2007/03: mobil kommunizieren, spielen und lernen
Heft 3/2007 beschäftigt sich mit dem Thema mobil kommunizieren, spielen und lernen.Die Vision, immer und überall kommunizieren, spielen und lernen zu können, ist mittlerweile Realität. Auch Kinder und Jugendliche haben die mobilen Medien längst für sich entdeckt, allen voran das Handy. Ob als Spielgerät, Foto- oder Filmkamera, zum Lernen oder Musikhören, es ist immer dabei. Durch die zunehmende Nutzung mobiler Medien ergeben sich vielfältige Möglichkeiten des pädagogischen Einsatzes, aber auch neue Probleme und Aufgabenstellungen. Anlass genug, sich in merz intensiver mit diesem Thema auseinander zu setzen.
aktuell
Stichwort Medienkonvergenz
Spielen, telefonieren, ins Internet gehen, chatten, Musik hören und Filme ansehen – und all diese Tätigkeiten mit nur einem Medium? Was Mitte der 1990er Jahre noch eher als Vision von Technikbegeisterten anzusehen war, ist inzwischen längst Realität. Medienkonvergenz wird im deutschsprachigen Raum vorrangig im Kontext medialer Digitalisierungsprozesse und medialer Angebots- und Verbreitungsstrukturen, aber auch für die Annäherung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk verwendet.Diejenigen, die tagtäglich mit Medien und ihren Inhalten umgehen, finden sich in einer zunehmend konvergenten Medienwelt wieder, in der z.B. Inhalte aufeinander verweisen (z.B. das Computerspiel zum Film) und mobile Endgeräte als die multifunktionalen Alleskönner angepriesen werden. Das individuell abrufbare Radioprogramm oder das Handy als multifunktionales Medium – all dies ist zumindest bei den sog. early adopters angekommen.
Für die Nutzenden werden die Strukturen der Medien damit keineswegs einfacher zu durchschauen, im Gegenteil: Immer stärker ist die Fähigkeit gefordert, sich in der konvergenten Medienwelt zu orientieren und beim Bewegen durch die „convergence culture“ (Henry Jenkins) den Überblick über die zunehmend zusammenwachsenden Strukturen von Medien- und Konsumlandschaft zu behalten. Aus medienpädagogischer Sicht gilt es vor allem, eine Kluft in den Blick zu nehmen, die auch bisher schon auszumachen war, aber durch Phänomene der Medienkonvergenz verstärkt wird: Es ist die Kluft zwischen jenen, die in der Lage sind, sich kompetent und eigenverantwortlich in medialen Welten zu bewegen und jenen, die sich in diesen Welten eher konsumorientiert verhalten und weniger die Fähigkeiten ausgebildet haben, Medien aktiv und auch kritisch in Gebrauch zu nehmen.
thema
Günther Anfang und Kathrin Demmler: Spielen und Lernen mit mobilen Medien
Die mobile Mediennutzung spielt für Kinder und Jugendliche eine immer größere Rolle. Transportable und multifunktionale Geräte, wie Handy, Spielkonsole und Laptop, machen die Lieblingsmusik, das favorisierte Computerspiel oder den Lieblingsfilm jederzeit und überall verfügbar.
Für die Kinder- und Jugendarbeit ergeben sich daraus vielfältige Möglichkeiten des pädagogischen Einsatzes. Praxisbeispiele aus dem pädagogisch und kulturellen Bereich zeigen wie mobile Me-dien zum Spielen und Lernen eingesetzt werden können. Der Artikel kann all denjenigen als Leitfaden dienen, die medienpädagogische Projekte planen und durchführen.
(merz 2007-3, S. 35-41)
Beitrag aus Heft »2007/03: mobil kommunizieren, spielen und lernen«
Autor: Günther Anfang, Kathrin Demmler
Beitrag als PDFEinzelansichtGünther Anfang: TalkMan
Rezension:Sony Playstation portable, Preis ca. 200,- €, in der Regel als Bundle mit einem Spiel. Ohne Spiel ab ca. 160,- €. Zubehör: memorystick ab 15,- € (64 MB) bis 50,- € (2 GB), Lernspiel Talkman inkl. Mikro: Preis: ca. 50,- €
(merz 2007-3, S. 34)
Beitrag aus Heft »2007/03: mobil kommunizieren, spielen und lernen«
Autor: Günther Anfang
Beitrag als PDFEinzelansichtJoachim Hasebrook und Olaf Zawacki-Richter: Lernen beim Laufen
Das Mobiltelefon ermöglicht seinen Nutzerinnen und Nutzern ein hohes Maß an Flexibilität und gleichzeitig vielfältigste Anwendungsmöglichkeiten.
Mit Bezug zu konkreten Nutzungsdaten und im Vergleich mit anderen Medien werden Vorteile des Handys wie die starke Personalisierung und die permanente Verfügbarkeit dieses Mediums erörtert.
Dadurch kann das pädagogische und informatorische Potenzial von Mobiltelefonen in Lehr- und Lernprozessen plausibel gemacht und diskutiert werden.
(merz 2007-3, S. 27-31)
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Autor: Joachim Hasebrook, Olaf Zawacki-Richter
Beitrag als PDFEinzelansichtJürgen Ertelt: Das Handy – Schweizer Messer in der Mediennutzung Jugendlicher
Das Handy hat sich in den letzten Jahren vom überall einsetzbaren Telefon hin zum multifunktionalen Medium entwickelt. Vor diesem Hintergrund wird ein Überblick über die vielfältigen technischen Möglichkeiten heutiger und zukünftiger Handys gegeben.
Sie bieten die Grundlage für verschiedene – und je nach Perspektive – mehr oder weniger sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten sowohl im Alltag der meist jugendlichen Nutzerinnen und Nutzer, aber auch in pädagogischen Kontexten.
(merz 2007-3, S. 14-19)
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Autor: Jürgen Ertelt
Beitrag als PDFEinzelansichtKatharina Hellwig: Das Handy, ein Kinderspiel?
In einer qualitativen Studie wurden 16 Grundschülerinnen und Grundschüler im Alter zwischen neun und elf Jahren zu ihrer Handynutzung befragt.
Dabei zeigte sich, dass Kinder das Handy nutzen, um mobil zu kommunizieren, zu spielen und zu lernen. Diese Facetten der Mobilkommunikation stehen meist in engem Zusammenhang.(merz 2007-3, S. 8-13)
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Autor: Katharina Hellwig
Beitrag als PDFEinzelansichtUlrike Behrens und Lucie Höhler: Mobile Risiken
Jugendschutzrisiken in Zusammenhang mit dem Handy betreffen die Bereiche Content (ungeeignete Inhalte), Contact (riskante Kommunikation) und Commerce (Kostenrisiken).
Das Handy bereichert die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, daher ist es notwendig, dass sich Kinder und Jugendliche selbst, Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Mobilfunkunternehmen möglichst frühzeitig mit der Minimierung dieser Risiken beschäftigen.
(merz 2007-3, S. 20-26)
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Autor: Ulrike Behrens, Lucie Höhler
Beitrag als PDFEinzelansicht„mobil kommunizieren, spielen und lernen“ – Was bietet die Playstation?
Als Spielgerät für unterwegs hat sich die Playstation portable (PSP) in den letzten Jahren weltweit etabliert und den Markt der Spielkonsolen erobert. Auf dem deutschen Markt wurde sie im September 2005 eingeführt und genießt seitdem den Ruf, als schickes und nobles Teil den mobilen Unterhaltungsbedürfnissen der jungen und jüngsten Generation gerecht zu werden.
Günther Anfang sprach für merz mit Guido Alt, Senior PR Manager von Sony Computer Entertainment Deutschland GmbH. Dabei wurde thematisiert, was so besonders an der PSP ist und welche Zukunftsvisionen es schon jetzt gibt. Darüber hinaus war aber auch die Frage des Jugendmedienschutzes Gegenstand des Gesprächs.
(merz 2007-3, S. 32-33)
spektrum
Alfred Holzbrecher: Fotografie als Medium interkulturellen Lernens
Trotz seiner didaktischen und pädagogischen Potenziale steht das Medium Fotografie bislang nur selten als Mittel des interkulturellen Lernens im Fokus der Aufmerksamkeit.
Nach einer Darstellung ebendieser Potenziale wird daher ihr Einsatz im Rahmen interkultureller Bildung sowohl auf theoretischer Ebene begründet als auch durch praktische Beispiele veranschaulicht. Interkulturelles Lernen lässt sich dabei begreifen als die kreative Arbeit am Selbst, bei der die Normalisierung einer reflektierten Annäherung an das ‚Fremde’ im Vordergrund steht.
(merz 2007-3, S. 47-52)
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Autor: Alfred Holzenbrecher
Beitrag als PDFEinzelansichtFüsun Alver und Aysen Gül: Turkish Primary School Teachers and Media Competence
Die Medienkompetenz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren spielt eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung von Medienkompetenz an Heranwachsende. In einer Studie der Universität Istanbul zur Medienkompetenz von Grundschullehrkräften wurden Pädagoginnen und Pädagogen aus staatlichen und privaten Schulen untersucht.
Die Ergebnisse der quantitativen Studie zeigen einen alarmierenden Mangel an Medienkompetenz bei den Befragten. Daraus wird die Forderung nach einem stärkeren Gewicht der Vermittlung von Medienkompetenz sowohl im Unterricht an türkischen Grundschulen als auch in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer abgeleitet.
(merz 2007-3, S. 53-58)
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Autor: Füsun Alver, Aysen Gül
Beitrag als PDFEinzelansichtNicola Marsden und Ingo Teegen: Effekte von medienpädagogischen Zeitungsprojekten
Effekte von medienpädagogischen Zeitungsprojekten für Grundschulkinder sollen Lesemotivation und Lesekompetenz der Kinder steigern.
