2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft
Unsere Alltagskommunikation wird zunehmend von immer neuen Medientechnologien bestimmt und verändert, die in rasantem Tempo auf den Markt kommen. Täglich wird eine neue Anwendung im Netz ‚gehypt', die Unterhaltung, Lebenserleichterungen oder neue, vielversprechende Möglichkeiten der Selbstinszenierung verspricht. Dabei multiplizieren und erweitern sich die vorhandenen Medienkonfigurationen einerseits und konvergieren bestehende Mediensysteme andererseits. Allerdings lassen sich diese Entwicklungen aus verschiedenen Perspektiven bewerten: als Innovationen oder auch nur als Diversifikationen des schon längst Vorhandenen, je nachdem, welchen Fokus man wählt. Als Nutzerinnen und Nutzer stehen wir vor der Aufgabe, angemessen und zeitgemäß zu kommunizieren sowie letztlich unsere Kommunikation effektiv und zu unserem Nutzen zu gestalten. Diese Fähigkeit wird zu einer Schlüsselqualifikation im sogenannten digitalen Zeitalter. Die medienpädagogische Praxis ist gefragt, diese Schlüsselqualifikation zu vermitteln, kann sich dabei aber nur bedingt an etablierten Medienkompetenzmodellen orientieren.In der vorliegenden merz-Ausgabe werden einige zentrale Aspekte des Diskurses über die Zukunft der Medien und damit die Zukunft der Kommunikation aufgenommen. Es werden Orientierungen, Klärungen und zum Teil aber auch nur Fragestellungen präsentiert, die sich daraus für die medienpädagogische Forschung und Praxis ergeben.
aktuell
Elisabeth Jäcklein-Kreis: Unerkannt im Netzwerk?!
Es war ein großer Aufschrei, als das weltweit größte soziale Netzwerk Facebook 2011 seine damals aktuellste Neuerung ankündigte: Eine automatische Gesichtserkennung, die über alle online gestellten Fotos laufen und Vorschläge zur Markierung von Personen darin machen sollte. Datenschützer, Medienpädagoginnen und -pädagogen, aber auch viele Nutzerinnen und Nutzer hatten vehement dagegen protestiert und vor allem kritisiert, dass eine solche automatisierte Zuordnung von Bildern zu Personen über die Maßen in die Privatsphäre jedes Einzelnen eingreife und zudem ein erhöhtes Missbrauchs- und Risikopotenzial berge. Es wurde eingefordert, dass Nutzerinnen und Nutzer zumindest um ihr Einverständnis für jedes einzelne, verlinkte Foto gebeten werden müssen – auf keinen Fall dürfe Facebook Bilder ohne jegliches Zutun und Wissen der betroffenen Personen verlinken. Tatsächlich aber wurde die Funktion zunächst fast unbemerkt eingeführt und konnte nur sehr umständlich eingeschränkt oder deaktiviert werden.
Nun scheint das Online-Portal einzulenken, die irische Datenschutzbehörde, die für die Prüfung von Facebook in Europa zuständig ist, teilte mit, dass die Gesichtserkennung zum 15. Oktober 2012 eingestellt werde und Facebook in Europa bis dahin auch alle im Zusammenhang mit dieser Funktion erstellten Profile löschen werde. Damit kam das Portal den Empfehlungen der Behörde vom Dezember 2011 nach. Ob die Gesichtserkennung in dieser oder einer anderen Form zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingeführt wird, ließen die Verantwortlichen von Facebook Europa zunächst offen. Aktuell aber zeigte sich die irische Datenschutzbehörde in einem fast 200 Seiten starken Prüfbericht zufrieden mit der Entwicklung des Online-Portals, das in der Vergangenheit bereits mehrmals wegen unzureichender Datenschutz- und Privatsphäre-Einstellungen in der Kritik stand. Dennoch blieben auch einige Kritikpunkte offen: So konnte nicht sichergestellt werden, dass Facebook die Daten von Nutzerinnen und Nutzern, die sich von dem Portal abmelden, auch wirklich und unwiederbringlich aus seinen Archiven löscht. Zudem ist die Weitergabe von sensiblen Daten an Werbetreibende noch immer ein ungeklärter Punkt, so die Behörde.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansichtAlfred Reif: Habitualisierung der Social Communitys
Die ARD/ZDF-Onlinestudie für das Jahr 2012 stellt fest, dass 75,9 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren das Internet wenigstens zeitweise nutzen. Besonders die über 50-Jährigen gehen immer kontaktfreudiger mit dem Medium Internet um. Jedoch stehen für sie noch die klassischen ‚Web 1.0’-Anwendungen wie E-Mail, Informationssuche und Onlineshopping im Vordergrund. ‚Web 2.0’-Anwendungen wie Social Networks, Audio- und Videoaufrufe werden nach wie vor vermehrt von Jüngeren genutzt. Seit 2006 beschäftigt sich die ARD/ZDF-Onlinestudie gesondert mit Anwendungen des ‚Web 2.0’. Unterschieden werden bei den Communitys berufliche und private Netzwerke. Dabei zeigte sich, dass aktuell etwa 23 Millionen Erwachsene ab 14 Jahren in einem privaten Netzwerk angemeldet sind. Die 20- bis 29-Jährigen haben im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozentpunkte von 70 auf 74 Prozent zugelegt. Besondere Affinität zeigen in Bezug auf Communitys jedoch die 30- bis 39- Jährigen (2012: 56 Prozent und 2011: 45 Prozent).
Im Mittelwert werden täglich 54 Minuten für die Nutzung einer Community aufgewendet. Bei Teens und Twens liegt dabei mit 62 und 77 Minuten die tägliche Onlinezeit in Communitys über dem Durchschnitt. Besonders genutzt werden die Communitys wie auch 2011 für private Belange. Über tagesaktuelle Nachrichten informieren sich in Communitys wie im Vorjahr 26 Prozent. Für die Nutzerinnen und Nutzer werden die Community-Funktionen immer mehr zu einer ‚All-in-One-Anwendung’, die weitere Web 2.0-Anwendungen (E-Mail, Video) in sich aufnimmt, und somit ein Verlassen des Netzwerkes nicht mehr nötig macht. Auch geht aus der Studie hervor, dass außerhalb der Communitys das Web 2.0 fast nur noch passiv genutzt wird. Nur acht Prozent sind noch offen für eine aktive Netzbeteiligung. Dabei ist vielen bewusst, dass die Annehmlichkeiten der Webinhalte oft mit der Freigabe personenbezogener Daten verknüpft sind.Media Perspektiven 7-8/2012
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Alfred Reif
Beitrag als PDFEinzelansichtKinder und Suchmaschinen
Welche Suchmaschinen nutzen Kinder im Internet? Nach welchen Inhalten suchen Kinder, und was wählen sie dabei aus? Antworten auf diese und weitere Fragen debattieren Expertinnen und Experten auf der wissenschaftlichen Fachtagung Informationsverhalten von Kindern im Internet des Deutschen Jugendinstituts (DJI) und der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) am 6. November 2012 in Berlin. Teilhabe an der Wissens- und Informationsgesellschaft bedeutet, dass auch Kinder das Internet als Informationsquelle nutzen können. Doch nicht alles, was sie dort über allgemeine Suchmaschinen wie zum Beispiel Google finden, ist für sie verständlich und geeignet. Kindgerechte Informationen anzubieten, ist dagegen erklärtes Ziel von speziellen Kinder-Suchmaschinen wie Blinde Kuh, fragFINN oder Helles Köpfchen.
Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Kinder- und Jugendmedienschutz. Auswertung von Logfiles mit 600.000 Suchanfragen Um das Informationsverhalten und den tatsächlichen Informationsbedarf von Kindern zu erforschen, analysierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DJI-Projekts Informationsverhalten von Kindern im Internet sogenannte ‚Logfiles‘ dieser Kindersuchmaschinen mit mehr als 600.000 Suchanfragen. Von Interesse dabei war, wie Kinder Suchanfragen formulieren, wie sie sich auf der Ergebnisliste bewegen und ob die kindgerechten Suchmaschinen die nachgefragten Themen auch inhaltlich bedienen. In einer begleitenden Beobachtungsstudie wurden zudem Recherchekompetenzen und Strategien der Informationsverarbeitung von Kindern untersucht. Alle Ergebnisse des Forschungsprojektes präsentieren die DJI-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler um Projektleiterin Dr. Christine Feil erstmals auf der Berliner Veranstaltung und diskutieren diese mit namhaften Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Fachpraxis.
Die Tagung findet am 6. November von 10.00 Uhr bis 16.30 Uhr statt.
Ort: Hotel Aquino Tagungszentrum, Katholische Akademie, Hannoversche Straße 5b, 10115 Berlin-Mitte
Programm sowie Onlineanmeldung zur Fachtagung unter:
www.dji-fachtagung.de/informationsverhalten
Riccarda Groß-Possin: stichwort Social TV
Noch immer ist Fernsehen die beliebteste mediale Tätigkeit in Deutschland. Da verwundert es nicht, dass sich die Fernsehgeräte in den Wohnzimmern zu immer größeren technischen Wunderwerken entwickeln und mittlerweile – was Bildqualität, Energieeffizienz und Größe betrifft – kaum mehr Optimierungsbedarf besteht. Und so gibt es nun statt bei den Geräten bei der Handhabung neue Ideen: Social TV, Second Screen oder auch Social Entertainment. Dabei handelt es sich um die soziale Einbindung des Publikums in das Geschehen hinter dem Bildschirm. Der Konsument bzw. die Konsumentin soll sich nicht mehr zurücklehnen und abschalten, sondern sich aktiv in das Programm einbringen. Technisch sind die Mittel dafür bereits gegeben – ob via Smartphone, Laptop oder direkt über das internetfähige Fernsehgerät ist der Kontakt zur aktuell rezipierten Fernsehshow schnell hergestellt.
Und damit nicht genug, arbeitet das Fraunhofer Institut – wie erst im September auf der IFA 2012 vorgestellt – an einer Reihe neuer Entwicklungen, wie geräte- und herstellerübergreifenden Apps, die die Bedienung des Fernsehgerätes über das Smartphone oder den Tablet-PC via Bewegungen mit den mobilen Geräten ermöglichen oder eine individuelle Programzusammenstellung auf Basis der eigenen Vorlieben gestatten. Auch Google möchte mit diesem Angebot auf der Erfolgsspur weiterfahren und hat nun nach dem etwas schleppendem Start in den USA auch in Deutschland Google TV auf den Markt gebracht, das Internetangebote, Apps und Fernsehen in einem Gerät verbinden soll.Inhaltlich sind ebenfalls bereits einige mehr oder weniger weitreichende Ideen für eine soziale Einbindung des Publikums vorhanden. Diese reichen von schlichten Livechats während einzelner Unterhaltungsformate über Apps zur Sendung bis hin zu interaktiven Handlungsaufforderungen, die Zuschauerinnen und Zuschauer aktiv an der Gestaltung der Sendung beteiligen.
Ein recht erfolgreiches Beispiel ist der vor einigen Monaten erstmals ausgestrahlte Tatort plus, bei dem das Publikum via Internet nach dem Täter fahnden konnte. Oft werden hier die technischen Möglichkeiten allerdings nur unzureichend ausgeschöpft und es bleibt abzuwarten, wie mutig die Fernsehmacherinnen und -macher künftig ihre Social TV-Bemühungen vorantreiben – und wie dies vom Publikum angenommen wird.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Riccarda Groß-Possin
Beitrag als PDFEinzelansichtWolfgang Brudny: Nachruf Paula Linhart
Es kam nicht überraschend – und doch! Der Antwortbrief, den sie mir auf meine Glückwünsche zu ihrem 106. Geburtstag schrieb, er zeigte, dass Paula Linhart noch wie immer in ihrer Wortwahl eloquent und in ihren Gedanken präzise war. Dazu noch jene liebevollen Akzente in der Sicherheit des persönlichen Umgangs. Paula Linhart war ihr Leben lang in jener Welt des Journalismus‘ zuhause, in der es um Werte geht, um Engagement für das Recht, besser noch: für das Richtige. Dafür war sie bereit zu kämpfen. Scherzhaft wurde sie der ‚Bayerische Löwe‘ genannt, dort, wo es um Jugendschutz in den Medien ging, bei der FSK. Und das hatte mit Respekt zu tun, denn wo immer sie in Gremien auftrat und ihre Plädoyers mit bestimmter, aber auch behutsam gedankenerschließender Stimme vortrug, da hörte man ihr zu. Auch sie konnte zuhören, nahm Anteil, konnte aber auch auf ihre Art anderer Meinung sein, wenn sie es für richtig hielt. Was sie sagte, hatte immer gesellschaftspolitische Relevanz und war gleichzeitig in jenem Glauben tief verwurzelt, der Menschen stark aber nicht dogmatisch macht. Paula Linhart trat für Una sancta ein, die Überwindung von Grenzen zwischen den christlichen Religionen – die Ökumene.
Immer wieder suchte sie das Gespräch. Dann stand sie da, eine zart-gebrechliche Frau, mit neugierig-kommunikativen Blicken hinter starken Brillengläsern und setzte sich ein für das Gute und gegen die Bedenkenlosigkeit etwa jener Medien, die junge Menschen irritieren, sie zur Teilhabe an einer Gesellschaft instrumentalisieren, in der Gewalt und Unrecht an der Tagesordnung sind. Mit der Begabung zu Kritik und Analyse genoss sie Hochachtung und Beliebtheit und kam so zu Ehrenämtern und bedeutsamen Funktionen. Sie arbeitete in der Katholischen Filmkommission, wurde zur ersten Geschäftsführerin der Aktion Jugendschutz (aj) in Bayern berufen, schrieb über Jahre hinweg Kritiken für den Filmdienst der katholischen Kirche und überzeugte mit profunder Sachkenntnis und Interpretation. In fast logischer Konsequenz gründete sie den RIO-Treff in jenem Münchner Kino, das bereits mit qualitätsvollem Programm Tradition zeigte. Da stand sie nun wieder vor einem Publikum und gab – mit schon leicht gebrechlicher Stimme, aber immer gut vorbereitet – Einführungen zu Weltklasse-Filmen und freute sich an engagierten Diskussionen. Die Interessierten kamen – auch später noch, als Paula Linhart sich langsam zurückzog. Aber sie erkundigte sich in jedem Telefongespräch nach dem Stand der Dinge und nach den Erfolgen der einzelnen Referentinnen und Referenten.
Mit der Kraft ihres tiefen Glaubens suchte und fand sie Mitstreiterinnen und Mitstreiter für ihre humanen Anliegen und Taten, aber auch für den Blick auf das Schöne in dieser Welt. Doch das Tempo, mit dem die elektronische Kommunikation mit sprache-verändernden Codierungen die Menschen besetzte – das ließ sie zögernd stehenbleiben, das war nicht mehr ihr Terrain. Sie blieb sich selbst und ihrem Metier treu. Natürlich genoss Paula Linhart mit Freude und auch Stolz so manche Auszeichnung und Ehrung, die ihr zuteil wurde: so das Große Bundesverdienstkreuz, der Päpstliche Orden Pro Eclesia et Pontifice, die Medaille München leuchtet und nicht zuletzt der Bayerische Verdienstorden. Doch in einer Bestattungsanzeige hieß es schlicht und ebenso wahr: Paula Helene Linhart, Sozialarbeiterin. Sie hatte viele Freundinnen und Freunde und schenkte unvergessliche Freundschaft.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Wolfgang Brudny
Beitrag als PDFEinzelansichtnachgefragt: Martin Lindner, Literatur- und Medienwissenschaftler
„Krude Theorien, populistisch montiert“ fand die Süddeutsche Zeitung, „Apokalyptische Thesen über das Hirn-Gift der Jugend“ titelte die WELT und die FAZ schrie empört: „Mein Kopf gehört mir“. Das Buch ‚Digitale Demenz‘, das im August 2012 erschienen ist, rief heftige Reaktionen und aufgeheizte Diskussionen hervor. Panikmache, Unwissenschaftlichkeit und polemische Vereinfachung von Realitäten sind nur drei der Vorwürfe an den Autor. merz hat nachgefragt bei Dr. phil. habil. Martin Lindner, der als Forscher und Berater für die Themen E-Learning und Wissensmanagement 2.0 tätig ist, die Plattform Wissmuth wissen | visuell | sozial mitgegründet hat – und das Buch gelesen hat.
merz: Herr Lindner, in aller Kürze: Was sind die zentralen Aussagen in Digitale Demenz und was macht das Buch zu solch einem Aufreger?
