Plenary Sessions als Videodokumentation.
www.iamcr2013dublin.org
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Ulrike Wagner
Beitrag als PDFEinzelansichtJanina Strobel: Erkennen Kinder Werbung im Internet?
Wie reagieren Kinder auf Werbung im Internet? Können sie diese von einem redaktionellen Inhalt unterscheiden? Wie stark ist ihre Werbekompetenz ausgeprägt? Und inwiefern unterscheidet sich Werbung im Internet überhaupt von redaktionellen Inhalten? Diese und weitere Fragen hat die interdisziplinäre Forschungsgruppe der Hochschule der Medien in Stuttgart im Auftrag der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Petra Grimm mit einem Mehrmethodendesign analysiert. Der Fokus liegt dabei auf dem Umgang von Kindern im Alter von sieben bis 13 Jahren mit Werbeangeboten der Websites von Fernsehveranstaltern. Die Ergebnisse der Studie Mit Kindern unterwegs im Internet: Beobachtungen zum Surfverhalten – Herausforderungen für die Medienaufsicht wurden im Juni 2013 präsentiert.
Sie zeigen unter anderem, dass es Kindern schwerfällt, Werbung im Internet von redaktionellen Inhalten zu unterscheiden. Vor allem die Eigenwerbung der Sender-Websites, die beinahe drei Viertel der Gesamtwerbung ausmacht, unterscheidet sich im Gegensatz zu Werbeanzeigen von externen Anbietern kaum von redaktionellen Inhalten. Dies erschwert Kindern das Erkennen von Werbung. Sie haben keine Schwierigkeiten, wenn es sich um Werbeelemente wie Werbebanner oder Pop-up-Fenster handelt, aber je ähnlicher Internetwerbung redaktionellen Inhalten ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie diese nicht als Werbung entschlüsseln.
Dies trifft vor allem für jüngere Kinder im Grundschulalter zu, mit zunehmendem Alter ist auch vermehrt ein kompetenter Umgang mit Werbung zu erkennen. Aufgrund der Ergebnisse der Studie plädiert die Forschungsgruppe unter anderem für eine Werbekompetenzförderung in Schulen sowie werbeethischen Normen und Handlungsempfehlungen für Websites, die Angebote für Kinder bereitstellen. Zudem fordern sie konkrete rechtliche Regelungen für Onlineangebote, denn die Studie zeigt, dass es hier Lücken gibt.
www.lmk-online.de/fileadmin/ webdateien/PDF/LMK-For¬schungsprojekt_Mit_Kindern_un-terwegs_im_Internet.pdf
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Janina Strobel
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thema
Roland Bader, Klaus Lutz: Editorial
In der alltäglichen Lebensbewältigung könnte vieles für uns einfacher sein, wäre da nicht diese unselige Tendenz zum Exzess. So ziemlich jede Verhaltensweise kann exzessiv betrieben werden und zur Sucht ausarten: das Einkaufen, das Schokolade essen, das Arbeiten, das Geld anhäufen, der Sex. Und natürlich auch die Mediennutzung. Bedauerlicherweise fehlt dem Menschen offensichtlich ein Gen, das für das Maßhalten und die Balance zuständig ist. Gelegentlich essen wir mehr als für uns gut ist, trinken zu viel Alkohol, arbeiten mehr als unserer Gesundheit zuträglich ist. Und wir halten uns länger in Facebook oder mit einem Computerspiel auf als gut für uns ist. Scham, Schuldgefühle, Selbstzweifel und Katzenjammer sind die emotionalen Indizien nach dem Exzess, die uns warnen, dass es zu viel geworden ist. Maßlosigkeit ist ein gesellschaftlich relevantes Thema, und das nicht erst, seit in den modernen Erziehungsratgebern den Eltern mehr Grenzen gegenüber ihren Sprösslingen empfohlen werden. Maßlosigkeit ist auch dasjenige menschliche Streben, das – neben einem Mangel an effizienter Regulierung – in der öffentlichen Darstellung für die Finanzkrise verantwortlich gemacht wurde und wird. Die Tendenz zur Maßlosigkeit ist weder ein historisch neues Phänomen, noch ist sie auf Mediennutzung beschränkt. In der christlichen Tradition, als die conditio humana noch vom Mangel geprägt war, galten Gier und Maßlosigkeit als Todsünde. Historisch-ökonomisch neu ist der Überfluss, der uns Vieles im Übermaß bereitstellt und uns selbst Genügsamkeit und Mäßigung als Pflicht zur Selbstdisziplinierung auferlegt. Die Grenzen sind von außen nach innen gewandert, wie schon Norbert Elias in seiner Geschichte der Zivilisation (Elais 1976) dargestellt hat. Kein Weg führt in der Postmoderne daran vorbei, dass wir zu Managern unserer selbst werden, unser Verhalten ständig überwachen, kontrollieren, an Maßstäben ausrichten, regulieren und korrigieren (Foucault 2009).
Peter Sloterdijk (2009) hat den Trend zur (manchmal übersteigerten) Selbstreflexion und Selbstoptimierung zum Thema eines Buchs gemacht. Doch bevor wir Maßlosigkeit in Bausch und Bogen verurteilen, sollten wir noch festhalten, dass sie eng verwandt ist mit dem Leistungsmotiv, einer durch und durch positiv konnotierten Verhaltenstendenz: eine Sache um ihrer selbst willen so gut zu machen, wie es einem möglich ist. Die Leistungsmotivation ist dafür verantwortlich, dass ein Skifahrer an der Eleganz seiner Schwünge und eine Wissenschaftlerin an der Fortführung ihrer Forschungsfragen arbeitet und ein Künstler das nächste Bild in Angriff nimmt, obwohl er gerade eines fertiggestellt hat. Kaum zu übersehen sind hier die Parallelen zu Computerspielen mit ihren Anregungspotenzialen, die nach einer ständigen Verbesserung der Performace-Werte schreien.Wenn es in diesem Heft um Mediensucht und medienbezogenes exzessives Verhalten geht, können wir die gesellschaftliche Rahmung, in der exzessives Verhalten seine Bedeutung und Wertigkeit erhält, nicht außer Acht lassen. Diese Rahmung ist selbst durch Extrempole bestimmt: einerseits die ökonomischen Rahmenbedingungen einer völlig aus dem Ruder gelaufenen grenzenlosen Wachstumsideologie. Ihre Begleitmusik aus der Werbung trichtert uns Konsum als dominantes Lebensmodell ein und suggeriert, dass es keine Grenzen gibt, nicht einmal Grenzen für den unmäßigen Konsum von Chips, Süßigkeiten und Smartphones. Auf der anderen Seite steht die Ideologie der Individualisierung, die uns für die Mühen beständiger Selbstoptimierung und Leistungssteigerung Erfolg im Leben in Aussicht stellt, aber nicht verspricht. Dafür belastet sie uns aber individuell mit dem Risiko, dass unsere Lebensentwürfe scheitern. Dazu gehört der basso continuo des Selbstmanagements und der Selbstoptimierung: „Mach etwas aus dir! Nutze deine Ressourcen optimal!“ Kinder und Jugendliche nehmen gesellschaftliche Werte in ihrer Sozialisation auf und eigenen sie sich für ihre eigene Werthaltung an. Die widersprüchlichen Ideologien lassen sich nicht einfach übernehmen, sie fordern, dass man sich dazu positioniert und sie lebt. Dazu gehört, sich in dieser gesellschaftlichen Rahmung für exzessives Verhalten zwischen den unvereinbar widersprüchlichen Polen eine eigene Position zu erarbeiten. Nehmen wir als Beispiel Facebook: Einerseits ist das ein für Jugendliche unverzichtbar gewordenes Tool, um ihre Identität und ihre sozialen Beziehungen zu managen (Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink 2009), anderseits ist es das Suchtmittel par excellence, wenn es habwüchsigen Mädchen nicht mehr gelingt, im immerwährenden Rauschen der Nachrichten von Freunden den Logout-Button zu finden, ohne das Gefühl zu haben, sich selbst von den wesentlichen Nachrichten des Lebens auszuschließen (Rumpf/Meyer/Kreuzer/John 2011).
So eng können Nutzen und Schaden, notwendige funktionale Mediennutzung und übermäßiger dysfunktionaler Konsum beieinander liegen. Wenn in diesem Heft die exzessive Mediennutzung Thema ist, so wollen wir, die Fachredaktion, dieses Thema nicht allein in dem defizitär orientierten Diskurs verstanden wissen, der sich damit zufrieden gibt, Maßstäbe zu benennen, diesseits derer Verhaltensweisen noch akzeptabel, jenseits derer sie als abweichend zu gelten haben und die Betroffenen in die Zuständigkeit der Klinik übergeben werden. Eine solche Grenze, wie sie von besorgten Eltern und pädagogischen Fachkräften oft gefordert wird, bemisst sich in der Regel an der Zeit der täglichen Mediennutzung. Doch eine solche Grenzlinie greift zu kurz, sie ist selbst das Problem und nicht die Lösung. Denn sie ist Indiz eines scheinheiligen Umgangs einer Gesellschaft mit ihrer Suchtproblematik, ähnlich wie wenn Alkohol schamhaft in Papiertüten versteckt wird und für ein Glas zu viel Rechtfertigungsdruck aufgebaut wird, es andererseits aber als abweichend gebrandmarkt wird, wenn jemand beim Drink nach der Arbeit Alkohol verweigert. Ziel dieses Hefts ist es nicht, die gefühlten 1.053sten medienpädagogischen Ratschläge zur täglichen Mediennutzungszeit empirisch fundiert zu formulieren, sondern das Augenmerk auf die Lebensbewältigung der Betroffenen zu richten, die eine Sisyphusarbeit war und ist, um in ihr Leben Struktur, Ordnung und Balance zu bringen, die immer wieder auseinanderzubrechen drohen. Hierfür spielt der lebensweltliche Kontext der Betroffenen eine entscheidende Rolle: Bindungen und wichtige persönliche Beziehungen, Anregungen und Impulse von außen wie zum Beispiel Unterstützung und Druck durch die Eltern oder Partner und die Peergruppe, Maßstäbe für das eigene Leben, die einem persönlich wichtig sind, wie persönliche Ziele und Zukunftsperspektiven, das Ringen um Bewältigung und Selbstbestimmung, persönliche Ressourcen wie Geld und Bildung, aber auch individuelle Eigenschaften wie zum Beispiel Hang zu Depressionen oder andere körperliche und psychische Störungen. Biografische Brüche finden in Kindheit und Jugend vielfach statt, wie etwa durch den Wechsel des Wohnorts, des Freundeskreises, das Ende der Schulzeit und die Aufnahme eines Studiums oder einer Berufsausbildung, neue Partnerschaften. Dazu bemühen wir uns darum, eine Vielfalt möglicher Perspektiven auf das Phänomen „exzessive Mediennutzung“ einzuholen, um möglichst viel von der Rahmung dieses Phänomens deutlich werden zu lassen.
Der Fragestellung „Machen Medien süchtig?“ nähert sich Rudolf Kammerl mit einem Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu diesem Phänomen. Er macht deutlich, dass Computerspiel- und Internetabhängigkeit – entgegen häufig anderslautender Berichte – noch nicht als eigenständige Störung anerkannt ist. In seinem Überblick über den internationalen Forschungsstand zeigt er auf, wie stark die Zahlen über suchtartiges Verhalten bezüglich der Mediennutzung divergieren und wirft einen differenzierten Blick auf das Phänomen „Medien machen süchtig“, indem er die Medienangebote, die Nutzenden sowie das soziale Umfeld in die Beurteilung mit einbezieht. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass der Übergang zwischen exzessiver und pathologischer Mediennutzung fließend ist und die Bedingungen zur Überwindung exzessiver Phasen noch weitgehend unerforscht sind. Hier sieht Kammerl vor allem auch unter dem Blickwinkel der Familie dringenden Forschungsbedarf. Aus der Sicht der jungen Mediennutzerinnen und -nutzer nähert sich Klaus Lutz dem Phänomen der starken Anziehung, die Medien auf Kinder und Jugendliche ausüben. Insbesondere versucht er aufzuzeigen, dass die Medien für die heranwachsende Generation weit mehr als nur Unterhaltung sind: Medien sind für sie ein zentrales Element ihrer Sozialisation und unverzichtbar für die Organisation ihres Alltags; erzieherische Maßnahmen in Bezug auf „zu viel Medien“ müssen diesen Aspekt deshalb stets berücksichtigen, um ein erfolgreiches erzieherisches Handel möglich zu machen.
Einen Einblick in die diagnostische und therapeutische Praxis des pathologischen Medienkonsums bei Kindern und Jugendlichen geben Maximilian Maywald und Sylvia Dettmering, die am Josefinum Augsburg, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie arbeiten. Sie sind der Auffassung, dass es sich beim pathologischen Medienkonsum um eine ernsthafte Erkrankung handelt, die aber jeweils eine Einzelfallbetrachtung erfordert, um einerseits eine generelle Stigmatisierung von jungen Mediennutzenden zu vermeiden, andererseits jedoch vor einer Verharmlosung dieses Phänomens zu schützen. Christa Gebel und Susanne Eggert zeigen das Konfliktpotenzial der Computerspielnutzung im familiären Alltag auf. Das Ergebnis einer aktuellen Studie zeigt, dass das negative Potenzial von Computerspielen höher eingeschätzt wird als das positive. Deutlich wird auch, dass Konflikte hinsichtlich der Computerspielnutzung zum familiären Alltag gehören. Wie diese Konflikte verlaufen und wie zu einer konstruktiven Lösung beigetragen werden kann, hängt ganz von den Erziehungsmustern ab, die von den Eltern genutzt werden. Aber auch der häufig unterschiedliche Gebrauch von Medien beider Erziehungspartner trägt zu Konflikten im Erziehungsalltag bei. Dabei sehen die Autorinnen in einer konfliktfreien Medienerziehung eher ein Zeichen mangelnder Auseinandersetzung mit dem Medienumgang der Kinder. Für sie ist ein konstruktiver Umgang mit den auftretenden Konflikten der Schlüssel zu einer gelingenden Medienerziehung. Dass die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen eines der zentralen Themen im Erziehungsalltag darstellt, geht aus dem Artikel von Cordula Dernbach deutlich hervor, die aus dem Alltag einer Erziehungsberatungsstelle berichtet. Hier wird auch noch einmal deutlich, dass es auch von Seiten der Eltern der Bereitschaft bedarf, sich mit den Motiven der jungen Mediennutzerinnen und -nutzer auseinanderzusetzen und ihr Erziehungsverhalten in einem größeren Rahmen als nur bezogen auf die Mediennutzung der Kinder zu reflektieren. Aus der Sicht der Autorin erfordert eine erfolgreiche Medienerziehung vor allem gegenseitiges Verständnis bezüglich der Mediennutzung und eine Festigung der Beziehungsebene.
Zwischen die Artikel sind Interviews eingestreut, die Roland Bader, Michaela Hauenschild und Klaus Lutz geführt haben. Dabei kommen exzessive Computerspieler zu Wort, eine Pädagogin berichtet über den Umgang mit Computerspielen in der Offenen Jugendarbeit und eine überdurchschnittlich medienaffine Medienpädagogin beschreibt den Stellenwert der Medien in ihrer eigenen Sozialisation. Was sind hier Aufgaben und Möglichkeiten der Medienpädagogik? Neben der Forschung, die hier aufbereitet wird, stellt sich die Frage, ob Medienpädagogik als erzieherische Praxis ein wirksames Mittel sein kann, um Kinder, Jugendliche und Familien bei der Lebensbewältigung zu unterstützen. Bei den ersten Ideenskizzen für dieses Heft hatten wir die Intention verfolgt, den Handlungsrahmen der Medienpädagogik in dem oben skizzierten Spannungsfeld zwischen der ‚Lust am Exzess‘ und der Notwendigkeit zum ‚Selbstmanagement, der Selbstoptimierung und -disziplinierung‘ auszuloten. Kann Medienpädagogik, im Sinn des Suchtpräventionsgedankens, das Ziel verfolgen, ‚starke Kinder‘ zu fördern, Jugendliche und Familien zu stärken in ihrer Lebensbewältigung? Es wäre vermessen, das pauschal zu behaupten. Doch dies hat sich als zu großes Projekt erwiesen, es wäre Gegenstand eines eigenen notwendigen Forschungsprojekts.Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Exzessive Mediennutzung‘ wird deutlich, dass Medienabstinenz, anders als die radikalen Vertreter populistischer Lösungen uns gern glauben machen wollen, in aller Regel keine Option für die Betroffenen ist (Mücken/Teske/Rehbein/te Wildt 2010). Denn ein Leben ohne Medien ist für die meisten von uns nicht vorstellbar. Dies gilt auch für Heranwachsende. Auch scheinbar plausible Erziehungsratschläge haben in ihrer Wirksamkeit oft sehr eng gesteckte Grenzen und dienen gelegentlich eher der Selbstberuhigung der Ratschlagenden. Je rigider allerdings eine Gesellschaft die Grenze zwischen Normalität und Abweichung festschreibt, desto stärker gerät eine Medienpädagogik argumentativ in die Defensive, die einerseits medienoptimistisch für mehr Medienkompetenzförderung plädiert, andererseits aber auch in Legitimationsnöte gerät, indem man ihr vorwirft, die negativen Seiten der Mediennutzung schön zu reden oder gar zu ignorieren. Hier kommen sich gelegentlich Medienpädagoginnen und -pädagogen missverstanden vor, ähnlich wie Ernährungsberater, denen man vorwerfen würde, sie wollten Kinder zum unmäßigen Konsum von Schokolade verführen. Zu zeigen, dass es zwischen der Schwarz- und der Weißmalerei eine ganze Menge Grauschattierungen gibt, dies ist ein Anliegen dieses Hefts.
Literatur:
Elias, Norbert (1976). Über den Prozess der Zivilisation. 26. Auflage. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Foucault, Michel (2009). Die Regierung des Selbst und der anderen. Vorlesungen am Collège de France 1982/83. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Mücken, Dorothee/Teske, Annette/Rehbein, Florian/ te Wildt, Bert (Hrsg.) (2010). Prävention, Diagnostik und Therapie von Computerspielabhängigkeit. Lengerich: Pabst.