In einer repräsentativen Befragung wurden rund 1400 Kinder – entweder als Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Zeitungsprojekts oder als Kontrollgruppe – im Laufe des vierten Schuljahres dreimal befragt: Zunächst vor Beginn des Projekts „Zeitung in der Grundschule“, dann direkt im Anschluss und schließlich sieben Monate danach. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Zeitungsprojekte eine Entwicklung beschleunigen, die die Kinder im Laufe des vierten Schuljahres ohnehin vollziehen.
(merz 2007-3, S. 66-72)
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Autor: Nicola Marsden, Ingo Teegen
Beitrag als PDFEinzelansichtZdenek Sloboda: Medienpädagogik in Tschechien
Wie viele osteuropäische Staaten erlebte auch Tschechien in und nach den gravierenden politischen Veränderungen Ende der 80er Jahre einen Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse und mithin des Mediensystems.
Daraus resultierten neue Anforderungen an eine wissenschaftliche Auseinandersetzung wie auch an den pädagogischen Umgang mit Medien. Beides spiegelt sich in aktuellen Tendenzen tschechischer Medienpädagogik wider.
Zunächst werden die historischen Wurzeln (medien-)pädagogischer Arbeit in Tschechien skizziert.
Darauf aufbauend werden aktuelle Entwicklungen sowie mögliche Perspektiven für die Zukunft theoretischer und praktischer Medienpädagogik dargestellt.(merz 2007-3, S. 42-46)
medienreport
Alexander Buck: Gehorsam, Disziplin und körperliche Ertüchtigung: Das Erziehungscamp
„Wer kämpft, kann gewinnen – wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ – Nein, wir befinden uns nicht in einem (zumindest klassischen) Straflager oder bei paramilitärischen Ausbildungen, sondern im Erziehungscamp von Lothar Kannenberg, dem Gesamtleiter der Jugendhilfeeinrichtung Durchboxen im Leben e. V.Die Einrichtung dient seit Dezember 2006 als Kulisse für die RTL2-Doku-Soap Das Erziehungscamp und reiht sich in das Senderschema neben „Frauentausch“ und „Hüllenlos – Auch nackt gut aussehen“ scheinbar nahtlos ein. Wem „Big Brother“ (immerhin sind die dort Inhaftierten freiwillig eingezogen) und Konsorten noch nicht „dokumentarisch“ genug sind, der bekommt hier zudem den Thrill der Straße: Ghettokids, Gewalttäter, Drogenabhängige – das gesamte Spektrum soll hier abgebildet werden. In einem Umerziehungslager mit pädagogischem Anstrich. Sieht so Jugendhilfe aus? „Wir schaffen es!“Neu ist die Einmischung respektive Pervertierung in die und von der Sozialen Arbeit.
Was mit „Die Supernanny“ bereits mehr als fragwürdige Ausmaße erreicht hat, wird im „Erziehungscamp“ auf zwei Ebenen erweitert: Nach amerikanischem Vorbild werden Jugendliche in „Camps“ gesteckt und dort auf gesellschaftliche Eignung getrimmt. Zudem wird suggeriert, nur (noch) so könne man diesen jungen Menschen beikommen. Der Erfolg dieser pädagogischen Arbeit misst sich in der Unterordnung sowie unreflektierten Übernahme von Lebensweisheiten. Das Ganze wird gewohnt reißerisch aufbereitet und in sechs Teilen mit jeweils 60 Minuten dargereicht. Da wird auch gerne mal die „Gruppensitzung“ gefilmt, in der Jugendliche von Kannenberg („Du kapierst es einfach nicht ...“; „Ich hab’ keine Lust mehr, du kannst gehen!“) zum Weinen gebracht werden, der Rest der Gruppe sieht ängstlich zu. Jeder kann der Nächste sein.Den „inhaftierten“ Jugendlichen bleibt kaum ei-ne Wahl: Entweder sechs Monate Drill mit La-gerleiter Kannenberg („ ... unser Drillinstructor“ – Zitat RTL2) oder in geschlossene Einrichtungen bzw. ins Jugendgefängnis.Konzeptionelle Vermischung von Ebenen.
Es ist schwierig, bei der vorliegenden Vermischung von Realität und Unterhaltungsfernsehen, wie sie typisch für eine Doko-Soap ist (und meines Erachtens geplant und gewollt), eine differenzierte Kritik zu äußern. Vielleicht so: Ein fragwürdiges pädagogisches Konzept wird me-dial so aufbereitet, dass es einerseits den exhibitionistischen Gelüsten des Fernsehpublikums gerecht wird, andererseits (und dies ist ebenso fatal) als Blaupause für Korrekturen an gesellschaftlichen Problematiken angewendet werden kann. Erziehung und (sozial-)pädagogische Arbeit wird mit bedingungsloser Unterordnung, extremer körperlicher Betätigung sowie unre-flektierter Übernahme von funktionalen Techniken gleichgesetzt. Emanzipatorische Ansätze, Empowerment, Gender, das sind Fremdworte im von Regeln dominierten Konzept, welches von Horst Köhler mit einer Bundesverdienstmedaille versehen wurde.Aber vielleicht ist dies symptomatisch: Vorbei die Zeiten der Aufklärung, das Ideal des mündigen Bürgers – eine funktionalistische Gesellschaft will ein regelwerkhaftes, zuverlässiges Potenzial von Korrekturwerkstätten.
Kollektiver Zwang statt individuelle Einsicht, monotone Vorgaben statt Be-rücksichtigung von Neigungen und Fähigkeiten. Geschlechtsspezifisch? Aber sicher! Da nur männliche Jugendliche von männlichen „Respekttrainern“ (welche mittels Trillerpfeifen kommandieren!) trainiert werden, kann sich das Programm auch geschlechtsspezifisch schimpfen. Der Tagesplan ist auf die Jugendlichen ab-gestimmt (so wie es sich Kannenberg und seine „Respekttrainer“ vorstellen): Von 5.55 bis 22.30 Uhr (außer sonntags) ist der Tag minutiös durchgeplant. Frühsport, Überlebenstraining, 500 (!) Liegestütze, Zehn-Kilometer-Lauf, Respekttraining, Nachtlauf und bis zu dreimal täglich duschen. Ein weiterer, wesentlicher Bestandteil ist das Boxtraining – schließlich sollen sich die Jugendlichen ja „im Leben durchboxen“.Wichtig für die Jugendlichen sind auch klare Hierarchien. Die Jugendlichen durchlaufen drei Phasen, wer sich gut „durchboxen“ kann steigt in den nächst höheren Rang auf. Für das Publikum wird die Rangordnung durch die verschiedenen T-Shirts kenntlich gemacht.
Neben der körperlichen Ertüchtigung machen Rituale den Camp-Alltag aus: Hierzu zählen das Willkommens-, Überlebens-, Essens-, Grab-, Kreis-, Tages-, Baum- und Verabschiedungsritual.Wem allmählich Zweifel aufkommen mögen, der darf sich von Kannenberg beruhigen lassen, schließlich kommt er, wie seine Kombattanten, von „ganz unten“ und Boxen fördert die Disziplin. Jungs boxen eben gerne.Fachpersonal – FehlanzeigeSie gehen wegen fundierter Rechtsberatung noch zum Rechtsanwalt oder vertrauen bei gesundheitlichen Fragen einem Facharzt? Wie rückständig und überflüssig: Schließlich kann jeder, der schon einmal rechtliche oder gesundheitliche Probleme hatte, Sie beraten. Diese Analogie vermittelt Das Erziehungscamp.
Eine pädagogische Leitung ist zwar (noch) nötig, aber sonst können in diesem Betätigungsfeld ebenso gut ehemalige Boxer, Straffällige, NVA-Offiziere ihre Lebensweisheiten weitergeben.Nun lässt sich (mittlerweile) schwerlich RTL2 der Vorwurf machen, unreflektierte und fragwürdige Formate zu produzieren – zu viele gab es be-reits. Und dass Erwachsene zu Vielem bereit sind, solange sie ins Fernsehen kommen und der monetäre Aspekt stimmt, ist auch nicht neu.Neu ist die unerträgliche Form der Vermischung von Sozialer Arbeit im Allgemeinen sowie professioneller Jugendhilfe im Speziellen mit einer haarsträubenden Konzeption plus medialer Aufbereitung (selbst die einzige Sozialarbeiterin in Folge sechs ist so klischeehaft dargestellt, dass es schon an Diskreditierung einer Profession grenzt).
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Autor: Alexander Buck
Beitrag als PDFEinzelansichtAndrea Krüger: Glowys und Goblins im zauberhaften Feenwald
Feyruna – Der Feenwald, Downloadversion, Win 95/98/ME/NT4/2000/XP/Vista, USK 6. Frankenthal: Jochen Kärcher Gamedesign, 19,95 €
„Ein gewaltfreies Spiel für die ganze Familie“, wirbt Jochen Kärcher für sein neues Spiel Feyruna – Der Feenwald und verspricht nicht zu viel. Als gute Fee müssen die Spielenden versuchen, den Feenwald vor ,Dunklen Mächten’ zu schützen, die Dunkelheit über diesen bringen wollen. Dabei tauchen immer mehr Feinde auf, die es zu verjagen gilt, um Feyruna zu retten. Da gibt es zum Beispiel Hexen, die mit den Dämpfen aus ihren Hexenkesseln die kleine Fee für kurze Zeit betäuben. Oder Goblins, die in verschiedenen Gestalten auftauchen und die Fee mal als Drachenflieger zu rammen versuchen oder sie als Schamanen mit Feuerbällen verletzen wollen. Geschieht dies, so wächst unter dem positiven goldenen Energiebalken am oberen Bildschirmrand ein bedrohlicher schwarzer Balken heran, der die Energie des Bösen darstellt. Ist der schwarze Balken schneller gefüllt als der goldene, so ist ein Teil von Feyruna an das Böse verloren und der Level muss nochmals gespielt werden.