lindner: Spitzer ballt alle typischen Versatzstücke einer technikskeptischen Medienkritik, die sich als ‚bildungsbürgerlich‘ versteht: Digitale Bildschirmmedien, so heißt es fast wörtlich, machen süchtig, dumm, dick, oberflächlich, vergesslich, seelisch krank und schädigen langfristig das Hirn, indem sie Altersdemenz begünstigen. Spitzer unterscheidet nicht zwischen Internet, dem (lokalen) Computer, Videos, Computerspielen aller Art, Google, Facebook... das ist für ihn alles eins. Dieser Generalangriff ist aus zwei Gründen so wirksam: (a) Spitzer tritt als ‚Hirnforscher‘ auf. Als Dr. Dr. phil. habil. und Leiter der Psychiatrie der Universitätsklinik Ulm beschäftigt er sich mit depressiven Patienten, die sich mit Computerspielen und Internet-Inhalten betäuben, und er untersuchte in Fachaufsätzen Gedächtnisleistungen in einem bestimmten Hirnareal. Dadurch erhält seine kulturkritische Suada den Anstrich der wissenschaftlichen Unanfechtbarkeit. (b) Es scheint, dass der Zeitpunkt günstig war: Spitzer traf ein Unbehagen, das so vor ein, zwei Jahren noch nicht bestanden hätte. Menschen haben offenbar das Gefühl, dass ‚dieses Internet‘ kein exotischer Bereich ist, den man aus dem ‚wirklichen Leben‘ heraushalten muss und kann, sondern tatsächlich etwas, das in unser Leben und Denken eingreift. Ich denke sogar, dass die Fixierung auf ‚unsere Kinder‘ zu einem großen Teil stellvertretend ist: Insbesondere seit Facebook und den Smartphones betrifft das auch die Eltern. Und dieses Unbehagen ist gar nicht beschränkt auf die Technikskeptiker, sondern hat viele erfasst, die sich bisher gern und viel auf die digitalen Netz-Medien eingelassen haben. Auf der anderen Seite hat man gesehen, dass viele die Spitzer‘schen Thesen gar nicht für bare Münze nahmen, sondern dankbar waren, dass diese Fragen überhaupt einmal öffentlich aufgeworfen wurden. So gesehen war das ein wichtiger Sprung in einem kollektiven Nachdenkprozess, dessen Resultat, scheint mir, wesentlich vernünftiger als bei Spitzer ausfallen wird.
merz: Sie haben in einem Artikel die (Un-)Wissenschaftlichkeit in dem Buch kritisiert. Können Sie uns erklären, was Sie damit meinen?
lindner: Ich war ehrlich verblüfft und empört über das jämmerliche Niveau der Argumentation, insbesondere wenn sie mit dem Gestus des Wissenschaftlers vorgetragen wird. Spitzers Diskussion genügt auf keiner Ebenen den Anforderungen an wissenschaftliche Argumentation und Beweisführung – nicht mal den Anforderungen an ein populäres Sachbuch. Es fängt schon mit der Kernthese von der ‚Digitalen Demenz‘ an. Diese wird nirgends solide aufgestellt, erläutert oder begründet, er lässt den Begriff nur immer wieder suggestiv fallen, man muss sich alles aus Fragmenten zusammenreimen. Spitzer tut dabei so, als sei „digitale Demenz“ ein medizinischer Begriff. Erst am Ende versteht man, dass er offenbar behaupten will, durch Medien würden signifikant mehr Leute ein paar Jahre früher Alzheimer bekommen. (Was natürlich unbeweisbar ist.) Die Folgen von ‚Internet- und Computerspielsucht‘ (ebenfalls medizinisch nicht klar definiert) sind laut Spitzer Depression, sozial dysfunktionales Verhalten, Steuerungsverlust et cetera. Er beruft sich unklar auf „südkoreanische Ärzte“ – per Google stellt man schnell fest: Digitale Demenz war ein südkoreanisches Modewort vor fünf Jahren, keine Krankheit. Spitzers ‚Studie‘ ist eine banale Umfrage unter Großstadt-Twens zur Frage, ob sie das Gefühl hätten, vergesslicher und unkonzentrierter zu werden. Der Arzt, den die Korea Times daraufhin befragt, sagt dann, es gebe keinen Grund, sich Sorgen zu machen, die Unkonzentriertheit gehe vorbei, wenn man die neuen Geräte vernünftig zu gebrauchen lernt. Inzwischen wurden Spitzers neuropsychologische Erkenntnisse und Medienwirkungs- und Lernforschungs-Studien näher unter die Lupe genommen, mit vernichtendem Ergebnis. Kurz: Jede einzelne Aussage muss man einzeln kritisch hinterfragen. Normalleserinnen und -leser können das nicht leisten. Sie werden überrollt von Spitzers wortreicher und wenig strukturierter Suada.
merz: Die Diskussion dreht sich nun häufig um Gefahren und Risiken, bringt aber selten Anstöße zu konstruktivem Verhalten. Was ist Ihr Rat für eine sinnvolle Mediennutzung?
lindner: Zuerst einmal gelten für digitale Medien dieselben Verhaltensregeln, die seit 200 Jahren für ‚Romanlesesucht‘, ‚Schundhefte‘, Kino und Fernsehen galten. Wenn man ‚suchtartig‘ abtaucht, ist das natürlich etwas anderes, als wenn jemand im Internet schreibt, kommuniziert und liest, Videos und Musikstücke online stellt, wenn Geschäftsleute ihre E-Mails jede Minute checken, männliche Jugendliche exzessiv Computerspiele spielen (das tun alle, sagt mir meine gleichaltrige Tochter) oder Mädchen Stunden in Chats und sozialen Netzwerken verbringen. Und das ist wieder etwas anderes, als wenn depressive Charaktere Medien als Weltflucht nutzen und von ihrer Umwelt als ‚krank‘ wahrgenommen werden. Selten sind ‚die Medien‘ oder ‚das Internet‘ der Grund, sondern meist nur das Mittel, um sich zu betäuben. Die revolutionäre Ermächtigung der Leute, in neuen Medien aktiv Wissen zu finden und selbst zu partizipieren, lernt man aber nur durch Üben und Anwenden, wieder und wieder. Das ist eine extreme Chance, gerade für ‚bildungsferne‘ Schichten, Wissen zu beziehen. Spitzers Annahme, ‚bildungsferne‘ Jugendliche, möglichst mit Migrationshintergrund, seien ohnehin nicht an den Selbstbildungsmöglichkeiten des Internets interessiert, ist menschenverachtend. Und nachweislich sind auch ‚dumme‘ Popkultur-Medieninhalte in hohem Maß geeignet, die Leute zu bilden, die mehr darin suchen, als stumpfe Unterhaltung. Das passt nicht in das Weltbild eines Psychiaters mit sechs geigenlernenden Kindern, der aber auch schwerlich repräsentativ ist. Die Lösung für die mediale Überlastung? David Weinberger, der amerikanische Internet-Experte und promovierte Philosoph (Spezialgebiet: Heidegger) sagte einmal: Wir brauchen, um damit umzugehen, nicht weniger Medien und weniger Information, sondern im Gegenteil mehr davon. Wir brauchen Meta-Information, um die richtigen Inhalte finden und auswählen zu können. Wir müssen uns in den digitalen Medien bewegen können wie die Fische im Wasser. Spitzer selbst hat, wie viele ahnungslose Details beweisen, nie mehr als den großen Zeh hineingehalten.
thema
Dagmar Hoffmann und Hans-Dieter Kübler: Editorial
„Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ (Albert Einstein) Wissenschaften setzen sich seit jeher mit vielfältigen Fragen zur Zukunft auseinander. Es geht dabei in der Regel um die Chancen und Risiken der Entwicklung des menschlichen Daseins, des sozialen Miteinanders, also der Gesellschaft, sowie um den Erhalt der Umwelt, des Planeten und vieles mehr. Sich Gedanken und Vorstellungen über zukünftige Gegenwarten zu machen, ist eigentlich selbstverständlich. Bisweilen scheint es auch schwierig zu sein, aber es ist nicht unmöglich, denn die Bilder, die wir von der Zukunft haben, knüpfen grundsätzlich an vielfältig vorhandene Konstruktionen sowie Ängste, Sehnsüchte und Wünsche der Gegenwart an. Es ist die Sorge um uns selbst und die Verantwortung für nachfolgende Generationen, die uns veranlasst, über Zukunft zu sinnieren. Allerdings lässt sich die Zukunft schwer vorhersagen, aber es lohnt, über die mögliche zukünftige Gegenwart und damit auch über Alternativen des Möglichen zu reflektieren.Seit geraumer Zeit sind insbesondere Medien-und Sozialwissenschaftlerinnen und –wissenschaftler (auf-)gefordert, sich verstärkt mit der Zukunft der Kommunikation auseinanderzusetzen, da die Präsenz und der Gebrauch neuer Medientechnologien zunehmend die Alltagskommunikation bestimmen und verändern.
Neue Technologien und Anwendungen generieren neue Informations- und Wissensmanagementsysteme die zeitökonomischer und zielgruppenspezifisch sein sollen, es aber de facto nicht immer sind. Die Fähigkeit, angemessen und zeitgemäß zu kommunizieren sowie letztlich Kommunikation effektiv und nutzenorientiert zu gestalten, wird zu einer Schlüsselqualifikation im sogenannten digitalen Zeitalter. Es scheint, als wären Medien- und Kommunikationssysteme einem grundlegenden Wandel ausgesetzt, dessen Folgen im Moment nur schwer abschätzbar sind. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht wieder eine neue Anwendung im Netz ‚gehypt‘ wird, die einem Unterhaltung, Lebenserleichterungen oder neue, vielversprechende Möglichkeiten der Selbstinszenierung verspricht. Gleichwohl setzen sich die wenigsten Anwendungen durch und finden eine massenhafte Verwendung. Im Grunde rekurrieren die meisten Erfindungen auf den üblichen psycho-sozialen Bedürfnissen und verweisen zumeist auf altbekannte Mediensysteme. Viele Anwendungen sind nur temporär populär.Allgemein lässt sich beobachten, dass das Entwicklungs- und Diffusionstempo jeweils neuer Medientechnologien rasant ist und immer schneller wird.
Dabei multiplizieren und erweitern sich die vorhandenen Medienkonfigurationen einerseits und konvergieren bestehende Mediensysteme andererseits. Allerdings lassen sich diese Entwicklungen aus verschiedenen Perspektiven bewerten: als Innovationen oder auch nur als Diversifikationen des schon längst Vorhandenen, je nachdem, welchen Fokus man wählt. In der öffentlichen Wahrnehmung jagt ein Medienhype den nächsten, und es scheint, dass medienpädagogische Theorien und Forschung diesen immer kürzeren Medienkonjunkturen weitgehend abhängig hinterherhecheln. Festzustellen ist, dass es an zeit- und kulturunabhängigen Theorien (was vermutlich auch unmöglich ist) und an dynamischen, präventiv angelegten Medienkompetenzmodellen (was legitim, aber dennoch für die Praxis bedauerlich ist) fehlt. Ferner bleibt meist weitgehend unklar bzw. uneinheitlich, mit welchen Kriterien, Instrumenten und Methoden jene Entwicklungen oder gar der Fortschritt der Medien gemessen und erst recht bewertet werden kann. Vielfach gewinnt man den Eindruck, je grandioser, abstrakter und damit unverständlicher die gemeinhin monokausal angelegte ‚Theorie‘ ausfällt, umso attraktiver und willkommener ist sie in der besorgten Öffentlichkeit, wohingegen sich wissenschaftliche Konzepte kaum mehr auf solche high levels wagen. Entsprechend werden zahlreiche Trends extrapoliert, die die Zukunft der Medien und damit die öffentliche wie private Kommunikation bestimmen (sollen). Sicherlich werden sich – wie schon in der Vergangenheit – Kommunikationsbeziehungen weiter verändern, aber womöglich auch so, dass sich neben generellen Standardisierungen vielfältige Spezialisierungen und Partikularsierungen herausbilden.
Wenn professionelle, vor allem kommerzielle Mediensysteme immer komplexer, ‚globaler‘ und mächtiger werden, dürften zugleich auf der Gegenseite viele kleine, amateurhafte, spontane, kollaborative Kommunikationsformen sprießen, die Entwicklungen werden also ebenso heterogener als auch homogener.Die vorliegende merz-Ausgabe kann nicht zu allen, zumindest aber zu einigen zentralen Aspekten des Diskurses über die Zukunft der Medien und damit die Zukunft der Kommunikation Orientierungen, Klärungen und zum Teil aber auch nur Fragestellungen präsentieren, die sich daraus für die medienpädagogische Forschung und Praxis ergeben. So nimmt zunächst der Soziologie Michael Jäckel eine Rückschau auf vorhergesagte Medientrends vor und setzt sie in Beziehung zu gegenwärtigen Entwicklungen. Zudem zeigt er auf, wie derzeit medienöffentlich und wissenschaftlich die Zukunft der Mediennutzung diskutiert und vor allem problematisiert wird. Er erklärt, inwieweit sich Medienangebote in räumlicher und zeitlicher, in sachlicher bzw. inhaltlicher sowie sozialer und funktionaler Hinsicht erweitern und verändern (werden). Menschen moderner hochtechnisierter Gesellschaften sind heute mehr denn je gefordert, sich mit den vielfältigen Funktionen und dem Nutzen von Medien auseinanderzusetzen. Nach wie vor haben Medien die Aufgabe, Orientierung in einer immer komplexer werdenden Welt zu vermitteln sowie Partizipation und Mitgestaltung an gesellschaftlichen Entwicklungen zu ermöglichen.
Auch Hans-Dieter Kübler setzt sich in seinem Beitrag mit dem tiefgreifenden und tendenziell universell sich vollziehenden Wandel der Medien und den Konsequenzen für gesellschaftliche Verhältnisse auseinander. Ein besonderes Anliegen ist es ihm zu verdeutlichen, welche Dilemmata sich aus den rasanten Veränderungsprozessen für medienpädagogisches Handeln ergeben. Er hebt bekannte und altbewährte Paradigmen zum Erwerb von Medienkompetenz und zur Medienbildung auf den Prüfstand und arbeitet heraus, inwieweit diese Modelle in Teilen überholt sind, modifiziert und erweitert werden müssten, um den Anforderungen der komplexen Mediengesellschaft gerecht werden zu können. Gleichwohl verzichtet der Autor darauf, eigene („kurzatmige“) Rezepte zu liefern, die hier aussichtsreich Abhilfe schaffen könnten. Demgegenüber betont Manuela Pietraß im Anschluss, dass traditionelle Modelle der Medienkompetenz für neue Phänomene, das heißt, für eine intendierte, verantwortungsbewusste und kritische Mediennutzung und Medienaneignung durchaus nutzbar gemacht werden könnten. Dabei scheint es hier besonders bedeutsam zu sein, Medien vorrangig als Instrumente für Kommunikation zu verstehen und Medienkompetenz als eine Ausdifferenzierung kommunikativer Kompetenz. Unerlässlich sei der Bedarf, so die Autorin, einerseits die Operationalisierung von Medienkompetenz an aktuelle technische Gegebenheiten anzupassen und andererseits deutlich zu machen, dass die Medienpädagogik mit dem Begriff der Medienkompetenz eine einheitsstiftende Deutungskraft in der Vielheit der Medienkonjunkturen bieten kann.
Im Beitrag von Manuela Pietraß wird der Begriff der digital literacy aufgegriffen und werden die Basiskompetenzen zur Kommunikation mit den digitalen Medien erörtert, wie sie für die Gegenwart unabdingbar zu sein scheinen. Im letzten Schwerpunktbeitrag des Kommunikationswissenschaftlers Jeffrey Wimmer geht es um die neuen Publikumsansprüche, die im Zuge der digitalen Bedingungen der Medienkonvergenz und der Ausweitung der individuellen Medienrepertoires neue Formen der Teilhabe an Öffentlichkeit induzieren. Der Autor hat sich zum Ziel gesetzt, das Ausmaß medialer Partizipation im Kontext der Diagnose der zunehmenden Verbreitung neuer Medien im Alltag zu analysieren und sieht Partizipation in einem engen Bezug zum umfassenden Wandel von Kommunikations- und Medienkulturen. Er erörtert zunächst den demokratierelevanten Zusammenhang von Öffentlichkeit, Medien und Partizipation und erklärt, inwieweit sich dieses Konglomerat derzeit neu konstituiert und zueinander verhält. Dann geht er auf konkrete Formen mediatisierter Teilhabe an Öffentlichkeit ein und nimmt einige Implikationen für Medienpolitik und Medienpädagogik vor. Zusammenfassend konstatiert er, dass sich durch die Digitalisierung und Mediatisierung von Partizipation auch der Wert und das Verständnis politischer Partizipation ändern und die Potenziale für einen emanzipatorischen Gebrauch insbesondere von jungen Menschen auch genutzt werden.Allen Beiträgen gemein ist, dass ihre Gegenwartsdiagnosen Aussagen über die Zukunft der Medien und zu erwartenden Medienkonjunkturen erlauben, wobei sie kaum Destablisierungs- oder Desorganisationsprozesse wohl aber Modifikationen traditioneller Sozialgefüge prognostizieren.