Rumpf, Hans-Jürgen/Meyer, Christian/Kreuzer, Anja/John, Ulrich (2011). Prävalenz der Internetabhängigjeit (PIN¬TA). Online: www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/datei¬en-dba/DrogenundSucht/Computerspiele_Internetsucht/ Downloads/PINTA-Bericht-Endfassung_280611.pdf [Zugriff: 22.07.2013]
Schmidt, Jan-Hinrik/Paus-Hasebrink, Ingrid/Hasebrink, Uwe (Hrsg.) (2009). Heranwachsen mit dem Social Web. Zur Rolle von Web 2.0-Angeboten im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Schriftenreihe Medienforschung der LfM. Bd. 62. Düsseldorf: Vistas.
Sloterdijk, Peter (2009). Du musst dein Leben ändern. Über Anthropotechnik. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Klaus Lutz, Roland Bader
Beitrag als PDFEinzelansichtRudolf Kammerl: Machen Medien süchtig? Perspektiven auf das Phänomen „Exzessive Mediennutzung im Jugendalter“
Internet- und Computerspieleabhängigkeit werden derzeit nicht als eigene Form von psychischer Störung eingestuft. Gleichwohl stellt eine exzessive Internet- und Computerspielenutzung für viele Familien ein Problem dar. Dieses Phänomen ist durch ein Zusammenspiel von Merkmalen des Medienangebotes, des sozialen Umfelds und Persönlichkeitsmerkmalen zu erklären und bedarf einer Bearbeitung durch Angehörige, Betroffene und Hilfesysteme.
Literatur:
Drogenbeauftragte der Bundesregierung (2013). Drogen- und Suchtbericht. drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateien-dba/Service/Publikationen/BMG_Drogen-_und_Suchtbericht_2013_WEB_Gesamt.pdf [Zugriff: 01.06.2013].
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Fend, Helmut (1990). Entwicklungspychologie der Adoleszenz in der Moderne. Bd. 2: Identitätsentwicklung in der Adoleszenz. Lebensentwürfe, Selbstfindung und Weltaneignung in beruflichen, familiären und politisch-weltanschaulichen Bereichen (1. Aufl.). Bern: Huber.
Fritz, Jürgen (2011). Wie Computerspieler ins Spiel kommen. Theorien und Modelle zur Nutzung und Wirkung virtueller Spielwelten. Schriftenreihe Medienforschung der LfM. Berlin.
Gentile, Douglas/Choo, Hyekyung/Liau, Albert/Sim, Timothy/Li, Dongdong/Fung, Daniel/Khoo, Angeline (2011). Pathological Video Game Use Among Youths. A Two-Year Longitudinal Study. In: PEDIATRICS, Bd. 127, H. 2, S. 319-329.
Kammerl, Rudolf/Hein, Sandra/Hirschhäuser, Lena/Rosenkranz, Moritz/Schwinge, Christiane/Wartberg, Lutz (2012). Exzessive Internetnutzung in Familien. Lengerich: Pabst Publishers.
Meerkerk, Gert-Jan/van den Eijnden, Regina J. J. M./ Vermulst, Ad A./Garretsen, Henk F.L (2009). The Compulsive Internet Use Scale (CIUS). Some Psychometric Properties. In: CyberPsychology & Behavior, 12 (1), S. 1-6.
Petersen, Kay Uwe/Thomasius, Rainer (2010a). Beratungs- und Behandlungsangebote zum pathologischen Internetgebrauch in Deutschland. Lengerich: Pabst Science Publishers.
Petersen, Kay Uwe/Thomasius, Rainer (2010b). „Süchtige” Computer- und Internetnutzung. In: Psychiatrie und Psychotherapie up2date, Bd. 4, H. 2, S. 97-108.
Rehbein, Florian/Kleimann, Matthias/Mößle, Thomas (2009). KFN-Forschungsbericht. Bd. 108: Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter. Empirische Befunde zu Ursachen, Diagnostik und Komorbiditäten unter besonderer Berücksichtigung spielimmanenter Abhängigkeitsmerkmale. Hannover: Kriminolog. Forschungsinst. Niedersachsen.
Rosenkranz, Moritz/Kammerl, Rudolf/Hirschhäuser, Lena/Schwinge, Christiane/Hein, Sandra/Wartberg, Lutz (2013). Risikofaktoren für Probleme mit exzessiver Computer- und Internetnutzung von 14- bis 17-jährigen Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse einer deutschlandweiten Repräsentativerhebung. In: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, Heft 1-13. S. 87-103.
Rumpf, Hans-Jürgen/Meyer, Christian/Kreuzer, Anja/John, Ulrich (2011). Prävalenz der Internetabhängigkeit. Bericht an das Bundesministerium für Gesundheit. Lübeck. http:// drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateien-dba/Drogenund-Sucht/Computerspiele_Internetsucht/Downloads/PINTA-Bericht-Endfassung_280611.pdf [Zugriff: 07.06.13].
Schmidt, Jan-Hinrik/Drosselmeier, Marius/Rohde, Wiebke/Fritz, Jürgen (2011). Problematische Nutzung und Abhängigkeit von Computerspielen. In: Fritz, Jürgen/Lampert, Claudia/Schmidt, Jan-Hinrik/Witting, Tanja (Hrsg.), Kompetenzen und exzessive Nutzung bei Computerspielern: Gefordert, gefördert, gefährdet. Zusammenfassung einer Studie. Berlin: Vistas. S. 201-252.
Siomos, Konstantinos/Floros, Georgios/Fisoun, Virginia/ Evaggelia, Dafouli/Farkonas, Nikiforos/Sergentani, Elena/ Lamprou, Maria/Geroukalis, Dimitrios (2012). Evolution of Internet addiction in Greek adolescent students over a two-year period: the impact of parental bonding. In: European Child & Adolescent Psychiatry, 2012, S. 1-9.
Smahel, Daniel/Helsper, Ellen/Green, Lelia/Kalmus, Veronika/Blinka, Lukas/Ólafsson, Kjartan (2012). Excessive Internet Use among European Children. eprints. lse.ac.uk/47344/1/Excessive%20internet%20use%20 %28lsero%29.pdf [Zugriff: 07.06.13].
Tsitsika, Artemis/Tzavela, Eleni/Mavromati, Foteini and the EU NET ADB (Hrsg.) (2013). Research on Internet Addictive Behaviours among European Adolescents. www.eunetadb.eu/files/docs/FinalResearchInternet.pdf [Zugriff: 07.06.13].
van Den Eijnden, Regina J. J. M./Spijkerman, Renske/ Vermulst, Ad A./van Rooij, Tony. J./Engels, Rutger C. M. E. (2010). Compulsive Internet Use Among Adolescents. Bidirectional Parent-Child Relationships. In: Journal of Abnormal Child Psychology, 38 (1), S. 77-89.
Wartberg, Lutz/Petersen, Kai Uwe/Rosenkranz, Moritz/Kammerl, Rudolf/Thomasius, Rainer. Psychometric validation of a German version of the Compulsive Internet Use Scale (CIUS) accepted by Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking.Yee, Nick (2005). Motivations of play in online games. In: CyberPsychology & Behavior, 9 , S. 772-774.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Rudolf Kammerl
Beitrag als PDFEinzelansichtKlaus Lutz: minus mal minus ist plus
Zwar ist es keine Besonderheit mehr, dass Kinder, Jugendliche wie auch Erwachsene in der Öffentlichkeit stetig Medien nutzen, doch im Erziehungs- und Bildungsalltag erweisen sich diese Medien noch häufig als sehr konfliktbehaftet. Eltern und pädagogische Fachkräfte sehen mediale Nutzungszeiten im Wettbewerb mit schulischen Lern- und Übungszeiten. Diese Verunsicherung resultiert oftmals in einer Einschränkung der Mediennutzungszeiten. Doch fördert dieses Handeln tatsächlich einen kompetenten Umgang mit Medien?
Literatur:
Haeusler, Tanja/Haeusler, Johnny (2012). Netzgemüse. Aufzucht und Pflege der Generation Internet. München: Goldmann.
Koller, Hans-Christoph (2004). Grundbegriffe, Theorien und Methoden der Erziehungswissenschaft. Stuttgart: Kohlhammer.
Rösch, Eike (2013). Jugendarbeit im Social Web. In: Deutsche Jugend, 4, S. 162-169.
Theunert, Helga (1999). Medienkompetenz: Eine pädagogische und altersspezifisch zu fassende Handlungsdimension. In: Schell, Fred/Stolzenburg, Elke/Theunert, Helga (Hrsg.), Medienkompetenz, Grundlagen und pädagogisches Handeln. München: kopaed. S. 50-59.
Wagner, Ulrike/Gerlicher, Peter/Ring, Sebastian/ Schubert, Gisela (2013). Computerspiele in der pädagogischen Arbeit. Expertise im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Projekts GamesLab. Online: www.jff.de/games/wp-content/uploads/2013/03/Games¬Lab%20Expertise.pdf
Maximilian Maywald und Sylvia Dettmering: Pathologischer Medienkonsum im Kindes- und Jugendalter
Kinder- und Jugendzimmer quartieren sich immer mehr und weiter aus in das virtuelle Universum. Die Relevanz dieses Rückzugsorts kennt allerdings unter den Nutzenden keine Grenzen, so dass Internet und Computerspiele einen zu hohen Stellenwert einnehmen können – sie können krank machen. Pathologischer Medienkonsum ist der Fachjargon für diese Verhaltenssucht, bei der das soziale Umfeld vernachlässigt oder sogar verloren wird.
Literatur:
APA – American Psychiatric Association (2013). DSM-5 Facts – APA Corrects New York Times Article on Changes to DSM-5’s Substance Use Disorders. Online: dsmfacts. org/issue-accuracy/apa-corrects-new-york-times-article-on-changes-to-dsm-5s-substance-use-disorders/ [Zugriff: 22.05.2013].
Blizzard Entertainment (2010). Anzahl der Abonnenten von World of Warcraft steigt weltweit auf 12 Millionen. Online: eu.blizzard.com/de-de/company/press/pressreleases.html?id=2450443 [Zugriff: 10.05.2013].
Fu, King-Wa/Chan, Wincy S. C./Wong, Paul W. C./Yip, Paul S. F. (2010). Internet addiction: prevalence, discriminant validity and correlates among adolescents in Hong Kong. The British Journal of Psychiatry, 196, S. 486-492.Online: bjp. rcpsych.org/content/196/6/486.full [Zugriff: 18.05.2013].
Gentile, Douglas A./Choo, Hyekyung/Liau, Albert/Sim, Timothy/Li, Dongdong/Fung, Daniel/Khoo, Angeline (2011). Pathological Video Game Use Among Youths: A Two-Year Longitudinal Study. Pediatrics, 127, 318-330.
Lam, Lawrence T./Peng, Zi-Wen (2010). Effect of Pathological Use of the Internet on Adolescent Mental Health A Prospective Study. Archives of Pediatric and Adolescent Medicine, 164, S. 901-906.
Meerkerk, Gert-Jan/Van Den Eijnden, Regina J. J. M./ Vermulst, Ad A./Garretsen, Henk F. L. (2009). The Compulsive Internet Use Scale (CIUS). CyberPsychology & Behavior, Vol. 12, No. 1: 1-6.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2012). JIM-Studie 2012. Jugend, Information, (Multi-) Media. Online: www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf12/JIM2012_Endversion.pdf [Zugriff: 18.05.2013].
Müller, Kai W./Ammerschläger, Marcella/Freisleder, Franz Joseph/Beutel, Manfred E./Wölfling, Klaus (2012). Suchtartige Internetnutzung als komorbide Störung im jugendpsychiatrischen Setting: Prävalenz und psychopathologische Symptombelastung. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 40, S. 331-339.
Petry, Jörg (2010). Diagnostik, Behandlungsziele und -strategien. In: Dysfunktionaler und pathologischer PC-und Internetgebrauch. Göttingen: Hogrefe, S. 134–153.
Rehbein, Florian/Kleimann, Matthias/Mößle, Thomas (2009). Exzessives Computerspielen und Computerspielabhängigkeit im Jugendalter - Ergebnisse einer deutschlandweiten Repräsentativbefragung. Die Psychiatrie, 6(3), S. 140-146.
Remschmidt, Helmut/Schmidt, Martin H./Poustka, Fritz (2011). Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter nach ICD-10 der WHO. Bern: Hans Huber.
Schuhler, Petra/Vogelgesang, Monika (2012). Pathologischer PC- und Internetgebrauch. Göttingen: Hogrefe. Spiegel-Online, (2012). Soziales Netzwerk: Facebook zählt eine Milliarde Mitglieder. Online: www.spiegel.de/netzwelt/web/facebook-zaehlt-eine-milliarde-mitglieder-a-859510.html [Zugriff: 10.05.2013].
Statistika (2013). Weltweiter Umsatz in der Videogames Branche von 2000 bis 2014 (in Milliarden U.S.-Dollar). Online: de.statista.com/statistik/daten/studie/160518/ umfrage/prognostizierter-umsatz-in-der-weltweiten-videogames-branche/ [Zugriff: 10.05.2013].
van Rooij, Antonius J./Schoenmakers, Tim M./Vermulst, Ad A./van den Eijnden, Regina J. J. M./van de Mheen, Dike (2011). Online video game addiction: identification of addicted adolescent gamers. Addiction, 106, S. 205-212.
Wölfling, Klaus/Müller, Kai W./Beutel, Manfred E. (2011). Reliabilität und Validität der Skala zum Computerspielverhalten (CSV-S). Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie, 61, S. 216-224.
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Autor: Maximilian Maywald
Beitrag als PDFEinzelansichtChrista Gebel und Susanne Eggert: Konfliktherd Computerspiele
Eltern begegnen Computerspielen häufig mit Skepsis. Die Begeisterung, mit der vor allem der männliche Nachwuchs sich dem Computerspielen widmet, stellt für sie oft eine erzieherische Herausforderung dar. Insbesondere Mütter haben meist wenig Bezug zu Computerspielen und es fällt ihnen schwer, diese Leidenschaft der Kinder nachzuvollziehen. So kommt es darüber nicht selten zu Konflikten, vor allem im Hinblick auf die Spieldauer.
Literatur:
Hasebrink, Uwe/Schröder, Hermann-Dieter/Schumacher, Gerlinde (2012). Kinder- und Jugendmedienschutz aus der Sicht der Eltern. Ergebnisse einer repräsentativen Elternbefragung. In: Media Perspektiven, H. 1, S. 18-30.
Wagner, Ulrike/Gebel, Christa/Lampert, Claudia (Hrsg.) (2013). Zwischen Anspruch und Alltagsbewältigung: Medienerziehung in der Familie. Unter Mitarbeit von Susanne Eggert, Christiane Schwinge, Achim Lauber. Schriftenreihe Medienforschung der LfM, Band 72. Berlin: Vistas.
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Autor: Christa Gebel, Susanne Eggert
Beitrag als PDFEinzelansichtCordula Dernbach: Exzessive Mediennutzung – vermehrt ein Thema in Beratungsstellen
Konflikte im Zusammenhang mit der Computernutzung von Kindern und Jugendlichen treten in der Eltern-Kind-Beziehung vor allem dann auf, wenn diese Nutzung exzessiv wird und dadurch alles andere vernachlässigt wird. Das Ergebnis sind meist hilfesuchende und überforderte Eltern. Um das Problem zu lösen, müssen Eltern und Kinder zunächst Verständnis für die jeweils anderen entwickeln und Bereitschaft zeigen, die Situation zu verändern.
Literatur:
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2012). JIM-Studie 2012. Geräte-Ausstattung im Haushalt 2012 (Auswahl). Online: www.mpfs.de/index. php?id=537 [Zugriff: 24.06.2013].
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Autor: Cordula Dernbach
Beitrag als PDFEinzelansicht„Es ist mehr oder weniger mein Ruhepol. Wenn der Tag anstrengend war, kann ich mich einfach hinsetzen und mein Gehirn abschalten“
Moritz (27 Jahre) studiert Soziale Arbeit. Seit er 13 ist, spielt er Computerspiele. Er selbst charakterisiert sein Spielverhalten als exzessiv. In den 14 Jahren legte er auch mehrere längere Spielpausen ein. Roland Bader sprach für merz mit ihm.„Wenn man lange bei Videospielen dabei ist, grad bei Spielen, wo man sich was erarbeitet, grad bei Rollenspielen – natürlich kann man sich alles schönreden – man verschwendet schon ein bisschen seine Zeit damit, weil man hat ja nichts Produktives vorzuweisen. Aber der Geisteszustand, den man dabei entwickelt, nämlich dass man sich intensiv hinter was klemmen kann und sich auch selbst motiviert, etwas weiterzumachen, solange eine gewisse Euphorie dabei aufkommt, solange das bei mir gegeben ist, dann kann ich auch 15, 16 Stunden am Tag mich an einen Text setzen, den ich auszuarbeiten habe, wenn es einfach nur den Spaß bringt. Man braucht da nicht Freizeit, denn man hat ja Spaß dabei. Weil Videospiele können auch Arbeit sein, wenn sie anstrengend sind, wo man mal eine langweiligere Phase drin hat. Das soll jetzt nicht klingen, als würde ich das schönreden, nur … man lernt, sich stellenweise für Dinge zu begeistern. Auch sehr dahinter zu sein. Mal mehr, mal weniger. Es gibt immer die Sommerflaute. Im Sommer gehen halt viele Leute gern raus, und da wird es dann immer weniger.
Bei mir ist das jedes Jahr so. World of Warcraft habe ich seit der Beta-Version vor acht oder neun Jahren gespielt. Ich habe es mit einem Jahr Pause mittendrin gespielt. Wo es mir dann zu langweilig geworden ist, da habe ich es gelassen. Dann habe ich letztes Jahr nach einer achtmonatigen Pause wieder damit angefangen. Dann hat es eine kurze Zeit seine Faszination wieder gehabt, aber dann habe ich gemerkt, dass es derselbe Einheitsbrei ist wie immer. Und die Herausforderung fehlt mir zu sehr dabei. Wenn es etwas Neues ist, was wirklich gut ist, dann kann am Samstag auch schon mal von neun Uhr morgens bis drei Uhr nachts einfach durchgespielt werden, mit ein paar Klo- und Kochpausen. Das war’s. Insofern nicht jemand anruft und sagt, lass uns doch was machen. Meine Regel ist, wenn jemand sagt, komm wir hocken uns in den Park und unterhalten uns, dann ist das meine erste Wahl, die ich nehme. Weil ich oft genug früher schon gesagt habe, ich kann jetzt nicht, ich möchte noch gern das Level schaffen. Das erste Mal, das muss vor sechs Jahren gewesen sein, da kam das erste Add-on raus, das hieß TheBurning Crusade, da habe ich mir den Wecker wirklich so gestellt, ich hatte sechs Stunden Schlaf jede Nacht – die Eltern waren zwei Wochen im Urlaub – und dann habe ich jeden Tag komplett durchgespielt ohne große Pausen.
