2010/02: Stigmatisierung und Leistung
Wer es im Leben zu etwas bringen will, wird Topmodel oder Superstar. Ausführliche Ess- und Kleidungsvorschriften sowie herbe Kritik und den einen oder anderen Nervenzusammenbruch vor Kameras und damit vor ein paar Millionen Fernsehzuschauerinnen und -zuschauern muss man dafür eben in Kauf nehmen.Diese Weltsicht scheinen zumindest einige derzeit erfolgreiche Medienformate wie Reality-TV-Sendungen und Castingshows, aber auch einzelne medial präsente Persönlichkeiten und deren Fans zu unterstützen. ‚Gut‘ ist, wer in ein Schema passt, die richtigen Klischees erfüllt und die transportierten Weltanschauungen und Handlungsweisen kritiklos übernimmt. Dabei lassen die immanenten Regeln und Strukturen kaum Raum zur eigenen Positionierung, geschweige denn Abgrenzung. Sie bilden ein geschlossenes System, das kaum anfechtbar ist und Menschen auf wenige Merkmale reduziert, anhand derer es sie in ‚Sieger‘ und ‚Verlierer‘ einteilt.Doch wie funktioniert dieses System in seinen unterschiedlichen Ausprägungen? Welche Idee steht dahinter, wie wird es umgesetzt und wie erklärt sich sein Erfolg bei seinen Anhängerinnen und Anhängern? In merz 2/2010 beschäftigen sich die Autorinnen und Autoren mit diesem Phänomen und beleuchten verschiedene Erscheinungsformen medialer Stigmatisierungen und Leistungspräsentationen aus unterschiedlichen Perspektiven. Theoretische Erklärungs- und Diskussionsansätze werden dabei ebenso vorgestellt wie die tatsächlichen Sichtweisen der ‚Betroffenen‘, der Rezipientinnen und Rezipienten.
aktuell
stichwort Geocaching
Was früher Schnitzeljagd hieß und vor allem auf Kindergeburtstagen ein Renner war, ist heute wieder angesagt, wenn auch in abgewandelter Form. Die Rede ist von Geocaching, einer Art modernen Schatzsuche mittels GPS oder auch Kartenmaterial. Die geografischen Koordinaten der Verstecke, der ‚Geocaches’ oder kurz ‚Caches’, werden im Internet auf Foren wie geocaching.com oder opencaching.de veröffentlicht und können dann mit Hilfe eines GPS-Empfängers gesucht werden. Ein Cache ist in der Regel ein wasserdichter Behälter, in dem sich, je nach Größe, Tauschgegenstände sowie ein Logbuch befinden, in das sich – ähnlich einem Gipfelbuch – jeder eintragen kann, dem die Hebung des Schatzes gelungen ist. Der Cache wird in der Regel wieder an die gleiche Stelle zurückgelegt, um auch von anderen gefunden werden zu können.
Anschließend werden für andere Schatzsucherinnen und Schatzsucher der Ausgang der Suche sowie bei Änderung des Verstecks die neuen Koordinaten im Internet vermerkt. Gesucht wird auf unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen. Mal ist das Versteck dank der angegebenen Koordinaten recht leicht zu finden, mal bedarf es der Lösung eines oder mehrerer Rätsel oder der schrittweisen Suche nach Hinweisen, um sich dem eigentlichen Cache endlich zu nähern. Der Umwelt zu Liebe verstößt das Vergraben der Behälter gegen den Ehrenkodex der Anhängerinnen und Anhänger der elektronischen Schnitzeljagd, so dass Verstecke meist in natürlich entstandenen Hohlräumen, in Mauerritzen oder an Unterseiten von Parkbänken zu finden sind – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Weltweit gibt es derzeit 970.579 aktive Verstecke, davon 89.000 in Deutschland, Tendenz steigend.
thema
Friedrich Krotz und Andreas Lange: Editorial
Ein konventioneller Strang der Medienkritik arbeitet sich daran ab, dass den Medien vorgeworfen wird, ihre Darstellungen verlören zusehends den Bezug zur Realität und zeichneten daher ein irreführendes Bild der Verhältnisse. Im vorliegenden Heft geht es um das diametral entgegengesetzte Phänomen, indem mediale Formate behandelt werden, die Aspekte ausgewählter gesellschaftlicher Verhaltenserwartung und stärker noch, Verhaltenszumutungen, mehr oder wenigerdirekt spiegeln und zu den Rezipientinnen und Rezipienten transportieren. In den Fokus rücken solche Sendungen, die den Rezipientinnen und Rezipienten, zumeist vermittelt über die gezielte Auswahl und Platzierung von nichtprominenten Akteurinnen und Akteuren, „Menschen wie du und ich“, Verhaltenscodes und Werte näher bringen; nicht um des reinen Vergnügens willen. Vielmehr besteht die Überzeugung darin, dass in den Sendungsinhalten solche Codes vermittelt werden, die für den sozialen und insbesondere beruflichen Erfolg in der Marktgesellschaft unerlässlich sind. Zugespitzt formuliert werden Vorformatierungen für die alltägliche Lebensführung vorgeführt und dementsprechend evaluiert.
Eine erste explorierende Standortbestimmung dieses Komplexes ist das Ziel des vorliegenden Schwerpunktheftes.Friedrich Krotz und Andreas Lange spannen als Grundlage hierfür einen gesellschaftstheoretischen Rahmen auf, um in diesen die generelle Bedeutung des Fernsehens und speziell derjenigen Formate einzuordnen, die dezidiert Leistungsmaßstäbe und ihr Pendant, kritikwürdiges Versagen und dessen Stigmatisierung, zur Schau stellen. Dazu begreifen sie diese Sendungen als ‚Ratgeber’, trotz ihres auch unterhaltenden Charakters. Mit dieser Zuschreibung ist die Vermutung verbunden, dass ein nicht unerheblicher normativer Druck von den Inszenierungsformaten und ihren neoliberalen Subtexten ausgeht. Als primäre Adressatinnen und Adressaten werden spezielle Segmente in der Sozialstruktur ausgemacht, die eher am unteren, wenn auch nicht am untersten Rand der Gesellschaft zu finden sind. Ferner setzen sie das Funktionieren des Bildungs- und Mediensystems zueinander in Beziehung und deuten schließlich die Grenze subversiver Lesarten der Casting- undanderer Formate an.Danach entfaltet Katrin Döveling plastisch und empirisch unterfüttert das Argument, dass der Erfolg dieser Formate zu einem nicht unerheblichen Ausmaß dadurch mit bedingt ist, dass es ihnen gelingt, Emotionen zu mobilisieren. Kurzgefasst: Medienmacht ist Emotionsmacht. Zentraler Punkt für die hohe Attraktivität insbesondere der Castingshows ist, dass die Dramaturgie weniger darauf abzielt, sich kognitiv abwägend mit den Qualitäten der Bewerberinnen und Bewerber auseinanderzusetzen, als vielmehr die Zuseherinnen und Zuseher in den Zustand des Miterlebens und Mitfühlens zu versetzen.
Hierfür wiederum kommt dem Publikum vor Ort eine wichtige Funktion zu – es agiert in seiner gesamten Mimik und Gestik stellvertretend und vorführend. Für den Verlauf der emotionalen ‚Ansteckung’ wegweisend ist dabei, wie die Autorin herausarbeitet, dass Casting-Shows wenige Leerstellen enthalten. ‚Sehnsuchtsofferten’, die aufgrund des ‚teledarwinistischen’ Schemas generiert werden, betreffen die vermeintlich schnelle Chance auf Aufmerksamkeit sowie das kollektive Begehren nach Überschreiten der Grenzen. Aber auch die Kehrseiten, das Scheitern an den Maßstäben und der damit einhergehende Prozess der Stigmatisierung, werden emotional aufgeladen und bewirken bei den Rezipierenden eine Bejahung der vorgeführten Leistungsideologie.Miriam Stehling und Tanja Thomas sondieren die Fruchtbarkeit einer transkulturellen Perspektive für das Verständnis des Erfolgs der Leistungsratgeber. Sie betten diese Rekonstruktion ein in den allgemeinen Trend der Zunahme der global gehandelten Fernsehformate, in dessen Verlauf insbesondere das Lifestyle-Fernsehen zu einem internationalen Markenartikel wurde. Konkret untersucht werden die Mechanismen und Zusammenhänge am Beispiel von Germany‘s Next Topmodel, das auf der Ebene der Produktion als Resultat strategischer Transkulturalität zu verorten ist. Für das Argument der transkulturellen Anschlussfähigkeit liefern die Autorinnen lehrreiches indirektes Material aus einer Studie mit Medizinstudentinnen und Berufsschülerinnen. Dabei erweist sich zum einen durch angeeignetes Genrewissen ein kritisch-reflektierendes Vergnügen an der Machart der Shows, beispielsweise mit Blick auf Techniken der Montage und der Dramatisierung. Andererseits offenbart sich ein unreflektiertes Akzeptieren der Terms of Trade des Modelgeschäfts. Diese widersprüchliche Gemengelage verweist auf einen wichtigen Forschungsbedarf für die Zukunft.
Paula-Irene Villa schließlich setzt sich mit der (Selbst-)pornografisierung in Jugendkulturen auseinander. Dabei rückt sie aber nicht die Pornografie in den Mittelpunkt, sondern die damit verbundenen und angesprochenen Kontexte: Einerseits begreift sie Pornografie als eine umkämpfte Arena geschlechtertheoretischer und -politischer Codes, die die allgemeinen Grundlagen des Verhältnisses von Mann und Frau mit thematisiert, andererseits analysiert sie die Selbstpornografisierung der Jugendszenen im Hinblick auf das unternehmerische Selbst, das zunehmend zum gesellschaftlichen Ideal stilisiert wird. Über die Notwendigkeit weiterer Forschung hinaus unterstreichen die Beiträge insgesamt, welche große pädagogische Bedeutung – nicht nur für die Medienpädagogik – dem hier aufgerissenen Themenfeld zukommt. Die eben auch medial platzierten Neuverhandlungen des Leistungsprinzips sind umso notwendiger, desto stärker manmit Neckel (2008) von einer Ausweitung des sozialen Wettbewerbs sprechen kann, der sich über die Wirtschaft hinaus verallgemeinert hat. Ideen kooperativer Sozialbeziehungen und die Solidarnormen verlieren an Bedeutung, um Platz zu machen für die Gewinner/Verlierer-Unterscheidung, welche die öffentliche und auch die private Wahrnehmung sozialer Beziehungen prägt.
Literatur
Neckel, Sighard (2008). Einleitung: Fluchtpunkte von ‚Erfolg‘. In: ders. (Hrsg.). Flucht nach vorn: Die Erfolgskultur der Marktgesellschaft. S. Neckel. Frankfurt, Campus, S. 7-17.
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Friedrich Krotz, Andreas Lange
Beitrag als PDFEinzelansichtKatrin Döveling: The show must and will go on
Innerhalb der vielfältigen Ausprägungen des performativen Reality TV, mit denen „gleichwohl direkt oder konkret in die Alltagswirklichkeit der Menschen eingegriffen wird“ (Keppler 1994, S. 8), stellt Deutschland sucht den Superstar nicht nur eine besondere Ausprägung, sondern eine Weiterentwicklung dar. Die Suche nach dem ‚Star’ hat sich zunehmend auch zur Inszenierung von Leistungsvorgaben entwickelt: „Es kann am Ende nur einen geben“. Die medial in Szene gesetzte Auswahl, die Rolle und Tragweite von Emotionalisierung, zunehmender Stigmatisierung und Inszenierung von Leistung wird diskutiert und als emotional ‚mediatisierter Teledarwinismus‘ ergründet.
Literatur
Behr, Manfred/Kaiser, Silvia (2000). „Echte“ Gefühle und Projektionen: Big Brother als Mittel gegen den Milieuautismus. In: Weber, Frank (Red.), Big Brother. Inszenierte Banalität zur Prime Time. Münster: LIT, S. 125-141.
Bente, Gary/Fromm, Bettina (1997). Affektfernsehen. Angebotsweisen und Wirkungen. Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen, Bd. 24. Opladen: Leske + Budrich.
Bleicher, Joan Kristin (1999). Fernsehen als Mythos: Poetik eines narrativen Erkenntnissystems. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Brugger, Ingried/Matt, Gerald/Miessgang, Thomas (2005). Einleitung. In: Brugger, Ingried/Eipeldauer, Heike/Matt, Gerald (Hrsg.), Superstars. Das Prinzip Prominenz von Warhol bis Madonna. Wien, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Verlag, S. 10-15.
Döveling, Katrin (2001). Big Brother und die Fans. Geteiltes Gefühl ist doppeltes Gefühl: Die Sehnsucht nach kollektiver Potenzierung einer Gefühlserfahrung. In: Sudholt, Thomas/Böhme-Dürr, Karin (Hrsg.), Hundert Tage Aufmerksamkeit. Das Zusammenspiel von Medien, Menschen und Märkten bei »Big Brother«. Konstanz: UVK Medien, S. 149-170.
Döveling, Katrin (2007). Superstar – Supershow? – „Deutschland sucht den Superstar“ im Urteil der Zuschauer. In: Döveling, Katrin/Mikos, Lothar/Nieland, Jörg-Uwe (Hrsg.), Im Namen des Fernsehvolkes: Neue Formate für Orientierung und Bewertung. Band 2. Konstanz: UVK Medien, S. 179-210.
Döveling, Katrin /Kurotschka, Mara/Nieland, Jörg-Uwe (2007). ‚Deutschland sucht den Superstar’ – Hintergründe einer Erfolgsgeschichte. In: Döveling, Katrin/Mikos, Lothar/Nieland, Jörg-Uwe (Hrsg.), Im Namen des Fernsehvolkes. Neue Formate für Orientierung und Bewertung. Konstanz: UVK, S. 103-116.
Döveling, Katrin (2008). ’Powered by emotions’. Zur Macht der Emotionen im Reality TV. In: Jäckel, Michael/Mai, Manfred (Hrsg.), Medienmacht und Gesellschaft. Zum Wandel öffentlicher Kommunikation. Frankfurt am Main: Campus Verlag, S. 57-82.
Franck, Thomas (1998). Ökonomie der Aufmerksamkeit. München/Wien: Carl Hanser.
Hepp, Andreas (1999). Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Jacke, Christoph (2005). Keiner darf gewinnen – Potenziale einer effektiven Medienkritik neuer TV-Castingshows. In: Helms, Dietrich/Phleps, Thomas (Hrsg.), Keiner wird gewinnen. Populäre Musik im Wettbewerb. Bielefeld: Transcript, S. 113-135.Jähner, Uli (2005). „Ich weiß, ich muss noch an mir arbeiten“:Über Castingshows im Fernsehen. PROKLA, Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 35: 141, S. 619-635.
Keppler, Angela (1994). Wirklicher als die Wirklichkeit? Das neue Realitätsprinzip der Fernsehunterhaltung. Frankfurt am Main: Fischer TB.
Langer, John (1981). Television’s ‘personality system’. Media, Culture and Society, 3,4, S. 351-365.
Mantel, Uwe (2010). Grundy LE veranstaltet Public Viewing zu "DSDS“. DWDL – Das Medienmagazin. www.dwdl.de/article/news_24269,00.html [Zugriff: 13.1.2010]
Mikos, Lothar (2003). Aspekte mediatisierter Identität. Risiken öffentlicher Selbstdarstellung im Fernsehen. In: Winter, Carsten/Thomas, Tanja/Hepp, Andreas (Hrsg.), Medienidentitäten. Identität im Kontext von Globalisierung und Medienkultur. Köln: von Halem, S. 309-327.
Reichertz, Jo (2007). Die Macht der Worte und der Medien. Wiesbaden: VS Verlag.