Deutlich wird auch, dass die medienpädagogische Praxis sich nur bedingt an etablierten Medienkompetenzmodellen orientieren kann, sondern die Akteurinnen und Akteure in der Praxis und aus der Wissenschaft deren Weiterentwicklung vorantreiben sollten, sodass diese für die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen einer immer komplexer werdenden Mediengesellschaft besser genutzt werden können. Auch wenn viele Dynamiken der Kommunikation nicht vorhersehbar sind und einfach geschehen, gilt es weiterhin und auch verstärkt in vielen Bereichen medienpädagogische Begleitung und Unterstützung anzubieten, sodass digitale Klüfte minimiert und allen Menschen sowohl gesellschaftliche als auch kulturelle Teilhabe ermöglicht werden können.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Dagmar Hoffmann, Hans-Dieter Kübler
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Jäckel/Thomas Lenz/Nicole Zillien: Stadt-Land-Unterschiede in der Mediennutzung
Eine digitale Kluft zwischen Stadt- und Landbewohnern existiert. In amerikanischen Untersuchungen wird diese nicht nur mit den sozioökonomischen Unterschieden zwischen erklärt – auch die Stadt-Land-Zugehörigkeit als solche hat Einfluss auf Art und Ausmaß der Internetnutzung. Unsere Auswertungen des ALLBUS 2004 zeigen, dass sich auch in Deutschland die Tatsache, ob eine Person auf dem Land oder in der Stadt lebt, auf die Art der Internetnutzung auswirkt.
A digital gap between urban and rural areas does exist. Several American studies demonstrate that this gap cannot be explained completely by socio-economic differences between urban and rural residents. Whether people are living in a city or in a rural area has some influence of its own on the way people use the Internet. Our own research – based on the ALLBUS 2004 – confirms that this assumption is also evident for Germany.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Michael Jäckel, Thomas Lenz, Nicole Zillien
Beitrag als PDFEinzelansichtHans-Dieter Kübler: Medienwandel und Medienpädagogik
An Exempeln wie MySpace werden die raschen Veränderungsprozesse von Social Media beschrieben. Weiter wird beispielhaft an medienanalytischen Begriffen wie Konvergenz, Mediatisierung, Digitalisierung, Domestizierung aufgezeigt, dass kaum ein Definitionsversuch das halten kann, was er vorgibt. Dies vor dem Hintergrund, dass kommende mediale Trends wohl immer erst in der Retrospektive analysierbar werden. Abschließend wird die Medienpädagogik in den Blick genommen und auf deren Verbesserungswürdigkeit, besonders im digitalen Kontext, hingewiesen.Dr. Hans-Dieter Kübler ist Professor für an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg.
Literatur:
Beckedahl, Markus/Lüke, Falk (2011). Die digitale Gesellschaft. Netzpolitik, Bürgerechte und die Machtfrage. München: DTV-Verlag.
Castells, Manuel (2001; 2002; 2003). Das Informationszeitalter. 3 Bände. Opladen: Leske + Budrich.
Bethge, Philip/Brauck, Markus/Müller, Martin U./Rosenbach, Marcel/Schmundt, Hilmar/Schulz, Thomas/Tietz, Janko (2011). Die fanatischen Vier. In: DER SPIEGEL, 49, S. 70 – 81.
Eisfeld-Reschke, Jörn (2012). Position. Scheitert Medienpädagogik im Social Web? In: medien + erziehung, 3, S. 41f.
Emmer, Martin/Vowe, Gehrhard/Wolling, Jens (2011). Bürger online. Die Entwicklung der politischen Online-Kommunikation in Deutschland. Konstanz: UVK-Verlag.
Holznagel, Bernd/Schumacher, Pascal (2012). Nichts geht voran. Die Netzpolitik der Regierung ist ein Desaster – ob beim Urheberrecht oder beim Ausbau der Netze. In: DIE ZEIT, 22, S. 31.
Jäckel, Michael (2011). Medienwirkungen. Ein Studienbuch zur Einführung. 5. vollstände überarbeitet und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS-Verlag.
Krotz, Friedrich (2001). Die Mediatisierung kommunikativen Handelns. Wie sich Alltag und soziale Beziehungen, Kultur und Gesellschaft durch die Medien wandeln. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Krotz, Friedrich (2007). Mediatisierung. Fallstudien zum Wandel von Kommunikation. Wiesbaden: VS-Verlag.
Kübler, Hans-Dieter (2009). Mythos Wissensgesellschaft. Gesellschaftlicher Wandel zwischen Information, Medien und Wissen. Eine Einführung. 2. durchgesehene und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS-Verlag.
Kübler, Hans-Dieter (2011). Digital natives oder digital naives? Aufgaben und Herausforderungen für die Förderung von Medienkompetenz. Beispiel: der Internetratgeber „netzdurchblick“. In: Kammerl, Rudolf/Luca, Renate/Hein, Sandra (Hrsg.), Keine Bildung ohne Medien! Neue Medien als pädagogische Herausforderung. Berlin: Vistas. S. 109 – 132.
Livingstone, Sonia/Haddon, Leslie (Hg.) (2009). Kids online – Opportunities and risks for children. Bristol: The Policy Press.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2012). FIM-Studie 2011. Familie, Interaktion + Medien. Stuttgart: mpss.
Meyen, Michael (2009). Medialisierung. In: M & K (Medien & Kommunikationswissenschaft), 1, S. 23 – 38.
Moser, Hans/Grell, Petra/Niesyto, Horst (Hrsg.) (2011). Medienbildung und Medienkompetenz. Beiträge zu Schlüsselbegriffen der Medienpädagogik. München: Kopaed Verlag.
Pariser, Eli (2012). Filter Bubble. Wie wir im Internet entmündigt werden. München: Hanser Verlag.
Paus-Hasebrink, Ingrid/Ortner, Christina (2011). Wie nehmen Heranwachsende Risiken im Internet wahr? Ziele und Methoden einer international vergleichenden Forschung am Beispiel von EU Kids Online. In: Fromme, Johannes/Iske, Stefan/Marotzki, Winfried (Hrsg.), Medialität und Realität. Zur konstitutiven Kraft der Medien. Wiesbaden: VS-Verlag. S. 193- 214.
Röser, Jutta (2007). MedienAlltag. Domestizierungsprozesse alter und neuer Medien. Wiesbaden: VS-Verlag.
Röser, Jutta/Thomas, Tanja/Peil, Corinna (Hrsg.) (2010). Alltag in den Medien – Medien im Alltag. Wiesbaden: VS-Verlag.
Schorb, Bernd (2011). Zur Theorie der Medienpädagogik. In: Moser, Hans/Grell, Petra/Niestoy, Horst (Hrsg.), Medienbildung und Medienkompetenz. Beiträge zu Schlüsselbegriffen der Medienpädagogik. München: Kopaed Verlag. S. 95 – 120, S. 81 – 94.
Schweiger, Wolfgang/Beck, Klaus (Hrsg.) (2010). Handbuch Online-Kommunikation. Wiesbaden: VS-Verlag.Spanhel, Dieter (2011). Medienbildung als Grundbegriff der Medienpädagogik. Begriffliche Grundlagen für eine Theorie der Medienpädagogik. In: Moser, Hans/Grell, Petra/Niestoy, Horst (Hrsg.), Medienbildung und Medienkompetenz. Beiträge zu Schlüsselbegriffen der Medienpädagogik. München: Kopaed Verlag. S. 95 – 120.
Sutter, Tilmann/Mehler, Alexander (Hrsg.) (2010). Medienwandel als Wandel von Interaktionsformen. Wiesbaden: VS-Verlag.
Will, Andreas/Wolling, Jens/Schumann, Christina (Hrsg.) (2011). Medieninnovationen. Wie Medienentwicklungen die Kommunikation in der Gesellschaft verändern. Konstanz: UVK-Verlag.
Zorn, Isabel (2011). Medienkompetenz und Medienbildung mit Fokus auf Digitale Medien. In: Moser, Hans/Grell, Petra/Niestoy, Horst (Hrsg.), Medienbildung und Medienkompetenz. Beiträge zu Schlüsselbegriffen der Medienpädagogik. München: Kopaed Verlag. S. 175- 210.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Hans-Dieter Kübler
Beitrag als PDFEinzelansichtManuela Pietraß: Digital Literacy als Ausdifferenzierung von Medienkompetenz
Medienkonjunkturen führen auch zu Konjunkturen von Medienkompetenz wie der Digital Literacy. Es wird eine systematische Basis von Medienkompetenz entwickelt, die in der Vielfalt von Medienkonjunkturen Orientierungshilfe geben soll, wobei ein Schwerpunkt auf die Praxis gelegt wird. Eine rasche Überalterung solcher Begriffe ist vermeidbar, wenn Medienkompetenz als Oberbegriff eine systematische Grundlage bietet, auf die Begriffe wie die Digital Literacy zurückgeführt werden können.Dr. Manuela Pietraß ist Professorin an der Universität der Bundeswehr München und lehrt dort Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienbildung.
Literatur:
Baacke, Dieter (1996). Medienkompetenz und sozialer Wandel. In: Rein, Antje von (Hrsg.), Medienkompetenz als Schlüsselbegriff. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. S. 112-124.
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.), Kompetenzen in einer digital geprägten Kultur. Medienbildung für die Persönlichkeitsentwicklung, für die gesellschaftliche Teilhabe und für die Entwicklung von Ausbildungs- und Erwerbsfähigkeit. Bonn: BMBF.
Fluid Interfaces Group (2012). Thirdeye. www.fluid.media.mit.edu/people/pranav/current/thirdeye.html [Zugriff: 08.08.2012].
Gumbrecht, Hans Ulrich (2012). Präsenz. Berlin: Suhrkamp.
Hepp, Andreas/Krotz, Friedrich (2012). Mediatisierte Welten: Forschungsfelder und Beschreibungsansätze – Zur Einleitung. In: Hepp, Andreas/Krotz, Friedrich/Vogelgesang, Waldemar (Hrsg.), Mediatisierte Welten. Forschungsfelder und Beschreibungsansätze. Wiesbaden: Springer. S. 7-26.
Hüther, Jürgen/Schorb, Bernd (Hrsg.) (2004). Medienpädagogik. Grundbegriffe Medienpädagogik. München: Kopaed. S. 68-82.
Jenkins, Henry (2006). Convergence Culture. Where old and new media collide. New York: New York University Press. S. 251-269.
Johnson, Marie Genevieve (2008). Functional Internet Literacy: Required Cognitive Skills with Implications for Instruction. In: Lankshear, Colin/Knobel, Michele (Hrsg.), Digital Literacies. Concepts, Policies and Practices. New York: Peter Lang, S. 33-45.
Prensky, Marc (2001). Digital Game-Based Learning. McGraw-Hill, Chapter 2.Prensky, Marc (2001a). Digital Natives, Digital Immigrants. In: On the horizon 9, 5, S. 1-6.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Manuela Pietraß
Beitrag als PDFEinzelansichtJeffrey Wimmer: Teilhabe an Öffentlichkeit im Wandel
Gesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten und deren individuelle Realisierung sind ein grundlegender und unabhängiger Parameter für den Erfolg medienpädagogischer Praxis. Unter der Annahme eines engen Bezugs von Partizipation zum umfassenden Wandel von Kommunikations- und Medienkulturen wird das Ausmaß der Teilhabe an politischer Öffentlichkeit in Zeiten der Mediatisierung analysiert. Es werden drei Entwicklungsprozesse identifiziert, die den Wert und das Verständnis von Partizipation heutzutage grundlegend ändern.
Dr. Jeffrey Wimmer vertritt die Professur für Kommunikationswissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg. Er ist Juniorprofessor für sozialwissenschaftliche Aspekte digitaler Spiele und virtueller Welten an der TU Ilmenau. Seine Schwerpunkte sind Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Spiele/Virtuelle Welten und Medienkulturforschung.
Literatur:
Couldry, Nick/Livingstone, Sonia/Markham, Tim (2007). Media Consumption and Public Engagement. London: Palgrave Macmillan.
Jenkins, Henry (2010). Civic Media: A Syllabus. civic.mit.edu/blog/henry/civic-media-a-syllabus [Zugriff: 01.08.2012].
Krotz, Friedrich (1998). Öffentlichkeit aus Sicht des Publikums. In: Jarren, Otfried/Krotz, Friedrich (Hrsg.), Öffentlichkeit unter Vielkanalbedingungen. Baden-Baden: Nomos, S. 95-117.
Krotz, Friedrich (2007). Mediatisierung: Fallstudien zum Wandel von Kommunikation. Wiesbaden: VS-Verlag.
Neuberger, Christoph (2009). Internet, Journalismus und Öffentlichkeit. Analyse des Medienumbruchs. In: Neuberger, Christoph/Nuernbergk, Christian/Rischke, Melanie (Hrsg.), Journalismus im Internet: Profession – Partizipation – Technisierung. Wiesbaden: VS-Verlag, S. 19-105.
Peters, Bernhard (1994). Der Sinn von Öffentlichkeit. In: Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.), Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen (Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 34). Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 42-76.
Shell Deutschland (Hrsg.) (2010). Shell Jugendstudie 2010. Frankfurt a. M.: Fischer.van Eimeren, Birgit/Frees, Beate (2011). Drei von vier Deutschen im Netz – Ende des digitalen Grabens in Sicht? In: Media Perspektiven, 7-8, S. 334-349.
Thimm, Caja/Einspänner, Jessica/Dang-Anh, Mark (2012). Politische Deliberation online. Twitter als Element des politischen Diskurses. In: Hepp, Andreas/Krotz, Friedrich (Hrsg.), Mediatisierte Welten: Beschreibungsansätze und Forschungsfelder. Wiesbaden: VS Verlag, S. 283-305.
Wimmer, Jeffrey (2007). (Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft. Wiesbaden: VS Verlag.Wimmer, Jeffrey (2011). Zwischen Subjekt und System. Politische Öffentlichkeit als multidimensionaler Kommunikationsprozess und Mehrebenenphänomen. In: Quandt, Thorsten/Scheufele, Bertram (Hrsg.), Ebenen der Kommunikation. Mikro- Meso-Makro-Links in der Kommunikationswissenschaft. Wiesbaden: VS-Verlag, S. 163-191.
Wimmer, Jeffrey (2012). „Bowling alone together“ – Der Zusammenhang von Sozialkapital und Ungleichheit in virtuellen Spielwelten. In: Stegbauer, Christian (Hrsg.), Ungleichheiten aus kommunikations- und mediensoziologischer Perspektive. Wiesbaden: VS Verlag, S. 323-344.
Yang, Mundo/Niesyto, Johanna/Baringhorst, Sigrid (2011). Politische Partizipation im Social Web. Das Beispiel nachhaltiger Konsumkritik im Social Web. In: Forum Wissenschaft & Umwelt, 14, S. 144-149.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Jeffrey Wimmer
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spektrum
Ida Pöttinger: Jedem das Seine?
In dem Beitrag wird zuerst der historische Werdegang von Institutionen beschrieben, die sich auf verschiedene Weise mit dem Thema Medien und Medienpädagogik beschäftigen. Weiter wird eine bessere Kooperation unter den Einrichtungen gefordert, um ein kohärentes Licht in die Öffentlichkeit zu tragen.Dr. Ida Pöttinger ist Vorsitzende der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg in den Bereichen Medienkompetenz und Programmforschung.
Literatur:
BMBF (2010). www.bmbf.de/pub/kompetenzen_in_digitaler_kultur.pdf [Zugriff:18.05.2009].
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2011). KIM 2010: Kinder und Medien. Computer und Internet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger. Stuttgart.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2011). JIM 2011: Jugend, Information und (Multi-)Media zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2012). FIM 2011: Familie, Interaktion & Medien. Untersuchung zur Kommunikation und Mediennutzung in Familien. Stuttgart.
Sarcinelli, Ulrich (2002). Medienkompetenz in der politischen Bildung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 2000 B 25,. www.bpb.de/publikationen/O97BSZ,3,0,Medienkompetenz_in_der_politischen_Bildung.html [Zugriff: 26.5.2002].
Der Bericht der Expertenkommission ist unter www.bmbf.de/pub/kompetenzen_in_digitaler_kultur.pdf abrufbar. [Zugriff:18.05.2009].
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Ida Pöttinger
Beitrag als PDFEinzelansichtAndreas Osterroth, Jürgen Gießing und Björn Eichmann: Sport an der Konsole
Eine Studie der Universität Landau kommt zu dem Ergebnis, dass ein zwölfwöchiges Training mit dem Programm WiiFit keine messbaren physiologischen Auswirkungen auf die teilnehmenden Probanden hat.Andreas Osterroth ist Realschullehrer mit den Fächern Sport, Mathematik und Deutsch.Dr. Jürgen Gießing ist Professor für Sportwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau am Campus Landau.Björn Eichmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Sportwissenschaft der Universität Koblenz-Landau in Landau.
Literatur:
Feltz, Deborah L./Landers, Daniel M. (1983). The effects of mental practice on motor skill learning and performance: A meta-analysis. Journal of Sport Psychology, 5, S. 25-57.
Fromm, Rainer (2003). Digital Spielen – real morden? Shooter, Clans und Fragger. Computerspiele in der Jugendszene. Marburg: Schüren.
Gunzenhäuser, Randi/Hahn, Angela/Keitel, Evelyne/Süß, Gunter (2003). Computerspiele – Eine Provokation für die Kulturwissenschaften? Lengerich: Pabst Science Publishers.
Lemola, Sakiri/Brand, Serge/Vogler, Nicole/Perkinson-Gloor, Nadine/Allemand, Mathias/ Grob, Alexander (2011). Habitual computer game playing at night is related to depressive symptoms. Personality and Individual Differences, April 18, 2011.