Da hatte ich fünf, sechs Packungen Cornflakes im Zimmer stehen, eine Palette H-Milch, da habe ich so vor mich hin vegetiert. Nach einer Woche habe ich das nicht mehr ertragen. Da wurde es zu viel. Dann hatte ich ein Jahr Freizeit. Da habe ich einfach aufgehört. Ich habe meinen besten Freund in WoW kennengelernt. Der war mein alter Klassenleiter. Und die Kommunikation ging immer weiter. Man braucht ja kein Spiel, um sich miteinander zu unterhalten. Als ich ausgestiegen bin, haben ein paar meiner Freunde weitergespielt. Aber wir haben uns immer weiter regelmäßig getroffen, da sie sowieso aus der näheren Umgebung waren. Die Gruppe, mit der ich angefangen habe zu spielen, ist nach einem Jahr zerbrochen. Weil sie nicht dahin kamen, wo sie hinwollten.Wenn es wirklich um Extreme geht …. Ich finde immer noch, ich bin ein exzessiver Spieler, weil ich mindestens drei, vier Stunden am Tag vor dem PC sitze, nur um zu spielen. Und da reden wir nicht von Filmen und Serien. Da verfolge ich auch genug aktiv. Wenn ich dann merke, dass ich mich dransetzen muss, um mithalten zu können mit anderen, das ist der Punkt, wo es mir zu viel wird. Das war grad bei WoW so.
Immer wenn ich merke, jetzt wird es Arbeit, hab ich keine Lust mehr drauf. Und das Spiel ist Arbeit. Ich habe mal zu der Weltspitze gehört in einer Klasse, es hat mir gereicht, und es ging nur, weil mir gesagt worden ist, du bist so gut, wir wollen dich haben. Und dann habe ich den Charakter nie wieder gespielt. Ich wollte nur wissen, dass ich es kann. Aber ich wollte es nicht aktiv ausüben. Weil das aktive Ausüben hätte geheißen, sechs Tage die Woche mit 25 Mann was tun, für an die sechs Stunden, und dafür braucht man eine Vorbereitungszeit, da muss ich mir Geld erarbeiten. Und das … nee,nee. Da ist mir meine Freizeit doch zu wichtig für, oder mal ein Buch zu lesen. Dann habe ich einen anderen Charakter weitergespielt. Ich spiele halt lieber aus Spaß. Ich spiele zwar gerne viel, aber wenn es keinen Spaß mehr macht, sehe ich keinen Sinn darin weiterzuspielen. Ich bin kommunikationsfreudiger geworden. Bin eigentlich ein ziemlich introvertierter Mensch, was Onlinespiele so wunderbar macht, denn es ist halt so, man schreibt sich nur mehr oder weniger, das hat es mir wesentlich leichter gemacht zu kommunizieren.
Und mittlerweile brauche ich dieses ‚Training‘ nicht mehr, sondern ich kann in Kneipen gehen und mich mit Leuten unterhalten, es ist einfacher geworden. Aber ich glaube, das Wichtigere ist, dass der Wille da war, das zu erreichen. Dass ich halt das Mittel genommen habe, was am nächsten war. Ich möchte jetzt nicht so wirken wie: „Introvertierte Menschen, habt Hoffnung, spielt Videospiele, und alles wird besser! Es ist mehr oder weniger mein Ruhepol. Wenn der Tag anstrengend war, kann ich mich einfach hinsetzen und mein Gehirn abschalten. Einfach nur spielen, und dann wird das alles ein wenig distanziert, dann distanziert man sich von Problemsituationen, denn gerade im Zivi gab es Probleme mehr als genug. Man hat dann einen objektiveren Blick auf die Gesamtsituation. Was aber genauso gut ein Buch machen kann. Mit Videospielen geht das aber einfacher.“
„Meine Mutter dachte, dass ich abhängig wär, und hat mich in die Klinik geschickt“
Hannes (15 Jahre) riet mit seiner Mutter und seinem Stiefvater aufgrund seiner Computerspielenutzung in einen starken Konflikt. Während er eine Exzessivität seiner Nutzungsweisen gänzlich bestreitet, wird aus elterlicher Perspektive das Computerspielen als suchtartig empfunden. Die Problematik kennzeichnet sich folglich durch eine gravierende Differenz der Problemwahrnehmungen. Michaela Hauenschild sprach für merz mit ihm.„Also, es war vor zwei Jahren. Ich hab mir zum Geburtstag eine PlayStation 3 gewünscht, weil viele Freunde auch mit der PlayStation gespielt haben. Und dann hab ich die bekommen und hab eine Abmachung mit meinen Eltern gehabt, dass ich abends ab 20 Uhr bis Mitternacht spielen darf. Ich war nur meistens sehr müde und ich hatte auch nicht wirklich Interesse laut meinen Eltern, dass ich mit denen irgendwas machen wollte oder so. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, es waren Sommerferien. Da hatte ich nicht wirklich Lust drauf, irgendwie früh aufzustehen oder so. Auf jeden Fall, ja also gespielt und nach fünf Wochen wurde die PlayStation verkauft wieder tatsächlich, weil ich in eine Schuldenfalle reingelaufen bin. Ich hab eine Handyrechnung von insgesamt tausend Euro gehabt. Und ja, da gab‘s nur noch Stress zu Hause, wegen generell Computerspielen oder Fernsehen gucken. Tagtäglich war irgendwas los. Ja kiffen hab ich auch gemacht. Und da dachte meine Mutter, dass ich abhängig wär und hat mich in die Klinik geschickt. Also mit den Gründen, ich sei PC-süchtig und Cannabis-süchtig.
Sie haben mich in der Klinik als Problemfall dargestellt und dachten, wenn ich da hingehe, werde ich mich ändern, so dass ich nach deren Regeln tanze.Meine Mutter hat es mir freigestellt, ob ich in die Klinik gehe oder nicht. Ich hab gesagt, ja okay, damit sich was in der Familie ändert. Ich hab trotzdem kein wirkliches Problem darin gesehen, weil ich hab mich an die Regeln gehalten.Meine Eltern haben mich als hochgradig süchtig beschimpft und auch so wahrgenommen. Also ich kann‘s nicht genau beschreiben. Es gab halt nur Stress, weil ich nichts mit denen gemacht habe. Und für meine Eltern war‘s dann klar, okay das könnte die PlayStation gewesen sein, weil ich angeblich jeden Tag rund um die Uhr gespielt hab. Meine Wahrnehmung von dem Vorfall damals war: Ich hab mich an die Regeln gehalten und hab auch nicht weiter tagsüber gespielt. Es war eine Zwickmühle irgendwie. Sie wussten, was ich gespielt hab. Ich hab ja hauptsächlich Shooter gespielt. Hat meine Mutter mir auch geholt die ganzen Spiele. Sie wussten, was ich gemacht hab, aber haben jetzt nicht irgendwie ‘ne Internetsperre oder so Kontrollen eingerichtet. […] Sie sagte immer: „Zwei Shooter. Mehr gibt es nicht.“ Daran hab ich mich auch gehalten. Nur irgendwann hab ich auch noch eins gekauft. Da hatte sie dann auch nichts mehr wirklich dagegen. Also es war ihr dann letztendlich egal, nur von der Länge der Zeit her, die ich angeblich damit verbracht hätte. Dann gab‘s auch Zeiten, wo ich zu‘nem Freund gegangen bin und da ‘ne Woche geschlafen hab oder so, weil‘s zu Hause nicht mehr ging.
Heute ist es so, ich hab keine PlayStation. Ich treffe mich mit Freunden manchmal. Wir spielen nicht wirklich viel. Wenn wir spielen am Wochenende, dann aber auch lange. Aber unter der Woche dafür gar nicht.Mein leiblicher Vater hat das mit der Klinik auch ganz schön ins Lächerliche gezogen, genauso wie ich das auch empfunden habe. Total lächerlich. Er hat immer wieder gesagt: „Mach das einfach. Dann ist deine Mutter zufrieden.“ Hab ich auch gemacht. Er sah das auch so, dass meine Mutter übertrieben hatte. Ich hab den Willen meiner Mutter im Prinzip erfüllt dadurch, dass ich in der Klinik war. Das hat sie ein bisschen beruhigt. Also für mich, ich konnte nicht wirklich was lernen, weil ich bin da durchgelaufen durch die Zeit. Aber an sich so die Familienstimmung ist definitiv besser geworden.“
„Ich hab im Alter von zwölf Jahren schon einen eigenen Rechner im Kinderzimmer gehabt“
Sonja Breitwieser (33 Jahre) hat ein Studium mit Schwerpunkt Medien, Kultur und Bildung absolviert. Sie arbeitet als Medienpädagogin und ist selbst sehr medienaffin. Klaus Lutz sprach für merz mit ihr.
merz: Scherzhaft behaupte ich immer, dass du im Winter keine Heizung brauchst, weil du immer einen wärmenden Laptop auf dem Schoß hast. Du arbeitest als Medienpädagogin und kannst hier deine Affinität zu Medien auch beruflich sehr gut verwerten. Viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten auch deshalb sehr gern mit dir zusammen, weil du sehr versiert mit den neuen Medien umgehst. Wie hast du diesen virtuosen Umgang mit Medien erworben? Welche Rolle haben Medien für dich in deiner Kindheit und Jugend gespielt und wie hast du sie genutzt?
Breitwieser: Ich glaube, das erste war ein Kassettenrekorder, mit dem wir Sachen aufgenommen oder selber reingesprochen haben. Das war so im Alter von vier bis fünf Jahren. Zur gleichen Zeit hat mein Vater schon immer Spiele gespielt auf dem Computer, zum Beispiel Space Invaders. Dann auch Police Quest oder Space Quest und mein Bruder und ich sind oft dazu geholt worden und durften ein bisschen mitmachen. Als wir auf dem Schoß meines Vaters saßen, hat er zum Beispiel auch ganz einfache Tricks am Computer gemacht oder sie uns gezeigt. Oder er hat Bilder, die wir am Computer gemalt haben, ausgedruckt. Das war für die Zeit, ich glaub, das war ´85 oder ´86, einfach nicht selbstverständlich. Wir durften auch bei der Hardware immer mitarbeiten, wenn mein Vater an seinem Rechner rumgebastelt hat. Wenn er beispielsweise Festplatten ausgetauscht hat. Ich weiß noch, dass er immer so Probleme mit dem ‚Jumpern‘ hatte. Man musste die Festplatten früher auf Master und Slave ‚jumpern‘ und da durften wir als Kinder immer dabei sitzen. Wir mussten immer vorher zur Steckdose und uns entladen, damit wir der Hardware keinen Schlag verpassen und durften dann wirklich beim Ausbau mithelfen.
merz: Und wie ging es dann weiter, als du älter warst und selbstständig Medien nutzen konntest?
Breitwieser: Ich hab mit zwölf schon einen eigenen Rechner im Kinderzimmer gehabt. Der war ausrangiert aus der Firma von meinem Vater. Da hatte ich dann Word drauf und ein altes ausrangiertes Correl FotoPaint oder FotoShop-Programm, ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Da ich damals totaler Michael Jackson Fan war, war meine Intention, die selbst aufgenommenen Videokassetten zu schneiden. Ich hab im Fernsehen alles mitgeschnitten, was irgendwie an Berichten oder so gesendet wurde. Ich hab mir dann auch Blanko-Hüllen gekauft und Kassetten von anderen überspielt und wollte mir schöne Cover basteln.
merz: Und wie ging es dann weiter mit der Spielenutzung?
Breitwieser: Ich durfte nach und nach allein an den PC meines Vaters. Ich hab dann auch selbst Police Quest gespielt, obwohl ich damals noch gar kein Englisch konnte. Die Steuerung der Figur funktionierte nur durch Texteingabe, also zum Beispiel „Go left“, „open door“ oder so. Ich hatte ja meinem Vater schon öfters zugeschaut und hab es dann einfach irgendwann durch Probieren rausbekommen, was ich für welche Funktion eingeben muss. Dann kam irgendwann der GameBoy. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich damit sehr viel gespielt habe.
merz: Was kam nach dem GameBoy als Spiel für dich oder was hast du dann genutzt?
Breitwieser: Ich hab nie viel am Computer gespielt. Den PC, den ich im Zimmer hatte, hab ich für kreative Sachen genutzt. Zum Beispiel für Bildgestaltung oder auch, um mit Word Bücher abzutippen oder Zeichnungen einzuscannen. Gespielt hab ich eher über die Konsole. Nach dem GameBoy kam dann bei mir die erste Nintendo Konsole, dann SuperNintendo und so weiter. Ich hab jede Konsole aus dieser Reihe ‚mitgenommen‘.
merz: Würdest du dich rückblickend als Jugendliche einordnen, die exzessiv Medien genutzt hat?
Breitwieser: Für die damalige Zeit würde ich das schon sagen. Ich hab damals aber auch noch viele andere Sachen exzessiv betrieben, zum Beispiel Sport.
merz: Also kann man aus deiner jetzigen Sicht sagen, du hast Medien exzessiv genutzt aber ebenso andere Sachen. Es ist also eine Charaktereigenschaft von dir.
Breitwieser: Ja genau. Also extensiv oder exzessiv als Fan diese Michael Jackson Geschichte, die ich gepflegt hab, aber genauso zum Beispiel extensiv gemalt. Also ich hab beispielsweise Portraits gezeichnet, wo ich wirklich tagelang am Schreibtisch saß, bis das Bild fertig war.
merz: Würdest du sagen, im Hinblick auf deine Nutzung als Jugendliche, dass es eine kritische Phase gab, wo es auch hätte schief gehen können, weil es zu viel war? Oder, dass es auch in eine Richtung hätte ausarten können, dass du dich negativ entwickelst auf Grund deiner Mediennutzung?
Breitwieser: Nein, das würde ich nicht sagen. In keiner Weise ist das negativ. Wenn es jetzt wie bei Mario Land war, wo man wirklich drei bis vier Tage mal durchgespielt hat, dann war es danach aber auch wieder eine Zeitlang uninteressant. Dann hat man eben andere nichtmediale Sachen wieder exzessiv umgesetzt. Es war also eher phasenweise. Von daher würde ich sagen, war es nie kritisch. Viele Spiele waren für mich auch nur im Zusammenhang mit Freunden interessant. Dass ich Freundinnen eingeladen hab oder zum Geburtstag, wo wir uns vor oder nach dem Essen zusammengesetzt haben und Mario Kart gespielt haben.
merz: Du hast gesagt, dass du schon teilweise Medien exzessiv genutzt hast. Was würdest du sagen, hast du für dich dabei für heute gelernt? Auch im Hinblick auf Lebensbewältigungsstrategien. Wo gibt es vielleicht Parallelen zu Fähigkeiten, die du jetzt hast und die sich ableiten lassen aus der Zeit, in der du exzessiv Medien genutzt hast?
Breitwieser: Irgendwann kam eine verstärkte Webeinarbeitung, da ich im Zuge der Vereinsarbeit viele Medien nutzen und einbringen wollte. Ich glaube 1998, also als ich 18 war, hatten wir dann zu Hause auch einen Internetanschluss. Im gleichen Zeitraum kam ein verstärkter SMS-Gebrauch. Also ich bin dann zunehmend in die mediale Kommunikation eingestiegen. Angefangen hat das bei mir mit 18, als ich ein Handy gekriegt hab, was ich auch eigentlich erst mal gar nicht wollte, weil keiner um mich herum ein Handy zu der Zeit besessen hatte. Ich hab das aber einfach geschenkt gekriegt von meinen Eltern und dann hab ich das aber auch ständig genutzt. Und dann, als wir Internetzugang zu Hause hatten, hab ich bei Freunden total fasziniert beobachtet, wie man chattet über AOL. Diese Faszination ging dann sogar soweit, dass ich mich abends bei meinen Eltern ins Büro geschlichen hab und heimlich ein Abo bei AOL abgeschlossen hab. Ich hab dann nächtelang heimlich vorm Rechner bei ihnen gesessen und gechattet, weil ich an meinem eigenen PC keinen Internetzugang hatte. Neben dem Chatten hab ich auch alles andere ausprobiert, was mit AOL möglich war und ich hab mich mit den fremden Leuten zum Teil auch getroffen, wovor heute Jugendliche ständig gewarnt werden.
merz: Wenn du jetzt nochmal an deine gesamte Mediennutzung zurückdenkst – was denkst du, hast du für dich mitgenommen? Zum Beispiel Strategien, um dein heutiges Leben oder deinen Beruf zu bewältigen.
Breitwieser: Im Hinblick auf eine Lebensbewältigung denke ich eine gute Vernetzung, auch über Medien, da es nicht so einfach ist, viele Kontakte gleichzeitig zu halten. Telefonieren, um in Kontakt zu bleiben, erfordert immer auch viel Zeit, und da einfach die Verbindung zu vielen zu halten, die mir was bedeuten. Und dann eben auch überhaupt das Internet zu nutzen, um sich wieder neu zu orientieren, wenn man zum Beispiel in eine neue Stadt kommt zu schauen, welche Gruppierungen es beispielsweise gibt, irgendwie Menschen, wo man sich anschließen kann.
merz: Du nutzt auch heute noch in recht großem Ausmaß Medien. Welche Strategien hast du, damit das in deinem Leben nicht zu dominant wird oder keine Überhand bekommt?
Breitwieser: Also ich höre sehr auf mein Gefühl, was mir gut tut oder nicht gut tut. Wenn ich zum Beispiel auf der Arbeit schon den ganzen Tag am Rechner gesessen hab und den dann zu Hause abends auch nochmal aufklappe, dann brauch ich auch noch einen Ausgleich dazu. Ich denke, dass man einfach ein Gefühl entwickeln muss für sich, wann einem was guttut.
merz: Würdest du sagen, dass mit zunehmendem Alter dein Interesse an der Mediennutzung abnimmt, sich steigert oder gleichgeblieben ist?