Roth, Caroline (2006). Starmania: Einkaufen am „Jahrmarktvon Identitäten“. Educational Media International, 43(1), 3/2006, S. 19-27.
Schmidt, Thomas E. (2003). Gute Menschen, schlechte Menschen ‚Deutschland sucht den Superstar’ – die einen finden Gold, die anderen sich selbst: Überleben im Karrierebrüter. Die Zeit, 11, S. 44.
Schwarz, Claudia (2007). „Der ist der Fescheste“ – Identitäts-und Geschlechtskonstruktion in der Aneignung der österreichischen Casting-Show „Starmania“, In: Döveling,Katrin/Mikos, Lothar/Nieland, Jörg-Uwe (Hrsg.), Im Namendes Fernsehvolkes: Neue Formate für Orientierung und Bewertung. Band 2. Konstanz: UVK Medien, S. 155-177.
Strachauer, Constance (2008). Deutschland sucht den Superstar. Castingshows im deutschen Fernsehen – Annäherung an ein Medienphänomen. Saarbrücken: Vdm Verlag Dr. Müller.
Staiger, Janet (1997). Das Starsystem und der klassische Hollywoodfilm. In: Faulstich, Werner/Korte, Helmut (Hrsg.), Der Star. Geschichte – Rezeption – Bedeutung. München: Fink, S. 48-59.
Sommer, Carlo M. (1997). Stars als Mittel der Identitätskonstruktion. Überlegungen zum Phänomen desStar-Kults aus sozialpsychologischer Sicht. In: Faulstich, Werner/Korte, Helmut (Hrsg.), Der Star. Geschichte – Rezeption – Bedeutung. München: Fink, S. 114-124.
Thomas, Tanja (2004). „Mensch, burnen musst Du!“: Castingshows als Werkstatt des neoliberalen Subjekts. Zeitschrift für Politische Psychologie, 12: 1+2, S. 191-208.
Thomas, Tanja (2007). Heidis Girls und Popstars-Mädchen: Inszenierte Lebensträume und harte (Körper-) Arbeit. Betrifft Mädchen, 20: 3, S. 108-114.
Villa, Paula-Irene (2008). Habe den Mut, Dich Deines Körpers zu bedienen! Thesen zur Körperarbeit in der Gegenwart zwischen Selbstermächtigung und Selbstunterwerfung. In: Villa, Paula-Irene (Hrsg.), Schön normal. Manipulationen am Körper als Technologien des Selbst. Bielefeld: transcript Verlag, S. 245-272.
Wegener, Claudia (2000). Wenn die Information zur Unterhaltung wird oder die Annäherung des ‚factual television’ an das ‚fictional television’. In: Paus-Haase,Ingrid/Schnatmeyer, Dorothea/Wegener, Claudia (Hrsg.), Information, Emotion, Sensation. Wenn im Fernsehen die Grenzen zerf ließen. Bielefeld: GMK Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, S. 46-61.
Wolf, Sarah (2004). Deutschland sucht den Superstar. Analyse der Erfolgsfaktoren. Hamburg: Diplomica-GmbH.
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Katrin Döveling
Beitrag als PDFEinzelansichtMiriam Stehling und Tanja Thomas: Lifestyle-TV zwischen Kritik und Attraktivität
Genrehybridität, Crossmedialität und Transkulturalität sind spezifische Kennzeichen global gehandelter Lifestyle-TV-Formate, deren besondere Attraktivität häufig mit der Nähe zum ‚Alltäglichen’ begründet wird. Im öffentlichen Diskurs sind sie heftig umstritten; kritisiert werden sie unter anderem wegen einer Verfestigung von Stereotypen, der Konstruktion einer ‚Unterschicht’ und der Einübung in einen ‚Marketingcharakter’. Um die gesellschaftliche Relevanz der Formate zu diskutieren, erscheint uns auch angesichts ihrer weltweiten Erfolge das Konzept der Transkulturalität als Forschungsperspektive gewinnbringend.
Literatur
Ang, Ien (1986). Watching Dallas. Soap Opera and the Melodramatic Imagination. London, New York: Routledge.
Brown, Mary Ellen (1994). Soap Operas and Women’s Talk. The Pleasure of Resistance. London u.a.: Sage.
Geraghty, Christine (1991). Women and Soap Opera: A Study of Prime Time Soaps. Cambridge: Polity Press.
Hallenberger, Gerd (2005). Vergleichende Fernseh- undProgrammforschung. In: Hepp, Andreas/Krotz, Friedrich/Winter, Carsten (Hrsg.), Globalisierung der Medienkommunikation. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag, S. 165-185.
Hallenberger, Gerd (2009). Fernsehformate und internationaler Formathandel. In: Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Internationales Handbuch Medien. 28. Auf l., Baden-Baden: Nomos, S. 155-163.
Hepp, Andreas (2006). Transkulturelle Kommunikation. Konstanz: UTB.
Hepp, Andreas (2009). Transkulturalität als Perspektive:Überlegungen zu einer vergleichenden empirischen Erforschung von Medienkulturen [37 Absätze]. In: ForumQualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, Jg. 10(1), H. Art. 26. nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0901267 [Zugriff 07.09.2009].
Klaus, Elisabeth/O‘Connor, Barbara (2010). Aushandlungsprozesse im Alltag: Jugendliche Fans von Castingshows. In: Röser, Jutta/Thomas, Tanja/Peil, Corinna(Hrsg.), Alltag in den Medien – Medien im Alltag. Wiesbaden:VS Verlag, S. 48-72.
Liebes, Tamar/Katz, Elihu (1990). The Export of meaning.Cross-cultural readings of Dallas. New York: Oxford University Press.
Modleski, Tania (1982). Loving With a Vengeance. Mass Produced Fantasies for Women. London: Methuen
Moran, Albert (2006). Understanding the Global TV Format.Mit Justin Malbon. Bristol: Intellect.
Pütz, Robert (2004). Transkulturalität als Praxis. Unternehmertürkischer Herkunft in Berlin. Bielefeld: Transcript.
Radway, Janice A. (1987). Reading the Romance: Women, Patriarchy, and Popular Literature. London: Verso.
Stehling, Miriam (2009). Transkulturelle Reality-TV-Formate.Eine Analyse der US-amerikanischen Castingshow America’s Next Top Model und der deutschen Adaption Germany’s next Topmodel. Unveröff. Magisterarbeit. Leuphana Universität Lüneburg.
Thomas, Tanja (2008). Marktlogiken in Lifestyle-TV undLebensführung. Herausforderungen einer gesellschaftskritischen Medienanalyse. In: Butterwegge, Christoph/Lösch, Bettina/Ptak, Ralf (Hrsg.), Neoliberalismus. Analysen und Alternativen. Wiesbaden: VS Verlag, S. 147-163.
Thomas, Tanja (2010). Wissensordnungen im Alltag: Offerteneines populären Genres. In: Röser, Jutta/Thomas, Tanja/Peil, Corinna (Hrsg.), Alltag in den Medien – Medien im Alltag. Wiesbaden: VS Verlag, S. 25-47.
Welsch, Wolfgang (1994). Transkulturalität. Lebensformennach der Auf lösung der Kulturen. In: Luger, Kurt/Renger, Rudi (Hrsg.), Dialog der Kulturen. Die multikulturelleGesellschaft und die Medien. Wien: Österreichischer Kunst- und Kulturverlag, S. 147-169.
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Miriam Stehling, Tanja Thomas
Beitrag als PDFEinzelansichtPaula-Irene Villa: Ja kein Opfer werden!
Mal bringt er der gesamten Jugend und allen kommenden Generationen sexuelle Verwahrlosung und Abstumpfung, dann wieder scheint er der einzig wahre sexuelle und generelle Befreiungsschlag junger Frauen zu sein: an ‚Porno- und Gangsta-Rap‘ scheiden sich die Geister. Doch was macht diese Musik gewordene Pornograf isierung wirklich aus? Wie funktioniert sie und was bringt sie? Zwei Deutungsansätze.
Literatur
Bröckling, Ulrich (2004). Empowerment. In: Bröckling, Ulrich/Krassmann, Susanne/Lemke, Thomas (Hrsg.), Glossar der Gegenwart. Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 55-62.
Bröckling, Ulrich/Krassmann, Susanne/Lemke, Thomas (2000). Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Butler, Judith (1998). Haß spricht. Zur Politik des Performativen. Berlin: Berlin Verlag.
Duggan, Lisa/Hunter, Nan D. (1995). Sex Wars. Sexual Dissent and Political Culture. New York: Routledge.
Dworkin, Andrea (1981). Pornography. Men Posessing Women. London: The Women’s Press.Ferguson, Ann et al. (1984). Forum: The Feminist SexualityDebate. In: SIGNS: Journal of Women in Culture and Society 10/1, S. 106-125.
Flaßpöhler, Svenja (2007). Der Wille zur Lust. Pornografieund das moderne Subjekt. Frankfurt/Main/New York: Campus.
Franck, Georg (2007). Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. Müchen: dtv.
Haaf, Meredtih/Klingner, Susanne/Streidl, Barbara (2008). Wir Alphamädchen: Warum Feminismus das Leben schöner macht. Hamburg: Hoffmann und Campe.
Honegger, Claudia/Heintz, Bettina (1992). Listen der Ohnmacht. Zur Sozialgeschichte weiblicher Widerstandsformen. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt. Hunt, Lynn (Hrsg.) (1993). The Invention of Pornography: 1500-1800. Obcenity and the Invention of Modernity. Cambridge/Mass.: MIT Press.
Kappeler, Susanne (1986). The Pornography of Representation. Cambridge: Polity Press.
MacKinnon, Catherine/Dworkin, Andrea (Hrsg.) (1997).In Harm‘s Way: The Pornography Civil Rights Hearings. Cambridge, MA: Harvard University Press.
Pohl, Rolf (2004). Feindbild Frau. Männliche Sexualität, Gewalt und die Abwehr des Weiblichen. Hannover: Officin.
Rubin, Galye (1993). Misguided, Dangerous, and Wrong: An Analysis of Anti-Pornography Politics. In: Assiter, Alison/Avedon, Carol (Hrsg.), Bad Girls and Dirty Pictures: The Challenge to Reclaim Feminism. Boulder, Co.: Pluto, S. 18-40.
Stecklina, Gerd (2008). Grenzerfahrungen von Jugendlichen. Klosprüche, ‚sexuelle Verwahrlosung’ und peers. In: Sielert, U./ Schmidt, R.-B. (Hrsg.). Handbuch: Sexualpädagogik und sexuelle Bildung. Weinheim: Juventa, S. 437-446.
Stoehr, Irene (1989). PorNO-Kampagne und Frauenbewegung.In: Zeitschrift für Sexualforschung. 3/1989, S. 199-206.
Vinken, Barbara (Hrsg.) (1997a). Die nackte Wahrheit. ZurPornografie und zur Rolle des Obszönen in der Gegenwart.München: dtv.
Vinken, Barbara (1997b). Männer, Frauen, Pornographie. Publikumsbezogene Privatheit und weibliches Subjekt. In: dies. (Hrsg.). Die nackte Wahrheit. Zur Pornographie und zur Rolle des Obszönen in der Gegenwart. München: dtv, S. 149-159.
Villa, Paula-Irene (2010; i.E.). Pornofeminismus. Zur medialen Debatte um ‚feuchte’ und andere weibliche Körpergebiete. In: Soeffner, Georg (Hrsg.). Verhandlungen des 34. Kongresses der DGS (Deutsche Gesellschaft für Soziologie). Wiesbaden: VS.
Wüllenweber, Walter (2007). Voll Porno. www.stern.de/politik/deutschland/sexuelle-verwahrlosung-voll-porno-581936.html [Zugriff: 15.2.2010.].
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Paula-Irene Villa
Beitrag als PDFEinzelansicht
spektrum
Sabine Liebig und Ulf Kerber: Konvergente Medienwelten
Lassen sich digitale Medien, die Jugendliche hauptsächlich im außerschulischen Bereich nutzen, gewinnbringend für den Unterricht an Hauptschulen einsetzen? Das Projekt Burgschule gegen den Klimawandel zeigt, wie Schülerinnen und Schüler in einer Hauptschule lernen, mit den digitalen Medien, den kollaborativen Werkzeugen des Web 2.0 und Urheberrechten umzugehen, um gesellschaftliches Bewusstsein im Bereich Klimaschutz zu bewirken. Der Einsatz eines Fragebogens am Ende des Projektes zeigt den Lernzuwachs und die Nachhaltigkeit eines solchen Medieneinsatzes.
Literatur
Deutsches PISA-Konsortium/Baumert, Jürgen (Hrsg.) (2003). PISA 2000 – Ein differenzierter Blick auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Leske + Budrich.Downes, Stephen (2004). Educational blogging. EducauseReview 39(5), 14-26. www.educause.edu/ir/library/pdf/erm0450.pdf [Zugriff: 27.07.2009].
Djordjevic, Valie/Gehring, Robert A./Grassmuck, Volker/Kreutzer, Till/Spielkamp, Matthias (2008). Urheberrecht im Alltag – kopieren, bearbeiten, selber machen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
Ebersbach, Anja/Glaser, Markus/Heigl, Richard (2008). Social Web. Konstanz: UTB.
Holzkamp, Klaus (1993). Lernen. SubjektwissenschaftlicheGrundlegung. New York/Frankfurt: Campus.
Kerres, Michael (2002). Potenziale von Web 2.0 nutzen. In: Hohenstein, Andreas/Wilbers, Karl (Hrsg.), Handbuch E-Learning. Köln: Fachverlag Deutscher Wissenschaftsdienst.
Marotzki, Winfried (2003). Medienbildung und digitaleKultur. In: Magdeburger Wissenschaftsjournal Nr. 1-2, 8, 2003, S. 3-7.
Moser, Heinz (2008). Einführung in die Netzdidaktik.Baltmannsweiler: Schneider.
Riebel, Julia (2008). Spotten, Schimpfen, Schlagen ... Gewaltunter Schülern – Bullying und Cyberbullying. Landau: Empirische Pädagogik.
Siebert, Horst (2001). Selbstgesteuertes Lernen und Lernberatung. Neue Lernkulturen in Zeiten der Postmoderne.Neuwied: Luchterhand.
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Sabine Liebig, Ulf Kerber
Beitrag als PDFEinzelansichtBirgit Stark: Die Internetnutzung im Kontext von Lebenswelten
Zweifelsohne hat das Internet die dynamische Entwicklung im Mediensektor in den letzten Jahren stark geprägt. In kurzer Zeit hat es sich als ‚Schaltzentrale’ einer konvergenten Medienwelt etabliert. Die vorliegende Analyse konzentriert sich auf das Nutzungsverhalten in verschiedenen sozio-kulturellen Milieus. Seit 2001 wird in der österreichischen Media-Analyse eine Lebenswelten-Typologie zur Identifikation und Beschreibung von Lebensstilmustern erstellt. Die empirischen Belege verweisen auf digitale Ungleichheiten bei Internetzugang und -nutzung und geben ein differenziertes Bild der gesellschaftlichen Bedeutung des Mediums.
Literatur
Austrian Internet Monitor (2009). Frequenz der Internetnutzung. mediaresearch.orf.at/index2.htm [Zugriff: 15.02.2010]
Beck, Ulrich (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eineandere Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
Eichmann, Hubert (2000). Medienlebensstile zwischenInformationselite und Unterhaltungsproletariat. Wissensungleichheiten durch die differentielle Nutzung von Printmedien, Fernsehen, Computer und Internet. Frankfurt amMain: Peter Lang.
Hartmann, Peter (1999). Lebensstilforschung. Darstellung,Kritik und Weiterentwicklung. Opladen: Leske + Budrich.
Hradil, Stefan (2001). Eine Alternative? Einige Anmerkungenzu Thomas Meyers Aufsatz „Das Konzept der Lebensstilein der Sozialstrukturforschung“. In: Soziale Welt (52)3, S. 273-282.