Die kleine Fee muss sich durch 60 Level kämpfen und dabei ihren Feinden mit Hilfe verschiedenster Zauber Herr werden. Nach jeweils 15 Levels kommt es zum Duell mit einem der vier Schattenfürsten, den Anführern der dunklen Seite. Sie werden von Mal zu Mal stärker, genau wie ihre Gehilfen in jedem Level mehr und bedrohlicher werden. Trotzdem bleiben erschreckende Bilder oder gewalttätig wirkende Features außen vor. Die ‚atmosphärische’ Musik dudelt immer gleich harmonisch und selbst die Feinde sind so niedlich gestaltet, dass man sich beim ersten Anblick ein Schmunzeln kaum verkneifen kann. Überhaupt ist die schöne und detailreiche Grafik ein Highlight des Spiels.
Von Level zu Level lassen sich immer wieder neue raffinierte und wunderschöne Details erkennen.Feyruna ist auch schon für Kinder ab sechs Jahren gut geeignet, da keinerlei Gewalt oder Unheimlichkeiten vorhanden sind. Das Spiel kann durchgängig mit der Maus bedient werden. So können hier nicht nur Kinder, sondern auch Senioren, die oft von komplizierten Tastenkombinationen abgeschreckt werden, leicht mithalten. Durch die stetige Steigerung des Schwierigkeitesgrades im Laufe des Spiels kommen aber auch anspruchsvollere Spielerinnen und Spieler auf ihre Kosten. Manch einem Teenager oder Erwachsenen fehlt es vielleicht an Action fehlen, aber dann wäre das Spiel nicht mehr das, was es ist, nämlich „ein gewaltfreies Spiel für die ganze Familie“.
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Autor: Andrea Krüger
Beitrag als PDFEinzelansichtGünther Anfang: TrackMania United
TrackMania United, Windows 2000/XP/x64/Vista, Pentium IV 1.6GHz, 256 MB RAM Direct X 9,09 kompatible Grafikkarte mit mind. 16 MB, Direct X 9.0c kompatibel Soundkarte. Festplattenbedarf 1,5 GB; USK: Ohne Altersbeschränkung; 35 €
Jungs lieben Autorennen, ob real oder virtuell. Aus diesem Grund sind Rennspiele für den Computer bei dieser Zielgruppe seit Jahren sehr erfolgreich. Klassiker des Genres sind Need for Speed oder Midtown Madness. Bei diesen Spielen geht es in erster Linie darum, Rennen in verschiedenen Städten wie London oder Washington D. C. zu fahren und dabei auch diverse Crashs mit anderen Fahrzeugen und Personen zu riskieren. Anders ist das bei TrackMania, das ebenfalls als Klassiker dieses Genres eingestuft werden kann. Hier geht es vor allem darum, Strecken zu bauen und darauf die eigenen Fahrkünste zu testen. Von der Vielzahl von Rennspielen hebt es sich durch einen integrierten Editor ab, mit welchem der Spieler auf einfache Weise eigene Strecken gestalten kann.
Damit ist TrackMania sozusagen ‚Die SIMS für Jungen’. Über 300 Streckenbauteile, von Geraden und Kurven über Schanzen, Loopings und Röhren bis hin zu Schlaglöchern, Tunnels und Dekorationselementen stehen zur Auswahl. Die erstellten Strecken lassen sich danach in 3D-Grafik sowohl im Einzelspieler- wie auch im Mehrspieler-Modus befahren. Auf Kollisionsmöglichkeiten der Fahrzeuge untereinander wurde zugunsten des Spielprinzips verzichtet.Ausgehend vom TrackMania Original, das bereits 1995 auf dem Markt gekommen ist, sind in der Zwischenzeit viele weitere Versionen erschienen unter anderen TrackMania Sunrise, TrackMania Nations und als neueste Variante TrackMania United.Der neueste Teil der mehrfach preisgekrönten TrackMania-Serie bietet zwar nicht umwerfend viel Neues, doch durch die Überarbeitung kamen einige nette Effekte hinzu.
So sind die Hin-tergründe besser gemalt und auch die Autos mit mehr Details ausgestattet. In drei verschiedenen Modi und auf rund 200 neuen Kursen kann man sein Können unter Beweis stellen. Das Spiel kann sowohl online mit Gleichgesinnten rund um die Welt als auch allein gespielt werden. Als Onlinespiel bietet TrackMania die Mö-glichkeit im Netzwerk gemeinsam an Strecken zu basteln und dafür auch sogenannte ,Coppers’ und Bewertungen zu erhalten. Wie bei allen Onlinespielen ist damit aber auch ein Zeitfresser eingebaut. So schön und kreativ das Spiel ist, so problematisch ist es in Bezug auf den Zeitfaktor. Alle Rennbegeisterten können sich hier mehrere Stunden in einer virtuellen Welt verlieren und vergessen darüber ihre Hausaufgaben.
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Autor: Günther Anfang
Beitrag als PDFEinzelansichtKai Hanke: Ein Traum von Widerstand
Nachdem Zentropa Productions mit Filmen wie Italienisch für Anfänger oder Dancer in the Dark tadellose Erfolge feiern konnte, hat auch der Kinder- und Jugendfilm Der Traum zahlreiche nationale und internationale Preise gewonnen (vgl. 2/2006). Seit Ende Mai ist er endlich auch in deutschen Kinos zu sehen. Ein Lichtblick für Eltern und Erziehende auf der Suche nach sinnvollem Kinoprogramm. Denn von Regisseur Niels Aarden Oplev ursprünglich als Film für Erwachsene über Kinder gedacht, hat der anspruchsvolle Film vor allem bei Jugendjurys und dem jungen Publikum große Begeisterung geweckt. Sommer 1968. Dänemark. Eine kleine, gemütliche Gemeinde im ländlichen Raum. Die Geschichte des 13-jährigen Frits (Janus Dissing Rathke) beginnt mit schicksalhaften Entwicklungen. Frits’ Vater wird in den Sommerferien unvermutet wegen einer psychischen Störung ins Krankenhaus eingeliefert. Während Frits um seinen Vater bangt, verbringt er Stunden vor dem neu angeschafften Fernseher und verfolgt fasziniert die politischen Entwicklungen in der Welt, die Friedensbewegung der sechziger Jahre und die Reden von Martin Luther King. Nach den Ferien beginnt für ihn jedoch eine noch schwerere Zeit an seiner neuen Schule. Dort waltet der nicht nur reaktionäre, sondern auch autoritäre und körperlich züchtigende Direktor der Schule Lindum Svendsen (Bent Mejding).
Seine kompromisslose Art fürchten in dem bra-ven Dorf Schüler wie Lehrpersonal. Nach einer unglücklichen Dummheit wird Frits von Svendsen brutal bestraft und schwerverletzt nach Hause gebracht. Mutig und getragen von den Freiheits- und Gerechtigkeitsidealen Martin Luther Kings nimmt Frits den Kampf gegen den bösartigen Direktor auf. Seine rebellische Haltung findet dabei nicht nur bei seinen Eltern, sondern auch dem progressiven Lehrer Freddi Svale (Anders W. Berthelsen ) Unterstützung. Gemeinsam – und gegen alle Widerstände des Direktors selbst, aber auch seitens der autoritätshörigen Belegschaft der Schule – versuchen sie Svendsen seines Amtes zu entheben. Anfangs sind es noch die wenigen Erwachsenen, die Frits’ Rebellion ermutigen. Am Ende des Films jedoch ist er der einzige, der für seine Rechte einzustehen vermag – und auch das Schicksal hat wieder seine Hand im Spiel.Regisseur Oplev, der auch das Drehbuch verfasst hat, ist mit Der Traum ein vielschichtiger, dichter Film gelungen, dessen Dimensionen sich dem Publikum je nach Alter wohl in unterschiedlichem Ausmaß erschließen. Die älteren mögen die durchaus abstrakten, politischen Hintergründe des Filmes, den Widerstreit zwischen Progression und Konservativismus in den 60er Jahren im Vordergrund sehen. Den jüngeren eröffnen sich diese Konflikte zwischen Autorität und Emanzipation hingegen sehr konkret.
Denn für Frits geht es vor allem darum, er selbst zu bleiben, seine Wünsche und Träume durchzusetzen, zu leben. All das sind Schwierigkeiten, mit denen sich Kinder und Jugendliche auch jenseits politischer Ideologien der Erwachsenenwelt identifizieren können. Der Film besticht dabei nicht nur durch eine für Kinderfilme ungewöhnlich anspruchsvolle Kamera (Lars Vestergaard) und ein detailverliebtes Szenen- und Kostümbild (Søren Skjaer/Manon Rasmussen). Er vermag auch eine gerade für die kindliche Rezeption wichtige Ausgewogenheit zwischen dramaturgischer Spannung und Entspannung aufrechtzuerhalten. Schließlich überzeugt der Film durch die beeindruckende Leistung vor allem der jungen Darstellerinnen und Darsteller – umso erstaunlicher als Janus Dissing Rathke als Frits hier sein Schauspiel-Debüt gab. Unabhängig von der insgesamt und besonders für Kinder empfehlenswerten Qualität des Films – manches hinterlässt beim kritikwilligen Publikum einen faden Beigeschmack: Zunächst ist der Film, sein Set, die Anlage der Rollen allzu klischeeverhaftet und vereinfachend (vor allem im Fall des Schuldirektors und des neuen Lehrers Svale). Einseitige, undifferenzierte Charaktere mögen einen Einstieg in den Film erleichtern, über die Dauer des Films verlieren sie jedoch ihre Glaubwürdigkeit.
Einen weiteren, ärgerlichen Punkt stellt der versteckte Patriotismus dar, der sich auch durch so manch andere dänische Produktion der letzten Jahre gezogen hat (bspw. Flickering Lights). Und dies durchaus nicht immer mit ironischer oder andersartiger Distanz. Spätestens, wenn Vater und Sohn im Glück der Vater-Sohn-Beziehung strahlend gemeinsam die dänische Flagge hissen, stellt sich die Frage, was das bitteschön mit dem Film zu tun hat! Eine Antwort gefährdet in gewisser Hinsicht die Lust am Weitersehen.Alles in allem: Der Traum ist ein intensives Filmerlebnis für alle Altersgruppen. Eine spannende Story, gespickt mit einer zarten Liebesgeschichte, originellen Einfällen und Nebenhandlungen, insgesamt konsequent, mitreißend und in wunderschönen Bildern erzählt. Obwohl der Film auf einer wahren Begebenheit beruht, verliert er sich allerdings oftmals im Klischee und verspielt seine inspirierende Kraft durch unnötige Vereinfachungen von Charakteren und Situationen (zugegeben – ein allzu erwachsener Kritikpunkt).