Breitwieser: Das Interesse und die Motivation nehmen auf keinen Fall ab. Immer die Zeit zu finden ist manchmal problematisch. Also beispielsweise Zeit, sich in komplexere Sachen einzuarbeiten. Ansonsten nutze ich Medien immer noch sehr stark, weil ich beispielsweise neue Tools sehr spannend finde. Da ich zum Beispiel kein SmartTV und damit nicht die Möglichkeit habe, das Internet über den Fernseher zu nutzen, habe ich es über die PlayStation gelöst. Ich freue mich, dass jetzt eine YouTube-App rauskommt und ich dann problemlos meine Videos über das Tablet oder das Smartphone auf die PlayStation und damit den Fernseher bekomme. So etwas baue ich dann eben in meinen Alltag ein. Ich hör mir dann auch Vorträge an, die ich für meine Arbeit brauche oder so.
merz: Als letzte Frage würde ich gern wissen, wie sich deine Mediennutzung auf dein Privatleben auswirkt. Birgt die Zeit, die du für Medien nutzt, ein Konfliktpotenzial oder gibt es dafür genügend Platz und Zeit?
Breitwieser: Nein, da gibt es keine Konflikte diesbezüglich. Dadurch, dass die Interessen von mir und meinem Partner in dieser Hinsicht sehr ähnlich sind, ist da genügend Platz. Wir schauen uns dann auch viele Clips gemeinsam auf dem Sofa an, so wie es vielleicht auch viele Jugendliche machen. Wir leben das Technikinteresse gemeinsam aus und schauen nach neuen Funktionen oder Möglichkeiten.
„Ich war halt süchtig - dagegen kann man ja nichts machen"
Julian (16 Jahre) blickt zurück auf eine Phase exzessiven Computerspielens, die er mit professioneller Hilfe und elterlicher Unterstützung überwinden konnte. Seine zeitlich ausufernde Nutzung von Online-Games wurde zum zentralen Thema familiärer Konflikte und führte zu einer starken Belastung der Familienbeziehungen. Auch im schulischen, sozialen und körperlichen Bereich folgten negative Konsequenzen. Michaela Hauenschild sprach für merz mit ihm.„Also das mit dem Computer fing so vor zwei Jahren an ungefähr. Und das fing auch ganz abrupt an, also vor dem Computerproblem war mein Leben eigentlich völlig in Ordnung. Ich hatte viele Freunde, ich hab Sport gemacht, war auch da sehr erfolgreich, in der Schule lief alles super. Aber irgendwann hab ich halt dann so den Computer entdeckt, sag ich mal. Dann hab ich mir halt so ‘n Spiel runtergeladen, (…) das hieß Counter Strike, also is‘n Shootergame. (…) Das hat mir ein Kumpel gezeigt und seitdem, also ich kann mir das wirklich selber nicht so hundertprozentig erklären. Aber seitdem wurde es immer mehr und dann wurden es auch täglich schon mal so acht oder über acht Stunden. Also wirklich richtig viel. Und mit dem Beginn vom Computerspiel sank natürlich auch die Leistung in der Schule, weil ich auch teilweise geschwänzt hab sogar dafür. Nur um zu spielen. Und ich hing nur noch zu Hause rum, hab nichts mehr mit Freunden unternommen, Sport hab ich dann auch vor einem Jahr aufgehört. Ähm ja und das ging dann ungefähr ein Jahr so.Jeden Tag und jedes Gespräch ging nur um das Laptop und wir haben uns immer um die Zeit gestritten.
Wie oft ich da dran bin, dass ich was für die Schule machen soll und alles. Und ja, Streit war halt meistens abends, wenn ich ausmachen sollte. Dann wollt ich immer nicht und dann hat meine Mutter das Internet ausgemacht und dann bin ich ausgeflippt manchmal sogar und wollt das unbedingt wieder anmachen, weil ich grad am Spielen war.Mhm, ja also wenn ich traurig war, dann hab ich halt früher mich an den PC gesetzt und so versucht das zu vergessen. Das zu unterdrücken. Aber ja, das hat‘s halt nur hinausgeschoben.Meine Eltern haben wirklich alles versucht: Die waren nett, sie haben mir Verbote erteilt, sie haben das Laptop ganz weggenommen sogar einmal für drei Monate, was auch nichts gebracht hat. Und dann war die einzige Möglichkeit noch ‘ne Therapie. […] Ja, in der Klinik war ich allerdings nicht wirklich lange. Ähm, ich glaub, zwei, drei Wochen […] und ich bin aber noch in diese Computergruppe parallel gegangen und danach dann auch noch. Und die hat mir eigentlich ziemlich gut geholfen. Wenn ich jetzt drüber nachdenke, hab ich wirklich viel mitgenommen. Ich war halt süchtig. Also dagegen kann man ja nichts machen, nicht viel ohne Therapie, sag ich mal. Früher war das auch so, dass ich wirklich so‘n Drang hatte danach, nach‘m PC und ich wollte immer da dran sein und alles. Aber seit der Computergruppe liegt der Fokus jetzt bei anderen Dingen.
Also der Druck auf den PC, da dran zu spielen also ist jetzt nicht mehr so hoch; beziehungsweise eigentlich gar nicht mehr vorhanden. […] Jetzt spiel ich nicht mehr so viel. Beziehungsweise fast gar nicht mehr. Während der Schulwoche so eine Stunde ungefähr und am Wochenende werden‘s dann vielleicht mal zwei. Aber mehr auch nicht. […] Heute spiel ich League of Legends. Das ist so ne Art, ja ich sag mal Tower Defense mäßig, in so einem Rollenspielstil.Also ich hab die ganzen Schritte von dieser Computergruppe eingehalten. Und wirklich auch sehr konsequent und meine Eltern ham mir auch geholfen. Ähm dann hab ich halt so pro Tag wirklich nur eine Stunde. Dann hat‘s aber auch funktioniert. Und nach und nach verging dann immer die Lust, am PC zu sein. Und jetzt inzwischen geh ich da dran, wenn ich mal Lust hab. Also ich kann‘s kontrollieren, sag ich mal.“
„Alles was Jugendlichen Spaß macht, motiviert sie zu lernen, zu üben, sich auseinanderzusetzen“
Gabi Uhlenbrock setzt Computerspiele in der Offenen Jugendarbeit pädagogisch ein. Bereits während des Studiums der Sozialen Arbeit hat ihr Jahrespraktikum im Medienzentrum PARABOL bei ihr das Interesse an Medienpädagogik geweckt. Sie vertiefte es durch eine Weiterbildung zur Computermedienpädagogin. Seit 1992 arbeitet sie in verschiedenen Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit der Stadt Nürnberg und ist freiberuflich als Referentin für Online-Rollenspiele, Social Media und Medien in der Jugendarbeit unterwegs. Roland Bader sprach für merz mit ihr.
merz: Was bedeutet „exzessives“ Spielen für dich?
Uhlenbrock: Exzessives Spielen bedeutet für mich, wenn neben dem Spielen alles andere zur Nebensache wird. Wenn man Schule/Studium/Beruf vernachlässigt, Freunde verliert, Partner und/oder Kinder vernachlässigt und das Spiel die einzige Möglichkeit darstellt, sich zu unterhalten und zu beschäftigen. Wenn jemand sich nur noch über das Spiel definiert, weil ihm andere Definitionen abhanden gekommen sind. Wenn jemand phasenweise viel spielt, weil das Spiel neu und spannend ist, im grauen Winter, wenn man Urlaub oder Ferien hat, krank geschrieben oder arbeitslos ist – kurz: wenn man Zeit dazu hat, ist das noch kein problematisches Verhalten.
merz: Was macht die Attraktivität von Games für Jugendliche aus?
Uhlenbrock: Gerade Spiele bieten einiges, was Jugendliche suchen: Gleichaltrige, Abenteuer, Held sein, Gruppenstatus, Nervenkitzel und jede Menge Belohnungen. Vor allem Jungen in dem Alter testen ihre Grenzen aus und übertreiben dabei gern alles. Das Gespür für riskantes Verhalten ist bei 15-Jährigen kaum vorhanden, die Lust vieles auszuprobieren ist sehr stark. Alle mir bekannten Forschungen sagen, dass die Menge an mit Spielen verbrachter Zeit weniger wird, je älter die Jugendlichen werden. Allerdings werden sie nicht aufhören zu spielen – warum auch? Längst sind Computerspiele in der Welt der Erwachsenen angekommen.
merz: Wie geht ihr im Offenen Jugendtreff mit Computerspielen um? Warum bietet ihr Computerspiele an?
Uhlenbrock: Der Jugendtreff hat mit zwei Playstations und sechs PCs mit freiem Internet-Zugang, einer Video- und einer Fotokamera, sowie Boomblaster und Soundsystem eine für Jugendliche attraktive Medienausstattung. Alles ist kostenlos und frei benutzbar. Außerhalb des Offenen Treffs gibt es eine Sport- und eine Kochgruppe und aus der ehemaligen Computergruppe wurde eine Rollenspielgruppe, die ihre Abenteuer in der Fantasie und mit Papier und Würfeln erlebt. Neben Facebook und Youtube sind Computerspiele die häufigste Nutzung der PCs. Jugendliche wünschen sich regelmäßig bestimmte Spiele vom Jugendtreff. Wenn sich genügend Interessenten finden und das Spiel eine USK-Freigabe ab zwölf Jahren hat, wird es angeschafft. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendtreffs sind selbst erfahrene Gamer, so dass etliche Anregungen für interessante Computerspiele auch von Seiten der Betreuerinnen und Betreuer kommen. Jugendliche reagieren sehr positiv auf das Interesse von Erwachsenen an ihren Computerspielen: Sie berichten von ihren Kenntnissen und Erfolgen, messen sich gern und nehmen erstaunt differenzierte Sichtweisen zur Kenntnis. Man kann mit Computerspielen genauso pädagogisch arbeiten wie mit Brettspielen, Sportangeboten, Erlebnistouren, Kreativangeboten. Alles, was Jugendlichen Spaß macht, motiviert sie zu lernen, zu üben, sich auseinanderzusetzen.
Die pädagogische Beziehung, die durch gemeinsames Spielen entsteht, ermöglicht erst – auch kritische – Einflussnahme auf die Jugendlichen. Für die begehrte Computernacht in den Ferien (eine Spielenacht bis zum Frühstück) bekamen die Jugendlichen die Aufgabe, sich auf eine große Gruppen-Herausforderung im Spiel gut vorzubereiten: Sie sollten Tipps zum geplanten Dungeon-Besuch durchlesen, jeder hatte im Spiel einen erfolgsrelevanten Beruf zu lernen (Kochen, Erste Hilfe, Alchemie …), ihre Spielfigur musste Level 15 erreichen und gut ausgestattet sein. Für die Jugendlichen waren dies zum Teil sehr schwierige Aufgaben, da sie nicht gewohnt waren, sich vorzubereiten und dafür im Vorhinein Zeit und Energie zu investieren. Doch die Motivation war hoch und so schafften es alle. In der Spielenacht mussten sie dann lernen, mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten trotzdem eine gemeinsame Taktik zu entwickeln, Fehlschläge hinzunehmen und sich immer wieder erneut einer Aufgabe zu stellen. Der Kampf mit dem Endboss des Dungeons brauchte ungefähr 15 Versuche und dauerte mehrere Stunden – aber schlussendlich war die Gruppe erfolgreich und sehr stolz.
merz: Würdest du eure offene Jugendarbeit als Suchtprävention verstehen?
Uhlenbrock: Sucht entsteht durch viele Faktoren und ein Ansatz der Offenen Jugendarbeit ist die Entwicklung von Resilienzen durch die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, Partizipation und Anerkennung. Die akzeptierende Auseinandersetzung mit Jugendlichen und ihren Spielwelten vermittelt den Jugendlichen sicher Fähigkeiten, mit der hohen Attraktivität von Bildschirmspielen umzugehen. Das muss man regelrecht lernen: Wie komme ich damit klar, dass andere im Online-Spiel schneller weiter kommen, weil sie mehr Zeit investieren (können)? Welche Kompensationsmöglichkeiten gibt es dafür? Wie finde ich einen Rhythmus und Grenzen der Nutzung, die in mein Leben passen? Mein Wunsch ist, dass die Einordnung von Computerspielen differenzierter und sachgerechter wird. Der Begriff der exzessiven Nutzung oder gar Sucht darf nicht flächendeckend auf alle begeisterten Gamer ausgedehnt werden. Im Umgang mit Jugendlichen verbaut man sich sonst jede Einflussmöglichkeit auf ihre Werteentwicklung.
spektrum
Nadja Zaynel: Wie Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom fernsehen
Mittels einer qualitativen Methodentriangulation wurde die Fernsehnutzung von acht Heranwachsenden mit Down-Syndrom im Alter von drei bis 26 Jahren erhoben. Die zentrale Frage lautete: Wie nutzen sie das Medium Fernsehen und inwieweit gibt es Unterschiede zu nicht-behinderten Rezipientinnen und Rezipienten? Herausgestellt hat sich, dass weniger das Down-Syndrom das Fernsehverhalten bedingt, sondern andere Faktoren wie die soziale Schicht, die Medienerziehung der Eltern, das Aufwachsen mit Geschwistern sowie die Wahlmöglichkeit bezüglich anderer Freizeitalternativen.
Literatur:
Anderson, Daniel R./Field, Diane E. (1984). Die Aufmerksamkeit des Kindes beim Fernsehen. Folgerungen für die Programmproduktion. In: Meyer, Manfred/Burdach, Konrad J. (Hrgs.), Wie verstehen Kinder Fernsehprogramme? Forschungsergebnisse zur Wirkung formaler Gestaltungselemente des Fernsehens. München/New York/London: Saur. S. 52-92.
Hepp, Andreas (1996). Beim Fernsehen sprechen. Medienkompetenz und die kommunikative Aneignung von Fernsehtexten. In: Medien praktisch, 2, S. 20-25.
McGuire, Dennis (2007). Wenn Menschen mit Down-Syndrom die Welt regierten …. In: Leben mit Down-Syndrom, 55, S. 61-63.
McGuire, Dennis/Chicoine, Brian (2008). Das visuelle Gedächtnis – Stärken und Schwächen. In: Leben mit Down-Syndrom, 57, S. 10-19.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.)(2010). KIM-Studie 2010. Kinder + Medien, Computer + Internet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger in Deutschland. Online: www.mpfs.de/ fileadmin/KIM-pdf10/KIM2010.pdf [Zugriff: 27.03.2013].
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.)(2012). JIM-Studie 2012. Jugend, Information, (Multi-Media). Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Online: www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf12/JIM2012_Endversion.pdf [27.03.2013].
Süss, Daniel/Bonfadelli, Heinz (2001). Mediennutzungsforschung. In: Jarren, Otfried/Bonfadelli, Heinz (Hrsg.), Einführung in die Publizistikwissenschaft. Zürich: Haupt. S. 311-336.
Wilken, Udo/Pich, Wolfgang (1998). Fernsehnutzungsverhalten von Menschen mit geistiger Behinderung. In: Spektrum Freizeit, 20, S. 112-123.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Nadja Zaynel
Beitrag als PDFEinzelansichtAnika Bonitz und Melanie Bonitz: Abwägender Einsatz digitaler Schulbücher
„Today’s students are no longer the people our educational system was designed to teach”, schreibt Prensky 2001. Im selben Jahr startete in Malaysia das Electronic Book Project. Länder wie Südkorea, die Türkei oder Polen haben längst Programme zur Einführung digitaler Schulbücher beschlossen. Angesichts der aktuellen Einführung in Deutschland stellt sich die Frage, welche Faktoren entscheidend sind, dass sie Teil einer modernen Lehr- und Lernkultur werden, mit der man die aufwendige Umstellung begründet.
Literatur:
Ebner, Martin/Schön, Sandra (2012). Die Zukunft von Lern-und Lehrmaterialien. Entwicklungen, Initiativen, Vorhersagen. Norderstedt: BoD.
Foong-Mae, Chan (2002). ICT in Malaysian Schools: Policy and Strategies. Center for the Research and Support of Educational Practice. Online: unpan1.un.org/intradoc/groups/public/documents/apcity/unpan011288.pdf [Zugriff: 28.05.2013].
Herber, Erich/Nosko, Christian (2012). Totgesagte leben länger – das Schulbuch der Zukunft. In: Blaschitz, Edith (Hrsg.), E-Learning. Zukunft des Lernens. Glückstadt: Hülsbusch. S. 165-187.
Hiller, Andreas (2012). Das Schulbuch zwischen Internet und Bildungspolitik. Marburg: Tectum.
Kim, Jackie Hee-Young/Jung, Hye-Yoon (2010). South Korean Digital Textbook Project. In: Computers in the Schools, 27(3-4), S. 247-275.
Lane, Donna N. L. (2007). Educational Value of E-textbooks. Saarbrücken: VDM.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Anika Bonitz, Melanie Bonitz
Beitrag als PDFEinzelansichtWolf Borchers: Leseclubs – mit Freu(n)den lesen
Die Stiftung Lesen richtet im Rahmen des Förderprogramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bis zu 200 Leseclubs als außerunterrichtliche Lernumgebungen in allen Bundesländern ein. In freizeitorientierter Atmosphäre treffen sich Kinder und Jugendliche regelmäßig im Leseclub, um gemeinsam zu lesen, zu spielen und mit verschiedenen Medien kreativ zu arbeiten. Interessierte Einrichtungen können sich zusammen mit einem weiteren Bündnispartner bei der Stiftung Lesen um einen Leseclub bewerben.
Literatur:
Garbe, Christine/Holle, Karl/Jesch, Tatjana (2010). Texte lesen. Textverstehen. Textdidaktik. Lesesozialisation. Stuttgart: UTB.
Grotlüschen, Anke/Riekmann, Wibke (Hrsg.) (2012). leo. Level-One-Studie. Münster/New York/München/Berlin: Waxmann.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.)(2013). KIM-Studie 2012. Kinder + Medien, Computer + Internet. Online: www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf12/KIM_2012.pdf [Zugriff: 03.07.2013].
Philipp, Maik (2011). Lesesozialisation in Kindheit und Jugend. Lesemotivation, Leseverhalten und Lesekompetenz in Familie, Schule und Peer-Beziehungen. Stuttgart: Kohlhammer.
Stiftung Lesen (2010). Lesefreude trotz Risikofaktoren. Eine Studie zur Lesesozialisation von Kindern in der Familie. Mainz: Schriftenreihe der Stiftung Lesen, Band 7.
Stiftung Lesen (2011a). Leseclubs. Praxisanregungen und wissenschaftliche Befunde. Mainz: Stiftung Lesen.
