2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation
Salad bowl, melting pot, multikulturelle Gesellschaft – klar ist, die Mobilität auf der Welt ist hoch im 21. Jahrhundert, Menschen ziehen in andere Länder um dort zu leben, wechseln vorübergehend zum Arbeiten den Wohnort oder leben in einem Land, in das ihre Vorfahren migriert sind. Dort gestalten sie ihren Alltag, nehmen am Leben teil und nutzen natürlich auch Medien. Doch zeichnet sich Mediennutzung ‚mit Migrationshintergrund‘ durch besondere Spezifika aus? Werden andere Medien genutzt, werden Medien gezielt eingesetzt, helfen sie der Integration und der (politischen oder gesellschaftlichen) Partizipation oder verstärken sie eine Ghettoisierung? merz 4/2011 beschäftigt sich mit diesem aktuellen und im Alltag relevanten Themenkomplex Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation. Die Autorinnen und Autoren betrachten in ihren Texten das Mediennutzungsverhalten von Migrantinnen und Migranten aus ganz unterschiedlichen Ländern, zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten und mit ganz unterschiedlichen Hintergründen. Kommunikative Vernetzung, Teilhabe durch Mediennutzung, die verbindende oder trennende Rolle von Musik et cetera werden betrachtet und erläutert. Praktische Schlaglichter auf das Thema werden zudem durch eine Projektvorstellung und ein Interview mit dem Geschäftsführer des türkischsprachigen Berliner Radyo Metropol FM geworfen.
aktuell
(N)ONLINER Atlas 2011
Auch 2011 ist nun wieder der (N)ONLINER Atlas zur Nutzung und Nichtnutzung des Internets sowie zu deren Strukturen und regionaler Verteilung erschienen. Der (N) ONLINER Atlas erscheint seit 2001 regelmäßig jedes Jahr und wird von der Initiative D21 in Zusammenarbeit mit TNS Infratest durchgeführt und herausgegeben und von namhaften Sponsoren unterstützt. Als Deutschlands größte Studie zur Internetnutzung kann der (N)ONLINER Atlas auf eine große Stichprobe zurückgreifen und so belastbare, empirische Informationen zu Onlinerinnen und Onlinern, Offlinerinnen und Offlinern sowie Nutzungsplanerinnen und -planern in Deutschland ab 14 Jahren sammeln.
Insgesamt zeigt der (N)ONLINER Atlas 2011 erneut einen deutlichen Anstieg der Internetnutzung von 72 Prozent im Jahr 2010 auf 74,7 Prozent im Jahr 2011. Dabei lassen sich deutliche Unterschiede in der Internetnutzung nach Geschlecht, Alter und Bildung erkennen. Den größten Zuwachs an Internetnutzerinnen und -nutzern haben demnach die Gruppe der Frauen, Menschen über 50 sowie die Bevölkerungsgruppe mit formal einfacher Bildung zu verzeichnen. Die in den letzten Jahren beobachtete Schere zwischen Ost und West konnte 2011 wieder geschlossen werden.
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Beitrag als PDFEinzelansichtGoogle gründet Forschungsinstitut in Berlin
Das von Google angekündigte neue Forschungsinstitut für Internet und Gesellschaft soll bis Ende Oktober 2011 in Berlin gegründet werden. Hauptaufgabe des Instituts soll die Untersuchung von Fragen aus den Bereichen Internetinnovation, Internetregulierung, Informations- und Medienrecht sowie Verfassungsrecht im Internet sein. Neben dem Geldgeber Google beteiligen sich an dem Projekt auch die Humboldt-Universität Berlin (HU-Berlin), die Universität der Künste Berlin (UdK), das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) sowie das Hans-Bredow-Institut in Hamburg (HBI). Wichtig ist den Beteiligten vor allem die Unabhängigkeit des Instituts, die durch die Existenz zweier Gesellschaften – einer Fördergesellschaft für finanzielle Belange sowie einer unabhängigen Forschungsgesellschaft, die für die Inhalte und Ziele des Instituts zuständig ist – gewährleistet werden soll. Zudem wir dem Institut zur kritischen Begleitung der Forschungsarbeit ein wissenschaftlicher Beirat zur Seite gestellt. Für die Leitung der Forschungseinrichtung konnten die Direktoren Ingolf Pernice (HU-Berlin), Thomas Schildhauer (UdK) sowie Jeanette Hofmann (WZB) gewonnen werden. www.golem.de/
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Beitrag als PDFEinzelansichtElisabeth Jäcklein-Kreis: stichwort tablet
Bisweilen sieht man dieser Tage Menschen in Zügen, U-Bahnen oder auf Parkbänken sitzen, den Kopf auf sehr nackenunfreundliche Art gesenkt und mit einem kleinen, von Größe und Form einem Frühstücksbrettchen nicht unähnlichen Etwas auf dem Schoß, dem sie ihre ganze Konzentration widmen. Sie wischen darauf herum, als gälte es, auch das letzte Staubkörnchen zu entfernen, klopfen mit den Fingerspitzen darauf, um sich danach wahlweise zu freuen oder zu ärgern, drehen und wenden es bisweilen oder heben es in die Luft. Ab und zu wurde auch jemand gesichtet, der es etwas ungeduldig schüttelte. Die Rede ist – natürlich – von den sogenannten Tablets, digitalen Endgeräten, die sich in Größe und Funktionalität irgendwo zwischen Smartphone und Laptop ansiedeln und sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. Eröffnet hat den Reigen der Tablets das iPad, mittlerweile ziehen dessen fruchtigem Hersteller aber auch andere Marken nach und werfen die smarten Scheiben auf den Markt. Aber was können die?
Je nachdem, wen man fragt, natürlich ‚alles‘ oder ‚nichts‘. So viel ist jedenfalls klar: Die Geräte sind kleiner und handlicher (und weniger leistungsfähig) als Laptops, aber größer und übersichtlicher (und sperriger) als Smartphones. Sie verfügen über einen Touchscreen, sparen sich aber die Tastatur (mittlerweile gibt es aber ansteckbare Tastaturen). Romane lassen sich darauf also sicher nicht schreiben (nur lesen), allerdings ermöglichen die Brettchen es, immer und überall online zu sein, Präsentationen oder Dokumente platzsparend und knitterfrei zu transportieren, sie können kleine Spiele oder E-Books in ihre kleinen Speicherkarten packen und bei Bedarf wieder ausspucken, manche lassen sich auch zum Fotoapparat umfunktionieren. Eine ‚Zwischenlösung‘ also – für all jene, die viel in Zügen, U-Bahnen und auf Parkbänken sitzen, Spaß an der Technik haben – oder sich einfach nicht entscheiden können.
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Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansichtStudie zum Datenschutz im Internet
Wo speichern die Bundesbürgerinnen und -bürger ihre privaten Daten? Wie schützen sie ihre Daten und wo wünschen sie sich staatlichen Eingriff? Diese und weitere Fragen versuchte die Studie „Datenschutz im Internet“ von BITCOM in Zusammenarbeit mit der Aris Umfrageforschung zu erörtern. Die repräsentative Umfrage unter Internetnutzerinnen und -nutzern ab 14 Jahren umfasste die Themenblöcke „Umgang mit Daten im Internet“, „Datenschutz und -sicherheit“ sowie „Netzpolitik“.
Das wichtigste Ergebnis der Studie ist die Existenz verschiedener Nutzertypen. Zum einen konnte die Gruppe der unbekümmerten Internetnutzerinnen und -nutzer identifiziert werden, die unüberlegt selbst sehr persönliche Daten im Netz veröffentlicht. Auf der anderen Seite steht die Gruppe der verunsicherten Internetnutzerinnen und -nutzer, die aus Angst vor Veruntreuung ihrer Daten fast völlig auf die Speicherung ihrer Daten im Internet verzichtet. Vom Staat erwarten sich die Befragten eine stärkere Vorbeugung und Verfolgung von Straftaten im Netz sowie allgemein mehr Schutz der eigenen Daten. Dennoch zeigt sich, dass insbesondere um den ersten Nutzertyp der „Unbekümmerten“ zu erreichen, eine stärkere Sensibilisierung auf das Thema Datenschutz gefördert werden muss. Für diese Aufgabe stehen Wirtschaft wie Politik gleichermaßen in der Pflicht. www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Publikation_Datenschutz_im_Internet.pdf
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Beitrag als PDFEinzelansichtRelaunch bei seitenstark.de
„Herzlich willkommen. Du bist mitten im Datenmeer von Seitenstark gelandet. Hier kannst du Spaß und Wissen in allen Formen und Farben angeln. Lustige Spiele und Nachrichten aus aller Welt, spannendes Forscherwissen, witzige Fotos, coole Musik und einmalige Dichtkunst gehen dir hier ins Netz. Außerdem jede Menge Aktionen zum Mitmachen und Ausprobieren. Und noch viel mehr. Tauch gleich mal ab ...!“ So begrüßt das überarbeitete Internetportal Seitenstark seine kleinen und großen Besucher.
Seit 1. Juli ist das nun erheblich erweiterte Angebot der Arbeitsgemeinschaft vernetzter Kinderseiten mit einem neuen Design und überarbeitetem Inhalt online im Netz zu finden. Die Internetseite richtet sich an Kinder bis zwölf Jahre sowie an deren Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und andere interessierte Erwachsene. Das neue Layout versetzt seine Besucherinnen und Besucher ins ‚Datenmeer von Seitenstark‘ und stellt dort verschiedene Inhalte zum ‚herausangeln‘ bereit. Geboten wird eine strengen Qualitätskriterien unterworfene Auswahl an Internetseiten, die bunt und spannend für die jungen Surferinnen und Surfer gestaltet sind, aber auch das Lerninteresse und die Medienkompetenz der Kinder fördern wollen. Außerdem stehen auch auf Seitenstark selbst viele nützliche Informationen zu Sicherheit und Gefahren im Netz sowie lustige Spiele bereit. Im Seitenstark Onlinechat können die jungen Internetnutzerinnen und -nutzer zudem in einem geschützten Umfeld erste Chaterfahrungen sammeln. Herausgeber der Plattform ist der gemeinnützige Seitenstark e. V..
Weitere Informationen unter: www.seitenstark.de
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Beitrag als PDFEinzelansichtChrista Gebel: Familienbilder in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur
Was die Kinder-und Jugendliteratur an Familienbildern bietet, angefangen bei Märchen und Bilderbüchern bis hin zum Adoleszenzroman, beleuchtete die gut besuchte Tagung derInternationalen Jugendbibliothek München am 08. Juni 2011, die gleichzeitig der Auftakt zur Bilderbuch- Ausstellung „Alles Familie!“ war, die ab September 2011 zur Wanderausstellung wird (Anfragen an die Internationale Jugendbibliothek). Tragische und grausam ausgetragene Familienkonflikte liefern seit jeher einen existenziellen Erzählstoff, wie Dr. Kristin Wardetzky, Professorin für Theaterpädagogik an der UdK Berlin, in ihrem lebendigen Vortrag zu Familienbanden in Mythen und Märchen darlegte. Während in der Mythenwelt Hass, Mord und andere Verbrechen ohne positive Wendung bleiben, zeichnen sich die Familienkonflikte im volkstümlichen Märchen dadurch aus, dass ein von älteren Geschwistern oder Stiefeltern grausam vernachlässigtes oder misshandeltes Kind sich von dieser Drangsal erfolgreich befreit.
Die Erzählperspektive fordert Parteinahme für das unterdrückte Kind und rechtfertigt damit dessen häufig skrupellose Vergeltung. Dadurch ist Wardetzky zufolge der kindliche Entwicklungskonflikt der Individuation angesprochen. Auch wenn Kinder der Handlung schaudernd folgen, wollen sie in Angstlust die Märchen durchaus immer wieder hören. Denn die poetische Sprache des Märchens, die der Alltagswelt entrückte Ansiedlung der Handlung sowie ein glückliches Ende, das häufig mit der Läuterung eines geliebten Elternteils verbunden ist, ermöglichen es den Kindern, die nötige Distanz aufzubauen. Das Familienbild in Bilderbüchern entspricht noch weitgehend der klassischen Kernfamilie. Eineltern-, Patchwork-, Regenbogen-, Adoptions- und multilokale Familien – all das kommt im Kinderbuch noch zu kurz und knüpft damit nicht an die Lebenswirklichkeit vieler Kinder an, so Hilde Elisabeth Menzel, die die Ausstellung „Alles Familie!“ vorbereitetet hatte. Auf gelungene Ausnahmebeispiele verweist die Ausstellung, nahezu erfolglos bleibt jedoch die Suche nach Migrationsfamilien. Bilderbücher,die Familienkonflikte thematisieren, verschwinden trotz hoher Qualität allzu häufig wieder vom Markt, denn Eltern meiden wohl die Auseinandersetzung mit schuldbehafteten Themen. Auch als Geschenk mögen diese Bücher zu symbolträchtig erscheinen. Umso mehr Gewicht haben hier Kitas und Bibliotheken, die nicht mehr Lieferbares vorhalten, um Kindern die Auseinandersetzung mit diesen Themen zu erleichtern.
Den gegenteiligen Trend gibt es in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur zu verzeichnen, wie Tilmann Spreckelsen (FAZ) für das Kinderbuch und Christine Knödler (LMU München) für den Adoleszenzroman aufzeigen. Im Kinderbuch stehen nicht selten Kinder mit Problemfamilien im Mittelpunkt, denen mehr abverlangt wird, als sie tragen können, etwa den Verlust eines Elternteils zu verkraften und dazu noch die lähmende Trauer des anderen. Vielfach erkennbar ist der Wunsch nach anwesenden und ganz normalen, nicht notwendigerweise heldenhaften Vätern.Im Adoleszenzroman spielen Eltern kaum eine Rolle, sie sind als personifizierte Abenteuerverhinderer häufig ins Abseits verbannt. Werden Familienbande jedoch thematisiert, kann es offenbar kaum dramatisch und beklemmend genug zugehen und kein Tabu bleibt ungebrochen, so Christine Knödler. Väter als Täter, Familie als Alptraum, das sind Leitmotive sowohl hochwertiger Werke als auch weniger erwähnenswerter Bücher. Die Vermutung, dass hier Überbietungsmechanismen am Werke sind, liegt nahe. Ob dies den Bedürfnissen der jugendlichen Leserschaft entspricht, bleibt offen, denn Rezeptionsforschung fehlt. Dies gilt ebenso für Bilderbücher und Kinderliteratur.
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Autor: Christa Gebel
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thema
Susanne Eggert: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation
Deutschland schafft sich ab! lautet der Titel des Buches von Thilo Sarrazin, das im Herbst 2010 auf den Markt kam und noch vor seinem Erscheinen hohe Wellen schlug. Von der Sorge, dass in einigen Jahren Deutsch nicht mehr die Sprache der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland sein könnte, ist darin die Rede, davon dass die Menschen nicht mehr von den Kirchenglocken der christlichen Kirchen geweckt werden könnten, sondern vom Rufen der Muezzine. Außerdem werden wir darauf hingewiesen, dass Integration eine Bringschuld sei und es ein Fehler war, in den 60er Jahren Arbeitsmigranten nach Deutschland zu holen – heute seien wir schlauer und würden die Fabriken ins Ausland verlagern. Komplett vermeiden lässt sich die Arbeitsmigration dadurch aber offensichtlich nicht.
