2011/01: Populärkultur und Medien
Blonde, faltenlose Models auf Zeitschriftencovern, die ihre Zahn-Applikationen aggressiv gen Kamera strecken und dabei die Augen erschrocken aufreißen. Großgeblumte Bauersfrauen, die vor romantischem Kuhweiden-Hintergrund Männer fürs Leben finden. Singende Schwämme, die sich nicht damit begnügen, in hohlen Ananas auf dem Meeresgrund zu leben, sondern noch auf Trinkflaschen, Kopfkissen und Haarshampoos migrieren – Medienangebote folgen immer wieder denselben Mustern, bedienen scheinbar die Bedürfnisse, die an sie herangetragen werden – oder bilden vielleicht auch selbst die Auslöser dafür, dass Wünsche und Bedürfnisse bei den Rezipientinnen und Rezipienten überhaupt erst entstehen, die dann medial befriedigt werden. Welche Kräfte von welchen Seiten auf Medien einwirken, unter welchen Bedingungen Inhalte entstehen, das ist allzu oft komplex und nicht leicht zu durchschauen. Im ersten Heft 2011 nimmt merz deshalb das Thema Populärkultur und Medien genauer unter die Lupe. Die Autorinnen und Autoren zeigen die Strukturen und Einflüsse der Medienwelt auf, schildern Hintergründe, Erscheinungeweisen und Auswirkungen der Inhalte und werfen auch einen Blick auf praktische Konsequenzen, die sich für (Medien-)Pädagoginnen und Pädagogen sowie Nutzende ergeben. Empirische Erkenntnisse werden vorgestellt, einzelne Angebote – ‚Mainstream‘-Produkte ebenso wie gegenöffentliche Entwürfe – betrachtet und Projekte zu diesem Themenspektrum aufgezeigt.
aktuell
Mehr Fernsehkonsum
Die deutschen TV-Zuschauerinnen und Zuschauer haben 2010 im Durchschnitt 223 Minuten pro Tag ferngesehen. Das sind rund elf Minuten mehr als 2009 und 16 Minuten mehr als im Jahr 2008 – und der höchste Wert seit Beginn der Einschaltquotenvermarktung durch die Marktforschungsfirma Media Control, die seit 1992 die TV-Reichweiten im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) vermarktet. Besonders die Fernsehdauer am Wochenende brachte es zu einem enormen Anstieg, so stiegen die Werte am Samstag von 216 auf 230 Minuten. Sonntags steigerten sie sich sogar von 247 auf 262 Minuten.
Vergleicht man die Bundesländer, schauten die Einwohnerinnen und Einwohner Sachsen-Anhalts am längsten fern. Sie kommen auf eine tägliche Fernsehdauer von 276 Minuten. Thüringen belegt Platz zwei mit 274 Minuten und Sachsen kann mit 269 Minuten die höchste Steigerung von 26 Minuten Sehdauer verzeichnen. Bayern und Hessen zeigten das geringste Interesse am Fernsehprogramm und schalteten je nur 199 Minuten täglich ein. Media Control untersuchte auch die Fernsehdauer in den verschiedenen Altersgruppen. Dabei zeigte sich, dass Menschen über 50 Jahre die meiste Zeit vor dem Fernseher verbringen. Hier lief der Fernseher im Durchschnitt 290 Minuten, elf Minuten länger als 2009. Die höchsten Zuwächsegab es in der Zielgruppe der 30- bis 39-Jährigen, deren TV-Sehdauer von 202 auf 217 Minuten stieg.
www.media-control.de
Serien vermitteln falsche Berufsbilder
Das Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster untersucht in einer aktuellen Studie das Spannungsverhältnis von Medien und Berufsvorstellungen Jugendlicher. Erste Ergebnisse belegen, dass Fernsehserien ein falsches und verzerrtes Bild der Berufswelt vermitteln. Mit einer Inhaltsanalyse wurden beliebte Serien wie Desperate Housewives, Gute Zeiten, schlechte Zeiten, Dr. House oder CSI Miami untersucht, eine zusätzliche Befragung von 1.300 Schülerinnen und Schüler ergänzt die Stichprobe. Demnach arbeiten junge Erwachsene hauptsächlich im Medienbereich, in der Modebranche oder der Gastronomie. Berufe wie die des Änderungsschneiders, des Bauglasers oder Mechatronikers kommen eher nicht vor. Vergleicht man die Ergebnisse der Inhaltsanalysen mit der Berufsstatistik des Statistischen Bundesamtes wird schnell deutlich, dass die Serieninhalte wenig mit der Realität zu tun haben. Denn fast jeder Dritte der circa 40 Millionen berufstätigen Deutschen war 2007 in der Produktion beschäftigt, in den untersuchten Serien ist dies nur etwa ein Prozent. Dagegen arbeiten 30 Prozent der Darstellerinnen und Darsteller in der Gastronomie und im Bereich der sonstigen Dienstleistungen.
In der Realität sind diese Berufsgruppen mit drei und sieben Prozent deutlich kleiner. Insgesamt sind 35 Prozent der Serienberufe im deutschen Fernsehen thematisch in den Bereichen Verwaltung und Verteidigung und 19 Prozent im Gesundheits- und Sozialwesen einzuordnen. Dieses verzerrte Bild wirkt sich auf die Berufsvorstellungen der Jugendlichen aus. So steigt etwa der Wunsch, im Gesundheitswesen zu arbeiten, signifikant mit dem Sehen von gesundheitsbezogenen Serien, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Beispielsweise ist die Handwerksbranche im TV-Programm kaum vertreten, deshalb sei auch das Interesse an diesen Berufen eher gering. Dem Projekt liegt die Annahme zugrunde, dass die Medien – insbesondere das Fernsehen – den jugendlichen Berufswahlprozess in nicht unerheblichem Maße beeinflussen.
GameStat 2010
Die Repräsentativstudie GameStat zur Nutzung von Computer- und Videospielen in Deutschland wurde erstmals im Sommer 2010 von der Universität Hohenheim durchgeführt und soll künftig in jährlichen Abständen Daten zum Stand des digitalen Spielens in Deutschland erheben. 2010 wurden 4.506 Personen ab 14 Jahren mittels computergestützter Telefoninterviews zu unterschiedlichen Formen des digitalen Spielens befragt. Erste Ergebnisse zeigen, dass digitale Spiele – gleich welcher Plattform oder Art – inzwischen ein Unterhaltungsangebot für Millionen sind. Rund ein Viertel der Bevölkerung ab 14 Jahren beschäftigt sich heute mit Computer- und Konsolenspielen. Neben klassischen Solo-Spielen sind auch soziale Spielformen, bei denen menschliche Interaktionen der Spielpartnerinnen und -partner im Mittelpunkt stehen, sehr beliebt, dies bestätigen mehr als zwei Drittel der Befragten.
Auch das gemeinsame Spielen an nur einem Gerät, das „co-located gaming“ erfreut sich großer Beliebtheit. Diese Form des Spielens liegt klar vor den Online-Spielen, mit einer Zustimmung bei mehr als 50 Prozent der befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Nur knapp ein Drittel der Befragten gibt an, alleine über das Netz zu spielen. Schlussfolgernd ist das Solo-Spielen gewissermaßen die „Basis“ des Computerspielens, weitere Nutzungsformen ergänzen sich entsprechend der individuellen Vorlieben. Die Studie belegt weiter, dass digitale Spiele nicht mehr ausschließlich eine Freizeitbeschäftigung junger Männer sind. Der Spieleranteil liegt bei 30 Prozent. Bei den Frauen ist der Nutzeranteil mit 19 Prozent noch niedriger, dennoch holen die Spielerinnen auf. Die Studie zeigt auch, dass das verbreitete Vorurteil des ‚spielenden Minderjährigen‘ längst überholt ist. Zwar nimmt der Anteil der Spielenden mit zunehmendem Alter deutlich ab, doch bis zum Alter von 50 Jahren spielen mehr als ein Viertel der Befragten Computer- oder Videogames. Bei den Rentnern liegt sie dann nur noch unter zehn Prozent. Die 14- bis 17-Jährigen bilden mit 60 Prozent und die 18- bis 29-Jährigen mit 50 Prozent die größten Gruppen. Faktoren wie Bildung und Einkommen scheinen auf Basis der vorliegenden Daten kaum relevant zu sein – was der öffentlichen Debatte widerspricht.
Alle Ergebnisse der GameStat2010 gibt es unter:www.pressetext.de
Spielregeln im Internet
Würfeln darf nur, wer dran ist und ins Häuschen kommt man nur mit der passenden Würfelzahl – jedes Kind weiß, dass es solche Spielregeln beachten muss, wenn es beim Mensch ärgere dich nicht auch tatsächlich keinen Ärger bekommen möchte. Aber wie ist das online? Da gibt es keine Spielanleitung, die mit dem DSL-Anschluss ins Haus flattert, aber Regeln gibt es trotzdem.
Damit die auch Kinder und Jugendliche schon kennen und verstehen und nicht – absichtlich oder unabsichtlich – ‚schummmeln‘ und den Groll ihrer ‚Mitspielerinnen und Mitspieler‘ auf sich ziehen, gibt es die Broschüre Spielregeln im Internet. Durchblicken im Rechtedschungel. Das 67 Seiten starke Heft kann bei den gemeinsamen Herausgebern – der Initiative klicksafe, einem Projekt im Rahmen des Safer Internet Programms der Europäischen Union und iRights.info – bestellt oder auf www.klicksafe.de kostenlos als pdf-Datei heruntergeladen werden. Es besteht aus insgesamt acht kurzen, verständlich geschriebenen Texten von verschiedenen Expertinnen und Experten, in denen alle relevanten Themen und Fragestellungen junger Internetnutzerinnen und -nutzer aufgegriffen und praxisnah erläutert werden.
Den Reigen eröffnet – wie könnte es anders sein – ein Artikel über Datenschutz in sozialen Netzwerken, danach reihen sich Themen wie Urheber- und Persönlichkeitsrechte, Cyber-Mobbing, die Gesetzeslage zu Remixes, Mashups, Streaming-Angeboten und Downloads ein und zu guter Letzt – für alle, die bis dahin doch nicht aufmerksam genug gelesen haben – Post vom Anwalt, was tun? Jeder der kurzen Texte ist dabei praxisnah, anschaulich und für Laien gut verständlich geschrieben, ansprechend bebildert und die meisten Artikel bieten zusätzlich viele nützliche Verweise auf andere (Online-)Quellen zum Thema. So ist die handliche Broschüre insgesamt eine gute Möglichkeit für Kinder und Jugendliche selbst, vor allem aber für Eltern. Lehrkräfte und Pädagoginnen und Pädagogen, dieses wichtige Thema niederschwellig zu behandeln und die grundlegenden Spielregeln im allgegenwärtigen Gesellschaftsspiel Internet endlich zu verstehen und beherzigen zu können. Damit keiner zum Spielverderber wird oder am Ende im Gefängnis landet, statt über LOS gehen zu können.
www.klicksafe.de
kinderfilmwelt
Was macht ein Stuntman? Wer spielt die Hauptdarstellerin in dem Film Die Chroniken von Narnia? Und was ist eigentlich ein Anime? Fragen, mit denen sich Kinder heute rund um das Thema ‚Filme‘ beschäftigen, können Eltern schnell überfordern. Seit Ende November 2010 gibt es das erste Filmportal für Kinder, das hier Abhilfe schaffen will. Das Filmportal KinderFilmWelt bespricht und rezensiert Kinderfilme, die aktuell im Kino laufen, sowie ältere Filme, die bereits auf DVD erhältlich sind. Die Informations- und Lernplattform, welche sich direkt an Kinder richtet, beschäftigt sich kindgerecht mit dem Thema ‚Film‘ und ist multimedial angelegt.
Doch auch Eltern sind auf dem Portal willkommen und erhalten wertvolle Tipps und Hintergrundinformationen zur immer wichtiger werdenden Medienerziehung. Verantwortlich für die Inhalte ist das Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF), gefördert wird die Homepage von der Stiftung Deutsche Jugendmarke e. V. und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Um was geht es genau in Toy Story 3? David G. (10) kommentierte den Film Toy Story 3 am 29.11.2010 mit „COOL!“ und bewertete ihn mit fünf Filmklappen, der höchstmöglichen Wertung.
Die interaktive Möglichkeit, die Filme als Besucherin oder Besucher der Seite selbst zu kommentieren, ist besonders bemerkenswert. Trotz einer FSK-Freigabe von 0 Jahren, erhielt der Film von der Kinderfilmwelt-Redaktion eine Altersempfehlung von „Optimal ab 8 Jahren“. Denn der Film ist laut Homepage „so spannend, dass selbst hart gesottene Zuschauer ins Schwitzen geraten“. Interessant zur Orientierung für Eltern sind die Nennungen der FSK-Freigaben und die fundierten Altersempfehlungen, die von Filmfachleuten und Medienpädagoginnen und Medienpädagogen ausgesprochen werden und sich an den Interessengebieten der entsprechenden Altersstufen und kognitiven Entwicklungsphasen der Kinder orientieren. Wichtig beim Layout der Internetseite sind Symbole, so werden beispielsweise die Altersempfehlungen auch mit der Anzahl der Finger angezeigt. Die professionell gestaltete, werbefreie Internetseite bietet zusätzlich zahlreiche Informationen und hilfreiche Optionen rund um den Film wie das Filmstudio, in dem Filminteressierte erfahren wie ein Film entsteht, oder das Filmlexikon, welches Filmbegriffe von A wie Animationsfilm bis Z wie Zoom altersentsprechend und kindgerecht erläutert.
Die Internetseite ist in ihrem Design und Aufbau sehr ansprechend für Kinder gestaltet und orientiert sich klar an den Bedürfnissen und Ansprüchen der Zielgruppe. Es hat sich gelohnt, dass das Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF) 200 Kinder in die Entwicklung der Website miteinbezogen hat.
www. kinderfilmwelt.de
Elisabeth Jäcklein-Kreis: stichwort Chatroulette
Teetrinken mit einer englischen Studentin, Smalltalk mit amerikanischen Schülern, zwischendurch ein bißchen rumalbern mit einem italienischen Clown und ein bißchen tanzen mit zwei russischen Mädchen – und das alles zu Hause im eigenen Wohnzimmer. So oder so ähnlich ist Chatroulette gedacht, ein Webdienst, der seine Teilnehmerinnen und Teilnehmer per Knopfdruck mit zufälligen Gesprächspartnerinnen und -partnern überall auf der Welt verbindet. Im November 2009 programmierte der damals 17-jährige russische Schüler Andrei Ternowski das Portal – zunächst als private Spielerei –, auf dem man ohne Login oder sonstige Authentifizierung seine Webcam freigibt und dann willkürlich mit anderen Chatterinnen und Chattern verbunden wird, mit denen man reden, schriftliche Nachrichten tauschen oder sich nur gegenseitig anschauen kann – bis einer nicht mehr mag und per F9 die Scheibe neu anstößt.
Eine nette Abendbeschäftigung also für verregnete Sonntage, könnte man meinen und meinten auch bisher zahlreiche Chat-Willige – je nach Quelle zwischen 20.000 und 30 Millionen. Allerdings versteht unter ‚netter Abendbeschäftigung‘ dann eben doch nicht jeder dasselbe: So warnt Jugendschutz.net vor jugendgefährdenden Inhalten wie Pornografie oder Rechtsextremismus, die hinter der fremden Webcam lauern, das Internet Analyseunternehmen RJMetrics verkündete, etwa 13 Prozent der (meist männlichen) Besucherinnen und Besucher seien „pervers“ und internet-abc.de spricht von einem „Panoptikum der Absonderlichkeiten“. Die taz betitelte ihren Selbstversuch im Kommunikations-Glücksspiel gar mit „Penis. Zack. Penis. Zack. Penis.“ Denn obgleich die Seite obszöne, aggressive oder sexuelle Äußerungen verbietet, mittlerweile auch über einen ‚Melden‘-Button für Verstöße verfügt, tummeln sich in der scheinbar anonymen Fast-Food-Kommunikationswelt doch offensichtlich in großer Zahl Menschen mit zweifelhaften Absichten, die dort scheinbar darauf aus sind, ihr Gegenüber zu schockieren, zu ekeln, zu ängstigen oder aber ihre sexuellen Vorlieben digital auszuleben.