Stiftung Lesen (2011b). Zeitschriftenlektüre und Diversität. Mainz: Schriftenreihe der Stiftung Lesen, Band 10.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Wolf Borchers
Beitrag als PDFEinzelansichtEva Claudia Dechant: Das Augenzwinkern per Mausklick
Online-Singlebörsen sind keine Nischenerscheinung, auf denen sich Nerds treffen. Bildungsniveau und Ähnliches spielen in Bezug auf die Nutzung keine Rolle, vielmehr ist es eine Frage der Internetaffinität. Allerdings sind die Medien nur ein Hilfsmittel, um den Erstkontakt herzustellen. Reale Treffen werden dadurch nicht ersetzt. Das zeigt ein Einblick in die verschiedenen Angebote. Anschließend wird der Fokus auf Online-Singlebörsen und deren Funktionsweisen gerichtet.
Literatur:
Bruhns, Anette (2012). Online-Partnerbörsen. Online: www.spiegel.de/spiegelwissen/singleboersen-suche-nach-der-grossen-liebe-a-831821.html [Zugriff: 20.07.2013].
Elitepartner-Kosten 2013. Online: www.test-der-singleboersen.de/infos/singleboersen/elitepartner [Zugriff: 23.07.2013].
Howest, Markus (2911). Internet fungiert verstärkt als Dating-Zentrale. Online: www.ibusiness.de/aktuell/db/344555mah.html [Zugriff: 20.07.2013] Online Dating Markt 2010/2011. Online: www.singleboersen-vergleich.de/presse/online-dating-markt-2010-2011.pdf [Zugriff: 20.07.2013].
Online-Partnersuche.de (Hrsg.) (2011). Online Dating 2011. Eine Boom-Branche wird erwachsen. Online: www.online-partnersuche.de/images/studien/Online-Markt- Deutschland-Studie.pdf [Zugriff: 20.07.2013].
Puppe, Martin (2011). Volkssport Internet-Dating. Online: www.bitkom.org/de/markt_statistik/ 64018_68224.aspx [Zugriff: 20.07.2013].
Puppe, Martin (2013). Singles setzen auf Partnerbörsen im Web. Online: www.bitkom.org/de/markt_statistik/64018_75043.aspx [Zugriff: 20.07.2013].
Singlebörse-Vergleich.de (Hrsg.). Der Online-Dating-Markt in Europa 2012. Online: www.singleboersen-vergleich.de/presse/online-dating-markt-europa-2012.pdf [Zugriff: 20.07.2013]
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Eva Claudia Dechant
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medienreport
Gisela Schubert: [netbag] – Methodentasche zur Prävention von Online-Sucht
Für ein Thema schnell die passenden pädagogischen Methoden inklusive Material bei der Hand zu haben ohne selbst das Methodenrad neu erfinden zu müssen ist für pädagogische Fachkräfte in der Praxis oft die Krux. Die Methodentasche der Drogenhilfe Köln schafft Abhilfe und stellt mit der [netbag] – Methodentasche zur Prävention der Online-Sucht vielfältige Materialien zur Verfügung, die ganz unterschiedliche Facetten von Online-Sucht thematisieren und in Schulen, Jugendeinrichtungen und in der Elternarbeit eingesetzt werden können. Der Titel „Methodentasche“ ist nicht nur im übertragenen Sinn zu verstehen: Methoden und Material, in einheitlichem Design, stecken in einer stabilen und gut zu transportierenden Planentasche. Für den Einsatz in der Praxis ist auch die Aufmachung der Materialien gedacht: Kartensets auf festem Karton, in Kunststoffschubern oder Metallboxen, halten auch mehrfache Einsätze drinnen oder draußen aus. In der Tasche finden Fachkräfte Inhalte und Methoden für die Arbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen: Pädagoginnen und Pädagogen, die Eltern erreichen wollen, finden in dem umfassenden Handbuch [Eltern-Seminar] eine praktische Arbeitshilfe, die auf 80 Seiten eine Anleitung für eine mehrteilige erprobte Seminarreihe bietet. In vier Terminen mit je zwei Modulen geht es darum, Eltern und Erziehungsberechtigte zu informieren und ihnen alltagstaugliche Handlungsempfehlungen zu geben, beispielsweise zum Umgang mit Konfliktsituationen oder konkreten rechtlichen Fragestellungen.
Die durchführenden Fachkräfte finden im Handbuch außerdem hilfreiche Tipps bezüglich Rahmenbedingungen, der Zielgruppe und Vorbereitung. Zudem beinhaltet das Handbuch für jede Sitzung Erläuterungen zum Inhalt, Hintergrundwissen für die Referierenden sowie übersichtliche Methodenkarten die den Einsatz erleichtern, auf Hindernisse hinweisen und Varianten vorschlagen.Der vorgefertigte Vortrag [Virtuelle Welten], der sich an Eltern und Fachkräfte richtet, wird auf USB-Stick und DVD mitgeliefert. In der Präsentation wird Online-Sucht zwar differenziert betrachtet, häufig jedoch auch sehr plakativ dargestellt. Außer der umfangreichen Präsentation, werden Referierenden weitere Dokumente zur Verfügung gestellt: Tipps für den Vortrag, die Folien mit Notizenseiten sowie ein Reader der den ausformulierten Vortrag mit zahlreichen Beispielen und Hintergrundinformationen enthält. Insbesondere für Fachkräfte, für die Internet, soziale Netzwerke, Chatrooms und Games mit den sich dadurch eröffnenden Chancen und Risiken ein bekanntes Feld ist, stellt die Präsentation eine nützliche Arbeitshilfe dar. Im Film [THE NEXT LEVEL] der Regisseurin Lisa Wagner wird exzessives Spielen thematisiert – dies gelingt ohne drastische/erschreckende Bilder und ist daher auch für jüngere Altersgruppen geeignet. Die Verortung des Geschehens in den Schulkontext, lässt für Heranwachsende wie Erwachsene eine Orientierung bzw. Erinnerung an die eigene Lebenswelt zu und auch die Identifizierung mit dem Protagonisten zu. Der Film bezieht Stellung und zeigt die Problematik von Vielspielen jedoch ohne Vorverurteilungen vorzunehmen. Damit bleibt den Zuschauenden Raum, ihre eigene Position zu beziehen. Begleitmaterial zum Film, unter anderem Hintergrundwissen zur Entstehung, Unterrichtseinheiten für Filmbesprechungen, Anregungen für ein Filmgespräch sowie Fotokarten mit Stills aus dem Film, jedoch auch Basiswissen über Games ergänzen die Filmbox und geben Impulse/Hilfestellungen, die vielfältigen Ansatzpunkte des Film diskursiv und reflektierend aufzugreifen.
Darüber hinaus beinhaltet die [netbag] vier weitere Methoden für die Arbeit mit Gruppen von Jugendlichen: Die Box [Suchtverlauf] enthält Karten mit Beispielfällen, die die Entwicklung risikobehafteter Online-Nutzung aufzeigen. Die Beschreibung der Methoden gibt auch Vorschläge für Variationen und regt damit einen jeweils individuellen Einsatz an. [Nora am Mittag] ist an der Methode des Rollenspiels angelehnt und macht Online-Sucht zum Thema einer Talkshow. Die Teilnehmenden können in verschiedene Rollen schlüpfen, die eigene Perspektive verlassen und nachvollziehen, durch welche Beweggründe andere zu ihren Meinungen kommen. Das Karten-Set enthält unterschiedliche Fälle mit je vier Rollenkarten sowie je eine übersichtlich, zusammenfassende Moderationskarte. Innerhalb der Rollenbeschreibungen liegt der Fokus stark auf problembehafteten Aspekten, aus den vorgegebenen Rollen heraus werden kaum Impulse für eine konstruktive Lösung der inszenierten Konfliktsituation gegeben. [Facts und Fiction] ist ein Kartensatz mit dem die Nutzungsmöglichkeiten von Medien und deren Suchtpotenzial thematisiert werden können. Die Fotos sind zum Teil uneindeutig und regen bereits damit Austausch und Diskussion an. Auch hier werden Alternativen für den Einsatz vorgeschlagen.Das Online Quiz[Net Generation] geht das Thema kreativ und spielerisch an.
Es basiert auf der Spielidee der Fernsehsendung Der große Preis und kann mit bis zu 40 Personen gespielt werden. Einerseits stecken in den Quizfragen Informationen über Risiken und Suchtgefahren des Internet, gleichzeitig sind die Spielerinnen und Spieler aufgefordert in Teams zu kommunizieren und zu kooperieren. Für richtig beantwortete Fragen zum Thema Online-Sucht gibt es Bonus-Punkte. Die Methodentasche bietet Fachkräften, die die Risiken exzessiven Internethandelns präventiv angehen wollen, eine gute Auswahl an unterschiedlichen Materialien, die sich an den Bedürfnissen der Zielgruppen orientieren und auch mit wenig Vorbereitungsarbeit schnell einsatzfähig sind. Über die Herausgeber, die Drogenhilfe Köln gGmbH, kann die [netbag] erworben (422,65 €) oder geliehen werden.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Gisela Schubert
Beitrag als PDFEinzelansichtSwenja Wütscher: Gelee auf Erdnussflips
„Gute Nacht Agnes, gute Nacht Margo, Sekunde, Sekunde, was soll das werden – wem schreibst du da?“ „Keinem, ich schreib bloß an Avery.“ „Aaaavery, A … Avery? … Was für ein Name ist das – für Mädchen oder für Jungen?“ „Ist das wichtig? „Neeein, nein, ist nicht wichtig – außer, es geht um ein Jungen.“ Gute-Nacht-Geschichten, Kindergeburtstage und erste Verehrer – seitdem der Superschurke Gru sein Bösewicht-Dasein an den Nagel gehängt und die Waisenkinder Margo, Edith und Agnes adoptiert hat, ist das Leben des liebenden Familienvaters ruhigergeworden. Schattenseiten birgt es zwar noch immer, doch statt Pläne zu schmieden, wie er die Weltherrschaft an sich reißen könne, versucht Gru sich nun als seriöser Chef einer Konfitüren- und Geleeproduktionsfirma. Allerdings mit Betonung auf ‚versucht‘, denn sein Endprodukt ist scheußlich, wie seine beliebt-berüchtigte Minion-Armee eindeutig bestätigen kann. Dazu gibt es jetzt auch noch einen Gru-Nachfolger, einen neuen, einen anderen mysteriösen Superschurken, der besiegt werden muss und dafür braucht eine gewisse Geheimorganisation Fachkenntnisse, und zwar von keinem Geringeren als Gru höchstpersönlich: „Wir sind die Anti-Verbrecherliga, die sich dem Kampf gegen das weltweite Verbrechen verschrieben hat. Ein neuer Schurke ist aufgetaucht, als Ex-Schurke wissen Sie, wie ein Schurke denkt und handelt, deshalb haben wir Sie hierher bringen lassen. Ich bin der Direktor der Liga, Silas Ramspopo.“
Durch den tatkräftigen Einsatz der Top-Agentin Lucy wird Gru ganz gegen seinen Willen ein Unterfangen unterbreitet, dass seine neuerlangte Idylle über den Haufen werfen würde. Wenn auch sehr zögerlich, so willigt der ehemalige Schurke letztendlich ein und macht sich voller Eifer auf die Jagd nach jenem Bösewicht – natürlich wieder in Zusammenarbeit mit seinen treuen Minions. Seinen neuen Auftrag aber auch noch mit der Erziehung seiner Adoptivtöchter in Einklang zu bringen, erweist sich als große Herausforderung. Als Gru dann auch noch bemerkt, dass er und diese Lucy auch fernab von Verbrecherbekämpfungen ein Dream-Team sein könnten – ist die Überforderung des einstigen Einzelgängers perfekt. „Hey, was ist los?“ „Och, gar nichts, gar nichts ist los. Ich entspanne hier, mit dem Tortilla-Hut, und ziehe mir Guacamole rein.“ „Gru, bitte, diesen Gesichtsausdruck kenne ich nur zu gut. Dahinter steckt ein gebrochenes Herz.“ „Woran haben Sie das gesehen?“ „Glauben Sie mir, mein Freund, ich habe selbst so manche Nacht versucht meinen Kummer zu ertränken, in Guacamole.“ Nach ihrem großen Erfolg als siebterfolgreichster Film im Jahr 2010 haben sich Pierre Coffin und Chris Renaud schnell einer Fortsetzung gewidmet. Um es aber gleich vorweg zu nehmen, mit Ich, Einfach Unverbesserlich 2 können sich die Regisseure leider nicht mehr in der Liga ihres unverbesserlichen Universal-Animationsdebüts einreihen. Das erneut verantwortliche Duo verliert nämlich leider auf der Strecke zum erneuten Minion-Blockbuster eine Stärke des ersten Teils, die berührende Geschichte und das Herz.
Dass Al Pacino – obwohl er mit dem Einsprechen seiner englischsprachigen Bösewicht-Rolle bereits deutlich fortgeschritten war – schlussendlich wegen kreativer Differenzen abgesprungen ist, spricht wohl bereits deutlich für sich. Auch haben Steve Carell im Original und Oliver Rohrbeck in der deutschen Fassung ihre Rolle als Schurke zwar wieder übernommen, aber der fröhlich-ambitioniert-verliebte Papa der guten Seite kommt eindeutig nicht an den schräg-kurios-lustig-griesgrämigen Anti-Helden-Schurken von damals ran. „Ich habe soeben einen neuen Job angenommen.“ „Wow, wirklich?“ „Ja, ich wurde nämlich angeworben von einer strenggeheimen Organisation. Ich soll undercover ermitteln und die Welt retten.“ „Echt, du bist ein Spion?“ „Gaaaanz genau, Babe. Gru ist wieder am Start mit Technikzeug und Waffen und coolen Autos. Da fehlt nichts.“ Visuell geht das Konzept hingegen vollends auf, durch die unglaubliche Liebe zum Detail. Immer und überall gibt es selbst in den hintersten Leinwandecken großartige Action zu entdecken wie beispielsweise bei Agnes‘ Geburtstagsfeier, bei der selbst für das erwachsene Publikum Kinderträume wahr werden. Der trendige 3D-Effekt, der ganz selbstverständlich auch über diesen Film gelegt worden ist, ist bei diesen prächtigen Bildernallerdings absolut überflüssig; räumliche Tiefen und Popouts erscheinen sowieso nur selten. Im Abspann wird das verschenkte Potenzial dann am deutlichsten, wenn die Dimensionen in Bonusszenen ihre Wirkung in vollster Pracht auskosten; schade und selbstironisch zugleich. Aber da sind ja noch die unwiderstehlichen Nebenfiguren, die geradegebogenen Erdnussflips, die klein-gelben Latzhosenträger, die wahren Protagonisten: die Minions. Und genau hinter diesen verbirgt sich auch diesmal wieder das Erfolgsgeheimnis des Films. Denn auch diesmal tragen sie wieder die schmerzhaftesten Unglücke mit einer unvergleichlich-störrischen Gelassenheit und interpretieren mit ihren unverständlichen Lauten italienische Schmusesongs und amerikanische Evergreens mit unnachahmlich-grandiosen Performances.
Die Songelemente sind es übrigens auch, die mit ihrer kurz-episodischen Taktung die Handlung stetig pausieren lassen und so die Animationskomödie kindgerecht aufbereiten, während die inhaltliche Klassik der Musik auch Erwachsene überzeugt und weiter in den Bann zieht. Leider wird die Unterhaltung der Großen in der eigentlichen Handlung gelegentlich überstrapaziert, so dass bei den jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauern Fragezeichen im Kopf entstehen, wenn sich beispielsweise Gru aus im Plot selbst unausgesprochenen Gründen eine komplette Szene lang nicht traut, seine heimlich Angebetete anzurufen. Der FSK 0 tut dies keinenAbbruch, es sorgt lediglich für Klärungsgespräche zwischen Kindern und Erwachsenen während der Vorstellung. Da die Minions im Zwischenteil aber sowieso aus obskuren Gründen von der Bildfläche verschwinden und damit der Handlungsprozess einfällt – dem Kreativteam scheint zu den drei Kindern nicht mehr viel Neues eingefallen zu sein –, bleibt dafür zumindest ausreichend Gelegenheit. Ich, Einfach Unverbesserlich 2 bietet also seiner Fangemeinde um die Minions eine zweite, großartige Kult-Komödie, wenn diese sich stets eifrig abrackern und regelmäßig eins auf die Mütze bekommen.
Die Agentengeschichte an sich sorgt allerdings mit seinen 100 Minuten Laufzeit nur für einen netten Familienausflug. Für das Jahr 2014 scheint das Produzententeam von Universal Pictures die bessere Lösung vorzubereiten, denn dann werden die gelben Tollpatsche ihre ganz eigene Bühne erhalten in Despicable Me: Minions Spin-Off. Dann vermutlich höchst erfolgreich, ganz ohne dass eine Liebesgeschichte oder James Bond-übertrumpfendes Equipment aufgefahren werden müssen.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtLaura Bullwein: Mobbing im Netz – der anonyme ‚Kick‘
Cybermobbing. Eine Filmreihe (2012). Medienprojekt Wuppertal. 180 Min., freigegeben ab 12 Jahren. Kaufpreis 39 €, Ausleihe 10 €.
Cybermobbing ist im Leben junger Mädchen und Jungen oft keine Seltenheit mehr: Kinder und Jugendliche die mit dem Internet als fester Bestandteil ihres Lebens aufwachsen, erfahren immer häufiger Verunglimpfungen, Drohungen, Bloßstellungen und Demütigungen im Netz, als dies noch vor ein paar Jahren der Fall war. Die Formen von Cybermobbing sind dabei sehr unterschiedlich: Soziale Netzwerke wie Facebook, Videoplattformen wie Youtube oder Handys mit Anwendungen wie WhatsApp stellen neben ihren Vorzügen für junge Nutzerinnen und Nutzer auch die Gefahr dar, Cybermobbing ausgesetzt zu sein. Die Kränkungen können mittels verschiedenster Methoden stattfinden, was in der vorliegenden Dokumentarfilmreihe des Medienprojekts Wuppertal deutlich wird.Die Filmreihe wurde mit betroffenen Jugendlichen im Alter von zwölf bis 18 Jahren aus verschiedenen Schulen, hauptsächlich jedoch in Wuppertal, durchgeführt. In den elf Kurzfilmen, die im Schnitt zehn Minuten dauern, werden unterschiedliche Sichtweisen, Erfahrungen und Expertenmeinungen zum Thema Cybermobbing herausgestellt. Die ersten acht Kurzfilme beschreiben Situationen von Jugendlichen, die selbst Erfahrungen mit Cybermobbing – als Täter oder als Opfer – gemacht haben. Dabei werden ihre Erlebnisse von den betroffenen Jugendlichen selbst nachgestellt und anschließend anhand von Interviews von ihnen kommentiert.