Am 18./19.07.2011 war verschiedenen Zeitungen zu entnehmen, dass die Bundesagentur für Arbeit gezielt hochqualifizierte Arbeitslose aus Südeuropa anwerben möchte ... Migration ist hierzulande ein Thema, das auf unterschiedlichen Ebenen diskutiert wird und das auch von Seiten der Wissenschaft unter die Lupe genommen wird. Mit der vorliegenden merz wollen auch wir uns wieder einmal in die Debatte einbringen. Ausgehend von der Tatsache, dass in vielen Ländern dieser Erde Menschen leben, die ihre Heimat verlassen haben, um an einem anderen Ort ein neues Leben zu beginnen – oder auch nur eine gewisse Zeit zu überbrücken, bis sie wieder zurückkehren können –, gehen die Autorinnen und Autoren der Frage nach, wie die Migrantinnen und Migranten die Medien dazu nutzen, einerseits Kontakte zu unterschiedlichen Gruppen zu knüpfen oder zu pflegen und andererseits an den Angeboten und Entwicklungen der Gesellschaft teilzuhaben, der sie sich jetzt – zeitweise oder auf Dauer – zuordnen und sich dadurch in dieser verorten. Den Auftakt machen Andreas Hepp, Cigdem Bozdag und Laura Sūna (Universität Bremen). Sie haben die kommunikative Vernetzung von Migrantinnen und Migranten marokkanischer, russischer und türkischer Herkunft untersucht und dabei festgestellt, dass die je individuelle Netzwerkarbeit auf unterschiedliche Migrationstypen zurückzuführen ist. Diese lassen sich als „herkunftsorientiert“, „ethnoorientiert“ und „weltorientiert“ bezeichnen. Auch die kommunikative Vernetzung der Untersuchungsgruppe kann als „Herkunftsvernetzung“ (zu diesem Netzwerk gehören in erster Linie Personen aus der Herkunftskultur), „bikulturelle Vernetzung“ (die Vernetzung zeichnet sich hauptsächlich durch Kontakte zu Personen aus der Herkunftskultur sowie zu Deutschen aus) und „transkulturelle Vernetzung“ (diese Netzwerke reichen über Länder- und Nationengrenzen hinweg) klassifiziert werden.
Es zeigte sich, dass „herkunftsorientierte“ Personen nicht notwendigerweise eine „Herkunftsvernetzung“ aufweisen, der „ethnoorientierte“ Typ sich nicht unbedingt „bikulturell“ vernetzt und die Vernetzung der „Weltorientierten“ nicht immer „transkulturell“ ist, allerdings ist dies verstärkt zu beobachten und unterstützt die jeweiligen Typen. Der Fokus des zweiten Artikels von Thanh Tam Nguyen richtet sich auf Musik. Nguyen, Absolventin an der Universität Leipzig und selber vietnamesischer Herkunft, erläutert die besondere Bedeutung vietnamesischer Musik für junge Migrantinnen und Migranten aus Vietnam. Vor allem in der ersten Zeit gibt ihnen die mitgebrachte Musik ein Gefühl von Zughörigkeit und Vertrautheit und hilft ihnen, sich ihrer Identität zu versichern. Darüber hinaus nutzen sie die Musik aber auch, um anderen ihr vietnamesisches Lebensgefühl und ein Stück ihrer Kultur zu vermitteln und so einen interkulturellen Dialog anzustoßen und sich in die Gesellschaft einzubringen. Wie Medien genutzt werden (müssen), um an gesellschaftlichen Angeboten und Vorgängen zu partizipieren, ist Gegenstand des dritten Schwerpunktbeitrags. Gesellschaftliche Partizipation wird auf drei Stufen beschrieben: erstens als interkultureller Austausch zwischen Gleichaltrigen. Diese „Partizipation im ‚Kleinen‘„ läuft besonders bei Heranwachsenden auch über – vor allem globalisierte – Medien(-angebote), die Gesprächsanlässe liefern und einen Austausch auf Augenhöhe ermöglichen. Als zweite Stufe, die erklommen werden muss, wird die „Organisation des privaten Alltags in der Gesellschaft“ beschrieben. Informationen über den örtlichen Nahverkehr, die Öffnungszeiten öffentlicher Einrichtungen, Veranstaltungshinweise et cetera lassen sich zwar auch auf anderen Wegen in Erfahrung bringen, weniger aufwändig ist es aber, dafür einen kurzen Blick ins Internet zu werfen. Um sich dort zurechtzufinden, ist es aber nötig – zumindest hierzulande – die Landessprache zu verstehen. Diese Hürde zu überwinden fällt vielen Menschen mit Migrationshintergrund schwer. Die dritte Stufe schließlich ist die „Partizipation an gesellschaftlichen Vorgängen“.
Hier spielen die digitalen Medien eine immer größere Rolle. Verschiedenen Untersuchungen lassen sich vorsichtige Hinweise darauf entnehmen, dass diese Entwicklung Menschen mit Migrationshintergrund neue Wege eröffnet. Partizipation mithilfe digitaler Medien ist auch das Thema des Artikels von Oliver Hinkelbein. Aus der Perspektive des „angewandten Ethnologen“, der das Projekt einerseits mitentwickelt hat, es andererseits auch durchführt, stellt er die Implementierung des Projektes Integration@Partizipation.NDS vor. Ziel dieses Projektes der Erwachsenenbildung ist es, Menschen mit Migrationshintergrund die notwendigen digitalen Kompetenzen zu vermitteln, die ihnen politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Partizipation ermöglichen. Den Abschluss des Schwerpunktthemas bildet ein Gespräch mit Tamer Ergün Yikici, Geschäftsführer des deutsch- und türkischsprachigen Radios Radyo Metropol FM. Vor zwölf Jahren hat er mit seinem Geschäftspartner das Radio für die deutschtürkische Community vor allem in Berlin gegründet, seither hat sich viel getan. Das Radio hat sich „mit der Zielgruppe entwickelt“. Das Ziel ist aber das Gleiche geblieben: Metropol FM will den Deutschtürken zeigen, dass sie hierher gehören und setzt dort an, wo diese Schwierigkeiten haben, sich mit der Gesellschaft zu identifizieren, lässt ihnen aber trotzdem ihre ‚emotionale Heimat‘. Unter dem Stichwort „Kultursensibilität“ macht er außerdem deutlich, wo die deutsche Gesellschaft im Hinblick auf ihre Migrantinnen und Migranten noch Nachholbedarf hat. Nun wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre, die ihnen hoffentlich Lust macht, sich auch weiterhin mit dem Thema zu beschäftigen.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Susanne Eggert
Beitrag als PDFEinzelansichtAndreas Hepp, Cigdem Bozdag und Laura Suna: Mediale Migranten und die kommunikative Vernetzung der Diaspora
Basierend auf medienethnografischen Untersuchungen der marokkanischen, russischen und türkischen Diaspora in Deutschland werden die Kernpunkte einer Zugangsweise auf Medien und Migration umrissen, die nicht von vornherein jegliche Phänomene auf Fragen der Integration in die (deutsche) Migrationsgesellschaft reduziert.
Literatur
Bailey, Olga G./Georgiou, Myria/Harindranth, Ramaswami (Hrsg.) (2007). Transnational Lives and the Media: Reimagining Diasporas. New York: Palgrave Macmillan.
Dayan, Daniel (1999). Media and Diasporas. In: Gripsrud, Jostein (Hrsg.). Television and Common Knowledge. London/ New York: Routledge, S. 18-33.
Diminescu, Dana (2008). The connected migrant. An epistemological manifesto. In: Social Science Information, 47(4), S. 565-579.
Geißler, Rainer/Pöttker, Horst (Hrsg.) (2005). Massenmedien und die Integration ethnischer Minderheiten in Deutschland. Bielefeld: transcript.
Geißler, Rainer/Pöttker, Horst (Hrsg.) (2006). Integration durch Massenmedien/Mass Media-Integration. Bielefeld: Transcript.
Georgiou, Myria (2006). Diaspora, Identity and the Media: Diasporic Transnationalism and Mediated Spatialities. Cresskill: Hampton Press.
Gillespie, Marie (2002). Transnationale Kommunikation und die Kulturpolitik in der südasiatischen Diaspora. In: Hepp, Andreas/Löffelholz, Martin (Hrsg.), Grundlagentexte zur Transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 617-643.
Hepp, Andreas (2011). Medienkultur. Die Kultur mediatisierter Welten. Wiesbaden: VS. Hepp, Andreas/Bozdag, Cigdem/Suna, Laura (2011). Mediale Migranten: Mediatisierung und die kommunikative Vernetzung der Diaspora. Wiesbaden: VS.
Miller, Daniel/Slater, Don (2000). The Internet. An Ethnographic Approach. Oxford: Berg.Naficy, Hamid (1993). The Making of an Exile Culture. London: University of Minnesota Press.
Pöttker, Horst (2005). Soziale Integration. Ein Schlüsselbegriff für die Forschung über Medien und ethnische Minderheiten. In: Geißler, Rainer/Pöttker, Horst (Hrsg.), Massenmedien und die Integration ethnischer Minderheiten in Deutschland. Bielefeld: transcript, S. 25-43.
Rydin, Ingegerd/Sjöberg, Ulrika (2007). Identität, Staatsbürgerschaft, kultureller Wandel und das Generationsverhältnis. In: Bonfadelli, Heinz/Moser, Heinz (Hrsg.), Medien und Migration. Europa im multikulturellen Raum? Wiesbaden: VS, S. 273-302.
Schatz, Heribert/Holtz-Bacha, Christina/Nieland, Jörg-Uwe (Hrsg.) (2000). Migranten und Medien. Neue Herausforderungen an die Integrationsfunktion von Presse und Rundfunk. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Schlesinger, Philip (1987). On National Identity. In: Social Science Information, 26 (2), S. 219-264.
Silverstone, Roger (2002). Eine Stimme finden: Minderheiten, Medien und die globale Allmende. In: Hepp, Andreas/Löffelholz, Martin (Hrsg.), Grundlagentexte zur Transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 725-749.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Andreas Hepp, Cigdem Bozdag, Laura Suna
Beitrag als PDFEinzelansichtThanh Tam Nguyen: Brücke, Thema, Selbstdarstellung
Zum Aufwachen, zum Einschlafen, zu Hause, unterwegs – Musik prägt das Leben vieler (junger) Menschen und ist aus vielen Lebensbereichen nicht wegzudenken. In den verschiedensten Situationen übernimmt sie die unterschiedlichsten Funktionen. So ist Musik auch für Jugendliche, die in ein anderes Land migrieren, ein wichtiger Begleiter, bei der Ankunft, bei der Kontaktaufnahme und bei der eigenen Positionierung im neuen Umfeld.
Literatur
Beth, Uta/Tuckermann, Anja (2008). „Heimat ist da, wo man verstanden wird“. Junge VietnamesInnen in Deutschland. Berlin: Archiv der Jugendkulturen Verlag KG. Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) (2007). Die vietnamesische Diaspora. Struktur und Kooperationspotenzial mit Schwerpunkt auf Berlin und Hessen. www.gtz.de/en/dokumente/die-vietnamesischediaspora-2007.pdf [Zugriff: 29.06.2011]
Eggert, Susanne (2010). Medien im Integrationsprozess: Motor oder Bremse? Die Rolle der Medien bei der Integration von Heranwachsenden aus der ehemaligen Sowjetunion. München: kopaed.
Farrell, Patricio (2010). Unauffällig an die Spitze. www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/unauffaellig-an-die-spitze [Zugriff: 29.06.2011]
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2010): Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19 Jähriger in Deutschland. www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf10/JIM2010.pdf [Zugriff: 11.07.2011]
Schorb, Bernd/Würfel, Maren/Kießling, Mathias/Keilhauer, Jan (2009). MeMo_VP09. Medienkonvergenz Monitoring Videoplattformen-Report 2009. YouTube und Co. – Neue Medienräume Jugendlicher.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Beitrag als PDFEinzelansichtSusanne Eggert: Partizipation mittels Medien?!
Veranstaltungen, Telefonnummern, örtliche Ansprechpartner, Jugendgruppen – solche Informationen findet man heute in vielen Fällen (bisweilen ausschließlich) online – Teilnahme am gesellschaftlichen Leben setzt Mediennutzung schon fast voraus. Doch was bedeutet das für Menschen, die neu in einem Land sind, erst immigriert sind und sich mit Sprache, Gepflogenheiten et cetera noch nicht gut auskennen? Ist die medienvermittelte Kommunikation eine Chance, um früher oder stärker an der ‚neuen‘ Gesellschaft zu partizipieren oder wirft dies neue Probleme auf?
Literatur
ARD/ZDF-Medienkommission (2008). Migranten und Medien 2007. Ergebnisse einer repräsentativen Studie der ARD/ZDF-Medienkommission. www.unternehmen. zdf.de/uploads/media/Migranten_und_Medien_2007_-_Handout_neu.pdf [Zugriff: 26.07.2011]
Bucher, Priska/Bonfadelli, Heinz (2007). Mediennutzung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der Schweiz. In: Bonfadelli, Heinz/Moser, Heinz (Hrsg.), Medien und Migration. Europa als multikultureller Raum? Wiesbaden: VS-Verlag, S. 119-145.
Delgado, Manuel J. (1972). Die „Gastarbeiter“ in der Presse. Eine inhaltsanalytische Studie. Opladen: Leske.Eggert, Susanne (2010). Medien im Integrationsprozess: Motor oder Bremse? Die Rolle der Medien bei der Integration von Heranwachsenden aus der ehemaligen Sowjetunion. München: kopaed.
Geißler, Rainer/Pöttker, Horst (2006). Mediale Integration von Migranten. Ein Problemaufriss. In: Dies. (Hrsg.), Integration durch Massenmedien. Medien und Migration im internationalen Vergleich. Bielefeld: transcript, S. 13-75.
Hepp, Andreas/Bozdag, Cigdem/Suna, Laura (2011). Mediale Migranten: Mediatisierung und die kommunikative Vernetzung der Diaspora. Wiesbaden: VS-Verlag.
Hermann, Thomas/Hanetseder, Christa (2007). Jugendliche mit Migrationshintergrund: heimatliche, lokale und globale Verortungen. In: Bonfadelli, Heinz/Moser, Heinz (Hrsg.), Medien und Migration. Europa als multikultureller Raum? Wiesbaden: VS-Verlag, S. 237-271.
Hugger, Kai-Uwe (2009). Junge Migranten online. Suche nach sozialer Anerkennung und Vergewisserung nationaler Zugehörigkeit. Wiesbaden: VS Verlag.Katz, Vikki (2010). How Children of immigrants Use Media to Connect Their Families to the Community. In: Journal of Children and Media, 4: 3, pp. 298-315.
Kissau, Kathrin (2008a). Das Integrationspotenzial des Internet für Migranten. Wiesbaden: VS-Verlag.Kissau, Kathrin (2008b). Internetnutzung von Migranten – Ein Weg zur Integration? In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Aus Politik und Zeitgeschichte, 39/2008, Bonn, S. 29-34.