Damit stellt die virtuelle Drehscheibe – und ihre Pendants für mobile Endgeräte wie die mittlerweile wieder eingestellte iPhone-Applikation iChatr oder der Telefon-Dienst Phoneroulette – gerade für (medien-)pädagogische Handlungsfelder eine Herausforderung dar. Was suchen Menschen dort? Was macht den Reiz der Seite aus? Und wie sollte man damit umgehen, wenn Kinder und Jugendliche auf solche Angebote stoßen? Solche Fragen beschäftigen im Moment nicht nur den Anbieter, der bei all der schlechten Publicity um seine Werbeeinnahmen fürchten muss, sondern auch Eltern und pädagogische Fachkräfte.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansichtnachgefragt Ricarda Fuchs Leiterin Online-Redaktion KI.KA
mein!KI.KA ist eine Community des KI.KA, konzipiert für Jungen und Mädchen bis 13 Jahre. Aufgrund entwicklungspsychologischer Erfordernisse ist sie zugangsoffen bis 15 Jahre. Die Verantwortlichen legen großen Wert auf die Sicherheit der Community-Mitglieder. Dafür werden mehrere Vorsichtsmaßnahmen getroffen: Die Kinder können erst mit Zustimmung ihrer Eltern Mitglied werden. Wie in jeder Community können sie selbständig ihr Profil anlegen, allerdings kein eigenes Foto einstellen, sondern sie haben die Möglichkeit, sich ein vorgegebenes Bild aus einer Galerie auszusuchen, mit dem sie für andere Besucherinnen und Besucher sichtbar sind. Außerdem ist mein!KI.KA eine vollständig moderierte Plattform. Das heißt, kein Kommentar wird ungelesen online gestellt. Ricarda Fuchs ist die Leiterin der Online-Redaktion des KI.KA. In merz spricht sie über die Entwicklung der jungen Community und wagt auch einen Blick in die Zukunft.
merz Brauchen Kinder eine eigene Community? Wenn ja, warum?
Fuchs Kinder wachsen heute ganz selbstverständlich mit Computern und dem Internet auf. Die Haushalte, in denen sie leben, sind damit nahezu vollständig ausgestattet. Kommunikation ist das zentrale Motiv für die Internetnutzung, die vorwiegend in Social Communitys stattfindet. Diese sind aus dem Leben von Kindern nicht mehr wegzudenken. Medien beeinflussen ihre Entwicklung und Sozialisation. Sie leisten Identitäts- und Reflektionsarbeit, ermöglichen soziales Lernen, schulen zwischenmenschliche Beziehungen und fördern die Entwicklung von Medienkompetenz. Es gibt wenige Communitys, die sich explizit an Kinder richten. Mit Beginn der Pubertät wollen ältere Kinder unter sich sein, sich von Eltern und Erwachsenen abgrenzen. Es ist wichtig, ihnen einen geschützten Raum zur Verfügung zu stellen, in dem sie sich ausdrücken und bedenkenlos bewegen können. Gerade Jüngere haben keine oder wenig Erfahrung, weil viele Eltern ihnen nicht medienkompetent zur Seite stehen können. Genau hier setzt die KI.KA-Community an. Wir bieten Jungen und Mädchen einen Raum ohne jugendgefährdende oder diskriminierende Inhalte. Als öffentlich-rechtliche Community haben wir den Anspruch, Kinder in einer sicheren Umgebung an die Formen des Web 2.0 heranzuführen. Moderationen aller Inhalte und Chats, sowie Werbefreiheit gewährleisten diesen Anspruch. Vielfältige Interaktionsmöglichkeiten fördern Medienkompetenz. Verstoßen unsere Mitglieder gegen die Netiquette oder die Datenschutzrichtlinien, so erklären ihnen unsere Moderatorinnen und Moderatoren die Hintergründe. Nur so lernen sie etwas für den Umgang in anderen sozialen Netzwerken.
merz Die mein!KI.KA Community besteht inzwischen seit gut anderthalb Jahren. Wie wird das Angebot von den Kindern angenommen?
Fuchs Von Beginn an wurde die Community sehr positiv angenommen. Seit Sommer 2009 haben sich rund 17.500 Kinder bei mein!KI.KA angemeldet. Im Durchschnitt sind sie 11,4 Jahre alt und der Anteil von Mädchen überwiegt deutlich. Nahezu alle akzeptieren die geltenden Richtlinien für Datenschutz und die Netiquette. Einige schreiben uns zum Beispiel, dass sie sich eben aus diesem Grund, weil „es hier so sicher ist“, bei mein!KI.KA angemeldet und die Eltern auch nur für diese Community ihre Erlaubnis gegeben haben. Wir sensibilisieren die Kinder im Umgang mit ihren persönlichen Daten. Das geht so weit, dass zum Beispiel eine Nutzerin auf die Frage nach ihrem Aussehen geantwortet hat, dass sie dazu nichts sagen möchte, „weil man ja nicht weiß, wer sich so im Internet herumtreibt“. Uns ist bewusst, dass unsere Mitglieder später zu anderen Netzwerken wechseln werden. Wenn sie aus der Zeit beim KI.KA aufgeklärt und sensibilisiert für die Chancen und Risiken von Social Communitys hervorgehen, haben wir unser wichtigstes medienpädagogisches Ziel erreicht.
merz Kann der hohe Anspruch an die Sicherheit der Kinder noch gewährleistet werden, wenn mein!KI.KA weiter wächst?
Fuchs mein!KI.KA ist eine moderierte Community mit einer täglichen Öffnungszeit von 8 bis 22 Uhr. Aktuell kümmern sich 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um unsere Mitglieder, stehen ihnen bei Fragen zur Seite und moderieren alle Beiträge. Das ist aufwändig, aber notwendig, um unseren hohen Anforderungen gerecht zu werden. Diese Sicherheit der Kinder wollen wir nur mit einem gut geschulten und großen Team gewährleisten. Wir denken aber auch darüber nach, vielleicht irgendwann die Mitgliederzahl zu begrenzen.
merz Welche Visionen haben Sie für die Zukunft von mein!KI.KA?
Fuchs mein!KI.KA soll weiter wachsen, nicht nur hinsichtlich der Mitgliederzahlen, sondern auch hinsichtlich der Funktionalitäten. Für 2011 haben wir uns viel vorgenommen. Unter anderem werden wir ein neues Chatsystem implementieren, um noch regelmäßiger und nutzerfreundlicher chatten zu können. Außerdem wünschen sich die Kinder viele neue Features. Unter anderem wird es einen Avatar-Generator geben, so dass sich die Kinder ein individuelles Profil-Bild gestalten können.
thema
Andreas Lange und Dagmar Hoffmann: Editorial
Spielt man rhetorisch Kultur auf der einen Seite und Geld bzw. Ökonomie auf der anderen Seite gegeneinander aus, dann ist das gegenwärtig eine fast so sichere Strategie, Beifall beim geneigten Publikum zu erheischen wie der unsägliche Rekurs auf „die Werte“. Hinter dieser Zusammenhangsvermutung, nach der „das Geld“ „die Kultur“ korrumpiert und insbesondere ökonomische Faktoren eigentlich zu einem massiven Verfall von Kreativität und Authentizität bei den Produzenten von Kinderkulturprodukten und zu passiver und eskapistischer Rezeption beim Publikum führen müssen, steht erstens eine wirkungsmächtige sozialwissenschaftliche Denkrichtung – die kritische Theorie der Frankfurter Schule, die in der „Kulturindustrie“ vor allem auch einen Apparat zur Unterdrückung der arbeitenden Klassen sah.
Auf der anderen Seite wurzelt die Gleichsetzung von ökonomischen Aspekten von Kultur mit Qualitätsverlust in einer mittlerweile überholten Sicht der Rolle medialer und künstlerischer Prozesse für die Entwicklung westlicher Gesellschaften. In Form der Kreativwirtschaft sind diese nämlich längst von einem ‚Sahnehäubchen‘ zu einem wichtigen und lukrativen Feld des Produzierens geworden. Erwerbsmotivation, betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten sowie Marktgesetzlichkeiten können, müssen aber nicht per se zu materiellen wie immateriellen Produkten führen, die den Heranwachsenden wenig eigene Spielräume zur Aneignung lassen oder die sie einseitig beeinflussen und mit schädlichen Verhaltenshabitualisierungen einhergehen. Das Spannende und Herausfordernde an der auch, aber nicht nur von makroökonomischen Verflechtungen mitbestimmten Wechselwirkung zwischen wirtschaftlicher Dynamik im Feld der Populärkultur, gerade derjenigen, die auf Kinder und Jugendliche zielt, und den künstlerischen sowie deutenden Prozessen der Interpretation und Nutzung der Produkte in und für die alltägliche Lebensführung, sind aus unserer Sicht die jeweiligen konkreten Anteile von Kommerzialisierung, Ökonomisierung, Standardisierung versus Eigensinnigkeit, Vielfalt und Nützlichkeit für die individuelle Subjektbildung und Alltagsgestaltung.
Vor dieser Folie geht das vorliegende Themenheft in ausgewählten Ausschnitten dem „Konglomerat“ von Populärkultur und Medien nach. „Konglomerationen“ ist ein Konzept, das von den Innsbrucker Erziehungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern Maria Wolf, Bernhard Rathmayr und Helga Peskoller in die zeitdiagnostische Debatte geworfen worden ist. Es umschreibt ein Gefüge der von Individuen erlebten Erfahrungen in spätmodernen Gesellschaften, die trotz ihrer partiellen Widersprüchlichkeit und des vielfältigen Drucks im Alltagsleben so angeeignet werden, dass eine Handlungsfähigkeit im Alltag und Formen der Identität bewerkstelligt werden können „die nicht mehr aus dem Granit traditionaler Rollenbilder gefügt sind, sich aber auch nicht im Geröll moderner Beliebigkeit verlieren, sondern Vielfältiges zu temporären und alltäglichen Festigkeiten zusammenfügen“ (Wolf/Rathmayr/Peskoller 2009).
Im einführenden Beitrag geben Andreas Lange und Dagmar Hoffmann einen Überblick zu wesentlichen Linien des Diskurses um das Spannungsverhältnis von Populärkultur und Medien. Neben Überlegungen zur sozialisatorischen Bedeutsamkeit des „Konglomerats“ befasst sich der Artikel mit den möglicherweise sozialstrukturell bedingten Formen der Aneignung populärkultureller Produkte, die dann entweder zu einer souveränen oder zu einer instrumentalisierenden Subjektivierung sowie zu unterschiedlichen Bildungserfolgen von Kindern und Jugendlichen führen können.
Klaus-Dieter Altmeppen erörtert in seinem Artikel die ökonomischen Mechanismen der modernen Kulturindustrie am Beispiel des Fernsehens. Er expliziert die Strukturen von organisationalen Handlungsfeldern der Unterhaltungsproduktion und klärt darüber auf, unter welchen ökonomischen und kommunikationsstrategischen Voraussetzungen Unterhaltung heute „beschafft“ wird. Aus seiner Sicht werden die Marktmechanismen in sozialwissenschaftlichen Kontexten und in Modellen der Mediensozialisation zu wenig berücksichtigt. Seiner Ansicht nach sollten die häufig subtilen Programmstrategien sowie die damit verbundenen komplexen Marketingaktionen bei der Entwicklung von Mediensozialisationstheorien stärker problematisiert werden. Medienaneignung und Medienproduktion sind für Altmeppen rekursive Prozesse, deren Verständnis als aufeinander bezogenes Medienhandeln nicht allein Marketingfachleuten überlassen werden sollte.
Burkhard Fuhs möchte den Unterhaltungsmarkt differenziert betrachtet wissen. Er plädiert dafür, eine weniger wertende Perspektive auf populäre Kultur einzunehmen, da es den Individuen freigestellt ist, Phänomene populärer Kultur in ihre Lebensführung einzubauen. Eine Akteursperspektive, die nach dem Doing Culture fragt und die die performative Aneignung und Umdeutung massenkultureller Muster in konkreten sozialen Situationen in den Blick nimmt, kann am ehesten die konkrete Sozialisationsrelevanz populärer Kulturphänomene erfassen. „Kinderkultur“ entsteht heute im Spannungsfeld von industriellem Markt, eigenständigen kindlichen Interessen in der Peerkultur und elterlichen (pädagogischen) Bildungs- und Erziehungsnormen. Ziel sollte es sein, eben dieses Spannungsverhältnis von industriellem Markt der Dinge, öffentlicher Diskussion um die Kindheit, elterlichen Bildungs- und Erziehungsnormen und die individuelle sowie peerbezogene Gestaltung der Kindheit durch Kinder selbst in den Blick zu nehmen.
Die Ambivalenzen des Populärkulturellen werden im Beitrag von Anna Seidel sehr deutlich, die sich mit den Potenzialen nicht-kommerzieller Medienproduktionen und deren Aneignung beschäftigt. Sie stellt die im Jahre 2008 gegründete ‚alternative‘ Frauenzeitschrift Missy Magazine vor, die „Popkultur für Frauen“ darstellen und vor allem mit einer emanzipierten Haltung und feministischen Orientierung verbinden möchte. Im Missy Magazine wird über Themenbereiche wie Medien, Mode, Sexualität und Politik in einer Art und Weise berichtet, die es erlaubt, die Ideologien, Diktate und Normvorgaben konventioneller Frauenzeitschriften zu dekonstruieren.
Das Missy Magazine ist als gegenöffentliches Angebot auf dem bestehenden Zeitschriftenmarkt zu betrachten. Welche Potenziale, welche Reichweiten und kulturelle Einflüsse widerständige, gegenöffentliche Angebote haben bzw. haben können, werden im Interview mit einer der Herausgeberinnen des Missy Magazines, Chris Köver, veranschaulicht. Wie diese komplexen Einsichten und Positionen zum Konglomerat Populärkultur und Medien ohne den pädagogischen Zeigefinger zu überdehnen umgesetzt werden können, skizziert Sabine Sonnenschein anhand des Onlinemagazins für junge Medienkritik des Projekts Spinxx. Hier wird eine bemerkenswerte Kombination aus kritisch-analytischer, auch auf medienökonomische Fakten eingehender Medienarbeit und produktiver Medienarbeit praktiziert.
Zudem realisiert das Projekt eine Maxime der neueren Kindheitsforschung beispielhaft – die Perspektiven der Kinder durch unterschiedlichste Beteiligungsmodelle ‚sprechen‘ zu lassen.
Rathmayr, Bernhard/Peskoller, Helga/Wolf, Maria (2009). Theoretische Konturen alltagspraktischer Absicherung: Das Konzept der Konglomerationen. In: dies. (Hrsg.). Konglomerationen – Produktion von Sicherheit im Alltag. Bielefeld, transcript: S. 7-31.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Andreas Lange, Dagmar Hoffmann
Beitrag als PDFEinzelansichtAndreas Lange und Dagmar Hoffmann: Populärkultur und Medienökonomie
Der Beitrag untersucht die Strukturen des popkulturellen und medialen Konglomerats, das heute ein nicht weg zu definierender Bestandteil des Aufwachsens geworden ist. Hierzu erfolgt einerseits eine Abgrenzung zu den gängigen Kulturkritiken. Andererseits wird davor gewarnt, vom Normalfall der souveränen Aneignung durch Kinder und Jugendliche auszugehen – zum einen aufgrund der neuen ‚Qualitäten‘ des popkulturellen Konglomerats und dessen kulturökonomischer Hintergründe; zum anderen aufgrund der sozial höchst ungleich verteilten personalen und strukturellen Voraussetzungen, die Angebote eigensinnig subversiv, spielerisch und persönlich bereichernd nutzen zu können. Abschließend werden medienpädagogische Konsequenzen umrissen.
Literatur
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Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Andreas Lange, Dagmar Hoffmann
Beitrag als PDFEinzelansichtKlaus-Dieter Altmeppen: Strategisch geplante Sozialisation.
Wie sehen die Strukturen der Unterhaltungsbeschaffung und -produktion aus? Unterhaltungsproduktion ist ein Teil des Kommunikationsprozesses und daher mit der Nutzung von und der Sozialisation durch Medien eng verknüpft. Der Bereich wird in die Kulturwirtschaft eingeordnet, bevor schwerpunktmäßig die Organisation und das Management der Beschaffung und Produktion von Unterhaltung analysiert werden.
Literatur
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Lantzsch, Katja/Altmeppen, Klaus-Dieter/Will, Andreas (2010) (Hrsg.). Handbuch Unterhaltungsproduktion. Beschaffung und Produktion von Fernsehunterhaltung. Wiesbaden: VS Verlag.
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Söndermann, Michael/Backes, Christoph/Arndt, Olaf/Brünink, Daniel (2009). Kultur- und Kreativwirtschaft: Ermittlung der gemeinsamen charakteristischen Definitionselemente der heterogenen Teilbereiche der „Kulturwirtschaft“ zur Bestimmung ihrer Perspektiven aus volkswirtschaftlicher Sicht (Endbericht, Auftraggeber: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie). Berlin.
Sydow, Jörg/Windeler, Arnold (2004) (Hrsg.). Organisation der Content-Produktion. Wiesbaden: VS Verlag.
United Nations (2008). Creative Economy. Report 2008. The Challenge of Assessing the Creative Economy: towards Informed Policy-making. Geneva and New York, UNCTAD/UNDP.