Lenhart, Peter/Seibert, Wolfgang (2001). Funktionelles Bewegungstraining: muskuläre Dysbalancen erkennen, beseitigen und vermeiden. München: Urban & Fischer.
Roberts, Glyn C. (2001). Advances in Motivation in Sport and Exercise. Illinois: Human Kinetics.
Schrammel, Sabrina (2007). E-Sport: Der Computer als Spiel- und Sportgerät. Medienimpulse, 16 (62), S. 51-54.
Stratton, Gareth/Ridgers, Nicola D. (2007). Comparison of energy expenditure in adolescents when playing new generation and sedentary computer games: cross sectional study.
Schmidt, Ute (2008). Konsolentraining für Sport. Eine Studie mit Bowling Novizen. Kognitive Systeme – Human Computer Interaction. WS 07/08 Universität Bamberg.
Tittlbach, Susanne/Sygusch, Ralf/Brehm, Walter/Woll, Alexander/Lampert, Thomas/Abele, Andrea E./Bös, Klaus (2011). Association between physical activity and health in German adolescents, In: European Journal of Sport Science, 11:4, (S. 283-291).
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Björn Eichmann, Jürgen Gießing, Andreas Osterroth
Beitrag als PDFEinzelansichtThomas Kupser und Mareike Schemmerling: KAMPAGNEN FÜR ALLE
Anhand von Zweikultur, einem Projekt im Rahmen von KAJUTO (Kampagnen von Jugendlichen für Toleranz), wird in diesem Artikel dargestellt, wie man mit Jugendlichen gemeinsam eine Sozialkampagne entwickeln und einem breiten Publikum präsentieren kann.Thomas Kupser ist Mitarbeiter im JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis.Mareike Schemmerling ist medienpädagogische Referentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am JFF.
Literatur:
Forst, Rainer (2003). Toleranz im Konflikt. Geschichte, Gehalt und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs. Berlin: Suhrkamp.
Kohl, Wiebke/Seibring, Anne (Hrsg.) (2012). Unsichtbares Politikprogramm? Themenwelten und politisches Interesse von „bildungsfernen“ Jugendlichen im Alter von 14-19 Jahren. Bonn: Bundeszentrale Politische Bildung.
Röttger, Ulrike (2006). Campaigns (f)or a better world? In: Röttger, Ulrike (Hrsg.), PR-Kampagnen. Über die Inszenierung von Öffentlichkeit. Wiesbaden: VS Verlag.
Zick, Andrea/Küpper, Beate/Höverman, Andreas (2011). Die Abwertung der Anderen. Eine europäische Zustandsbeschreibung zu Intoleranz, Vorurteilen und Diskriminierung. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung.Die Kampagnenprodukte können unter www.kajuto.de angesehen werden.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Thomas Kupser, Mareike Schemmerling
Beitrag als PDFEinzelansichtChristine Sattler: Medienbildung „from peer to peer“
Wissen nicht für sich behalten, sondern weitergeben. Seit 2006 bildet das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg mit dem Schüler- Medienmentoren-Programm Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren zu Expertinnen und Experten in Sachen Medienproduktion, Medienschutz und Medienanalyse aus. Die Schülerinnen und Schüler lernen, wie sie eigenverantwortlich eine AG oder ein Projekt leiten und wie sie ihr Wissen an Gleichaltrige und Jüngere weitergeben können.Christine Sattler ist Redakteurin bei MediaCulture-Online, dem Portal für schulische und außerschulische Medienbildung des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg – www.mediaculture-online.de
Literatur:
Pöttinger, Ida/Zinkgräf, Karin/Schneider-Weber, Karin (2009). SMEP oder Learning by Dewey. In: merz. medien und erziehung. Heft. 2009/01.Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Christine Sattler
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medienreport
Verena Weigand: Medienpraxis von Medienprofis:
Eltern für die Medienerziehung fit machen – das ist das Ziel des Medienpädagogischen Referentennetzwerks Bayern. Im Juni 2012 hatte der Stiftungsrat der Stiftung Medienpädagogik Bayern den Startschuss für kostenfreie Elternabende zu Fragen der Medienerziehung in der Familie gegeben. Seitdem können bayerische Bildungseinrichtungen kostenlos Referentinnen und Referenten unter www.stiftung-medienpaedagogik-bayern.de für medienpädagogische Elternabende anfragen. Die Bayerische Staatskanzlei unterstützt das Projekt.Die Idee dahinter: Was die Mediennutzung betrifft, sind Kinder ihren Eltern nicht selten eine Nasenlänge voraus. Doch auch technisch versierten Kindern fehlen oft die nötigen Kompetenzen für ein altersgerechtes Surfen, Chatten oder Spielen. Deshalb brauchen Eltern medienpädagogisches Hintergrundwissen und Tipps, um ihren Kindern eine adäquate, altersgerechte Mediennutzung vermitteln zu können.Schon bevor es das Referentennetzwerk gab, erreichten die Stiftung Medienpädagogik Bayern immer wieder Anfragen von Schulen, Kindergärten und anderen Bildungseinrichtungen nach Informationsveranstaltungen für Eltern zu medienpädagogischen Themen.
Auch von Seiten der Eltern wurde die Stiftung immer wieder darauf aufmerksam gemacht, wie schwierig es ist, mit der Medienentwicklung Schritt zu halten und seinen Kindern in der konvergenten und globalen Medienwelt kompetent zur Seite zu stehen.Eine Versorgungslücke, die den Impuls für den Aufbau des Medienpädagogischen Referentennetzwerks Bayern gab. Die Vermittlung kompetenter Referentinnen und Referenten ermöglicht eine nachhaltige Verankerung medienpädagogischer Themen in der Elternarbeit. Die Stiftung will mit dem Projekt einen Beitrag dazu leisten, die Integration medienpädagogischer Elternarbeit in Bildungseinrichtungen in ganz Bayern zu erleichtern. Das Projekt richtet sich dabei an alle bayerischen Bildungsinstitutionen wie Kindertageseinrichtungen, Schulen, Familienzentren oder Elternvereine. Die Stiftung stellt nicht nur einen Pool an kompetenten Referentinnen und Referenten zur Verfügung, sondern übernimmt auch deren Honorar- und Reisekosten. Außerdem hilft die Stiftung bei der Planung und Organisation der Elternabende.
So berät sie interessierte Bildungseinrichtungen individuell bei Themenwahl und Schwerpunktsetzung, stellt vorgefertigte Einladungen zur Verfügung und gibt organisatorische Hinweise und Tipps für die lokale Pressearbeit zur Bewerbung der Veranstaltungen. Auf der Webseite der Stiftung können sich die teilnehmenden Referentinnen und Referenten in einem eigenen Downloadbereich die entsprechenden Materialien herunterladen. Neben den Präsentationen zu den einzelnen Themenangeboten finden sich hier zugehörige Begleittexte und weitere Materialien, sei es zu Methoden der Elternarbeit oder zu fachspezifischen Themen. Der Mitgliederbereich bietet für die Referentinnen und Referenten aber vor allem eine Plattform, um sich – gemäß dem Netzwerkgedanken – in einem geschützten Raum über Erfahrungen auszutauschen und in Kontakt miteinander zu treten.
Themenangebot garantiert hohe Qualität
Alle Veranstaltungen stehen unter dem Motto „Verständnis – Verantwortung – Kompetenz“. Die Themenangebote orientieren sich konzeptionell an den Altersstufen der jeweiligen Kinder: Zur Auswahl stehen Elternabende für die Altersgruppen der Drei- bis Sechsjährigen, der Sechs- bis Zehnjährigen und der Zehn- bis 14-Jährigen. Für die letzten beiden Altersgruppen stehen zusätzlich die Schwerpunktthemen Internet, Handy, Computerspiele sowie Soziale Netzwerke und Cybermobbing zur Verfügung. Damit können die Referentinnen und Referenten auch auf aktuelle Trends und Wünsche der jeweiligen Zielgruppe reagieren – beispielsweise wenn es einen aktuellen Fall von Cybermobbing in einer Einrichtung gibt.Die Themenangebote stehen zunächst fest: Damit garantiert das Referentennetzwerk bayernweit die Vermittlung von im Wesentlichen gleichen und qualitativ hochwertigen medienpädagogischen Inhalten unter dem Dach der Stiftung. Während jedes Elternabends gibt es ausreichend Raum für Diskussionen und Interaktionen mit den Eltern.
So können die Veranstaltungen trotz der grundsätzlich gleichen Inhalte – abhängig von den Bedürfnissen der Zielgruppe und der individuellen Gestaltung der Veranstaltung durch die Referentin oder den Referenten – dennoch sehr variieren, beispielsweise durch den Einsatz verschiedener Methoden oder den Einbezug von Wünschen der Eltern oder aktueller Entwicklungen.Bevor im Juli 2012 die ersten Elternabende erfolgreich gehalten wurden, gab es ein halbes Jahr Vorlauf. Im November 2011 begann der Aufbau des Medienpädagogischen Referentennetzwerks Bayern durch die Stiftung. Folgende Kriterien mussten beim Aufbau des Referentenpools erfüllt sein: Mögliche Referentinnen und Referenten mussten medienpädagogisch vorgebildet sein und sollten möglichst aus allen Regierungsbezirken Bayerns stammen.Im März und Mai 2012 konnte die Stiftung insgesamt 60 Referentinnen und Referenten aus ganz Bayern für die Durchführung medienpädagogischer Elternabende schulen. Die dreitägigen Schulungsveranstaltungen beinhalteten neben der Vermittlung der Schwerpunkte der Elternabende auch grundlegende Informationen zu deren Durchführung und Gestaltung – zum Beispiel auch zu Methoden der Elternarbeit. Fachvorträge zu Themen wie Jugendmedienschutz oder Urheberrecht ergänzten das Schulungsangebot, das grundsätzlich sehr positiv aufgenommen wurde.
Mit der Ausarbeitung der Schulungsinhalte und der Umsetzung der Schulungen hatte die Stiftung das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis beauftragt. Die Entwicklung der Inhalte erfolgte dabei in enger Abstimmung mit der Stiftung. Bis Ende 2012 stehen nun die Expertinnen und Experten der Stiftung im Rahmen eines begrenzten Kontingents für medienpädagogische Elternabende bereit. Am Ende dieser Pilotphase findet eine Auswertung der Erkenntnisse aus den Veranstaltungen statt, um mögliche Kritikpunkte aufzugreifen und gegebenenfalls nötige Korrekturen durchführen zu können. Ab 2013 will das Referentennetzwerk zusätzlich Auffrischungs- oder Weiterbildungs-Workshops für aktive Referentinnen und Referenten anbieten. Die eintägigen Treffen sollen die Möglichkeit bieten, aktuelle Trends aufzugreifen, aber vor allem auch dem direkten Austausch zwischen den Referentinnen und Referenten dienen. Denn die Stiftung ist davon überzeugt, dass gerade der Netzwerk-Gedanke das Medienpädagogische Referentennetzwerk Bayern zu einem Erfolg machen wird.Verena Weigand ist Jugendschutzreferentin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien BLM und Leiterin der KJM-Stabsstelle.
Kurzinterview mit Siegfried Schneider, Vorsitzender des Stiftungsrats der Stiftung Medienpädagogik Bayern
merz: Herr Schneider, Sie sind Vater dreier – mittlerweile erwachsener – Kinder. Waren Sie immer auf dem Laufenden bezüglich der Mediennutzung Ihres Nachwuchses?
Schneider: Natürlich habe ich mich damit auseinandergesetzt, was meine Kinder gesehen, gehört oder gelesen haben. Aber ich muss auch zugeben: Obwohl das vor einigen Jahren, als meine Kinder klein waren, noch viel einfacher war als heute, habe ich nicht immer alles mitbekommen.
merz: Das Medienpädagogische Referentennetzwerk Bayern setzt genau da an …
Schneider: Richtig – denn der Grundstein der Mediennutzung wird bereits in der Familie gelegt. Für eine altersgerechte Unterstützung müssen Eltern die schnelllebigen Medienwelten ihrer Kinder verstehen, aber auch Erziehungsverantwortung übernehmen. Hier bieten die Elternabende des Referentennetzwerks Hilfestellung.
merz: Es gibt schon sehr viele medienpädagogische Projekte – in Bayern und auch bundesweit. Was macht das Medienpädagogische Referentennetzwerk Bayern einzigartig?
Schneider: Dank des medienpädagogischen Referentennetzwerks gibt es erstmals bayernweit und flächendeckend ein qualitativ hochwertiges Angebot an kostenfreien Referenten für Medienpädagogische Themen. Damit wird die medienpädagogische Arbeit von Multiplikatoren in Bayern vereinfacht und qualitativ aufgewertet.
Zahlen & Fakten
Projektstart: November 2011Pilotphase: 2011/2012 mit abschließender EvaluierungIn Pilotphase: Schulung von ca. 60 Referentinnen und Referenten Kostenlose Teilnahme an einer dreitägigen Schulung (Hotel- und Reisekosten inklusive) Elternabende für drei Altersgruppen: Angebot umfasst acht inhaltliche Schwerpunkte Ausblick 2013: Auffrischungs- oder Weiterbildungs-Workshops für aktive Referentinnen und Referenten
Horst Pohlmann und Kerstin Heinemann: gamescom 2012 – Medienpädagogische Spots auf die Computerspielemesse
Die gamescom ist die weltweit größte Messe für interaktive Unterhaltungselektronik und verzeichnete 2012 laut eigenen Angaben einen erneuten Besucherrekord von knapp 275.000 Gästen. Die Medienpädagogik darf dabei natürlich nicht fehlen und so sollen im Folgenden zwei thematische Spots gesetzt werden.
Die P2P-Kampagne „Dein Spiel. Dein Leben.“ – ein Reisebericht
Mittwoch, der 15.08.2012. 35 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 25 Jahren stehen mit ihren Koffern und Schlafsäcken an den Bahnhöfen in Augsburg, Bonn, Bielefeld, Erfurt, Gütersloh und Karlsruhe. Ihr Ziel ist die gamescom in Köln. Im Gegensatz zu den 275.000 anderen Besucherinnen und Besuchern der weltweit größten Messe für interaktive Unterhaltungssoftware kommen sie nicht zum Daddeln her, sondern um andere Gamer von ihrer Kampagne zu überzeugen. In Köln starteten die Vorbereitungen für die Kampagnen-Eröffnung schon einige Wochen vorher: Es wurde geplant, welche Aktionen am Messestand stattfinden sollten, Zelte wurden gebucht und auf der Arena-Bühne der esl (electronic sports league, sozusagen die Bundesliga der Computerspiele) in Halle 8, dem Speakers Corner in Halle 10.1 sowie dem gamescom-congress im Kongresszentrum wurden Zeit-Slots reserviert, um Dein Spiel. Dein Leben. der (Gaming-) Öffentlichkeit zu präsentieren. Während die studentischen Messebauer eine Woche vor der gamescom ihren Freundeskreis einspannten, um den Messestand zu bauen, wurde parallel an der Internetseite, den Flyern und der offiziellen Pressemitteilung gearbeitet.
Für die ersten beiden Jungs wird es bereits am Fachbesuchertag ernst: Ein Interview mit einer Journalistin für den WDR steht auf dem Programm. Routiniert erzählen sie ihr, was es mit der Kampagne auf sich hat, wie sie selbst es schaffen, reales und virtuelles Leben in Balance zu halten, was ihre Lieblingsspiele sind und welches Computerspiel das erste war, das sie jemals gespielt haben.Ein Foto-Shooting später treffen sie dann auf die anderen, um mit den Organisatoren von Spielraum die Details zum Ablauf der kommenden vier Tage durchzugehen, Eintrittskarten und Verpflegungsgeld in Empfang zu nehmen und gemeinsam mit ihren Betreuerinnen und Betreuern den Zeltplatz zu suchen.Nachdem in der Nacht auf Donnerstag ein kräftiges Gewitter die Zelte unter Wasser gesetzt und auch die eine oder andere Reisetasche mit Klamotten nicht unversehrt gelassen hatte, macht sich die Gruppe auf den Weg zu den Messehallen. In Halle 10.1, der vermeintlich leisesten der Hallen, in der zahlreiche medienpädagogische Institutionen und Projekte ihre Stände aufgebaut haben, erwartet sie der Messestand ihrer Kampagne Dein Spiel. Dein Leben., die zusammen mit dem Multimedia-Wettbewerb MB21 den Kern des Standes unter dem Dach der Initiative Dialog Internet darstellt. Als erstes teilen sie sich auf und entscheiden, wer welche Aktionen im Laufe des Tages durchführen bzw. betreuen wird: Die ersten wählen die Button-Maschine, mit der die Besucherinnen und Besucher sich selbst einen Kampagnen-Anstecker mit QR-Code basteln können, die nächsten entscheiden sich für die Betreuung des Spiels Bomberman-Battle, in dem der Spieleklassiker zu viert gespielt werden kann, andere für Pong-Invaders, in dem Pixel-Aliens mit Hilfe einer Partie Tischtennis an der Landung gehindert werden müssen und das zu neuen sportlichen Highscores verleitet. Wieder andere schnappen sich Aufnahmegeräte und fangen in kurzen Interviews Stimmen von Messebesucherinnen und -besuchern ein (Highlight einer Familie aus Dänemark: „Ich wünschte, es gäbe eine solche Initiative auch bei uns in Dänemark!“) und schließlich gilt es, Flyer der Kampagne unters Volk zu bringen. Bei so vielen Aufgaben ist es klar, dass jeder in den nächsten Tagen mal alles machen muss – Abwechslung garantiert. Und all diese Aktionen haben nur einen Sinn: Mit den Gamern ins Gespräch zu kommen und ihnen die Kampagnen-Idee näher zu bringen.In der Zwischenzeit sind der Referatsleiter Jugend und Medien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und die im Ministerium für die Kampagne verantwortliche Referentin aus Berlin angekommen.