Lünenborg, Margreth/Fritsche, Katharina/Bach, Annika (2011). Migrantinnen in den Medien. Darstellungen in der Presse und ihre Rezeption. Bielefeld: transcript. Mansel, Jürgen/Spaiser, Viktoria: Befragung von Jugendlichen, Institut für interdisziplinäre Konflikt-/Gewaltforschung, Universität Bielefeld, Dezember 2009-2010 (unveröffentlicht). www.digitale-chancen.de/content/presse/stories.cfm/key.223/key2.1 [Zugriff: 18.07.2011]
Rydin, Ingegerd/Sjöberg, Ulrika (Eds.) (2008). Mediated Crossroads: Identity, Youth Culture and Ethnicity: Theoretical and Methodological Challenges. Göteborg: Nordicom.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Susanne Eggert
Beitrag als PDFEinzelansichtOliver Hinkelbein: „Der Weg ist das Ziel!“
Im Jahr 2010 führte die Projektwerkstatt Umwelt und Entwicklung e. V. in Niedersachsen ein Projekt zur Förderung digitaler Fähigkeiten von Migrantinnen und Migranten durch. Der Autor war selbst an dem Projekt beteiligt. Er beschreibt die Projektphasen, analysiert sie und arbeitet heraus, wie das Projekt Partizipation ermöglicht und damit Integration fördert.
Literatur
Althoff, Benedikt/Wójcik, Michal (2010). MediaTrainer. Handbook for the community media sector and civil society institutions. Münster: Bürgermedienzentrum Bennohaus.
ARD/ZDF (2007). Migranten und Medien 2007. Ergebnisse einer repräsentativen Studie der ARD/ZDF-Medienkommission. www.unternehmen.zdf.de/fileadmin/files/Download_Dokumente/DD_Das_ZDF/Veranstaltungsdokumente/Migranten_und_Medien_2007_-_Handout_neu.pdf [Zugriff: 07.07.2011].
Göbel, Dieter (2008). Partizipation von Kindern und Jugendlichen. In: Jugendhilfe Report, 1 (2008), S. 5-10.
Hinkelbein, Oliver (2004). Ethnische Minderheiten, neue Medien und die digitale Kluft: Deutschland ein digitales Entwicklungsland? Stiftung Digitale Chancen, www.digitale-chancen.de/transfer/downloads/MD642.pdf [Zugriff: 07.07.2011].
Hinkelbein, Oliver (2004). Ethnische Minderheiten, neue Medien und die digitale Kluft: Deutschland ein digitales Entwicklungsland? Stiftung Digitale Chancen, www.digitale-chancen.de/transfer/downloads/MD642.pdf [Zugriff: 07.07.2011].
Hinkelbein, Oliver (2007). Digitale Integration von Migranten: Fortschritte, Barrieren und Nachhaltigkeit. In: Stephan Wilforth und Rolf Neuhaus (Hrsg.), Information erleichtern – Partizipation ermöglichen – Integration fördern. Dortmund: RaumPlanung Spezial 11, S. 83-104.
Hinkelbein, Oliver (2008). Black Box – Digitale Integration von Migranten. Ein ethnographischer Forschungsansatz. In: König, Andrea/Inan, Alev (Hrsg.), Medienbildung – Medienalltag. Theologische, pädagogische und interkulturelle Perspektiven. München: kopaed Verlag, S. 281-301.
Initiative D21 (2011). (N)ONLINER Atlas 2011. Eine Topographie des digitalen Grabens durch Deutschland. www.nonliner-atlas.de/ [Zugriff: 10.07.2011].
Kissau, Kathrin (2008). Internetnutzung von Migranten – ein Weg zur Integration? Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. www.bpb.de/publikationen/EAHH2W,0,Internetnutzung_von_Migranten_ein_Weg_zur_Integration.html [Zugriff: 07.07.2011].
Loges, William/Jung, Joo-Young (2001). Exploring the Digital Divide. Internet Connectedness and Age. In: Communication Research, 28 (4), S. 536. NIR 2011. Arbeitsgruppe „Integration und Medien“. www.nds-integrationsrat.de/pdf/Position%20NIR%20Integration%20und%20Medien.pdf [Zugriff: 07.07.2011].
Trebbe, Joachim/Heft, Annett/Weiß, Hans-Jürgen (2010). Mediennutzung junger Menschen mit Migrationshintergrund. Berlin: VISTAS.Van Willigen, John (2002). Applied Anthropology. An Introduction. Westport, Connecticut & London: J F Bergin & Garvey.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Oliver Hinkelbein
Beitrag als PDFEinzelansichtKatrin Echtermeyer, Achim Lauber:"Die Türken sind halt mehr die Macho-Männer"
„Einmal, da ging’s um Playboy 51, das war ein Türke. Der sieht gut aus. Der redet auch noch so cool und der kriegt jede Frau“, erzählt Hakan. Der Elfjährige hat in verschiedenen Talkshows Tanju Calikiran gesehen. Calikiran tingelt als „PlayBoy 51“ durch die Infotainmentwelt und brüstet sich vor den Zuschauern mit seinem Erfolg bei Frauen. Das beeindruckt Hakan sehr. Die 13-jährige Saskia dagegen kann solche Typen nicht ernst nehmen: Sie findet es allenfalls „lustig, wie die Türken da so auftreten - ein paar Machos. Und dass die sich meist so ein bisschen aufspielen“.
Medienbilder im AlltagWelche Bilder von Ausländerinnen und Ausländern werden Kindern und Jugendlichen durch das Fernsehen vermittelt? Was nehmen sie mit für ihre Sichtweisen bezüglich ausländischer Menschen und deren kultureller Hintergründe? Diesen Fragen geht derzeit eine Studie im Auftrag der Landesmedienanstalten von Schleswig-Holstein, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern nach. Die Forschungsgruppe um Bernd Schorb (Lehrstuhl für Medienpädagogik und Weiterbildung, Universität Leipzig) untersucht die Bedeutung des Fernsehens für das Ausländerbild von 9- bis 14-Jährigen.
Die Erhebungsphase ist bereits abgeschlossen: Zum einen wurden vierzig Kinder und Jugendliche zu ihren persönlichen Kontakten zu ausländischen Personen befragt, zu ihrer Beobachtung von Ausländerinnen und Ausländern in der Realität und im Fernsehen und zu ihren Meinungen und Einstellungen in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Zum anderen wurden Fernsehangebote inhaltsanalytisch untersucht, um die tatsächliche Darstellung von ausländischen Personen im Fernsehen zu extrapolieren und mit der Wahrnehmung der Heranwachsenden vergleichen zu können. Konkret betrachtet werden in der Analyse beliebte Genres der Altersgruppe: Daily Talks, Gerichtsshows, Boulevardmagazine und Daily Soaps...
( merz 2002/05, S. 301 - 303 )
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Achim Lauber, Katrin Echtermeyer
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spektrum
Achim Hackenberg, Daniel Hajok und Olaf Selg: „Ohne Fleiß kein Preis“
Castingshows stoßen bei vielen Erwachsenen auf Ablehnung, der raue Umgangston, das teils übertriebene Leistungsprinzip und die Bloßstellung der Kandidatinnen und Kandidaten stehen oft in der Kritik. Dennoch erfreuen sich die Sendungen bei Jugendlichen großer Beliebtheit und erzielen hohe Einschaltquoten – nicht zuletzt, weil sie ihrem Publikum (vermeintliche) Anleitungen fürs Leben vermitteln und zur Orinetierung herangezogen werden.
Literatur
Götz, Maja/Gather, Johanna (2010). Wer bleibt drin, wer fliegt raus? Was Kinder und Jugendliche aus Deutschland sucht den Superstar und Germany's Next Topmodel mitnehmen. In: TelevIZIon, Heft 1/2010, S. 52-59.
Hackenberg, Achim/Hajok, Daniel/Selg, Olaf (2011a). „Konstruktive Kritik ist in Ordnung, aber manche Sprüche müssen wirklich nicht sein.“ Wie Kinder und Jugendliche die DSDS-Jury wahrnehmen und den Umgang von Bohlen mit den KandidatInnen bewerten. Ergebnisse einer aktuellen Studie. In: BPjM-aktuell, Heft 2/2011, S. 17-22.
Hackenberg, Achim/Hajok, Daniel/Selg, Olaf (2011b). Orientierung auf Augenhöhe. Nutzung und Aneignung von Castingshows durch Heranwachsende. In: JMS-Report, Heft 1/2011, S. 2-7.
Hajok, Daniel/Selg, Olaf (2010). Castingshows im Urteil ihrer Nutzer. In: tv diskurs, Heft 51, S. 61-65. Klaus, Elisabeth/O'Connor, Barbara ( 2010). Aushandlungsprozesse im Alltag. Jugendliche Fans von Castingshows. In: Jutta Rösner / Tanja Thomas / Corinna Peil (Hrsg.), Alltag in den Medien – Medien im Alltag. Wiesbaden: VS Verlag, S. 48-72.
Krotz, Friedrich/Lange, Andreas (2010). Leistung und Stigmatisierung als Inszenierung im Fernsehen. Ein gesellschaftstheoretischer Rahmen. In: merz - medien + erziehung, Heft 2/2010, S. 8-14.
Lünenborg, Magreth/Töpper, Claudia (2011). Castingshows: Grenzverletzung und Werteempfinden. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Heft 3/2011, S. 35-41.
Stehling, Miriam/Thomas, Tanja (2010). Lifestyle-TV zwischen Kritik und Attraktivität. Transkulturelle Perspektiven auf global gehandelte Fernsehformate. In: merz – medien+erziehung, Jg. 54, Heft 2/2010, S. 22-29.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Achim Hackenberg, Daniel Hajok, Olaf Selg
Beitrag als PDFEinzelansichtNadine Jünger: „Also ich gucke da nichts ab“
In der Pornografisierungsdebatte wurde ein Teil der Schuld an der vermeintlichen sexuellen Verwahrlosung der Jugend dem Porno-Rap gegeben. Aber tragen Frauenarzt und Co. tatsächlich zur ‚Pornofizierung‘ von Jugendsexualität bei? Welche Bedeutung hat Porno-Rap für die sexuelle Sozialisation seiner Hörerschaft? Erste Antworten liefern die Ergebnisse einer explorativen, qualitativen Studie.
Literatur
Arnett, Jeffrey J. (2002). The Sounds of Sex: Sex in Teens' Music and Music Videos. In: D. Brown, Jane/Steele, Jeanne R./ Walsh-Childers, Kim (Hrsg.), Sexual Teens, Sexual Media. Investigating Media's Influence on Adolescent Sexuality. Mahwah/New Jersey: Lawrence Erlbaum Associates. S. 253-264.
Herschelmann, Michael (2009a). Jungen und deutscher (Gangsta)Rap – Sinnrealisation in (stereotypen) Bedeutungen. In: Pech, Detlef (Hrsg.), Jungen und Jungenarbeit. Eine Bestandsaufnahme des Forschungs- und Diskussionsstandes. Baltmannsweiler: Schneider Verlag. S. 172-187.
Herschelmann, Michael (2009b). Sexistischer deutscher Gangsta-Rap: Provokation oder Gefährdung? In: Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren e. V. (Hrsg.), Die Jugend(hilfe) von heute – Helfen mit Risiko. Köln: Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren. S. 75-89.
Klein, Alexandra/Sager, Christin (2010). Wandel der Jugendsexualität in der Bundesrepublik. In: Schetsche, Michael/ Schmidt, Renate-Berenike (Hrsg.), Sexuelle Verwahrlosung. Empirische Befunde – Gesellschaftliche Diskurse – Sozialethische Reflexionen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 95-117.
Siggelkow, Bernd/Büscher, Wolfgang (Hrsg.) (2008). Deutschlands sexuelle Tragödie. Wenn Kinder nicht mehr lernen, was Liebe ist. Asslar: Gerth-Medien-Verlag.Weller, Konrad (2010). Explizite Lyrik – „Porno-Rap“ aus jugendsexuologischer Perspektive. In: Schetsche, Michael/ Schmidt, Renate-Berenike (Hrsg.), Sexuelle Verwahrlosung. Empirische Befunde – Gesellschaftliche Diskurse – Sozialethische Reflexionen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 207-230.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Nadine Jünger
Beitrag als PDFEinzelansichtElisabeth Jäcklein-Kreis: Cybermobbing
Ein Witz, ein Streich, eine Hassgruppe – in den medialisierten Lebenswelten, in denen sich Kinder und Jugendliche heute bewegen, findet nicht nur Freundschaftspflege zunehmend digital statt. Auch negative Phänomene wie Mobbing und Bullying treten in neuen Ausprägungen medial auf und sind hier oft ungleich schlimmer als im ‚realen‘ Leben.
Literatur
Beratungsstelle Frauennotruf in Frankfurt am Main (2009). Digitale Welten Digitale Medien Digitale Gewalt. www.frauennotruf-frankfurt.de/fileadmin/redaktion/pdf/FNR-Flyer-Digitale-Gewalt-09-09.pdf [Zugriff: 11.03.2011]
dpa (2010). Opfer von Cyber-Mobbing begeht Selbstmord. eltern.t-online.de/social-networking-selbstmord-nach-cyber-mobbing/id_20025890/index [Zugriff: 11.03.2011]
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (2008). Cyber-Mobbing. Informationen,Tipps und Hinweise zum Umgang mit Mobbing via Internet, E-Mail und Mobiltelefon. www.gew.de/Binaries/Binary31974/GEW%20Brosch%FCre%20mit%20Tipps%20und%20Hinweisen.pdf [Zugriff: 04.03.2011]
Grimm, Petra/Rhein, Stefanie/Clausen-Muradian, Elisabeth unter Mitarbeit von Koch, Elisabeth/Eisemann, Christoph (2008). Gewalt im Web 2.0. Der Umgang Jugendlicher mit gewalthaltigen Inhalten und Cyber-Mobbing sowie die rechtliche Einordnung der Problematik. Berlin: Vistas.