Wie auch immer, der Traum bleibt irgendwie ein Traum. Wägt man allerdings Stärken und Schwächen des Films ab, so ist der Film letztlich ein sehenswerter Familienfilm, der Jung und Alt zu erreichen und zu berühren vermag. Und wer weiß, vielleicht inspiriert er ja doch – auch oder gerade wegen seiner romantisierenden Art – die eine oder den anderen, ein wenig von Frits’ Freiheitswillen aus dem Kino in das eigene Leben zu holen. Drømmen | Der TraumDänemark, Großbritannien 2005, 105 minRegie: Niels Arden OplevDarsteller: Janus Dissing Rathke, Anders Berthelsen, Bent Mejding, Sarah Juel WernerZentropa ProductionsFSK 6
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Autor: Kai Hanke
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Bloech: Der rote Elvis
Dean Reed war eine der geheimnisvollsten Ikonen der globalen Popkultur zu Zeiten des Kalten Krieges. In Leopold Grüns Dokumentarfilm Der rote Elvis wird aus einer distanzierten, aber zu-gleich auch ambitionierten Perspektive die berufliche, ideologische wie auch die private Seite der Biografie des US-Amerikaners, der aus politischen Gründen 1973 in die damalige DDR immigrierte, beleuchtet. Der Sänger und Schauspieler verstand sich als Sozialrevolutionär und reiste unermüdlich mit seiner Gitarre durch die Welt, protestierte gegen Militätrregimes und den Vietmamkrieg und warb für seine Utopie.
Bekannt und beliebt war er vor allem in den sozialistischen Staaten, in Osteuropa und Südamerika. Und politische Persönlichkeiten wie Salvador Allende, Daniel Ortega und Yassir Arafat zählten zu seinem Bekanntenkreis. Als er in die DDR zog, konnte er dort zunächst die Menschen durch seine charismatische Ausstrahlung begeistern. Dean Reed gelang es jedoch im Verlauf der Jahre nicht, seine hochfliegenden sozialistischen Ideale in die eigene, private Lebensweise zu integrieren. Ausgenutzt von der DDR-Propaganda, vereinnahmt vom politischen Kalkül der Machthabenden, unfähig auf den Wandel der Zeit zu reagieren, desillusioniert und zermürbt von Beziehungskrisen beging der Künstler schließlich 1986 Selbstmord.
Akribisch verfolgt der Film mit Berichten von prominenten Zeitzeugen wie dem Schauspieler Armin Mueller-Stahl, DEFA- Regisseur Günter Reisch oder der Schriftstellerin Isabel Allende mehrere Stationen aus dem sprunghaften Leben von Dean Reed und zeigt, wie wichtig und motivierend Utopien einer-seits sind, macht aber auf der anderen Seite auch deutlich, welche menschliche Tragik sich aus der Desillusion entwickeln kann. Bemerkenswert an dem Film ist, wie pointiert und spannend ein Personenportrait sein kann, wenn nicht auf oberflächliche Effekte zurückgegriffen wird und Widersprüche nicht geglättet werden. Der rote ElvisDeutschland 2006, 90 minRegie: Leopold GrünDarsteller: (Mitwirkende) Chucho Fernandez, Isabel Allende, Peter Boyles, Armin Mueller-Stahl, Celino Bleiweiß, Egon Krenz, Wiebke Reed, Günther Reisch, Maren Zeidler Neue Visionen Film Verleih GmbH
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Autor: Michael Bloech
Beitrag als PDFEinzelansichtPetra Baumgartner: Herr Bello und das blaue Wunder
Regisseur Ben Verbong, Produzent Ulrich Limmer und Drehbuchautor Paul Maar sind ein erfolgreiches Trio. Schon mit den Filmen Das Sams und Sams in Gefahr versetzten sie große und kleine Zuschauer in Erstaunen. Jetzt haben sie sich an die Verfilmung des Kinderbuches Herr Bello und das blaue Wunder gewagt. Herausgekommen ist eine emotionale, gefühlvolle und fast seichte Komödie. Worum geht es? Der zwölfjährige Max (Manuel Steitz) lebt mit seinem Vater, dem Apotheker Sternheim (August Zirner) nach dem Tod der Mutter in einer idyllischen Kleinstadt. Der Vater kümmert sich liebevoll um den Knaben, aber es gelingt ihm nicht, die fehlende Mutter zu ersetzen. Und Max wiederum versucht alles Kindermögliche, dass keine neue Frau in das Leben des Vaters tritt. Denn er hat Angst, auch den geliebten Vater zu verlieren. Auf dem Bauernhof von Sternheims Freund Edgar (Jan-Gregor Kremp) läuft Max ein niedlicher Hundemischling über den Weg, der ihm fortan nicht mehr von der Seite weicht. Max tauft den Hund auf den Namen Bello.
Zur gleichen Zeit bekommt der Apotheker Sternheim eine Flasche mit einer seltsamen blauen Essenz überreicht. Bei Landwirt Edgar wird die wundersame Flüssigkeit gleich als mögliches „Düngemittel“ getestet. Was in der Flüssigkeit wirklich steckt, muss bald der Hund Bello erleben. Durch ein Missgeschick zerbricht die Flasche, Bello schlabbert von der verwunschenen Flüssigkeit und verwandelt sich in einen Menschen! Das heißt, Herr Bello (Arnold Rohde), sieht zwar aus wie ein Mensch der sprechen kann, benimmt sich aber weiterhin wie ein Hund. So sorgt er für jede Menge Aufregung. Nachts setzt sich Herr Bello aufs Dach und jault den Mond an, im Park schnüffelt er Hundedamen hinterher und be-sonders die Manieren am Tisch lassen arg zu wünschen übrig. Aber auch für Sternheim scheint eine neue Zeit anzubrechen, denn die attraktive Frau Lichtblau, die gerade ins Haus eingezogen ist, fördert ganz neue Gefühle in ihm zutage. Die Situation spitzt sich zu, als Bauer Edgar seine Nutztiere mit dem verzauberten Gras füttert. Hühner, Hasen, Schweine und Kühe laufen plötzlich auf zwei Beinen in der Stadt umher und sprechen mit einem seltsamen Akzent. Wie es sich für einen Familienfilm gehört, gibt es auch ein Happy End.
Im Kern handelt Herr Bello von einem Jungen, der lernen muss, von seiner toten Mutter Abschied zu nehmen und in der Familie den Platz für eine andere Frau frei zu geben. Dass aber in Wahrheit der Wunsch nach familiärer Harmonie bereits in dem Jungen steckt, zeigt ihm letztlich der Hund Bello. Die vordergründig komisch-absurde Ebene der vielen Verwandlungen über die man in jedem Alter lachen kann, täuschen darüber hinweg, dass die kompletten Zusammenhänge des Films erst einem Publikum ab zehn Jahren verständlich sein dürften. Denn die Liebesgeschichten inklusive Eifersucht und heimlichen Verehrern sind für ein ganz junges Publikum wohl noch zu kompliziert; diesem dürfte es schwer fallen, hier immer den roten Faden zu behalten. Alles in allem: Herr Bello ist gelungener Familienfilm. Armin Rohde liefert eine herrliche Vorstellung und hat sichtliches Vergnügen daran, all das zu tun, was für Menschen gemeinhin als unschicklich gilt. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch der ausgesprochen komische Auftritt des Badesalz-Duos. Kinder und Eltern werden den Plot des Filmes mögen und sich schon auf die Verfilmung Neues von Herrn Bello freuen. Herr BelloDeutschland 2007, 97 minRegie: Ben VerbongDarsteller: August Zirner, Armin Rohde, Sophie von Kessel, Manuel Steitz, Jan-Gregor Kremp Collina Filmproduktion/Constantin FilmFSK 6
Beitrag aus Heft »2007/03: mobil kommunizieren, spielen und lernen«
Autor: Petra Baumgartner
Beitrag als PDFEinzelansichtTilmann P. Gangloff: Lesen ist sexy
Fernsehen ist kinderleicht: hinsetzen, einschalten, gucken. Deshalb hält es auch niemand für nötig, Kindern das Fernsehen beizubringen: Sie lernen es, indem sie es tun. Lesen hingegen ist schwer, Lesen muss man lernen. Aber wenn man es kann, macht es Spaß. Für die meisten ist dies allerdings der einzige Zugang zur Lektüre: Sie dient der reinen Unterhaltung. Laut regelmäßiger Umfragen des Allensbacher Instituts für Demoskopie greifen immer weniger junge Menschen (14 bis 29 Jahre) zur Zeitung, wenn sie sich über ein bestimmtes Thema näher informieren möchten. Zur Jahrtausendwende galt das noch für etwa die Hälfte der Befragten, heute nur für gut 38 Prozent. Selbst das Fernsehen (60,9 Prozent) ist bei der Informationssuche nicht mehr Leitmedium: Längst hat es seine Füh-rungsposition dem Internet (69,7 Prozent) überlassen müssen. Trendvergleiche belegen zwar ei-ne Erosion der Zeitungslektüre in allen Altersgruppen, doch bei Menschen unter dreißig kann man von einem Erdrutsch sprechen: Um auf dem Laufenden zu bleiben, genügt es der Mehrzahl völlig, regelmäßig Medien wie Fernsehen, Radio und Internet zu konsumieren. 1992 waren in dieser Altersgruppe noch 58 Prozent der Meinung, man sollte regelmäßig eine Tageszeitung lesen; mittlerweile hat sich die Zahl halbiert.