Burkhard Fuhs: Kindliche Massen- und Populärkultur als Herausforderung?
Das Konzept Populärkultur, das kulturelle Phänomene in Industriegesellschaften beschreibt, lässt sich nur bedingt auf Kinderkultur übertragen. Insbesondere kulturpessimistische Deutungen von Kindheit als Bühne der erwachsenenorientierten Auseinandersetzung mit sozialem Wandel greifen deutlich zu kurz. Kindliche Populärkultur umfasst alle Generationen, Kinderkultur verbindet Populäres und spezifische Kindheitsbilder der Erwachsenen, die kindliches Handeln im Kontext von Medien und Konsum mit pädagogischen Erwartungen aufladen. Die Kategorie des ‚Populären‘ kann in der Kindheitsforschung indes ertragreich sein, wenn Analysen des kulturellen und sozialen Wandels mit einer Akteursperspektive auf Kinder und Erwachsene verbunden werden. ‚Kindliche Populärkultur‘ sollte als ‚Kultur der Unterhaltung‘ gefasst werden, die Aufmerksamkeit sollte den Kindern selbst gelten, die sich in kindlichen Bildungsprozessen – in der performativen und generational gerahmten Aneignung von Massenphänomenen – ‚eine‘ Welt erschließen und Formen gelingenden Handelns erproben.
Literatur
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Bauer, Karl W./Hengst, Heinz (1980). Wirklichkeit aus zweiter Hand. Kindheit in der Erfahrungswelt von Spielwaren und Medienprodukten. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
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Hengst, Heinz (2002). Zur Verselbstständigung der kommerziellen Kinderkultur. In: Televizion, 15 (2002) 2, S. 45-51.
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Willis, Paul (1979). Spaß am Widerstand. Gegenkultur in der Arbeiterschule. Frankfurt: Syndikat.
Anna Seidel: Emanzipation als Selbstverständnis und das Problem der Marktplatzierung
Chris Köver ist eine der Herausgeberinnen des Missy Magazine (zum Magazin siehe vorhergehender Text). Im Interview, das Anna Seidel mit ihr für merz geführt hat, beschreibt sie die dabei Schwierigkeiten, aber auch die Beweggründe dafür, ein ‚alternatives‘ Magazin herauszugeben, das sowohl inhaltlich auch formal nicht dem massenmedialen Konsens entsprechen möchte.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Anna Seidel
Beitrag als PDFEinzelansichtSpinxx mal! Junge Medienkritikerinnen und Medienkritiker blicken hinter die Kulissen
Spinxx.de ist ein Projekt des jfc Medienzentrums in Köln und vieler Kooperationspartner vor Ort – und gleichzeitig auch ein Projekt von Kindern und Jugendlichen für Kinder und Jugendliche. Von Beginn an ist die Partizipation Grundgedanke des Jugendkritikerprojekts, das 1990 als Kriki-online (Kritische Kinder Online) beim Kölner Kinderfilmfest Cinepänz seinen Anfang nahm und dann 2004 zum Modellprojekt in NRW wurde: Kindermedien werden für Kinder gemacht, ein ‚Urteil‘ darüber sprechen aber häufig Erwachsene. Doch Kinder und Jugendliche erleben und nutzen Medien anders. Beim Onlinemagazin spinxx.de erhalten sie ein Forum, um ihre Sicht auf die Medienwelt in Worte, Bilder und Töne zu fassen und sie mit anderen zu diskutieren und weiterzuentwickeln.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Henning Tillmann
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spektrum
Christa Gebel: Neue Probleme lösen alte nicht ab
Zum 01. Januar 2011 sollte die Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrags JMStV in Kraft treten, am 16. Dezember hat das Landesparlament von Nordrhein-Westfalen den Vertrag nicht ratifiziert. Damit ist das Vorhaben zunächst gescheitert. Im Zuge dieser Neuregelung wurde heftig diskutiert. merz hat im Herbst (merz 5/10) die Position der Kommission für Jugendmedienschutz kjm vorgestellt. Nachfolgend zwei weitere Positionen, die das Spannungsfeld, in dem die Diskussion stattfindet, deutlich machen.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Christa Gebel
Beitrag als PDFEinzelansichtJürgen Ertelt, Bernd Fachinger, Manuela Schauerhammer, Thomas Stadler und Henning Tillmann: Ein Ungetüm stolpert über die Internet-Evolution
Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) sollte zum 1. Januar 2011 novelliert werden. Die entsprechende Entwurfsfassung wurde durch die Ministerpräsidentenkonferenz ausgehandelt und lag als intraföderaler Staatsvertrag den einzelnen Länderparlamenten im Laufe des Jahres 2010 zur Abstimmung vor. Solche Verträge müssen vor Inkrafttreten von jedem Länderparlament verabschiedet werden.
Links
Schaubild Alterskennzeichnung (nicht mehr gültig, zeigt aber die Komplexität des Entwurfs)
www.spreerecht.de/wp-content/uploads/2010/12/jmstv_anleitung_1_flowchart.png [Zugriff: 17.01.2011]AK-Zensur
www.ak-zensur.de/mt/mt-search.cgi?search=jmstv&IncludeBlogs=14&limit=20 [Zugriff: 17.01.2011]Netzpolitik-Blog
www.netzpolitik.org/?s=jmstv [Zugriff: 17.01.2011]Internet-Law-Blog
www.internet-law.de/index.php?s=jmstv [Zugriff: 17.01.2011]Pottblog
www.pottblog.de/category/politik/jmstv [Zugriff: 17.01.2011]Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Jürgen Ertelt, Bernd Fachinger, Manuela Schauerhammer
Beitrag als PDFEinzelansichtBjörn Friedrich: konzept m+b
konzept m+b ist ein Ideenwettbewerb, mit dem medien+bildung.com im Jahr 2010 erstmals innovative Konzepte zur Medienbildung in Rheinland-Pfalz prämierte. Gestiftet wurde der Förderpreis von der Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz (LMK) und der Stiftung Medienkompetenz-Forum Südwest (MKFS). Nach der Preisverleihung am 10. November 2010 in Trier befinden sich die Gewinnerprojekte jetzt in der Umsetzungsphase und werden dabei von medien+bildung.com unterstützt und begleitet.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Björn Friedrich
Beitrag als PDFEinzelansichtTraudel Günnel, Nina Brieke und Vanessa Hüttner: Handyfilm
Der Beitrag beschäftigt sich mit drei Handy-Filmprojekten, die im Herbst 2009 mit Schulklassen an unterschiedlichen Freiburger Schultypen durchgeführt und evaluiert wurden. Die Produktionen der Schülerinnen und Schüler zum Thema „Bewerbung“ werden vor dem Hintergrund ihrer alltagskulturellen und filmästhetischen Dimension diskutiert. Ein weiterer Fokus liegt auf medienpädagogischen und mediendidaktischen Fragestellungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit im schulischen und außerschulischen Kontext.
Literatur
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Burkart, Günter (2009). Mediale Selbstthematisierungen und Inszenierungen von Privatheit. In: merz 2/2009, S. 22-27.
Günnel, Traudel (2009). Believe it or not: You are tuned to ‚Small FM‘! An evaluation of radio production teams at Freiburg schools. In: Journal of Media Practice 10.1. pp. 17-37.
Günnel Traudel/Löffler, Monika (2009).”Medien in der Lehrerbildung” Beitrag in der online-Zeitschrift Medienpädagogik, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg (Hrsg.), Ausgabe 12/2009. [Zugriff: 25.05.2010]
Günnel, Traudel (2006). Action-oriented Media Pedagogy. In: Lewis, Peter/Jones, Susan (eds). From the Margins to the Cutting Edge-Community Media and Empowerment, Hampton Press. pp 41-65.
Kübler,Hans-Dieter (2009). Außenorientiert, ‚mediogen‘, narzisstisch – Medienkonstrukte oder neue Sozialisationstypen? merz 2/2009, S. 14 - 21.
Lauri, Mary Anne/Borg, Joseph/Günnel, Traudel/Gillum, Robert (2010). Attitudes of a sample of English, Maltese and German teachers towards media education. European Journal of Teacher Education, 33: 1, pp. 79-98.
medien+bildung.com gGmbH, Lernwerkstatt Rheinland -Pfalz (2009). Taschenfunk. Das Handy als Unterrichtswerkzeug. Broschüre. Zu beziehen: Turmstr. 10. 67059 Ludwigshafen.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2009). JIM-Studie 2009. Jugend – Information – (Multi-)media. Stuttgart, c/o Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg.
Pachler, Norbert (2008). Mobiles Lernen: Spleen oder Paradigmenwechsel? E-learning, E-Dossier 03/2008, S.7 – 11. www.elearning.zfh.ch [Zugriff: 13.05.2010]
Schorb, Bernd (2008). Handlungsorientierte Medienpädagogik. In Sander, Uwe/von Gross, Friederike/ Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.), Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden, VS Verlag, S. 75-86www.soundnezz.de [Zugriff: 05.06.2010]
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Traudel Günnel, Nina Brieke, Vanessa Hüttner
Beitrag als PDFEinzelansichtHans-Ulrich Grunder: Der Lernstick als Lernwerkzeug in der Schule im Kontext des mLearnings
In diesem Beitrag umreiße ich ansatzweise die Idee eines Forschungsprojekts zur Abklärung der Wirkungen unterrichtlichen Arbeitens mit einem ‚Lernstick’/mit Laptops bei Schülerinnen und Schülern der Volksschule, skizziere aber zuvor Aspekte der pädagogischen Konzeption des ‚Lernsticks’ als eines ‚Lernwerkzeugs’ im Rahmen einer ‚Pädagogik des mLearnings’, wo es letztlich darum geht, die mediendidaktischen, fachdidaktischen und lernpraktischen Möglichkeiten des Lernsticks in einer multimedialen und multimodalen Lernwelt auszuloten.
Literatur
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Grunder, Hans-Ulrich (2010). Unterrichtsforschung und ihre schulpädagogische Rahmung. Pädagogische Rundschau, 1, S. 31 - 44.
Grunder, Hans-Ulrich/Bohl, Thorsten (2001). Neue Formen der Leistungsbeurteilung in den Sekundarstufen I und II. Baltmannsweiler (2. Aufl.: Baltmannweiler 2004). Hohengehren: Schneider.
Grunder, Hans-Ulrich/Rohrer, Walter/Schwab, Stanley/Widmer Märki, Isabelle (2009). Masterplan. Bericht zuhanden der Hasler Stiftung. Solothurn.
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Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Hans-Ulrich Grunder
Beitrag als PDFEinzelansichtFrank Berzbach: Country und Western, wir haben beides
Die Monokultur kommerzieller Fantasieliteratur setzt sich im Kino fort, und sie wirkt auf die Literaturproduktion zurück. Jugendliche und erwachsene Lesewelten werden so immer mehr von Spannungsplot und monomythischer Dramaturgie dominiert. Nötig wäre eine Literaturpädagogik, die (jungen) Lesenden deutlich macht, dass Spannung nicht allein das ist, was sich Hollywood darunter vorstellt. Und dass es viel spannender sein kann, wenn literarischer Inhalt und Form nicht nur einem einzigen Muster folgen.
Literatur
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Ani, Friedrich (2002). Wie Licht schmeckt. München: Hanser.
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Britten, Uwe (2006). Ab in den Knast. München: cbt.
Britten, Uwe (2007). Schools out. Bamberg: Palette.
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Britten, Uwe (2006). Lesen – eine Expedition. Zum Umgang mit „offener“ Jugendliteratur. In: Beiträge Jugendliteratur & Medien, Heft 1, 58 Jg., S. 34-39.
Britten, Uwe (2007). Die Verfolgung. Osnabrück: terre des hommes.
Britten, Uwe (2008). Straßenkid. Bamberg: Palette.
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Hegemann, Helene (2010). Axolotl Roadkill. Berlin: Ullstein.
Kaminski, Winfred (2008). Computerspiel ohne Moral. Was wir durch „S.T.A.L.K.E.R.“ lernen. In: von Gottberg, Joachim/Prommer, Elizabeth (Hrsg.), Verlorene Werte? Medien und die Entwicklung von Ethik und Moral. Konstanz: UVK, S. 219-230.
Kaube, Jürgen (2010). Germany’s Next Autoren-Topmodel. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.2.2010, S. 27.
Luhmann, Niklas (2004). Die Realität der Massenmedien. 3. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag.
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Steinert, Hans (1992). Die Entdeckung der Kulturindustrie. Münster: Westfälisches Dampfboot.
Steinert, Hans (1998). Kulturindustrie. Münster: Westfälisches Dampfboot.
Strugazki, Arkadi/Strugazki, Boris (2008). Picknick am Wegesrand. 14. Aufl., Frankfurt/Main: Suhrkamp. (Zuerst 1971).
Vogler, Christopher (2007). Die Odyssee des Drehbuchschreibers. Über die mythologischen Grundmuster des amerikanischen Erfolgskinos. 5. Aufl., Frankfurt/Main: Zweitsausendeins.
Wahl, Mats (2005). Därvarns Reise. 3. Aufl., München: Hanser.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Frank Berzbach
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medienreport
Markus Fischer: Urheberrecht im Arbeitsverhältnis
Medienpädagoginnen und Medienpädagogen unterstützen Kinder und Jugendliche dabei, Erfahrungen mit Medien zu machen mit dem Ziel, ihnen einen kompetenten Medienumgang zu vermitteln. Dafür verfassen sie Konzepte und Lehrmaterialien für den Umgang mit Medien. Zudem führen sie Projekte und Workshops durch. Während ihrer Arbeit können urheberrechtlich geschützte Werke entstehen. Als Urheber haben sie nach dem Urheberrechtsgesetz das Recht, über die Verwertung ihres Werkes zu bestimmen. Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt sie zudem vor erheblichen Veränderungen ihrer urheberrechtlich geschützten Arbeit und gibt ihnen die Rechte, als Urheber genannt zu werden und zu bestimmen, ob und wie das Werk zu veröffentlichen ist. Die Verletzung dieser Rechte kann zu zivilrechtlichen Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen führen. Zudem besteht die Möglichkeit, eine Verletzung strafrechtlich zu verfolgen. Im Folgenden sollen die Fragen beantwortet werden, unter welchen Voraussetzungen medienpädagogische Arbeiten urheberrechtlichen Schutz genießen und inwiefern dieser Schutz eingeschränkt ist, wenn die medienpädagogische Arbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geleistet worden ist.
Eine große Anzahl von Medienpädagoginnen und Medienpädagogen arbeiten heute im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses in Bildungs- und Kultureinrichtungen. Der urheberrechtliche Schutz medienpädagogischer Arbeiten setzt voraus, dass die jeweilige Arbeit eine persönliche geistige Schöpfung im Rahmen der Literatur, Wissenschaft und/oder Kunst beinhaltet. Im Rahmen sämtlicher Medienarten, also in den Bereichen Print, Audio, Foto, Film, Computer und Internet, können urheberrechtlich geschützte Werke entstehen. Sobald eine persönliche geistige Schöpfung entwickelt worden ist, tritt der Urheberrechtsschutz in Kraft. Es bedarf keiner gesonderten Anmeldung bei irgendeiner Institution. Sowohl Texte, Hörspiele, Fotos und Filme als auch noch nicht fixierte, aber gehaltene Reden, können Urheberrechtsschutz genießen. Dabei kommt es auf das Alter des ‚Schöpfers‘ nicht an. Wenn in der Medienpädagogik Tätige mit Kindern und Jugendlichen zusammen ein urheberrechtlich geschütztes Werk schaffen, sind alle daran Beteiligten sogenannte Miturheber, denen die Rechte am Werk gemeinschaftlich zustehen. Eine persönliche geistige Schöpfung erfordert einen geistigen Gehalt, der zu einem gewissen Grad von Individualität geprägt ist. Ideen, Anregungen, einzelne Gedanken, Methoden, historische und gegenwärtige Ereignisse sind daher urheberrechtlich nicht geschützt. Wenn diese Elemente jedoch konkret in der medienpädagogischen Arbeit ausgestaltet werden, können sie urheberrechtlich geschützt sein. Es hängt jeweils von einer Einzelfallbeurteilung ab, ob eine medienpädagogische Arbeit als urheberrechtlich geschützt angesehen werden kann. Wissenschaftliche Texte, Treatments, Drehbücher, Filme, Hörspiele werden in ihrer Gesamtheit in der Regel eine persönliche geistige Schöpfung beinhalten und somit Urheberrechtsschutz genießen. Die zugrunde liegenden Ideen erlangen dagegen keinen Urheberrechtsschutz und können von jedem ohne irgendeine Erlaubnis genutzt werden. Zu solchen Ideen gehören zum Beispiel: einzelne Spielideen, das Ausprobieren einzelner Einstellungen mit der Videokamera oder der Gedanke, einen Film über die Bedrohung von Lehrern durch Schüler zu machen.