Koschnick, Wolfgang J. (2004). Focus-Lexikon Österreich.München: Focus Magazin Verlag.
Lüdtke, Hartmut (1990). Lebensstile als Dimension handlungsproduzierter Ungleichheit. Eine Anwendung des Rational-Choice-Ansatzes. In: Berger, Peter A./Hradil, Stefan(Hrsg.), Lebenslagen, Lebensläufe, Lebensstile. Göttingen:Verlag Otto Schwartz & Co., S. 433-454.
Meyer, Thomas (2001). Das Konzept der Lebensstile inder Sozialstrukturforschung – eine kritische Bilanz. In: Soziale Welt (52) 3, S. 255-272.
Otte, Gunnar (2005). Hat die Lebensstilforschung eine Zukunft? Eine Auseinandersetzung mit aktuellen Bilanzierungsversuchen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (57) 1, S. 1-31.
Rössel, Jörg (2005). Plurale Sozialstrukturanalyse. Einehandlungstheoretische Rekonstruktion der Grundbegriffeder Sozialstrukturanalyse. Wiesbaden: VS Verlag.
Schulze, Gerhard (1992). Die Erlebnisgesellschaft. Frankfurtam Main: Campus Verlag.
Stark, Birgit (2008). Publikumsreaktionen auf die Vervielfältigung des Medienangebots: Zur Entwicklung derMediennutzung in Österreich. In: Hagenah, Jörg/Meulemann,Heiner (Hrsg.), Alte und neue Medien. Zum Wandelder Medienpublika seit den 1950er Jahren. Münster: Lit Verlag, S. 373-392.
Stark, Birgit/Rußmann, Uta. (2009). Soziale Ungleichheitim Internetzeitalter. Entwicklungstendenzen der Internetnutzung 1999-2007. In: Stark, Birgit/Magin, Melanie(Hrsg.), Die österreichische Medienlandschaft im Umbruch.Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, S. 191-215.
Verein Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen (2007): Media-Analyse 2007.
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Birgit Stark
Beitrag als PDFEinzelansichtJan Boelmann: Literarisches Lernen mit narrativen Computerspielen
Computerspiele dienen nicht nur der privaten Unterhaltung von Schülerinnen und Schülern zu Hause. Die meisten von ihnen erzählen auch Geschichten, die viel Potenzial bieten, im Unterricht besprochen und analysiert zu werden. So können im schulischen Rahmen anhand eines Mediums, das vielen Jugendlichen bereits vertraut ist, Untersuchungsstrategien vermittelt werden, die sich dann auch auf literarisches Lernen in anderen Kontexten übertragen lassen.
Literatur
Artelt, Cordula/Schlagmüller, Matthias (2004). Der Umgangmit literarischen Texten als Teilkompetenz im Lesen?
Dimensionsanalysen und Ländervergleiche. In: Schiefele,Ulrich et al. (Hrsg.), Struktur, Entwicklung und Förderungvon Lesekompetenz – Vertiefende Analysen im Rahmenvon PISA 2000. Wiesbaden: VS Verlag, S. 169-196.
Backe, Hans-Joachim (2008). Strukturen und Funktionendes Erzählens im Computerspiel. Eine typologische Einführung. Würzburg: Königshausen & Neumann.
Kringiel, Danny (2009). Computerspielanalyse konkret.Methoden und Instrumente – erprobt an Max Payne 2.München: Kopead-Verlag.
Martinez, Matias/Scheffel, Michael (2003). Einführung indie Erzähltheorie. München: Beck.
Neitzel, Britta (2000). Gespielte Geschichten. Strukturundprozessanalytische Untersuchungen der Narrativitätvon Videospielen. Weimar: Univ. Diss.
Spinner, Kaspar (2006). Literarisches Lernen. PraxisDeutsch, 200, S. 6-17.
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Jan Boelmann
Beitrag als PDFEinzelansichtBeate Weyland und Johann Kiem: Teleacademy
Blended Learning, auch integriertes Lernen genannt, ist eine Lernform, bei der die Vorteile des klassischen Frontal- bzw. Präsenzunterrichts mit denen des E-Learning kombiniert werden. Anhand des Versuchsprojektes Teleacademy der Freien Universität Bozen werden Chancen und Risiken reflektiert, die sich bei der Unterstützung der Präsenzdidaktik durch Online-Aktionen ergeben. Dabei wird auch den praktischen Erfahrungen der Studierenden Aufmerksamkeit geschenkt.
Literatur
Botta, Paolo (Hrsg.) (2003). Capitale umano online: le potenzialità dell’e-learning nei processi formativi e lavorativi.Mailand: Franco Angeli.
Bruner, Jerome S. (1972). Dopo Dewey. Il processo diapprendimento nelle due culture. Rom: Armando. Orig. 1960. The Process of Education. Cambridge: Harvard University Press.
Carletti, Anna/Varani, Andrea (Hrsg.) (2005). Didatticacostruttivista: dalle teorie alla pratica in classe. Trient: Erickson.
Garavaglia, Andrea (2006). Ambienti per l’apprendimentoin rete: gli spazi dell’E-learning. Azzano San Paolo: EdizioniJunior.
Hüttenegger, Georg (2006). Open Source KnowledgeManagement. Berlin: Spring
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Beate Weyland, Johann Kiem
Beitrag als PDFEinzelansichtMarkus Decker: Pauschale Kritik vermeiden
Die öffentliche Debatte über Computerspiele wird vehement geführt. Gerade nach spektakulären Gewalttaten Jugendlicher bestimmen oft Stichworte wie „Killerspiele“ oder „Spielsucht“ die Schlagzeilen. Diese Auseinandersetzungen gründen sich jedoch leider nicht immer auf den nötigen Sachverstand. In jüngerer Zeit formiert sich zunehmender Widerstand der Computerspielerinnen und -spieler gegen die in ihren Augen einseitige Berichterstattung in vielen Medien. Einige gängigeArgumente der Diskussion sollen auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden.
Literatur
Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware(2007). Spieler nach Altersgruppen im Jahr 2007. www.biuonline.de/f ileadmin/user/dateien/BIU__Marktzahlen_Jahr_2007.pdf [Zugriff: 11. 6. 2009].
Deutscher Kulturrat (2009). Computerspiele: Innenministergreifen erneut in der Mottenkiste der Verbotsdebatten.www.kulturrat.de/detail.php?detail=1578&rubrik=2[Zugriff: 11. 6. 2009].
Lutz, Martin (2009). Innenminister wollen die Killerspieleverbieten. www.welt.de/politik/article3866764/Innenminister-wollen-die-Killerspiele-verbieten.html [Zugriff: 11. 6. 2009].
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Markus Decker
Beitrag als PDFEinzelansicht
medienreport
Tilmann P. Gangloff: Es kann nur besser werden
Der Rundfunkrat des MDR hat grünes Licht für die Online-Pläne des KI.KA gegeben, die Projekte kikaninchen.de und die Mediathek KIKAplus zu starten. Gerade an das Vorschulportal werden große Hoffnungen geknüpft. Eine Analyse vergleichbarer Internetportale zeigt, dass ein fundiertes, auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der jungen Nutzerinnen und Nutzer ausgerichtetes Angebot überfällig ist: Die meisten Veranstalter scheinen die Kinder vor allem für die spätere Nutzung von Video- und Computerspielen ausbilden zu wollen.Die ARD-Kinderseite (www.kinder.ard.de) ist so etwas wie das Einstiegsportal zu den Angeboten für Kinder aller ARD-Anstalten. Vorschultauglich allerdings sind nur wenige, rundum empfehlenswert allein die beiden Angebote des WDR. Der Web-Auftritt des Kinderklassikers Die Sendung mit der Maus (www.wdrmaus.de) bietet einreichhaltiges, auf die Zielgruppe zugeschnittenes Angebot.
Die Seite ist ein wahrer Tummelplatz, auf dem man immer wieder neue überraschende Angebote findet. Neben Lach- und Sachgeschichten bietet sie je rund ein Dutzend Spiele, Ausmalvorlagen, Bastelanleitungen und Rezepte. Die Spiele sind überwiegend lustiger Zeitvertreib. Pädagogisch ausgereifter ist die Seite mit dem Elefanten (www.wdrmaus.de/elefantenseite), die auf den gleichen Grundsätzen wie die Sendung mit dem Elefanten basiert. Zu jedem einzelnen Angebot gibt es einen Elternbereich mit Informationen über die jeweiligen Lernziele. Die Seite ist insgesamt stärker auf Online-Anfängerinnen und -Anfänger ausgerichtet als die Maus-Website. Die Navigation ist einfach und leicht zu durchschauen. Sympathisch ist auch die reduzierte Anmutung.
Die Spiele sind für Online-Anfängerinnen und -Anfänger leicht zu durchschauen, da eine Kinderstimme die Regeln erklärt. Auch die Sandmännchen-Seite des RBB (www.sandmann.de) hält ein reichhaltiges Angebot bereit, das von Information über verschiedene Filmfiguren bis zu Geschichten reicht, die sich die Kinder erzählen oder von Eltern vorlesen lassen können. Viele Spiele sind schlichte Formen von Jump & Run-Games, bei denen die Figuren vorwärtsstrebend Hindernissen ausweichen müssen. Die Seiten der anderen ARD-Sender richten sich meist an Kinder im Grundschulalter, ebenso tivi.de, die Kinderseite des ZDF. Der sparsame Vorschulbereich ist nicht mal ausdrücklich ausgewiesen und ebenso wenig mit dem großen Spektrum der Elefantenseite zu vergleichen wie der Vorschulbereich im KI.KA, der mit seiner bunten Aufmachung an kommerzielle Angebote erinnert: Die Glücksbärchis würden besser zu Super RTL passen. Die entsprechende Website ist genauso bonbonbunt und infantil wie die Serie. Einige der Herausforderungen hingegen dürften selbst jüngste Nutzerinnen und Nutzer unterfordern. Ungleich komplexer, aber dafür nicht gratis ist der Toggolino Club von Super RTL (www.toggolinoclub.de).
Nicht zu Unrecht fürchtet der Sender angesichts der Pläne für kikanichen.de um seine Pfründe. Der Club richtet sich an Drei- bis Siebenjährige und bietet unter anderem rund 130 (Lern-)Spiele. Die jährlichen Kosten betragen 69 Euro. Nach Angaben von Super RTL hat der Toggolino Club derzeit 70.000 Abonnentinnen und Abonnenten. Die Spiele sind rund um die Figuren der Vorschulserien des Senders gestaltet. Der angekündigte Mehrwert klingt mitunter jedoch vielversprechender, als die Spiele halten können; die sind zum Teil hinsichtlich der Animation wie auch des Einfallsreichtums doch eher schlicht. Es kann also nur besser werden.
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Tilmann P. Gangloff
Beitrag als PDFEinzelansichtTilmann P. Gangloff: Keine weiteren Fragen
Wenn Thomas Gottschalk heute verkünden würde, im Sommer sei Schluss mit Wetten, dass..? – So richtig überrascht wäre niemand. Die Ankündigung Willi Weitzels, sich aus dem Kinderfernsehen zurückzuziehen, wird zwar kaum vergleichbare Wellen schlagen, ist für die Zielgruppe aber ein ungleich größerer Verlust. Gottschalks Quoten bröckeln schließlich schon seit geraumer Zeit, von der immer wieder unterstellten Amtsmüdigkeit ganz zu schweigen. Weitzels Status im Kinderfernsehen ist ein ganz anderer. Sein Nimbus entspricht längst der Rolle, die einst Peter Lustig (Löwenzahn) im Leben heutiger Erwachsener spielte.Weitzel, dessen Reportagereihe Willi wills wissen unter anderem mit dem Robert-Geisendörfer-Preis, dem Erich-Kästner-Preis und dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet worden ist, hat nicht nur Kinder, sondern auch Eltern stets durch Unbefangenheit und Natürlichkeit beeindruckt. Seine Authentizität war die Basis für den Erfolg: Man hat ihm immer abgenommen, dass seine Neugier nicht bloß gespielt war, wenn er bei Polizei, Feuerwehr und Müllabfuhr hinter die Kulissen schaute. Weitzel war nie bloß dabei, sondern immer auch mittendrin. In der preisgekrönten Folge über Obdachlose hat er gemeinsam mit Stadtstreichern im Park übernachtet und ist bei einem Überfall verletzt worden.
In der Reihe Willis VIPs hat er die Zielgruppe mit Reportagen über Anne Frank oder den Auschwitz-Überlebenden Max Mannheimer auch mit unbequemen Themen konfrontiert. Damit ist nun Schluss: Willi wills nicht mehr wissen. „Ich bin acht Jahre lang für 180 Ausgaben von Willi wills wissen quer durch Deutschland und die halbe Welt gereist; jetzt habe ich das Gefühl, dass mir keine Fragen mehr einfallen.“ Weitzel hat sich den Abschied nicht leicht gemacht, zumal er sich seiner Verantwortung durchaus bewusst ist: „Am liebsten würde ich jeden Fan persönlich trösten.“ Eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für den Rücktritt hat seine Tochter gespielt: Seit ihrer Geburt vor eineinhalb Jahren hat Weitzel, mittlerweile 37, das Gefühl, er sei auf die Seite der Erwachsenen gewechselt. Als er kürzlich von dreiwöchigen Dreharbeiten in Island zurückkehrte, stand sein Entschluss fest: „Was hat meine Tochter davon, dass mich die Kinder lieben, sie selbst ihren Papa aber öfter im Fernsehen als zuhause erlebt?“ Weitzel nimmt sich mit seinem Rückzug eine „kreative Auszeit“. BR-Redakteur Andreas M. Reinhard gibt allerdings die Hoffnung nicht auf, dass sein Schützling irgendwann ins Kinderfernsehen zurückkehrt: „Wenn Willi jetzt kürzer treten und über sich und seine Rolle reflektieren will, so verstehen und respektieren wir das natürlich. Aber wir wissen alle, dass man sich auch im Berufsleben immer mindestens zweimal trifft.“ Reinhard versichert, man werde jetzt nicht nach einem neuen „Willi“ suchen.
Betroffen von dem Rücktritt ist natürlich auch der KI.KA, der sämtliche Formate mit Weitzel ausstrahlt. KI.KA -Geschäftsführer Steffen Kottkamp verliert eines seiner Zugpferde, aber auch er hat Verständnis für Weitzels Entschluss: „Willi hat unglaublich viele Talente. Er ist Lehrer, Reporter, Moderator und Schauspieler. Er schafft es auf unnachahmliche Weise, die Perspektive der Kinder einzunehmen. Nicht zuletzt deshalb wird er von ihnen geliebt: Er ist eben wie sie. Da kann man sich auch mal eine kleine Auszeit nehmen.“
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Tilmann P. Gangloff
Beitrag als PDFEinzelansichtLisa Geiger: Oh du wunderschöne Mongolei
Wer kennt nicht das schöne Gefühl, wenn man etwas verloren Geglaubtes wiederfindet? Oder die Freude, wenn sich etwas Getrenntes wieder zusammenfügt? Das Glück, wenn eine schier unmögliche Hoffnung doch erfüllt wird?Urna zumindest, die Hauptfigur des Kinofilmes Das Lied von den zwei Pferden, glaubt an diese Gefühle und sehnt sich genau danach: Ein fast unmögliches Versprechen, das sie einst ihrer Großmutter gab, doch noch einzulösen und mit Hilfe der Verse des Liedes Die zwei Pferde des Dschingis Khan die alte, zerstörte Pferdekopfgeige der Familie so realitätsgetreu wie möglich nachbauen zu lassen. Voller Neugierde und Enthusiasmus begibt sie sich auf ihre Reise in die äußere Mongolei, wo während der chinesischen Kulturrevolution die geliebte Geige ihrer Großmutter fast ganz vernichtet wurde. Nur die wertvollen Überreste des Pferdekopfes und Teile des Pferdehalses, in die die Verse des uralten, volkstümlichen Liedes eingraviert sind, konnten gerettet werden und bilden den Leitfaden ihrer Suche. Atemberaubende Landschaften, unendliche Weiten, der fühlbar donnernde Galopp von Pferdeherden und wehmütige Gesänge begleiten Urna auf ihrer Entdeckungsreise zu den unterschiedlichen Einwohnerinnen und Einwohnern der Mongolei. Von einem berühmten Pferdekopfgeigenensemble in der Hauptstadt Ulaanbaatar über einen Pferdezüchter in der mongolischen Steppe bis zu einem Schamanen, der sie in spirituelle Welten entführt und einer uralten Sängerin in den Bergen, die sie Geduld und Durchhaltevermögenlehrt.