Sie wollen sich den Messestand anschauen, Gespräche führen, Eindrücke sammeln und am gamescom-congress teilnehmen. Sie treffen sich mit den Jugendlichen, die die Kampagne seit Anfang des Jahres gestalten. Im Interview, das für die Internetseite des Dialog Internet des BMFSFJ dokumentiert wird, lernt man sich kennen und schätzen. Vor der offiziellen Eröffnung und Vorstellung der Kampagne vor Publikum und Presse am Nachmittag haben die Jugendlichen noch eine ‚Generalprobe‘: Auf der Bühne der esl-Arena in Halle 8, der vollsten der Messehallen, stellen am Mittag zwei Vertreter der Jugendlichen gemeinsam mit einem Pro-Gamer des E-Sport-Vereins nfaculty! und einem Mitarbeiter von Spawnpoint erstmals Dein Spiel. Dein Leben. vor. Rund sechzig Zuschauerinnen und Zuschauer sitzen im Publikum, aber das Ganze läuft auch live über esl-TV im Netz – Zuschauerzahl unbekannt. Nach der gelungenen Präsentation vibriert das Handy: Ein Freund hat zufällig zuhause esl-TV und seinen Kumpel im Live-Stream gesehen. Mit anderer Besetzung und eigener Moderation seitens der Jugendlichen, den Vertreterinnen und Vertretern von nfaculty!, Spawnpoint, Spielraum und des Ministeriums ist es dann um 15.15 Uhr so weit: Eine halbe Stunde Zeit, die Kampagne offiziell zu eröffnen. Im Publikum sitzen und stehen rund einhundert Interessierte, darunter Presse, Erwachsene und natürlich Gamer. Ablaufplan und einstudierte Statements halten nicht allzu lange: Es muss ein wenig improvisiert werden. Doch die Kernbotschaft und die Ideen der Kampagne scheinen angekommen zu sein: Applaus aus den Reihen des Publikums und einige finden sich im Anschluss an die Präsentation am Stand ein und wollen Genaueres erfahren. Das ging schneller vorbei als gedacht.
An den nächsten Tagen Freitag bis Sonntag kehrt Routine ein und die Interviews und Gespräche mit Interessierten gewinnen an Souveränität. Die Vorstellung der Kampagne auf dem gamescom-congress am Freitag, an dem vorwiegend Pädagoginnen und Pädagogen teilnehmen, läuft ohne Beteiligung der Jugendlichen, ist aber zumindest mit rund 25 Teilnehmenden einer der am besten besuchten Workshops, nicht alleine deshalb, weil dort mit den Medienscouts NRW und der Initiative Creative Gaming auch zwei weitere medienpädagogische best-practice-Projekte vorgestellt werden. Nicht nur die hochsommerlichen Temperaturen und die Übernachtung im Zelt, sondern auch die überfüllten Hallen am Samstag und Sonntag sowie der andauernde Lautstärkepegel in der (leisesten) Messehalle sorgen so langsam dafür, dass am Ende ein wenig die Puste ausgeht. Dennoch fragen Jugendlichen: „Das war cool! Machen wir das nächstes Jahr wieder?“ Und wenn man resümiert, welche Aktion am Messestand am meisten gefragt war, dann ist es das Tischtennis-Spiel gegen die Pixel-Aliens und die Möglichkeit, sich einen Button machen zu können – analoger geht es kaum …
Wenn Pädagoginnen und Pädagogen zocken – Pädagogen-LAN auf der gamescom 2012
Donnerstag, 17. August 2012, Bürgerzentrum Deutz: 31 Erwachsene aus den unterschiedlichsten pädagogischen Institutionen sitzen in Zweier-Konstellationen zusammengewürfelt und mit erwartungsvollen Blicken vor den Rechnern. Gleich beginnt sie, die Pädagogen-LAN – also Zocken mit pädagogischem Blick. Doch bevor es in die Praxis geht, gibt es zunächst einmal eine medienpädagogische Einführung von Arne Busse von der Bundeszentrale für politische Bildung. Hier bekommt man einen guten Überblick über den aktuellen Forschungsstand, erfährt etwas über die Inhalte und Wirkungen virtueller Spielewelten, lernt das Konzept der Eltern-LAN kennen und hat gleichzeitig die Möglichkeit, die eigenen pädagogischen Erfahrungen in die Diskussion einzubringen. Zugegeben, leicht fällt es nicht, den Rechner vor sich einfach mal unbeachtet zu lassen und so hört man auch ab und an ein Geräusch aus den Lautsprechern, das den nächsten Programmpunkt ankündigt: Das Spielen! Zwei Spiele werden heute angespielt – TrackMania und Counter-Strike. Bei TrackMania handelt es sich um eine spannende Mischung aus Rennspiel und der Möglichkeit eigene Strecken zu bauen (vgl. Anfang, merz 2007/3, S. 81). Die erstellten Strecken lassen sich danach in 3D-Grafik sowohl im Einzelspieler-Modus wie auch im Mehrspieler-Modus befahren. Bekannt ist TrackMania durch seinen Online-Modus mit, je nach Version bis zu zehn Millionen registrierter Accounts. Counter-Strike ist wohl eines der bekanntesten Spiele aus dem Bereich der First Person Shooter und damit immer wieder im Fokus der Wirkungsdebatten. In dem Spiel geht es um Kämpfe zwischen Terroristen und einer Antiterroreinheit, bei denen bestimmte Aufträge erfüllt werden müssen. Die Kommunikation im Team spielt hierbei, genauso wie die feinmotorisch sensible Steuerung der Spielfigur, eine entscheidende Rolle.
Bei beiden Spielen zeigte sich, dass die angesetzte Spielphase von den Teilnehmenden als zu kurz empfunden wurde, deren Lust sich tiefer in das Spielgeschehen zu begeben groß war. In der anschließenden Diskussion wurden die noch frischen Erfahrungen ausgetauscht, mit der eigenen pädagogischen Praxis abgeglichen und aktuelle medienpädagogische Diskussionen vertieft. Dabei kam die Diskussion um Gefährdung durch exzessives Spielen genauso wenig zu kurz, wie die Frage nach Creative Games oder dem Einsatz des Konzeptes der Eltern-LAN an der eigenen pädagogischen Einrichtung. Die Pausen standen ganz im Zeichen der Vernetzung. Man diskutierte weiter, Visitenkarten wurden ausgetauscht und Friend-Adds auf Facebook ad hoc getätigt.
Besonderes Highlight zum Abschluss der Pädagogen-LAN war der Besuch der gamescom und die Führung durch Mitarbeiter der Electronic Sports League, die noch einmal einen ganz anderen Blick auf das Thema Computerspiele boten.Horst Pohlmann, Dipl.-Soz.Päd., MedienSpielPädagoge (M. A.), Co-Leitung von Spielraum – Institut zur Förderung von Medienkompetenz an der Fachhochschule Köln, Dozent für Kulturelle Medienbildung an der Akademie Remscheid Kerstin Heinemann, Dipl. Rel.Päd, Medienpädagogin, medienpädagogische Referentin am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis.Die P2P-Kampagne Dein Spiel. Dein Leben. zur Prävention und Sensibilisierung junger Menschen bei der Nutzung virtueller Spielwelten wurde seit Jahresbeginn 2012 von über 120 jugendlichen Gamern aus dem ganzen Bundesgebiet gemeinsam mit dem Institut Spielraum der Fachhochschule Köln und dem Institut für Computerspiel Spawnpoint an der Fachhochschule Erfurt gestaltet. Die Jugendlichen haben in zwei Workshop-Phasen, im Austausch mit Pädagoginnen und Pädagogen auf der fünften medienpädagogischen Netzwerktagung 2012 von Spielraum im März an der FH in Köln und auf dem gamescamp 2012 auf Burg Lohra in Thüringen erarbeitet, wie Gamerinnen und Gamer angesprochen werden können, über ihr eigenes Spielverhalten nachzudenken, sich mit anderen darüber auszutauschen und eine Balance zwischen virtueller und realer Welt herzustellen. Das Kernergebnis ist ein dreistufiger Aufruf an Gamer, sich kreativ an einem Wettbewerb zu beteiligen, Gütekriterien für soziales Miteinander in Spielgemeinschaften zu etablieren und als Einzelspielerin bzw. -spieler deutlich zu machen, dass Gaming reflektiert stattfindet.Infos zur Kampagne, Workshop-Ergebnisse, Presse-Berichterstattung sowie Impressionen vom Stand sind zu finden unter: www.dein-spiel-dein-leben.de
Die Eltern-LAN versteht sich als aktive Medienarbeit mit Erwachsenen (Eltern, Lehrkräfte ... ) zum Thema Computerspiele mit den Zielen:- Berührungsängste gegenüber neuen Medien abbauen- Orientierungswissen über Computerspiele und Medienkompetenz vermitteln- die Motivation und die Fähigkeit fördern, sich mit Kindern und Jugendlichen über deren mediales Handeln und die Inhalte von Computerspielen kritisch auseinanderzusetzen- den medienpädagogischen Raum in Familie, Schule et cetera (wieder-)gewinnen.Die Eltern-LAN wird seit 2008 veranstaltet von spielbar.de, das interaktive Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb zum Thema Computerspiele, dem Spieleratgeber-NRW des Vereins ComputerProjekt Köln e. V., Spielraum, Institut zur Förderung von Medienkompetenz an der Fachhochschule Köln, und der Turtle Entertainment GmbH, der Veranstalterin der Electronic Sports League. Mit freundlicher Unterstützung von BITKOM – Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V.www.eltern-lan.info
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Kerstin Heinemann, Horst Pohlmann
Beitrag als PDFEinzelansichtRiccarda Groß-Possin: DU bist perfekt!
‚Was ist deine Behinderung? Wovor hast du am meisten Angst? Wen liebst du am meisten?‘ Um in Nico von Glasows Theaterstück Alles wird gut mitspielen zu dürfen, müssen sich die Schauspielerinnen und Schauspieler – ob körperlich bzw. geistig behindert oder nicht – zunächst diesen Fragen stellen und so einen Teil ihres Innersten, ihrer ureigenen Persönlichkeit nach außen kehren. Und genau dies ist auch das Besondere an dem Stück und vor allem an dem Film, der im Laufe seiner Entwicklung entstanden ist und die Proben des Theaterstücks nachzeichnet. Nicht die ‚äußerlich sichtbaren‘ Behinderungen der einzelnen Schauspielerinnen und Schauspieler, nicht ihre großartige Leistung auf der Bühne, sondern vielmehr ihre Echtheit, die feinfühlige Inszenierung der Darstellerinnen und Darsteller zwischen Realität und Spiel, zwischen den Vorgaben des Stücks und ihren ureigenen Besonderheiten, Sehnsüchten und Ängsten reißen das Publikum vom ersten Moment an mit, heben es aus den Sitzen und entführen es in eine Welt voller Träume und Wünsche aber eben auch voller Konflikte.Auch der Inhalt des Stückes erwächst dabei erst nach und nach aus den Charakteren des Ensembles heraus. Lediglich das Setting steht zu Beginn der Proben fest: Ein Casting soll es sein. Ein Casting, bei dem sich eben auch Menschen mit Behinderung präsentieren möchten, um mit ihrer Stimme das Publikum zu begeistern. Doch aus versicherungstechnischen Gründen werden alle Bewerberinnen und Bewerber mit Behinderung in einen separaten Raum geführt, um dort auf ihren Auftritt zu warten. Zum großen Auftritt kommt es aber nicht – zumindest nicht so, wie beabsichtigt – denn der Raum mit seinen besonderen Talenten wird von der Casting-Leitung schlichtweg vergessen. So verbringen die Wartenden einen Tag voller Hoffen und Zweifeln miteinander, es kommt zu schüchternen Annäherungsversuchen und zu gereizten Streitereien, während die Anspannung beim Warten auf den großen Auftritt immer weiter steigt.
Die einzelnen Charaktere entstanden aus der Improvisation und aus den Gesprächen mit den Schauspielerinnen und Schauspielern heraus und beziehen somit auch deren ‚wahre‘ Bedürfnisse, Gefühle und Ängste mit ein. Dies hält bei den Proben mitunter reichlich Konfliktstoff bereit und führt die Frauen und Männer nicht selten bis an die eigenen Grenzen. Aber auch diese Konflikte werden im Film nicht ausgespart, sondern mit der Kamera eingefangen. So kann der Zuschauer mitverfolgen, wie das Theaterstück wächst, Probleme ausdiskutiert werden und Freundschaften entstehen, sich aber auch scheinbar unüberwindbare Barrieren auftun. Gerade das Zusammenspiel von behinderten und nicht behinderten Schauspielerinnen und Schauspielern stellte hier eine große Herausforderung dar, die aber gut gemeistert wurde – gerade weil diese Konflikte nicht unter den Teppich gekehrt werden.Der Kinobesucher wird dabei den unterschiedlichsten Emotionen ausgesetzt und erlebt Momente, die zu schallendem Gelächter aufrufen, oder so sehr berühren, dass die Tränen in die Augen steigen. Ganz sensibel wird dabei auf die einzelnen Persönlichkeiten eingegangen und schon bald verwischen die Grenzen zwischen Schauspiel und Realität. War man zunächst noch interessiert am Inklusionsgedanken des Stücks, so tritt dies schnell in den Hintergrund und man fragt sich bald, warum ‚Inklusion‘ überhaupt ein Thema ist, über das gesprochen wird, ja gesprochen werden muss, wo doch das gemeinsame Spielen, Lachen und Streiten so einfach und natürlich ist.
Ein Theaterstück mit möglichst vielen behinderten Menschen inszenieren – das war die Aufgabe vor die sich Nico von Glasow gestellt sah. Herausgekommen ist dabei aber viel mehr: Ein Theaterstück, das zeigt, dass jeder Mensch Eigenschaften besitzt oder sich vor mentale Schranken gestellt sieht, die ihn behindern – und dass jeder Mensch, ob mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung oder medizinisch ‚gesund‘, besondere Bedürfnisse hat, die es zu erfüllen gilt, um glücklich zu werden. Und ein Film, der einen ganz besonderen Prozess nachzeichnet – die Entstehung eines Theaterstücks, aber auch die Portraits ganz unterschiedlicher Menschen, die sich bei genauem Hinsehen doch ähnlicher sind als zunächst angenommen.
Alles wird gut
Deutschland (2012)
Buch und Regie: Niko von Glasow
Darsteller: Jana Zöll, Mirco Monshausen, Oliver Grice, Jan Dziobek, Bettina Mickenhaupt, Leslie Ann Mader, Milena Güleryüz, Nico Randel, Manon Wetzel, Christina Zajber, Annika Reinicke, Christiane Grieb, Sofia Plich, Marvin Fuchs
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Riccarda Groß-Possin
Beitrag als PDFEinzelansichtThorolf Lipp: Le Cameroun sur scène
Wenn hierzulande von Theater die Rede ist, denkt man häufig entweder an volkstümelnden Wohfühlstoff oder aber an ein eher klinisches Sezieren der gesellschaftlichen Verhältnisse. Anders als etwa im 18. Jahrhundert traut man dem Theater eine Breitenwirkung heute offenbar kaum noch zu – was sicher auch mit seiner nur selten über das Feuilleton hinaus sichtbaren Medienpräsenz zu tun hat. Dabei sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache. Allein die Theater in öffentlicher Trägerschaft konnten in der Saison 2008/09 mit 19,3 Millionen mehr Zuschauerinnen und Zuschauer verbuchen als die Erste und Zweite Fußball Bundesliga zusammengenommen mit 17,9 Millionen Menschen.Um wieviel größer muss das Potenzial für dieses Mensch-zu-Mensch Medium erst im Afrika südlich der Sahara sein, wo Print- und audiovisuelle Medien aufgrund einer hohen Analphabetenrate und des ‚Digital Divide‘ weit weniger verbreitet sind. Dort sehen nicht nur die Theatermacher, sondern auch Entwicklungsexperten und Nichtregierungsorganisationen im Theater eine gute Möglichkeit, mit Menschen direkt zu kommunizieren, sie zu mobilisieren, um ihre Lebenssituation konkret zu verbessern: Theater für Entwicklung ist das Stichwort. Genau dafür hat sich die junge Filmemacherin Natalie Patterer interessiert. Sie ist dem einen Medium mit Hilfe eines anderen nachgegangen und herausgekommen ist ein 52-minütiger Film über Entwicklungstheater in Kamerun. Dass eine derartige Interessenskonstellation überhaupt entstehen konnte, ist nicht zuletzt dem BA Studiengang „Theater und Medien“ an der Universität Bayreuth geschuldet, in dem die vielfältigen Interdependenzen zwischen Theater und anderen Formen der medialen Kommunikation ausgelotet werden.Man würde dem Film nicht gerecht werden, wenn man ihn nur als „studentische Produktion“ lobte.