Das Konzept für einen medienpädagogischen Workshop in seiner Gesamtheit kann wiederum urheberrechtlich geschützt sein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob eine persönliche geistige Schöpfung vorliegt und somit als Werk Urheberrechtsschutz genießt. Wenn die medienpädagogische Tätigkeit ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses1 hervorbringt, ist die Medienpädagogin bzw. der Medienpädagoge Urheber des Werkes. Es stellt sich die Frage, ob und wie der Arbeitgeber das jeweilige Werk ohne Erlaubnis des Arbeitnehmers vollständig nutzen darf, wenn im Arbeitsvertrag keine eindeutigen Regelungen diesbezüglich enthalten sind. Bei der Schaffung eines urheberrechtlich geschützten Computerprogramms im Rahmen eines Arbeitsvertrages darf der Arbeitgeber alleine die vermögensrechtlichen Befugnisse im Hinblick auf das Urheberrecht ausüben, sofern er keine andere Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer geschlossen hat. Bei den sonstigen urheberrechtlich geschützten Werken, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses entwickelt worden sind, räumt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mangels anderweitiger Vereinbarung diejenigen Nutzungsrechte ein, die der Arbeitgeber zur Erfüllung seines Betriebszwecks benötigt. Dieser Betriebszweck muss dem Arbeitnehmer erkennbar sein Wenn zum Beispiel ein Unternehmen Workshops zu medienpädagogischen Themen anbietet und angestellte Medienpädagoginnen bzw. Medienpädagogen im Rahmen ihres Arbeitsvertrages diese Workshops entwickeln und durchführen, besitzen die Unternehmen ohne besondere vertragliche Regelung bestehende Nutzungsrechte zur Veranstaltung bzw. Durchführung des Workshops.
Ob der Arbeitgeber bei Fehlen einer besonderen Regelung im Arbeitsvertrag und im Tarifvertrag die Rechte zur Durchführung des Workshops alleine nutzen darf oder ob die Arbeitnehmer berechtigt sind, die entwickelten urheberrechtlich geschützten Ausgestaltungen des Workshops auch für die Durchführung von Veranstaltungen bei anderen medienpädagogischen Unternehmen zu verwenden, hängt von dem Betriebszweck des jeweiligen Arbeitgebers ab. Die Vergütung für die Einräumung der Nutzungsrechte ist nach herrschender Meinung grundsätzlich mit dem Arbeitsentgelt abgegolten. Für eine gesonderte Vergütung wird grundsätzlich kein Anlass gesehen, da im Arbeitsverhältnis im Gegensatz zur freien Mitarbeit gesicherte Einkommensverhältnisse bestehen4. Ein Anspruch auf eine gesonderte Vergütung kann jedoch bestehen, wenn das Arbeitsentgelt die Nutzungsrechtseinräumungen nicht angemessen abgilt und eine Vergütung für die Nutzungsrechtseinräumungen nicht tarifvertraglich bestimmt ist. Die Angemessenheit der Vergütungen beurteilt sich nach der üblichen und redlichen Branchenübung und nach den Umständen des Einzelfalles.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Markus Fischer
Beitrag als PDFEinzelansichtNadine Jünger: Pornogesellschaft?!
Die Frage, ob wir in einer ‚Pornogesellschaft‘ leben stellte sich kaum jemand zum Ende der interdisziplinären Fachtagung Pornografisierung von Gesellschaft?! vom 28. bis 30. Oktober 2010, ausgerichtet von der Fachhochschule Köln, der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) und der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationskultur (DGPuK). Zwar ist Pornografie schon immer gegenwärtig gewesen, die Vorträge und Workshops im Ganzen deuten jedoch auf eine neue Quantität und ‚Qualität‘ der Verbreitung von pornografischen Inhalten und zugleich auch auf eine neue Qualität der wissenschaftlichen Diskussion. So verließ das Symposium erfreulicherweise die eingetretenen Pfade der erhitzten öffentlichen und häufig medial bestimmten Debatte um die verwahrlosende Wirkung von Hardcorepornografie und öffnete den Blick ebenso für die Bedeutung medialer Phänomene, die nicht der klassischen Definition von Pornografie zuzurechnen sind.
Aus dieser Perspektive lassen sich pornografische Inhalte und Darstellungsformen eben nicht nur in separaten Abteilen der Videotheken oder in den Tiefen des World Wide Web finden, sondern in nahezu jedem medialen Produkt, ob in der Werbung oder in Ratgeberliteratur (Anusch Köppert), im Sport (Daniela Schaaf, Jörg-Uwe Nieland), in Castingshows und Reality Soaps wie Deutschland sucht den Superstar oder Big Brother (Claudia Töpper), auf Mobiltelefonen und in Social Networks wie SchülerVZ (Iren Schulz, Wolfgang Reißmann) oder in Musik(-clips) (Andres Wagenknecht, Julia Jäckel). Insofern verwies die Themenvielfalt der Tagungsbeiträge darauf, dass sich ein zunehmend breites Medienspektrum pornografischer Elemente bedient. Darüber hinaus zeigten insbesondere die Präsentationen von Doris Allhutter und Kristina Pia Hofer, dass sich sowohl Produktions- und Darstellungs-, als auch Rezeptionsmodalitäten von ‚klassischer‘ Pornografie verändert haben. So stünde den Nutzerinnen und Nutzern neben professionellen Produktionen seit einiger Zeit auch ein breites Angebot an Online-Amateurpornografie als – wie Hofer es beschreibt – „fiction of the real“ zur Verfügung. Darüber hinaus wären die Konsumenten von Pornografie nicht länger bloße Rezipienten, sondern könnten über die Bedienung von computergenerierten Sexsimulatoren Pornografie interaktiv mitgestalten. Solange Medien im Alltag allgegenwärtig sind, sind auch pornografische Bezüge in der Gesellschaft allgegenwärtig und scheinen gleichermaßen gesellschaftliche Vorstellungen von Sexualität normierend zu durchdringen.
Wenngleich sich klassische Pornografie neuer Gestaltungs- und Produktionsformen bedient und pornografische Elemente in diverse mediale Unterhaltungsformate Einzug halten, bietet sich aus Sicht der Vortragenden inhaltlich nicht viel Neues. Die Tagungsbeiträge standen zumeist unter dem Stern der Gender-Studies und stellten die mediale Inszenierung von geschlechterhierarchischer und insbesondere heteronormativer Sexualität in das Zentrum der Auseinandersetzung.Die durchweg heteronormativitätskritische Perspektive machte sogar vor vermeintlich feministischen oder gar queeren Darstellungen nicht Halt. So unterzog etwa Julia Bader die TV-Serie The L-Word einer kritischen Analyse und zeigte, wie trotz aller Bemühungen um ‚lesbische Normalität‘ anhand spezifischer Inszenierungsstrategien auch hier heteronormative Strukturen reproduziert werden. Unter dem Schlagwort ‚Pornofeminismus‘ erörterte Paula-Irene Villa wiederum, welche Bedeutung, Chancen und Risiken jenem neuen ‚lustbetonten‘ feministischen Selbstverständnis zuzurechnen sind, wie es beispielsweise Lady Bitch Ray oder Charlotte Roche propagieren. So wurde aus der Diskussion um die ‚Pornogesellschaft‘ schnell eine Diskussion darüber, wie Feminismus in einer sexualisierten (Medien-)Gesellschaft auszusehen hat, was er leisten kann und soll. Einerseits wehrte man sich gegen das Bild der „humorlosen Feministin mit Achselhaaren“ (Myrthe Hilkens) und erkannte im populärkulturellen Feminismus durchaus ‚empowerment‘-Potenziale im Sinne eines selbstbestimmten Umgangs mit dem eigenen Körper. Andererseits sah man in seinem ebenso heteronormativen und pornografisierten Gewand eine Gefahr für Geschlechterdemokratie und sexuelle Vielfalt.
Diesem Trend entgegenzuwirken, hat sich die PorYes-Bewegung als Gegenoffensive zur PorNo-Kampagne verschrieben. Initiatorin Laura Méritt zeigte anhand von Filmausschnitten, wie sich PorYes um sexpositive Darstellungen und um einen Reichtum an sexuellen Ausdrucksweisen bemüht. Ob nun queere oder feministische Pornofilme besser sind als ie des Mainstreams und ob es unbedingt eines Feministischen Pornofilmpreises bedarf, ist fraglich, insofern dies eine Pornografisierung der Gesellschaft womöglich weiter vorantreibt. Nichtsdestotrotz gibt die Philosophie der Bewegung einen Anstoß zu neuen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen (Gegen-)Diskursen, indem sie Pornografie nicht per se als potenzielle Gefahr für die Gesellschaft begreift, sondern indem auch danach gefragt wird, inwiefern sie zur Akzeptanz sexueller Vielfalt beitragen kann. Zwar war von Seiten der geladenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selten die Rede von generell negativen Auswüchsen des Pornografiekonsums, umso mehr wurde aber mahnend auf die mediale Öffentlichkeit gezeigt, deren Moralpaniken um die sexuelle Verwahrlosung der Jugend laut dem Sexualpädagogen Uwe Sielert jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehren. Die „Generation Porno“ gebe es im eigentlichen Sinne nicht und zeichne ein unzutreffendes Bild von den Heranwachsenden unserer Zeit, denn gerade heute sei für die Mädchen und Jungen Liebe der zentrale Beweggrund für sexuelles Handeln. Wenn man überhaupt von einer „Generation Porno“ sprechen möchte, dann nur in der Weise, dass diese Generation wie kaum eine andere zuvor mit expliziter Pornografie und pornografisch assoziierten Medieninhalten aufwächst. Schließlich hätten laut einer Studie der Jugendzeitschrift BRAVO zwei Drittel der Jugendlichen zwischen elf und 17 Jahren bereits pornografische Bilder gesehen.
In den Vorträgen und Workshops deutet sich unterdessen an, dass pornografische Elemente oftmals nicht mehr als ein Ausdruck von Jugendkultur seien und damit ebenso Bestandteil alltäglicher Kommunikationskultur. Gleichwohl vermittelte der Filmvortrag zum Wuppertaler Medienprojekt von Andreas von Hören den Eindruck, dass die Jugendlichen selbst durchaus kompetent und reflektiert mit pornografischen Darstellungen umgehen können und diese nur selten als handlungsleitend für ihre eigene Sexualität wahrnehmen. Dies enthebe die Pädagoginnen und Pädagogen laut Sielert jedoch nicht von der Pflicht, ihren Beitrag zur Sexualerziehung zu leisten und die Heranwachsenden ‚pornokompetent‘ zu machen. Als Reaktion auf jugendschutzrechtliche Defizite wurde in den Diskussionen immer wieder der Ruf nach Sexual- und Medienkompetenzerziehung laut. An welchen Stellen konkret Handlungsbedarf besteht und wie der pädagogische Beitrag in der Praxis genau auszusehen habe und überhaupt umgesetzt werden kann – im Falle von Pornografie rechtlich gesehen keine leichte Aufgabe –, darauf konnte das auf einen wissenschaftlichen Diskurs angelegte Symposium nur schwer Antworten geben. Zurück blieben einige fragende Gesichter auf Seiten der pädagogischen Fachkräfte. Auf diese Weise zeigte die Tagung, dass sich Schlagworte wie „sexuelle Verrohung“ längst in den Gedächtnissen eingebrannt haben und sich diese nur schwer durch vorsichtige Entwarnungsbekundungen der empirisch Forschenden entkräften lassen. Das Symposium vermochte es dennoch zu vermitteln, dass eine Pornografisierung von Gesellschaft bzw. von Medien nicht zwingend mit einer Pornografisierung von individuell gelebter Sexualität einhergeht und es weiterer wissenschaftlicher Forschung bedarf, diesen Zusammenhang zu ergründen.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Nadine Jünger
Beitrag als PDFEinzelansichtJens Dehn: Nordische Filmtage Lübeck
Zum 49. Mal fanden im vergangenen November die Nordischen Filmtage in Lübeck statt. Ein besonderer Schwerpunkt lag 2007 auf dem skandinavischen Kinder- und Jugendfilm. „Die skandinavische Kinder- und Jugendfilmkultur gilt weltweit als eine der lebendigsten“, stellte Linde Fröhlich, Künstlerische Leiterin der Filmtage, schon vor Beginn des Festivals fest. Und diesem Ruf wurden die Skandinavier auch diesmal wieder gerecht. Einer der Höhepunkte des Programms: Hoppet von Elling-Regisseur Petter Næss, der die Geschichte des zwölfjährigen kurdischen Flüchtlingsjungen Azad erzählt. Dieser wollte mit seiner Familie vor dem Krieg in seiner Heimat nach Deutschland fliehen, doch nachdem sie von Schleusern betrogen wurden, landen Azad und sein traumatisierter, stummer Bruder Tigris alleine mit einem ungeliebten Onkel und dessen Familie in Schweden. Hoppet gewann den Kinder- und Jugendfilmpreis der Nordischen Filminstitute. „Dass man an sich selbst nicht den Glauben verlieren darf und es sich lohnt für die eigenen Träume zu kämpfen, davon erzählt Hoppet emotional berührend“, hieß es in der Begründung der Jury. Zudem belegt der Film einmal mehr eine der ganz großen Stärken des skandinavischen Kinder- und Jugendkinos: die Gabe, politische und auch brisante Themen auf sehr einfühlsame Weise zu erzählen und sein junges Publikum dabei immer ernst zu nehmen. Neben dem vielfältigen Programm wurde in diesem Jahr auch abseits der Leinwand ein Schwerpunkt auf Kinder und Jugendliche gelegt. So gab es zum ersten Mal das Projekt Junge Journalisten, in dem Jugendliche unter fachlicher Anleitung die Filme des Kinder- und Jugendprogramms rezensieren und erste Erfahrungen als Reporterinnen bzw. Reporter und Filmkritikerinnen und Filmkritiker sammeln konnten. Daneben hatten Lübecker Schulklassen an zwei Vormittagen während des Festivals Gelegenheit, die Kinder- und Jugendprogramme anzuschauen. Kritisiert werden muss jedoch die Retrospektive, eigentlich heimliches Highlight jedes Festivals.