Urnas Reise wird zu einer persönlichen Erfahrung, die Niederlagen und Erfolge, Hoffnung und Verzweiflung beinhaltet, doch durch ihre Musik und durch die Hilfe und Unterstützung vieler wohlmeinender Menschen schöpft die Sängerin immer wieder erneut Kraft. Doch Urnas Reise symbolisiert auch die Geschichte der Mongolei, den Wandel des Landes und die Konflikte der inneren und äußeren Mongolei, die dokumentiert und immer wieder metaphorisch mit Hilfe des gesuchten Liedes aufgearbeitet werden: Die zwei Pferde des Dschingis Khan sehnen sich nach ihrer Herde. Wenn der Schnee auf den Bergen schmilzt, finden die Brüder wieder nach Hause.Gerade die Gratwanderung des Landes zwischen Traditionsverbundenheit und Fortschritt stehen dabei immer wieder im Fokus. Volkstanzaufführungen und mobile Kommunikation, moderne Straßen und urtümliche Natur, Stadt und Land verdeutlichen diesen Konflikt. Urnas Reise ist von der Melancholie und der Kraft der typisch mongolischen Musik begleitet. Byambasuren Davaa, die Regisseurin von Die Geschichte vom weinenden Kamel und Die Höhle des gelben Hundes versucht in ihrem dritten Film Das Lied von den zwei Pferden, der seit 4. März 2010 in den deutschen Kinos zu sehen ist, den Blickpunkt vermehrt auf die musikalische Tradition ihres Heimatlandes und die damit verbundene nationale Identität zu legen.
Den Zuschauerinnen und Zuschauern soll die Kultur und Lebensweise des mongolischen Volkes näher gebracht werden. Diesmal jedoch steht nicht die Lebensform der Nomaden im Vordergrund, sondern die Suche einer ‚Fremden’ nach ihren eigenen kulturellen Wurzeln. So wird Urnas Suche nach dem verloren geglaubten Lied zum Symbol der Suche nach den verloren geglaubten Traditionen des Landes und der Vereinung eines ‚zerbrochenen’ mongolischen Landes, das nicht getrennt, vertrieben oder gespalten bleiben soll, sondern sich langsam wieder vereinigt. Gleichzeitig wird aber auch die Bedrohung durch den Fortschritt und die oftmals damit verbundene Ausbeutung von Rohstoffen in der heutigen Zeit, wie hier dem Goldabbau, kritisch beleuchtet. So werden im Film unterschiedliche Problematiken angesprochen und Fragen aufgeworfen. Müssen Dinge wirklich erst zerstört werden, damit Neues entstehen kann? Die Botschaft könnte lauten, dass der Kreislauf der Zerstörung unterbrochen werden muss, damit das kulturelle Erbe eines Volkes mit Weltgeschichte nicht in Vergessenheit gerät. Aber auch Vertreibung und Spaltung müssen länder- und kulturübergreifend bekämpft werden. Der Film Das Lied von den zwei Pferden, ist eine Geschichte vom Finden und Suchen eines verlorenen gegangenen Schatzes, einer beinahe verloren gegangenen Kultur und Geschichte eines Landes und stellt eine Bereicherung für Kinobesucherinnen und Kinobesucher jeden Alters dar. Egal ob Schülerinnen oder Schüler, Erwachsene, Kultur- oder Geschichtsinteressierte, die Verbindung von Dokumentarfilm und Spielfilm bietet die Möglichkeit, Einblicke in die Geschichte, die Völkerkunde und die Kultur, wie zum Beispiel die Musik des mongolischen Volkes, zu erhalten.
Aber auch moralische, politische und individuelle Fragen werden beleuchtet. Welche Bedeutung hat das Miteinander? Welche Folgen haben Zerstörung und Ausbeutung? Welche Wirkung haben Geduld und Durchhaltevermögen? Welche Bedeutung hat der Erfahrungsschatz der älteren Generation? Wie kann Teilung überwunden werden und Wiedervereinigung gelingen? Der Film hat keine Altersbegrenzung, wobei jedoch diemelancholische Stimmung und die spirituellen Rituale des Schamanen von jüngeren Kindern als bedrohlich und beängstigend empfunden werden können. Eltern könnten jedoch gemeinsam mit ihren Kindern ab dem älteren Grundschulalter einen Kinobesuch antreten, um ihnen Einblicke in fremde Welten und Kulturen, abseits der westlichen Konsumgesellschaft zu ermöglichen, für die sich möglicherweise nicht alle Kinder oder Jugendlichen automatisch interessieren. Als Schulmaterial kann der Film im Unterricht der Mittel- und Oberstufe ebenfalls brauchbare Themenschwerpunkte setzen und somit als Hilfsmittel dienen. Was bleibt nun noch groß zu sagen, außer Oh du wunderschöne Mongolei, nimm uns mit auf eine Reise, die zum Träumen und Nachdenken anregt, in unbekannte Welten entführt und uns mit atemberaubenden Naturaufnahmen und berührenden Liedern verzaubert.
Das Lied von den zwei Pferden
Deutschland 2009, 91 min
Regie: Byambasuren Davaa
Darsteller: Urna Chahar-Tugchi, Hircheengui Sambuu,Chimed Dolgor
Produktion: Grasland F ilm GbR, Atrix Films & DavaaByambasuren MünchenBeitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Lisa Geiger
Beitrag als PDFEinzelansichtMarkus Achatz: „Frozen Land – Moving Pictures“
Tromsø liegt auf 69,7 Grad nördlicher Breite, 344 Kilometer Luftlinie nördlich des Polarkreises. In der zweiten Januarhälfte wird die Polarnacht allmählich kürzer und immerhin drei bis vier Stunden täglich wird es etwas heller im hohen Norden Norwegens. Ein idealer Zeitpunkt fürs Kino und gleichzeitig, um ein paar Stunden täglich die imposanten Berge und Fjorde rund um Tromsø zu bestaunen. „Gefrorenes Land – bewegende Bilder“ – so das Motto des beinahe exotischenTromsø International Filmfestivals TIFF. Seit nunmehr zwanzig Jahren ändert die Stadt mit ihren 65.000 Einwohnerinnen und Einwohnern für eine Woche im Winter den gewohnten Polarnacht-Rhythmus und wird zum Schauplatz einer der wichtigsten Filmveranstaltungen in Skandinavien. Ohnehin gilt Tromsø als heimliches Kulturzentrum Norwegens, schließlich gibt es hier nicht nur eine hohe Dichte an Kneipen und Cafés, sondern auch die nördlichste Universität und die nördlichste Bierbrauerei der Welt. Und nirgendwo sonst ist die Wahrscheinlichkeit höher, nahe an einer Stadt die sagenumwobenen Polarlichter am Himmel zu erleben.
Unter der Aurora
Auf dem TIFF 2010 zwischen dem 18. und 24. Januar liefen zahlreiche Produktionen als skandinavische oder zumindest norwegische Erstaufführungen. Das Programm setzte sich aus den Sektionen „Horizonte“, „Overdrive“, „Critic’s Week“ sowie einer Retrospektive der französischen Regisseurin Claire Denis (z. B. Chocolat – Verbotene Sehnsucht, 1988, Nénette et Boni, 1996, White Material, 2009) zusammen. Kernstücke des Festivals sind der Wettbewerb um den AURORA-Filmpreis und die Reihe „Films From The North“. Hier werden neue Kurz- und Dokumentarf ilme aus der Polarregion gezeigt – vornehmlich Produktionen, die in den nördlichsten Regionen Europas entstanden sind. Der Wettbewerb präsentierte 15 Filme aus 13 Ländern – allesamt norwegische Premieren. Unter ihnen der türkische Film "10 to 11" der Regisseurin Pelin Esmer und "Hadewijch" des Franzosen Bruno Dumont. Der mit 100.000 norwegischen Kronen (ca. 12.500 Euro) dotierte AURORA-Preis für den besten Wettbewerbsbeitrag ging an den Thriller "Die Tür" (The Door) des deutschen Regisseurs Anno Saul. Neben dem AURORA-Filmpreis wird im Rahmen des TIFF regelmäßig auch der norwegische Friedensfilmpreis vergeben. Diesen erhielt dieses Jahr der georgisch-kasachische Film "Gagma Napiri" (Das andere Ufer, 2009) von George Ovashvili, der bereits auf der Berlinale 2009 in der Sektion GENERATION lief (siehe Artikel „Grenzübertritte“ in merz 2-2009).
Films From The North
Die umfangreichste und gleichzeitig speziellste Programm-Sparte des TIFF bilden die „Filme aus dem Norden“. Die knapp 50 Kurzfilme und Dokumentationen stammen alle aus Finnland, Schweden, Norwegen und Russland; Filme, die in der Regel in den Polargebieten spielen oder zumindest dort produziert worden sind und häufig nirgendwo sonst zu sehen sind. Im 13-minütigen Feature-Film "Superhelter har ikke leggitid" (My Superhero) des jungen norwegischen Regisseurs Jim Hansen ist der sechsjährige Bent die Hauptfigur. Sehnsüchtig wartet Bent auf die Rückkehr seines Vaters, der sich auf einer Geschäftsreise befindet, jedoch nicht kommt. Im Verhalten seiner Mutter erkennt der Junge, dass etwas nicht in Ordnung ist. Wann soll er ihr die Frage stellen, die ihm am meisten Angst macht? Behutsam und eindringlich schildert Jim Hansen das tragische Moratorium zwischen der Meldung eines Unglücks und der schrecklichen Gewissheit. Hansens Film konzentriert sich auf die beiden Protagonisten Mutter und Sohn. Die Sicht des kleinen Jungen, der vieles noch nicht begreifen kann, aber dennoch merkt, dass etwas Schlimmes geschehen ist, bildet den Mittelpunkt der Geschichte. Traditionell stammen mehrere Beiträge der Reihe „Films From The North“ aus der Nordland Kunst- og Filmfagskole in Kabelfåg. Die kleine Filmhochschule in den norwegischen Lofoten bereichert regelmäßig die skandinavische Filmszene mit Kurzfilmen. "Duett" (Duet) von Ragna Nordhus Midtgard ist ein solcher Beitrag. Der Pianist Lucas ist ein verschrobener Einzelgänger, der seine Wohnung nicht verlässt und auch niemanden hineinlässt. Dem kleinen Nachbarssohn gelingt es, allmählich in Lucas‘ Welt zu gelangen. Häufig spielt der Junge mit bunten Flummis im Treppenhaus. Seine Eltern haben ständig Streit, den Nachbar Lucas in seiner Wohnung mithören muss. Stets beginnt er dann Klavier zu spielen. Obwohl das Klavier furchtbar verstimmt ist, hört der Junge im Treppenhaus gerne zu. Durch seine beharrliche Neugier nach dem unbekannten Klavierspieler, weckt er auch Lucas‘ Interesse. Zunächst kommunizieren die beiden nur über den Austausch der Flummis durch den Briefschlitz. Bis Lucas dem Jungen irgendwann die Türe öffnet und dieser endlich auch einmal ans Klavier darf.
Regisseurin Ragna Nordhus Midtgard beweist mit "Duett" ihr großes Talent im Umgang mit den Figuren. Licht, Kamera und Szenenbild an beiden Motiven – Treppenhaus und Lucas‘ Wohnung – erzeugen eine warme und intensive Atmosphäre. Torfinn Iversen ist ebenfalls Absolvent der Filmhochschule in Kabelfåg. Mit seinem vierten Kurzfilm "Forventninger" (A Tale of Balloons) nahm er am diesjährigen TIFF teil. Auch hier steht ein Junge im Mittelpunkt. Der siebenjährige Tim ist sehr aufgeregt, denn es ist Norwegens Nationalfeiertag und er möchte unbedingt mit seiner Mutter zur Parade gehen. Am Vorabend fand in der Wohnung eine Party statt und als Tim von der Mutter ins Bett geschickt wurde, schlich er sich vor die Tür und lernte den „Ballonmann“ kennen, der in einem Wohnwagen wohnt und Luftballons mit Gas füllt. Von ihm lernt Tim, dass auch Gedanken fliegen können – genauwie Ballons. Am nächsten Morgen ist Tim schon früh wach und versucht seine Mutter zu bewegen, mit ihm zum „National Day“ zu gehen, doch sie ist nach der Party des Vorabends nicht ansprechbar. Vielleicht können die Ballons auch seine Mutter zum Fliegen bringen? Der 15-minütige Kurzfilm "Forventninger" zeigt die intensive Vorstellungskraft eines Kindes, bei der Fantasie und Wirklichkeit verschmelzen. Ein weiterer Film mit einem heranwachsenden Protagonisten ist aus dem Programm hervorzuheben: diesmal eine junge Frau, die als einzige Figur im Zentrum von "Lumikko"(Little Snow Animal) steht. Der Film der jungen Regisseurin Miia Tervo aus Finnland beginnt mit einem Radiogespräch aus der realen Talkradio-Sendung Night Line. Der Moderator spricht mit einem anonymen 16-jährigen Mädchen, das sich unter großem psychischen Druck befindet, mit der Schule nicht zurechtkommt und vor allem nach einer Affäre mit dem Freund der Mutter einer Klassenkameradin nicht mehr weiter weiß. Die Konversation ist unterlegt mit abstrakten schwarz-weiß Zeichenanimationen und wird unterbrochen durch Filmszenen einer jungen Frau, die allein und schweigend auf dem Sofa sitzt oder durch die Wohnung läuft. In einer anderen Szene sehen wir sie einsam auf der Tanzfläche einer leeren Diskothek. Der Film kombiniert die stilisierten Großeinstellungen der jungen Frau in ihrem vermeintlichen Alltag mit dem bedrückenden Dialog zwischen dem verzweifelten Mädchen und dem Radiomoderator. Durch die Vermischung von Spielfilmelementen mit dokumentarischen und animierten Anteilen gelingt es der Regisseurin, eine große Spannung aufzubauen.
Open-Air-Kino in einer neuen Dimension
Seit Jahren liegen Open-Air-Kinovorführungen im Trend. Großveranstaltungen mit Kinofilmen unter freiem Himmel begleiten unsere Sommermonate. Das TIFF führte dieses Veranstaltungsformat in eine neue Dimension. Zweimal täglich liefen auf der „Snowscreen“ mitten in Tromsø Filme für jedermann. Vormittags wurden Kurzfilme für Schulklassen gezeigt – zumeist Zeichentrickfilme – und nachmittags eine Auswahl an Kurzfilmen. Ein Highlight war die Vorführung des Stummfilms "Nanook of the North" (Nanuk, der Eskimo, 1922) von Robert J. Flaherty mit Livemusik. Der schwedisch-norwegische Komponist Matti Bye hat für "Nanook" neue Musik komponiert und live zur Vorführung in Tromsø präsentiert. Nahe der Schneeleinwand spielte die Band in einem Ladengeschäft hinter einem hell erleuchteten Schaufenster und intonierte den Film mit Musik und Geräuschen. Der Stummfilm handelt von einer Inuit-Familie, die im Gebiet der Hudson Bay in Kanada lebte und im rauen Klima ums tägliche Überleben kämpfte. Die weite Schneelandschaft und die in den 20er-Jahren bahnbrechende Kameraarbeit unter den extremen Lichtverhältnissen erzeugte in der eindrucksvollen Kulisse Tromsøs eine besondere Stimmung. Mehr als einhundert Besucherinnen und Besucher bestätigten, dass Open-Air-Kino auch unter den ungewohnten Bedingungen der Arktis bei deutlichen Minusgraden zu einem einzigartigen Erlebnis werden kann.
