2007/02: Männliche Identität(en) und Medien
Kommt die Sprache auf männliche Heranwachsende und Medien, dann werden oft Bilder heraufbeschworen von Jungen, die den größten Teil ihrer Freizeit damit verbringen, dass sie vor dem Computer sitzen und sinnlose Ballerspiele spielen. Darüber verlieren sie ihre Sozialkontakte, werden in der Schule immer schlechter usw. Die vorliegende merz will dazu beitragen, dieses schiefe Bild gerade zu rücken. Dafür wird das Verhältnis von Jungen bzw. jungen Männern und Medien etwas genauer in den Blick genommen und aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet.
aktuell
Stichwort "Second Life"
Kann der Mensch in mehreren Welten leben? Hat er nur eine Identität oder kann er auch mehrere haben?
Mit Second Life scheint diese Frage beantwortet. Der Name ist Programm: Second Life ist ein Onlinespiel, in dem sich Mensch eine zweite Identität in einer zweiten Welt aufbauen kann. Second Life wurde 2002 von dem amerikanischen Unternehmen Linden Lab ins Leben gerufen und ist aktuell die am schnellsten wachsende 3D-Onlineplattform mit momentan über vier Millionen Nutzerinnen und Nutzern, die im Spiel Einwohnerinnen bzw. Einwohner genannt werden. Sozusagen stellvertretend für die eigene Person wählen sie einen Namen und einen Avatar.
Die Avatare und die Welt, in der sie agieren, können nach Belieben gestaltet werden. Doch bevor es soweit ist, muss der Avatar trainiert und das erste Geld (Linden Dollars) verdient werden. Hier wird die Verbindung zwischen erstem und zweiten Leben bald offensichtlich. Der Linden Dollar lässt sich in US-Dollar tauschen und nur damit kann beispielsweise ein Grundstück für das Traumhaus im Second Life finanziert werden. Spätestens beim Thema Geld wird aus dem Spiel Ernst. So manche Spielerin und so mancher Spieler ist durch den Handel im Second Life reich geworden und hat Millionen für das erste Leben ‚verdient’. Andere dagegen haben ihr Hab und Gut verspielt. Firmen wie Adidas, Toyota oder IBM haben Second Life für ihre Marketingaktivitäten entdeckt. Täglich werden in Second Life etwa 1.400.000 US-Dollar umgesetzt. Neben verschiedenen Nachrichtenmagazinen, die Second Life zur Bewerbung ihres Produkts nutzen, gibt es inzwischen auch eine erste nur für Second Life erstellte Zeitschrift: The AvaStar. Noch ist Raum für Innovationen und merz könnte – zumindest theoretisch – die erste medienpädagogische Zeitschrift mit einem zweiten Leben sein. Medienpädagogisch interessant ist das Phänomen Second Life allemal. Vor allem der Frage, ob sich die zweite Welt von der ersten fundamental unterscheidet oder ob sie im Wesentlichen doch nur ein Abbild der ersten ist und nicht zuletzt dem real existierenden Kommerz dient, sollte intensiv nachgegangen werden.
thema
Gerd Stecklina : „Ich bin doch nur cool.“
Kulturelle Männlichkeitsstereotype eröffnen zu Beginn des 21. Jahrhunderts weniger ein festes Bild vom Mann als vielmehr ein Spektrum von Männlichkeiten. Angefangen beim Bild des Mannes als Familienernährer, der Eigenschaften wie Stärke, Durchsetzungsfähigkeit und Rationalität in sich vereint, reicht es bis hin zum ‚neuen’ Mann, der sich zum Beispiel durch Sensibilität und ein Leben in einer gleichberechtigten Partnerschaft auszeichnet.
Diese Vielfalt macht die Aneignung einer individuellen männlichen Identität für Jungen nicht einfach. Sie müssen viel Eigeninitiative aufbringen, um in Auseinandersetzung mit ihrer sozialen Umwelt ihre Vorstellungen von Mann-Sein und damit ihre eigene geschlechtliche Identität zu entwickeln.(merz 2007-02, S. 13-21)
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Autor: Gerd Stecklina
Beitrag als PDFEinzelansichtBritta Schmitz : Männer und Daily Soaps.