Bevor die Nordischen Filmtage zum 50-jährigen Jubiläum auf die großen Klassiker der skandinavischen Filmgeschichte zurückblickten, sollten 2007 auch hier die „Höhepunkte des skandinavischen Kinder- und Jugendfilms“ zu ihrem Recht kommen. Doch das Ergebnis war mager: Ganze sieben Filme umfasste die Retrospektive, die ihren Namen somit kaum verdient hatte. Ein Wiedersehen gab es immerhin mit kleinen Klassikern wie Lasse Hallströms Mein Leben als Hund (Mit liv som hund), Allan Edwalls Åke und seine Welt (Åke och hans värld) und Goldregen (Guldregn) von Sören Kragh-Jacobsen. Das Fehlen einer Begleitpublikation wertet die Retrospektive jedoch zusätzlich ab. Und Astrid Lindgren, die im November einhundert Jahre alt geworden wäre, mit nur einem Film, nämlich Pippi Langstrumpf, zu würdigen (Neues von uns Kindern aus Bullerbü lief zudem in der Retrospektive), war schon eine kleine Frechheit. Umso mutiger war das reguläre Jugendfilm-Programm. Fernab der heilen Kinderwelt Astrid Lindgrens bewegt sich der dänische Film Life Hits (Råzone) von Christian E. Christiansen. Die Freundinnen Christina, Cecilie, Trine und Pernilla, alle von Laiendarstellerinnen gespielt, verbringen ihre Tage in der Kopenhagener Vorstadt vornehmlich mit Alkohol, Drogen und Partys. Als sich Cecilies Freund Shaid an Christina ranmacht, steht diese plötzlich isoliert in der Gruppe. Angestachelt von der ehemaligen Freundin, wird Christina in immer stärkerem Masse gemobbt, bis hin zu körperlicher Gewalt. Geschlagen und erniedrigt greift das Opfer zur Waffe. Life Hits verlangt seinem Publikum mit der zunehmenden Direktheit der Gewalt einiges ab. Lösungen bietet er dabei keine. Genauso wenig wie Die Klasse (Klass) aus Estland. Die Außenseiter Joosep und Kaspar werden hier von ihrer Schulklasse drangsaliert und geschlagen. Um sich zu rächen, besorgen sie sich den Schlüssel zum Waffenschrank von Jooseps Vater … Wo Life Hits mit Laienschauspielerinnen bzw. -schauspielern und dem Einsatz von Videomaterial den Eindruck des Dokumentarischen erzeugen will, wählt der Este Ilmar Raag eine gänzlich stilisierte Ästhetik. Mit Zeitlupe, Zwischentiteln und dem abrupten Wechsel in Schwarz-Weiß verweigert sich Die Klasse äußerlich dem Anschein des Authentischen. Tatsächlich beruht die Geschichte aber auf wahren Begebenheiten und weckt – gerade beim deutschen Publikum – automatisch Assoziationen zu den Geschehnissen am Erfurter Gutenberg-Gymnasium.Die Geschichte von Holger Danske
Einen festen Platz im Rahmen der Nordischen Filmtage hat seit mittlerweile 20 Jahren das „Filmforum Schleswig Holstein“. Hier wird einheimischen Produktionen aus Hamburg und Schleswig-Holstein eine Plattform geboten, sich dem breiten Publikum zu präsentieren. In seiner halbstündigen Dokumentation Flucht über das Meer – Die Rettungsaktion für jüdische Dänen begleitet Rasmus Gerlach über zwei Jahre lang Seminare des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes. Rund 25 Jugendliche aus Schleswig-Holstein und Dänemark im Alter zwischen zwölf und 22 Jahren stechen dabei von Kopenhagen aus in See, um nachzuempfinden, wie es jüdischen Flüchtlingen ging, die 1943 vor der Gestapo flüchteten. Holger Danske hieß die Widerstandsbewegung, die in Dänemark zur Zeit der Besatzung im Zweiten Weltkrieg Juden über den Öresund an die Küste des politisch neutralen Schwedens brachte.Rasmus Gerlach kam über seine Mutter zu dem Projekt, die die Seminare organisierte. Die dänischen Jugendlichen stammen von einer Schule, wobei die Teilnahme freiwillig war. Alle Deutschen meldeten sich über den Newsletter des Heimatbundes. Die Jugendlichen wussten, dass eine Kamera mit an Bord sein würde, doch alles durfte der Filmemacher nicht zeigen. „Ich war willkommen“, sagt Gerlach im Interview mit merz, „aber es gab Einschränkungen: Man sieht die Kojen nicht, wobei es mich schon gereizt hätte, auch mal die schlafenden Seminaristen in diesen abenteuerlichen Schlafräumen auf dem alten Schiff darzustellen. Aber das war sozusagen Tabu. Genau wie die Landgänge, also die Ausflüge in die Disko, wo die Jugendlichen auch mal ganz ausgelassen waren. Was dann auch dazu führte, dass der tapfere Kapitän nachts die Diskos abklappern musste, um die Versprengten einzusammeln.“ Ausflüge in die Disko, ausgelassenes Feiern – für die meisten der Jugendlichen stand zweifelsfrei der Abenteuercharakter des Seminars im Vordergrund. Dementsprechend war auch allen Beteiligten – Filmemacher, Organisatoren und den Jugendlichen – klar, dass der Eindruck, der entstehen würde, nicht dem entsprechen konnte, was die Flüchtlinge 1943 empfanden. Trotzdem war die Bereitschaft von allen da, sich auf dieses Experiment einzulassen, und beispielsweise auch die extreme Kälte an Bord zu erleben. „Ich glaube, es hat sich herausgestellt, dass es gut ist, den Jugendlichen möglichst viel abzuverlangen.
Wir haben den Eindruck, dass die jungen Leute viel mehr und schneller auffassen können als wir uns das vorgestellt haben. Und dass auch die Bereitschaft, so ein Thema durchzuarbeiten, relativ groß ist. Da waren wir sehr positiv überrascht.“Frappierend waren für Gerlach die Unterschiede in der Herangehensweise der Deutschen und Dänen. „Man kann vielleicht sagen, dass die Dänen spielerischer damit umgegangen sind. Vielleicht auch, weil es für die dänischen Jugendlichen anders ist, es ist sozusagen Teil ihres nationalen Heldenschatzes. Sie sind in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass es da etwas gibt in der Geschichte, das für die Dänen ganz gut ist. Sie wissen nur nichts darüber. Die Deutschen sind da wesentlich ernsthafter herangegangen.“ Holger Danske war die effektivste Widerstandsbewegung in Europa. Dennoch ließen sich keine Förderanstalt und kein Sender finden, die bereit waren, den Film zu produzieren. Gerlach hat das Projekt aus eigener Tasche finanziert. Für den Filmemacher eine ähnlich idealistische und von persönlichem Engagement getriebene Aufgabe wie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des schleswig-holsteinischen Heimatbundes. „Da dieses Seminar von meiner Mutter ausgearbeitet wurde, habe ich auch bei den Vorbereitungen viel mitgeholfen und zum Teil auch die Kontakte zu den Zeitzeugen mit hergestellt. Das war ein Projekt, das mir sehr viel Freude gemacht hat. Im Moment sind jetzt leider die Geldmittel für solche Seminare gestrichen, also müssen wir etwas warten, ob sich da noch einmal etwas ergibt. Die etwas prekäre Situation des Filmprojekts spiegelt sich also auch noch mal in der mangelnden Möglichkeit, solche Seminare durchzuführen.“Ein Grund, weshalb die Geschichte von Holger Danske in Deutschland noch vollkommen unaufgearbeitet ist, ist auch die strikte Weigerung der ehemaligen Widerstandskämpfer, mit deutschen Verlagen zusammenzuarbeiten. Den Jugendlichen gegenüber waren die alten Leute jedoch sehr aufgeschlossen und bereit, an Bord zu kommen und ihre Geschichte zu erzählen. Rasmus Gerlach kann sich vorstellen, in Zukunft noch einmal ein Seminar zu machen, bei dem die Jugendlichen dann das ganze Unternehmen als eine Art Videolabor betreiben und mit ihren Kameras neuerlich aufgetauchte Zeitzeugen selbst befragen.Elisabeth Jäcklein-Kreis: Viel Exotik, wenig Essenz
Ich möchte eine Geschichte erzählen, die Geschichte eines Mädchens, das in einem anderen Zeitalter aufwuchs – eine Geschichte von Liebe, Hass, Vergebung, Brutalität, und von der Schönheit des Lebens. Es ist eine wahre Geschichte – es ist meine Geschichte.
So schallt es Dolby Digital in den Kinosaal, während zur Einstimmung des folgenden Filmes ein endloser See aus Baumwipfeln über die Leinwand zieht, in Zeitlupe, unterlegt mit gefühlsschwangerer Musik aus Trommelschlägen und kehligen Lauten. So wird auch begrüßt, wer sich hinter den grünen Karton der Originalvorlage – des autobiografischen Romans Dschungelkind von Sabine Kügler – wagt und beginnt zu lesen. Dann allerdings, mit dem Umblättern der ersten Buchseite und mit dem Ausfaden des Vorspann-Liedes im Kino, ist es scheinbar vorbei mit den Gemeinsamkeiten und man taucht ein in zwei Dschungelwelten, beide spannend und aufregend, beide mitreißend und bewegend und doch beide grundverschieden. Worum geht es? Sabine Kügler, acht Jahre alt, ein abenteuerlustiges und offenes Mädchen, wandert mit ihren Eltern und zwei Geschwistern in den Dschungel aus. In West-Papua bezieht die Familie ein schlichtes, selbst gezimmertes Heim aus Baumstämmen und Palmenblättern und lebt fortan mit den Fayu, einem bis dato unbekannten Stamm indigener Eingeborener, die Lendenschurze tragen, sich mittels Tonmodulation verständigen und ihr Mittagessen mit selbst geschnitzten Pfeilen erlegen. Dort freundet sich Sabine mit den Kindern des Stammes an, hält sich eine Spinne als Haustier, planscht nachmittags mit den Krokodilen und lernt nach und nach die Regeln des Stammes und die des Dschungeln kennen und – zum Teil – auch lieben.
Das Leben dort ist im wahrsten Sinn kein Zuckerschlecken (eher ein Zuckerrohr-kauen), das Leben in der noch fast unberührten Natur fordert hohen Tribut, von Kakerlaken im Frühstückskaffee bis zu Schlangenbissen und Malaria. Aber auch das Leben mit dem Stamm birgt einige Herausforderungen, denn die Fayu pflegen einen hartnäckigen Glauben an eine allgegenwärtige Geisterwelt, an Flüche und Zaubereien und an die Blutschuld, die für jedes Verbrechen gezahlt werden muss, und der es zuzuschreiben ist, dass der Stamm sich bereits bei der Ankunft der Küglers fast vollständig selbst ausgerottet hat.
All das erzählt Sabine Kügler in ihrem Buch in kurzen Streiflichtern, in aneinandergereihten Erinnerungsfetzen auf sehr persönliche und leicht lakonische, verklärte Art. Man hat beim Lesen das Gefühl, ihrem Gedankenstrom zu folgen, sich heimlich eingeschlichen zu haben und ihrem Sinnieren über den Dschungel und die Fayu nur zu lauschen – sie erzählt von Freundschaft und Malaria, Englischunterricht und Blutschuld und scheint dabei einfach ihren Assoziationen zu folgen. Regisseur Roland Suso Richter hat wohl versucht, diese Struktur und diese ganz eigene Art aufzugreifen, indem er auch im Film keine zusammenhängende Geschichte aufbaut, sondern einzelne Momentaufnahmen des Lebens zeigt. Unterteilt durch Zwischentitel hat jeder Abschnitt des Filmes ein eigenes Thema, beginnend mit ‚Ankunft‘, endend – natürlich – mit ‚Rückkehr in den Dschungel‘. Nach diesem zaghaften Versuch scheint ihn dann aber doch der Mut verlassen zu haben, ausgetretene Filmdramaturgie-Pfade zu verlassen. So wird aus dem rauen und (lebens-)gefährlichen Dschungelleben im Film ganz schnell romantisch verklärtes Lianen Schwingen und Schlammrutschen. Aus einer geschwisterlichen Liebe und tiefen Verbundenheit zwischen Sabine und einem Fayu-Jungen wird eine hollywood-tauglich überzeichnete, tränenreiche Love Story und aus mit allen Wassern gewaschenen und kämpferischen Fayu-Männern werden Harte-Schale-Weicher-Kern-Stereotype. Und selbst vor zentralen Kernaussagen macht Richter leider nicht Halt in seiner Mission, ein echtes Leben den Vorgaben einer genormten Filmgeschichte anzupassen.
So geht Familie Kügler in der literarischen Vorlage in den Dschungel, um dort als Missionare und Sprachforscher zu arbeiten. Sie begegnen den Fayu mit Respekt für deren Sitten, bleiben aber dennoch ihren Überzeugungen treu, helfen kranken Menschen, die die Fayu als ‚verflucht‘ ansehen und ausstoßen, leben ihnen ein demokratisches Familienleben vor, das einen krassen Unterschied zur Fayu-Sitte darstellt, nach der Frauen ‚gestohlen‘ und ‚besessen‘ werden und zeigen ihnen, dass Nächstenliebe und Vergebung sie weiter bringen als Rache und Vergeltung. Doch sie müssen den Fayu solche Ideen nicht einhämmern: Indem sie ihnen mit Liebe und Respekt begegnen, kommen sie ins Gespräch – und geben den Fayu so die Chance, selbst zu überdenken, ob all ihre Traditionen wirklich noch Sinn machen. Im Film dagegen fehlt der Mut dafür, solche leisen und ehrlichen Annäherungsprozesse zu zeigen. ‚Klausu‘ ist auf der Leinwand plötzlich kein Missionar mehr – christliche Werte entsprechen zwar zumeist den sozial erwünschten, dürfen aber scheinbar nicht beim Namen genannt werden. Stattdessen ist der Familienvater hier Sprachforscher mit Leib und Seele, erfüllt sich im Dschungel einen egoistischen Wunsch (den seine Frau nur widerwillig mitträgt) und nähert sich dem Stamm mit einem sachlichen, wissenschaftlichen Interesse statt mit Menschenliebe. Das gipfelt darin, dass er seiner Frau vorwirft: „Wir sind hier Gäste. Du kannst nicht kommen und ihre Regeln auf den Kopf stellen“, als sie einem angeschossenen Fayu einen Verband und tröstende Worte bringen will. Sein Beruf steht hier über allem, das Leben der Fayu scheint ihn nur so lange zu interessieren, bis er die Sprache kann – dann dürften sie sich wohl auch ausrotten. Wertvoll ist der Film sicher dennoch: Er bietet an vielen Stellen einen wirklich spannenden Blick in eine ganz andere Welt, kann neue Sichtweisen eröffnen und Diskussionen anregen – und eignet sich durch die Unterteilung sicher auch gut, ihn in einer Schulklasse oder Jugendgruppe in Teilen anzusehen und einzelne Aspekte zu diskutieren.
Darüber hinaus lohnt es aber auch, die Originalvorlage einmal zur Hand zu nehmen und selbst nach der eigentlichen Botschaft zwischen Bildern und Buchstaben zu suchen. Denn, wie kino.de es treffend ausdrückt: „Roland Suso Richter macht aus Sabine Kueglers autobiografischem Bestsellerroman ein Culture-Clash-Abenteuer mit guten Darstellern vor exotischer Kulisse.“ Das muss nicht schlecht sein, muss aber auch nicht alles bleiben.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansichtWiebke Homann, Claas Wegner und Norbert Grotjohann: E-Learning im Unterricht
Naturwissenschaften und Technik beeinflussen unsere Gesellschaft in allen Bereichen und sind nicht zu vernachlässigende Teile unserer heutigen kulturellen Identität. Neue Verfahren in Medizin, Informatik oder Gentechnik beruhen auf den vielschichtigen Wechselbeziehungen zwischen den Naturwissenschaften und der ständigen Weiterentwicklung in der Forschung. Daher ist eine Grundbildung in den Naturwissenschaften Biologie, Chemie und Physik von großer Bedeutung für unsere Gesellschaft.
Mit dem Aufbau der neu entwickelten Lernplattform „Nawi-interaktiv.com“ (Naturwissenschaften-interaktiv) wurde an der Universität Bielefeld im Fachbereich Biologiedidaktik eine neue multimediale Lernumgebung für den Bereich der Naturwissenschaften geschaffen. Die Lernplattform Nawi-interaktiv.com soll Schülerinnen und Schüler in Welten entführen, in denen sie selbst Erfahrungen sammeln und Wissen konstruieren können. Ursachen- und Wirkungszusammenhänge können hier veranschaulicht werden und fördern spielerisch anwendungsnahes, entdeckendes Lernen. Dabei muss es allerdings darauf ankommen, Medien in geeignete Kontexte und Lernumgebungen zu integrieren, so dass ein didaktischer Mehrwert entsteht. Die „Nawi-interaktiv.com“-Lernumgebung wurde speziell für die Nutzung im naturwissenschaftlichen Unterricht konzipiert und bietet für Lehrer/innen, Referedar/innen und Schüler/innen kostenlos nutzbare Online-Materialien. Die Inhalte werden kontinuierlich erweitert.
Im Forschungsprojekt Nawi-interaktiv ist eine E-Learning-Plattform entstanden, die versucht, Forschung und Lehre zu vereinen. Zum einen besteht die Plattform aus verschiedenen Lerneinheiten, die von Studierenden in BA- und MA-Arbeiten entwickelt wurden und sich als Adressaten an die jeweiligen Schulen wenden. Des Weiteren werden mit Hilfe der entwickelten Lerneinheiten Forschungsvorhaben in der Biologiedidaktik von Studierenden durchgeführt, um den Nutzen und die Relevanz der erstellten Lerneinheiten für Schülerinnen und Schüler zu überprüfen. Diese Überprüfung sichert die Qualität und die Praxistauglichkeit der eingestellten Materialien. Nawi-interaktiv.com versteht sich daher als Schnittstelle zwischen der Studierendenausbildung und der Entwicklung von schulpraktischen Modulen, die für den späteren Unterricht der angehenden Lehrenden sowie von den bereits unterrichtenden Lehrer/innen genutzt werden können. Durch die Weiterentwicklung von E- Learning Lerneinheiten werden immer weitere aktuelle Themen der Biologie aufbereitet und anderen Lerneinheiten auf Basis der Evaluationsergebnisse so angepasst, dass sie von den Lehramtsstudierenden und den Lehrer/innen ideal im Unterricht genutzt werden können. Mit Hilfe eines Feedbackbogens, der auf der E-Learning Plattform hinterlegt ist, können die Lehrerinnen und Lehrer immer wieder durch eigene Ideen das Projekt ergänzen und vervollständigen. So gelangen zum einen aktuelle Themenbereiche aus der Schule in die Universität und können hier mit aktuellen Forschungsergebnissen und Inhalten ergänzt werden. Zum anderen haben die Studierenden so die Möglichkeit, sich in ihren Arbeiten mit schulrelevanten Inhalten zu beschäftigen und liefern den Schulen Inhalte (Filme und Lerneinheiten), zu denen oft aus Zeitgründen keine aufwendigen Materialien erstellt werden können.