Härtling, Peter (2002). Ben liebt Anna. Landsberg: Beltz.Ittel, Angela/Dienhardt, Anja (2009). Psychosoziale Folgen von Cyber-Mobbing und Happy-Slapping. bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/medien/jugendmedienschutz/sicherheit_im_internet_und_beim_handy/fachtagung_Cyber-Mobbing/Cybermobbing_LISUM_Frau_Ittel.pdf [Zugriff: 11.03.2011]
klicksafe (Hrsg.) (2011). Cyber-Mobbing – was ist das? www.klicksafe.de/themen/kommunizieren/cyber-mobbing/cyber-mobbing-was-ist-das.html [Zugriff: 04.03.2011]
Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen (Hrsg.) (2010). Cyber-Mobbing. Medienkomptenz trifft Gewaltprävention.Livingstone, Sonia/Haddon, Leslie/Görzig, Anke/Ólafsson Kjartan (2011). Risks and safety on the internet. The perspective of European children. Full findings and policy implications from the EU Kids Online survey of 9-16 year olds and their parents in 25 countries. www2.lse.ac.uk/media@lse/research/EUKidsOnline/EU%20Kids%20Online%20reports.aspx [Zugriff: 11.03.2011]
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest MPFS (2010). JIM-Studie 2010. Jugend, Information, (Multi-)Media. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest MPFS (2010.2). KIM-Studie 2010. Kinder + Medien, Computer + Internet. N.N. (2011). Cybermobbing. de.wikipedia.org/wiki/Cyber-Mobbing [Zugriff: 04.03.2011]
Patalong, Frank (2007). Tod eines Teenagers. www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,518042,00.html [Zugriff: 11.03.2011]
Polizei Beratung (Hrsg.) (2011). Cybermobbing – Folgen für Täter. www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/gefahren-im-internet/cybermobbing/folgen-fuer-taeter.html [Zugriff: 11.03.2011]
Servicebureau Jugendinformation (2009). Cyber-Bullying! www.servicebureau.de/publication.php [Zugriff: 11.03.2011]
Zentrum für empirische pädagogische Forschung (zepf) (Hrsg.) (2007). Mobbing bei Schülerinnen und Schülern in der Bundesrepublik Deutschland. Eine empirische Untersuchung auf der Grundlage einer Online-Befragung. www.zepf.uni-landau.de/das-zepf/mitarbeiter/jaeger-reinhold-s/veroeffentlichungen [Zugriff: 10.03.2011]
www.lizzynet.de/wws/3322660.php
www.mediaculture-online.de/Cyber-Mobbing.1228.0.html
www.unterrichtsmodule-bw.de/index.php?id=56&tx_umo_pi1[showUid]=392&cHash=a6683803a4 (Unterrichtsmodul)
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansichtAnika Hohmann: Theater-Medien-Pädagogik
In Projekten aktiver Medienarbeit bedient sich die Medienpädagogik bereits implizit theaterpädagogischer Methoden. Im Hinblick auf die Forschungsliteratur scheint sie ich jedoch nicht explizit über das Potenzial der Theaterpädagogik bewusst zu sein, oder hat dieses noch nicht theoretisch fundiert und praktisch überprüft. Daher besteht in Bezug auf diesen Aspekt im medienpädagogischen Diskurs Nachholbedarf.
Literaturverzeichnis
Anfang, Günther/Brüggen, Niels (2009). Editorial. In: merz | medien + erziehung, 53. Jg., Heft 3, München: kopaed, S. 10-11.
Hoppe, Hans (Hrsg.) (2003). Theater und Pädagogik: Grundlagen, Kriterien, Modelle pädagogischer Theaterarbeit. Münster: LIT.
Klepacki, Leopold (2008). Medienpädagogik und Theaterpädagogik an der Schule: Über das (Nicht-)Verhältnis zweier fremder Schwestern. In: Schoenmarkers, Henri/Bläske, Stefan/Kirchmann, Kay/Ruchatz, Jens (Hrsg.). Theater und Medien. Grundlagen – Analysen – Perspektiven – Eine Bestandsaufnahme. Bielefeld: transcript, S. 509-514.
Koch, Gerd (2003). Wörterbuch der Theaterpädagogik. Berlin: Schibri.
Middel, Sabine (2003). „Da kann man rumschreien und so Gefühle zeigen.“ Wie die praktische Medienpädagogik von der Theaterpädagogik profitieren kann, dargestellt an einem Beispiel aus der theaterpädagogischen Praxis. In: Luca, Renate (Hrsg.), Medien Sozialisation Geschlecht. Fallstudien aus der sozialwissenschaftlichen Forschungspraxis. München: kopaed. S. 139-149.
Pürer, Heinz (2003). Publizistik und Kommunikationswissenschaft. Ein Handbuch. Konstanz: UVK.Schell, Fred (2003). Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen. Theorie und Praxis. München: kopaed.
Schoenmarkers, Henri/Bläske, Stefan/Kirchmann, Kay/Ruchatz, Jens (2008). Einleitung: Theater und (andere) Medien. Themen und Positionen. In: Dies. (Hrsg.), Medien. Grundlagen – Analysen – Perspektiven – Eine Bestandsaufnahme. Bielefeld: transcript, S. 13-28.
Schorb, Bernd (2005). Medienkompetenz. In: Hüther, Jürgen/Schorb, Bernd (Hrsg.), Grundbegriffe Medienpädagogik. München: kopaed, S. 257-263.
Thüringer Institut für Lehrerfortbildung (Hrsg.) (2007). Darstellendes Spiel – die phantasievollen Möglichkeiten des Lernens. Bad Berka: ThILLM.
Projektpartner
Theater der Jungen Welt, Lindenauer Markt 21, 04177 Leipzig
www.theaterderjungenweltleipzig.de
56. Mittelschule Großzschocher, Dieskaustraße 213, 04249 Leipzig.
www.56-mittelschule-leipzig.de
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Anika Hohmann
Beitrag als PDFEinzelansichtUlrich Kumher: Roboter
Ohne Roboter ist unser Leben undenkbar geworden. Bereits heute ersetzen sie in vielen Bereichen Menschen, etwa in Fabriken, in Krankenhäusern, in Altenheimen, in Kriegsgebieten und sogar auf dem Friedhof als Vorbeter bei Begräbniszeremonien (Butscher 2010). In Zukunft werden sie eine noch viel größere Rolle spielen, etwa als Service- und Assistenzroboter. Insbesondere Science-Fiction-Filme führen die bisherige technische Evolution mutig fort, antizipieren ihre möglichen Chancen und Gefahren, diskutieren den Stellenwert humanoider Roboter und kritisieren den Umgang mit ihnen.
Literatur
Butscher, Ralf (2010). Die Menschenversteher. www.focus.de/wissen/wissenschaft/bdw/tid-13674/roboter-europasforscher-in-front_aid_381044.htm [Zugriff: 17.03.2010]
D’Sa, Francis X. (2006). Regenbogen der Offenbarung, Das Universum des Glaubens und das Pluriversum der Bekenntnisse, Frankfurt a. M./London (Theologie interkulturell 16).
Goertzel, Ben (2000). Das Credo der Extropier. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.11.2000, S. 70.
Hanley, Richard (2008). I Am a Cylon. In: Steiff, Josef/Tamplin, Tristan D. (Hrsg.), Battlestar Galactica and Philosophy, Illinois, S. 103-113.
Klein, Thomas (2003). Der Tag, an dem die Erde stillstand. In: Koebner, Thomas (Hrsg.), Filmgenres Science Fiction, Stuttgart (Universal-Bibliothek Nr. 18401), S. 72-76.
Reuter, Ingo (2005). Science Fiction. In: Fechtner, Kristian/Fermor, Gotthard/Pohl-Patalong, Uta/Schroeter-Wittke, Harald (Hrsg.), Handbuch Religion und Populäre Kultur, Stuttgart, S. 245-252.
Will, Fabienne (2003). Der Blade Runner. In: Koebner, Thomas (Hrsg.), Filmgenres Science Fiction, Stuttgart (Universal-Bibliothek Nr. 18401), S. 376-387.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Ulrich Kumher
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medienreport
Tilmann P. Gangloff: Unheimliche Aufklärung im Internet
Früher war die Sache einfach: Pornofilme gab’s im Pornokino oder im Sexshop, und wer noch nicht 18 war, musste draußen bleiben. Wer heutzutage konsequent verhindern will, dass sich Minderjährige pornografische Filme ansehen, muss ihnen den Computer wegnehmen. Die Angaben schwanken zwar, aber mindestens sechzig Prozent der Jugendlichen ab 13 Jahren hat schon Erfahrung mit Internetpornografie gemacht. Jungs nutzen die einschlägigen Adressen deutlich häufiger als Mädchen, allerdings meistens im Kreis Gleichaltriger. Es wäre zwar übertrieben, von einer ‚Generation Porno‘ zu sprechen, weil laut einer Bravo-Studie nur acht Prozent der männlichen Heranwachsenden regelmäßig Pornos konsumieren; aber andererseits sind das eindeutig zu viele, um die Problematik zu bagatellisieren. Oftmals sind die Jugendlichen von purer Neugier getrieben, und sicherlich spielt auch die Hoffnung auf einen gewissen Lerneffekt eine Rolle. Nicht zu unterschätzen, sagen Sozialwissenschaftler, sei auch der Imageeffekt: Wer Pornos konsumiert, gilt als cool. Während Eltern ihren Kindern den Pornokonsum schon aus rein moralischen Gründen untersagen würden, warnen Psychologen vor möglicherweise weitreichenden Folgen. Je nach psychischem und sozialem Hintergrund der jungen Nutzerinnen und Nutzer könne „die mechanische, leistungsorientierte, herabwürdigende Sexualität in Pornos einen mehr oder weniger negativen Einfluss auf die Sexualentwicklung“ haben. Umso wichtiger ist es, mit Kindern und Jugendlichen über den Umgang mit Pornografie zu reden. Die Frage ist bloß, wie. In der Pädagogik trifft das Phänomen genau in eine Schnittstelle: Sexualpädagogen haben meist wenig Kenntnisse von Medienpädagogik; und umgekehrt.
Beiden kann jedoch geholfen werden: Im Rahmen der EUInitiative klicksafe hat das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg in Kooperation mit pro familia Bayern den Baukasten Let’s talk about porno erarbeitet. Der Ansatz ist aufklärerisch, undogmatisch und wenig didaktisch; außerdem kommt das Material ohne moralische Vorbehalte aus. Die Texte lassen dennoch keinen Zweifel daran, dass man das Thema mit Jugendlichen behandeln muss: Damit das Weltbild, dass bei ihnen „hinsichtlich Sexualität und Geschlechterbeziehung entsteht, nicht von der Pornoindustrie geprägt wird.“ Das Arbeitsmaterial besteht aus vier Bausteinen. Pädagoginnen und Pädagogen müssen sich aber keineswegs mit Pornografie beschäftigen, um das Material zu nutzen; man kann ohne weiteres einzelne Projekte aus dem Zusammenhang herauslösen. In den Arbeitsaufgaben geht es zum Beispiel um die Sexualisierung von Sprache oder um Rollenklischees etwa in Rap-Songs. In anderen Projekten lernen gerade heranwachsende Mädchen, sich nicht allzu freizügig im Internet zu präsentieren oder sich gegen sexuelle ‚Anmache‘ im Internet zu wappnen. Bei jedem einzelnen Schritt wurde darauf geachtet, die Jugendlichen immer mit einzubeziehen, ohne dass sie intime Details preisgeben müssen.Nicht nur aus juristischen Gründen ist der Gegenstand des Baukastens pikant, schließlich sind pornografische Darbietungen nicht jugendfrei. Zwölfjährigen wiederum ist Sexualität tendenziell eher peinlich; konfrontiert werden sie trotzdem damit. Wie klug das Material konzipiert ist, zeigen schon allein die ausführlichen Vorbemerkungen, in denen den pädagogischen Fachkräften unter anderem geraten wird, sich mit Hilfe einer Selbsterkundung erst mal über die eigene Einstellung zum Thema klar zu werden. Ganz zu schweigen von der unvermeidbaren Recherche: Wer über Pornografie im Internet sprechen will, kommt nicht umhin, die entsprechenden Websites aufzusuchen. Außerdem gibt es ebenso plausible wie praktische Tipps für die Arbeit etwa im Unterricht.Mit den Arbeitsmaterialien Let’s talk about porno für Schule und Jugendarbeit können Pädagoginnen und Pädagogen das Thema Pornografie behandeln. Die 134 Seiten umfassende Broschüre kann unter www.klicksafe.de abgerufen werden. Für 3 € Schutzgebühr wird sie auch zugesandt. Das Material enthält vier Bausteine, jeweils mit mehreren Projekten. Dabei geht es etwa um Pubertät, Schönheitsideale, Castingshows, sexualisierte Kommunikation und konkret um Pornografie. Jedes Kapitel enthält nicht nur ausführliche Sachinformationen, sondern auch ergänzende Übersichten mit Lektüretipps und Internetadressen von Institutionen, die bei Bedarf weiterhelfen.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Tilmann P. Gangloff
Beitrag als PDFEinzelansichtMarkus Fischer: Erlaubnisfreie Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke
Die medienpädagogische Arbeit baut auch auf dem Schaffen anderer auf oder nimmt Bezug auf fremde urheberrechtlich geschützte Werke. So wird zum Beispiel fremde Musik in Filmen genutzt, im Unterricht werden Filmausschnitte gezeigt und Drehbücher fußen auf vorhandenen Drehbüchern, Theaterstücken, Romanen oder Erzählungen. Dabei stellt sich die Frage, ob die Einwilligungen der Urheber bzw. Rechteinhaberinnen und -inhaber für die Verwertung in der medienpädagogischen Arbeit eingeholt werden müssen, oder ob die urheberrechtlich geschützten Werke ohne Erlaubnis der Berechtigten in die medienpädagogische Arbeit einfließen können. Nachfolgend wird dargestellt, unter welchen Voraussetzungen urheberrechtlich geschützte Werke ohne Erlaubnis der Berechtigten von Medienpädagoginnen und Medienpädagogen wiedergegeben werden können. Urheberrechtlich geschützte Werke sind persönliche geistige Schöpfungen1, wie zum Beispiel Drehbücher, Romane, Erzählungen, Filme und Musikstücke. Auch Teile solcher Werke sind geschützt, sofern sie die Gestaltungshöhe einer persönlichen geistigen Schöpfung beinhalten. Die Wiedergabe dieser Werke kann innerhalb der medienpädagogischen Arbeit beispielsweise durch Vorträge (z. B. Lesen von Texten), Aufführungen (z. B. Spielen eines Theaterstücks oder Singen von Liedern), Vorführungen (z. B. Aufführung von Filmen), Zugänglichmachung (z. B. Bereitstellen von Filmen im Internet) und Sendungen (z. B. Stadtradio) erfolgen. Die Werke können erlaubnisfrei wiedergegeben werden, wenn die Wiedergabe gemeinfreie Werke beinhaltet, nicht öffentlich geschieht, die urheberrechtlich geschützten Elemente frei benutzt werden oder die medienpädagogische Arbeit sich innerhalb der Urheberrechtsschranken hält. Zudem können aus urheberrechtlich geschützten Werken erlaubnisfrei Elemente genutzt werden, die nicht die Anforderungen der persönlichen geistigen Schöpfung erfüllen.
Gemeinfreies Werk
Unter gemeinfreien Werken werden amtliche Werke und Werke, deren Schutzdauer abgelaufen ist, verstanden.3 Darunter fallen Gesetze, Verordnungen, amtliche Bekanntmachungen und Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen. Diese amtlichen Werke genießen keinen Urheberrechtsschutz. Innerhalb der medienpädagogischen Arbeit ist also eine Auseinandersetzung mit diesen Werken erlaubnisfrei möglich. Siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt das Urheberrecht.5 Goethes Texte können folglich erlaubnisfrei wiedergegeben werden. Bei Filmwerken ist die Dauer des Urheberrechtsschutzes schwieriger festzustellen. Hier erlischt das Urheberrecht siebzig Jahre nach dem Tod des Längstlebenden aus folgendem Personenkreis: Hauptregisseur, Urheber des Drehbuchs, Urheber der Dialoge und Komponist der Filmmusik.
Nichtöffentliche Nutzung
Die nichtöffentliche Wiedergabe fremder Werke ist erlaubt. Nichtöffentlich ist die Wiedergabe, wenn die Personen, die das Werk wiedergeben und aufnehmen, durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden sind. Ob eine Verbindung durch persönliche Beziehungen besteht, muss jeweils für den Einzelfall entschieden werden. Als Entscheidungskriterien sind dabei die Anzahl der das Werk aufnehmenden Personen und die Art der Beziehungen untereinander heranzuziehen. So werden zum Beispiel Wiedergaben urheberrechtlich geschützter Werke in Hochschulseminaren, in Projektgruppen und in Schulklassen als nicht öffentlich angesehen.