Männer stellen ein Drittel der Zuschauer deutscher Daily Soaps. Wie gehen Männer damit um, ein als typisch weiblich angesehenes Medienangebot zu konsumieren und was sagen diese Verhaltensweisen über ihre persönlichen Männlichkeitskonzepte aus?
In einem weiteren Schritt werden die Männlichkeitsvorstellungen Soap rezipierender Männer mit den Ergebnissen der aktuellen Männlichkeitsforschung verglichen, um aus diesen Erkenntnissen pädagogische Schlussfolgerungen zu ziehen.(merz 2007-02, S. 22-29)
Beitrag aus Heft »2007/02: Männliche Identität(en) und Medien«
Autor: Britta Schmitz
Beitrag als PDFEinzelansichtSebastian Hacke : Autos, Individualität und Männlichkeit.
Autos sind besondere Projektionsflächen für Sehnsüchte und Wünsche. Mit ihnen verbinden sich Träume von Individualität, Überlegenheit und Macht.
In den Massenmedien sind Inszenierungen automobiler Fantasien fest etabliert. In diesen Kontext hat sich MTV mit Pimp my ride platziert, der Show, bei der sich alles um das Tunen von Autos dreht. Die Serie ist für Jugendliche ein höchst attraktives Medienformat.
Sie spiegelt Bedürfnisse und bedient lebensweltlich relevante Themen. Zugleich inszeniert Pimp my ride Männlichkeit. Eine Einschätzung aus medienpädagogischer Sicht.merz
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Autor: Sebastian Hacke
Beitrag als PDFEinzelansichtPål André Aarsand : Boys`Use of Computer Games in School.
Ihr Expertentum im Hinblick auf Computerspiele ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen vier 13- bzw. 14-jährigen Jungen einer Schulklasse und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern.
Dieses Expertentum trägt ihnen zum einen die Bewunderung der Klasse ein, die den Gesprächen der Jungen oft nicht folgen kann, zum anderen werden sie eher abschätzig als ‚Nerds’ bezeichnet.
Innerhalb der Vierergruppe hat jeder der Jungen einen bestimmten Status, der mit den jeweiligen Spielfertigkeiten zusammenhängt.(merz 2007-02, S. 37-48)
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Autor: Pål André Aarsand
Beitrag als PDFEinzelansichtSebastian Ring : Geschlechtsspezifische Medienarbeit mit Jungen
Jungen und junge Männer werden zunehmend zur Zielgruppe geschlechtsspezifischer Jugendarbeit. Vor diesem Hintergrund werden theoretische Überlegungen zur Jungenarbeit sowie das Verhältnis von Medienpädagogik und Jungenarbeit erörtert.
Im Anschluss liefert eine Vorstellung des geschlechtsspezifischen Praxisprojektes Gewaltig daneben?! die Möglichkeit für eine Reflexion der Potenziale und Grenzen geschlechtsspezifischer Arbeit im Rahmen praktischer Medienarbeit.(merz 2007-02, S. 44-48)
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Autor: Sebastian Ring
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spektrum
Christina Schachtner und Monika Neumayer: Peacewiki
Nachdem im ersten Teil des Beitrages (vgl. merz 1/07) die theoretischen und politischen Prämissen des Peacewiki-Projekts diskutiert wurden, konzentriert sich der zweite Teil auf die praktische Umsetzung der virtuellen und konstruktivistischen Lernumgebung.
Angemessene didaktische Konzepte ermöglichen dabei Lernprozesse, die sich insbesondere durch subjektive Relevanz der Produktions- und Lerninhalte, kooperative Lernformen und eine aktive Rolle der Lernenden auszeichnet.