In Amerika ist dieses Phänomen schon länger zu beobachten. Im letzten Präsidentschaftswahlkampf bezogen die meisten jungen Wähler ihre Informationen über die Kandidaten aus TV-Talkshows. Für Rüdiger Schulz ist das eine alarmierende Entwicklung. Der langjährige Projektleiter am Allensbacher Demoskopie-Institut denkt nicht zuletzt an die Ergebnisse der PISA-Studie, wenn er fordert: „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung, die Bedeutung der Zeitungslektüre wieder aufzuwerten. Das Leben gelingt mit regelmäßiger Zeitungslektüre besser!“ Schulz, der im Auftrag der Verlage das Leseverhalten schon seit Jahrzehnten beobachtet, betont, es gehe ihm nicht „um die Gewinnoptimierung von Medienhäusern“. Auch wenn er es nicht so direkt formuliert: Er betrachtet die Qualitätszeitungen als unverzichtbare Stützen der Demokratie. Eine reine Internetnutzung verkürze das Blickfeld: „Beim Abruf konkreter Informationen leistet das Medium nützliche Dienste, aber das Verständnis von Zusammenhängen sowie die Fähigkeit, Pro und Contra abzuwägen, gehen verloren“. Dass es soweit gekommen ist, hat den Sozialwissenschaftler allerdings nicht überrascht.
Er beobachtet diese Tendenz seit 1984. Ausgerechnet in jenem Jahr, das durch George Orwells Roman gleichen Titels als Synonym für eine pessimistische Utopie gilt, ist hierzulande das kommerzielle Fernsehen eingeführt worden. Seither vollzieht sich auch in Deutschland eine ähnliche Entwicklung der Banalisierung wie schon seit Jahrzehnten in Amerika. „Wir leben in einer un-geistigen Zeit“, stellt Schulz mit Bedauern fest. Da Politik immer komplexer werde, „steigen vie-le Menschen einfach aus“. Ähnlich wie beim Klimawandel sei es aber noch nicht zu spät, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Es gelte nun vor allem, den „Mehrwert der Zeitungslektüre“ herauszustellen. Der steht für ihn außer Frage, und zwar auch für junge Menschen. „Verschiedene Studien belegen: Ein anregendes Lesemilieu im Elternhaus wirkt sich außerordentlich positiv auf die berufliche Karriere aus“. Ausgerechnet dort, in den Familien, finden sich Zeitungen aber immer weniger. Es sei daher nötig, so Schulz, „in allen Bereichen, also bei Eltern, Schule, Politik und Wirtschaft, ein Problembewusstsein zu schaffen: Wohin führt diese Entwicklung?“ In die Verantwortung nimmt er vor allem die Schule, denn die Möglichkeiten der Tageszeitungen hält er für begrenzt. Freundlichere Leserführung, Layout-Optimierung und andere Reformen seien weitgehend ausgeschöpft. Schulz warnt eindringlich vor einer stärkeren Boulevardisierung: „Das ist kein Erfolgsrezept, wie die sinkende Auflage auch von Bild belegt“.
Es seien daher flankierende Maßnahmen der Medienpädagogik nötig: „PISA hat zwar alle erschüttert, aber konkrete Folgen gibt es nicht. Dabei zeigt sich deutlich: Das verstehende Lesen ist in Deutschland rückläufig. Es bedarf entsprechender Anstrengungen, die Zeitungslesekompetenz zu fördern“. Schulz verweist auf PISA-Spitzenreiter Finnland: „Dort gibt es Bestwerte bei der Lesekompetenz, weil auch bei jungen Leuten der Anteil der Zeitungsleser sehr hoch ist“. Das derzeitige Engagement der Verlage („Zeitung in der Schule“) hält Schulz nicht für ausreichend, um die Lesebarrieren der Jugendlichen zu überwinden: „Es genügt nicht, vier Wochen lang gratis eine Zeitung zu liefern“. Die Kooperation mit den Schulen müsse sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und dürfe sich auch nicht auf den Deutschunterricht beschränken: „Die Jugendlichen müssen dazu verführt werden, eine Tageszeitung in allen Teilen zu nutzen“. Das könne durchaus auch spielerische Züge haben, indem Schüler beispielsweise täglich nach der wichtigsten und der unwichtigsten Meldung suchen. Hilfreich seien auch medienpädagogische Projekte etwa in Form von Baukästen.
Für das Fernsehen gibt es solche Materialien be-reits; Kinder können auf diese Weise lernen, wie Werbung funktioniert. Schulz weist ausdrücklich daraufhin, dass er das Internet keineswegs verteufele. Er hält es im Gegenteil „für optimal, die Stärken beider Medien miteinander zu verknüpfen“. Im Gegensatz zum ,Web’ aber sei das Zeitunglesen auch ein sinnliches Vergnügen: „weil man durch Bilder und Überschriften dazu verführt wird, sich mit Themen zu beschäftigen, die man als Suchbegriff nie eingegeben hätte“. Tageszeitungen sind also doch, was ihnen Digitaleuphoriker gern absprechen: sexy. Nicht bloß Finnland liefert übrigens den Beweis, dass sich die beiden Medien keineswegs ausschließen: Hier wie dort sind in-tensive Internet-Nutzerinnen und -nutzer in der Regel auch überdurchschnittlich aktive Zeitungsleserinnen und -leser.
Beitrag aus Heft »2007/03: mobil kommunizieren, spielen und lernen«
Autor: Tilmann P. Gangloff
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publikationen
Ainetter, Sylvia. Blogs – Literarische Aspekte eines neuen Mediums. Eine Analyse am Beispiel des Weblogs Miagolare
Ainetter, Sylvia (2006). Blogs – Literarische Aspekte eines neuen Mediums. Eine Analyse am Beispiel des Weblogs Miagolare. Innsbruk-ker Studien zur Alltagsrezeption, Bd. 5, Wien: LIT Verlag. 104 S., 14,90 €
„71 million blogs ... some of them have to be good“ steht zurzeit auf der Startseite der Blog-Suchmaschine Technorati. com. Die Zahl wird regelmäßig aktualisiert, das Versprechen, das sie beinhaltet, ist eher alt. Vor allem in Deutschland schreitet die Revolution durch das Web2.0 mit einer gewissen Gemütlichkeit voran. Selbst wenn man von einem fleißigen Lesepublikum ausgeht, kommt man im Durchschnitt auf nur dreißig Leser und Leserinnen pro Autor bzw. Autorin.
Das ergab zumindest eine Befragung der PR-Agentur ZPR im vergangenen Jahr. Die vorliegende Studie beschäftigt sich am Beispiel des Weblogs Miagolare mit den Fragen: Was un-terscheidet Weblogs von herkömmlichen Tagebüchern? Welcher Textsorte lassen sich Weblogs zuordnen und sind Weblogs Literatur? Bereits Ende 2005 fertiggestellt, ist der Band trotzdem nach wie vor aktuell. Die fundierte Analyse zeigt, dass die Aufzeichnungen von Privatpersonen im Rahmen eines Weblogs literarisch sein können. Es gelingt, das Phänomen Weblog und dessen Umfeld auch für Internetlaien verständlich darzustellen.
Deutsche Kinemathek (Hg.). Recherche Film und Fernsehen
Deutsche Kinemathek (Hg.) (2007). Recherche Film und Fernsehen. Berlin: Bertz + Fischer Verlag, 70 S., 8 €
Mit Recherche Film und Fernsehen (RFF) legt die Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen ihre neue Zeitschrift vor, die künftig zweimal jährlich erscheinen soll. Sie steht in der Kontinuität von FilmGeschichte, dem seit 1991 veröffentlichten früheren Periodikum der Deutschen Kinemathek. Die Themen der Zeitschrift RFF spiegeln die Arbeitsschwerpunkte der Deutschen Kinemathek wider: die Mediengeschichte von Film und Fernsehen.
Jedes Heft hat einen thematischen Schwerpunkt. Dieser kann sowohl historischen wie auch aktuellen Problemen gelten. Recherche Film und Fernsehen wird redaktionell von dem Filmhistoriker Michael Esser und dem Publizist Ralph Eue betreut. Das erste Heft mit dem Schwerpunkt „Nachspiel DDR“ ist im Mai 2007 erschienen. Es behandelt die verschiedenen Sichtweisen auf die DDR in Film und Fernsehen. Die Themen reichen von „Dokumentarfilme über die FDJ“ bis zu „Filmen über die DDR“ und von „Geschlechterverhältnissen in Filmen“ bis zur „Programmgeschichte des DDR-Fernsehens“.
Dittler, Ullrich/Kindt, Michael/Schwarz, Christine (Hg.). Online-Communities als soziale Systeme. Wikis, Weblogs und Social Software im E-Learning
Dittler, Ullrich/Kindt, Michael/Schwarz, Christine (Hg.) (2007). Online-Communities als soziale Systeme. Wikis, Weblogs und Social Software im E-Learning. Medien in der Wissenschaft. Bd. 40, Münster: Waxmann Verlag. 223 S., 24,90 €
Lebenslanges Lernen ist eines der Schlüsselthemen für die Wissensgesellschaft. Abseits der formal organisierten Bildungsangebote hat sich mit der Verbreitung und Nutzung von Social Software eine neue und sehr heterogene Organisationsform des technologiegestützten Lernens entwickelt. Wie aber funktionieren Gemeinschaften, wenn sie nicht nur online, sondern auch selbst organisiert sind?
Der Sammelband beschreibt innovative Beispiele für die Anwendung von Wikis, Weblogs und Social Software: in virtuellen Autoren-Kollektiven, Wirtschaftsunternehmen und studentischen Initiativen. Die wissenschaftlich fundierten Beiträge vermitteln einen guten Einblick in Online-Communities aus der Perspektive des E-Learnings.