Freie Benutzung
Nach der Rechtsprechung liegt eine freie Benutzung eines Werkes vor, wenn das neue Werk zu dem benutzten älteren Werk einen so großen inneren Abstand hält, dass die übernommenen Züge des älteren Werkes in dem neuen Werk verblassen und somit das neue Werk als selbständig anzusehen ist. Bei einer Parodie bzw. Karikatur kann aufgrund des Schaffens einer neuen Aussage eine freie Benutzung vorliegen, obwohl urheberrechtlich geschützte Elemente fast unverändert übernommen werden. Für die medienpädagogische Arbeit bedeutet dies, dass beispielsweise eine filmische Parodie über eine Seifenoper erlaubnisfrei öffentlich aufgeführt werden kann, obwohl urheberrechtlich geschützte Elemente der Soap, zum Beispiel einzelne Figuren, übernommen werden. Voraussetzung ist, dass die übernommenen Elemente in der Parodie verblassen. Das ist einzelfallartig zu beurteilen. Eine freie Benutzung liegt nicht vor bei der erkennbaren Entnahme einer Melodie aus einem Werk der Musik.
Nutzung innerhalb der Urheberrechtsschranken
Aufgrund von Interessen der Allgemeinheit werden die urheberrechtlichen Befugnisse in bestimmten Fällen durch das Urheberrechtsgesetz eingeschränkt. Unter den Voraussetzungen des Zitatrechts können urheberrechtlich geschützte Werke im Rahmen der medienpädagogischen Arbeit wiedergegeben werden. So dürfen beispielsweise unter bestimmten Voraussetzungen Filmausschnitte zu Unterrichtszwecken gezeigt werden. Für dieses Beispiel bedeutet das, dass die Unterrichtsvermittlung für sich ein Werk darstellt, dass der Unterricht sich mit dem Filmausschnitt auseinandersetzt und der Filmausschnitt nur einen für die Auseinandersetzung angemessenen Umfang hat, was bei Filmausschnitten von wenigen Minuten grundsätzlich zu bejahen ist. Zudem ist in der Regel eine Quellenangabe vorzunehmen. Unter den Voraussetzungen der öffentlichen Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung können beispielsweise im Rahmen des Hochschulunterrichts für die Studierenden erlaubnisfrei Filmausschnitte zum Download bereit gestellt werden.19 Hierfür ist eine angemessene Vergütung zu bezahlen, die durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Die öffentliche Zugänglichmachung eines Filmwerkes ist vor Ablauf von zwei Jahren nach Beginn der üblichen regulären Auswertung in Filmtheatern nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.
Anmerkungen
1 vgl. 2 Abs. 2 UrhG.2 vgl. Fischer, Urheberrechtsschutz im Arbeitsverhältnis in merz 02/2011.3 zur freien Musik im Internet vgl. Broschüre: LAG Lokale Medienarbeit NRW e. V. (Herausgeber), Freie Musik im Internet Schriften zur lokalen Medienarbeit 9, 2. Aufl. 2010.4 Vgl. § 5 UrhG.5 Vgl. § 64 UrhG.6 Vgl. § 65 Abs. 2 UrhG.7 Vgl. § 15 Abs. 3 UrhG.8 Vgl. v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 Rn. 75.9 Vgl. v. Ungern-Sternberg aaO, § 15 Rn. 83, 84.10 Vgl. § 24 UrhG.11 Vgl. BGH ZUM 1993, S. 537 (546).12 Vgl. Raue in Münchener Anwaltshandbuch Urheber- und Medienrecht 2011, § 1 Rn. 144.13 Vgl. § 24 Abs. 2 UrhG.14 Vgl. §§ 44a-63a UrhG.15 Vgl. § 51 Nr. 2 UrhG.16 Vgl. Jäger, Rechtliche Problemfelder bei der Vorführung von Filmausschnitten im Hochschulunterricht und deren Bereitstellung im Internet zum Download, herausgegeben von der Universität Passau, Forschungsstelle für Rechtsfragen der Hochschul- und Verwaltungsmodernisierung am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insb. Sicherheitsrecht und Internetrecht, Prof. Dr. Heckmann, Stand: 2005, S. 4f.17 Vgl. § 63 UrhG.18 Vgl. § 52a UrhG.19 Vgl. Jäger, aaO, S. 5-9.20 Vgl. § 52a Abs. 4 UrhG.21 Vgl. § 52a Abs. 2 S. 2 UrhG.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Markus Fischer
Beitrag als PDFEinzelansichtKati Struckmeyer: Apps für Kinder
Sommerzeit – Urlaubszeit – Zeit zum Kofferpacken … Wer mit Kindern in den Urlaub fährt, steht jetzt vor der Frage: Wie viele Bücher und Spiele müssen in den Umfang und das Gewicht des Koffers mit eingeplant werden? Nicht nur für diese Familien sind Apps für Smartphones oder iPads eine willkommene Alternative oder Ergänzung. Auch für medienpädagogisch Tätige lohnt sich ein Blick in die sich rasch entwickelnde Welt des Edutainments für die Kleinen. Es gibt mittlerweile eine Menge lehrreicher, unterhaltsamer und auch ansprechend gestalteter Apps für Kinder. Man muss nicht pädagogisch tätig sein, um in Praxistests mit Kindern herauszufinden, dass die meisten Apps so intuitiv gestaltet sind, dass bereits Zweijährige sich mühelos damit beschäftigen können, ohne dabei große Unterstützung zu benötigen. Hier werden nun einige Apps vorgestellt, die im App Store Dschungel Orientierung geben sollen, wenn es um Angebote geht, die Kindern nicht nur Inhalte vermitteln, sondern dabei auch noch ansprechend und unterhaltsam gestaltet sind. Außerdem sind die vorgestellten Apps so strukturiert, dass immer wieder Zwischenergebnisse erreicht werden, an denen das Spiel der Kinder gut beendet werden kann. Im Gegensatz dazu gibt es auch Apps, die darauf angelegt sind, immer weiter zu spielen, und die Ansage „Jetzt ist Schluss!“ viel schwieriger zu argumentieren ist.
Conni und die Zahlen/Conni und die Buchstaben
Conni ist vielen Familien schon bekannt durch ihre Abenteuer, die vom Carlsen Verlag verlegt werden. Ob beim Zelten, beim Umzug oder auf dem Reiterhof, Conni hat immer etwas zu erzählen, das der Lebenswelt von Vor- und Grundschulkindern entspricht. Außerdem kann man mit Conni eine Menge lernen – zum Beispiel auch Zahlen und Buchstaben. Im Zahlen App haben Kinder im Vor- und Grundschulalter die Möglichkeit, sich auf verschiedenen Wegen mit den Zahlen von eins bis zehn zu beschäftigen. Beim Lernspiel Zahlen von 1 bis 10 lernen legt zum Beispiel ein Huhn jedes Mal ein Ei und gackert, wenn die Kinder es berühren. Wenn die Anzahl der gelegten Eier stimmt, schlüpft aus dem letzten Ei eine Überraschung. Dieses Spiel ist besonders für Kindergartenkinder geeignet, die die Welt der Zahlen zu entdecken beginnen. Bei den Rechenspielen werden Grundschulkinder für richtige Lösungen mit Sternen belohnt. Ab einer bestimmten Anzahl Sterne gibt es dann eine kleine Conni-Geschichte zur Belohnung. Ähnlich ist das Conni Buchstaben App aufgebaut. Zum einen kann man das ABC samt richtiger Aussprache und Reihenfolge lernen. Darüber hinaus geht es aber auch um die phonologische Bewusstheit – welches Wort fängt mit welchem Anfangsbuchstaben an? Die richtigen Antworten werden in fünf Conni-Bilderalben gesammelt. Wie viele richtige Antworten man hat, wird mit magisch wachsenden Wollfäden gezeigt, so dass die Kinder ihren Lernerfolg auch überprüfen können.
Tom und seine Freunde
Tom ist eine vielen bereits bekannte Figur aus dem SWR Kindernetz. Gesprochen von Dirk Bach, überzeugt Tom sowohl durch einfache und liebevolle Grafiken als auch durch originelle Geschichten mit witzigen Wendungen. Denn das Besondere ist, dass man Toms Abenteuer im App Tom und seine Freunde selbst steuern kann. Nach jedem Handlungsstrang hat man drei Möglichkeiten, wie die Geschichte weitergeht – Ziel ist es, Tom gegen seinen knurrenden Magen ein Erdbeermarmeladenbrot mit Honig zu verschaffen. Dabei kann man skurrile Wendungen erleben, die nicht nur Kindern Spaß machen. Nach circa 20 Minuten hat man die Geschichte spätestens durchgespielt, wobei die Verlockung natürlich groß ist, gleich noch einmal zu beginnen und dieses Mal andere Wege auszuprobieren.
MyPuzzle Ritter Rost/ MyPuzzle Fritz und Fertig
„Potz Wellenblech und Stacheldraht!“, hier werden Ritter Rost und seine Freunde in Einzelteilen verlegt. Mit diesem Puzzle, das man in verschiedenen Schwierigkeitsgraden spielen kann, bietet der terzio Verlag eine Ergänzung zu seinen erfolgreichen Produktlinien Ritter Rost und der Schachlernsoftware Fritz und Fertig an. Dabei gibt es tolle Extras – zum einen können sich Puzzleanfänger verschiedene Hilfen einblenden lassen, um schneller zum Erfolg zu kommen. Zum anderen kann man die fertigen Bilder natürlich auf dem Smartphone oder iPad speichern und sogar per E-Mail verschicken. Kinder ab vier Jahren können dabei sogar zwischen Englisch und Deutsch als Sprachen wechseln. Bei diesem App ist zu beachten, dass die einfachen Puzzles mit wenigen Teilen kostenlos im App Store herunter zu laden sind. Sobald man die Schwierigkeitsstufe erhöhen will, muss man die kostenpflichtigen Apps dazu kaufen. Das sich permanent erweiternde Feld der Apps für Kinder ist auf jeden Fall weiter im Auge zu behalten. Ihr medienpädagogischer Nutzen ist in keinem Fall abzustreiten, dennoch birgt auch dieses Angebot Gefahren und Risiken. Zum einen ist es wie mit anderen digitalen Lernangeboten auch – Kinder profitieren in erster Linie davon, wenn diese Angebote gemeinsam mit den Eltern oder anderen erwachsenen Bezugspersonen genutzt werden. Erst durch die Gespräche darüber werden die Inhalte vertieft und eventuell auftauchende Schwierigkeiten und Fragen gelöst und beantwortet. Deshalb sollten auch die wert- und gehaltvollsten App-Angebote nicht als Babysitter eingesetzt, sondern im familiären Kontext genutzt werden. Nur dann haben die Eltern auch im Blick, wie das Kind sich das Angebot aneignet und wie viel Zeit es in die Nutzung investiert. Hier gilt es, Eltern zu informieren – nicht nur über die Potenziale, sondern auch über die Nachteile digitaler Lernangebote bzw. über eine sinnvolle Nutzung, von der Kinder profitieren, statt nur damit ruhiggestellt zu werden. Ein weiteres Risiko ist die selbstständige Nutzung des App Stores durch Kinder. Da dieser viele Verlockungen bereithält und man mit zwei Klicks schnell etwas gekauft hat, sollten Kinder im Grundschulalter nur mit Begleitung der Eltern dort unterwegs sein. Für Vorschulkinder eignet sich der selbständige Einkauf noch gar nicht. Für Grundschulkinder gehört es natürlich dazu, mit dem eigenen Taschengeld zu haushalten. Doch um in keine Kostenfalle zu geraten und nicht auf für Kinder ungeeignete Inhalte (Pornografie, Gewalt etc.) zu stoßen, empfiehlt sich die Begleitung durch die Eltern auf jeden Fall.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Kati Struckmeyer
Beitrag als PDFEinzelansichtElisabeth Jäcklein-Kreis: Verschläge, Erdlöcher, Kleiderschränke
Sie liegen in Scheunen, auf Dachböden, in Verschlägen über dem Stall oder unter der Treppe oder in Bunkern. Manchmal auf Dörfern, manchmal mitten in der Stadt. Manchmal haben sie einen Decknamen und können sich im ganzen Dorf bewegen, weil alle dicht halten, manchmal dürfen sie aber auch nur nachts aus ihrem Verschlag spitzen, damit niemand Verdacht schöpft. Bisweilen sind sie in netten Familien, die sich liebevoll kümmern, bisweilen bei geldgierigen Menschen, die sie wie Sklaven behandeln, hungern lassen und vielleicht sogar ausliefern. Manchmal sind sie alleine, manchmal mit ihren Familien zusammen ... Die Rede ist hier nicht von Spionen oder Gangstern – sondern von Kindern und Jugendlichen, die alle das gleich Schicksal teilen: Sie gerieten während des zweiten Weltkrieges ins Visier der Nazis und mussten sich versteckt halten. Versteckt wie ihre berühmteste Leidensgenossin, Anne Frank.
23 Geschichten von jüdischen Mädchen und Jungen, die während des zweiten Weltkrieges in den Niederlanden untertauchten, um dem sicheren Tod zu entkommen, haben Marcel Prins und Peter Henk Steenhuis gesammelt, haben mit den Menschen gesprochen und ihre Lebenswege aufgezeichnet und alles in dem Buch Andere Achterhuizen. verhalen van Joodse onderduikers gesammelt und veröffentlicht. Daraus entstand später die gleichnamige, niederländische Homepage und seit Kurzem gibt es die bewegenden Geschichten auch auf Deutsch, Dank der Übersetzung von Sybille Krumpl und einer Förderung durch die Botschaft des Königreichs der Niederlande und das Anne Frank Zentrum in Berlin: I>www.verstecktwieannefrank.de. Die Seite kommt schlicht daher: Eine schwarze Linie kennzeichnet die geografischen Umrisse der Niederlande, darin sind einige Punkte verstreut, darüber nur drei Links: „Inhaltsverzeichnis“, „Das Buch“ und „Über diese Seite“. Fährt man mit der Maus über die Karte, werden die Punkte bunt, gestrichelte Linien dazwischen erscheinen und kleine Strichzeichnungen tauchen neben den Punkten auf. Sie markieren wichtige Stationen im Leben der 23 vorgestellten Personen. Per Klick gerät man dann jeweils zu den Lebensgeschichten: Die sind in Form von Gedächtnisprotokollen mit vielen Zitaten und einigen Erklärungen dazwischen aufgeschrieben und werden von Fotos der zitierten Personen veranschaulicht. Einige zentrale Erlebnisse oder Momente jeder Geschichte werden audiovisuell präsentiert: als kleine Animationsfilme, die auf Strichzeichnungen basieren. Zu den schlichten bewegten Bildern werden die Geschichten vorgelesen – im niederländischen Original von den tatsächlichen Zeitzeugen, in der deutschen Version von Synchronsprechern. Das ist alles nicht sehr spektakulär, es gibt keine Effekte, keine aufwändigen Filme, keine auf die Tränendrüse drückende Musik und keine Mitleid heischenden Texte. Stattdessen aufs Wesentliche reduzierte Strichzeichnungen und unaufgeregt vorgelesene Gedächtnisprotokolle. Dennoch, oder aber gerade deshalb, sind die Geschichten authentisch und berührend. Die ehrlichen kleinen Geschichten sind so persönlich erzählt, dass man sich tatsächlich auf den Teppich vor einen Schaukelstuhl versetzt fühlt und andächtig lauscht, die auf das Wichtigste beschränkten Zeichnungen, die auf alle stören-den Elemente verzichten, bisweilen nur mit Umrissen und Andeutungen arbeiten, lassen genügend Raum, sich selbst in die Situationen zu versetzen – und zeichnen dennoch, gerade in ihrer klaren, unbeschönigenden schwarz-weiß Optik die Drastik der Situationen.