In einer abschließenden Würdigung werden schließlich Lerneffekte des Peacewiki-Projekts sowie seine Transferierbarkeit auf andere Bildungsbereiche als die Friedenspädagogik diskutiert.(merz 2007-02, S. 49-55)
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Autor: Monika Neumayer
Beitrag als PDFEinzelansichtFranziska Beranek: Medienkompetenzförderung als Aufgabe der Elementarerziehung
Kinderwelten sind Medienwelten. Medienpädagogik ist demzufolge bereits im Kindergarten unerlässlich.
Das Ziel frühkindlicher Medienbildung besteht in der Förderung zu einem kompetenten, selbstbestimmten, sozial verantwortlichen und kritischen Handeln der Kinder mit den verschiedenen Medien und dem Umgang mit ihren inhaltlichen Angeboten.
Ziel dieses Beitrags ist es, zu verdeutlichen, wie Vorschulkindern im Bereich der frühkindlichen Medienbildung Bildungsprozesse ermöglicht bzw. wie diese unterstützt und erweitert werden können.(merz 2007-02, S. 62-67)
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Autor: Franziska Beranek
Beitrag als PDFEinzelansichtIngo Bosse: Heimliche Stars oder Kometen aus einem fremden Universum?
Die Bezeichnung "Medienjahr 2006" betrifft die Fußball WM, aber auch Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit.
Dieser Trend der letzten Jahre wurde durch eine Studie zur Darstellung von Behinderung im Fernsehen an der Universität Dortmund erstmals wissenschaftlich analysiert.
Als Qualitätsmaßstab diente dabei das Leitziel gleichberechtigter Teilhabe. Die Antwort ist eindeutig: Menschen mit Behinderung sind von erheblicher Relevanz. Die Analyse zeigt auch, dass ein stark selektives Bild vorherrscht.
Auf Grundlage der Ergebnisse wird herausgearbeitet, wie Berichte gestaltet werden können, um ein realistisches Bild von Menschen mit Behinderung zu präsentieren und dem Thema gerecht zu werden.(merz 2007-02, S. 56-61)
Manfred Mai: Die Gesellschaft im Film
Filme als Kunstwerke
Es gibt bisher keine befriedigende Antwort auf die Frage, wie das Gesellschaftliche in den Film gelangt. Als Kunstwerke sind Filme nicht einfach ein Abbild der Realität, die sich gleichwohl verfremdet in ihnen findet. 1 Ihre Dechiffrierung ist immer eine Rekonstruktion und niemals eindeutig. Kunstwerke und damit auch Filme haben ihre eigene Realität, die sich von der gesellschaftlichen unterscheidet. An der Schnittstelle von Gesellschaft und Kunstwerk stehen die Künstler und Filmemacher. Durch ihre Vermittlung gelangen die gesellschaftlichen Krisen, Widersprüche und Stimmungen in den Film.
Die materialistische Ästhetik, die in jedem Ornament die Widerspiegelung der historisch-konkreten Realität zu erkennen glaubt (Balet/Gerhard 1973), scheint in einigen Filmtheorien modifiziert fortzuleben, wobei heute die Globalisierung, die Vereinzelung des Menschen oder der Geschlechterkampf die Rolle der Klassenkämpfe in den marxistischen Kunsttheorien eingenommen haben. Die materielle ‚Basis’ ist zwar in den gegenwärtigen Filmtheorien (Albersmeier 2001) eine andere, aber die Sublimierung der gesellschaftlichen Strukturen wird im ‚Überbau’ des Films durchaus ähnlich konstruiert. So gelten Filme irgendwie als Belege für eine Gesellschaft, die es aber außerhalb filmtheoretischer Diskurse nicht gibt.
Die „Kritische Theorie“ (Herbert Marcuse 19772 und Theodor Adorno 1974) hat im Unterschied zur materialistischen Widerspiegelungsthese aber auch in Abgrenzung von ‚bürgerlichen’ Theorien die Kunst wesentlich an ihrer Form festgemacht. Erst durch die Form sei das Kunstwerk revolutionär und nicht durch seinen manifesten Inhalt. 3 Die Fragen des Verhältnisses von Form und Inhalt sowie von filmischer und gesellschaftlicher Realität werden von den modernen Filmtheorien kaum beantwortet. ‚Irgendwie’ wird dennoch ein enges Verhältnis unterstellt etwa wenn bestimmte US-Filmproduktionen ein Spiegelbild der McCarthy-Ära seien (wie die Filme der Schwarzen Serie) oder (etwa Starwars) für die Reagen-Administration.