Leppek, Kevin. Wertevermittlung am Beispiel des Fernsehsenders KI.KA der Kinderkanal
Leppek, Kevin (2006): Wertevermittlung am Beispiel des Fernsehsenders KI.KA der Kinderkanal. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Wien
Die Frage nach dem Wert von Kindersendungen wird immer wieder gestellt, die entscheidende Frage nach der Wertevermittlung hingegen selten. Kevin Leppek hat in seiner Diplomarbeit „Wertevermittlung am Beispiel des Fernsehsenders KI.KA der Kinderkanal“ sechs Kindersendungen untersucht und nach ihren Inhalten und den darin vermittelten Werten analysiert.
Für Leppek spielen Werte des sozialen Miteinanders, wie Ehrlichkeit und Solidarität eine große Rolle. Aber auch hedonistische Werte wie Abenteuer, Spannung und Spaß stehen für ihn im Vordergrund. Gerne folgt man den schlüssigen Argumentationen des Autors, wenn dieser jenseits des kulturpessimistischen Klischees, Fernsehen führe zu einem gesellschaftlichen Werteverlust, plausibel und an konkreten Beispielen das Gegenteil beweist.
Lewis, Peter M./Jones, Susan (Ed.). From the Margings to the Cutting Edge. Community Media and Empowerment
Lewis, Peter M./Jones, Susan (Ed.) (2006). From the Margings to the Cutting Edge. Community Media and Empowerment. Cresskill, NJ: Hampton Press, 248 S., 17,64 €
Radio, Internet, Fernsehen – sie alle befinden sich aufgrund technologischer Fortschritte in stetigem Wandel. Doch was an technischer Innovation gemein-hin vor allem mit den etablierten Medien in Verbindung gebracht wird, gilt gleichermaßen auch für Formen des alternativen Rundfunks: ‚Community Media’ bzw. Bürgerrundfunk Der Band von Lewis und Jones versucht neue Tendenzen, Herausforderungen und Möglichkeiten des Bürgerrundfunks zusammenzufassen. Ausgehend von den Erfahrungen aus zwei Forschungs- und Praxisprojekten wird kurz auf die theoretischen Wurzeln und geschichtliche Entwicklungen der ‚Community Media’ eingegangen.
Im Anschluss folgen Darstellungen von verschiedenen europäischen Praxisprojekten im Bereich des Bürgerrundfunks. Neben Radio und Fernsehen stehen dabei vor allem auch neue Medien, Internet und Podcasts im Mittelpunkt des Interesses. Politische Dimensionen der Projekte wie Partizipation, Genese einer alternativen Öffentlichkeit, E-manzipation und Selbsttätigkeit gesellschaftlicher Subjekte usw. werden dabei ebenso reflektiert wie technische und strukturelle Erfordernisse entsprechender Projekte. Erfreulich ist dabei vor allem die internationale Perspektive auf ‚Community Media’, die gerade im Hinblick auf Globalisierungs- wie Lokalisierungstendenzen im Medienbereich mehr als angemessen erscheint.
Mikos, Lothar/Hoffmann, Dagmar/Winter, Rainer. Mediennutzung, Identität und Identifikationen. Die Sozialisationsrelevanz der Medien im Selbstfindungsprozess von Jugendlichen.
Mikos, Lothar/Hoffmann, Dagmar/Winter, Rainer (2007). Mediennutzung, Identität und Identifikationen. Die Sozialisationsrelevanz der Medien im Selbstfindungsprozess von Jugendlichen. Weinheim: Juventa, 280 S., 24 €
Der vorliegende Sammelband geht der leider immer noch im Mainstream der Jugend- und all-gemeinen Sozialisationsforschung vernachlässigten Relevanz von Medien im Selbstfindungs- bzw. Selbstbildungsprozess von Jugendlichen nach. In der Einleitung betont das Herausgeberteam, dass die Auseinandersetzung der Heranwachsenden mit dem vielfältigen symbolischen Angebot des Medienspektrums eben nicht isoliert und gleichsam ‚asozial’ abläuft, sondern im sozialen Leben stattfindet. Zuerst geschieht dies mit einem Schwerpunkt, wie Angelika Keppler in ihrer Studie schon 1994 festgestellt hat, in der Familie. Hier werden in den Diskussionen über das Gesendete thematisch Aspekte aufgegriffen, die dann individuell angeeignet werden, um die eigene Position auszuhandeln. Im Verlauf der Ju-gend gewinnen dann die Peers zusehends Relevanz als Aushandlungsforum. Die semiotischen Ressourcen der Medien werden zudem nicht nur interpersonal verarbeitet – vielmehr gehen sie ein in produktive ,Eigenproduktionen’, die nach außen sichtbar sind: in der Reflexion über das eigene Leben, in Kleidung, Zimmereinrichtung und Frisur.
Vor dieser Folie untersucht ein weites Spektrum von Beiträgen, wie herkömmliche Identitätsvorstellungen angesichts des überbordenden aktuellen semiotischen Medienbasars problematisiert werden. So könne zum Beispiel unterstellt werden, dass die Akteure in Fernsehserien, Beziehungs- und Castingshows, Daily Talks und Reality-Shows jeweils in Abhängigkeit zu den je-weiligen lebens- oder entwicklungsgeschichtlichen Themen für jugendliche Rezipientinnen und Rezipienten entweder Chance, Verunsicherung oder gar Hindernis für eine eigenständige, authentische Identitätsbildung sind. Einen markanten, hier ausführlich dokumentierten Beitrag liefert dazu Tanja Thomas. Sie analysiert Casting-Shows mit dem Instrumentarium der von Michel Foucault inspirierten Gouvernementalitätsstudien. Die Bezüge von Jugendlichen zu den Casting-Shows mit ihrer neoliberalen Botschaft des ,Erfinde-Dich-Selbst’ lassen sich verstehen im Rahmen der sozialen Verortung der Jugendlichen, wie die Autorin anhand von Interviewauszügen zeigt.
Sara Bragg und David Buckingham liefern auf der Basis einer britischen Studie einen wichtigen Diskursbeitrag zur schwierigen Materie des Umgangs von Kindern und Jugendlichen mit Darstellungen von Beziehungen, Liebe und Sexualität. Dabei arbeiten sie sehr subtil auch die Vorteile heraus, die Jugendliche für sich in diesen Repräsentationsmodi sehen. Renate Müller und ihr Team von der PH Ludwigsburg brin-gen die aktuellen Identitätsdiskurse ins Gespräch mit Daten aus der Hardcore-Musikszene. Nachgewiesen wird, wie reflektiert und zum Teil in offensiver Absetzung vom kulturell dominierenden Marktgeschehen Bedeutungen produziert werden. Gleichzeitig wird in diesen Forschungen der Ludwigsburger Forschergruppe ganz offensichtlich, wie notwendig und sinnvoll der oftmals vorschnell ,abgewatschte’ Begriff der Selbstsozialisation ist, gerade wenn es um Kultur und Identität geht.
Der weite Reigen der Beiträge erstreckt sich zusätzlich auf die Ultras, also jugendliche Fußballfans und ihre mediale Selbstthematisierung (Jürgen Schwier), die eigene Homepage als Identitätsarbeitsplatz (Sabina Misoch) und vieles andere mehr. Instruktiv ist schließlich der Beitrag zu neuen Methoden in der Publikumsforschung von David Gauntlett. Insgesamt gesehen liegt hiermit ein wichtiger, facettenreicher Reader vor, der eine spannende sowie anregende Zwischenbilanz des Forschungsstandes bietet, die auch im Rahmen von Lehrveranstaltungen mit Gewinn eingesetzt werden kann. Zum hohen Gebrauchswert des Bandes trägt nicht zuletzt eine informative Übersicht über die Autorinnen und Autoren bei.
Beitrag aus Heft »2007/03: mobil kommunizieren, spielen und lernen«
Autor: Lothar Mikos, Dagmar Hoffmann
Beitrag als PDFEinzelansichtNiesyto, Horst (Hg.). film kreativ. Aktuelle Beiträge zur Filmbildung
Horst Niesyto (Hg.) (2006). film kreativ. Aktuelle Beiträge zur Filmbildung. München: kopaed. 206 S., 18,00 €
Seitdem sich Dieter Baacke vor zwölf Jahren „zum pädagogischen Widerwillen gegen den Seh-Sinn“ äußerte, hat sich filmbildnerisch doch einiges getan – konzeptionell und praktisch. Uns – Eltern wie Pädagoginnen und Pädagogen – ist natürlich klar: Um im pädagogischen Umgang mit Film die Reichweite zu verändern, müssen wir etwas anfangen können mit den Filmen, die Kinder und Jugendliche sehen und wir sollten auch eine Ahnung haben von filmischen Erlebnisformen und ihrer Bedeutung im Rahmen jugendlicher Sozialisation. In dem Band film kreativ stellen sich Horst Nie-syto und 15 weitere Autorinnen und Autoren diesem Thema und legen bei der Suche nach neuen Wegen in der Filmbildung großen Wert auf die zielgruppenspezifische Ausdifferenzierung, insbesondere mit Blick auf Hauptschul- und Migrationsmilieus. Der Band gliedert sich in vier Abschnitte (Filmbildung in bildungsbenachteiligten Milieus, Filmbildung mit Kindern, fächerbezogene Aspekte der Filmbildung sowie Filmbildung in der Lehreraus- und -fortbildung).
Alle Texte lassen sich – direkt oder indirekt – als eine Auseinandersetzung mit dem von der Bundeszentrale für politische Bildung 2004 erstellten Filmkanon lesen. Dieser hatte bekanntlich das Ziel, Kino als Kulturgut in schulische Lehrpläne zu implementieren. Die Auswahl der Filme erfolgte nach filmhistorischen, -ästhetischen, -analytischen und genrespezifischen Gesichtspunkten. Diese Orientierung vernachlässigte sowohl eine soziologische als auch eine (sozial-) pädagogische Perspektive. Dies betrifft insbe-sondere die Rolle des Mediums Film als Sozialisationsinstanz, die Bedeutung des Films für die Identitätsbildung und für die Beurteilung der sozialen Realität. Indem Niesyto unter Film ganz allgemein „Bewegtbilder“ versteht, gelingt es ihm, Filmbildung unterschiedlich zu verorten und sowohl rezeptiv als auch aktiv zu fassen. Gerade in den Texten zur Filmbildung in benachteiligten Milieus (Maurer, Rüsel, Schuchardt) wird dies deutlich: In der filmpädagogischen Arbeit müssen die Erlebnisformen der Heranwachsenden stärker berücksichtigt werden.