Tatsächlich entsprechen die inhaltlichen, narrativen und produktionellen Qualitäten fast durchweg den derzeitigen Ansprüchen der Bewegtbildindustrie. Wenn er auf arte gesendet würde, kaum jemand würde sehen, dass hier vier junge Studierende am Werk waren, die in erster Linie Fachstudierende sind.Es gelingt Natalie Patterer überzeugend darzustellen, welches Potenzial Entwicklungstheater für ein Land wie Kamerun haben kann. Dazu wechselt sie mehrfach die Schauplätze, um eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie verbreitet dieses Medium tatsächlich ist und welch große Bandbreite an gesellschaftlichen Diskursen es berührt. So zeigt das kleine und dennoch internationale Festival CICAK in Kiribi im Süden des Landes, wie lebendig, farbenfroh, vielfältig und gesellschaftskritisch Theater hier ist. Die drei jungen Männer des Dreier-Ensembles Art et Strategie, streiten sich mit einer genauso witzigen wie entlarvenden Rhetorik um eine kleine Sitzbank, die die Macht symbolisiert. Eine überzeugende Parabel über die Figur des afrikanischen Despoten, den diese junge Theatergeneration offenbar als afrikanisches Problem und nicht mehr so sehr als direkte Folge des Kolonialismus begreift.
Theater soll hier, so die Festivaldirektorin France Ngo Mbock, vor allem die schmerzhafte Lücke füllen, die der Verlust des traditionellen Geschichtenerzählens in die sozialen Strukturen gerissen hat. Zweiter Schauplatz des Films ist die Hauptstadt Yaounde, wo alljährlich das internationale Theaterfestival RETIC stattfindet. Im Mittelpunkt des Festivals 2009 stand die „Frau als Künstlerin“, auch das ein Hinweis darauf, dass man an globalen Diskursen teilnimmt. Die Autorin begleitet die kamerunische Regisseurin Deneuve Djobong, die ein Stück von Joseph Pliya zum Thema weibliche Unfruchtbarkeit und die damit oft einhergehende soziale Ausgrenzung inszeniert hat. Schließlich führt uns der Film ins SOS Kinderdorf Mbalmayo wo die Relevanz eines ganz anderen Theaters deutlich wird: Hier führen Dozenten und Studierende der Universität Yaounde ein Projekt mit den Kindern und deren SOS-Müttern und -Tanten durch, um verborgene soziale Spannungen aufgreifen und verarbeiten zu können.Abgefilmtes Theater kann schnell langweilen. Insofern war es notwendig, eine narrative Strategie zu entwickeln, die zwar die typischen Interaktionen auf den „Brettern, die die Welt bedeuten“ zeigt, darüber hinaus aber auch passende filmische Mittel einsetzt, um das Thema adäquat umzusetzen. Natalie Patterer hat sich für eine gute Mischung aus beobachtenden Bildern, On-Camera Interviews und kurzen Theatermitschnitten entschieden.
Es wäre leicht gewesen, eine mit Musik- und Zeitlupeneinsatz emotionalisierte Human-Touch Geschichte zu erzählen oder das Publikum mit einem allwissenden Kommentar in eine gesellschaftskritische Betroffenheitssoße zu tunken. Aber die Autorin widersteht diesen Versuchungen. Man merkt: Sie will wirklich selbst etwas über die Möglichkeiten des Entwicklungstheaters lernen und opfert dieses Erkenntnisinteresse nicht einer schicken, allzu emotionalisierenden dramaturgischen Form. Vor allem verzichtet sie auf einen Kommentar aus dem Off. Sie weiß, dass es für eine noch junge, europäische Filmemacherin unangemessen wäre, sich hier mit eigenen Worten oder Wertungen Deutungshoheit über ein fremdes kulturelles Phänomen anzumaßen. Statt dessen überlässt sie ausschließlich den Protagonisten das Wort. Natürlich ist trotzdem sie es, die in akribischer Kleinarbeit aus dem umfangreichen Rohmaterial diejenigen Szenen auswählt, die das Thema nach und nach in seiner Bandbreite auffächern. Aber sie tut dies bescheiden, neugierig und mit einem guten Sinn für das Gesamtphänomen, denn hier kommen alle zu Wort: Schauspieler, Regisseure, Festivaldirektor, Dozenten und die Kinder aus dem SOS Kinderdorf.
Le Cameroun sur scène widerlegt das häufig kolportierte Vorurteil, dass die Digital Natives nicht mehr in Ruhe zuhören oder -sehen können oder wollen. Er unterstreicht das Interesse dieser Generation an der Welt und macht Hoffnung, dass an den Universitäten nicht nur das Handwerk für filmisches Erzählen, sondern auch die Begeisterung für eine reflektierte Auseinandersetzung mit relevanten Inhalten vermittelt wird. Insofern ist mir persönlich dieser Film als Abschluss eines universitären Studienganges viel lieber als die vielen raffinierten Filmchen, die hier ebenfalls entstehen, aber vielleicht doch eher Domäne der Film- oder Kunsthochschulen sein sollten.
Natalie Patterers Film Le Cameroun sur scène steht bei der Online Film AG zum Download bereit:
www.kulturserver.de/-/kulturschaffende/detail/750461 www.buehnenverein.de/de/publikationen-und-statistiken/statistiken/theaterstatistik.html (Zugriff: Dezember 2010)2
www.weltfussball.de/zuschauer/bundesliga-2008-2009/1 (Zugriff: Dezember 2010)
Thorolf Lipp ist Kulturanthropologe und Inhaber der Arcadia Filmproduktion und produziert Dokumentarfilme, TV-Dokumentationen und Museumsmedien. Seine Schwerpunkte sind Medien, Kunst, Religion sowie das immaterielle Kulturerbe.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Thorolf Lipp
Beitrag als PDFEinzelansichtBenedikt Hommann: Spec Ops: The Line
Die First- und Third-Person-Shooter, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind, unterscheiden sich voneinander häufig nur im Setting oder der grafischen Vollkommenheit. Die den Spielen zugrundeliegenden Geschichten sind oftmals die gleichen: Als heldenhafter Soldat rettet man Unschuldige oder gleich die ganze Welt, kämpft gegen Terroristen, Despoten oder Wahnsinnige. Aber was passiert, wenn man selbst nicht mehr erkennen kann, wer Held und wer Verbrecher ist, wo der Wahnsinn beginnt und wo er endet? Mit Spec Ops: The Line (2K Games) ist ein Third-Person-Shooter erschienen, der mit den gängigen Spieleklischees von Gute und Böse bricht – und dies auf eine für die Spielenden fast schon schmerzhafte Weise. Das Spiel des deutschen Entwicklerstudios Yager spielt in der von riesigen Sandstürmen heimgesuchten Metropole Dubai. Eine dreiköpfige Spezialeinheit um Captain Walker ist in der einst so prachtvollen Stadt eingetroffen, mit dem Ziel, das Schicksal des hochdekorierten Colonel Konrad und seiner Kompanie aufzuklären. Konrad, der Walker einst das Leben in Afghanistan gerettet hat, hatte sich mit seinen Soldaten aufgemacht, die Zivilbevölkerung aus Dubai zu evakuieren. Doch der Versuch misslang und der eintreffenden Spezialeinheit bietet sich ein Bild des Grauens: Abgeschlachtete Zivilisten, marodierende US-Soldaten.
Nicht ohne Grund orientiert sich das Spiel dabei dramaturgisch an dem Anti-Kriegsfilm Apocalypse Now (1979), der wiederum auf Joseph Conrads literarischem Werk Herz der Finsternis (1899) beruht. Als Captain Walker kämpft und schleicht sich der Spieler oder die Spielerin durch die verfallenen Ruinen Dubais, immer auf der Suche nach Konrad und der Wahrheit. Doch was ist die Wahrheit? Während andere Shooter an dieser Stelle eine Schwarz-Weiß-Dramaturgie vorgeben, verwischen in Spec Ops: The Line die Grenzen zwischen Gut und Böse. Nicht nur, dass der Spieler bzw. die Spielerin als amerikanischer Soldat gegen die einigen Landsleute kämpfen muss, die Legimitierung dieses Kampfes wird im Laufe des Spiels immer mehr aus den Angeln gehoben. So müssen immer wieder moralische Entscheidungen getroffen werden. In einer Mission soll sich Walker entscheiden, ob er lieber zwei Zivilisten retten will, oder einen Informanten. Auch wenn diese Entscheidungen im Spiel kaum einen Einfluss auf die Entwicklung der Geschichte haben, sie erreichen etwas bei den Spielenden, das bisher in dieser Form bei keinem anderen Shooter erzeugt wurde: ein Schuld-Gefühl.
Denn wie man sich im Spiel auch entscheidet, Gewalt führt immer zu Leid und Opfern. Gleichsam zeigt Spec Ops: The Line noch etwas anderes: Es erlaubt den Spielerinnen und Spielern, mit der Figur eine Entwicklung durchzumachen. Walkers Vorgehen hat im Laufe des Spiels einen immensen Einfluss auf seine Psyche und die seiner beiden Kameraden. Die Soldaten werden zunehmend aggressiver und rücksichtloser. Dies kumuliert schließlich in der Frage, wer Schuld hat am Wahnsinn – der vermeintlich Böse oder der vermeintlich Gute?Spec Ops: The Line kann zu den gewalthaltigsten Spielen gezählt werden, die überhaupt in Deutschland unzensiert eine USK-Freigabe erhalten haben. Da werden Köpfe abgeschossen, Zivilisten niedergemetzelt und verwundete Soldaten können brutal exekutiert werden. Im Unterschied zu anderen Spielen stellt sich hier allerdings nicht die Frage, warum ein Spiel derart gewalttätig sein muss. Der Grund dafür liegt in der Inszenierung, in der Gewalt nicht einfach Mittel zum Zweck ist, sondern kritisch hinterfragt wird. Spec Ops: The Line gelingt es zwar nicht immer, diese Kritik aufrechtzuerhalten, beispielsweise werden bei geglückten Kopftreffern kurze Zeitlupensequenzen ausgelöst, allerdings korrespondiert dies damit, dass das Spiel auch ein gewisses Unterhaltungserleben ermöglichen will.
Trotz dieser fehlenden letzten Konsequenz lassen sich bei Spec Ops: The Line zwei Sachverhalte hervorheben: Zum einen zeigt der Titel, zu welchen narrativen Möglichkeiten das sonst dramaturgisch stagnierende Shooter-Genre imstand ist, indem bekannte Werke adaptiert und packend für das interaktive Medium Spiel inszeniert werden. Zum anderen gewinnt Spec Ops: The Line dem besonders in Deutschland stark umstrittenen Genre neue Facetten ab. Nun wird der Spieler oder die Spielerin am Ende einmal nicht als zufriedener Weltenretter zurückgelassen, sondern ernüchternd vor die Realität gestellt: Im Krieg gibt es keine Gewinner, nur Verlierer.
Spec Ops: The Line
Genre: Shooter
Plattform: PC, PlayStation 3, Xbox 360
Publisher: 2K Games
Entwickler: YAGER Development
Freigabe: USK 18
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Benedikt Hommann
Beitrag als PDFEinzelansichtStefanie Hardick: Blumen_Büchsen_Beat
Die jüngsten Besucherinnen und Besucher eines Museums sind oft die anspruchsvollsten. Ein Museum, dessen Besuch nicht als langweilig empfunden wird, hat daher grundsätzlich schon viele Dinge richtig gemacht. Das Jüdische Museum Berlin ist seit seiner Eröffnung im Jahr 2001 bei Kindern außerordentlich beliebt. Allein im Jahr 2011 besuchten 60.000 Kinder und Jugendliche das Museum, ohne zum Beispiel als Schulklasse an einer Führung teilzunehmen. Kinder mögen es, den Granatapfelbaum zu erklimmen, der sie am Anfang der Dauerausstellung empfängt, lieben die geheimen Tunnel, in die ihnen kein Erwachsener folgen kann und freuen sich über alles, was zum Anfassen und Mitmachen einlädt. Sie lassen sich von besonders ästhetischen Ausstellungsstücken in den Bann ziehen und haben zu vielen Dingen Fragen parat, die Erwachsenen nicht in den Sinn kommen würden. Im Rahmen des im Januar 2009 begonnenen Projektes entwickelte das Jüdische Museum Berlin in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Wirtschaft und Technik Berlin und der Humboldt Universität zu Berlin, gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) einen interaktiven Hörspiel-Audioguide für Kinder zwischen acht und zwölf Jahren. Ausgangspunkt war dabei, was Kindern in der Dauerausstellung des Museums gefällt.
Im Rahmen von Fokusgruppenbefragungen ließ das Projektteam Viert- und Sechstklässler zunächst selbst zu Wort kommen, um einen Eindruck von ihren Wünschen und Vorstellungen zu erhalten: »Stell dir vor, du wärst Museumsdirektor und solltest einen neuen Audioguide für Kinder machen. Wie müsste der sein?« Es gab konkrete Vorstellungen, unterschiedliche Meinungen und schöne Ideen: Auf Fremdwörter sollte man verzichten. Spannende Geschichten zu den Ausstellungsstücken sowie über deren Herkunft und Herstellung sollte es geben. Dabei sollten die Texte nicht zu lang sein und die Länge einer Geschichte sollte auf dem Bildschirm des Guides angezeigt werden. Zwischen den Geschichten sollte es Musik geben, um Pausen zu haben, in denen man nicht zuhören muss. Und die Kinder wünschten sich Fragen und Rätsel, die es zu lösen gilt. Witzig fanden die Kinder die Idee, dass mit den als Wildblumen gestalteten Gewürzbehältern der Künstlerin Paula Newman Pollachek fünf Ausstellungsstücke die Protagonisten der Tour sein sollten. Traditionell werden die filigranen Gewürzbehälter mit Zimt, Nelken und Kardamom gefüllt, deren Duft bei Ausgang des Schabbats über den Beginn der Schul- und Arbeitswoche hinwegtrösten soll. Die Wildblumen verwandeln sich zu einer Band. Die Akelei mit dem elegant gebogenen Stengel beugt sich über ein Mikrofon, der stachelige Punk spielt die Gitarre, der kleine kugelige Löwenzahn ist der Bassist, die schmale Distel der Keyboarder und die zarte Echinacea haut ins Schlagzeug: Sie sind die Spice Boxes. Ihre Musik hilft dabei, die Dialoge auf einer weiteren Ebene zu versinnbildlichen, zu verstärken und zu entspannen. Spielerisch und interaktiv sollte der Rundgang die Kinder an die Ausstellungsstücke und Themen des Museums heranführen, ohne sie durch den Bildschirm des Guides von den eigentlichen Dingen im Museum abzulenken.
Daher liegt der Fokus auf dem Hörspiel. Eine sprachlich fantasievolle Erzählung und ein ausgefeiltes Sounddesign ermöglichen es den Kindern, in eine andere Welt einzutauchen, die ihnen Spaß macht, die sie fordert und zum Mitdenken anregt. Die unterschiedlichen Charaktere der Protagonisten lassen im Dialog verschiedene Haltungen und Meinungen hervortreten. Sie machen die Vielfalt jüdischer Lebensentwürfe deutlich, von religiös bis weltlich. Durch den Rundgang nehmen die Kinder neben einem positiven Grundgefühl das Bewusstsein mit, dass Menschen ihr Judentum auf vielfältigste Art und Weise leben und bekommen ein Gefühl für die Spuren, die Religion in unserem Alltag hinterlässt. Vervollständigt wird die Hörspielführung durch technisch gestützte Interaktionen, die es den Kindern ermöglichen, sich spielerisch und aktiv der Ausstellung und ihren Objekten zu nähern und sich so noch mehr auf die Inhalte einzulassen. Der Audioguide wird auf iPod touch 4-Geräten angeboten, deren interaktive Möglichkeiten durch eigens entwickelte RFIDLesegeräte erweitert wurden. Dabei wurde eine angemessene Form der Interaktion gefunden, die den Ausstellungsbesuch nicht dominiert, sondern eine Ergänzung darstellt. Weil Kinder gerne auf Entdeckungstour gehen, ist der Audioguide als Suchspiel gestaltet. Um das jeweils nächste Ausstellungsstück zu finden, erhalten die Kinder einen Reim und ein Foto als Hinweis. An den 22 Stationen des Rundgangs ist jeweils gut sichtbar ein Logo angebracht, unter dem sich ein passiver RFID-Tag befindet.