Die in vielen Filmtheorien enthaltenen Aussagen über die gesellschaftliche Wirkung von Filmen, die teilweise bis in die individuelle und kollektive Psyche der Zuschauer und Zuschauerinnen verlängert wird (Blothner 1999), sind ebenso spekulativ wie die Wirkung filmtheoretischer Diskurse auf die reale Politik. So haben etwa die Diskurse über die ‚politische’ Relevanz der Formsprache der Nouvelle Vague mit Politik im eigentlichen Sinn – der Wettbewerb um Macht und Ämter, die Herstellung kollektiv verbindlicher Entscheidungen – nichts zu tun.4 In den Film- und Kulturwissenschaften wird zudem fast nie die Frage nach der Legitimität von Macht gestellt oder die Frage, ob jegliche gesellschaftliche Ordnung repressiv ist. Selbst in den elaboriertesten Filmtheorien findet sich ein Verständnis von Staat, Herrschaft und Macht, an dem die Diskurse der politischen Philosophie seit Hobbes, Locke, Tocqueville unter anderem spurlos vorbei gegangen sind oder nur durch die Brille französischer Philosophen (Althusser, Lacan, Foucault) gesehen wird, bei denen sich Macht auf Unterdrückung und Herrschaft auf Repression reimt – als gebe es keinen Unterschied zwischen Warlords und jederzeit wieder abwählbaren Regierungen.
Filme können politische Wirkungen haben und eine bestimmte Filmpolitik kann Einfluss auf die Qualität von Filmen haben. Wegen des fehlenden Kausalzusammenhangs zwischen Film und Politik kann keine Theorie erklären, warum die erwartete Wirkung ausbleibt: Selten haben ‚revolutionäre’ Filme Einfluss auf die politischen Strukturen und eine noch so gut gemeinte Filmpolitik schafft nicht die Filme, die sie schaffen wollte. Das ‚Revolutionäre’ von Filmen ist weitgehend auf die Bild- und Formensprache beschränkt, deren Decodierung nur Experten möglich ist. Das beweist unter anderem, dass der „produktive Zuschauer“ und daher seine unerwarteten Reaktionen die Regel sind (Winter 1995; Thompson 2001, S. 425).
Wie alle Kunstwerke sind Filme ein Zugang zur Erkenntnis über die Gesellschaft, die niemals Objektivität beanspruchen, aber zum Beispiel sozialwissenschaftlichen Methoden an Anschauung überlegen sein können. Filme können nur subjektiv sein. Auch andere Kunstwerke wägen nicht zwischen mehreren Positionen ab. Gerade dadurch können sie zur Erkenntnis und Reflexion über die Gesellschaft beitragen. Der Film City of God sagt beispielsweise mehr über das Thema Jugendkriminalität, Armut und Gewalt als jede objektive Statistik. Weder Widerspiegelungstheorien noch Theorien, die das Kunstwerk als einmaligen und nicht reduzierbaren Schöpfungsakt eines Einzelnen sehen, können die Frage der Vermittlung zwischen filmischer und gesellschaftlicher Realität klären. Hilfreich erscheint dagegen der Blick auf den Entstehungskontext von Filmen. Filme entstehen weder im Auftrag anonymer Mächte noch aus reinem künstlerischem Antrieb eines Einzelnen. Wenn sich in manchen (europäischen) Filmen etwas spiegelt, dann sind das die finanziellen Möglichkeiten ihrer Produzenten oder die Maßstäbe der Gremien, die über ihre Förderung entscheiden.