Diese sind durch Identifikation und Faszination geprägt. So können – gesehene und eigene – Filme Motivationen zur Auseinandersetzung liefern, zur differenzierten Betrachtungsweise anregen, Meinungen verstärken und hinterfragen, kreatives Verhalten anregen oder eigene Probleme verbalisierbar bzw. visualisierbar machen. Sich im pädagogischen Umgang mit Film auf dessen Faszination und Identifikationspotenzial einzulassen heißt, nicht nur den Film an sich, sondern seine Wirkung auf den Betrachter in den Mittelpunkt zu stellen.„Sinnvoll erscheint eine Balance, die subjektive Filmerfahrungen und filmbildnerische Impulse miteinander verbindet, um vorhandene Kompetenzen zu vertiefen und neugierig auf die große Welt filmischer Ausdrucksformen macht.“ Mit diesem Satz formuliert Niesyto einen Rahmen für eine zeitgemäße schulische Filmbildung in Zusammenarbeit mit außerschulischen Initiativen und Fachleuten. Der vorliegende Band liefert dazu wertvolle inhaltliche Anregungen und praktisches Material.
Niesyto, Horst/Rath, Matthias/Sowa, Hubert (Hg.). Medienkritik heute: Grundlagen, Beispiele und Praxisfelder
Niesyto, Horst/Rath, Matthias/Sowa, Hubert (Hg.) (2006). Medienkritik heute: Grundlagen, Beispiele und Praxisfelder. München: kopaed, 287 S. 18,80 €Der vorliegende Band basiert auf einer im April 2005 stattgefundenen Tagung zum Thema „Medienkritik heute“, die der Frage nachging, was Gegenstand, Ziele und Methoden der Medienkritik unter den Bedingungen einer sich wandelnden Mediengesellschaft sind. Die versammelten Beiträge setzen sich zum einen mit den Grundlagen im Sinne von Bezugsrahmen, Dimensionen und Kriterien der Medienkritik aus-einander. Zum anderen werden entlang der Unterthemen Medien und Moral, mediale Bilder von Welt und Körper sowie Medien und pädagogisches Handeln ausgewählte Beispiele und Felder der Medienkritik thematisiert. Ein sehr lesenswerter Überblicksartikel von Hans-Dieter Kübler leitet den Band ein und umreißt vor dem Hintergrund der Entwicklung des Begriffs die Aufgaben und Grenzen pädagogischer Medienkritik.
Die anderen Autoren vertiefen weitere relevante Aspekte wie den Zusammenhang von Medienkritik und Mediensozialisation, stellen das Konzept der Selbstsorge als Quelle kritischer Kompetenz vor und reflektieren das Konzept der Medienkritik vor theoriegeschichtlichem Hintergrund. Einem roten Faden ähnlich zieht sich durch viele dieser Beiträge eine kritische Bewertung der mediensozialisatorischen Subjektorientierung, wie sie insbeson-dere von den Cultural Studies popularisiert wurde. Diese Orientierung, so ein zentraler Kritikpunkt, sei häufig mit der Vernachlässigung gesellschafts- und medienkritischer Dimensionen einhergegangenen, die es im Sinne der kritischen Theorie wieder stärker zu berücksichtigen gelte, ohne dabei den Wert der Cultural Studies für die Medienforschung zu negieren. Wer allerdings im vorliegenden Band Antworten auf die Frage sucht, welche Auswirkungen die andauernde Konvergenz und Digitalisierung auf den angesprochenen Medienwandel haben, wird nur kursorische Antworten finden und wahrscheinlich enttäuscht werden. So hätte man sich zum Beispiel.vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um Gewalt in Computerspielen im Beitrag zum aktuellen Forschungsstand zum Thema Medien und Gewalt entsprechende Hinweise gewünscht.
Gleichwohl schließt die Auseinandersetzung mit medialen Bildern von Welt und Körper mit einem Beitrag zum Kriegskino und zur Analyse visueller Kriegs- und Krisenkommunikation an leider unverändert aktuelle Themen an. Neben diesen Aspekten medialer Weltsicht wird sich in diesem Teil des Buchs unter anderem mit herausforderungsvollen Aspekten me-dialer Körperbilder anhand der Bewerbung idealisierter Körperdarstellungen im öffentlichen Raum sowie der Problematik der impliziten Wertvermittlung anhand des Beispiels von Sport-Animes auseinander gesetzt.Die abschließende konkretere Inblicknahme medienkritischer Aufgabenstellungen im Kontext pädagogischen Handelns konzentriert sich auf eine sehr theoriebetonte Bearbeitung von Detailfragen kunstpädagogischer Medienbildung. Ganz im Gegensatz dazu liefert der Schlussbeitrag einen Überblick über die gegenwärtige Aus-richtung der (medien-)pädagogischen Praxis zur Förderung der Medienkritikfähigkeit. Insgesamt haben die Herausgeber einen umfangreichen Sammelband vorgelegt, die Leserschaft mit ausgewählten und wichtigen Aspekten der aktuellen Auseinandersetzung um das Thema Medienkritik vertraut macht und zur Vertiefung der un-terschiedlichen Einzelaspekte einlädt.
Schoch, Christina. Dancing Queen & Ghetto Rapper. Die massenmediale Konstruktion des ‚Anderen’
Schoch, Christina (2006). Dancing Queen & Ghetto Rapper. Die massenmediale Konstruktion des ‚Anderen’. Herbolzheim: Centaurus-Verlag. 274 S., 27 €
In ihrer Promotionsarbeit beschäftigt sich Christina Schoch mit Musikvideos als wichtige Bestandteile von Popkultur, die – massenmedial vermittelt – Ideale und Normen von (jugendlichem) Lebenstil und Habitus beeinflussen. Die kulturwissenschaftliche Studie geht dabei vor allem auf die (Re-) Produktion von ethnisierenden und vergeschlechtlichenden Diskursen durch die Inszenierung von Personen entlang einer dichotomen, hegemonialen Zuordnung ein. Ausgangspunkt ist die Annahme männlicher, weißer, heterosexueller Normativität als Leitbild der eurozentristischen Perspektive, wie sie durch Musiksender wie MTV vermittelt wird.
Die Arbeit will Aufschluss darüber liefern, wie zentrale soziale Kategorien wie Ethnie und Geschlecht medial repräsentiert werden und welche Gründe es für diese spezifisch mediale Repräsentation gibt. Schoch arbeitet zu diesem Zweck zu-nächst den Stand der Musikvideo-Forschung auf und leistet eine differenzierte Annährung an und die eigene Verortung im Diskurs über Geschlecht und Ethnizität. Sie nähert sich dann mit einem systemtheoretischen Ansatz (Luhmann) der Reflexion von massenmedialen Strukturen. Im Anschluss wird diskurstheoretisch eine Perspektive auf die massenmedialen Inhalte erarbeitet, wobei Foucaults Analysen von Begriff und Praxis des Diskurses maßgeblich sind.
Die empirische Studie besteht schließlich aus einer knappen quantitativen Inhaltsanalyse von Musikvideos sowie aus der qualitativen Explikation und Interpretation der Ergebnisse. Schochs Ansatz ist dabei nicht ganz neu und überraschend. Allerdings vermag die Arbeit vor allem als fundierte kulturwissenschaftliche Aufarbeitung der differenz-konstruierenden Diskurse in Pop- und Ju-gendkulturen zu überzeugen. Bei Interesse an einer kritischen Auseinandersetzung mit der diskursiven Produktion von Geschlecht und Ethnizität: unbedingt empfehlenswert.
Schweinitz, Jörg. Film und Stereotyp. Eine Herausforderung für das Kino und die Filmtheorie.
Schweinitz, Jörg (2006). Film und Stereotyp. Eine Herausforderung für das Kino und die Filmtheorie. Berlin: Akademie Verlag, 323 S., 49,80 €
„Rezipienten von Genrefilmen oder TV-Serien kennen die immer wieder ähnlich angelegten Figurentypen und die stereotypen Handlungselemente, die sich um letztere gruppieren, die konventionelle Art von Musik, die einsetzt, wenn z. B. im Krimi oder im Horrorfilm Gefahr droht (…), die übliche Bildinszenierung von Verfolgungsjagden. (…) Das Publikum hat das im Laufe langjähriger Rezeption im intertextuellen Raum filmischer Imagination gelernt. Die so erworbenen latenten Kenntnisse gehören in den Bereich dessen, was man gern als Medienkompetenz bezeichnet.“ (S. 12)Die Wirksamkeit des Mediums Film, genauer gesagt, die Art und Weise, wie Filme unsere Wahrnehmung beeinflussen, lässt sich anhand des Themas „Film und Stereotyp“ eindrucksvoll darlegen, wie der Autor Jörg Schweinitz beweist. Er widmet sich in seinem Werk unter anderem dem populären Aspekt konventioneller Darstellungsweisen, als auch der Emanzipation vom Stereotyp. Schweinitz geht zudem der Frage nach, welche Denkweisen in den film- und kulturtheoretischen Debatten diesbezüglich entwickelt wurden. Die Bedeutung des Begriffs Stereotyp umfasst dabei die Tendenz zum Formelhaften, zu Klischees, zu konventionellen Bildern, wiederkehrenden reduzierten Erzählmustern und Vorstellungswelten.