Die Inhalte
Es werden verschiedene Lernthemen der Biologie sowie fächerübergreifende Inhalte mit kleinen Lernprogrammen auf Nawi-interaktiv.com kostenlos zur Verfügung gestellt. So zum Beispiel Informationen zu speziellen Tieren im Unterricht, virtuelle Besuche, Exkursionsplaner, Webquest, Filme, Geocaching und eine Webcam. In einer Inhaltsübersicht kann man sich einen schnellen Überblick über das Angebot verschaffen. Aktuell können 32 Themenfelder mit Hilfe der unterschiedlichen Angebote bearbeitet werden.
Lernprogramme
Die angebotenen Lernprogramme sind sehr vielfältig und lassen sich in den unterschiedlichsten Unterrichtsszenarien einsetzten. Sie steigern die Medienkompetenz der Lernenden und frischen den Unterricht auf. Hier sollen exemplarisch drei Beispiele kurz vorgestellt werden. Das Lernprogramm Virtuelles Mikroskop bietet die Möglichkeit, sich mit vielen Präparaten und Themen aus dem Bereich Mikroskopie im Unterricht virtuell auseinanderzusetzen. Texte, Aufgaben, Experimente und ein Quiz für Schülerinnen und Schüler dienen zusätzlich der Vertiefung des erworbenen Wissens. Stundenentwürfe, eine große Auswahl an mikroskopischen Präparaten, Fotos, Texten, Aufgaben und Experimenten sowie Hinweise zum fächerübergreifenden Biologie-Kunst-Unterricht finden sich im Programm. Farben in der Natur wurde ausgezeichnet mit dem 3. Platz des examedia-Wettberwerbs 2010. Das Thema Farben in der Natur wird in den Lehrplänen nie zusammenhängend dargestellt, sondern ist vielmehr fachübergreifend über die Fächer Biologie, Chemie und Physik zu begreifen. Deshalb eignet sich das Lernprogramm sowohl zur Betrachtung einzelner Aspekte als auch für den fächerübergreifenden Unterricht oder für Projekttage. So ist das Phänomen Farbe nicht einfach, sondern dreifach zu beantworten: Farbe ist Licht, Farbe ist Eigenschaft und Farbe ist Wahrnehmung.
Einige Lernprogramme sind auch speziell für die Unterrichtsvorbereitung ausgelegt und erleichtern den Lehrkräften den Einstieg in neue Themenbereiche, zum Beispiel die Software Schulgarten. Sie soll als ein Leitfaden dienen und berücksichtigt die Planung und Organisation, die vor der eigentlichen Gartenarbeit stattfinden muss, die praktische Arbeit und kleine Experimente im Schulgarten bis hin zu Angaben, wie der Garten winterfest gemacht werden muss. Tiere im UnterrichtTiere sind für den Biologieunterricht besonders interessant. Nawi-interaktiv.com stellt einige für den Unterricht interessante Arten vor und bietet Unterrichtsvorschläge und Arbeitsmaterialien zu den einzelnen Arten an. So stellt das Programm Amphibien die wichtigsten schulrelevanten Informationen über die Klasse der Amphibien übersichtlich zusammen. Einige Arten, die für eine Haltung im Klassenraum besonders geeignet sind, werden steckbriefartig vorgestellt. Kurze Filmsequenzen in einigen Kapiteln dienen der Veranschaulichung der Arten. Die Honigbiene ist eine interaktive Lerneinheit zu den folgenden Themen: „Die drei Bienenwesen“; „Körperbau“; „Entwicklung und Lebenslauf“; „Im Bienenstock“ sowie „Bienenerzeugnisse“. Zusätzlich gibt es ein Quiz, um das erlernte Wissen zu testen. Im Lehrplan gliedert sich das Thema „Honigbiene“ in die Punkte „Tier im Zusammenleben mit dem Menschen“ sowie in den Themenbereich „Haustierwerdung, Zähmung und Züchtung“ ein.
Virtuelle Besuche und Exkursionsplaner
Für die Vor- oder Nachbereitung von Schul-Exkursionen können die virtuellen Besuche und Exkursionsplaner auf nawi-interaktiv.com genutzt werden. So können zum Beispielen die heimischen Wildtiere mit Hilfe des virtuellen Rundgang durch den Heimattierpark entdeckt und interessante Informationen gesammelt werden. Zu den meisten Tierarten sind kurze Filme vorhanden, die eine realitätsnahe Beobachtung der Verhaltensweisen ermöglichen. Der virtuelle Rundgang kann hervorragend im Unterricht als Vor- oder Nachbereitung eines Klassenausfluges in einen Tierpark genutzt werden. Der Exkursionsplaner Klassenfahrt ans Wattenmeer ist sehr umfangreich und befasst sich mit der Nordseeinsel Amrum – exemplarisch für die als Klassenfahrt beliebten Nordseeinseln. In einem Teil für Lehrerinnen und Lehrer wird die Insel beschrieben, Anregungen für Unternehmungen und Tipps zur Organisation gegeben. Der Teil für Schülerinnen und Schüler enthält einen Inselrundgang, Flora und Fauna können virtuell erforscht werden. Ein Quiz rundet das Programm ab. Die Unterrichtsreihe Afrikanische Tiere in freier Wildbahn und deren Haltung im Allwetterzoo Münster enthält die Konzeption einer Unterrichtsreihe über fünf Schulstunden à 45 Minuten und einem Zoobesuch. Aufbereitet ist die didaktische Begründung, der Aufbau der Unterrichtsreihe, die Lernziele, der geplante Unterrichtsverlauf sowie ein Download der Materialien.
Weitere Inhalte
Webquests, Filme, Tipps und Beispiele zum Geocaching mit Schulklassen sowie eine Webcam sind weitere interessante Angebote der neuen Lernplattform. Im Film Die Rennmaus und Hausmaus im Vergleich (ca. sechs Minuten) für die Sekundarstufe I, unterhalten sich Rennmäuse mit Hausmäusen über ihren Lebensraum, Ernährung und Aussehen. Auf spielerische Weise werden den Schülern so die Grundlagen der Biologie der Mäuse vorgestellt. Über eine Webcam können Degus live beobachtet werden. An dieser Stelle gibt es auch Informationen zu den Verhaltensweisen und zur Anatomie, einen Steckbrief und eine Fotogalerie sowie Spiele. In den vorgestellten Geocaches werden Aspekte des Waldökosystems (und der Stadtökologie) behandelt.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Wiebke Homann, Claas Wegner, Norbert Grotjohann
Beitrag als PDFEinzelansichtJudith Königer: "Allen Gewalten zum Trotz"
Leisner, Barbara (2010). Sophie Scholl und der Widerstand der Weißen Rose. Lebendige Biographien. Hörbuch. Arena. 12,95 €„Warum gerade Sophie?“ fragt der Erzähler zu Beginn des Hörbuchs von Barbara Leisner Sophie Scholl und der Widerstand der Weißen Rose. Schon diese Eröffnungsfrage lässt Sophie Scholl wie eine Bekannte, eine Vertraute erscheinen – von Anfang an wird die Nähe aufgebaut, die das Hörbuch herstellen möchte. Wer war Sophie Scholl und warum wurde sie so berühmt? Die Hörerinnen und Hörer kennen den Namen von Straßen, Schulen und Plätzen, womöglich sogar von Büchern und Filmen. Vielleicht finden die Geschwister Scholl einmal Erwähnung im Geschichtsunterricht. Barbara Leisners Hörbuch möchte nicht unterrichten oder belehren oder gar erziehen. Es möchte von einem Mädchen erzählen, das eine fröhliche und gut behütete Kindheit verleben durfte, das sein Land liebte und sich dafür einsetzte. Das im Alter von 22 Jahren von seinem Land hingerichtet wurde. Einfühlsam und unpathetisch lesen Katja Amberger und Christoph Jablonka die Geschichte der jungen Frau und zeichnen parallel dazu die politische Geschichte Deutschlands in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts nach, von der Weimarer Republik, über die Machtergreifung Hitlers bis hin zum Zweiten Weltkrieg, ohne mit zu vielen Hintergrundinformationen zu überfrachten.
An der Familie Scholl wird gezeigt, was es bedeutete, in den 1930er Jahren zu leben, sich mitreißen zu lassen vom durch Hitler ausgelösten Wechsel von Katastrophen- in Aufbruchsstimmung, vom Gemeinschaftsgefühl in Jugendorganisationen wie der HJ und von einem Nationalgefühl, das nach dem Ersten Weltkrieg und nach dem Börsencrash von 1929 das Volk elektrisierte. Und was es bedeutete, die Schattenseiten zu erkennen, mit wachsender Skepsis die Situation der Juden zu beobachten, die Härte der abzuleistenden Reichsarbeits- und Kriegshilfsdienste sowie das Verbot zu erleben, die Bücher zu lesen und Lieder zu singen, die man mochte und somit die von den Nationalsozialisten propagierte Freiheit in Frage zu stellen. Sophie Scholl, die zusammen mit ihrem Bruder in verschiedenen Jugendbünden ihr Führungspotenzial unter Beweis gestellt hatte, öffneten sich die Augen über ein Regime, dem sie sich beugen musste, wollte sie zum Beispiel auf eine höhere Schule gehen. Die Familie spürte am eigenen Leib, wie die Nazis mit ihren Gegnern umgingen und rückte in ihrer Desillusionierung und Abscheu vor den Gräueltaten eng zusammen. „Allen Gewalten zum Trotz“ war der Leitspruch des Vaters, ein Zitat aus dem Goethegedicht "Feiger Gedanken“ und für Sophie sollte das zum Lebensmotto werden. Robert Scholl, ein Pazifist, scherte sich nicht um das Verbot fremde Radiosender zu hören und wurde wegen Verstoßes gegen das Heimtückegesetz verhaftet. Sophie zog mit der Flöte vors Gefängnis und spielte für ihren Vater das Lied Die Gedanken sind frei. Doch dem Mädchen reichte dieses Zeichen, dieses bisschen Widerstand nicht. In ihr keimten Schuldgefühle, da sie nichts gegen Hitler tat, da sie selbst zu denen gehörte, die das Regime aufbauen geholfen hatten. Immer wieder wird in Momentaufnahmen der Lebensalltag der Familie dargestellt, werden Briefe zitiert, die Sophie an ihre Liebe Fritz Hartnagel schrieb. Die Hörerinnen und Hörer nehmen die Gedanken einer jungen Frau um Familie, Freundschaft und Liebe wahr, die ihre eigenen sein könnten. Und werden gleichzeitig mit einer Wirklichkeit konfrontiert, die fremder nicht sein könnte: Nürnberger Gesetze, Reichskristallnacht und Deportation. Als Sophie 1942 schließlich zum studieren nach München ging, fand sie mit ihrem Bruder Hans und seinen Freunden einen Weg, zwischen Ostfront, Fabrikarbeit und Studium Widerstand zu leisten. Fritz Hartnagel erfuhr in einem Brief, dass Sophie auf der Suche nach einem Vervielfältigungsapparat war und stellte ihr die prophetische Frage: „Weißt du denn nicht, dass dich das den Kopf kosten kann?“ Und Sophie antwortete: „Darüber bin ich mir im Klaren.“
Wo der Ton der ersten Flugblätter zunächst noch in gehobener Sprache und gespickt von Zitaten die Weitsicht und den Mut der Widerständler deutlich machte, wurde er später härter und deutlicher: „Hitler kann den Krieg nicht gewinnen, nur verlängern.“ 330.000 deutsche Soldaten hat Hitler in den Krieg und in den Tod geführt. Sie starben für ihr Land. Für ihr Land starben auch die, die das Regime hinrichten ließ, darunter Mitglieder anderer Jugendgruppen und Untergrundverbände wie die Weiße Rose. Als es beim 470. Jubiläum der Universität zu Unruhen und Zusammenschlüssen der Studierenden kam, nahmen die Geschwister Scholl die Stimmung zum Anlass, ihre Flugblätter nicht nur in Städten und auf dem Postweg zu versenden, sondern die Ansichten und Appelle der Weißen Rose auch in die Uni zu tragen. Am 18. Februar 1943 verteilten sie nicht nur das sechste Flugblatt „Kommilitoninnen! Kommilitonen!“, sondern Sophie stieß auch einen Stapel in den Lichthof – mit fatalen Folgen. Der Hausmeister sah die fliegenden Blätter und die Geschwister wurden verhaftet. Sophie Scholl war sich immer über die möglichen Folgen ihres Handelns im Klaren. Mutig und mit hoch erhobenem Haupt nahm sie die Konsequenzen in Kauf, versuchte ihre Freunde zu schützen und strahlte den Sieg aus, den sie errungen hatte: Ihr Tod würde Wellen schlagen. Sie hätte ein milderes Urteil bekommen können. Die Rezipientinnen und Rezipienten des Erzählten hören und sehen das Unvermeidliche kommen, mit trockenem Mund und klopfendem Herzen, berührt und erschüttert vom Mut und Willen dieser jungen Frau. Am Ende des Hörbuchs weiß man ein bisschen besser, wer die Geschwister Scholl waren. Warum sie auch international zum Sinnbild des Widerstandes gegen das NS-Regime wurden. Warum es so wichtig ist, sie nie zu vergessen, weil man nie vergessen darf, warum sie gegen Hitler gekämpft haben.
Allen Gewalten zum Trotz. Dem im Mai 2010 beim Arena Verlag erschienenen Hörbuch für 12,95 Euro liegt ein Booklet bei, in dessen Glossar Zuhörerinnen und Zuhörer Begriffserklärungen finden, zum Beispiel zu „Nürnberger Gesetze“ oder „Gestapo“. So wird ein erster Anhaltspunkt für das Publikum ab elf Jahren geschaffen, sich über das Gehörte hinaus zu informieren und womöglich das Interesse geweckt, ein wenig darüber hinaus zu gehen. Barbara Leisner bringt ihren jungen (oder auch älteren) Hörerinnen und Hörern in der etwa zweistündigen Erzählung ein wichtiges Stück deutscher Geschichte näher, ohne sie durch grausame Details, die auch zum Holocaust gehören, zu verstören. Anhand eines bemerkenswerten Einzelschicksals wird feinfühlig ein Bewusstsein dafür geschaffen, was Nationalsozialismus einmal bedeutet hat. Auf den belehrend erhobenen Zeigefinger wird verzichtet, dem Publikum bleibt selbst überlassen, eigene Schlüsse für die eigene Zeit und ihre Defizite zu ziehen und sich zu fragen, ob die eigenen Gedanken tatsächlich frei sind.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Judith Königer
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publikationen
Lutz, Klaus/Struckmeyer, Kati (Hrsg.) (2010). erzählkultur. Sprachkompetenzförderung durch aktive Medienarbeit. Materialien zur Medienpädagogik Band 9, München: kopaed. 140 S., 15,00 €
„Ich fand’s schön, dass ich gesprochen hab“ (S. 55). Sobald Kinder die ersten Wörter sprechen können, hören sie damit oft gar nicht mehr auf – und das ist auch gut so. Sprache ist eines der wichtigsten und universalsten Kulturgüter, das wir haben und eines der ersten, das wir uns in unserem Lebenslauf aneignen. Sprache hilft uns, unsere Umwelt zu erfassen und zu verstehen, sie ermöglicht es, Zusammenhänge zu durchblicken und eigene Ideen und Vorstellungen zu formulieren und schließlich ist Sprache der Schlüssel zu Wissen, Bildung und Kommunikation und somit ein unschätzbares Hilfsmittel zur Lebensbewältigung. Dennoch kann sich nicht jedes Kind dieses Gut gleichermaßen problemlos aneignen, nicht alle haben die Chance, eine Sprache so zu erlernen, dass sie sich ihrer sicher bedienen und sich mit ihr die Welt erschließen können, sei dies nun, weil sie zu Hause wenig Sprechanlässe geboten bekommen, weil ihnen der Spracherwerb schwerer fällt als anderen oder weil sie nicht im Land ihrer Muttersprache leben.