Zwischen den Strukturen des Films und denen der Gesellschaft gibt es keine bloße Analogie, was viele Filmtheoretiker nicht daran hindert, solche zu unterstellen. In Wirklichkeit sind es spekulative Projektionen auf der Basis ausgesuchter Filme, die sich scheinbar besonders dafür eignen, jeweils den Charakterzug der Gesellschaft zu belegen, den man beweisen will – sei es die Repression, die Individualisierung oder die strukturelle Gewalt. Ungeklärt bleibt bei dieser Methode unter anderem, warum sich in jeder Epoche immer auch andere Filme finden, die das genaue Gegenteil beweisen, da mehrere Stile, Genres und Stoffe gleichzeitig nebeneinander existieren und damit die Frage, was zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt typisch war, in der Moderne nicht mehr zu beantworten ist. Im gegenwärtigen Filmangebot spiegelt sich allenfalls die Vielfalt der Zielgruppen und Sichtweisen pluralistischer und multikultureller Gesellschaften.
Filme als Kulturkitt des gesellschaftlichen Zusammenhalts
Filme als Kulturkitt des gesellschaftlichen Zusammenhalts
Mit der Einführung des privaten Fernsehens 1984 entstand ein Bedarf an Filmen und anderen Formaten, der der Filmwirtschaft zu einer neuen Blüte verholfen hat (Seufert 1999). Die Produktion von Spielfilmen der zusammenwachsenden Film- und Fernsehwirtschaft wurde durch die in den 1990er Jahren gegründeten regionalen Filmförderungsinstitutionen der Länder zunehmend gefördert. Mit dem Aufbau der regionalen Filmstiftungen verlor die Förderung des Bundes für die Filmwirtschaft an Bedeutung. In den Filmstiftungen der Länder sind neben den jeweiligen Landesregierungen auch private und öffentlich-rechtliche TV-Anstalten Gesellschafter. Weil die Produzenten mit einer mehrstufigen Verwertungskette kalkulieren, gibt es immer weniger echte Spielfilme. Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse des Fernsehens an bestimmten Stoffen. Mit dem Internet und der DVD sind weitere Kanäle für die Verbreitung von Filmen entstanden. Ähnlich wie die Musikindustrie beklagt auch die Filmbranche durch Raubkopien Verluste. Dennoch ist die Integration der Filmproduktion in multimediale Verwertungsketten für die Filmwirtschaft eher ein Erfolg. Ohne die ständige Zulieferung mit Inhalten wie Musik oder Filme macht die Infrastruktur von Kabelnetzen, Satelliten und Spielkonsolen wenig Sinn. Unterhaltung ist in einer Freizeitgesellschaft die killer application für informationstechnische Innovationen.
Allein deshalb, weil weltweit die gleichen Blockbuster in die Kinos kommen, sind sie gesellschaftlich relevant. In fast allen Ländern sind die Stars und Storys dieser Blockbuster von James Bond bis Harry Potter bekannt und bieten einen Themenvorrat für Alltagsgespräche. Dadurch festigen Filme den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gerade wegen ihrer kommerziellen Orientierung streben die Produzenten der Blockbuster ein möglichst breites Publikum an und berücksichtigen bereits bei der Produktion kulturelle Besonderheiten potenzieller Zuschauer. „Immer deutlicher wird erkannt, dass die Beachtung ‚interkultureller Fairness’, das Respektieren der Lebenswelt und die Schaffung von Räumen für positive Freiheiten unterschiedlicher Anspruchsgruppen nicht nur ethisch geboten, sondern auch unternehmensstrategisch von Relevanz ist.“ (Neuner/Sandhu 2005, S. 209) Fast alle dieser Blockbuster vermitteln auch Werthaltungen und bilden somit einen Maßstab für die Menschen anderer Kulturkreise. Viele Kulturen, in denen dieser Lebensstil verpönt ist, sehen im Konsum dieser Filme die Gefahr der Entfremdung von den eigenen Wurzeln.