Superhelter har ikke leggitid (My Superhero)
Norwegen 2009, 13 min
Regie: Jim Hansen
Produktion: Sweet FilmsDuett (Duet)
Norwegen 2009, 12 min
Regie: Ragna Nordhus Midtgard
Produktion: Nordland Kunst- og FilmfagskoleForventninger (A Tale of Balloons)
Norwegen 2009, 15 min
Regie: Torf inn Iversen
Produktion: Nordland Kunst- og FilmfagskoleLumikko (Little Snow Animal)Finnland 2009, 19 min
Regie: Miia Tervo
Produktion: University of Art and Design HelsinkiBeitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Markus Achatz
Beitrag als PDFEinzelansichtSaloua Chaatouf: Die Antike. Kelten, Griechen, Römer.
Kuck mal! Die Antike. Kelten, Griechen, Römer – Die Kulturgeschichte der Menschheit für Kinder ab 8.
DVD für Win/Mac. München: USM-Verlag, 2008, 24,95 €
Woher kamen die Etrusker? Wie kolonisierten die Römer Europa? Woran glaubten die Kelten? Mit diesen und vielen anderen Fragen beschäftigt sich die Lernsoftware Kuck mal! Die Antike. Zu Beginn wählt die Spielerin oder der Spieler eine Figur aus und gibt ihr einen Namen und schon kann die Entdeckungsreise in die Vergangenheit beginnen. Ein neugieriger virtueller Reiseführer namens Klick begleitet die Spielerinnen und Spieler durch das Programm – und in die Antike. In 13 Kapiteln erfährt man Wissenswertes über das Leben und die Kultur der „Kelten, Griechen und Römer“. Die spielerische Expedition führt die kleinen Abenteurerinnen und Abenteurer vor den Bildschirmen sogar bis nach China und Mittelamerika. Über 300 Kunstobjekte, unter anderem aus den Bereichen der Architektur und Skulptur mit Detailansicht und Steckbrief, diverse Spiele und über 30 Minuten filmische Animation veranschaulichen die Epoche.
Vor allem in kurzen und kurzweiligen Spielen und Rätseln können junge Geschichte-Fans die Antike und die Eisenzeit erforschen. „Kelten Memo“ zum Beispiel ist Memory mit keltischen Instrumenten und Figuren und bei „Statopolis“ müssen Prachtbauten auf den richtigen Platz des vorgegeben Geländes gesetzt werden. Klick kommentiert das Vorgehen der Spielerin oder des Spielers und stellt im Spiel „Skulptur-Pantomime“ die Skulpturen selbst nach, die Nutzerinnen und Nutzer aus einer Reihe von bekannten Statuen auswählen. Der pfiffige Moderator und Reiseführer Klick will alles wissen und fragt so lange nach, bis es bei den Nutzerinnen und Nutzern im buchstäblichenSinne „klick“ macht. Er zeigt, wie man sich zurecht findet und unterbricht den Erzähler, um nachzuhaken. Bleiben dennoch Verständnisfragen offen, so kann man diese mittels des Lexikons, das über 100 Fachbegriffe enthält, oder anhand der Zeitleiste und des interaktiven Kartenmaterials klären. Mit Kuck mal! Die Antike konzipiert die Multimedia-Abteilung des Louvre die dritte Folge der Lernspielreihe nach Kuck mal! Die Steinzeit und Kuck mal! Das alte Ägypten.
Die DVD läuft ganz ohne Installation auf allen handelsüblichen PCs und Macs. Die Lernsoftware ist sehr vielseitig und kreativ und bietet so eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich das Thema anzueignen und es für Kinder und Jugendliche interessant zu machen. Hin und wieder wirken aber die vielen Anwendungsmöglichkeiten überladen und zudem ist es fraglich, ob Kinder ab acht Jahren die nötige Medienkompetenz und das Verständnisvermögen mitbringen, um etwa die Texte im Lexikonstil zu verstehen.
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Saloua Chaatouf
Beitrag als PDFEinzelansichtElisabeth Jäcklein-Kreis: Farbenfrohes für die Ohren
Brigitte Jünger: Kunst-Stücke für Kinder. Franz Marc. Die gelbe Kuh.
Dortmund: Igel Records. Hörspiel-CD, 51 Min, 12,95 €„Gelbe Kühe können singen,fröhlich über Wiesen springen.Grasen munter zwischen Bäumenund verstehen es zu träumen.Ja wovon?Wer weiß das schon.Etwa von hellgrünen Höhen,die nur gelbe Kühe sehen?Blauen Pferden, roten Kälbern oder blauemAbendlicht?“Ob sie wirklich singen konnte, wird vermutlich nie jemand erfahren – sicher ist aber etwas anderes, nämlich dass die ‚Gelbe Kuh’ des expressionistischen Malers Franz Marc (1880-1916), die auf dem gleichnamigen Bild scheinbar so heiter zwischen blauem, grünem, rotem und orangem Gras umher springt und in sich hinein zu lächeln scheint, ihre Betrachterinnen und Betrachter bis heute zu faszinieren und zu erstaunen vermag. Und das ganz gleich, ob diese Staunenden nun zehn, zwanzig oder neunzig Jahre Lebenserfahrung mitbringen.Doch hinter dem scheinbaren Farbenwirrwarr des Bildes, das einen auf den ersten Blick gefangen nimmt, verbirgt sich natürlich viel mehr: Die ganze Lebensgeschichte, Weltanschauung und das Kunstverständnis seines Schöpfers spiegeln sich in diesem Gemälde wieder.
Erkennen und nachempfinden kann das aber vermutlich nur, wer Franz Marc kennt, wer etwas weiß über seine Lebensgeschichte, seine künstlerische Entwicklung und seine Beziehung zu den Farben. Dem bzw. der bislang Unbedarften bleiben dahin allerdings nur wenige Möglichkeiten: viele Semester in Hörsälen sitzen und Kunstgeschichte studieren, sich nächtelang durch dicke Franz Marc-Biografien blättern – oder einfach jemandem zuhören, der sich damit auskennt und gerne und gut erzählt. So jemanden bietet im Moment zum Beispiel der Igel-Genius-Verlag in Zusammenarbeit mit Deutschlandradio Kultur: Brigitte Jünger, Germanistin, Psychologin, Autorin und Kunstgeschichte-Expertin. Aus ihrer Feder stammt nämlich die Hörspiel-Reihe Kunst-Stücke für Kinder, in der verschiedene Kunstwerke für nachwachsende Kunst-Fans ab acht Jahren kindgerecht und kurzweilig beschrieben, erklärt und interpretiert werden. Mittlerweile fünf CDs hat sie produziert und bringt ihren jungen – aber sicher auch älteren – Zuhörerinnen und Zuhörern so bereits van Goghs Zugbrücke, van der Weydens Dreikönigsaltar, da Vincis Mona Lisa und Rembrandts Nachtwache nahe. Dazu findet man in jeder Ausgabe das jeweilige Bild etwa im DIN-A-4 Format zum Aufklappen im Booklet und auf der CD etwas weniger als eine Stunde gesprochenen Text – Informationen und Fakten zu Künstlern und Bildern, kurze, nachempfundene Dialoge sowie Zitate der jeweiligen Hauptperson. Und dieser Text ist so interessant und ansprechend, dass die feingeistigen Hörspiele sogar bereits drei Preise eingeheimst haben: Mona Lisa und die Nachtwache können sich jeweils mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik schmücken, die auditive Annäherung an die schöne Mona Lisa wurde zudem mit dem Auditorix Qualitätssiegel für Hörbücher ausgezeichnet.
Franz Marc und seine bunten Tiere, respektive das Hörspiel dazu, ist zwar bislang nicht preisgekrönt, steht den anderen CDs der Reihe aber dennoch in nichts nach. In neun Kapiteln wird auf der CD das Leben des Künstlers nacherzählt, die Zuhörerinnen und Zuhörer begleiten ihn durch seine anregende Kindheit im bayerischen Voralpenland, in die identitätsstiftende Bundeswehrzeit und bis an die Kunsthochschule, dann weiter zum wilden Künstlerleben nach Paris und ins erhellende Völkerkundemuseum nach Berlin. Dabei nimmt das Hörspiel einen mit in die traurigen und schweren Momente, wenn Marc versucht, sein Leben ‚mit Farben zuzudecken’ und in die schönen Zeiten, wenn er seinen eigenen Stil findet, mit Farben experimentiert, die Welt durch die Augen der Tiere sieht und begeistert ausruft: „Zurück zur Natur! Zum allereinfachsten. Alles andere lenkt nur ab!“ Man staunt mit Marc über das Pariser Leben, entdeckt die Schönheit der Tiere und die Kraft der Farben und kämpft mit ihm und seinen Freunden im Blauen Reiter gegen verständnislose Zeitgenossinnen und -genossen und für neue Wege in der Kunst – und sieht seine gelbe Kuh am Ende selbst mit ganz anderen Augen. Der einfache Erzählstil, die kurzweiligen Blöcke mit den auf lockernden Dialog- und Zitatelementen und die thematische Strukturierung des Hörspieles durch kurze Musik-Stücke machen das Zuhören dabei auch für Kinder im älteren Grundschulalter schon abwechslungsreich und spannend und lassen keine Längen aufkommen. Freilich wäre es noch schön gewesen, wenn das Bild großformatiger vorhanden wäre, im Booklet oder auch als Datei auf der CD – denn ein DINA-4-Bild lässt sich zum Beispiel schwerlich von einer ganzen Schulklasse betrachten.
Auch noch ein paar weitere Bilder vom Maler und seinen anderen Werken wünscht man sich manchmal herbei, um noch besser in das Gehörte eintauchen und es sich vorstellen zu können. An manchen Stellen schließlich hätten einige verschriftlichte Fakten, etwa ein Lebenslauf im Booklet oder direkt auf der CD, dem einen oder anderen vielleicht geholfen, die dargebotenen Informationen besser zu verstehen und zu behalten. Doch da die CD nun mal scheinbar ein reines Hörvergnügen bleiben sollte, muss man darauf eben verzichten. Nichtsdestotrotz ist das, mit 12,95 Euro auch erfreulich erschwingliche, ‚Kunst-Stück’ gerade für Lehrerinnen und Lehrer bzw. Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch für interessierte Eltern durchaus empfehlenswert, da es eine erfrischende Abwechslung zu staubigen Kunst- Büchern bietet und Kindern – und nicht nur diesen – einen leichten und altersgerechten Zugang zu Malern wie Franz Marc ermöglicht. Auch wenn ‚Kunst im Ohr’ vielleicht nicht ganz alltäglich ist, aber – um mit Marc zu sprechen – „Neue Ideen sind erstmal ungewohnt und schwer zu verstehen. Aber deshalb dürfen wir uns doch nicht davon abhalten lassen, neue Ideen zu haben!“
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Elisabeth Jäcklein-Kreis
Beitrag als PDFEinzelansicht
publikationen
Dahinden, Urs/Süss, Daniel (Hrsg.) (2009). Medienrealitäten. Konstanz: UVK. 233 Seiten, 29 €
2009 feierte mit Heinz Bonfadelli ein bedeutender Vertreter der Medien- und Kommunikationswissenschaft seinen 60. Geburtstag. Und wie kann man dieses Ereignis angemessen begehen, wenn nicht mit einer Publikation, die der Bandbreite des Schweizers gerecht wird. Die Herausgeber Urs Dahinden und Daniel Süss haben in Medienrealitäten die Beiträge von 21 Autorinnen und Autoren gesammelt, die sich, stark vereinfacht gesagt, mit dem Thema „Medienrealitäten“ befassen. Entstanden ist ein Sammelband, der die vielfältigen Arbeitsfelder Bonfadellis unter einem gemeinsamen prägnanten Gesamtkonzept zusammenfassen will – was meist auch gelingt. In der Einleitung stellen die Herausgeber das Konzept des Buches vor, wobei vor allem dem Titel einige Bedeutung zukommt. Demnach sollte Heinz Bonfadelli zu seinem 60. Geburtstag eine Publikation in Händen halten, die mit seinem wissenschaftlichem Selbstverständnis übereinstimmt und somit Medienrealitäten nicht als bloße Widerspiegelungen einer beobachtbaren Wirklichkeit versteht, sondern sie als die Konstruktion neuer und unabhängiger Realitäten wahrnimmt.
Der Plural „-realitäten“ betont dabei die Perspektivgebundenheit, die jeder Wirklichkeitsbeschreibung innewohnt. Die einzelnen Beiträge befassen sich umfassend und in unterschiedlicher Form mit dem Leitmotiv „Medienrealitäten“. So wird im ersten Beitrag die Sozialisationsperspektive in der Medienforschung und damit die Forschungstraditionen von den frühen 1980er Jahren bis heute beleuchtet. Es folgen Essays zum Medienalltag von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, ein Überblick über den Stand der kommunikationswissenschaftlichen Forschung zu Medien und Migration, aber auch Beiträge zur Wissenschafts- und Risikokommunikation, zu Politikrealitäten – hier lohnt vor allem der Versuch der Politikdefinition, die durch die „Grenzenlosigkeit des Politikbegriffs“ sichtlich erschwert wird – zur Wissenskluft- und Publikumsforschung sowie zum Meinungsführerkonzept. Natürlich fehlt auch ein Beitrag über Heinz Bonfadelli und die Schweizer Kommunikations- und Medienwissenschaft nicht sowie abschließend eine Kurzvita und eine umfassende Auflistung der Publikationen Bonfadellis. Insgesamt liefern die Essays vor allem einen guten Überblick über den Forschungsstand zum jeweiligen Themenschwerpunkt und geben meist Anregungen, wie die Forschung in Zukunft zielführender gestaltet werden könnte und welche Fragestellungen tatsächlich von Interesse wären, was die Publikation gerade für Lehrende und Studierende der Kommunikations- und Medienwissenschaft, aber auch für in der Praxis Tätige interessant und nützlich macht.
Einige Essays lassen ein abschließendes Fazit vermissen, was gerade bei recht komplexen Ausführungen für Leserinnen und Leser angenehm wäre. Auch ein Stichwortregister würde das Arbeiten mit dem Werk gerade für Studierende sicherlich erleichtern. Anlässlich des runden Geburtstags Heinz Bonfadellis und angesichts der Tatsache, dass die Autorinnen und Autoren sich regelmäßig auf seine Arbeiten und seinen Stellenwert berufen, wäre es schön gewesen, das Kapitel über Bonfadellis Einfluss auf die Kommunikations- und Medienwissenschaft in der Schweiz in Form eines Vorwortes an den Anfang der Publikation und nicht, wie geschehen, an das Ende zu stellen.