So entführt die Seite auf sehr nüchterne und sachliche Art und doch sehr ergreifend und aufwühlend in eine Zeit und ein Leben, das heute – zum Glück – für viele unvorstellbar ist. In geheime Kammern, in denen man mit angehaltenem Atem sitzen und hoffen muss. Auf dunkle Straßen, durch die man sich mit allem Hab und Gut unterm Arm schleichen muss. In ungewisse Stunden, die man zwischen Hoffen und Bangen ertragen muss. Das nimmt mit und führt die schrecklichen Ereignisse des zweiten Weltkrieges mit ganz neuer, da sehr persönlicher und sehr authentischer Heftigkeit vor Augen, ohne vordergründig moralisierend oder erzieherisch sein zu wollen. Es gibt aber auch viel Grund zum Lächeln und Aufatmen, weil es zugleich die andere Seite zeigt: Die vielen Menschen, die sich nicht vereinnahmen ließen von Ideologien, sondern sich widersetzten und auf ihre je eigene Art gegen das Regime kämpften, indem sie Kinder und Familien aufnahmen, ihnen zur Flucht verhalfen oder sich Untergrundbewegungen anschlossen. So ist die Seite durch ihre behutsame Aufmachung schon für jüngere Kinder – hier natürlich in Begleitung eines Erwachsenen, denn die Inhalte bleiben schwer verdaulich –, aber auch für alle anderen Altersgruppen ein wahres Juwel, mit dem man sich diesem oft überstrapazierten Thema auf erfrischend besonnene Art und doch ganz intensiv nähern kann. Wer bereits gut informiert ist, wird hier eine ganz neue Facette des Themas entdecken können, wer erst beginnt, sich damit auseinander zu setzen, kann die Seite dank vieler Links in den Texten auch gut als Startpunkt nutzen. Zwar führen auch die Links natürlich auf niederländische Seiten (in englischer Sprache), bieten aber trotzdem viel Interessantes. Die übersichtliche Aufbereitung hilft zudem, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und macht es einfach, sich ganz intuitiv zurecht zu finden. Hier können nicht nur Erwachsene sondern auch Kinder und Jugendliche, Projektgruppen und Schulklassen eintauchen in eine spannende Welt voller berührender Geschichten – aus der man gar nicht so leicht wieder auftaucht.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Gurt: Alles echt? Reality TV ohne Ende
Reality TV gibt es im deutschen Fernsehen schon relativ lange. Als Vorläufer gilt die Sendung Aktenzeichen XY im ZDF, die 1968 das erste Mal auf Sendung ging. Mit Hilfe des Publikums sollten Straftaten im Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung aufgeklärt werden. Dazu wurden in jeder Sendung drei bis fünf ungelöste Kriminalfälle in Form von filmischen Rekonstruktionen vorgestellt. Im Anschluss wurden die Zuschauerinnen und Zuschauer aufgefordert, durch Hinweise zur Aufklärung der Kriminalfälle beizutragen. In dieser Tradition steht auch die Sendung Notruf (RTL) mit Moderator Hans Meiser, in der tatsächliche Ereignisse – meist Katastrophen, Unfälle oder Verbrechen – nachgestellt oder durch Videoaufnahmen (z. B. Überwachungskameras) dokumentiert wurden. Meist wurde der Verlauf der Unfälle mit den Beteiligten an Originalschauplätzen nachgedreht. Off-Kommentare und Kurz-Statements der Unfallbeteiligten, des Rettungspersonals und der Ärzte begleiten und strukturieren dabei die filmischen Sequenzen. Durch die mitunter drastische Darstellung der Gefühle und schmerzhaften Verletzungen der Beteiligten sollte das Publikum auf einer emotional mitreißenden Art und Weise angesprochen werden. Dazu wurden die filmischen Sequenzen häufig mit Musik unterlegt, des Weiteren wurden Zeitlupe und ähnliche Elemente eingesetzt. Für manche Eltern war Notruf eine Art Aufklärungsunterricht, um Kindern und Jugendlichen die Gefahren des Alltags nahe zu bringen: Ich sag’ ‚guck dir das an’, dass er mit keinem mitgehen soll … oder die Tür nicht öffnen darf, wenn er alleine ist“ (Theunert 1996, S. 25), begründete eine Mutter, warum sie gemeinsam mit ihrem Sohn die Sendung Notruf anschaut. In den folgenden Jahren wurden weitere narrative Reality TV-Angebote entwickelt, unter anderen Nur die Liebe zählt (Sat.1) oder Verzeih mir (RTL).
Statt lebensbedrohlicher Situationen oder Verbrechen standen hier romantische Gefühle, Liebeserklärungen und Versöhnung von zerstrittenen Partnern im Mittelpunkt. Gemeinsam war all diesen Sendungen ein hoher Grad von Emotionalisierung. Andere Varianten des „Affektfernsehens“ (Klaus/Lücke 2003, S. 197) waren Suchsendungen oder Konfrontations-Talkshows (Der heisse Stuhl (RTL)). Mit Big Brother (RTL II) startete dann im Jahr 1999 der Prototyp des sogenannten „performativen Reality TV“ (ebd., S. 199). Hier wird die Sendung zur „Bühne einer nicht-alltäglichen Inszenierung, die jedoch direkt auf die Lebenswirklichkeit der Kandidatinnen und Kandidaten eingreift“ (ebd.). An Big Brother entzündete sich besonders heftig die Diskussion über Formen und Grenzen dieser neuartigen Fernsehformate. Vor allem die Frage, ob die Zurschaustellung von Privatpersonen in ihrer Privat- bzw. Intimsphäre legitim ist, selbst wenn es mit Zustimmung der beteiligten Personen geschieht. Die öffentliche Erregung verschaffte dem Format enorme Aufmerksamkeit und machte auch vor dem jüngeren Publikum nicht halt. So war zu Beginn die Neugier auch bei (älteren) Kindern und Jugendlichen groß. Laura (16 Jahre) brachte diese Faszination auf den Punkt: „Es ist authentischer als die meisten Daily-Soaps. Da ist alles sehr authentisch, wahr gelebt.“ (FLIMMO-Kinderbefragung 1/2001) Aktuelle Einschaltquoten zeigen, dass die mittlerweile elfte Staffel von Big Brother bei Kindern und Jugendlichen kaum noch eine Rolle spielt. Dagegen sind Castingshows wie Deutschland sucht den Superstar (RTL) bei Kindern und Jugendlichen nach wie vor populär. Die Sendung hat in Deutschland einen wahren Castingshow-Boom ausgelöst. Ein Grund für die Popularität der Sendung dürften auch die verbalen Einlassungen des Jury-Chefs Dieter Bohlen sein. Die Beschimpfung wenig talentierter Bewerber wurde zum Markenzeichen der Sendung und führte bereits mehrfach zur Beanstandung durch die KJM. „Die hämische Inszenierung der Auftritte untalentierter Kandidaten und die herabwürdigenden Kommentare der Jury stellen Menschen bloß und können zusehende Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigen“, so die KJM anlässlich der Einleitung eines Ordnungswidrigkeits-Verfahrens im Jahr 2008. Überhaupt spielt der kalkulierte Tabubruch im Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit in diesem Programsegment eine wichtige Rolle: „Die öffentliche Sensibilität um Skandale im Reality TV, die sich zuletzt vor dem Start des Formats Erwachsen auf Probe gezeigt hat, droht zum kalkulierten, ja strategisch geplanten Kommunikationsereignis im Interesse des ausstrahlenden Senders zu werden, wenn sie sich auf folgenlose, öffentliche Empörung beschränkt.“ (Lünenborg et al. 2011, S. 12) Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde eine Vielzahl von Programmformaten des Reality TV entwickelt, mit sehr unterschiedlichem Erfolg.Während manche Sendungen nach schlechten Quoten schnell wieder verschwunden sind (z. B. Girls Camp (Sat.1) und The Big Boss (RTL)) wurden andere zu echten Dauerbrennern (Frauentausch (RTL II)). Die aktuelle Programmlandschaft zeigt eine große Zahl von Sendungen, in denen vorgeblich Wirklichkeit abgebildet wird oder – im Sinne des performativen Reality TV – reale, nichtprominente Menschen in konflikthaften und mehr oder weniger dramatischen Settings zur Schau gestellt werden. Derzeit lassen sich vor allem drei Ausprägungen zusammenfassen:
„Help-TV“: Das Fernsehen als Retter in der Not
Auch wenn das Sendungskonzept variiert, letztendlich werden Menschen mit mehr oder weniger großen Problemen in unangenehmen, verzweifelten und ausweglosen Situationen gezeigt: egal ob Menschen mit Übergewicht (The biggest Looser (Kabel1)), mit massiven Erziehungsproblemen (Die Supernanny (RTL), Teenager außer Kontrolle (RTL)), oder mit Schwierigkeiten bei der Bewältigung des eigenen Alltags (Schluss mit Hotel Mama (Kabel 1), Das Messie-Team – Start in ein neues Leben (RTL II)). Die Dramaturgie solcher Sendungen läuft immer ähnlich ab: Zunächst wird die problematische Finanz-, Familien- oder Lebenssituation in drastischer Weise in Szene gesetzt, die dann mithilfe eines Experten oder einer Expertin bearbeitet wird. Dabei setzt die Sendung auf Stereotype und Vereinfachung, differenzierte Ursachenforschung wird kaum betrieben. Stattdessen werden die Schwächen und Probleme der Beteiligten lustvoll ausgeschlachtet: Die Qualen beim Abnehmen, die Hilflosigkeit überforderter Eltern in Konfliktsituationen mit ihren Kindern, die Unfähigkeit sogenannter Messies, sich dem Chaos in den eigenen vier Wänden zu stellen. Dabei wird die Vorstellung transportiert, dass durch eine einmalige Hilfsaktion grundlegende und nachhaltige Verbesserung für die Betroffenen herbeigeführt werden kann. Dass dies nicht der Realität entspricht, wird von Fachleuten aus den Bereichen Erziehungsberatung, Psychotherapie und Pädagogik immer wieder betont. Ein Coaching der besonderen Art wird jungen Männern in der Sendung Das Model und der Freak – Falling in Love am Nachmittag auf PRO 7 zuteil. In jeder Sendung sollen zwei schüchterne Eigenbrötler zu „ganzen Kerlen“ gemacht werden. Die Kandidaten werden zunächst als einfältige Trottel und alltagsuntaugliche Verlierer in Szene gesetzt, um dann von attraktiven und weltgewandten Models ‚beziehungstauglich‘ gemacht zu werden. Dabei soll zum Beispiel fehlendes Körpergefühl durch die Kontaktaufnahme mit einer Stripperin gefördert werden, ein neues Outfit soll Selbstvertrauen schaffen et cetera. Die „Freaks“ müssen Häme und Schadenfreude über sich ergehen lassen, um bereit zu sein für ihr neues, besseres weil ‚normales‘ Ich. Wie in allen Formaten dürften sich die Beteiligten kaum über die Konsequenzen im Klaren sein. Nämlich was es bedeutet, im Alltag als „Freak“, „Messie“ oder „Problemkind“ aus dem Fernsehen erkannt zu werden.
Alltag nach Drehbuch: Scripted Reality
Andere Sendungen zeigen einen mehr oder weniger dramatischen Alltag nach Drehbuch. „Scripted Reality“ werden solche gestellten Dokumentaraufnahmen genannt. Schon bei Ermittlungs- und Gerichtsshows wurde nach diesem Prinzip verfahren, mittlerweile gibt es immer mehr Formate, die auf dieses Stilmittel zurückgreifen. Mit „Scripted Reality“ wird der Eindruck erweckt, die Zuschauerinnen und Zuschauer seien bei realem Geschehen live dabei. Stattdessen werden die Geschichten von Laienschauspielerinnen und -schauspielern in Szene gesetzt. Die Produktionskosten sind gering und die Konflikte können auf diese Weise viel effektvoller dargestellt werden. Vor allem am Nachmittag finden sich zahlreiche Vertreter dieser Form des Reality TV. Egal ob große Familienstreitigkeit, Computersucht, bevormundende Großeltern oder nachlässige Väter: Mitten im Leben (RTL) lässt das Publikum an den Problemen fiktiver Menschen teilhaben. Genervte Ehefrauen, traurige Kinder oder rebellierende Jugendliche klagen vor der Kamera über Schwierigkeiten, Ungerechtigkeit oder erlittene Schicksalsschläge. Bei der Suche nach den Ursachen wird mit Schuldzuweisungen nicht gespart: Die Konflikte werden detailliert ausgetragen – dramatische Gefühlsausbrüche inklusive. Oft sind in die Problemfälle Kinder und Jugendliche verwickelt, zum Beispiel in X-Diaries – love, sun & fun (RTL II). Dort spielen jugendliche Laiendarsteller angebliche Urlaubsgeschichten auf Ibiza, Mallorca und an ähnlichen Urlaubsorten. Die Kamera folgt den ‚Urlaubern‘ dabei eine Woche lang auf Schritt und Tritt, die gespielten Konflikte, Dialoge und sexuellen Aktivitäten werden dabei von den Beteiligten ausgiebig kommentiert.
Experimente, Rollentausch und Selbstinszenierung
Im Gegensatz zu Scripted-Reality liegt beim „performativen Reality TV“ (z. B. Big Brother) kein Drehbuch vor. Stattdessen werden Kandidaten in einer schwierigen, konflikthaften ‚Zwangslage‘ mit der Kamera begleitet. Diejenigen, die sich in dieser Situation als ausdauernd und leidensfähig erweisen und sogenannte ‚Challenges‘ meistern, haben gute Chancen, vom Publikum zum Sieger bzw. zur Siegerin gekürt zu werden. Bei Frauentausch (RTL II) etwa tauschen zwei Mütter für jeweils zehn Tage ihre Familien. Mit nur wenig Kontakt zur eigenen Familie erbringen die Tauschmütter ihren Alltag mit der Tauschfamilie. Von Anfang an kommt es zu dramatischen Gefühlsausbrüchen oder handfesten Streitigkeiten aufgrund unterschiedlicher Meinungen über Haushalt und Familienleben. Dies umso mehr, da gezielt Familien mit unterschiedlichen Lebensweisen und Gewohnheiten ausgewählt werden, was zu Konflikten führt, die die Teilnehmer an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führen. PRO 7 kürt auch dieses Jahr wieder das Sommermädchen. Um diesen Titel tragen zu dürfen, stellen sich die Kandidatinnen zahlreichen Herausforderungen. Eine rasante Fahrt in der Achterbahn zählt ebenso dazu wie ein Fotoshooting unter Wasser. Letztendlich dienen diese Aufgaben den Kandidatinnen als Bühne, um den eigenen mehr oder weniger makellosen Körper zu präsentieren. Bei diesem Schaulaufen werden Missgunst und Konflikte unter den jungen Frauen geschürt. Die Kandidatinnen sind von Anfang an auf eine bestimmte Rolle festgelegt, etwa die „Drama-Queen“ oder das „Luder“. Die Kamera bleibt dran, wenn Tränen fließen, wenn sich Angst, Frust oder Enttäuschung Bahn brechen. Diese Gefühle sind vorprogrammiert, denn der quotenträchtig aufgebauschte Zusammenbruch ist Teil der Inszenierung.