Früher waren die jeweilige Nationalgeschichte, ihre Mythen und Symbole wichtige Quellen für die kulturelle Identität, die in den Schulen sowie durch die Praxis der Traditionspflege vermittelt wurde. Kollektive Identität war immer auch Abgrenzung der eigenen gegenüber anderen Kulturen. Heute orientieren sich vor allem Jugendliche in allen Ländern dagegen eher an der internationalen Popkultur, die damit die eigentliche „Leitkultur“ in der modernen Gesellschaft ist. Sie ist es auch, die weite Teile einer Generation über alle Grenzen hinweg zusammenführt (Neumann-Braun/Schmidt/Mai 2003). Über Popsongs und Filme kann man mit Jugendlichen in der ganzen Welt reden. Dennoch gibt es in jedem Land einen Fundus an Filmen, der für seine Geschichte eine besondere Rolle spielt. Was früher die Nationalepen waren, sind heute teilweise Filme. Sie haben im kollektiven Gedächtnis die historischen Gedenktage größtenteils verdrängt (Reinhardt/Jäckel 2005). Filme als Teil der unterschiedlichen Kulturen in Europa zu bewahren, ist eines der Ziele der europäischen Filmpolitik. Filme wie Rosen für den Staatsanwalt, Die Ehe der Maria Braun, Good Bye, Lenin und andere sind im kollektiven Gedächtnis der Deutschen mehr verankert als nationale Gedenktage oder literarische Klassiker, weil sie im Unterschied zu inszenierten Erinnerungen an Gedenktage das Lebensgefühl einer Generation treffen und ihm Ausdruck verleihen können. Sie haben darüber hinaus Diskurse über typisch deutsche Probleme – Wiederaufstieg der Nazis im Nachkriegsdeutschland, Heimkehrer, Wiedervereinigung – angeregt und sind damit auch politische Filme.
Die gesellschaftliche Funktion des Films ist schon früh von der Soziologie erkannt worden (Prokop 1982; Winter 1992). Die in der Tradition der „Frankfurter Schule“ stehende Kulturkritik (Horkheimer/Adorno 1979) sieht in den Medien nur die Bewusstseinsindustrie, die den Menschen falsche Bedürfnisse suggeriert. Auch ohne Bezug auf diese Theorietradition wird in den Filmtheorien aus dem Umkreis der cultural studies ein ähnlicher Zusammenhang unterstellt. Mehr noch als bei der „Frankfurter Schule“, die immerhin noch Ross und Reiter – den Kapitalismus und seine Sachwalter im politischen System – nannte, bleiben in den cultural studies die Akteure weitgehend abstrakte Mächte: Wer hinter der dominanten Lesart welcher ‚Texte’ mit welchen ‚Codierungen’ mit welchen Absichten steckt, bleibt offen und ob die aktiven Rezipienten eher emanzipatorische Lesarten entwickeln oder eher rechtspopulistische muss angesichts des Erstarkens rechter Bewegungen fraglich bleiben.5 Die Autoren im Umkreis zum Beispiel von Stuart Hall aber auch von Michel Foucault und Antonio Gramsci wähnen im Film und im Fernsehen eine „dominant-hegemoniale Macht“ (Nestler 2006, S. 303) im Spiel, die es durch „widerständige Diskurse“ zu dekonstruieren gelte. Vieles wird eher angedeutet als belegt. Wie abwegig die Vorstellung ist, dass kritische Diskurse einen Wechsel der bestehenden Macht- und damit auch Sinnstrukturen bewirken, zeigt ein Blick in die Geschichte: Revolutionäre Umwälzungen waren in der Regel die Folge von Kriegen oder innenpolitischer Kämpfe konkurrierender Gruppen um die Macht (Tilly 1999). Von der Politik tolerierte kritische Diskurse können aber auch die Liberalität des bekämpften Systems belegen und – Herbert Marcuse (1973) prägte dafür den Begriff „repressive Toleranz“ – eben dadurch stützen.6 Der Hinweis darauf, dass beispielsweise die europäische Filmproduktion größtenteils in der Hand öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten, pluralistisch kontrollierter Filmfördereinrichtungen auf allen politischen Ebenen von der EU bis zum kommunalen Kino liegt, dürfte die Anhänger von Verschwörungstheorien nicht überzeugen.7