Die Kinder starten eine Geschichte, indem sie den iPod an das Logo und damit den Tag halten. Aber nicht nur Ausstellungsstücke, sondern auch die vom Keyboarder Diestrich selbst gebauten und in der Ausstellung versteckten ‚Beamboxen‘ müssen gefunden werden. Dort können sich die Kinder ein virtuelles Werkzeug in ihr „Sammelsurium“, eine Sammelkiste auf ihrem iPod, ‚beamen‘. Im Laufe der Tour lassen sich mit diesen Werkzeugen ausgewählte Objekte zum Leben erwecken. So können die Kinder zum Beispiel die Glöckchen eines Toraaufsatzes zum Klingen bringen oder mit einer Taucherbrille den Knurrhahn schwimmen sehen. Alle Interaktionen sind bewusst kurzweilig gestaltet, es sind kleine verspielte ‚Überraschungen‘ am Ende einer erzählten Geschichte. Während der gesamten Entwicklungszeit des Audioguides wurde durch Befragungen immer wieder ermittelt, wie Kinder das Suchspiel, die Dialoge und das Interface rezipieren – und ob sie ihnen gefallen. Diese Evaluation wird auch nach dem Launch des Guides durch die Besucherforschung des Jüdischen Museums fortgeführt, sodass von den Ergebnissen dieses Pilotprojekts für die Nutzung der RFID-Technologie in Zukunft auch andere Institutionen profitieren können.Ausführliche Bibliographie unter: www.poseidon-projekt.de/publikationen.htmlAlle Ansprechpartner des Projekts Poseidon unter: www.poseidon-projekt.de/team.htmlStefanie Hardick studierte Geschichte, Publizistik und Psychologie in Gießen und Berlin, besuchte die Deutsche Journalistenschule und arbeitet als freie Journalistin in Berlin.
Audioguide für Kinder zwischen acht und zwölf Jahren auf Deutsch und Englisch
Hörspiel und Musik: Frank Schültge Blumm
Deutscher Sprecher: Stefan Kaminski
Englische Sprecher: Jeff Burrell, Jill Hollwerda, Dshamilja Leach
Start: Samstag, 1. September 2012
Ausgabe: Info-Counter des Jüdischen Museums Berlin, erhältlich gegen die Hinterlegung eines PfandsKosten: 1 Euro
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Stefanie Hardick
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publikationen
Spitzer, Manfred (2012). Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen. München: Droemer-Verlag, 367 Seiten, 19.99 €
Bereits 2005 hat sich der Autor mit Vorsicht Bildschirm auf medienpädagogisches Gebiet gewagt und wildert nun erneut in fremdem Terrain. ‚Vorsicht‘ wäre dabei angebracht. Aber dem Autor fehlt, was das kritische Lesepublikum mitbringen sollte. Digitale Demenz hat ein anerkannter Mediziner und Psychologe mit Schwerpunkt Psychiatrie und Neurowissenschaft geschrieben. Die Passagen des Buches, in denen aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung anschaulich und verständlich beschrieben werden und auf menschliches Lernen übertragen werden, sind lesbar und nachdenkenswert. Aber auf vielen anderen Seiten habe ich mich gefragt, ob deren Inhalt wirklich von einem renommierten Wissenschaftler in Deutschland stammen kann. Ein Grundproblem des Buches ist, dass es zwischen wissenschaftlichem Anspruch und Ratgeberliteratur schwankt; der Ratgeber schlägt vor allem im jeweiligen plakativ pauschalisierenden Fazit der einzelnen Kapitel und insbesondere in den zusammenfassenden Lebensweisheiten auf S. 323 bis S. 326 durch, die von „Ernähren Sie sich gesund.“ bis zu „Meiden Sie die digitalen Medien.“ reichen. Leider sind marktgängige Ratgeber selten um Objektivität bemüht (was Wissenschaft bekanntlich sein sollte), sondern eher missionarisch bis fundamentalistisch einer verkaufsträchtigen Ideologie verhaftet.
Diesem Vorurteil nach werden dann wissenschaftliche Erkenntnisse sortiert – in gute und schlechte. Herr Spitzer bezieht sich fast ausschließlich auf Literatur und Forschungsergebnisse aus dem englischsprachigen Raum, die dazu noch zumeist aus medizinischen, psychologischen oder psychiatrischen Kontexten stammen. Literatur und Forschungsergebnisse aus dem deutschsprachigen Raum und aus den relevanten Disziplinen wie Medienwissenschaften und Medienpädagogik werden nahezu völlig ignoriert. Zu den aktuellen Medienthemen relevante Studien – etwa die JIM- und KIM-Studien und die ARD/ZDF-Onlinestudie als repräsentative quantitative Studien, diverse Studien des JFF – Institut für Medienpädagogik München, des Hans-Bredow-Institutes und vieler anderer Forschungseinrichtungen – werden überhaupt nicht berücksichtigt. Umgekehrt könnten manche Studien und Experimente, die der Autor knapp referiert bzw. erklärt, für die Medienforschung und die medienpädagogische Praxis Anregungen enthalten, ihre Erfahrungen weitergehend empirisch zu untermauern. Das ist vielleicht ein Manko der wissenschaftlichen Disziplinen, dass die jeweils anderen Abteilungen zu wenig wahrgenommen werden und zu wenig auf Augenhöhe kooperieren.
In einigen Kapiteln ‚schießt‘ der Autor gegen (Medien-)Pädagoginnen und -Pädagogen, obwohl er sie eigentlich für seine Positionen gewinnen müsste, wenn es ihm denn tatsächlich um die Kinder geht. Nur sollte er dann nicht eine ganze Berufsgruppe diffamieren und behaupten, dass sie von der Medienindustrie lebe und sich deshalb nicht kritisch äußere (vgl. S. 26); dann müsste man den Medizinern ebenso pauschal ihre Kooperationen mit der Pharmaindustrie vorwerfen. Wohl kein Medienpädagoge glaubt an die Chimäre einer „Generation von digitalen Wunderkindern“ (S. 221), wie es der Autor unterstellt. Medienpädagoginnen und Medienpädagogen versuchen in ihrer Praxis, Kinder und Jugendliche in ihren Lebenswelten ernst zu nehmen. Ein kleines Beispiel von vielen mag die Doppelzüngigkeit des Buches verdeutlichen: Gegen das „Marktgeschrei von der digitalen Revolution im Klassenzimmer“ (S. 20) könnte man sich durchaus zusammentun. Aber der Folgesatz enthält dann eine fatale Verfälschung: „Es heißt, dass die neuen Medien heute eben zum Alltag gehören (Ja!) und wir die Kinder an sie gewöhnen müssen.“ Beim zweiten Halbsatz liegt natürlich für den Autor passend die Suchtassoziation nahe. Aber kein vernünftiger Medienpädagoge wird diesen Halbsatz unterschreiben. Es geht um eine kritisch konstruktive Auseinandersetzung mit Medien – und sicher nicht um einen irgendwie pädagogisch legitimierten Gewöhnungsprozess. Herr Spitzer sollte sich einmal mit medienpädagogischer Literatur und deren Empfehlungen auseinandersetzen.
Wenn Medienkompetenz – und das scheint beim Autor das einzige auf Technik fixierte (Miss-)Verständnis des Begriffes zu sein, der in Medienwissenschaft und Medienpädagogik seit zwei Jahrzehnten intensiv diskutiert, differenziert und abgewogen wird – nur als Schlagwort dient, mit dem „gerade den verunsicherten Eltern aus sozial eher schwachen Schichten vorgegaukelt wird, sie würden etwas Gutes tun, wenn sie ihr knappes Geld in rasch veraltende Hard- und Software stecken“ (S. 307), dann ist das grob fahrlässig. Wer sich die vielfach gute Praxis der Medienpädagogik in Deutschland ansieht, wird nicht auf die Idee kommen, ein „Medienkompetenztraining“ mit einem Training von Alkoholkompetenz oder mit dem Anfixen in der Drogenszene gleichzusetzen. Das ist albern! „Gehirnnutzung führt (...) zum Wachstum der Gehirnareale, die für die spezielle Fähigkeit gebraucht werden.“ (S. 37) Statt eine diffuse Angst vor überdimensionalen Mediengehirnen zu schüren, sollte man Areale für eine kritische und kompetente Mediennutzung fördern. Dass Lesen und Schreiben als Grundfähigkeiten dazu gehören, steht auch für medienpädagogische Fachkräfte außer Frage. Gedächtnisspuren und die Veränderung von Synapsen im Gehirn pauschal mit dem Begriff „Lernen“ gleichzusetzen (vgl. S. 52; 65), ist eine neurobiologische Sicht, die in den Erziehungs- und Bildungswissenschaften nicht geteilt wird. Ebenso wenig dürfte es empirisch haltbar sein, die Nutzung digitaler Medien pauschal mit Oberflächlichkeit und damit mit geringerer Lerneffektivität gleichzusetzen (vgl. S. 70). Der Autor möge sich einmal die Vielfalt der kreativen Produkte, die junge Menschen mit digitalen Medien gestalten (malen, texten, schreiben, musizieren, fotografieren, filmen ...) zeigen lassen oder im Netz ansehen. Dann müsste er eigentlich den Unsinn solch pauschaler Aussagen empirisch sinnlich ‚be-greifen‘. „Bildung macht frei – frei von vielen Zwängen, denn wer gebildet ist, kann sich kritisch gegenüber sich selbst und seiner Umwelt verhalten ...“ (S. 61) Das ist eigentlich ein gutes Argument für Medienbildung, so wie sie derzeit in der pädagogischen Community verstanden wird. „Kinder lernen deutlich schneller als Erwachsene. Sie müssen dies tun, denn sie wissen noch nichts und sollen sich die Welt rasch aneignen.“ (S. 183)
Auch das ist ein gutes Argument für frühe Medienbildung, nicht weil Medien per se so „bildend“ oder in jedem Fall besser als alte Methoden wären, aber weil sie Teil der Welt sind, in der Kinder heute nun einmal aufwachsen und zurecht kommen müssen. Vergleichsweise (un-)sinnig wäre die folgende Forderung: Wir wissen, dass die meisten Menschen heute sich zu wenig bewegen, zu viel sitzen und daraus riesige und teure Gesundheitsprobleme entstehen. Also schaffen wir die Stühle in den Schulen ab! Quatsch – aber um mehr Bewegung, gute Sitzgelegenheiten, viel Abwechslung et cetera sollten wir uns dringend bemühen. Fazit: „Es gibt viele Leute, die mit den digitalen Produkten sehr viel Geld verdienen und denen das Schicksal von Menschen, insbesondere von Kindern, egal ist.“ (S. 25) Kommentar dazu: Es gibt auch Menschen, die mit gedruckten Büchern und demagogischen Parolen Geld verdienen. Ob denen wirklich konstruktiv das Schicksal von Kindern heute bei uns am Herzen liegt? „Lassen Sie sich durch Medienmarktschreier nicht den Verstand rauben“ (S. 315), sondern wenden Sie Ihren Verstand auch gegen dieses Medium an.
Die Rezension ist eine stark gekürzte, überarbeitete Fassung einer ausführlicheren Kommentierung auf www.medienpaed.de
Prof. Dr. Bernward Hoffmann ist Professor für Medienpädagogik an der Fachhochschule Münster, Fachbereich Sozialwesen.
Kloock, Daniela/Spahr, Angela (2012). Medientheorien. Eine Einführung. Paderborn: Wilhelm Fink. 301 S., 16,99 €.
Sind sie gut? Sind sie böse? Müssen wir mehr Regeln dafür haben? Oder mehr Kompetenz? Sind die Inhalte ausschlaggebend? Oder das Gerät?Über Medien gibt es zahlreiche Theorien und so lange es die Medien gibt – also spätestens seit Gutenberg im 15. Jahrhundert angefangen hat, seine Lettern zu sortieren – streiten sich die Geister darüber, wie man mit ihnen umgehen darf, soll oder muss.Um in das Theorieknäuel etwas Ordnung zu bringen, haben Daniela Kloock und Angela Spahr den ambitionierten Versuch unternommen, ‚die‘ Medientheorien zwischen zwei Buchdeckel zu packen und eine grundlegende Einführung dazu vorzulegen. Die Autorinnen beschäftigen sich mit Film- und Medien- bzw. Kulturwissenschaften und wählen auch ihre Medientheorien aus einer medienwissenschaftlichen, teils auch scheinbar kommunikationswissenschaftlichen Perspektive aus – Medienpädagogik bleibt außen vor.Insgesamt acht Kapitel umfasst das Buch, von denen sich die ersten sieben jeweils einem ‚Kopf‘ der Medienwissenschaften widmen und diesen ausführlich vorstellen: Benjamin und McLuhan, Flusser und Postman, Virilio, Kittler und Weaver sind die Protagonisten im Hauptteil des Buches. Diese werden der Leserschaft jeweils umfassend nähergebracht, man bekommt einen guten Einblick in ihre Hintergründe und ihre Denkweisen, die Ansichten ihrer Zeit und die Einflüsse ihrer Weggefährten, ihre grundlegenden Überzeugungen und vor allem natürlich die Grundzüge, Inhalte und Konsequenzen ihrer wichtigsten Theorien.
Man wird in die Gutenberg-Galaxis mitgenommen, lernt, dass das Medium die ‚Message‘ ist, fragt mit Virilio nach der Ethik der Medien und darf bei Weaver in die abstrakten Welten der mathematischen Theorie und die Kreismodelle mit Sendern, Empfängern und allem, was sich dazwischen abspielt, eintauchen.Das achte Kapitel schließlich bricht diese Struktur auf und stellt ein Thema in den Vordergrund, nämlich die Schrift. Hier werden verschiedene Ansätze zur Schriftforschung vorgestellt und kurz erläutert.So gewinnt man beim Lesen durchaus einen fundierten Einblick in die Denkwelten verschiedener Medientheorien und kann auch neue Ansätze und Bemühungen gut einordnen bzw. eigene Denkrichtungen daran abgleichen und schärfen. Die einzelnen Kapitel sind großteils verständlich und sinnvoll aufgebaut und geschrieben, die Theorien werden schlüssig eingeordnet und umfassend erläutert, auch wenn man sich hin und wieder klare Worte statt allzu komplexer Gedankengänge wünscht, zumal in einer Einführung.Klar muss der Leserschaft gleich sein, dass ‚Medientheorien‘ in dem Fall gleichbedeutend ist mit ‚Theorien der Medien-/Kommunikationswissenschaft‘, Ansätze etwa aus der Medienpädagogik werden, wohl absichtlich, komplett außen vor gelassen.Gewinnbringend ist das Werk allemal, für Leserinnen und Leser, die sich neu oder wieder in die großen Theorien rund um die Medien vertiefen wollen und McLuhan, Flusser, Postman und Co. relativ kurz und übersichtlich kennenlernen möchten, ohne sich gleich selbst in die ganze Gutenberg-Galaxis zu stürzen.
Elisabeth Jäcklein-Kreis studierte Medien & Kommunikation M. A. Sie ist Redakteurin bei merz | medien + erziehung.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Daniela Kloock
Beitrag als PDFEinzelansichtHagenah, Jörg/Meulemann, Heiner (Hrsg.) (2012). Mediatisierung der Gesellschaft? Band 3. Münster: LIT Verlag, 29,80 €.
Das Buch Mediatisierung der Gesellschaft? herausgegeben von Jörg Hagenah und Heiner Meulemann beschäftigt sich mit rezipientenorientierten Analysen, deren Datengrundlage die „Media-Analyse» ist. Mit der „Media-Analyse“ kann durch die große Anzahl an Stichproben, die aus etwa 13.000 bis 60.000 Befragten besteht, ein großes Spektrum der Nutzung von Massenmedien erfasst werden. Durch die großen Zahlenmengen und die langen Erhebungszeiträume der Media Analyse lassen sich anhand von Stichproben ausführliche Untersuchungen der Nutzung von Medien in sozialen, räumlichen und zeitlichen Kontexten auswerten. Somit kann die Erhebung auch als „Media-Mikrozensus“ verstanden werden. Der hier vorliegende Band untersucht die Mediatisierung in folgenden Bereichen: Zunächst als umfassende Entwicklung. Weiter werden einzelne Medien in ihrer Entwicklungs- und Nutzungstendenz erforscht, um abschließend die Auswirkungen für die Lebensbereiche des sozialen Wandels und der politischen Meinungsbildung in den Blick nehmen zu können.Dabei stellt der erste Teil drei theoretische Perspektiven vor. Teil zwei beschäftigt sich mit einzelnen Perspektiven erhebungsrelevanter Merkmale zur Beschreibung umfangreicher Tendenzen, hier insbesondere das Zusammenführen medienspezifischer Nutzungsdaten, die mit der beständig wachsenden medialen Vielfalt immer wichtiger werden. In Teil drei setzen sich die Beiträge mit dem umfassenden Mediatisierungsprozess auseinander, um die Nutzungstendenzen einzelner Medien herausheben zu können. Dabei wird einerseits auf den Wandel der Printleitmedien zwischen Österreich und Deutschland Bezug genommen.