Offene Fragen und Ausblick
Gerade ältere Kinder sind neugierig, in vorgeblich realitätsnahen, authentischen Sendungen das Verhalten von Teenagern und Erwachsenen zu beobachten. Sie erhoffen sich Anregungen für die eigene Identitätsarbeit und das eigene Alltagshandeln: Wie muss ich mich verhalten, um beim anderen Geschlecht anzukommen? Welches Verhalten führt zu gesellschaftlicher Anerkennung? Welche Rolle, welches ‚Image‘ passt zu mir? Vor diesem Hintergrund erscheinen die Art der Darstellung und die gezeigten Inhalte der meisten Reality TV Formate aus pädagogischer Sicht äußerst problematisch. Dabei lassen sich vor allem drei Problembereiche identifizieren: - Kindern fällt es noch schwer, die ‚gemachte Fernsehrealität‘ als solche zu durchschauen, weil durch dramaturgische und technische Gestaltungsmittel die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischt werden. Dies dürfte vor allem auf Kinder zutreffen, die über wenig Strukturwissen bezüglich der Inszenierung von Fernsehformaten verfügen. - Entsprechend groß ist das Risiko, dass Kinder die gezeigten Handlungsmuster und Vorbilder der Sendungen ernst nehmen. Die Inhalte und Botschaften bekommen durch die Inszenierung als Pseudorealität‘ mehr Gewicht, es fällt schwerer, sich vom Gezeigten zu distanzieren. - Die beteiligten Personen werden vorgeführt, ihre Probleme und Eigenarten ausgeschlachtet. Dies kann die Vorstellung begünstigen, dass das Vorführen und Lächerlich-machen von Menschen zu Unterhaltungszwecken legitim ist. Darüber hinaus wird fragwürdiges Sozialverhalten als Normalität dargestellt. Vor diesem Hintergrund wäre es wichtig, vorhandenes Wissen zur kindlichen Fernsehrezeption in Bezug auf Reality-TV-Formate zu vertiefen und vor allem die Frage zu klären, inwieweit Kinder die Inszenierungsformen des Reality TV durchschauen, welche Unterschiede es in der Rezeption von Kindern und Jugendlichen gibt und welche Unterstützungsformen geeignet sind, um Kindern die Einordnung solcher Formate zu erleichtern.
Literatur
FLIMMO-Kinderbefragung 1/2001: www.flimmo.tv/downloads/BerichtBigBrother.pdf [Zugriff 21.07.2011].
Klaus, Elisabeth/Lücke, Stephanie (2003). Reality TV – Definition und Merkmale einer erfolgreichen Genrefamilie am Beispiel von Reality Soap und Docu Soap. In: Medien- und Kommunikationswissenschaft 2003/2. Baden-Baden: Nomos Verlag, S. 195-212.
Lünenborg, Margreth/Martens, Dirk/Köhler, Tobias/Töpper, Claudia (2011). Skandalisierung im Fernsehen. Strategien, Erscheinungsformen und Rezeption von Reality TV. Berlin: Vistas.Theunert, Helga (1996). „Da kann ich lernen, was ich nicht machen soll“. Kinder rezipieren Reality-TV. In: Schorb, Bernd/Stiehler, Hans-Jürgen (Hrsg.), Medienlust – Medienlast. Was bringt die Rezipientenforschung den Rezipienten? München: kopaed, S. 17-30
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Michael Gurt
Beitrag als PDFEinzelansichtRiccarda Possin: 007 für die Kleinen
Es ist dunkel und wir befinden uns inmitten eines einsamen Ozeans. Ein Fischerboot kämpft sich in geheimer Mission durch die aufgewühlte See. Sein einziger Passagier – ein Geheimagent bei der Arbeit. Mit dieser Szene startet der Kinohit Cars in die zweite Runde. Wäre da nicht die Tatsache, dass die Protagonisten sprechende Fahrzeuge sind, könnte man sich fast in einem James Bond Film wähnen. Ab 28. Juli 2011 ist das spannende Abenteuer der sprechenden Autos auf den deutschen Kinoleinwänden zu bewundern und natürlich sind auch die altbekannten Gesichter aus Cars I, allen voran Lightning McQueen und sein bester Freund Hook, wieder mit am Start. Um zu beweisen, dass Lightning nicht nur das schnellste Rennauto Amerikas sondern der gesamten Erde ist, soll dieser am ersten World Grand Prix teilnehmen und so begeben sich die beiden gemeinsam auf eine abenteuerliche Reise rund um die Welt. Der Rennstar fühlt sich unter den schillernden Rennautos in Asien sofort wie zu Hause und ist voll in seinem Element. Der in die Jahre gekommene Abschleppwagen Hook tappt währenddessen tollpatschig von einem Fettnäpfchen ins nächste und so ist bald auch dieFreundschaft zu McQueen in Gefahr. Als wäre das noch nicht genug, wird der ungeschickte Kerl dann auch noch fälschlicherweise für einen Geheimagenten gehalten und soll undercover eine internationale Spionageaffäre aufdecken. Denn der gesamte Grand Prix ist in Gefahr und nach und nach verunglücken die teilnehmenden Rennautos auf äußerst mysteriöse Weise. Ist etwa der neue Biosprit für diese Misere verantwortlich? Oder haben die – verdächtig an Mafia-Clans erinnernden – großen Autofamilien, die aufgrund ihres älteren Baujahrs am Rande der Autogesellschaft stehen, ihre ‚Finger‘ mit im Spiel? Und wer ist der große unbekannte Gangsterboss, den einer der Geheimagenten noch kurz vor seinem Verschwinden fotografieren konnte? Zunächst scheint der Abschleppwagen Hook die Lage durch sein ungeschicktes Verhalten nur noch zu verschlimmern und dabei auch den Glauben an sich selbst zu verlieren. Doch dann hat seine Stunde geschlagen und Hook kann endlich zeigen, was in ihm steckt. Während Lightning McQueen in Tokio, Paris und London gegen die internationale Rennelite antritt, arbeitet Hook gemeinsam mit den Geheimagenten Holley und Finn McMissile fieberhaft daran, seinen besten Freund zu beschützen – und das auf seine ganz eigene Art. Schon scheinen die Agenten dem Scheitern nahe, aber durch seinen unermüdlichen Einsatz und seinen messerscharfen Verstand kann Hook die Katastrophe in letzter Sekunde verhindern. Schließlich gelingt es ihm, seine Mission zu einem erfolgreichen Ende zu führen und den Drahtzieher der Affäre dingfest zu machen. Auch die zweite Geschichte rund um die sprechenden Autos widmet sich wieder den Themen Freundschaft, Streit und Versöhnung und versucht dies dem jungen Kinovolk in einfachen Parabeln zu vermitteln. Eindrucksvoll wird gezeigt, dass auch in einem Außenseiter wie dem tapsigen Hook mehr steckt, als auf den ersten Blick zu erwarten ist. Und auch wenn sich die beiden Freunde Lightning und Hook heftig streiten und an ihrer Freundschaft zweifeln, so sind sie doch immer füreinander da, wenn es darauf ankommt. Den lustigen Fahrzeugen gelingt es durch ihre aussagekräftige Mimik und die ulkigen Grimassen gut, die Gefühlswelt der Charaktere darzustellen. Das Kinoabenteuer kann neben dem herkömmlichen 2D-Format auch in 3D genossen werden, was aber aufgrund der verwendeten Effekte nicht nötig ist. Leider ist die Handlung rund um die Spionageaffäre zum Teil sehr komplex aufgebaut und bei einer FSK 0 Freigabe für das junge Kinopublikum nicht immer einfach nachzuvollziehen. So setzt die Affäre rund um Biosprit und Ölbohrinseln einiges an Vorwissen voraus und kann Kinder mitunter überfordern. Auch einige düstere Szenen, wie etwa zu Beginn oder im Showdown des Films, könnten kleineren Zuschauerinnen und Zuschauern, die ja ebenfalls zur Zielgruppe gehören, zeitweilig zu viel werden. Zwar kommen die begleitenden Eltern bei einigen Witzen, etwa wenn Hook Wasabi mit Pistazieneis verwechselt, auch auf ihre Kosten, doch stellt sich hier die Frage, ob es sich dabei nicht um einen für die Zielgruppe der Kinder ungeeigneten, weil unverständlichen Humor handelt. Insgesamt ist der Film allerding im Gegensatz zu anderen Animationsfilmen der heutigen Zeit an Kinder gerichtet und dürfte für eine ältere Zielgruppe eher zu albern sein. Die Eltern sind also gefragt, ihre Kinder zu begleiten und für Erklärungen zur Verfügung zu stehen, dann aber kann der Kinobesuch zu einem tollen Erlebnis für die ganze Familie werden.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Autor: Riccarda Possin
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publikationen
Doh, Michael (2011). Heterogenität der Mediennutzung im Alter. Theoretische Konzepte und empirische Befunde. Gesellschaft – Altern – Medien Band 2. München: kopaed. 457 Seiten, 24,80€. Anja Hartung (Hrsg.). Lieben und Altern. Die Konstitution vom Alter(n)
Ein Dönerspieß? Ein Laubbaum? Ein Pilz? Sicher ist nur eines: Eine Pyramide ist die ‚Alterspyramide‘ in unserer Gesellschaft längst nicht mehr. Sie nimmt zu, am oberen Ende, und das hat Auswirkungen. Die Gruppe der älteren Menschen wächst, das merken Dienstleister, das merken Werbefachkräfte und das merken ‚die Medien‘. Denn während ältere Menschen bis vor Kurzem sowohl inhaltlich als auch als Zielgruppe vieler Medienangebote noch kaum eine Rolle spielten, sind sie mittlerweile als ‚Best Ager‘ und ‚Silver Surfer‘ zur gefragten Gruppe avanciert. Das schlägt sich in Werbestrategien und Themensetzungen nieder, hat Einfluss auf Gestaltung und Präsentation von Medienangeboten und – fordert natürlich auch neue Forschungsanstrengungen auf diesem längst nicht erschöpfend beforschten Gebiet. Um diese voranzutreiben gibt es seit 2009 die Gesellschaft – Altern – Medien GAM). Diese möchte „die nachhaltige Diskussion um die kulturelle, sozialpolitische und gesellschaftliche Bedeutung von Medien für das höhere Erwachsenalter fördern und durch empirisch und theoretisch fundierte Erkenntnisse anregen“, veranstaltet dazu jährlich Tagungen und weitere Zusammenkünfte, schreibt einen Nachwuchsförderpreis für wissenschaftliche Arbeiten aus, gibt eine Zeitschrift heraus – und eine Schriftenreihe, die sich mit allen Themen rund um Alter(n) und Medien‘ beschäftigt.
Zwei Bücher sind in dieser Reihe im kopaed Verlag bereits erschienen: Den Auftakt machte Lieben und Altern. Die Konstitution von Alter(n)swirklichkeiten im Film herausgegeben von Anja Hartung. Das 310 Seiten starke Werk beschäftigt sich mit der filmischen Darstellung des Themenkomplexes ‚Liebe und Alter‘ aus ganz verschiedenen Perspektiven. Es wird eröffnet von einer theoretischen Einführung in das Thema und einer Rückschau auf die gleichnamige Tagung, die den Grundstein für das Buch legte. Anschließend führen verschiedene wissenschaftliche ‚Reflexionen‘ in das Thema ein, Clemens Schwender, Stefan Neuhaus, Miriam Seidler und Olaf Sanders beleuchten Liebe, Alter, Demenz, Geschlechterrollen in Literatur, (Fernseh-)Film und Gegenwartskino und bieten so eine gute theoretische Basis. Darauf folgen fünf Filmbesprechungen und zwei Gespräche mit Regisseuren, die die theoretischen Fragestellungen praktisch untermauern und vertiefen. Nach einem weiteren Theorie-Block, in dem sich Dagmar Hoffmann und Anja Hartung mit der ‚anderen Seite‘, nämlich älteren Menschen als Publikum, beschäftigen, werden schließlich vier medienpraktische Projekte mit und über ältere Menschen und Medien vorgestellt. So gelingt es dem Buch, einen wirklich ausgewogenen und umfassenden Einblick in dieses wichtige Thema zu geben und sowohl für ‚theoretische‘ als auch ‚praktische‘ Leserschaften fruchtbar zu sein.
Als zweites Buch der Reihe schließt sich die Dissertation von Michael Doh an: Heterogenität der Mediennutzung im Alter. Die fast 450 Seiten starke Dissertation bietet einen umfassenden Überblick über das Feld der Mediennutzung im Alter, der in einer ausführlichen eigenen Studie gipfelt und so breit angelegt ist, dass bei Laien und Expertinnen und Experten gleichermaßen keine Fragen offen bleiben dürften. Die Basis bildet eine ausführliche Darstellung des aktuellen Wissensstandes zu medienwissenschaftlichen Konzepten, klassischen und aktuellen Alterstheorien, zu sozialökologischen Ansätzen zu Medien und Alter, zu gesellschaftstheoretischen Konzepten zu Generation, Alter, Lebenslauf und Medien sowie der angrenzenden Disziplinen Wohnen, Freizeit, Gesundheit und Sozialverhalten im Alter. Aus all diesen Befunden destilliert er ein ausführliches Resumée sowie Forschungsdefizite, die er sogleich in seiner eigenen Untersuchung aufgreift. Dazu bedient er sich der Datensätze dreier Studien: Zwei Zeitpunkte der Längsschnittstudie „Massenkommunikation“ (ARD/ZDF- Medienkommission) sowie eine Kohorte der „Interdisziplinären Längsschnittstudie des Erwachsenenalters“. Aus diesen Daten gewinnt er Ergebnisse zu den Fragestellungen, wie sich das Mediennutzungsverhalten älterer Menschen gestaltet, wie ihre Ausstattung und ihr Medienumgang sind und wie sie sich verändert haben, aber auch welche Unterschiede zwischen verschiedenen (bspw. gesellschaftlichen) Gruppen bestehen. Durch die gründliche Herangehensweise zeichnet er ein umfassendes und differenziertes Bild, das die heterogene Mediennutzung dieser Altersgruppe tiefgehend darstellt. Ein verheißungsvoller Auftakt also in die Schriftenreihe, die spannende Erkenntnisse bringt und zugleich neugierig macht auf weitere Bände, die dieses viel zu lange stiefkindlich behandelte Thema der älteren Generation ins Rampenlicht rückt.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Beitrag als PDFEinzelansichtJauk, Werner (2009). pop/music + medien/kunst. Der musikalisierte Alltag der digital culture. Osnabrück: Epos. 498 Seiten, 39,90 €.