Damit unabhängig von ihren Voraussetzungen alle Kinder die Chance haben, Sprache kennen zu lernen, zu erfahren und sich anzueignen, gibt es Projekte wie erzählkultur, das seit mehr als zwei Jahren Kindergärten und Grundschulen besucht, um dort „Sprachkompetenzförderung durch aktive Medienarbeit“ zu betreiben. Und weil dieses Projekt so gut ist, wurde es 2009 mit dem Dieter Baacke-Preis für medienpädagogische Projekte ausgezeichnet und 2010 als Buch verpackt veröffentlicht, damit Pädagoginnen und Pädagogen, Erziehende und vor allem natürlich Kinder auch dort von den Projektideen profitieren können, wo die durchführenden Organisationen – das JFF – Institut für Medienpädagogik in München und das Parabol Medienzentrum Nürnberg – nicht hinkommen. Das 135 Seiten starke Werk aus dem kopaed Verlag bietet interessierten Leserinnen und Lesern aus der pädagogischen und erzieherischen Praxis dabei einen umfassenden Einblick in die erzählkultur. In einem ersten, theoretischen Teil wird ausführlich Fachwissen geboten, das hinter den Projektideen steht und diese begründet. Hier schreibt etwa Helga Theunert, wie Medien als Mittel zur Artikulation und Medienkompetenz eingesetzt werden können, Dieter Spanhel erklärt die Sprachentwicklung in der Kindheit (mit Medien), Gundula List gibt einen Einblick in die Entwicklung narrativer Kompetenz und Günther Anfang und Kathrin Demmler erläutern das Konzept der ganzheitlichen Medienpädagogik, das den Projekten zu Grunde liegt. Den Schluss macht ein Text von Petra Best über Sprache in der Medienarbeit, bevor die Leserin bzw. der Leser bestens informiert zum größeren, praktischen Teil des Buches blättern darf.Hier werden zahlreiche Projektideen und -rezepte vorgestellt, dankbarerweise übersichtlich sortiert in drei Altersgruppen (kleine Kinder von drei bis fünf Jahren, Vorschulkinder von fünf bis sechs Jahren und Grundschulkinder von sieben bis zehn Jahren).
Pro Altersgruppe kann man sich noch aussuchen, ob man Foto-, Audio-, Video- oder Multimedia haben möchte und schon landet man beim gewünschten Projekt. Das ist dann übersichtlich vorgestellt per kurzem Steckbrief mit Projektname, -inhalt, -dauer, benötigter technischer Ausstattung und Gruppengröße. Anschließend werden die pädagogische Zielsetzung sowie der genaue Projektablauf ausführlich vorgestellt und Tipps zum Nachmachen gegeben. So bekommen Erzieher, Lehrerinnen, Betreuer, Sozialarbeiterinnen und alle anderen ganz schnell die nötigen Informationen und Ideen an die Hand, um Projekte wie selbst gedrehte Trickfilme oder Schiebetrickfilme, Hörspiele, Multimedia-Lexika, Webradios oder Audio-Zeitungen mit ‚ihren‘ Kindern selbst durchzuführen. Da alle Projekte bereits erprobt sind, stehen auch keine unliebsamen Überraschungen bei der Umsetzung ins Haus. Zu guter Letzt bietet das Buch noch ein „Handout“ bzw. eine ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Trickfilmproduktion, so dass auch wirklich nichts mehr schief gehen kann.
Es gibt also keine Ausreden mehr: Mit erzählkultur liegt ein übersichtliches und praktisches Handbuch vor, das es ermöglicht, in jedem Kindergarten, Hort et cetera ausführlich Sprachkompetenz zu fördern. Zwar werden praktische Anwenderinnen und Anwender sich nicht unbedingt lange in den theoretischen Teil des Buches vertiefen wollen, interessant ist er aber dennoch und schließlich geht schon ab Seite 64 der praktische Teil los, der jeder pädagogischen Einrichtung empfohlen sein kann, denn schließlich gilt: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ (Ludwig Wittgenstein). Und die sollte man doch auch den jüngsten Sprechenden schon so weit wie möglich gestalten.
Selwyn, Neil (2010). Schools and Schooling in the Digital Age: A Critical Analysis. London, New York: Routledge, 182 S., 34,99 €.
Neil Selwyn forscht seit vielen Jahren zur Integration digitaler Medien in der Schule. Jetzt hat er eine umfassende und äußerst inspirierende Analyse der verschiedenen Kräfte und Interessen sowie deren Zusammenspiel vorgelegt, die die schulische Integration digitaler Medien prägen. Dabei richtet er seinen Blick über pädagogische und schulorganisatorische Fragen im engeren Sinne hinaus und fragt unter anderem danach, welche Rolle Macht, Kontrolle, Konflikte, politische Zielsetzungen genauso wie Fragen nach Gleichberechtigung, sozialer Gerechtigkeit und partizipatorischer Demokratie für die schulische Medienintegration spielen. Dies geschieht zumeist auf der Hintergrundfolie gegenwärtiger Linien kapitalistischer Vergesellschaftung, sodass Selwyns Arbeit in der Tradition der politischen Ökonomie der Bildung steht. Da diese zumindest in der deutschsprachigen Auseinandersetzungüber die Nutzung digitaler Medien kaum eine Rolle spielt, hilft das Buch, den eigenen Blick auf Fragen der Medienintegration in diese Richtung zu schärfen und zu differenzieren.
Selwyns Betrachtung ist relativ global angelegt, gleichwohl konzentrieren sich seine Veranschaulichungen und Beispiele auf den englischsprachigen Raum und dort besonders auf Großbritannien und die USA. Der Nützlichkeit seiner Analysen und Argumente zum Beispiel für die hiesigen Integrationskontexte tut das aber keinen Abbruch. So ist zum Beispiel der Durchdringungsgrad der Schulen mit digitalen Medien in Großbritannien höher als in Deutschland und die neo-liberal geprägte Schulentwicklung reicht weiter zurück, sodass das Buch auch als Ausblick auf mögliche Entwicklungen im Bereich der schulischen Medienintegration in Deutschland gelesen werden kann.Selwyn beginnt mit einer kritischen Zusammenschau der mit dem Einsatz digitaler Medien herausgestellten vermeintlichen Vorteile für die in der Schule stattfindenden Lern- und Lehrprozesse. Diese Argumente gehen soweit, dass das Lernen mit digitalen Medien die Schule schließlich obsolet macht. Schnell wird deutlich, dass solche Überlegungen wenig mit den Realitäten schulischer Medienintegration zu tun haben und die Schule in diesem Kontext vielmehr ein Ort intensiver Konflikte und Widersprüche ist.
Daraus folgt die Aufforderung des Autors, die Zusammenhänge zwischen digitalen Medien und Schule auf Basis einer anti-deterministischen Grundhaltung neu zu denken. Derartig vorbereitet, vertieft er im zweiten Teil entlang der in der Schulforschung etablierten Unterscheidung zwischen Mikro-, Meso- und Makroebene weitere wichtige Aspekte der Medienintegration. Das sind bildungspolitische Fragestellungen, die Zusammenhänge zwischen Digitalisierung und Privatisierungsbestrebungen im schulischen Bildungsbereich, genauso wie das Wechselverhältnis zwischen den Besonderheiten der Schule als Organisation und der Medienintegration und natürlich die zentrale Frage, wie Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte sich die digitalen Medien aneignen und welche (intergenerationellen) Medienpraxen daraus erwachsen. Seine Schlussfolgerungen sind eher ernüchternd. Denn die dominierenden Interessenund Absichten im Feld schulischen Lernens würden weniger individualisiertere und eigenständigere Bildungspraxen befördern, wie sie häufig mit dem Einsatz digitaler Medien assoziiert werden, sondern eher die Standardisierung, Rationalisierung und institutionelle Kontrolle schulischer Lern- und Lehrprozesse unterstützen. Aus makroperspektivischer Sicht kann dem zugestimmt werden. Gleichwohl offenbart der mikroperspektivische Blick auf den Gegenstand, dass im Zuge der andauernden Mediatisierung aller schulischen Handlungsbereiche immer öfters ein „Weiter so“ im Sinne des Festhaltens an etablierten Handlungspraxen kaum noch möglich ist und eine Re-Konfiguration selbiger impliziert. Einzelne Schulen bzw. Lehrkräfte verstehen es durchaus, diese Situation dahingehend zu nutzen, ihren Schülerinnen und Schülernmehr Freiheit und Eigenständigkeit bei der Gestaltung ihrer Lernprozesse einzuräumen.
Solche Ansätze sind nicht zu verwechseln mit der Individualisierung von Lernprozessen, die in Analogie zur Delegierung von immer mehr Verantwortung an das Individuum im Zuge des anhaltenden Rückbaus staatlicher Leistungen und Unterstützung stehen. Die Frage nach geeigneten Alternativen im Bereich schulischer Medienintegration bestimmt den dritten und letzten Teil des Buches. Dabei geht es Selwyn vor allem darum, digitale Medien in der Schule unter der Fragestellung zu diskutieren, wie sie dazu beitragen können, soziale Gerechtigkeit und Fairness zu stärken, anstatt sich vor allem an den herrschenden Parametern wie Effizienz, Beschäftigungsfähigkeit und umfassender Leistungsbewertung über alle schulischen Handlungsbereiche hinweg zu orientieren. Um sich diesem Ziel zu nähern, macht er verschiedene Vorschläge und diskutiert sie im letzten Kapitel seines Buches ausführlich. Gleichwohl bleibt er dabei normativ, das heißt man erfährt zum Beispiel, dass es gut wäre, wenn Schülerinnen und Schüler nicht nur primär funktionale Medienkompetenz erwerben würden, sondern dabei eine kritische Komponente stärker zum Tragen käme, die unter anderem die lebensweltliche Relevanz der digitalen Medien für die Heranwachsendenstärker berücksichtigt. Wie so etwas umgesetzt werden kann, bleibt aber offen.
Es wäre aber ungerecht, dem Autor diese Lücke negativ auszulegen, erhebt er doch keinen entsprechenden Anspruch. Wer vor allem solche dezidierten Handlungsempfehlungen sucht dem sei vom Kauf dieses Buches abgeraten. Wer aber an einer differenzierten und kritischen Analyse der herrschenden sozialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Parameter, die schulische Medienintegration bisher bestimmten und bestimmen, interessiert ist, dem sei dieses Buch sehr empfohlen.
Fuhs, Burkhard/Lampert, Claudia/Rosenstock, Roland (Hrsg.) (2010). Mit der Welt vernetzt. Kinder und Jugendliche in virtuellen Erfahrungsräumen. München: kopaed. 246 S., 18,80 €
Soziale Netzwerke sind keine Erfindung der neuen Medien, auch nicht des Technologiezeitalters, noch nicht einmal der Industrialisierung. Soziale Netzwerke sind so alt wie die Menschheit selbst, denn sie entstehen dort, wo Menschen miteinander in soziale Interaktion treten. Dieses dort war dabei noch nie so deiktisch wie in heutiger Zeit, denn wie abstrakt auch immer soziale Netzwerke früher waren, virtuell existieren sie, betrachtet man die Menschheitsgeschichte, erst seit einem Wimpernschlag. Und dieser Wimpernschlag zieht, scheinbar den Gesetzmäßigkeiten der Chaostheorie folgend, eine zunehmende Welle an Diskussionen und Erörterungen rund um das Thema virtuelle (oder Online-)Netzwerke nach sich. Denn Diskussionsbedarfbesteht, wie der im kopaed-Verlag erschienene Sammelband Mit der Welt vernetzt – Kinder und Jugendliche in virtuellen Erfahrungsräumen, herausgegeben von Burkhard Fuhs, Claudia Lampert und Roland Rosenstock, darlegt.
Der in Folge einer Fachtagung im Oktober2008 zum gleichen Thema erschienene Band fragt nach dem Stellenwert der Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen und nach den Chancen und Grenzen der neuen Kommunikationstechnologien. Gerade für Heranwachsendeist soziale Interaktion entscheidend für den Sozialisierungsprozess und gerade für sie nehmen Netzwerkplattformen eine Schlüsselposition ein, da diese besonders auf das Identitäts- und Beziehungsmanagement zugeschnitten sind, das in diesen Altersgruppen eine zentrale Rolle spielt, wie Jan-Hinrik Schmidt in einem Beitrag „Netzwerkplattformen als Räume des Heranwachsens“ darstellt. Längst ist man sich darüber einig, dass es mit bewahrpädagogischen Ansätzen nicht getan ist, dass die Entwicklung und Förderung von Medienkompetenz junger Nutzerinnen und Nutzer die heutige Devise ist.
Wie Birgit Guth („Kinderwelten 2008. Die Rolle des Web 2.0 bei den 8- bis 14-Jährigen“) und Burkhard Fuhs und Roland Rosenstock („My First Net. Internet im Vorschulalter“) zeigen, betrifft das nicht nur Jugendliche, sondern auch jüngere Kinder, die zwar womöglich noch nicht Fahrrad fahren, dafür aber schon surfen können. Gerade was diese junge Klientel angeht, besteht seitens der Anbieterinnen und Anbieter noch Nachholbedarf, denn tatsächlich kindgerecht ist der geringste Anteil des Online-Angebots. Diese Frage nach für Kinder und Jugendliche geeigneten Inhalten belebt und erhitzt derzeit die Gemüter. Immer wieder echot die Mahnung vor den fehlenden Kenntnissen junger Nutzerinnen und Nutzer, wie sie ihre Privatsphäre schützen können, durch die Welt der Medien und Pädagogik, gefolgt vom Appell an die Betreiberinnen und Betreiber, ihren fälligen Beitrag zum Jugendmedienschutz zu leisten (Birgit Guth).
Dass das Phänomen der sozialen Online-Netzwerke über das Jugendzimmer hinaus die ganze Familie erreicht hat, zeigt Julia Berger in ihrem Text „Internetforen als Erziehungsratgeber“ auf. Zwar ersetzt der virtuelle den realen Raum nicht, aber er erweitert ihn und so werden Themen, die in Sandkastengesprächen nie angesprochen werden würden, im anonymen Schutzraum des Internets offen erörtert: „[...] der Sandkasten und die Erziehungsforen bilden nebeneinanderund sich verschränkend ein Reflektionsfeld für Erziehungsprobleme, die im Rückbezug die Familienwelten insgesamt stabilisieren und festigen können.“ Anja Hartung geht darüber noch hinaus, indem sie darstellt, wie virtuelle Selbstpräsentation als Gemeinschaft konstituierender Akt auch für manche Familien relevant ist, dass das Internet sogar beim Zusammenpuzzeln der Familienhistorie eine Möglichkeit bietet. Auf der anderen Seite kann im Netz eine Plattform für die Artikulation von Verlusterfahrungen gefunden werden, als eine Form der individuellen und sozialen Ausdrucks- und Bewältigungsform. „Das Internet vergisst nichts“ mal anders herum gewendet.
Der Sammelband Mit der Welt vernetzt nimmt wichtige Aspekte der Online-Netzwerke kritisch in den Blick, informiert über die zunehmenden Internetzugänge in deutschen Haushalten und über die Nutzungsgewohnheiten von Jungen und Mädchen und wie dies von der sozio-ökonomischen Situation einer Familie beeinflusst wird. Neben empirischen Befunden, zum Beispiel zu „Artikulationsformen von Jugendlichen im Web 2.0“ durch Ulrike Wagner, Niels Brüggen und Christa Gebel, und entsprechend kritischen Schlussfolgerungen etwa durch Martina Mühlbergers „Neue Risiken durch das Social Web. Eine Perspektive des Jugendmedienschutzes“ werden auch Konzepte für eine sichere Onlinenutzung präsentiert und mögliche Handlungsoptionen für Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen und Anbieterinnen und Anbieter diskutiert.
Ein Format, das dem Wunsch nach einem sicheren Surfraum für Kinder entspricht, ist zum Beispiel die Plattform fragFINN, vorgestellt von Friederike Siller, Lidia de Reese und Cornelia Reichardt. Im Spannungsraum von Jugendmedienschutz und Förderung von Medienkompetenz macht fragFinn kindgerechte Angebote sichtbar und unterstützt so ein selbstbestimmtes und geschütztes Bewegen von Kindern im Netz. Auf diese Weise können sie die positive Breite und Vielfalt des Netzes erfahren. fragFinn ist die erste Whitelist für Kinder in Deutschland und im Gegensatz zur Blacklist ein positiver Ansatz zum Jugendmedienschutz. Um diesen positiven Ansatz geht es auch dem Band Mit der Welt vernetzt.
Jan-Hinrik Schmidt hält fest, dass die Grenze zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit sich zwar verschiebt, Privatsphäre an sich deshalb aber nicht obsolet wird, sondern unter den veränderten technischen Bedingungen durch neu zu lernende Strategien und Routinen hergestellt werden muss.
Ingrid Paus-Hasebrink plädiert für eine handlungsorientierte Medienpädagogik, die den Fokus auf die Stärkung des eigenverantwortlichen und kompetenten Medienumgangs richtet und so auf Medienmündigkeit abzielt. Und dies betrifft nicht nur Kinder und Jugendliche, denn Medienkompetenz ist nicht statisch, sondern eine Aufgabe des lebenslangen Lernens.
Der Sammelband Mit der Welt vernetzt – Kinder und Jugendliche in virtuellen Erfahrungsräumen macht deutlich, dass derzeit zwar Wellen schlagen und geschlagen werden müssen, dass aber von Chaos keinesfalls die Rede sein kann. Handlungsbedarfbesteht, Handlungsmöglichkeiten gibt es aber auch, um Kinder und Jugendliche beim Surfen durch die Untiefen des World Wide Web zu unterstützen und sie davor zu bewahren, sich im Netz zu verheddern.