Einzelne Kurzfilme bestehen ausschließlich aus Befragungen von Schülerinnen und Schülern zu Erfahrungen mit der Thematik. Mittels der Interviews werden die Gefühle und Motivationen von Betroffenen und Tätern greifbarer. Die unterschiedlichen Facetten von Cybermobbing lassen sich durch die jeweiligen Situationen deutlich erkennen, was dabei hilft, den Begriff ‚Cybermobbing‘ in seinen unterschiedlichen Ausprägungen zu fassen. Das Augenmerk für heikle Online-Aktivitäten wird auf diese Weise geschärft, da sich Cybermobbing auf unterschiedliche Arten abspielen kann. Da die betroffenen Jugendlichen selbst mitwirken, zeichnen sich die Filme durch eine hohe Authentizität aus, wobei jedoch die Tatsache, dass die erlebten Szenen nicht von ausgebildeten Schauspielerinnen und Schauspielern nachgestellt werden, leider stellenweise zu Unglaubwürdigkeit führt. Im neunten Kurzfilm beschreibt eine Streitschlichterin an einer Schule ihre Erfahrungen mit Cybermobbing aus der Sicht der Vermittlerin und liefert so eine weitere Perspektive auf Cybermobbing im Schulalltag. Den Abschluss der Dokumentarfilmreihe bilden die zwei letzten Kurzfilme, in denen Experteninterviews über Methoden, Anreize und Prävention bei Cybermobbing aufklären.
Die Dokumentarfilmreihe ist im Allgemeinen recht informativ und gibt einen guten Einblick in den Alltag von Schülern, der von Mobbing im Netz geprägt wird, beziehungsweise wurde. Die verschieden, kurzen Sequenzen verschaffen interessierten Rezipientinnen und Rezipienten einen informativen Überblick über die Problematiken und Ausführungen von Cybermobbing. Schade ist nur, dass in den einzelnen Filmen des Öfteren die gleichen Schülerinnen und Schüler mitspielen, obwohl inhaltlich ein anderer Bereich behandelt wird, in dem Cybermobbing zum Tragen kam. Die DVD eignet sich besonders für Pädagoginnen und Pädagogen und Medieninteressierte, ist aber auch für Eltern und Schülerinnen und Schüler von großem aufklärerischem Wert und aufgrund dessen für den Einsatz im Unterricht geeignet. Die lebensnahen Berichte von Tätern und Betroffenen und deren Reflexion über das Erlebte dienen zur Sensibilisierung von Schülerinnen und Schülern für das Thema. So kann Cybermobbing an Schulen präventiv entgegengewirkt werden. Das Medienprojekt Wuppertal konzipiert und realisiert seit 1992 Videoprojekte mit Jugendlichen. Dabei werden Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 28 Jahren bei ihren Videoproduktionen unterstützt oder nehmen an Produktionen des Medienprojekts Wuppertal teil. Die Filme werden in ihren unterschiedlichen Formen als Bildungsmittel bundesweit vertrieben. Sie dienen der aktiven Medienerziehung sowie dem Heranführen an die Alltagsbewältigung und an die damit einhergehenden Probleme junger Menschen in Deutschland.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Laura Bullwein
Beitrag als PDFEinzelansichtElisabeth Jäcklein-Kreis: Das Leben, die Welt, die Zukunft …
Mädchensachen. Nicht nur für Mädchen (2009). MedienKompetenz Forum Südwest. DVD kostenfrei, 1 € Rückporto.
„Gut siehst du aus“ sagt Chris. Elo grinst schief, zupft sich am Rock, zuckt die Schulter: „Mädchensachen halt.“ Normalerweise trägt Elo solche Sachen nicht; solche Mädchensachen. Sie trägt Jeans und Jogginghosen, kaut mit offenem Mund Kaugummi und gibt sich gerne laut und forsch, wenn sie mit ihrer Clique durch die Straßen zieht. Da fliegen Papierkügelchen und Beleidigungen durch die Luft, da wird getanzt und gerempelt und in der kleinen Tankstelle des Ortes stapeln die Mädchen Gummibärchen und Zigaretten, Schokoriegel, Zeitschriften und Schnaps auf die Theke, bis sie kaum darüber sehen können und drücken die Daumen, dass sie keinen Ausweis vorzeigen müssen. Die Schule finden sie öde, gerade gut genug für den täglichen Klatsch und Tratsch, das wahre Leben findet abends auf den Partys statt und später werden sie ‚hartzen‘: „Nichts tun und Geld kriegen“. Ist doch klar. Oder? Nachmittags sitzt Nissa dann doch nervös beim Vorstellungsgespräch, knetet sich die Finger und wünscht sich, sie hätte bessere Noten vorzuweisen. Zwei Straßen weiter knallt Blue ihrer Mutter die Türe vor der Nase zu, weil diese wieder einmal in eine neue Stadt umziehen will und Blue keine Chance hat, irgendwo anzukommen. Und Elo? Die pfeffert den Rock in die Ecke, steigt wieder in die gewohnte Jogginghose und vergießt bittere Tränen über Chris im Speziellen und die (Männer-)Welt im Allgemeinen. Erwachsen werden, einen Platz im Leben finden, Freundschaft und Liebe, Schule und Beruf, Heimat, Sprache, Familie und Identität, Konsum und Medien – das sind die Themen, die in Mädchensachen aufgegriffen werden; an einem ganz normalen Tag werden Elo, Nissa und Co. mit all diesen Themen konfrontiert – mehr oder weniger explizit, mehr oder weniger angenehm – und müssen ihren Weg finden, Entscheidungen treffen und mit den Konsequenzen leben.
Sieben Mädchen zeigt der etwa 21 Minuten lange Film Mädchensachen, der Hauptfilm der gleichnamigen ‚Lehr-/Lern-DVD‘, die alle die gleiche Klasse besuchen, einen gemeinsamen Tag verbringen und einer Clique angehören und die doch alle ganz alleine, jede auf ihre eigene Art, ihren Weg finden müssen. Das Besondere: Der Film entstand in einem Projekt mit einer achten Hauptschulklasse in Offenbach, in dem Schülerinnen und Schüler genau die Themen aufgearbeitet haben, die sie tatsächlich bewegen. Elo und Nissa heißen zwar in Wirklichkeit anders, die Fragen, die sie sich im Film und tatsächlich stellen, die Probleme an die sie stoßen, ihre Ziele und Hoffnungen aber sind dieselben. Und das macht den kurzen Film sehr dicht und sehr authentisch, weil die sieben Laiendarstellerinnen nicht nur ihre Rollen, sondern eben auch sich selbst spielen. Und weil so wertvolle Filme wie dieser nicht in den Schubladen der Projektbüros herumliegen und verstauben dürfen, nahm sich die Stiftung MedienKompetenz Forum Südwest (MKFS) das kleine Werk vor, bastelte ein didaktisches Paket außen herum und brannte alles zusammen auf ein paar DVDs, die jetzt darauf harren, in Schulen, Jugendzentren oder anderen Projekten angeschaut und diskutiert zu werden. Die DVD hat dabei tatsächlich mehr zu bieten, als ihr eher bescheidenes Äußeres vermuten lässt: Zusätzlich zum ohnehin guten Hauptfilm knüpft sich das ‚Unterrichtsmedium‘ insgesamt sechzehn verschiedene Themen vor, die im Film angeschnitten werden: Individuum, Ausbildung, Schule, Geschlecht, Engagement, Sinn des Lebens, Erwachsen werden, Medien, Konsum, Film, Heimat, Sprache, Familie, Peergroup, Jugendschutz, Mobbing im Unterricht.
Zu jedem dieser Themen gibt es kurze Infoblöcke, genannt „Erläuterungsbeitrag“ also Audiobeiträge, die den Begriff einordnen und definieren, Gedankenanstöße oder Hintergrundinformationen liefern, Perspektiven auf das Thema offerieren oder Fakten dazu vorstellen. In einer „Referenz zum Film“ wird jeweils die Szene herausgegriffen, die sich mehr oder weniger explizit auf das Thema bezieht und kurz erläutert, im Kontext einsortiert und zur Diskussion gestellt. Zusätzlich bietet die DVD „Filmbeiträge“, „Interviewbeiträge“ und „Audiobeiträge“ an, die verschiedene Zugänge und Perspektiven anbieten, Gedankenanstöße und Fragen aufwerfen, um sich mit einem Thema zu beschäftigen. Da gibt es Interviews mit Jugendlichen und Erwachsenen, Filmbeiträge die das Thema aus einer anderen Sichtweise oder auf ganz andere Art, etwa als Musikclip, Sketch, Stoptrickfilm oder Mini-Drama darstellen oder einfach Sinnieren über das Leben und die Welt. Während der Hauptfilm eine reine Projekt- und Laien-Produktion ist, vermischen sich hier Schüler-, Studenten und Profibeiträge. So entsteht ein Kaleidoskop an Denkanstößen zu den verschiedenen Fragestellungen, die trotz oder gerade wegen ihrer scheinbaren ‚Unperfektheit‘ eine entlarvende Nähe zum Leben haben und einen ehrlichen, klaren Ton anschlagen. Die Beiträge stehen dabei mehr oder weniger unverbunden nebeneinander, werden als Gedanken, Meinungen, Ideen stehen gelassen und bieten ihrem Publikum so die Chance, aufzuhorchen, einzusteigen und mit- und weiterzudenken. An keiner Stelle bricht ein gigantischer, pädagogischer Zeigefinger durch die Kulisse, um mit Drohgebärde die Denk-Richtung zu weisen. Stattdessen bekommt jeder Beitrag seinen Platz, steht unkommentiert, weder kritisiert noch als absolute Wahrheit deklariert für sich und lässt viel Raum für eigenes Nachhorchen und Los-Denken.
Um diese authentische und ungekünstelte Herangehensweise zu komplettieren, schlagen die Herausgeber der DVD auch in ihren didaktischen Vorschlägen eine eher minimalistische Richtung ein: Statt ausführlicher Anleitungen, Arbeitsblätter und Stundenvorschläge packen sie in die DVD-Hülle nur ein zwölfseitiges Heftchen, das ein paar Worte zur Entstehung des Filmes, ein Impressum und ein ausführliches Inhaltsverzeichnis der DVD enthält. Außerdem: Zehn Zeilen zur „Aufgabe des Lehrers im Lehr-Lern-Prozess“, in denen sinngemäß steht: „DVD anmachen (kann auch durch Schüler erfolgen), Diskussion zulassen“. Gewiss erfordert das ein gerüttelt‘ Maß an Souveränität in den Klassenzimmern und ein pädagogisches Selbstbild als Begleiter und Coach statt als Chef und Bestimmer – wer sich das aber traut, dem sei prophezeit, dass hitzige Diskussionen, revolutionäre Gedanken, erhellende Erkenntnisse und ganz neue Perspektiven in die Klassenräume Einzug halten könnten. Und das nicht nur für Mädchen.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansichtSwenja Wütscher: Familie, Freundschaft, Facettenglanz
Marjaleena Lembcke (2011). Die Füchse von Andorra. Berlin: DAV. Audio-CD. 9,99 €.
„Schönheit hat ja viele Facetten. Wenn ich euch so ansehe, würde ich sagen mindestens vier.“ „Was sind Facetten?“ „Also stell dir einen Diamant vor, der hat doch viele verschiedene Flächen. Und je nachdem wie das Licht auf diese Flächen fällt, sehen sie sehr verschieden aus.“ „Ich glaube das ist ein bisschen kompliziert.“ „Nein. Wir sind aus ein und demselben Stein, aber für Papa glänzen wir ganz verschieden, weil ja das Licht immer wechselt.“ Wir, das sind Jonathan der Kluge, Felix der Nimmersatt, Frederike die Kleine und Sophie die Vernünftige. Gut, Sophie hat eine Doppelrolle, sie ist nämlich auch noch die Älteste der Vierlinge. Um die wilde Großfamilie aber komplett vorzustellen ist da noch Mama Marlene die Vertraute, die den Nachbarskindern Nachhilfe gibt und Papa Jochen der Geschichtenerzähler, der als Taxifahrer seinen Herzen zwar keine regelmäßigen Europaurlaube finanzieren kann, sich aber besonders liebevoll um diese kümmert. Und so nimmt er seine Kinder jeden Abend mit auf Traumreisen.
Er ist einer dieser Väter, der nicht nur über seine eigenen verrückten Träume lachen kann, sondern insgeheim auch ein kleines bisschen daran glaubt, dass diese irgendwann Realität werden. Trotz dieser herzlich-humorvollen Geborgenheit, die sie umgibt, fühlt Sophie sich allerdings einsam. Sehr sogar. Die Zehnjährige träumt daher innig von einer Freundschaft mit ihrer mutigen Klassenkameradin Alice, deren Leben so vollkommen anders als ihres zu sein scheint.Wir schauten dem Vogelpärchen zu, das so fleißig hin und her flog, um seine Jungen zu füttern. Sie wussten genau, was sie zu tun hatten. Und ich, ich hatte Alice immer noch nicht angesprochen. Ich konnte wohl kaum einfach sagen: „Darf ich deine Freundin sein?“. Hmm … Sachen die man am liebsten sagen möchte, sagt man oft nicht. Und Fragen, die man stellen möchte, stellt man nicht. Nach einem Familienurlaub trifft Sophie plötzlich auch noch völlig unvorbereitet mit voller Breitseite das Leben, ihre vertraute Umgebung zerplatzt wie eine Seifenblase: Ihre Mutter scheint auf einmal dauerhaft traurig zu sein, irgendwie abwesend, und schaut durch Personen nur noch hindurch.Ja, sie will sogar nicht mehr ans Telefon gehen, versetzt ihre Nachhilfekinder und kümmert sich nicht einmal mehr ums Abendbrot für die Familie.
Stattdessen liegt sie fast ausschließlich im Bett und wenn sie doch mal aufsteht, dann sitzt sie im Bademantel am Küchentisch, wie ein Gespenst. Sie ging einfach ins Schlafzimmer und machte die Türe zu. Ich wartete, ob sie wieder rauskam, um sich die Zähne zu putzen. Aber sie kam nicht. Ich ging zu den Jungen und setzte mich bei Felix aufs Bett. „Mama ist traurig.“ „Warum denn?“ „Was hat sie denn gesagt?“ „Nichts. Sie ist müde, hat sie gesagt und sie hat nicht mal Zähne geputzt.“So gerne würde Sophie all das Alice erzählen, aber die scheint sie einfach nicht zu beachten. Und so bleibt Sophie ganz allein in ihrer Welt, traut sich einfach nicht über ihre Probleme zu erzählen und geht Alice aus dem Weg. Die sich anbahnende Freundschaft droht an Missverständnissen zu zerbrechen.Von starken Familienbanden über innige Freundschaft und ein ernstes Tabuthema erzählt das Hörspiel Die Füchse von Andorra von zwei Kindern, die erst über Umwege zueinander finden. Mit viel Bedacht im Blick auf die Zielgruppe der ab Achtjährigen befasst sich die berührende Geschichte von Marjaleena Lembcke mit der Krankheit Depression und den Umgang damit. Untermalt wird diese Düsternis von wenig Spannung, von wenig Action. Vielmehr wird das schwierig-unübliche Thema behutsam aufbereitet, mit einer durchgängigen Ernsthaftigkeit, ohne Zeigefinger. Realistisch eben. „Sie hat gar nicht geweint.“ „Vielleicht sind ihre Tränen schon alle?“ „Das glaube ich nicht. Sie wollte nur nicht, dass wir sie sehen.“ Wie ein roter Faden zieht sich eine Botschaft durch das Hörspiel: dass es kein Anzeichen von Schwäche ist, nach Hilfe zu suchen, wenn man sich selbst nicht mehr helfen kann.
Undidaktisch aber glaubwürdig schenken die liebenswerten Charaktere – wie auch schon im gleichnamigen Roman – den Zuhörerinnen und Zuhörern Mut, dass Probleme gemeinsam gemeistert werden können. Die Erzählperspektive ermöglicht es, Sophies kindliche Gedanken wahrzunehmen – auch dank der grandiosen Sprecherin Alexandra Henkel, die die unterschiedlichen Gemütszustände ihrer Figur mit Fingerspitzengefühl und Natürlichkeit greifbar umsetzt. Auf gleicher Augenhöhe reihen sich auch das unbekümmerte Geschwisterteam, der lebensfrohe und fantasievolle, späterbesorgte Familienvater und Ehemann sowie die schwermütig verzweifelte Mutter mit Stimmungsschwankungen und steigender Lustlosigkeit ein. Die Kinderstimmen überzeugen dabei ebenso wie die gestandenen Erwachsenen. Auch dramatisiert die Hintergrundmusik nicht mit großartigen Effekten Hoffnung oder Hilflosigkeit, sondern sorgt für eine warmherzige, gefühlsbetont-ruhige Atmosphäre, indem sie sich mit unspektakulär-sanften und dezent-melancholischen Melodien in die Geschichte einpflegt.
Mehr als zu Recht ist die Hörspielproduktion des WDR und SWR dafür mit dem Deutschen Hörbuchpreis 2012 als bestes Kinderbuch ausgezeichnet worden; und mit dem Auditorix Hörbuch-Siegel 2012/2013. Die Füchse von Andorra werden im 54-Minuten-Hörspiel so magisch-sensibel inszeniert, dass sie ihr Publikum – gleich welcher Altersklasse – zu Tränen rühren und gleichzeitig ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Es ist eben nicht nur die Welt der kleinen Sophie, die da erzählt wird, sondern der Alltag, der hin und wieder an jeder Haustüre anklopft. Der Alltag, in dem Glück manchmal bedeutet, nicht unglücklich zu sein.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Swenja Wütscher
Beitrag als PDFEinzelansichtGünther Anfang: Olympiade der Kunst
Als eine der ältesten Kunstausstellungen der Welt – erstmals fand sie 1895 statt – steht die Biennale dieses Jahr erneut einem kunstbeflissenen Publikum von Anfang Juni bis 24. November in Venedig offen. Unter dem Motto „Palazzo Enciclopedico“ und unter der künstlerischen Leitung von Massimiliano Gioni versammelt diese 55. Biennale 155 Künstler und Künstlerinnen aus 88 Nationen. Zehn Länder sind dabei zum ersten Mal dabei, unter anderem Kuwait, Paraguay, Bahamas, der Vatikan und Angola. Angola hat auch gleich den Preis für den besten Pavillon abgestaubt, der vor zwei Jahren an Deutschland für seine Schlingensief-Installation ging. Somit ist diese Olympiade der Kunst nicht nur eine Schau der neuesten und interessantesten Kunstentwicklungen, sondern immer auch eine Leistungsschau der Kunst in den verschiedenen Ländern. Damit diese Leistungsschau aber auch etwas zurückgenommen wird, wurde mit dem Motto bewusst auf eine enzyklopädische Gesamtkunst abgezielt, die nicht die Einzelwerke in den Vordergrund stellt, sondern die Vielfalt und Vollständigkeit künstlerischen Schaffens. Dass dieses Ansinnen in einer Zeit des vergoogelten Weltwissens nur bruchstückhaft gelingt, war den Ausstellungsmachern durchaus bewusst. Doch gerade deshalb haben sie dieses Motto gewählt. Als Ausstellungsbesucherin oder -besucher muss man somit viel Zeit mitbringen. Denn um alle Kunstwerke in den Giardini und im Arsenale sowie in ganz Venedig einigermaßen erfassen zu können, braucht man Zeit.