Armbruster, Stefanie/Mikos, Lothar (2009). Innovation im Fernsehen am Beispiel von Quizshow-Formaten. Konstanz: UVK-Verlag, 210 Seiten, 24 €
Zehn Jahre wird es im September bereits alt – im schnelllebigen TV-Geschäft darf Wer wird Millionär? damit bereits als Dinosaurier gelten. Doch geht es auch immer noch als Innovation durch? Stefanie Armbruster und Lothar Mikos zumindest richten der Dauerbrenner-Sendung in ihrem Buch Innovationen im Fernsehen am Beispiel von Quizhsow-Formaten erst auf Seite 111 einen Platz ein und untersuchen ihren innovativen Gehalt. Vorher beschert das Autorengespann den Leserinnen und Lesern einen ausführlichen Vorlauf über „Innovation im Fernsehen“ allgemein, der auch nicht uninteressant ist: Zunächst klären die Medienwissenschaftlerin und der Fernsehwissenschaftler, wie sich das Medium und der internationale Fernsehmarkt in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben und welchen Beitrag Innovationen im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Zuschauerinnen und Zuschauer leisten. Weil es außerdem um das TV-Quiz geht, wird selbstredend auch die Geschichte dieses Genres erzählt. Für Expertinnen und Experten mag das alles nicht bahnbrechend neu sein, aber die Zusammenfassung ist durchaus nützlich; und interessierten Laien wird vor Augen geführt, wie das Medium funktioniert.
Richtig spannend aber wird das Buch erst, wenn Armbruster und Mikos der ungewöhnlichen Faszination von Wer wird Millionär? auf den Grund gehen. Detailliert sezieren sie die einzelnen Bestandteile der Sendung, die von den Erfinderinnen und Erfindern des Konzepts in einer tausend Seiten umfassenden ‚Bibel‘ haarklein festgelegt worden sind. So gibt es zum Beispiel allein 120 verschiedene Sound-Effekte. Gerade die Ausführungen zum Zusammenspiel von Licht, Ton und Musik sind hochinteressant. Die besagte ‚Bibel‘ erlaubt nur wenige, von Land zu Land unterschiedliche Abweichungen; leider wird nicht erwähnt, welche das in der deutschen Version sind. Aber letztlich dürfte sowieso die herausragende Rolle des Moderators Ursache für die Langlebigkeit sein: Weil Günther Jauch durch seine permanente Verunsicherung selbst hartgesottene Kandidatinnen und Kandidaten weich kocht. Dass schließlich die Macherinnen und Macher ihr Konzept in siebzig Länder verkauft haben, ist schlicht falsch; tatsächlich sind es über hundert. Das Buch schließt mit einem Vergleich verschiedener Nachfolgeformate, die allerdings (bis auf Das Quiz mit Jörg Pilawa) längst vergessen sind; auch dies ein Beleg für die besondere Qualität von Wer wird Millionär?
Feibel, Thomas (2009). Kindheit 2.0 – So können Eltern Medienkompetenz vermitteln. Berlin: Stiftung Warentest. 192 Seiten, 16,90 €.
Ein neuer Generationskonflikt klafft seit ein paar Jahren zwischen der aktuellen Eltern- und Kindergeneration: Die Medien und ihr Konsum sind Anlass zur Sorge der Erwachsenen. Kinder und Jugendliche verbringen zu viel Zeit mit Fernseher, Computer, Videospielen und zu wenig mitsozialen Kontakten, Schule und Familie – so scheint es. Die mediale Kluft zwischen Eltern und Kindern scheint kaum überwindbar, denn das Verständnis für die Technologien hinterdiesen Medien ist für Erwachsene offenbar unerreichbar, wohingegen es von den Kindern schon beinahe intuitiv erworben wird. Eine Medienpädagogik, die gleichzeitig Medien-Kompetenz und Medien-Resilienz vermitteln will, kann also nicht allein bei den Kindern ansetzen. Diesem Gedanken ist das Buch Kindheit 2.0 verpflichtet. Der Autor Thomas Feibel geht sein Thema systematisch an: Er unterteilt das Buch in vier Großkapitel – Fernsehen, Video- bzw. Computerspiel, mobile Kommunikation und Internet. Er handelt jede dieser Mediengattungen und -technologiendetailliert ab, indem er die derzeitigen technischen Entwicklungsstände referiert und die gängigen Fragen, Probleme und Debatten, die ‚das Problem‘ darstellen, skizziert. Oft ist dabei von „Sucht“, „Realitätsflucht“, „sozialer Isolation“ oder Schlimmerem die Rede. Dass dahinter meist nicht Fakten, sondern diffuse Ängste und Vorurteile der Erwachsenen stehen, weiß Feibel: Die wenigsten Erwachsenen haben einen Zugang zu den neuen Medien-Technologien und versuchen diesen auch gar nicht zu bekommen.
Genau hier holt der Autor seine Leserinnen und Leser ab, indem er eine Brücke zwischen ihrer eigener Mediensozialisation und der ihrer Kinder schlägt und aufzeigt, dass sich die Phänomene keineswegs grundlegend geändert haben, sondern nur auf andere Techniken appliziert wurden: Früher waren es die Comics, dann das Video – heute ist es das Internet. Am Beispiel des Fernsehkonsums, das im ersten Kapitel abgehandelt wird, werden die Gemeinsamkeiten besonders deutlich. Und dennoch versucht Kindheit 2.0 die Ängste nicht bloß als Chimären abzutun. Es gibt Probleme, die meist mit einer neuen Diskussionskultur und Zeitstruktur in den Familien zu tun haben. Wenn etwa das gemeinsame Spielen ausbleibt,so Feibel, ziehen sich die Kinder zu den Medien zurück: „Computer und Konsolen haben immer Zeit“ (S. 53). Dass der Umgang dann auch problematisch werden kann, verleugnet Feibel nicht; er zeigt vielmehr Möglichkeiten und Chancen auf, den Kreis zu durchbrechen, indem er Eltern mit Informationen über die Medien und deren Möglichkeiten versorgt, ihnen möglichst viele Facetten des Problems aufzeigt und schließlich Lösungswege mit Hilfe pädagogischer Konzepte andeutet. Diese können aber nicht in Verboten, Filtern oder Strafen liegen. Ein Fernsehapparat etwa, der die Fernsehdauer durch Münzeinwurf beschränkt, ist keine Lösung: „Die Medienerziehung eines Kindes ist kein Schwimmbadfön“ (S. 44). Der Umgang mit dem Medium wird nicht gelernt, indem man es meidet, sondern indem man es bewusst nutzt – und über die Inhalte ins Gespräch kommt.
Wo dieses Gespräch fehlt, entwickeln sich schnell extreme Nutzungsformen. Das bedeutet auch, dass Erwachsene den Kindern ein Gleichgewicht zwischen Online und Offline vorleben sollen. Filter-Technologien oder Altersbeschränkungen lehnt Feibel allerdings nicht grundsätzlich ab, weist aber auf technische Schwierigkeiten und mögliche Lücken hin: Was verboten ist, reizt besonders stark und jenseits der elterlichen Aufsicht werden solche Verbote schnell umgangen. Es muss also auch ein Umgang mit dem Verbotenen erlernt werden. Die Gefahren, die die Medien mit sich bringen, sind nämlich nicht ausschließlich ‚hausgemacht’. Gerade im Internet werden Kinder und Jugendliche oft mit Inhalten oder fremden Nutzerinnen und Nutzern konfrontiert, die problematisch werden können. Hier ist Problembewusstsein auf beiden Seiten verlangt, das der Autor im Konzept der Medien-Resilienz sieht: Menschen müssen lernen, mit problematischen oder gefährlichenInhalten umzugehen – gerade weil man sie nur schwer davor schützen kann. Ein solches (im Wortsinne) Problembewusstsein kann allerdings nur durch Information, Auseinandersetzung und Dialog gestiftet werden. Dazu gehört auch, Regeln aufzustellen und zu erklären – etwa zum Online-Verhalten. Kindheit 2.0 setzt den nicht geringen Anspruch um, aufklärerisch in Hinblick auf technische Entwicklungen und die Reflexion der erwachsenen Ängste zu sein und zugleich praktische Tipps für den Umgang mit den Medien zu geben. Dass hier nur die wichtigsten Gattungen und ihreGenres zur Ansprache kommen können, ist angesichts des Umfangs klar: Das Buch stellt etwa die von Jugendlichen heute am häufigsten genutzten Netz-Protokolle und -Technologien vor und unterbreitet Vorschläge zur konstruktiven Nutzung (etwa von Weblogs). Die Vielfalt birgt jedoch auch den Nachteil, dass einiges allzu pauschal und zeitweise unplausibel diskutiert wird.
Die These etwa, dass die meisten Kinder sich immer für ein Spiel mit den Erwachsenen entscheiden würden (vgl. S. 54), stünden sie vor der Wahl Brett- oder Computerspiel, wäre gerade angesichts der zuvor von Feibel konstatierten Vielseitigkeit und Attraktivität von elektronischen Spielen zu beweisen.Mit Thomas Feibels Kindheit 2.0 legt die Stiftung Warentest summa summarum ein überaus praktisches, zeitgemäßes und anregendes Buch zur Medienpädagogik in der Gegenwart vor. Es kann einerseits eine argumentative Hilfe für Pädagoginnen und Pädagogen sein, die sich mit der elterlichen Medienerziehung konfrontiert sehen. Es bietet Eltern einen guten Einblick (auch in das eigene Denken und Verhalten) und wäre vielleicht sogar geeignet, von Jugendlichen selbst gelesen zu werden, um ein Problembewusstsein zu entwickeln. Die Aufmachung mit Illustrationen, vierfarbigen Fotografien, Infokästen und einem umfangreichen Anhang (mit Literatur, Linktipps und Register) wäre ansprechend genug für solch einen Zweck.
Grimm, Markus/Kesici, Martin (2009). Sex, Drugs & Casting-Shows. Die Wahrheit über DSDS, Popstars & Co. München: riva Verlag. 428 Seiten, 17,90 €
In Anspielung auf seinen Bart nannten sie ihn den „Kinnteufel“. In Erinnerung aber ist Star Search-Sieger Martin Kesici geblieben, weil er so gar nicht in die übliche Castingshow-Szenerie passte: Im Gegensatz zu all den Abziehbildern, die sich willenlos formen ließen, tat Kesici 2003 offenkundig alles, um sich treu zu bleiben. Das war zwar aller Ehren wert, hat seinen Niedergangaber auch nicht aufhalten können: In ihrem Buch Sex, Drugs & Casting-Shows beschreiben Kesici und Popstars-Gewinner Markus Grimm (Nu Pagadi, 2004) nicht nur ihren wundersamen Aufstieg, sondern vor allem den fast noch rasanteren Niedergang. Boshaft könnte man feststellen: Da sie ohnehin nichts mehr zu verlieren haben, können sie bei ihrem Blick hinter die Kulissen so manches ausplaudern, was weder die betroffenen Produktionsunternehmen noch die beteiligten Plattenfirmen gern veröffentlicht sehen werden.
Dass die beiden das mit teilweise recht rüder Wortwahl tun, wird die Zielgruppe vermutlich nicht weiter stören. Mitunter aber gehen sie tatsächlich zu weit, schließlich tut es im Sinne der Wahrheitsfindung nichts zur Sache, dass Grimm das DSDS-Sternchen Lisa Bund für einen Grund hält, schwul zu werden. Andererseits ist er das schon längst, woraus er auch keinen Hehl macht; das gibt der Schmähung fast wieder eine subtile Note. Vermutlich war Ghostwriter Patrick S. Berger ohnehin der Meinung, ein bisschen Drastik könne nicht schaden, weshalb Grimm mit Beschreibungen seiner sexuellen Eskapaden und Kesici mit Angaben, welche Mengen Alkohol er zu vernichten pflegt, nicht hinterm Berg halten; die Schilderungen fallen mitunter detaillierter aus, als einem lieb ist. Und Kesicis Geständnis, er sei vor vielen Jahren keineswegs für das Verkaufen von Haschisch, wie er 2003 angab, sondern als Kokain-Dealer zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, ist für neutrale Beobachterinnen und Beobachter bei Weitem nicht so schockierend wie vermutlich für seinen Vater, den er in dieser Hinsicht jahrelang belogen hat.
Der eigentliche Wert der Ausführungen liegt darin, dass die Lektüre jugendlichen Leserinnen und Lesern gründlich die Flausen austreibt: Wer dieses Buch gelesen hat und sich trotzdem bei Deutschland sucht den Superstar bewirbt, muss schon ein dickes Fell haben. Denn während die Phase als angehender Star zwar extrem anstrengend, aber durchaus reizvoll ist, haben Grimm und vor allem Kesici die Zeit nach ihrem Sieg als umso niederschmetternder erlebt: Schon unmittelbar nach der letzten Ausgabe hatten die Sender(hier ProSieben, da Sat.1) keinerlei Interesse mehr an ihnen. Ausgerechnet bei diesem Thema müssen die wirklich interessanten Details zwar „aus rechtlichen Gründen unter Verschluss“ bleiben (Grimm), aber die Beschreibungen des Daseins als Sklaven der Plattenfirmen sind auch so deutlich genug. Deshalb sei dem Verlag auch der kleine Etikettenschwindel verziehen: Die „Wahrheit über DSDS“ erfährt man allenfalls am Rande, denn unter den Teilnehmern der RTL-Show fand sich anscheinend keiner, der auch endlich mal auspacken wollte; die seien, wie Grimm und Kesici schreiben, wohl einer Art Gehirnwäsche unterzogen worden: Während der laufenden Staffel, schreibt Grimm, „wird den Leuten so viel Angst eingejagt, dass sie danach nie mehr den Mund aufmachen.“
Speck, Otto (2009). Hirnforschung und Erziehung. Eine pädagogische Auseinandersetzung mit neurobiologischen Erkenntnissen. München: Reinhardt, 198 Seiten, 19,90 €
In seinem Werk Hirnforschung und Erziehung setzt sich der emeritierte Professor für Heilpädagogik Otto Speck mit den Implikationen der neueren Erkenntnisse neurobiologischer Forschung für die Pädagogik auseinander. Es wird sowohl die Frage aufgeworfen, inwieweit diese Erkenntnisse die theoretischen Grundlagen der Erziehungswissenschaft infrage stellen oder sie empirisch bestätigen, als auch nach Integrationsmöglichkeiten in den pädagogischen Berufsalltag gesucht. Das Buch führt verständlich in die vielfältigen Themengebiete der Hirnforschung, der biologisch orientierten Psychologie und der Philosophie des Geistes ein und ist stets um die Herausstellung von Verbindungslinien zur Pädagogik bemüht. Die Einleitung beschreibt in groben Zügen den aktuellen Forschungsstand in diesen Bereichen und geht auf führende Vertreterinnenund Vertreter der Hirnforschung in Deutschland, wie Wolf Singer, Gerhard Roth, Manfred Spitzer oder Gerald Hüther, ein.