Künstlerische Autonomie und Filmpolitik
Die Gründe, warum die Filmpolitik (Saul 1984; Mai 2001) und die Filmwirtschaft häufig ihre Ziele verfehlen, liegen in der Unkalkulierbarkeit der Publikumsgunst und im künstlerischen Kern jeder Filmproduktion, die trotz aller Industrialisierung und Technisierung von den kreativen Potenzialen seiner Akteure lebt.8 Der kreative Umgang mit Stoffen, Erzählstrukturen, Traditionen und Fantasien macht Filme zu einem sperrigen Objekt für andere Ziele. Nicht nur Produzenten und Studios steht dieser Eigensinn des Filmschaffens oft entgegen, sondern auch der Politik. In demokratischen Systemen können sich die Autonomie der Kunst und der Medien auf die Verfassung berufen. In totalitären Systemen sind die Kunst und die Filmpolitik in den Dienst der Propaganda gestellt. Aber es gibt auch in solchen Regimen nicht selten eine Subkultur, die sich der totalen Kontrolle entziehen kann (Barabanow 1996).
Der Film braucht Freiräume, um sich zu entfalten. Die Konzeption einer eigenständigen Sphäre des „interesselosen Wohlgefallens“ (Kant) führte im 19. Jahrhundert zu einer „Neubestimmung des Verhältnisses von Staat und Kultur. (...) Der einzige Beitrag des Staates zur Kultur lag dann in der Abstinenz von jeder kulturellen Be-tätigung.“ (Grimm 1987, S. 110) Eine der wichtigsten Interessen der Kunst ist die Wahrung ihrer Autonomie (von Beyme 2002). In demokratisch verfassten Staaten wird die Autonomie von Kunst und Kultur von der Verfassung garantiert. „Die Grundrechte erkennen damit eine dem jeweiligen Kulturbereich innewohnende Eigengesetzlichkeit an, die sich nur unter Autonomiebedingungen entfalten kann.“ (Grimm 1987, S. 130) Filmkultur braucht nichts notwendiger als diese politisch-rechtliche Garantie. Darüber zu reflektieren ist nicht unbedingt die Aufgabe von Filmemachern, wohl aber die von Theorien über den Film, wenn sie beanspruchen, Gesellschaft und Film irgendwie zusammenzudenken.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass es zwischen Filmen und Gesellschaft mehrere Ebenen und Wechselbeziehungen gibt, die sich nicht auf einen einheitlichen theoretischen Nenner bringen lassen. Auch die Filmsoziologie, die Rezeptionsforschung und nicht zuletzt auch einzelne Beiträge der cultural studies können dazu konstruktive Beiträge liefern. Die in der Filmwissenschaft verbreiteten kulturwissenschaftlichen und sprachphilosophischen Ansätze greifen dagegen vielfach zu kurz, da sie im Grunde kein differenziertes Verständnis für das Gesellschaftliche und das Politische haben.
Anmerkungen
1 Nichts zeigt dieses Missverständnis mehr als die bei Filmen mit zeitgeschichtlichen Themen geführten Debatten darüber, „ob sich die Macher auch in allem an die Fakten gehalten haben. (...) Die einst als ganz selbstverständlich akzeptierte Tatsache, dass Filme schon ihrer Natur nach subjektiv und interpretierend umgehen, tritt in dieser Debatte ganz in den Hintergrund.“ (Everschor 2002, S. 27 f)
2 „Als autonomes Werk, und nur als solches, erhält das Werk politische Relevanz. Seine Wahrheit, Stimmigkeit, Schönheit sind ihm immanente Qualitäten der ästhetischen Form. Als immanente negieren sie die Qualitäten der repressiven Gesellschaft: deren Qualität des Lebens, der Arbeit, der Liebe.“ (Marcuse 1977, S. 58) „Erst durch die Form werden Werke zu einem Für-sich-Seienden mit eigener Rationalität.“ (Paetzold 1974, S. 42)
3 Zur Kontroverse über den Charakter der Kunst als Widerspiegelung sozialer Verhältnisse und insbesondere den Streit zwischen Theodor Adorno und George Lukács vgl. Bürger 1974, S. 117.