Gerade die Videoinstallationen dauern häufig 30 und mehr Minuten, sind zum Teil auf mehrere Leinwände verteilt und wirken erst in der Gesamtschau wie zum Beispiel eine Installation im türkischen Pavillon zum Thema Körperinszenierung. Aber auch Gerüche müssen von den Besucherinnen und Besuchern in ihrer Vielschichtigkeit erfasst und eingefangen werden wie im lateinamerikanischen Pavillon, in dem Hunderte von Gewürzmischungen aufgetürmt und wie im Basar in ihrer bunten Farbenpracht präsentiert werden. Da träumt man sich schnell in eine orientalische Welt und will erst einmal ein bisschen dort verweilen. Doch weiter geht es, durchs Arsenale Gelände, vorbei an vielen interessanten Installationen bis zum Italienischen Pavillon, der dieses Jahr jedoch wenig überzeugt. Somit bleiben als weitere Station die Giardini im Stadtteil Castello, wo sich 28 Länder in ihren nationalen Pavillons präsentieren. Hier haben schon in den Anfängen der Biennale die verschiedenen Länder zum Teil imposante Kunstpavillons gebaut. Der Hässlichste ist übrigens der Deutsche, der ursprünglich 1909 erbaut, jedoch 1938 von den Nazis verunstaltet wurde. Dieses Jahr haben die Franzosen und die Deutschen jedoch ihren Pavillon getauscht, somit fand die Ausstellung der deutschen Kunst im französischen Pavillon und die der Franzosen im Deutschen Pavillon statt.
Um die Besucherinnen und Besucher noch mehr zu verwirren, sind außerdem im Deutschen Pavillon keine ursprünglich deutschen Künstlerinnen und Künstler zu sehen, sondern auf Einladung von Susanne Gaensheimer Arbeiten von Ai Weiwei, Romuald Karmakar, Santu Mofokeng und Dayanita Singh. Doch was soll´s, Hauptsache dem Publikum gefällt es. Und Ai Weiwei konnte mit einer Installation von dreibeinigen Stühlen durchaus Eindruck erzeugen, auch wenn sie stark an seine Installation auf der documenta vor fünf Jahren erinnerte. Was bleibt, ist auf alle Fälle ein vielschichtiger Eindruck von dieser 55. Biennale und die Gewissheit, dass die künstlerischen Ausdrucksformen unermesslich sind. Und in einem Ambiente wie Venedig einfach großartig zur Wirkung kommen.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Günther Anfang
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publikationen
Kammerl, Rudolf u.a. (Hrsg.) (2012). EXIF – Exzessive Internetnutzung in Familien. Zusammenhänge zwischen der exzessiven Computer- und Internetnutzung Jugendlicher und dem (medien)erzieherischen Handeln in den Familien. Lengerich: Pabst. 192 S., 20 €.
Die exzessive Jugend und das Internet
Intensive Nutzung von Medien, insbesondere Computer und Internet, sind heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr. Aber ab wann wird die Nutzung exzessiv? Dieser Diskurs ist vor allem im Hinblick auf Jugendliche relevant, da ihnen häufig nachgesagt wird, sie seien computersüchtig. Doch wie steht es eigentlich um die Medienerziehung innerhalb von Familien? Wie viele Jugendliche sind wirklich computer- und internetsüchtig und welche Faktoren müssen hier berücksichtigt werden? Wie gehen die Eltern mit diesem Thema um? Besteht ein Zusammenhang zwischen der exzessiven Nutzung der Jugendlichen und dem (medien-)erzieherischen Handeln? Allen diesen Fragen widmet sich die Studie EXIF – Exzessive Internetnutzung in Familien, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und von dem Forschungsteam um Rudolf Kammerl bearbeitet wurde. Zuerst arbeiten Kay Uwe Petersen und Lutz Wartberg den aktuellen Stand der Forschung bezüglich exzessiver, suchtartiger Computer- und Internetnutzung umfassend auf. Dabei zeigen sie nicht nur Nutzungsgewohnheiten und negative Konsequenzen auf, sondern beschreiben auch positive Auswirkungen, die eine intensivere Nutzung haben kann. Die theoretischen Grundlagen der Studie werden innerhalb von zwei Kapiteln erläutert. Das erste der beiden behandelt medienerzieherisches Handeln innerhalb von Familien mit Jugendlichen.
Es geht um die Veränderungsprozesse, die im Jugendalter ablaufen und auf mehr Autonomie hinauslaufen. Veränderungen können auch als Bewältigungsprozess für Eltern und Kinder fungieren. Aushandlungsprozesse stehen auf der Tagesordnung, weil beispielsweise adoleszente Kinder versuchen ihre Grenzen auszuloten. Dies alles ist normal und gleichzeitig eine Herausforderung für Eltern und Kinder, die es zu bewältigen gilt. Gleichzeitig ist das medienerzieherische Handeln in der Familie unterschiedlich stark ausgeprägt, da sich nicht alle Eltern ihrer Verantwortung hinsichtlich dieses Themas bewusst sind. Der zweite theoretische Teil der Studie dreht sich um exzessive Computer- und Internetnutzung als Suchtthematik. Hier wird unter anderem gezeigt, wie sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verändert haben und welche Rolle sie bei dieser Thematik spielen. Außerdem wird eine wissenschaftliche und subjektive Perspektive auf die exzessive Nutzung modellhaft aufgeworfen. Methodisch wurde sowohl qualitativ als auch quantitativ geforscht.
Die Auswertung erfolgte mit der Methode der Triangulation. Die Ergebnisse waren unter anderem die Grundlage für die Konzeption der quantitativen Repräsentativbefragung. Die qualitative Erhebung bestand zum einen aus Experteninterviews und zum anderen aus Gruppendiskussionen, die von Jugendlichen und Eltern getrennt abgehalten wurden. Quantitativ wurde eine repräsentative Befragung mit 1.744 Haushalten durchgeführt. Dabei wurden Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren und jeweils ein Elternteil durch computergestützte face-to-face Interviews befragt. Um pathologische Internetnutzung zu messen, wurde die Compulsive Internet Use Scale (CIUS) verwendet. Die Ergebnisse der Gruppendiskussion zeigen, dass Eltern bei ihren eigenen Kindern keine exzessive Nutzung sehen, allerdings allgemein eher überfordert sind mit dieser Thematik und Medien gegenüber eher ablehnend eingestellt sind. Medienerziehung in den Familien sollte einen höheren Stellenwert erhalten. Dies gelingt nur, wenn Eltern medienkompetenter werden und sich mehr in ihrer medienbezogenen Vorbildrolle sehen. Bezüglich der exzessiven Nutzung sehen Expertinnen und Experten unvollständige Familien und defizitäre soziale Integration von Jugendlichen als ersten Hinweis. Unausgewogene beziehungsrelevante Dimensionen wie Autonomie und Kontrolle können ebenfalls mit exzessiver Nutzung in Verbindung gebracht werden. Auch die fehlende Medienkompetenz der Eltern wird als problematisch für die Mediennutzung der eigenen Kinder eingestuft. Die quantitative Erhebung zeigt unter anderem, dass Jugendliche, die die CIUS als pathologische Internetnutzende klassifiziert, auch von ihren Eltern als exzessiv Nutzende betrachtet werden. Hinzu kommt, dass die Betreffenden vielfältig belastet sind (z. B. Schule). Abgerundet wird die Studie von deren Limitationen, der Diskussion der Ergebnisse und dem Ausblick.
Die EXIF-Studie schafft es, die thematischen Bereiche von exzessiver Computer- und Internetnutzung mit dem (medien-)erzieherischen Handeln innerhalb von Familien passend zu verknüpfen. Durch die theoretischen Ausführungen wird eine Wissensgrundlage geschaffen, die das weitere Vorgehen inhaltlich nachvollziehbar macht. Die differenzierte empirische Vorgehensweise ermöglicht es, die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln unterschiedlich ausführlich zu betrachten. Besonders sinnvoll ist es die quantitative Befragung auf den qualitativen Resultaten aufzubauen, da die qualitative Erhebung sowohl die Perspektive der Jugendlichen und Eltern wie auch die von Expertinnen und Experten miteinbezieht. Die Ergebnisse zeigen nicht nur eine Bestandsaufnahme in den Familien, sondern lassen auch Rückschlüsse auf notwendigeBeratungsangebote zu. Grundsätzlich ist diese Studie nicht nur für Medienpädagoginnen und Medienpädagogen interessant, die sich speziell mit Medienerziehung und Computersucht befassen, sondern auch für medienpädagogische Fachkräfte im Allgemeinen, da sie dadurch das thematische Problembewusstsein von Familien verbessern können.
Gräßer, Lars/Hagedorn, Friedrich (Hrsg.) (2012). Soziale und politische Teilhabe im Netz? E-Partizipation als Herausforderung. kopaed Verlag. 150 S., 14,80 €.
E-Partizipation – Herausforderungen für die Medienpädagogik
Aktuelle Protestbewegungen wie der Arabische Frühling, Stuttgart 21 oder die Occupy-Bewegung haben eines gemeinsam. Das Internet spielt als Kommunikationsmedium eine besondere Rolle. Die schnelle Verbreitung von Inhalten sowie die Vernetzung untereinander werden durch die Kommunikationsmöglichkeiten des Netzes einfacher und effizienter. E-Partzipation, verstanden als Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen, kann viele Formen annehmen und stößt in vielfältigen Kontexten auf positive Resonanz. E-Partizipation kann sowohl das Unterzeichnen von Online-Petitionen, die Organisation von Protesten, aber auch Information bei Volksvertreterinnen und Volksvertretern sein. Die Wahlerfolge der Piratenpartei, die sich die Forderung nach mehr Mitbestimmung und Transparenz und einen anderen Umgang mit dem Internet auf die Fahnen geschrieben hat, zeigen, wie das Thema E-Partizipation an Bedeutung gewonnen hat.
Auch konservativere Parteien und Interessensvertretungen springen zunehmend auf den Zug auf und bieten Möglichkeiten, politische Prozesse aktiv mitzugestalten. Neben diesen Angeboten seitens Parteien und Regierung, auch „Top-Down“-Angebote genannt, werden zunehmend Initiativen von Bürgerinnen und Bürgern gebildet. Diese „Bottom-Up“-Angebote bieten die Möglichkeit, unkompliziert mit Behörden und Regierungseinrichtungen in Kontakt zu treten, um Fragen zu stellen und Anregungen loszuwerden. Auch das Bereitstellen von zielgruppenspezifisch aufbereiteten Informationen zu politischen und gesellschaftlichen Prozessen gehört dazu. Doch wen sprechen diese Angebote an? Wer nutzt das Internet zur politischen Teilhabe? Welche Rolle spielen soziokultureller Hintergrund, Bildung und nicht zuletzt Medienkompetenz? Müssen wir unser Verständnis von Medienkompetenz erweitern? Und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Demokratiekompetenz?Der 13. Band der „Schriftenreihe Medienkompetenz des Landes NRW“ bietet einen guten Einstieg in das Thema E-Partizipation.
Die Autorinnen und Autoren diskutieren aus verschiedenen Perspektiven Chancen und Risiken der sozialen und politischen Teilhabe im Netz. Es wird sowohl die Perspektive der Nutzenden als auch der Anbieter betrachtet. Wer nutzt diese Angebote mit welcher Motivation? Gerhard Vowe widmet sich in seinem Beitrag besonders der Bildung von Beteiligungstypen in unserer mediatisierten Welt. Der „Digital Citizen“, der Typ, der den Wandlungsprozess in besonderem Maße mitgestaltet, ist dabei von besonderem Interesse für ihn. Aber auch die gesellschaftliche Seite bleibt nicht außer Acht. Was macht diese Entwicklung mit unserer Gesellschaft? Jeffrey Wimmer betrachtet E-Partizipation als umfassenden Wandlungsprozess im Kontext der Mediatisierung von Demokratie und Gesellschaft. Anke Knopp stellt die bürgerschaftliche Initiative „Demokratie wagen“ als Praxisbeispiel vor. Anhand des online-basierten Verfahrens zum Bürgerhaushalt in Gütersloh diskutiert sie Chancen, Schwächen und Herausforderungen aus der Praxisperspektive. Speziell auf Jugendliche als Mediennutzerinnen und -nutzer und deren Beteiligungsformen geht Ulrike Wagner ein. In ihrem Beitrag wird deutlich, welch große Bedeutung der soziokulturelle Hintergrund hat und welche Konsequenzen dies für die Bildungsarbeit und insbesondere für die Medienpädagogik hat. Weitere Beiträge behandeln den Einfluss dieser Entwicklung auf die politische Bildung und die aktive Partizipation.
Die Bedeutung dieses gesellschaftlichen Wandels spiegelt sich auch in der Auswahl der Preisträger des Grimme Online Awards wider. Friedrich Hagedorn stellt anhand verschiedener Webangebote, die mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurden, heraus, dass Beteiligungsmöglichkeiten zunehmend als Merkmal für Qualität gelten.Die Schriftenreihe bietet einen guten Einblick in das Thema und ermöglicht gleichzeitig, sich gezielt zu spezifischen Forschungsansätzen und Praxisbeispielen zu informieren. Den Herausgebern gelang es, mit Expertenbeiträgen aus Forschung und Praxis und unter Einnahme verschiedener Perspektiven das Thema „E-Partizipation“ umfassend und ausgewogen zu behandeln.
Neuß, Norbert (2012). Kinder & Medien. Was Erwachsene wissen sollten. Seelze-Velber: Klett | Kallmeyer. 167 S. 24,95 €.
Einmal hin, alles drin – ‚Erwachsenenratgeber‘ mit großen Ambitionen
Elternhilfe und Fachinformation, Anleitung und Hintergrundwissen, Bilder- und Sachbuch, Familie, Kindergarten und Schule – die Publikation Kinder & Medien, die Klett | Kallmeyer als neuesten Streich der Reihe Kinder & ... herausgibt, gebart sich als wahre eierlegende Wollmilchsau: Alle Themen, alle Zugänge, alle Zielgruppen. Quadratisch, praktisch, gut kommt das Buch daher, in ansprechender Aufmachung und mit prägnantem Titel: Hier wird nicht lange um den heißen Brei formuliert. Wer was wissen will über Kinder oder Medien oder am besten die Kombination aus beidem, ist goldrichtig und findet alle Antworten zwischen diesen zwei Buchdeckeln, so die Anmutung des 167 Seiten-Werks. Doch kann ein so überschaubares Werk einem so umfassenden Anspruch genügen? Das Inhaltsverzeichnis setzt fort, was der Titel nahelegt: Es deckt (fast) alle Fragen ab, die einem rund um Kinder und Medien in den Sinn kommen können. Von „Mediatisierte Kinderwelten“ als allgemeinem Einstiegskapitel, über auf Medienangebote abzielende Abschnitte zu Fernsehen, Internet, Handys und sozialen Netzwerken, hin zu Medien‘problemen‘ wie Werbung, Konsum, Körperinszenierungen – und schließlich mit einem eleganten Schlenker zu „Medienumgang in Familien“, „Medienpädagogik im Kindergarten“ und „Medienpädagogik in der Grundschule“.
Da kommt man schon beim Blick auf den Inhalt leicht ins Schwitzen und muss sich fragen – wenn das Kind die halbe Nacht lang begeistert auf dem Sofa hüpft und Werbejingles grölt – gehört das dann zu Fernsehen, zu Werbung oder zu Medien in Familien? Aus lauter Überforderung fängt man dann also doch vorne an zu lesen und blättert sich rein in ‚Mediatisierte Kinderwelten‘. Da lernt man Anna kennen, die sich einen „Nentendo“ wünscht und damit ihre Eltern in Verzweiflung stürzt, darf Louis‘ selbst gebasteltes ‚Medienensemble‘ bewundern und sich in einführende – durchaus wissenschaftliche – Definitionen von ‚Medien‘ vertiefen. Ein bunter Mix an Angeboten also, die da gemacht werden – und der zieht sich durch das Buch. Es gibt wortreiche Fachinformationen mit Verweis auf die empirischen Quellen und bunt gestaltete Kinder-Interviews, Fotostrecken über halbe Seiten und Praxiskästen mit Tipps und Tricks, Auslegungen von Kinderzeichnungen, Beispielgeschichten und Hintergrundinformationen über Nutzungsweisen, -gründe und -effekte. Es gibt Seiten mit reinen Textinhalten und Seiten, die nur aus Bebilderung bestehen, Seiten, die man an Familienkühlschränke kleben könnte und solche, die im Lehramts-Seminar verteilt werden sollten.Dennoch: Die Praxis steht in allen Bereichen klar im Zentrum.