Der erste und mit Abstand umfangreichste Teil des Werkes hinterfragt die Aussagekraft der naturwissenschaftlichen Entdeckungen für die Beantwortung der Fragen nach der Willensfreiheit, der Existenz von Ich bzw. Selbst und der naturalistischen Reduzierbarkeit von mentalen Vorgängen auf Abläufe und Strukturen in unseren Gehirnen. Speck setzt sich vor allem mit den oftmals überzogenen Schlussfolgerungen der Hirnforscherinnen und -forscher auseinander. Vor allem Roth und Singer vertreten vehement die Auffassung, es gebe keine menschliche Freiheit, da wir durch neuronale Verschaltungen in naturgesetzlicher Weise vollkommen festgelegt sind. Speck distanziert sich aus zwei Gründen von solchen Aussagen: Erstens lägen in logischbegrifflicher Hinsicht Fehlschüsse vor: Es sei ein Kategorienfehler, die neuronale Ebene als eigentliche Entscheidungsebene hinzustellen. Außerdem ist es – selbst wenn wir eine naturgesetzliche Determiniertheit akzeptieren – weiterhin begrifflich möglich, an der Existenz von Freiheit festzuhalten und zwar im Sinne von Freiheit als Selbstbestimmung. Speck vertritt hier eine kompatibilistische Position. Zweitens seien die Folgen eines solchen Menschenbildes gerade für die Erziehungswissenschaft untragbar, schließlich würde eine Aufgabe der Freiheitsannahme „die Pädagogik im Kern ihres Selbstverständnisses treffen“ (S. 85). Die Pädagogik würde in sich aufgerieben werden, wenn sie auf das Prinzip der persönlichen Verantwortung verzichten müsste, zugleich aber – wie es auch die Hirnforscherinnen und -forscher gerne fordern – Heranwachsenden durch Erziehungsmaßnahmen ein ‚Verantwortungsgefühl’ vermitteln soll. Zu kritisieren ist, dass Speck bei der Besprechung der Frage nach der Reduzierbarkeit der psychischen Ebene auf die zugrunde liegenden neuronalen Prozesse und Strukturen die einzelnenPositionen in der philosophischen Leib-Seele-Frage nicht klar voneinander trennt, so dass es zu irreführenden Vermengungen kommt. So lehnt Speck beispielsweise physikalistische Vorstellungen wiederholt ab, weil sie das Bewusstsein zu einem bloßen Begleitphänomen neuronaler Prozesse degradieren würden. Dies ist aber gerade nicht im Physikalismus bzw. bei der Identitätstheorie der Fall, sondern vielmehr im Epiphänomenalismus, der in der Regel als dualistische Leib-Seele-Auffassung verstanden wird. Generell ist augenfällig, dass Speck monistische Positionen vorschnell ablehnt, ohne deren Implikationen wirklich systematisch beleuchtet zu haben.
Die Aussagen der Forschenden selbst als begriffliche Richtschnur verwenden zu wollen, ist abwegig, denn diese neigen gerade nicht dazu, eine ontologisch eindeutige Position in der Leib-Seele-Frage zu beziehen. Im zweiten Teil des Buches bespricht Speck die neurobiologischen Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens und der zwischenmenschlichen Kooperation. In relativ kurzen Abschnitten geht er dabei etwa auf soziale Aspekte in der Gehirnentwicklung, den Gen-Egoismus à la Dawkins, Altruismus und etwas ausführlicher auf die neurobiologische Basis von moralischem Verhalten und Menschlichkeit ein. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang anschaulich die Funktion und Bedeutung der Spiegelneuronen thematisiert. Schließlich werden nochmals die Konsequenzen einer stark naturalistischen Erziehungswissenschaft in den Blick genommen. Speck erkennt hier durchaus Chancen einer Einbeziehung naturwissenschaftlicher Forschungsergebnisse in den pädagogischen Erfahrungshorizont, denn sie bedeuten einen Zuwachs unseres Verständnisses elementarer Voraussetzungen höherstufiger Eigenschaften wie zwischenmenschlicher Kooperation und zeigen zugleich Grenzen moralischer Handlungsfähigkeit auf. Auf der anderen Seite insistiert er darauf – und das zu Recht –, dass man dem sogenannten naturalistischen Fehlschluss aufsitzen würde, wenn man „aus der Natur Verhaltensnormen für den Menschen ableiten wollte“ (S. 164). Erziehungsziele ergeben sich nicht aus naturwissenschaftlichen Beobachtungen, sondern bedürfen immer einer Orientierung an Sinn und Werten. Insgesamt ist Specks Hirnforschung und Erziehung ein lesenswertes Buch, das in verständlicher Weise einen Überblick über die gegenwärtige „neurowissenschaftliche Debatte“ verschafft und sich fundiert mit möglichen und unmöglichen Auswirkungen auf die theoretischen Grundlagen und die Berufspraxis der Pädagogik auseinander setzt.
Link, Barbara (2008). Design der Bilder. Entwicklung des deutschen Fernsehdesigns: Vom Design über das Image zur Identity. Köln: Herbert von Halem Verlag 2008, 478 Seiten, ISBN 978-3-938258-62-0, 32,00 €.
Logos, Teaser, Trailer, Appetizer, also das Fernsehdesign und die vielfältigen und immer weiter ausgebauten Formen der Programmverbindungen und -markierungen sind die Gegenstände von Barbara Links umfangreicher, mit zahlreichen s/w-Abbildungen, versehener Studie. Vier Zielfragen formuliert die Autorin in der Einleitung: „Welche Entwicklung hat das deutsche Fernsehdesign genommen, um zu einem derartig wichtigen Faktor in der Fernsehlandschaft zu werden, und wie kann eine zukünftige Entwicklung in der sich ändernden Fernsehlandschaft aussehen? Welche Rolle spielt das Design im Programmablauf, und werden die einzelnen Sender an das Corporate Design des Senders angepasst?“ (S. 10) Nach einem Abriss der historisch-theoretischen Grundlagen (Kap. 2, S. 17-124) und der Entwicklung des methodischen Rahmens (Kap. 3, S. 125-185) liegt der Schwerpunkt der Arbeit im Abschnitt „Ergebnisse der Inhaltsanalyse“ (Kap. 4, S. 186-424). Grundlage ihrer Arbeit ist das Corporate-On-Air-Design der Sender ARD, ZDF, RTL, SAT.1 und ProSieben im Jahr 2004 und die von der Autorin gesehene Notwendigkeit einer (im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht leistbare) Ausweitung der Untersuchung auf alle im Zusammenhang mit dem öffentlichen Auftritt verbundenen visuellen Zeichen. Im Analyseteil erarbeitet die Autorin einen vollständigen Katalog der zum Untersuchungszeitraum verwendeten programmverbindenden Paratexte – am Schluss des Buches ergänzt sie kursorisch deren Änderungen. Dieser ist als einführende Lektüre gut zu gebrauchen, wobei der aufmerksamen Leserin bzw. dem aufmerksamen Leser jedoch die sich rasant entwickelnde Dynamik und die praxisorientierte Wirkung der eingesetzten Mittel bewusst bleiben muss.
Neben der Vorreiterfunktion der Privatsender, der visuellen Prädominanz des Internets und der zunehmenden Individualisierung des Designs, lassen sich zum Teil wechselnde saisonale Auftritte erkennen und eine Dominanz des Ästhetischen über den Inhalt und das Abzielen auf eine Emotionalisierung der Zuschauerinnen und Zuschauer als Ergebnisse festhalten. Dass diese Aktivitäten zur Sender-Markenbildung, zur Aufmerksamkeitsgenerierung und zur Zuschauerbindung, vor allem via audience-flow undEigenwerbung veranstaltet werden und im Zuge der zunehmenden Ästhetisierung des Alltags seit den 1980er Jahren zu verorten sind, versteht sich dabei von selbst. Leider verbleibt die Studie zu sehr im Deskriptiven und schlägt keine Bögen zur Ästhetisierung des Alltags. Hier, in der zunehmenden Konvergenz von Mediendesign und Alltagsgestaltung, und der Frage von Ursache und Wirkung, von medialer Dominanz und deren Folgen stecken die eigentlichen kulturellen Entwicklungen, denen es sich lohnen würde auf den Grund zu gehen. Und auf die Frage, welchen Stellenwert das Design in einem sich wandelnden Fernsehmarkt haben wird, hat die Autorin leider nur eine sehr allgemeine Antwort.
Arentewicz, Gerd/Fleissner, Alfred/ Struck, Dieter (2009). Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz, in der Schule und im Internet, Tipps und Hilfsangebote. Hamburg: Ellert & Richter Verlag, 216 Seiten, 14, 95 €
Mobbing ist in aller Munde – gerade ‚Cybermobbing’ scheint aktuell ein regelrechtes Massenphänomen zu sein. Und doch ist Mobbing keineswegs neu, vielmehr bringen neue Formen ein neues Bewusstsein hervor. Die Autoren des Buches beleuchten die Thematik in den neun Kapiteln ihres Ratgebers nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. Das erste Kapitel bietet eine allgemeine Einführung in die Thematik Mobbing in Schule, Ausbildung, Arbeitswelt und Internet. Mit Hilfe von Definitionen, Abgrenzungen zu den Begriffen ‚Alltagskonflikt’ und ‚Stalking’ sowie statistischen Daten, Mobbingverläufen und -ursachen sollen die Leserinnen und Leser in die Thematik eingeführt werden.
In den folgenden Kapiteln werden Funktionen undVerarbeitungsstrategien des Gehirns sowie Definition, Wirkungen und Äußerungen von Stress näher beleuchtet. Aber auch die Frage nach Zivilcourage, Selbstbewusstseinsstärkung und den schwerwiegenden Folgen von Mobbing werden in den Mittelpunkt des Diskurses gerückt. Schließlich werden die Suche nach Opfern und Tätern sowie allgemeine Gründe für Mobbing beleuchtet.Obwohl der Hauptblickpunkt des Buches der Arbeitsplatz mit seinen Herausforderungen bleibt, werden auch Ursachen für Mobbing im Internet und in der Schule gegen Kinder und Lehrerinnen und Lehrer gesucht. Gerade die Schule ist der Ort, an dem Fähigkeiten zur Frustrations- und Konfliktbewältigung gelernt und Toleranz und Respekt gelebt werden sollen. Die Frage, welchen Einfluss Familie und Peers hierbei besitzen, bleibt jedoch weitgehend ungeklärt. Bei der Betrachtung von Cybermobbing werden zu Beginn allgemeine Begriffserklärungen in gängigem Fachjargon angeboten.
Die Artikel sind wissenschaftlich, aber gleichzeitig übersichtlich, anschaulich, verständlich und strukturiert geschrieben und beziehen sich aufeinander. So werden eine Vielzahl an Hilfsangeboten in ihrer Funktion und Wirkung genauer beschrieben. Internetlinks sollen Eltern, pädagogischen Fachkräften oder Betroffenen konkrete Hilfen anbieten, gleichzeitig sollen sie über mögliche Gefahren des Web 2.0 informiert werden um sich präventiv vor Mobbing schützen zu können. Abschließend der Appell der Autoren: Auch im Zeitalter von E-Mail und SMS sollte man nicht übereinander, sondern miteinander reden!
Dittler, Ullrich/Hoyer, Michael (Hrsg.) (2010). Zwischen Kompetenzerwerb und Mediensucht. Chancen und Gefahren des Aufwachsens in digitalen Erlebniswelten aus medienpsychologischer und medienpädagogischer Sicht. München: kopaed. 348 Seiten, 18,80 €
Ein Leben ohne Medien? Unvorstellbar. Vor allem die digitalen Medien sind heutzutage auf dem Vormarsch und durchdringen unseren Alltag zusehends – gerade das Leben der nachkommenden Generationen ist in weiten Teilen durch digitale Erlebniswelten geprägt. Diese Entwicklung stellt Eltern, Lehrende und Pädagoginnen und Pädagogen vor neue Herausforderungen. Was bedeutet die zunehmende mediale Durchdringung des Alltags für die Entwicklung der Kinder, wie kann man sie darauf vorbereiten und sie lehren, die Möglichkeiten der Medienvielfalt zu nutzen?
Die Publikation Zwischen Kompetenzerwerb und Mediensucht, die anlässlich des 3. MedienkongressesVillingen-Schwennigen erschienen ist, versucht auf diese Fragen Antworten zu finden. Dazu haben die Herausgeber Ullrich Dittler und Michael Hoyer Autorinnen und Autoren gewinnen können, die in 19 aufschlussreichen Beiträgen das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten – mal deskriptiv mit Blick auf die Nutzung interaktiver Medien durch Heranwachsende, mal mit dem Fokus auf die medienpädagogische oder medienpsychologische Sichtweise der Entwicklungen. Die Aufsätze, die das Themengebiet umfassend beleuchten, beginnend bei der Bedeutungder Medien für die Biographien über den Erwerb von Handlungskompetenzen in virtuellen Welten, Computerspielen als Erlebnis und deren Wirkung bis hin zu Computerspielsucht und Handynutzung, verschaffen einen guten Überblick über die verschiedenen Aspekte des Aufwachsens in der neuen Medienwelt und sind daher für Eltern wie für in der Kinder- und Jugendarbeit Tätige ein Gewinn.
Eick, Dennis/Hartung, Vera (2009). Was kostet mein Drehbuch? Das Script als Basis für die F ilmkalkulation. Konstanz: UVK. 180 Seiten, 17,90 €
Der potenzielle Leserkreis scheint überschaubar: Drehbuchverfasserinnen und -verfasser und solche, die es werden wollen. Tatsächlich muss man aber keineswegs Autorin oder Autor sein, um die Lektüre ebenso spannend wie informativ zu finden. Dennis Eick und Vera Hartung kennensich in ihrer Materie nicht nur bestens aus, es gelingt ihnen auch, den sperrigen Stoff überraschend kurzweilig zu verpacken. Größte Stärken des Buches sind die Praxisnähe und die Anschaulichkeit, mit der das Autoren-Team seine Ratschläge verpackt. Schon der Einstieg verdeutlicht, wie vielEick und Hartung daran lag, ihr Publikum nicht nur sachlich korrekt zu informieren, sondern die Lektüre auch so unterhaltsam wie möglich zu gestalten: „’Rom brennt.’ Wenn dieser Satz ihr Drehbuch eröffnet, haben Sie bereits mehrere Millionen Euro versenkt.“
Die weiteren Beispiele sind nicht ganz so drastisch, gehorchen aber demselben Muster: Jeder Abschnitt beginnt mit Zitaten aus einem (fiktiven) Drehbuch; die Kosten für die entsprechende Umsetzung werden im Detailbesprochen. Kurzbeiträge von Mitgliedern unterschiedlichster Berufsgruppen sorgen für ausgezeichnete Ergänzungen. Abgerundet wird der Ratgeber durch eine gut dreißig Seiten ange Beispielkalkulation.
Imort, Peter/Müller, Renate/Niesyto, Horst (Hrsg.) (2009). Medienästhetik in Bildungskontexten. Schriftreihe Medienpädagogik interdisziplinär. München: kopaed, 210 Seiten, 18 €
Was beinhaltet eigentlich der Begriff Ästhetik? Und was bedeutet Ästhetik im Zusammenhang mit neuen Medien? Den Begriff der Medienästhetik gibt es bereits seit den Anfängen der Fotografie und des Films. Sie beschreibt die Theorie jeder Art der Wahrnehmung in einem Zeitalter von Digitalisierung und steigender Mediennutzung, dies aber in einem stetigen Wechselspiel mit der Praxis. Wie wird in der heutigen Zeit wahrgenommen? Welche unterschiedlichen Arten der Wahrnehmung gibt es überhaupt? Welche ästhetischen Möglichkeiten liegen in der Produktion von Medienangeboten, aber auch in der damit verbundenen Verarbeitung dieser Angebote? Diesen Fragen stellen sich die Herausgeber und die Herausgeberin Peter Imort, Renate Müller und Horst Niesyto in ihrem Buch Medienästhetik in Bildungskontexten und versuchen, einen künstlerischen, musikalischen, politischen, sozialen und auch religiösen Blick auf die unterschiedlichen Bereiche, in der Ästhetik zu finden ist, zu werfen.
Die elf Artikel des Buches beruhen auf Vorträgen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Fachbereichen, die diese auf der Tagung des Interdisziplinären Zentrums für Medienpädagogik und Forschung 2007 vorgestellt haben. In Fallbespielen, empirischen Untersuchungen, Interviews, Analysen und Darstellungen von Forschungsergebnissen zeigen die Autorinnen und Autoren unterschiedliche Medienästhetiken in den Bereichen Internet und Web 2.0, Film, Video, Foto und Musik für Schule und außerschulische Bildung auf. Die Beiträge richten sich an Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler sowie Medien- und Kunstinteressierte werden die wissenschaftlichen und anspruchsvollen Artikel zu schätzen wissen.