Dargestellt werden auch die bedeutsamsten Folgen medialer Veränderungen, welche sich in den letzten Jahrzehnten auf die sozialen Veränderungsprozesse in Deutschland auswirkten.Im vierten Teil widmen sich die Autoren den Effekten veränderter Mediennutzungsgewohnheiten in anderen Lebensbereichen wie beispielsweise den Zusammenhängen von Computernutzung und Alter. Thematisiert werden auch die Bildungsexpansion sowie die nachlassenden Bildungsrenditen Westdeutschlands in den letzten 60 Jahren. Abschließend werden die Auswirkungen der Mediatisierung für die politische Meinungsbildung betrachtet. Hier wird analysiert, welche politische Bedeutung Menschen den Medien zukommen lassen und ob Menschen den Einfluss der Medien auf die Politik als Interdependenzverhältnis wahrnehmen. Abschließend wird auf die Effekte der Nachrichtennutzung eingegangen.Um weiterführende Fragestellungen zur Mediatisierung gesellschaftlicher Subsysteme sowie zur Sozialisationsfunktion der Medien zu generieren beziehungsweise aufgreifen zu können, werden in dem hier vorliegenden Buch Vorschläge unterbreitet.Das Buch besticht durch zahlreiche Tabellen und Abbildungen, welche die großen Datenmengen auf komprimierte Weise übersichtlich und gut gegliedert darstellen. Durch den gut strukturierten Kapitelaufbau bietet das Buch den Leserinnen und Lesern einen schnellen Einstieg in die jeweiligen Themen und bietet außerdem eine gute und aktuelle Zusammenfassung über die gesellschaftlichen Folgen des medialen Wandels in vielen Lebensbereichen.
Alfred Reif studiert Bildungswissenschaft an der FernUniversität in Hagen.
Schuegraf, Martina/Tillmann, Angela (Hrsg.) (2012). Pornografisierung von Gesellschaft. Perspektiven aus Empirie, Theorie und Praxis. Konstanz + München: UVK, 39,00 €.
In dem Sammelband Pornografisierung von Gesellschaft, herausgegeben von Martina Schuegraf und Angela Tillmann, geht es nicht (nur) um das rein begriffliche Verständnis von Pornografie. Vielmehr will es auf die Sexuelle und Pornografische Präsenz in Kultur und Gesellschaft hinweisen und diese Präsenz aus unterschiedlichen Blickwinkeln zugänglich machen. Dies auch deshalb, da Sexualität und Pornografie über die Zeit hinweg in den Gesellschaftssystemen unterschiedlich wahrgenommen und behandelt wurden und werden. Das Buch teilt sich in sieben Themenkomplexe auf, mit insgesamt 33 Beiträgen von Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen Fachbereichen. Auf diese Weise werden analytische, empirische sowie theoretische Aspekte berücksichtigt. Durch die unterschiedlichen Herangehens- und Betrachtungsweisen, vom wissenschaftlich abstrakten Argumentieren bis hin zu annähernd persönlichen Dokumentationen, soll ein vielschichtiger und umfassender Zugang aus historischer, soziologischer, medienwissenschaftlicher, pädagogischer sowie einer nicht wissenschaftlichen Perspektive ermöglicht werden. Darüber hinaus lässt sich eine mehrdimensionale Betrachtungsweise einnehmen, die neue Horizonte eröffnen kann.Im Zentrum des Buches steht dabei der Körper als ‚intimster Ort‘, der, aus Sicht des Buches, immer mehr zu einem Repräsentationsmedium wird, und in der realen als auch in der virtuellen Welt Möglichkeiten bietet, Werte und Normen zum Ausdruck zu bringen.
Denn durch die Neoliberalisierung haben Menschen neben der eigenen Lebensgestaltung nun auch die freie Gestaltungskraft über ihren Körper in der Hand. Es wird etwa diskutiert, wie sich der Umgang mit pornografischen Inhalten im Zeitverlauf gewandelt hat, welche Bedeutung diese Inhalte wann hatten. Dieser Umgang mit Pornografie wird in seiner historischen Dimension nachgezeichnet, behandelt aber auch rein physikalische Aspekte wie Körperlichkeit oder verbale Artikulationsformen, die sich etwa in der ‚Jugendsprache‘ niederschlagen.Ein besonderes Augenmerk gilt Jugendlichen und Digitalisierung. Mit den Möglichkeiten, sich durch Internet und Mobiltelefone Zugang zu pornografischen Inhalten zu verschaffen, wächst die Sorge der Erwachsenen. Mit empirischen Studien soll erörtert werden, ob und in welchen Fällen ein berechtigter Grund zur Sorge besteht und welchen Stellenwert Jugendliche der Pornografie einräumen. In diesem Kontext werden ebenso die Themen Jugendschutz und juristische Reglements für ein abgesichertes Surfverhalten von Jugendlichen besprochen. Weiter wird über mögliche Ansatzpunkte für die pädagogische Praxis nachgedacht, um auf das Verlangen der Jugendlichen nach pornografischen Inhalten und Informationen eingehen zu können. Diese erstrecken sich über Familie, Schule, Film- und Jugendarbeit sowie Sexualkulturbildung.
Auch Aspekte, wie queere Kultur, Schwulen Fanzines, Comics et cetera, die in der breiteren Öffentlichkeit (aktuell) weniger im Diskurs stehen, finden Eingang in diesen breit gefächerten Sammelband.Die Herausgeberinnen sowie die Autorinnen und Autoren, nähern sich dem Thema Pornografie auf sehr vielfältige und differenzierte Weise und bieten somit die Möglichkeit, sich eingehend und horizonterweiternd mit einer Thematik zu befassen, die sich nach wie vor in einer gesellschaftlichen Grauzone befindet.
Alfred Reif studiert Bildungswissenschaft an der FernUniversität in Hagen.
Arnold, Markus/Dressel, Gert/ Viehöver, Willy (Hrsg.) (2012). Erzählungen im Öffentlichen. Über die Wirkung narrativer Diskurse. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften|Springer Fachmedien. 39,95 €.
Das Herausgeberwerk Erzählungen im Öffentlichen befasst sich mit narrativen Diskursen, ihrer Verortung in sowie ihrer Wirkung auf die Öffentlichkeit. Es ist in fünf Bereiche unterteilt: Zunächst werden in zwei Beiträgen die Theorien der Erzählung vorgestellt, woraufhin in drei Beiträgen anhand der deutschen Krise seit dem Jahr 2000, der Nachhaltigkeit und des globalen Klimawandels Formen der Erzählung in den Medien thematisiert werden. Im dritten Bereich werden Selbsterzählungen genauer unter die Lupe genommen, indem in einem ersten Beitrag Erinnerungsdiskurse, Interventionen und Lernprozesse und in einem zweiten Beitrag der Liebesdiskurs in der Selbsterzählung genauer betrachtet werden.
Auch die weniger personalisierte Erzählung wird berücksichtigt, wenn im vierten Bereich des Herausgeberwerkes Erzählungen in der Wissenschaft diskutiert werden, wobei sowohl die citizenship theory als auch der Konstruktivismus und deren Einfluss auf die Erzählung aufgegriffen wird. Der fünfte Bereich schließlich widmet sich der Frage, ob bzw. wie mit Hilfe öffentlicher Erzählungen regiert werden kann, inwiefern also die Erzählung auch als Regierungstechnik verwendet wird. Insgesamt bietet das Buch einen guten Überblick über die verschiedenen Formen öffentlicher Erzählungen.
Kohn, Martin (2011). Schulentwicklung 2.0. Digitale Lern- und Arbeitswelten. weinheim, Basel: Beltz. 159 S., 22,95 €.
„Mehr Medien in Schulen!“ wird allenthalben gefordert, die Rückständigkeit der deutschen Bildungseinrichtungen beklagt. Aber: Wo anfangen, wo aufgören? Brauchen wir einen Laptop pro Kind, mehr multimediale Materialien für Lehrerinnen und Lehrer oder überhaupt erstmal einen funktionierenden PC in der Schulverwaltung? Eigentlich all das – und genau da beginnt die Überforderung in den Schulen. Martin Kohn, zugleich Mitglied einer Schulleitung und Mediencoach, greift genau diese Problematik auf und versucht in seinem Buch Schulentwicklung 2.0 einen Rundumschlag zum möglichen und wünschenswerten Medieneinsatz in und um Schulen. Von Verwaltung und Organisation über Unterricht und Hausaufgaben bis zu Rechtsfragen greift er alle Bereiche auf, in denen Medieneinsatz möglich und sinnvoll ist und legt Vorschläge, Hintergrundwissen und praktische Anregungen vor.
Beginnend bei Programmen zur Klassenführung über Checklisten zur Erstellung einer Schulhomepage und Anregungen zur Nutzung neuer Medien im Unterricht bis hin zu Fragen nach Knigge 2.0, Ethik im Netz und den rechtlichen Rahmenbedingungen greift er nahezu alle relevanten Bereiche auf. Ein Mix aus Fakten und praktischen Anregungen (grafisch übersichtlich in Kästen abgehoben) bringt dabei einen echten Mehrwert und Motivation zur Umsetzung, sein eigener, schulischer Hintergrund scheint immer wieder durch und macht das Buch authentisch und ehrlich praktisch, denn Rufe wie „Jedem Kind ein Tablet“ lassen eine Lehrkraft, die nicht einmal Arbeitsblätter in Word erstellen oder Smileys entziffern kann. höchstens resigniert mit den Schultern zucken.
Auf 159 Seiten ist Kohn zudem prägnant und klar und sein Werk eignet sich durch eine Übersichtliche Gliederung auch als Nachschlage-Handbuch für spezielle Fragen und sollte deshalb unbedingt einen festen Platz in Sekretariats- und Lehrerzimmer-Regalen einnehmen.
Reinecke, Leonard/Trepte, Sabine (Hrsg.) (2012). Unterhaltung in neuen Medien. Perspektiven zur Rezeption und Wirkung von Online- Medien und interaktiven Unterhaltungsformaten. Köln: Herbert von Halem Verlag.
Mit den Neuen Medien verlagert sich die Unterhaltungsindustrie nach und nach auch in die digitale Welt. Dies erfordert auch von der empirischen Unterhaltungsforschung eine Anpassung an die neuen Anforderungen, wie etwa die bereits vorhandenen Theorien und ihre Anwendbarkeit im Kontext neuer Medien zu überprüfen und gegebenenfalls auch neue Theorien zu entwickeln und zu implementieren. Das vorliegende Herausgeberwerk versucht das Thema Unterhaltung in neuen Medien anhand dreier Bereiche darzustellen. In einem ersten Bereich werden zunächst die theoretischen Komponenten des Unterhaltungserlebens in neuen Medien anhand bereits bestehender Theorien, wie Selective Exposure, Mood Management, Selbstwirksamkeit, Involvement oder Flow thematisiert.
Daraufhin wird ein genauer Blick auf die bestehenden Unterhaltungsformate in den neuen Medien geworfen, wobei sowohl Offline- als auch Online-Medien, vom Computerspiel über das Social Web und virtuelle Welten bis hin zu mobilen Unterhaltungsanwendungen miteinbezogen werden. Der dritte Teil des Herausgeberwerkes schließlich analysiert die spezifischen Wirkungsweisen der Nutzung von Unterhaltungsangeboten in den neuen Medien. Dabei wird in den einzelnen Beiträgen auf Online-Medien und Sozialkapital, das eigene Wohlbefinden und Unterhaltungsmedien, digitale Spiele und prosoziales Verhalten, Persuasion durch Unterhaltungsangebote, die Wirkung sexueller Inhalte, Gewaltspiele und Aggression sowie die exzessive Nutzung neuer Medien zur Unterhaltung eingegangen.
Insgesamt kommt im Herausgeberwerk eine Vielzahl unterschiedlicher Autorinnen und Autoren zu Wort, was auch die große thematische und inhaltliche Vielfalt des Werkes sicherstellt.
Schiefner-Rohs, Mandy (2012). Kritische Informations- und Medienkompetenz im Spannungsfeld zwischen Hochschul- und Disziplinkultur. Münster: Waxmann. 44,90 €.
Medienkompetenz in der Lehrerausbildung wird häufig gefordert, manchmal auch behauptet – Mandy Schiefner-Rohs hat sie untersucht. Ihre Auswertung von Experteninterviews brachte zu Tage, was viele schon vermutet haben: Medienkompetenz wird aus Hochschulsicht zuerst als schulische Aufgabe betrachtet. Jedoch zeigt sich eine starke Diskrepanz zwischen der zugeschriebenen Medienkompetenz im schulischen Kontext und der tatsächlichen Ausprägung. Deshalb sollten sich auch Hochschulen stärker damit auseinandersetzen. Weiter werden erhebliche Differenzen bei der Einbettung kritischer Informations- und Medienkompetenz in unterschiedlichen Hochschulen deutlich und es zeigte sich, dass die Vermittlung massiv durch habitus- und subjektorientierte Merkmale der Lehrenden sowie kultureller Aspekte beeinflusst wird.
Um normativ orientierte Bildungsziele wie die kritische Informations- und Medienkompetenz zu implementieren, könnte es aus Sicht der Autorin sinnvoll sein, eine Interdependenz zwischen Lehrenden sowie studienorientierter Strukturen zu generieren, um die Arbeit der Lehrenden zu tragen und langfristig zu integrieren. Helfen könnten etwa explizite Leitbilder, Hochschulprofile, Standards und Qualifikationsmerkmale. Ebenso spielen implizite Aspekte eine Rolle. ‚Hidden Curricula‘ üben dabei einen erheblichen Einfluss aus. Dies geht aus den Entwürfen von Curricula hervor. Da definierte und umgesetzte Bildungsziele in der Lehrerausbildung Optionen offerieren, soziale Strukturen zu bilden und zu reproduzieren, könnten Ziele und Kompetenzen formuliert werden, die aufzeigen was medienmündige Bürgerinnen und Bürger ausmacht. Außerdem könnte die Vermittlung einer kritischen Informations- und Medienkompetenz sowie die Reflexion über veränderte Bildungsziele eine neue Perspektive auf die Medien- und Lehrerausbildung an Hochschulen eröffnen.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Mandy Schiefner-Rohs
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kolumne
Michael Gurt: iPad, also bin ich
Ein Schulhof in der fränkischen Provinz im Jahr 1984: „Was willst du denn mit deinen ollen Pumas? Das sind doch billige Samba-Schlampen und sonst nichts!“ Der Angepöbelte sieht an sich herunter, mustert das eigene Schuhwerk mit Puma-Emblem und kontert gedankenschnell: „Du bist ja nur neidisch mit deinen blöden Adidas-Tretern. Die hat doch jeder Depp, das ist doch nichts Besonderes!“ … Eines kommt zum andern und schnell ist die schönste Schulhofschlägerei im Gange.München, ein Café irgendwo in Schwabing, im Frühherbst 2012: Ein ebenso lässiger wie gepflegter Mittvierziger starrt verträumt auf sein iPad, die Ohren verstöpselt, der Blick gefangen in den Tiefen des WWW in Westentaschenformat. Am Nebentisch verfolgt ein etwa gleich alter Geschlechtsgenosse das kontemplative Treiben. Der Nebentischmann ist deutlich weniger lässig, schlecht rasiert, der Blick verhuscht und wirkt wenig selbstbewusst. Nach kurzer Zeit durchdringt ein Klingelton die Stille, der iPad Nutzer blickt kurz auf und beobachtet sein Gegenüber.
Umständlich wird ein Smartphone eines fernöstlichen Herstellers hervorgekramt und nach einigen Drückern und Wischern hört er ein hervorgenuscheltes „Hallo? Ja, ich sitze grade im Café“. Die Blicke der beiden kreuzen sich und ein herablassendes Lächeln später, das zwischen Mitleid und Verachtung pendelt, geht jeder wieder seiner virtuellen Wege.Später am Abend nimmt die Schlammschlacht im virtuellen Raum richtig Fahrt auf: Der empfindlich gekränkte Smartphoner lässt seinem Frust im Forum einer X-beliebigen Technikplattform freien Lauf: Was denn eigentlich so toll ist an den Apple Produkten, schließlich kann das neue Samsung-Gerät viel mehr, schneidet bei den meisten Tests besser ab und hat einfach das bessere Preis-Leistungsverhältnis. Darauf hat die gegnerische Fraktion nur gewartet: Die Rede ist schnell vom abgekupferten Abfallprodukt, von Patentverletzungen und schlechter Infrastruktur, von Bedienungsmängeln und „blöden Farben“.Im Leben jedes Mannes kommt der Zeitpunkt, an dem er sich entscheiden muss: Adidas oder Puma, PC oder Mac, Levis oder Mustang, Audi oder Golf, Apple oder Samsung, Batman oder Superman, Iris oder Sandra, Max oder Moritz.
Mit den wirklich wichtigen Entscheidungen des Lebens sollte man(n) wirklich nicht leichtfertig umgehen. Ist es doch ein schmaler Grat zwischen angepasstem, seelenlosen Mitläufer und selbstbewusstem Tatmensch, der sein Glück in die eigenen Hände nimmt und die Symbole seiner Individualität vor sich herträgt wie ein Kreuzritter sein Banner. A propos Kreuzritter: In punkto Sendungsbewusstsein macht den verbissenen Apfel-Jüngern keiner etwas vor, nicht einmal die religiös verblendeten Gotteskrieger des Mittelalters. Ähnlich wie für diese gibt es für den echten Apfelianer keinen Zweifel über Gut und Böse und keine Kompromisse bei der Suche nach dem rechten Weg: Dieser Weg ins Paradies führt über Heiland Steve Jobs oder nirgendwohin.Wie sang schon Kabarettist Michael Krebs so schön: „Ich bin ja echt kein Markenfetischist. Ich steh bloß drauf, wenn meins das Beste ist.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Beitrag aus Heft »2012/05: Medienkonjunkturen - Medienzukunft«
Autor: Michael Gurt
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