Selbst die theoretischen Hintergründe werden klar und verständlich dargestellt, Kinderinterviews oder Beispiele zielen stets auf Anwendbarkeit in der Erziehungspraxis ab, den kurzen Kapiteln, die mit zehn bis 20 Seiten übersichtlich und auf den Punkt gebracht sind, fehlt es nie an einer Quintessenz zum ‚Übernehmen‘, als Fazit in Praxiskästen oder sogar als kurze Anleitung präsentiert. Auch die Optik ist durch viele Elemente, Illustrationen und Beispielbilder ansprechend und einladend, die einzelnen Themen des Buches werden alltagsnah und anschaulich, aber nicht oberflächlich vermittelt. So begibt sich das Buch auf eine Gratwanderung und versucht, genau da entlang zu balancieren, wo sonst viele Schräglage bekommen: Zwischen Anspruch an Korrektheit und Verständlichkeit, zwischen Vollständigkeit und Übersichtlichkeit, zwischen einfacher Anwendbarkeit und Blick auf die Komplexität der Themen – und man muss sagen, Norbert Neuß hangelt sich auf diesem Grat sehr elegant entlang. Er packt zahlreiche Medienthemen in 14 Kapiteln auf weniger als 200 Seiten, geht aber trotzdem fundiert mit der nötigen Breite und Tiefe an die Fragestellungen heran, ohne sie schnell ‚abzufrühstücken‘. Er macht konkrete und alltagstaugliche Angebote für Familien und Erziehende, die aber keine ‚einfachen Lösungen‘ sind, sondern der Komplexität des Themas gerecht werden, ohne auf eine lebensfremde Ebene abzurutschen. Und er gibt Kriterien, Anhaltspunkte und Zielvorstellungen an seine Leserinnen und Leser weiter, ohne sie zu bevormunden und scheinbar Meinungen aufzuoktroyieren. Das alles macht das Unternehmen natürlich ehrgeizig und auch für die Leserinnen und Leser zu einer anspruchsvollen Lektüre.
Um die Theorieblöcke nämlich wirklich zu durchdenken und eigene Lösungen zu finden, sind sie gefragt, sich selbst aktiv mit ihren Medien-Problemen auseinanderzusetzen und ihre eigenen Fragen oder Schwierigkeiten auch kritisch zu beleuchten. Eltern, die nur schnelle Lösungen suchen, werden hier nicht aus der Pflicht entlassen. Und natürlich wirft die breite inhaltliche Aufstellung dann doch die eine oder andere Frage auf. Etwa die, wie groß der Mehrwert für Lehrkräfte ist, wo doch nur eines von 14 Kapiteln auf ihre Bedarfe zugeschnitten ist. Dennoch ist Kinder & Medien alles in allem ein rundes, fundiertes und dennoch praxistaugliches Buch, das gerade Eltern wärmstens zu empfehlen ist. Quadratisch, praktisch, gut eben.
Arnold, Patricia/Kilian, Lars/Thillosen, Anne/Zimmer, Gerhard (2011). Handbuch E-Learning. Lehren und Lernen mit digitalen Medien, 2. Aufl. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. 469 S., 49 €.
E-Learning Angebote können bei Lernprozessen eine Hilfestellung darstellen und Lernende bei ihrer Wissensaneignung unterstützen. Aber wie werden E-Learning Angebote geplant, wie werden sie produziert, wie durchgeführt und wie sieht eigentlich eine Qualitätssicherung aus? Diese und weitere Fragen werden im Handbuch E-Learning behandelt. Es ist in zwölf Teile gegliedert und richtet sich an jene, die sich mit der Planung, der didaktischen Konzeption und der Medienproduktion von Bildungsangeboten beschäftigen. Zu Beginn werden Ziele sowie Struktur des Handbuchs erklärt. Anschließend wird die Bildung mit E-Learning behandelt, wobei in diesem Teil unter anderem die Begriffserklärung, die stattfindet, positiv ist. So werden Begriffe wie E-Learning, Blended Learning und einige weitere erläutert. Um das E-Learning Angebot lernförderlich gestalten zu können, ist eine didaktische Gestaltung relevant. Dies betonen die Autorinnen und Autoren in einem weiteren Kapitel, indem didaktische Konzeptionen und deren Umsetzung im Vordergrund stehen.
Andere Kapitel beschäftigen sich unter anderem mit den Unterschieden von realen und virtuellen Bildungsräumen, mit unterschiedlichen Möglichkeiten, E-Learning Inhalte aufzubereiten und mit der Überprüfung des Lernerfolgs, sodass nicht nur Lehrende sondern auch Lernende wissen, welche Kompetenzen durch das Angebot erworben werden. Zudem gehen die Autorinnen und Autoren auf Rechte ein, die bei der Umsetzung eines E-Learning Angebots zu beachten sind, wie das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und das Telemediengesetz (TMG). Sie behandeln des Weiteren die Wichtigkeit von Standardisierung und Nachhaltigkeit. Im Hinblick auf Nachhaltigkeit befassen sie sich mit Fragen wie wie Teilnehmende gewonnen werden können und welche Kosten mit einem E-Learning Angebot verbunden sind.
Die Grobgliederung des Handbuchs in zwölf Teile ist sehr gut gelungen, denn es ermöglicht den Lesenden, die für sie interessanten und relevanten Kapitel zu lesen. Positiv zu bewerten ist auch, dass im Buch am Ende ein Glossar zu Begriffen und Abkürzungen sowie anschließend Informationen zu den Autorinnen und Autoren bereitgestellt werden.
Damm, Steffen/Jendis, Sirkka/Müller- Wirth, Moritz/Siebenhaar, Klaus (2012). Das kuratierte Ich. Jugendkulturen als Medienkulturen im 21. Jahrhundert. Schriftreihe Mobiles Breitband & Digitale Öffentlichkeiten, Bd. 4. Berlin: Siebenhaar Verlag.
Jugendkulturen verändern und entwickeln sich immer weiter über die Zeit. Durch die zentrale Stellung der Medien im Leben von Jugendlichen kann man die Überlegung anstellen, Jugendkulturen auf die Medien zu übertragen und in diesem Kontext möglicherweise von Medienkulturen zu sprechen. Hier knüpfen Steffen Damm, Sirkka Jendis, Moritz Müller-Wirth und Klaus Siebenhaar mit ihrem Buch Das kuratierte Ich – Jugendkulturen als Medienkulturen im 21. Jahrhundert an. Dieses gliedert sich in vier Teile. Zu Beginn geht es um eine Bestandsaufnahme. Wie sieht es in der Medienforschung heute aus? Wie sehen die kulturellen Dimensionen von medialen Transformationsprozessen aus? An dieser Stelle wird kurz auf den Begriff des „kuratierten Ich“ eingegangen: Es handelt sich um die Selbstdarstellung in den Medien, die in einem Zeitverlauf verfolgt werden kann.
Daran anschließend wagen die Autorin und die Autoren einen Blick auf historisch-aktuelle Befunde. Hierfür wird das 20. Jahrhundert im Kontext von Jugendkulturen ins Auge gefasst. Mediennutzung und Social Media werden ebenso thematisiert und ausdifferenziert betrachtet. Der dritte Teil behandelt das „kuratierte Ich“ in sozialen Netzwerken und damit zusammenhängenden Entwicklungen. Dabei geht es unter anderem um das Zusammenspiel von Jugend, Medien und Kultur sowie um die Wege zum „kuratierten Ich“. Auf diese Weise führen Damm, Jendis, Müller-Wirth und Siebenhaar auf 13 Thesen bezüglich Jugendkulturen als Medienkulturen hin.
Im letzten Teil des Buches befindet sich die Dokumentation der Online-Umfrage zum Thema. Von Interesse ist diese Monografie für Medienpädagoginnen und -pädagogen sowie für Sozialpädagoginnen und -pädagogen, die sich speziell mit dem Bereich Jugend in Theorie und Praxis beschäftigen. cp
Heyer, Robert/Wachs, Sebastian/ Palentien, Christian (Hrsg.) (2013). Handbuch Jugend – Musik – Sozialisation. Wiesbaden: Springer VS. 483 S., 49,99 €.
Inwieweit besteht ein Zusammenhang zwischen Jugend, Musik und Sozialisation? Welchen Einfluss hat Musik auf die Lebenswelt von Jugendlichen? Welche Rolle spielt dabei Sozialisation? Mit diesen grundlegenden Fragen beschäftigt sich der Sammelband Handbuch Jugend – Musik – Sozialisation. Einleitend beschreiben die Herausgeber die Intention des Handbuchs und erklären, warum es relevant ist, die Kombination dieser drei Dimensionen näher zu betrachten und aufzuarbeiten. Anschließend gibt Wilfried Ferchhoff einen historischen Überblick über die musikalischen Jugendkulturen der letzten 65 Jahre. Des Weiteren wird die Thematik theoretisch betrachtet.
Zunächst wird der musikpsychologische Zugang zu Jugend, Musik und Sozialisation erläutert. Darauf folgt die musikalische Sozialisation aus einer soziologischen Perspektive, welche von der musikdidaktischen Perspektive auf die drei Dimensionen abgerundet wird. Im letzten Teilbereich des Sammelwerks werden empirische Perspektiven differenziert aufgegriffen. Neben familialer musikalischer Sozialisation wird die Musikpräferenz in Verbindung mit dem Bildungshintergrund Jugendlicher gebracht sowie Jugendkulturen, Musik und Politik behandelt.
Abschließend tragen die Herausgeber die Erkenntnisse zusammen und werfen neue Fragen sowie Forschungsperspektiven auf. Dieser Sammelband richtet sich vor allem an Pädagoginnen und Pädagogen mit Schwerpunkt Jugend und Sozialisation, an interdisziplinäre Fachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie an Studierende einschlägiger Fachrichtungen.
Lünenborg, Margreth/Maier, Tanja (2013). Gender Media Studies. Eine Einführung. Konstanz und München: UVK Verlagsgesellschaft mbH. 224 S., 19,99 €.
Die Geschlechterforschung kann längst nicht mehr unabhängig von Medien und deren Inhalten betrachtet werden, sondern muss vielmehr als Bestandteil der Medien- und Kommunikationswissenschaft anerkannt werden. Diese Verbindung beider Disziplinen manifestiert sich in den ‚Gender Media Studies‘, in die der vorliegende Band eine Einführung liefert. Das Buch besteht aus drei Teilen, die inhaltlich und logisch aufeinander aufbauen. Im ersten Teil werden Theorien und Konzepte der Geschlechterforschung, der Gender Media Studies sowie der Öffentlichkeit und Privatheit in Bezug auf Feminismus und Kultur vorgestellt. Textkästen helfen hierbei, komplexe Begriffe zu definieren und verständlich zu machen. Teil zwei baut auf den vorgestellten Theorien auf und befasst sich mit dem Themenfeld der Medienkommunikation und der darin eingebundenen Geschlechtertheorien, im Besonderen in der Berufsfeldforschung, der Medienanalyse und der Publikationsforschung.
Im Zuge dessen werden die Ergebnisse ausgewählter Studien vorgestellt und diskutiert. Der Fokus liegt dabei auf dem derzeitigen Forschungsstand in Deutschland. Der dritte Teil behandelt die konkrete Umsetzung einzelner Forschungsbereiche; zum einen die Politikberichterstattung und die darin aufgeführten Geschlechterrollen, außerdem die Thematik von Geschlecht und Sexualität in der Medienberichterstattung und zum anderen das Medienhandeln von Migrantinnen und Migranten. Anhand dieser Fallbeispiele wird deutlich gemacht, in welcher Form sich Forschung in Gender Media Studies gestaltet. Die vorgestellten Studien gehen auf die eigene Forschungsarbeit der Autorinnen zurück. Übungsaufgaben ergänzen die jeweils vorgestellten Versuchsanordnungen und liefern einen nützlichen Praxisbezug. Die Autorinnen sind als Professorin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin tätig und befassen sich an ihrem Lehrstuhls mit dem Schwerpunkt Geschlechterforschung.
Der Band eignet sich insbesondere für Studierende der Kommunikations- und Medienwissenschaft und der Gender Studies, gleichermaßen jedoch auch für Studentinnen und Studenten anderer Fachrichtungen, die sich für das Thema ‚Geschlecht und Medien‘ interessieren.
Müller, Ines (2012). Filmbildung in der Schule. Ein filmdidaktisches Konzept für den Unterricht und die Lehrerbildung. München: kopaed. 338 S., 19,80 €
Bewegte Bilder bzw. Film stellen für Kinder und Jugendliche ein essenzielles Instrument zur Unterhaltung und Informationsaneignung dar. Meinungsbildung und Weltwissen werden heute überwiegend visuell vermittelt, was eine fundierte schulische Bildung hinsichtlich dieses Bereichs erfordert. Der vorliegende Band liefert ein Konzept für den Unterricht, mit dessen Hilfe gelingen soll, Medienkompetenz – mit besonderem Fokus auf Filmbildung – in der Schule durch eine praxisnahe Anleitung sowie Beispiele auf die erforderliche Weise im Schulunterricht zu etablieren. Hierfür behandelt das Buch Filmbildung in unterschiedlichen Ansätzen, um sowohl für die Primar- als auch für die Sekundarstufe 1 und 2 einen Leitfaden für die Integration von Film in das Unterrichtswesen zur Verfügung zu stellen als auch Lernziele, Kompetenzen und Bildungsstandards darzulegen.
Die fünf Kapitel befassen sich mit Filmbildung und ihrer Einbettung in Medienkompetenz, Schule und Lehrerbildung sowie mit der Erörterung von Vermittlungsansätzen und Grundlagen der Filmerziehung. Diese Vermittlungsansätze werden auch unter einem kritischen Blickwinkel beleuchtet. Im Anschluss werden beispielhafte Unterrichtsreihen mit dem Fokus auf Filmbildung vorgestellt, die zur praxisnahen Orientierung für Lehrende dienen soll. Abschließend folgt ein Resümee, in dem die Relevanz von Filmerziehung in der Schule, vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen thematisiert wird. Durch die Ausbildung zur Kamerafrau und jahrelange Erfahrung beim Fernsehen sowie die Umschulung zur Lehrerin hat die Autorin das nötige Wissen um Film und Didaktik, was durch das Thema Filmbildung miteinander verknüpft wird.
Der Band richtet sich maßgeblich an medienpädagogische Fachkräfte, jedoch auch an Lehrende anderer Fachrichtungen, die sich mit dem Einsatz von Medien innerhalb ihres jeweiligen Faches auseinandersetzen oder dies vorhaben. lb
kolumne
Elisabeth Jäcklein-Kreis: Warum? Weil’s geht.
Ein Surren. Ein Krachen. Unter vernehmlichem Stöhnen rutschen die Dias in der Schlange einen Platz nach vorne, für eine Sekunde blitzt die Leinwand grell weiß auf und leuchtet den sonst schummrigen Raum gnadenlos aus, jeden Anflug von Schläfrigkeit entlarvend. Pupillen springen schreckartig auf, um sich gleich wieder zu entspannen: Die Mutter lacht übermütig von der Leinwand, streckt dem mühsam flackernden Diaprojektor ihren Tequila Sunrise entgegen. KLACK. Papa und Sohnemann, stolz vor der gemeinsam errichteten Sandburg. KLACK. Mama, Tochter und der halbe Sohn, der in letzter Sekunde doch nicht aufs Bild wollte. KLACK. Mamas sonnenrotes Dekolleté, dazu ein Stück vom Oberarm, greifend nach dem fliehenden Sohn gestreckt, unter dem Arm ein schelmisches Auge der Tochter. KLACK. Sonnenuntergang.Zeitsprung. Wer heute von einer Reise heimkehrt, muss sich nicht mehr mit dem Diaprojektor herumärgern, dafür häufig genauso lange und intensiv mit dem Beamer. Die Fotos erscheinen gestochen scharf an der Wohnzimmerwand, dazu verbreitet der Laptop ostasiatische Klänge. An der Wand: Die Mutter, herzlich lachend, in der Hand den halb geleerten Mai Tai. Der Sohn mit dem gerade am Strand gefangenen Krebs vor dem Gesicht. Mutter und Sohn, gehüllt in ein zerlöchertes Betttuch, ausgemergelt und mit verzweifelten, großen Augen im Straßenstaub. Aber keine Sorge: Natürlich ist es nicht dieselbe Mutter, die ihren properen Nachwuchs eine Woche zuvor im gepolsterten Flieger ins ‚Exotische‘ entführt hat und vom Aufenthalt dort so mitgenommen ist. Mitnichten. Die Frage nach der Identität der abgebildeten Familie ist dennoch zumeist keine geeignete für den gemütlichen Abend, wird sie doch mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Schulterzucken beantwortet und der Aussage: „Keine Ahnung, Einheimische, die saßen da am Straßenrand. Aber ist das nicht herzerweichend? Die großen Augen? Schau doch mal, wie furchtbar arm die Leute da sind!“Man verlegt sich also auf empathisches Nicken, auf ‚Oh‘ und ‚Ah‘, teilt einen Moment der emotionalen Überwältigung im Angesicht der Armut der Menschen in fernen Ländern, nimmt einen Schluck aus der ausgehöhlten Kokosnuss und geht weiter zum nächsten Bild.
Straßenkinder beim Fußballspiel mit zum Ball zusammengezimmerten Socken. Kleine Mädchen, die versuchen, selbstgebastelte Armbänder zu verkaufen. Drogendealer. Eine Schlägerei. Eine Frau in ärmlicher Kleidung mit unmutig erhobenem Arm. „Die war komisch. Wollte sich nicht fotografieren lassen.“ Komisch – dabei werden ‚Einheimische‘ doch von den Reiseveranstaltern so dekorativ in fremde Länder gesetzt, um als Touristenattraktion und emotionales Highlight jeder Fotoshow zu dienen. Dabei wurden Filmdöschen und Diaprojektoren doch eigens durch größenwahnsinnige Speicherkarten ersetzt, damit man sich nicht mehr auf die fünf wichtigsten Augenblicke der Reisegruppe beschränken muss, sondern auch munter auf jede sich darbietende Szene des ‚landestypischen‘ Alltagsleben draufhalten kann. Und dabei geben sich die großen Medien doch extra so viel Mühe, ihrem Publikum zu vermitteln, dass jeder ein ‚Bürgerreporter‘ sein kann – und sollte. Da darf man die neu entdeckte Paparazzi-Ader im Urlaub doch nicht gleich wieder verkümmern lassen.Gerade wo die teure Kamera das Elend am Straßenrand doch auch aus sicherer Entfernung noch pixelfrei ablichtet! Da wären ja die technischen Möglichkeiten vollkommen ungenutzt!
Bisweilen scheint im Umgang mit medialen und technischen Möglichkeiten die Devise zu gelten: Was geht, muss auch getan werden. Warum? Weil’s geht. Taktgefühl, gesunden Menschenverstand und ‚Denken vor dem Klicken‘ sind was für Langweiler oder Leute ohne gutes, technisches Equipment.Das machen Reality-TV und Co. vor und Otto Normalverbraucher macht’s nach. Und was bleibt für die Medienpädagogik? Nun, die ‚macht was dagegen‘-Rolle wäre noch zu besetzen.
Beitrag aus Heft »2013/04: Exzessive Mediennutzung«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
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