Kufahl, Volker/Internationales f ilmfest Braunschweig e.V. (Hrsg.) (2009). Can a Video Game Make You Cry? F ilm und Games – eine Auseinandersetzung. Braunschweig: Internationales F ilmfest Braunschweig. 119 Seiten, 10 €
Wenn der Film als technische Kunst die Kunstform des 20. Jahrhunderts ist, sind Computerspiele dann möglicherweise die Kunstform des digitalen 21. Jahrhunderts? Haben auch beide, sowohl der Film als auch das PC-Game, keinen leichten Start als Kulturgut gehabt und diesen Status erst nach Jahren des Jahrmarktdaseins erlangt bzw. zu erlangen begonnen, so ist das Computerspiel doch was diese Akzeptanz angeht erst am Anfang. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht mehr so abwegig, Computerspiele in ein Filmfestival zu integrieren, vor allem angesichts der Digitalisierung des Kinos und der Diskussion um dessen Zukunft allgemein.
Mit der reinen Integration der Computerspiele gibt sich das 22. Internationale filmfest Braunschweig aber nicht zufrieden – der thematische Schwerpunkt „Can a Videogame make you cry?“, zu dem Medienwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Künstlerinnen und Künstler sowie Praktikerinnen und Praktiker aus der Spielebranche Stellung nahmen, geht deutlich weiter. Diese Stellungnahmen sind in der vorliegenden Publikation nachzulesen. Egal ob aus der Perspektive der Praxis, der Wissenschaft oder der Kunst beurteilt, scheint diese Frage einige Schwierigkeiten zu bieten – übereinstimmende Antworten sind kaum zu finden. Aber gerade diese Vielfalt macht den kleinen, nur knapp 120 Seiten starken Sammelband so lesenswert. Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Film und Computerspielen werden in den fünf Referaten, die den Hauptteil des Buches ausmachen, herausgearbeitet.
Die Lektüre des Buches kann die aufgeworfene Frage zwar nicht erschöpfend beantworten, aber die Publikation schafft es, Computerspiele mit dem Film in Beziehung zu setzen und interessante, in der öffentlichen Diskussion um das Videogame als „Verführer der Jugend“ kaum vertretene Blickwinkel zu eröffnen. Das macht das Werk sowohl für Computerspielerinnen und -spieler sowie Filmbegeisterte als auch Medienwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowiePraktikerinnen und Praktiker aus der Spielentwicklung interessant und aufschlussreich.
Radke, Klaus. (2009). Medien für Eliten. Berlin: University Press. 120 Seiten, 19,90 €
„Wer andere Menschen verstehen lernt, kann sich selbst besser verstehen.“ Dieses Zitat stellt den Auftakt des Buches von Klaus Radke dar. Doch wie funktioniert Verständigung durch Medien? Der gelernte Jurist, der im Westdeutschen Rundfunk im Bereich „Strategie Fernsehen“ arbeitet, interessiert sich stark für Medienthemen. Inwiefern beeinflusst das Massenmedium Fernsehen unseren Alltag, unser Weltbild und dadurch uns Individuen? Muss das Fernsehen durch die voranschreitende Digitalisierung Konkurrenz fürchten? Und was macht gutes Fernsehen eigentlich aus? Kann nicht erst dann von erstklassigem Fernsehen gesprochen werden, wenn alle Zuschauerinnen und Zuschauer adressiert werden und nicht nur bestimmte „Informationseliten“? Fest steht, dass Fernsehen seine Rezipientinnen und Rezipienten nicht für eigene Zielemissbrauchen oder sie in ihren Freiheiten berauben darf.
Bereits zu Beginn des ersten Kapitels wird den Leserinnen und Lesern deutlich, dass sie es mit anschaulichen, höchst aktuellen, praxisnahen Kurzbeiträgen zu tun haben, die sich an gebildete und interessierte Normalverbraucherinnen und-verbraucher wenden, statt an die titelgebenden „Eliten“. Die zwölf Kapitel des Buches sind kurz und prägnant geschrieben. Neben eigenen, persönlichen Beiträgen des Herausgebers kommen auch Akteurinnen und Akteure der heutigen Fernsehwelt mit ihren Sichtweisen und Prognosen zu Wort. Politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorfälle werden aus Perspektive der Medien betrachtet. Zusätzlich werden auch statistische Daten, unter anderem zur weltweiten Internetnutzung vorgestellt. Mit praktischen Beispielen aus dem Fernsehalltag sollen unter anderem Fragen zur Integration und zur Entwicklung von Gemeinschaftsgefühl geklärt werden. Fernsehsendungen und Fernsehprogramme werden immer wieder miteinbezogen um anschauliche Beispiele zu liefern.
Maurer, Björn (2010). Subjektorientierte Filmbildung in der Hauptschule. Theoretische Grundlegung und pädagogische Konzepte für die Unterrichtspraxis. München: kopaed. 480 Seiten, 22, 80 €
Kinder und Jugendliche verfügen heute meist über einige Erfahrung in Sachen Filmrezeption. Umso erstaunlicher ist es, dass diese Erfahrung in den meisten Fällen kaum zu einem entsprechenden Ausmaß an Filmkompetenz führt. Gerade Kinder und Jugendliche aus weniger privilegierten Milieushaben häufig nicht die Möglichkeit, umfassende Filmlesefähigkeit zu entwickeln. Damit dürfte ihnen die Unterscheidung von Realität und Fiktion ebenso weniger leicht fallen wie das Üben von Kritik an filmischen Darstellungen. Filmbildung ist also angesichts des hohen Stellenwerts des Mediums Film im Alltag von Kindern und Jugendlichen wichtig und muss auch und gerade in der Schule geleistet werden.
Björn Maurer entwickelt in Subjektorientierte Filmbildung in der Hauptschule ein Konzept zur Filmbildung, das Schule machen könnte und sollte. Nachdem der Autor eindrucksvoll auf die Relevanz des Themas hingewiesen hat, klärt er die Begriffe Film und Filmbildung, liefert einen historischen Überblick und stellt die Filmbildung in der heutigen Medienpädagogik dar. Danach folgt eine Spezifizierung der Zielgruppe, also der Hauptschulmilieus. Obwohl Maurer keine eigenen empirischen Erkenntnisse anführt, gelingt es ihm anhand ausgewählter Forschungsergebnisse, ein Bild der Hauptschülerinnen und Hauptschüler zu zeichnen, ohne je in pauschale Urteile abzudriften, wie sie des Öfteren in den Medien zu finden sind. Bevor Maurer nun die Potenziale der Filmbildung aus medienpädagogischer sowie filmtheoretischer und medienwissenschaftlicher Sicht darstellt und Überlegungen zu einem Curriculum für die Sekundarstufe I anstellt, arbeitet er anhand ausgesuchter Lehrpläne einiger Bundesländer die Relevanz seines Vorhabens noch einmal heraus. Insgesamt ist das Buch wohl besonders für engagierte Lehrerinnen und Lehrer hilfreich, um die Potenziale des Films im Unterricht zu erkennen und den Film sinnvoll zu integrieren.
Schoett, Silja (2009). Medienbiograf ie und Familie – Jugendliche erzählen. Theorie und Methode der medienbiograf ischen Fallrekonstruktion. Berlin: LIT Verlag. 246 Seiten, 24,90 €
Lisa und Mandy erzählen ihre Lebensgeschichte – und ihre Mediengeschichte. Die Autorin Silja Schoett stellt die von den Mädchen gelesenen Bücher und gesehenen Filme in Zusammenhang mit der ganz persönlichen Lebensgeschichte und stellt heraus, dass Familiengeschichte und Familiendynamik das jeweilige Medienhandeln begründen, mit dem im Fall von Lisa und Mandy schwierige biografische und familienbiografische Themen verarbeitet werden.Was zunächst etwas weit hergeholt klingt, erscheint vor dem theoretischen und methodischenHintergrund der Lese- und Medienbiografie, über den die Autorin zum Einstieg einen breiten Überblick verschafft, doch recht nachvollziehbar. Plausibel schildert Schoett zudem, wie und vor allem warum sie für die Empirie ihr Instrument der medienbiografischen Fallrekonstruktion entwickelte. Das Konzept fußt auf der grundlegenden Annahme, dass Medienhandeln biografisch strukturiert ist und damit die Ausbildung von Mediennutzungsmustern an lebensgeschichtliche Verläufe und deren Rahmenbedingungen gebunden ist. Methodisch umgesetzt wird das durch biografisch-narrative und medienbiografisch-narrative Interviews.
Durch die rekonstruktive Fallanalyse schließlich wird die Bedeutung einzelner Teile aus dem berichteten Gesamtzusammenhang interpretiert, wobei Hypothesen und Gegenhypothesen aufgestellt und im Verlauf des sequenziellen Vorgehens entweder bestätigt oder verworfen und ergänztwerden. Es wird sowohl die erzählte als auch die erlebte Lebens- und Mediengeschichte der zeitlichen Abfolge entsprechend analysiert. Nachdem die theoretischen und methodischen Grundsteine gelegt sind, lässt Silja Schoett Lisa und Mandy ausführlich zu Wort kommen. Lisa und Mandy sind zum Zeitpunkt der Befragung 18 bzw. 19 Jahre alt und haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Doch Schoett zeigt, dass bei beiden Mädchen das Medienhandeln eng mit der eigenen Biografie verknüpft ist. Zum Teil sind Schoetts Erkenntnisse durchaus überraschend und nachvollziehbar, auch für ein Publikum, das der Methode der medienbiografischen Fallrekonstruktion eher kritisch gegenübersteht. Insgesamt ist Schoetts Werk empfehlenswert für Studierendesowie Literatur- und Medienwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, auch wenn der interpretative Ansatz manchmal vielleicht etwas gewagte Rückschlüsse zieht, bei denen es fraglich ist, ob diese empirisch bestehen können.
Schramm, Holger (Hrsg.) (2009). Handbuch Musik und Medien. Konstanz: UKV Verlagsgesellschaft mbH, 629 Seiten, 98,00 €
Die Berührungsfelder von Musik und Medien sind groß.Holger Schramm versucht mit seinem Handbuch die Entwicklungsgeschichte der Musik in den verschiedenen Medien darzustellen. Mit verschiedenen interdisziplinären Beiträgen aus den Bereichen der Medien-, Kommunikations-, Literatur-, Musik- und Kulturwissenschaft ist ein reichhaltiges Sammelwerk entstanden. Der grobe Aufbau gliedert sich in fünf Punkte. Die „Anfänge der medialen Übermittlung von Musik“, „Musik in auditiven und audio-visuellen Medien“, „Musik in nicht-auditiven Medien“, „Komposition und Produktion von Musik unter dem Einfluss von Medien“ und „Ergänzende Perspektiven“.
Die Themen reichen von „Musik im Radio“ über „Neue Musik als mediale Kunst“ bis hin zu „Interkulturelle Unterschiede in der Entwicklung und Bedeutung von Musikmedien“. Über jedem neuen Beitrag ist ein grau hinterlegter Informationskasten platziert, mit dessen Inhalt ein kurzer Überblick über den folgenden Beitrag gegeben wird. Die einzelnen Beiträge nehmeninhaltlich zwar Bezug aufeinander, aber sie überschneiden sichnicht. Ein Sachregister sorgt für eine einfache Navigation innerhalb des 600 Seiten starken Werkes und macht somit eine Nutzung als Nachschlagewerk möglich. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der verschieden Disziplinen sowie Studierende und interessierte Laien haben gleichermaßen einen Nutzen von diesem Handbuch.
kolumne
Michael Gurt: Kein Sex mehr mit Vampiren!
Neulich auf einer Party: Sie:„Und, was machst du so ...?“
Ich: „Ich bin Medienpädagoge.“
Sie: „Das ist ja interessant. Und was macht man da so?“
Ich: „Ich erkläre Eltern zum Beispiel, warum sich Kinder und Jugendlich für bestimmteMedieninhalte begeistern.“
Sie: „Aha ... versteh ich nicht.“
Ich: „Also zum Beispiel diese Teenager-Vampierfilme, die grade so in Mode sind. Twilight – BIS(S) zum Morgengrauen und so ...“
Die Miene meiner Gesprächspartnerin hellt sich etwas auf. „Ich kann dir genau erklären, warum dieser Quatsch bei Teenagern so populär ist. Es geht um einen total gut aussehenden jungen Vampir, der neu an der Schule ist, der verliebt sich unsterblich in ein Mädchen. Aber weil er nun mal ein Vampir ist, dürfen sie keinen Sex haben, sonst gerät er in den üblichen vampirmäßigen Blutrausch und – zack bumm – aus ist’s mit der großen Liebe, du verstehst? Die alte Geschichte von der ‚reinen Liebe’, die von der dunklen Triebhaftigkeit der menschlichen Sexualität bedroht wird. Ist ja auch kein Wunder, die Autorin gehört der Kirche der Heiligen der Letzten Tage an. Kein Sex vor der Ehe, verstehst du ...und schon gar nicht für Vampire mit Beißhemmung! Na ja, typischer amerikanischer Teenagerquatsch eben. Und die Nachahmer stehen schon in den Startlöchern. Auf ProSieben ist grade Vampire Diaries angelaufen, das ist dasselbe in Grün. Eine schwülstige Inszenierung verdrängter Leidenschaft mit schmachtenden Blicken und im Kerzenschein blitzenden Eckzähnen.“
Meine Gesprächspartnerin hat eindeutig die Gesichtsfarbe gewechselt. Meine Ausführungen haben ihr eine schamhafte Röte ins Gesicht getrieben ...
„Ach, du kennst die Romane? Twilight hast du schon dreimal gesehen? Und Vampire Diaries ist deine Lieblingsserie? Verstehe.“
Irgendwie hat die Beantwortung der eigentlich so unverfänglichen Frage „Und, was machst du so?“ dazu geführt, dass die sexuelle Enthaltsamkeit an diesem Abend nicht alleine den Vampiren vorbehalten war. Dass selbst Anfang 30-jährige Akademikerinnen, die ungemein gebildet, karrierebewusst und aufgeklärt sind, diesem Schmonzus auf den Leim gehen, belegt dreierlei:
1. Die akademische Ausbildung ist auch nicht mehr das, was sie mal war
2. Vampirismus ist auch nicht mehr das, was er mal war
3. Jugendkult ist auch nicht mehr das, was er mal war ... nämlich der Jugend vorbehalten.
Beseelt von diesen Einsichten besinne ich mich auf meinen anstehenden vierzigsten Geburtstag, überlasse den romantischen Vampiren ihren triebfeindlichen Lebenswandel und merke mir vor, endlich mal wieder Murnaus Nosferatu anzusehen. Vielleicht gibt es ja bald eine Neuverfilmung mit Keira Knightley und Ashton Kutcher ... igitt!Außerdem fällt auf, dass die mittlerweile übliche multimediale Vermarktungsstrategie auch vor den jungen Blutsaugern nicht haltmacht. Teenager jeden Alters identifizieren sich mit ihren lichtscheuen Idolen und nehmen dafür zusätzlicheKosten in Kauf. Das Potenzial ist aber längst nicht ausgeschöpft. Unter dem Slogan „Bis(s) die Kasse klingelt“ ließen sich Kondome mit Knoblauchgeschmack, Blutwurst in Herzform oder sargförmiges Kastenbrot vermarkten. Dernächste Valentinstag kann kommen!
P. S.: Ich habe beschlossen, beim Small-Talk auf Partys als Beruf Jurist anzugeben. Das erscheint mir unverfänglich und provoziert keine Nachfragen. Mal sehen, ob es funktioniert.
Beitrag aus Heft »2010/02: Stigmatisierung und Leistung«
Autor: Michael Gurt
Beitrag als PDFEinzelansicht
Ansprechperson
Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
kati.struckmeyer@jff.de
+49 89 68 989 120
Ausgabe bei kopaed bestellen
Zurück