Jörg Schweinitz ist Filmwissenschaftler mit Lehraufträgen und Gastprofessuren unter anderem in Berlin, Zürich und Chicago. Zudem hat er sich als Herausgeber zahlreicher Publikationen mit dem weitgreifenden Themengebiet konventioneller Bilder bzw. einer Bildtheorie des Films auseinander gesetzt, was in der nun erschienenen Habilitationsschrift Film und Stereotyp mündet.Der Aufbau seines Werks ist klar strukturiert und in drei Kapitel unterteilt. Im ersten Teil („Theorie des Stereotyps“) beleuchtet Schweinitz Konzepte unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen, wobei seine ausgefeilten und differenzierten Begriffsdefinitionen dem Lesepublikum als hilfreiche Werkzeuge des Verstehens dienen. Sozialpsychologische, sprach-, literatur- und kunstwissenschaftliche Debatten sind Gegenstand seiner Untersuchung. Interessant ist seine Analyse unterschiedlicher Ebenen der Stereotypisierung, wobei er sich auf Figur, Handlungswelt, Schauspiel, Bild, Ton und Genre konzentriert. Es zeigt sich, dass stereotype Darstellungsformen die Zuschauerin bzw. den Zuschauer auf unterschiedlichen Mitteilungsebenen ansprechen und beeinflussen, Informationen vermitteln und Emotionen auslösen.
Eine kritische Betrachtung der Grenzen des Stereotyps rundet den ersten Teil des Buchs ab. Im zweiten Kapitel wird die Diskursgeschichte im Wandel der Filmtheorie eingehend untersucht. Von Münsterberg über Balázs und Arnheim bis Cohen-Seat und Susan Sontag wird das filmtheoretische Denken dargelegt. Hier wird deutlich, dass sowohl fundamentale Kritik an der Stereotypik des populären Films als auch ei-ne besondere Wertschätzung filmischer Stereotype die Bandbreite einer Auseinandersetzung mit dieser Thematik bestimm(t)en. Durch die Gegenüberstellung der verschiedenen Konzepte in unterschiedlichen Phasen des Diskurses wird deutlich, worin sich die Ansätze unterscheiden und wo Gemeinsamkeiten liegen. Die Debatte seitens der Filmtheorie inspirierte phasenweise auch Filmemacher und Autoren bei der individuellen Anwendung und Variation von Genremustern, bei der Suche nach neuen Darstellungsmöglichkeiten frei vom Stereotyp oder gar der radikalen Abgrenzung zum Mainstream Film.
Der dritte Teil beinhaltet Filmanalysen bezüglich kritischer Reflexion von Stereotypen in zwei Filmen von Altmeister Robert Altman (McCabe and Mrs. Miller, Buffalo Bill and the Indians) sowie The Hudsucker Proxy der Cohen Brüder. Die Fallstudien werden auf der Basis der theoretischen Ansätze aus den ersten beiden Kapiteln analysiert. Die scharfsinnige Auseinandersetzung des Autors mit Stereotypen des Films ist auch eine Erinnerung an eine gewissenhafte Beschäftigung mit der Problematik künstlerischer Individualität und somit ein Aufruf zum kritischen Blick auf das populäre Medium Film.Schweinitz liefert insofern einen wichtigen Beitrag zur Debatte der Medienkompetenzförderung als er die Möglichkeiten unterschiedlicher Darstellungsweisen des Films als auch die sich wandelnden Wahrnehmungsformen des Publikums untersucht. Seine differenzierte und kritische Beschäftigung mit dem Thema Stereotyp ist allen zu empfehlen, die sich mit der Problematik der Medienkompetenz ernsthaft auseinandersetzen wollen und Gefallen daran finden, die eigenen Wahrnehmungsgewohnheiten zu hinterfragen.
von Hippel, Aiga. Medienpädagogische Erwachsenenbildung. Eine Analyse von pädagogischem Auftrag, gesellschaftlichem Bedarf und Teilnehmendeninteressen
von Hippel, Aiga (2007). Medienpädagogische Erwachsenenbildung. Eine Analyse von pädagogischem Auftrag, gesellschaftlichem Bedarf und Teilnehmendeninteressen.Schriftenreihe der Landesmedienanstalt Saarland, 14. 282 S.
Pädagogik ist nicht nur Pädagogik für Kinder und Jugendliche! Ein Allgemeinplatz – und doch lässt sich auch im Bereich der medienpädagogischen Forschung ein Mangel an empirischen Ergebnissen zu erwachsenen Zielgruppen konstatieren. Aiga von Hippel versucht, diesem Missstand entgegenzutreten. Im Fokus ihrer Dissertationsarbeit liegt die Förderung von Medienkompetenz durch medienpädagogische Erwachsenenbildung im Spannungsfeld zwischen pädagogischem Auftrag, gesellschaftlichem Bedarf und Interessen der Teilnehmenden.
Alle damit angesprochenen Dimensionen werden durch eine Programmanalyse medienpädagogischer Angebote sowie quantitative und qualitative Befragungen von pädagogischen Fachkräften und der erwachsenen Zielgruppe beleuchtet. Anspruch ist, sowohl die Beziehung von Angebots- und Nachfrageseite zu untersuchen, als auch subjekt- wie institutionenbezogene Hinweise für die Gestaltung medienpädagogischer Erwachsenenbildung zu liefern.
Von Hippels Arbeit überzeugt durch einen strukturierten und präzisen Aufbau sowie durch originelle Aspekte wie die Erhebung und Reflexion beispielsweise subjektiver Konzepte von Medienkompetenz und jeweiliger Motive von Erwachsenen für die Nutzung medienpädagogischer Bildungsangebote. Wenn auch als Praxishandbuch mit Hinweisen für die Umsetzung eigener medienpädagogischer Projekte wenig geeignet, bietet von Hippel eine Sammlung stringent erarbeiteter Ergebnisse als Fundierung der Diskussion um medienpädagogische Erwachsenenbildung
kolumne
Jürgen Bofinger: Mobil(e)tainment – Ein nicht nur wohlwollender Ausblick
2006 war „Mobiletainment“ das Hauptthema auf der Messe der CTIA (Cellular Telecommuni-cations & Internet Association) in Las Vegas. Im Zentrum standen Anwendungen zur Unterhal-tung und zum Spielen für mobile Endgeräte vom Handy bis zu mobilen audiovisuellen Empfangsgeräten. Bekannt sind der iPod von Apple und diverse Plattformen für das (kostenpflichtige) Herunterladen von Musik, Videos, Hörbüchern, Podcasts und Spielen. Digitale Mobilität ist das Zauberwort, das nicht nur die Portabilität multimedialer Geräte (DVD-Player) oder ein zeitversetztes Abspielen von Downloads über das Internet (iPod) oder über Mobilfunk (Handy) meint, sondern auch den Lifeempfang von Unterhaltungssendungen und Online-Spielen auf Handys, Organizern, Laptops und Taschenfernsehern in bester audiovisueller Wiedergabequalität.„Sie wollen wissen, wie Sie Ihre Kinder auf langen Reisen zur Ruhe bringen? Mit dem richtigen Reisebegleiter natürlich. Glotze an, Klappe zu.“ „Die mitgelieferte Autositzbefestigung und der CarAdapter für den Zigarettenanzünder empfehlen besonders den Einsatz für das Auto. So können gerade Kinder auf der Rückbank lange Autofahrten genießen.“ Soweit zwei Werbetexte für DVD-Player.
Vorbei die Zeiten, als man noch die Landschaft betrachtete und Eltern dazu etwas erklärten? Vergessen die Spiele, mit denen man die Zeit verkürzte (Autokennzeichen, Automarken raten, Autofarben zählen usw.)? Szenenwechsel: Freunde treffen sich zum Essen in einem guten Restaurant. Die Insignien des Wohlstands sind sichtbar – auch beim Nachwuchs. Während die Erwachsenen speisen, sieht sich der kleine Sohn auf seinem DVD-Player einen Spielfilm an. Mobil(e)tainment als Beschäftigungstherapie für Kinder – überall und jederzeit.In der Bahn wird nicht mehr gelesen oder aus dem Fenster geschaut, sondern gesimst und laut telefoniert („Bin gerade am X-Bahnhof, werde in Y Minuten da sein – was gibt’s zu essen?“). Schon etwas lästig, aber Handys werden auch noch fernsehtauglich. Also nicht wundern, wenn jemand befiehlt: „Hände hoch, Geld her!“ Das muss nicht Ihnen gelten, es kommt aus dem Handy hinter Ihnen. Bleiben Sie locker. Schlimmer könnte es werden, wenn Ihr(e) Sitznachbar(in) eine Talkshow in voller Lautstärke anschaut. Das könnte die Stimmung stärker beeinträchtigen. Talkshows dauern länger, sind eine Geschmacksfrage und haben einen besonders hohen Unwohlsamkeitsfaktor.
Flucht – fast unmöglich.Sie fahren öfters mit dem Taxi? Vorsicht! Während der Fußballweltmeisterschaft war einem Taxifahrer das Fußballspiel auf seinem Taschenfernseher wichtiger als der fließende Verkehr. Mit Routine erreichten er und sein Fahrgast glück-licherweise wohlbehalten das Ziel.„Am See sehen! X’s Lösung für die WM: Mit dem portablen LCD-Fernseher von Y können Fußballfans irgendwo am Badesee liegen und dennoch WM-Spiele schauen.“ Mit dieser Steigerung hätten wir den Schritt getan, der uns nicht mehr von Äußerlichkeiten ablenkt. Gut, früher sorgten Kofferradio und Plattenspieler für Stimmung und Prestige am See. Aber sie hatten oft einen durchaus nichtmedialen Zweck. Bloß: Wozu ein Fernsehgerät im Grünen? Mit Ausnahme für Fernfahrer, um sich die Wartezeit im Stau mit einer der genannten Talkshows oder (anspruchsvoller) mit Kronzuckers Welt zu verkürzen, und für Campingfreunde, die auf ihr trautes Heim nicht verzichten können, fällt mir kein Mehrwert ein. Sind die Ideen für eine etwas andere Freizeitgestaltung schon so verkümmert?
Beitrag aus Heft »2007/03: mobil kommunizieren, spielen und lernen«
Autor: Jürgen Bofinger
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