Der Begriff ‚digital culture’ ist in letzter Zeit zwar häufiger zu hören, doch was damit genau gemeint ist, wird selten geklärt. Werner Jauk nimmt sich in pop/ music + medien/kunst dem Thema an und befasst sich vor allem mit dem musikalisierten Alltag der sogenannten digital culture, wobei er die digitale Alltagskultur mit Medienkunst und Musik in Beziehung setzt. Der erste Teil der Publikation widmet sich dem Thema aus theoretischer und wissenschaftlicher Sicht. Im zweiten Teil wendet sich Jauk dem eigentlichen Hauptthema zu: Popmusik als Körperkultur ist für ihn wesentlich an der Entwicklung von popular cultures beteiligt, was auch im dritten Teil des Buches weiterverfolgt wird. Hier stellt der Autor das sensorische Verhältnis von Alltagskultur auf eine hedonische Basis und behandelt Musik als Mediatisierungsphänomen. Insgesamt versucht die Publikation einen Erklärungswert für Musik und ihre Entwicklung im Prozess der Mediatisierung anzubieten. Für Musik- und Medienwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eröffnet pop/music + medien/kunst gewiss neue Sichtweisen, eignet sich aber aufgrund der komplexen Darstellung weniger für interessierte Laien.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Beitrag als PDFEinzelansichtKoll, Horst Peter/Messias, Hans (Hg.) (2011). Lexikon des internationalen Films: Filmjahr 2010. Marburg: Schüren. 600 S., 22,90 Euro.
Die Kritiker vom katholischen film-dienst sind gern mal beckmesserisch, wenn es um grundlegende Werte geht, aber das ist interessant: Diverse TVKrimis, die ARD und ZDF um 20.15 Uhr ausgestrahlt haben, bekommen die Empfehlung „ab 16 Jahren“. Wäre das eine FSK-Bewertung, dürften die Filme erst ab 22 Uhr im Fernsehen laufen. Nicht nur aus diesem Grund lohnt sich der neue Ergänzungsband zum Lexikon des internationalen Films auch aus Sicht der TV-Nutzenden: Im Gegensatz zu früheren Jahren, als gegenüber den Fernsehproduktionen ein deutlicher Dünkel zu spüren war, sind die Kurzkritiken mittlerweile ähnliche fundiert wie die Besprechung der Kinofilme. Einige lesen sich allerdings nach wie vor wie eine Zusammenfassung der Inhaltsangabe. Dennoch und auch trotz diverser Internet-Datenbanken ist das umfangreiche Buch mit seinen über 2.000 Kritiken beinahe unverzichtbar für jeden, der sich beruflich oder aus Passion mit Film und Fernsehen beschäftigt, schließlich berücksichtigt es nach Angaben der Herausgeber jeden Film, der 2010 neu in den Kinos und im Fernsehen gelaufen oder auf DVD erschienen ist. Außerdem erwirbt man mit dem Kauf des Buches den Zugang zur Internet-Datenbank der Zeitschrift „film-dienst“; allerdings nur für ein Jahr.
Reine Nabelschau sind wie stets die 25 Seiten Selbstbespiegelung der Filmkritiker. Deren Leidenschaft für den Gegenstand ihrer Arbeit hat Joachim Król kürzlich treffend charakterisiert, als er die Stimmung nach einer Pressevorführung beschrieb: „Da denkt man, die Oma sei gestorben. Kein Gemurmel, kein Applaus. Nur professionelle Stille.“ Immerhin: Was Regisseur Andres Veiel („Wer wenn nicht wir“) über Fragetechniken und seinen Umgang mit Interviews zu sagen hat, ist recht interessant. Die obligate Jahres-Chronik ist wie stets ebenso informativ wie lehrreich. Klare Konsequenz aus dem ökonomisch und künstlerisch unbefriedigenden Kinojahr: Nicht Aufnahme- und Projektionstechnik, die Geschichten müssen mehrdimensional sein.
Beitrag aus Heft »2011/04: Migration und Medien: Vernetzung und Partizipation«
Beitrag als PDFEinzelansichtMeyen, Michael/Pfaff-Rüdiger, Senta (Hrsg.) (2009). Internet im Alltag. Qualitative Studien zum praktischen Sinn von Online-Angeboten. Berlin: LIT. 375 Seiten, 34,90 €.
Ein Tag ohne Internet – für viele ist das weder beruflich noch privat vorstellbar. Doch warum nutzen wir das Internet in diesem Ausmaß? Der Band Internet im Alltag, den Michael Meyen und Senta Pfaff-Rüdiger aus einem Masterprojekt an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität entwickelt haben, versucht, darauf Antworten zu finden. Nachdem die theoretischen und methodischen Grundsteine gelegt sind, wird im ersten Teil eine gemeinsame Studie vorgestellt, die sich mit dem Stellenwert des Internets im Alltag der Deutschen, den Nutzungsmotiven und Gründen für die Unterschiede in der Nutzung befasst. Im zweiten Teil finden sich die je eigenen qualitativen Studien der Autorinnen und Autoren.
Hier wird auf die Nutzungsmotive des sozialen Netzwerkes StudiVZ ebenso eingegangen wie auf die Internetnutzung junger Mütter, Homosexueller und Arbeitsloser. Zudem werden Untersuchungen zu Nachrichtenangeboten wie sueddeutsche.de und Spiegel Online vorgestellt sowie ein Blick in die Welt von Counter Strike und journalistischen Blogs geworfen. Für Interessierte aus Medien- und Kommunikationswissenschaft ein lesenswertes Buch.
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Beitrag als PDFEinzelansichtSchaudig, Michael (Hrsg.) (2010). Strategien der Filmanalyse – reloaded – Festschrift für Klaus Kanzog. München: diskurs film Verlag. 322 Seiten, 25,50 €
Der elfte Band der Reihe diskurs flim - Münchner Beiträge zur Filmphilologie verweist auf den ersten Band der Reihe und somit auf den Begründer des Begriffes Filmphilologie Klaus Kanzog. Daher wird in den 15 Beiträgen des Herausgeberwerkes auch ein besonderer Stellenwert auf die strategische Vorgehensweise der Filmanalyse gelegt. Vom medienwissenschaftlichen Grundlagentext über eine filmhistorische Studie, einen werkspezifischen Forschungsbericht, eine exemplarische Filmanalyse mit ästhetischer und dramaturgischer Fokussierung sowie einer rhetorischen und narratologischen Systematik bis hin zum filmdidaktischen Zugang und Praxisbericht werden Strategien der Filmanalyse aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Beispielhaft werden dabei nicht nur ‚Filme mit Spielhandlung‘ sondern auch Dokumentar- oder Essayfilme in die Betrachtung miteinbezogen. Insgesamt wird das Thema des Herausgeberwerkes aus vielen unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und erlaubt einen abwechslungsreichen Einblick in die behandelten Inhalte.
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Beitrag als PDFEinzelansichtStiasny, Philip (2009). Das Kino und der Krieg. Deutschland 1914-1929. München: edition text + kritik. 348 Seiten, 38 €.
Der erste Weltkrieg war einschneidend für die Menschen seiner Zeit – und damit auch für die Medien, damals vor allem das Kino. Philip Stiasny setzt sich in Das Kino und der Krieg anhand überwiegend unbekannter, aber einst populärer Spielfilme mit dem Verhältnis von Kino und Krieg auseinander. Welche Geschichten erzählen die Filme, wie werden sie inszeniert und wie eignet sich das Kino den Krieg als Thema an? In klarer Sprache nähert er sich diesen Fragen. Dazu werden zuerst Filme aus der Kriegszeit betrachtet, danach die Nachkriegszeit sowie Filme mit Szenarien eines zukünftigen Krieges und historische Film behandelt. Dabei erschöpfen sich die Ausführungen nicht in der bloßen Analyse der Filme – bevor die Filme überhaupt erwähnt werden, verschafft Stiasny den Leserinnen und Lesern zunächst einen Überblick über die Filmentwicklung vor dem Hintergrund der jeweiligen Zeit und stellt Bezüge zu sozialen, politischen und kulturellen Fragen her.
Das Thema Krieg findet sich so erfreulicherweise nicht nur in dramatischen und niederschmetternden Bildern wieder, sondern etwa auch in der Rolle der Frauen, die zu dieser Zeit ihre Selbständigkeit entdeckten. Die detailliertere Auseinandersetzung mit den Filmen, Weihnachtsglocken (1914), Ikarus (1919) oder Welt ohne Krieg wird neben der reinen Analyse des Materials ergänzt durch Zensurunterlagen sowie original Filmberichterstattung. Viele Szenen sind als Abbildung in den Text integriert. Dies sowie der interessante und fachkundige Schreibstil machen das Buch sehr lesenswert für Film-, Medien-, und Kulturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Geschichts- und Filminteressierte sowie Studierende und interessierte Laien.
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Beitrag als PDFEinzelansichtThimm, Caja (Hrsg.) (2010). Das Spiel: Muster und Metapher der Mediengesellschaft. Wiesbaden: VS Verlag. 242 S., 29,90 €.
Muster können gesellschaftliche Handlungsmuster oder räumlich-zeitliche Strukturen der menschlichen Wahrnehmung sein. Die Metapher ist ein Vergleich ohne Vergleichswort wie „also“ oder „wie“. Doch was hat das mit dem Spiel zu tun? Das Spiel als Muster und Metapher der Mediengesellschaft, ein Buch von Caja Thimm, Professorin für Medienwissenschaft und Intermedialität an der Universität Bonn, geht der Behauptung aus dem Titel auf den Grund. Interdisziplinäre Beiträge aus den Bereichen der Politologie, Philosophie, Medienwissenschaft und Soziologie beleuchten von ihrer jeweiligen Perspektive aus diese These. Die Spiele Micado und Mau-Mau waren einmal. Mit der Zeit wurden Spiele zu ganzen Paralleluniversen, wie zum Beispiel Second Life.
Welten, in denen Spielerinnen und Spieler als sogenannte ‚Avatare’ agieren die aber auch einen Einfluss auf reale Begebenheiten haben, wie beispielsweise den Wirtschafskreislauf. Das menschliche Verhalten aus der realen Welt wird in die virtuelle hineingetragen. Somit werden in Onlinespielen erstmals soziale Normen eingesetzt, die genauso außerhalb der Spielwelt wirksam sind. Deshalb spricht Caja Thimm vom Spiel, das zur Metapher des menschlichen Verhaltens wird. In diesem Herausgeberwerk wird gleichermaßen nach dem Wesen von Unterhaltungserleben beim Mediengebrauch gefragt, wie nach der Konstruktion von Politik und Gesellschaft im Computerspiel. Der Band enthält Beiträge zur Theorie sowie zur Praxis des Spiels. Die Zielgruppe sind Dozentinnen und Dozenten und Studierende der Kommunikations- und Medienwissenschaft, Soziologie, Pädagogik und Kulturwissenschaft. Denn oft werden verschiedene Konzepte aus diesen Wissenschaftsbereichen als bekannt vorausgesetzt. Insgesamt finden die Leserinnen und Leser in diesem Band aktuelle Positionen zum Thema Spielforschung und Spieltheorie.
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kolumne
Iwan Pasuchin: Das „Nein“-Konzept
Als mein Sohn 15 wurde – übrigens echt ein süßes Alter, vor allem, wenn es sich um Monate und nicht um Jahre handelt –, fing er an zu verstehen, dass Dinge Namen haben, und zu versuchen, sie entsprechend zu bezeichnen. Der Ball hieß „ba“ und wenn er das zu mir sagte, dann bedeutete es, dass er mit mir Ball spielen wollte. Statt Buch rief er „bu“ und drückte damit seinen Wunsch aus, ich solle ihm vorlesen. Genauso wie alles, was er zu mir sagte, zum Ziel hatte,(mehr) Aufmerksamkeit von mir zu erlangen. Bei der Erfassung des Benennungskonzeptes gab es jedoch eine Tatsache, die ihn zunächst etwas verwirrte: Die meisten Dinge hießen unterschiedlich, aber es gab auch zahlreiche, die den gleichen Namen trugen. Darunter fielen so gegensätzliche Gegenstände, wie Messer, Elektrogeräte, Weingläser, brennende Kerzen etc. All diese Objekte trugen eine einzige Bezeichnung, die immer sehr deutlich und um einiges lauter artikuliert wurde, als die der anderen. Dieses ganz spezielle Wort, dessen Ausrufen zumeist mehrmals hintereinander und mit steigender Heftigkeit erfolgte sowie von seltsamen Grimassen der Erwachsenen begleitet wurde und womit außerdem verbunden war, dass jene, die es aussprachen, sofort aufsprangen und zu meinem Sohn liefen, lautete – wie unschwer zu erraten – „NEIN!“
Das anfängliche Erschrecken, welches meine Reaktion in solchen Fällen bei meinem Sohn auslöste, verflog schnell. Immer öfter griff er gezielt nach Gegenständen, die davor das Nein-Etikett erhalten hatten und allmählich überkam mich das Gefühl, dass er es richtig genoss, meinen Aufschrei zu hören und erst recht, all das Theater mitzuerleben, welches ich dabei für ihn darbot. Die Ahnung avancierte zu einer Gewissheit, als der Kleine anfing, jedes Mal, wenn er mich sah, entsprechende Objekte laut lachend anzusteuern und dabei „Nei! Nei!! Nei!!!“ zu brüllen. Offensichtlich hatte er von seinen Beobachtungen ausgehend ein eigenes „Nein-Konzept“ entwickelt, demzufolge „Nein“-Dinge nicht nur außerordentlich unterhaltungsversprechend wären, sondern vor allem die Chance bieten würden, besonders intensiv und in allerkürzester Zeit Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Denn während seine Aufforderung bzgl. „ba“ und „bu“ nicht immer und erst recht in den seltensten Fällen sofort die erwünschte Wirkung zeigte, war ich augenblicklich zur Stelle, sobald ich nur das „na…“ vernahm. Die (medien-) pädagogische Moral dieser kleinen Geschichte ist unschwer zu erkennen. Ich spreche gar nicht davon, dass sie die alte Vermutung meiner Wegbereiterinnen und Wegbereiter bestätigt, alles Verbotene wäre für Kinder und Jugendliche ausnehmend spannend und dass Untersagungen deswegen zumeist wenig von der erwünschten Wirkung zeigen würden. Um das zu verstehen, hätte ich nicht Vater werden brauchen. Sie legt jedoch eine weitere These nahe: Heranwachsende machen „Nein“-Dinge nicht trotzdem, sondern gerade weil sie Sanktionen von Seiten der Erwachsenen erwarten. Denn auf diese Weise erlangen sie etwas von der Aufmerksamkeit, nach der zu dürsten offenbar ihr zentrales biologisches Programm bildet. Ich stelle mir vor, wie mein Sohn, wenn er 15 ist (ich meine jetzt Jahre), mit Tonnen von Piercings im Gesicht und einer halbvollen Ginflasche in der einen Hand, mit der anderen mit Hilfe irgendeines virtuellen Metzgerwerkzeugs gerade heftig in 4D kopulierende Mutter Theresa und Vater Obama genüsslich tranchiert und denke mir, dass ich mir seine „ba“ und „bu“-Aufforderungen doch etwas mehr zu Herzen nehmen sollte – jetzt und mindestens in den nächsten vierzehn Jahren.
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Autor: Iwan Pasuchin
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