Adolf Grimme Institut (AGI), Deutsche Kinemathek, Funkkorrespondenz, Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP), Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IMK) (Hg.): Jahrbuch Fernsehen
Adolf Grimme Institut (AGI), Deutsche Kinemathek, Funkkorrespondenz, Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP), Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IMK) (Hg.) (2007). Jahrbuch Fernsehen. 600 S., 34,90 €
Einen Grimme-Preis wird Heidi Klum wohl nie bekommen, aber als Quoten-Queen auf der Suche nach dem nächsten Topmodel hat sie ProSieben immerhin ein paar Sternstunden beschert; und nun schmückt sich das neue „Jahrbuch Fernsehen“ mit ihrem Raubtierlächeln. Herzstück des unverzichtbaren Begleiters durchs Fernsehjahr ist der rund 320 Seiten starke Serviceteil. Allein dem deutschen TV-Angebot sind inklusive Zahlen, Fakten und ausgewählten Redaktionen 80 Seiten gewidmet. Hinzu kommen Übersichten über die Fachpresse, Tages- und Wochenzeitungen, Produktionsfirmen, Medienagenturen, Konferenzen, Festivals sowie Einrichtungen für die Aus- und Weiterbildung im Medienbereich.
Mehr als 200 Seiten gelten dem Fernsehjahr 2006: mit rund sechzig ausgewählten Kritiken über die vermeintlichen oder tatsächlichen Programmereignisse, der gewohnt pointierten Chronik von Dietrich Leder sowie einer ausführlichen Dokumentation der wichtigsten Auszeichnungen (Grimme-Preis, Deutscher Fernsehpreis, Robert Geisendörfer Preis). Die fünf einführenden Aufsätze befassen sich mit Themen, die auch 2007 nichts von ihrer Aktualität verloren haben. Hier erfährt man, wie sich das Fernsehen mit Videoportalen in die Neuzeit hinüber retten will, warum US-Serien bei den kommerziellen Sendern derzeit viel erfolgreicher sind als deutsche Produktionen, dass selbst gut gemeinte Integrationsversuche wie „Türkisch für Anfänger“ lauter Klischees transportieren und weshalb TV-Werbung in die Jahre gekommen ist.
Feil, Christine/Gieger, Christoph/Quellenberg, Holger (2009). Lernen mit dem Internet. Beobachtungen und Befragungen in der Grundschule. Schriften des Deutschen Jugendinstituts Kinder. Wiesbaden: VS Verlag. 313 Seiten, 24,90 €.
Die Nutzung eines Computers und des Internets ist im modernen Alltag zu einer Kernkompetenz geworden. Wirft man aber einen Blick in die Grundschulen, so stellt man recht schnell fest, dass Computer und Internet nur selten Einzug in den Unterricht gehalten haben und so der Umgang mit dem Medium nach wie vor vor allem in informellen Lernprozessen in der Freizeit erlernt wird. Vor diesem Hintergrund stellen sich die Autorin und die Autoren in Lernen mit dem Internet die Frage, wie Kinder im Schulalltag eigentlichmit dem Internet zurecht kommen. Das Buch stellt die Ergebnisse eines Projektes des Deutschen Jugendinstituts dar, das zwischen 2003 und 2006 durchgeführt wurde. Untersucht wurde sowohl quantitativ als auch qualitativ, welchen Beitrag schulische Lernumgebungen zur Entwicklung digitalerKompetenz leisten können. Zeigen sich neue Lernchancen für die Heranwachsenden, wodurch zeichnet sich der schulspezifische Internetumgang der Kinder aus und werden durch das Internet kooperative Lernformen gefördert?
Neben der Befragung der Lehrerinnen und Lehrer werden auch anschaulichdie Ergebnisse der Kinderbeobachtungen dargestellt, etwa zum Umgang der Kinder mit Hypertexten, Links oder Pop-Ups. Neben Daten zur Häufigkeit des Einsatzes von Computer und Internet in den Grundschulen, den Fächern, in denen das Internet am ehesten genutzt wird und zur Einschätzungder Lehrkräfte wird im Rahmen des Kinder- und Jugendmedienschutzes auch auf mögliche Risiken und Gefahren im Zusammenhang mit dem Interneteinsatz im Unterricht eingegangen. Für Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schulleiterist die Studie ebenso aufschlussreich wie für (Medien-)pädagoginnen und -pädagogen sowie Medienwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.
Beitrag aus Heft »2011/01: Populärkultur und Medien«
Autor: Christine Feil
Beitrag als PDFEinzelansichtIsler, Dieter/Philipp, Maik/Tilemann, Friederike (2010). Lese- und Medienkompetenzen: Modelle, Sozialisation und Förderung. Düsseldorf: Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen. 143 S., kostenlos
Lesekompetenz gilt gemeinhin als Schlüsselqualifikation, auch für den kompetenten Umgang mit Medien. Dennoch sind aus theoretischer, Erwerbs- und Förderungsperspektive die Zusammenhänge längst nicht eindeutig belegt. An dieser Problematik setzt die vorliegende Publikation an. Es handeltsich um eine Expertise für die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, die in Zusammenarbeit von Leseforschung und Medienpädagogik entstanden ist. Die Expertise behandelt drei Fragen: Wie lassen sich erstens die Modelle von Lese- und Medienkompetenzen theoretischaufeinander beziehen? Wie und wo werden zweitens Kompetenzen im Rahmen der Sozialisation erworben? Welche Konzepte zur Förderung von Lese- und Medienkompetenzen liegen – drittens – vor, und wie lassen sie sich integrieren?
Die Sichtung der Forschungsliteratur zeigt, wie unterschiedlich die Forschungstraditionen und Konzepte in den Feldern Lese-und Medienkompetenzen sind. In der Expertise wurden deshalb für die Betrachtung der Gemeinsamkeiten von Lese- und Medienkompetenzen über eine Abstraktion sieben verbindende Kompetenz-Komponenten extrahiert. Hinsichtlich des Erwerbs und der Förderung besteht hingegen derzeit noch eine große Divergenz, sodass sich gesicherte Aussagen dazu nicht seriös treffenlassen. Die Expertise mündet in 18 Empfehlungen auf den Ebenen der wissenschaftlichen Grundlagen, der bildungspolitischen Rahmenbedingungen und der Förderpraxis.
Kaul, Susanne/Palmier, Jean-Pierre/Skrandies, Timo (Hrsg) (2009). Erzählen im Film. Unzuverlässigkeit, Audiovisualität, Musik. Bielefeld: transcript. 280 S., 27,80 €.
Filme erzählen uns Geschichten. Doch was bedeutet das eigentlich, ‚erzählen’? Durch das Zusammenspiel von Bildern, Ton und Musik funktioniert das Erzählen im Film anders als in der Literatur, für die der Begriff eigentlich festgelegt ist.
Der Sammelband Erzählen im Film nähert sich dem Thema aus verschiedenen Richtungen und mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die Beiträge der Autorinnen und Autoren befassen sich mit drei großen Themenbereichen, in die sich das Buch unterteilen lässt. So beschäftigen sich die ersten sechs Beiträge mit dem unzuverlässigen Erzählen im Film. Diese Art der Erzählung, die ursprünglich aus der Literatur stammt und eine eigene literaturwissenschaftliche Figur bildet, findet sich in Form von überraschenden oder ganz ausbleibenden Auflösungen am Ende der Filme seit etwa Ende der 1990er Jahre auch in der Filmwissenschaft.
Die Beiträge setzen sich auf unterschiedliche Weise mit der Thematik auseinander, mal werden bekannte Werke der Literatur Filmen gegenübergestellt, mal wird das Thema mit einem besonderen Schwerpunkt anhand von Beispielen aus dem Film beleuchtet. Der zweite Teil des Sammelbandes setzt sich mit der Audiovisualität damit mit Fragen nach spezifisch filmtechnischem Erzählen auseinander. Besonders hervorzuheben ist in dieser Sektion der Beitrag von Bernard Dieterle, der sich aus filmhistorischer Sicht der Bedeutung einer Erzählerstimme für die Etablierung der Fiktion zuwendet. Das Buch schließt mit der Auseinandersetzung mit Musik und dem grundsätzlichen Verhältnis von Musik und Erzählen. Schön ist hier auch die Thematisierung anhand bekannter Musikvideos.
Die Publikation eignet sich durch den interdisziplinären Blick sowohl für Literatur-, Musik- und Filmwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie Studierende und interessierte Laien.
Selke, Stefan/Dittler, Ulrich (Hrsg.) (2009). Postmediale Wirklichkeiten. Wie Zukunftsmedien die Gesellschaft verändern. Hannover: Heise. 243 S., 19 €.
So wie kaum jemand vor zwanzig Jahren gedacht hätte, dass unsere Handys heute auch in die kleinsten Hosentaschen passen und wir dank ihnen auch das Internet ständig dabei haben, so wird auch heute kaum jemand eine genaue Vorstellung davon haben, welche Veränderungen im Bereich der Medien in der Zukunft auf uns warten. Wie könnten sie aussehen, die Medien der Zukunft, und wie werden sie unseren Alltag, unser Verhalten, unsere Beziehungen, die Gesellschaft verändern? Diese Frage haben sich Stefan Selke und Ullrich Dittler, Herausgeber des Buches Postmediale Wirklichkeiten gestellt. In elf Beiträgen nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zum Thema und beleuchten es aus sehr verschiedenen Blickwinkeln. Den Einstieg bilden zwei Artikel, die aus soziologischer Sicht die Idee des Humanismus aufgreifen und sich die Frage stellen, ob Menschsein in einer zutiefst mediatisierten Gesellschaft weiterhin möglich ist.
Danach folgt ein Exkurs in die Medienökonomie. Hier wird etwa auf neue ökonomische Potenziale verwiesen, die durch die zunehmende Verschmelzung von Realität und virtueller Realität entstehen können. Nun wird auch auf das Wesen der Postmedien, also der Medien der Zukunft eingegangen, wobei auch auf deren Auswirkungen auf das menschliche Zusammenleben, etwa unter dem Gesichtspunkt der Durchdringung des öffentlichen Lebens durch Überwachungs- und Sicherheitstechnologien, eingegangen wird. Auch der Bereich des Lehrens und Lernens wird beleuchtet, den Abschluss bilden drei Beiträge, in denen die Körperlichkeit im Mittelpunkt der Argumentation steht. Der Sammelband beleuchtet das komplexe Thema vielfältig und aus verschiedenen Perspektiven,was den Leserinnen und Lesern auch einige neue Gesichtspunkte aufzeigen dürfte. Für medienpolitisch und medientheoretisch Interessierte sowie für Lehrende und Lernende der Medien- und Kulturwissenschaft ist eine Lektüreder kurzweiligen Beiträge durchaus empfehlenswert.
Sevillano Garcia, Maria Luisa/Pascual Sevillano, Maria Angeles/Crespo, Donaciano Bartolomé: Investigar para Innovar en Ensenanza (Forschen für Innovationen in der Bildung).
Innovationen in Bildung und Erziehung bedürfen der begleitenden Forschung. Eine solche Forschung soll zum einen gegenwärtigen und zukünftigen gesellschaftlichen Anforderungen und zum anderen den Interessen und Entwicklungsmöglichkeiten der Lernenden gerecht werden. In diesem Sinne gehen die Autorinnen und Autoren davon aus, dass in der Informations- und Wissensgesellschaft lebenslanges Lernen und Kompetenzentwicklung – vor allem auch im Bereich von Medien und Kommunikations¬technologien – notwendig sind. Wichtige Ansätze und Forschungsergebnisse zu entsprechenden Fragen in Spanien und in Europa – insbesondere auch aus Deutschland – werden aufgearbeitet.
Auf dieser Grundlage wird eine eigenständige große empirische Untersuchung als schriftliche Befragung und Gruppendiskussion mit Lehrpersonen und Experten durchgeführt. Quantitative und qualitative Ergebnisse werden vorgestellt und analysiert, wobei es in differenzierter Weise um Bedingungen, Motive, Vorzüge, Schwierigkeiten und Wirkungen des Lehrens und Lernens mit Medien und Informationstechnologien geht. Als ein Hauptergebnis lässt sich festhalten: Wenn es trotz zum Teil widriger Umstände gelingt, den Unterricht im innovativen Sinne mit Medien zu gestalten, zeigen sich vielfältige positive Konsequenzen für Lernen, Lehren und Schulentwicklung.
kolumne
Klaus Lutz: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint
Morgens halb zwölf in Deutschland. Entspannt mit dem Familien-Van und Richtgeschwindigkeit 130 unterwegs auf deutschen Autobahnen zum sonntäglichen Schweinebraten bei den Großeltern. Links staut sich eine PKW-Kolonne auf der Gegenfahrbahn, rechts ziehen Verkehrsschilder, Hinweise auf die nächste Autobahnraststätte nebst Autobahnkirche, Tankstellen und McDonalds-Filialen vorbei, außerdem das eine oder andere liegengebliebene Auto, das auf einen gelben Engel wartet. Nichts davon nimmt man mehr so wirklich wahr, bis es plötzlich von hinten kräht „Papa, warum gucken die so traurig?“ Nachdem eigentlich niemand zu sehen ist, erläutert der Nachwuchs noch hilfsbereit: „Na, die Kinder auf den Plakaten!“. Zwei Kilometer weiter lässt sich das Rätsel lösen, zieht doch wieder – an vertrauter Stelle – ein riesiges Schwarzweißplakat mit traurig dreinblickenden Menschen aus der Aktion „Fuß vom Gas“ auf die Autofahrer herab. Erschüttert fordert das Kind zu langsamem Fahren auf dem rechten Fahrstreifen bis zur nächsten Autobahnausfahrt auf, die uns in Bebauungsgebiete und damit zu Plakatwänden führt. Die ausgiebige Rotphase an der nächsten Ampel gibt uns Gelegenheit zum intensiven Studium der auf der großen Plakatwand angebrachten Warnungen vor allem und jedem: Zigarettenrauchen, Aids, sexueller Missbrauch, Unfallgefahren im Haushalt, rasender Verkehr, Depressionen, Holz hacken und Computerspielen.
Wer es also bislang noch nicht wusste, weiß es spätestens nach ein bis zwei roten Ampeln: Das Leben ist gefährlich, lebensgefährlich und – Obacht! die nachfolgende Aussage ist eventuell gefährlich für ihren Gemütszustand – endet regelmäßig mit dem Tod. Zur Reduzierung der Gefahren plädieren wir daher für eine radikale Kennzeichnungspflicht für alles, was gefährlich ist: Rauchen ist tödlich, ungeschützter Sex auch, Banker gefährden die finanzielle Zukunft ganzer Staaten, Autos könnten tödlich sein, Hühnereier auch, Junkfood ist ungesund und schädlich für die Krankenkassen, Computerspiele machen Kinder zu Zombies, Äxte hacken Finger ab, Bäume können auch mal umfallen, Autos gefährden spielende Kinder, Blumen sind gelegentlich sehr giftig, Klebstoffschnüffeleien auch. Und wenn wir schon dabei sind, könnten wir noch hübsche Aufkleber einführen für alles, was ungesund ist, unmoralisch, umweltgefährdend oder ungesetzlich. Das alles macht das Leben dann zwar schön bunt, erzielt aber mutmaßlich nicht den gewünschten Effekt.
Deshalb muss der Superaufkleber her: „Zu viele Warnungen stumpfen ab.“ Denn sonst gehen die wirklich wichtigen Warnungen leider unter. Und die Gewarnten stehen wie paralysiert im Leben und wissen nicht mehr, was sie sich noch trauen dürfen: Kann man mal einen Kaffee mit zwei Stück Zucker trinken und ein Stück Schwarzwälderkirschtorte verdrücken? Mit dem Auto zu einem wunderbaren Ausflug in die Kirschblüte fahren? Holz hacken, im Wald Hütten bauen und Blumen pflücken? Oder ein Paar Weißwürste mit einer Halbe Bier genießen? Und sogar Computer spielen und Spaß dabei haben? Sich über Videos bei YouTube kaputt lachen und laut die Fanhymne der eigenen Fußballmannschaft mitgrölen? Oder ist all das zu verbieten, weil es jährlich 6.600 tödliche Verkehrsunfälle, 2,5 Mio. Alkoholkranke, echt viele Fettleibige und drei Prozent suchtgefährdete jugendliche Computerspieler gibt?P. S. Ein sympathischer Zug wäre es übrigens, wenn Kampagnen so gestaltet würden, dass das Zielpublikum die Kampagnen-DVD nicht im Giftschrank aufbewahren müsste, um Kinder unter zwölf Jahren nicht zu gefährden. Dies hätte auch den Vorteil, dass eine Kampagne vielleicht auch eine wesentlich breitere Wirkung entfalten könnte.
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Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
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