4 Fast scheint es, als habe gerade die Abwesenheit von Godard eine bemerkenswerte politische Wirkung gezeitigt: „Kein Film von ihm kam ins Kino (der DDR – M. M.). Ist es ein Wunder, dass dieser Staat DDR später so sang- und klanglos zusammenbrach?“ (Hanisch 2002, S. N3)
5 Die Autoren der cultural studies sind keineswegs eine homogene Gruppe und sie können deshalb nicht über einen Kamm geschert werden. Sie haben mit ihrer Orientierung an ethnografischen Methoden vor allem das traditionelle Paradigma der Medienrezeptionsforschung herausgefordert und erweitert (Jäckel/Peter 1997). Hier soll nur der Aspekt ihrer Konstruktion des Politischen und Gesellschaftlichen betrachtet werden.
6 Linke Autoren wie Todd Gitlin werfen den cultural studies vor, das Geschäft ihrer Gegner zu betreiben: "Man beansprucht, hundertprozentig für die Menschen gegen den Kapitalismus einzutreten, und endet als Echo der Kapitallogik. (…) Gönnerhaft von ‚Widerstand’ zu reden, gestattet eine gewisse Schludrigkeit des Denkens.
Man bleibt ‚links’, ohne sich den äußerst schwierigen Fragen der politischen Selbstdefinition stellen zu müssen". (Gitlin 1999, S. 351)
7 Die Entscheidungen über die Förderung von Filmprojekten liegen etwa in den Filmförderungsinstitutionen der Länder bei Förderausschüssen, die sich aus Vertretern der Zivilgesellschaft, der Kultur und der Gesellschafter zusammensetzen. Dies zeigt, dass die Kritik an "dominanten Lesarten" einer hegemonialen Kultur, die sich in den Filmen zeige, zu pauschal ist. Es wäre absurd, den Mitgliedern der Filmförderungsgremien andere Absichten zu unterstellen, als gute Filme der heimischen Filmwirtschaft zu fördern, die eine Chance auf ein großes Publikum haben.
8 Bei der Herstellung etwa eines Autos oder beim Bau einer Brücke wäre es unvorstellbar, dass die beteiligten Techniker oder Facharbeiter ihre jeweilige Rolle ‚interpretieren’. Anders beim Film: Fast jeder der am Herstellungsprozess beteiligten Schauspieler und Schauspielerinnen, Kameraleute oder Cutter versteht sich und seine Arbeit als kreativ. Schon der Austausch einer einzigen Schauspielerin oder eines Drehbuchassistenten macht das Ergebnis kontingent.
Literatur
Adorno, Theodor W.(1974). Ästhetische Theorie (2. Auflage). Frankfurt/Main: Suhrkamp
Albersmeier, Franz-Josef (2001). Filmtheorien im historischen Wandel. in: ders. (Hg.), Texte zur Theorie des Films. Ditzingen: Reclam, S. 3-29
Balet, Leo/Gerhard, Eberhard/ Rebling Ebrhard/Mattenklott, Gert (Hg.) (1973). Die Verbürgerlichung der deutschen Kunst, Literatur und Musik im 18. Jahrhundert. Frankfurt/M./Berlin/Wien: Ullstein Taschbuchverlag
Barabanow, Jewgenij (1996). Geschichten nach der Geschichte. In: Riese, Hans-Peter (Hg.). Nonkonformisten. Die zweite russische Avantgarde 1955-1988. Bonn: Kettler, S. 21-43
von Beyme, Klaus (2002). Kulturpolitik zwischen staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Autonomie. Festspiel-Dialoge 2002. Heidelberg
Blothner, Dirk (1999). Erlebniswelt Kino – Über die unbewusste Wirkung des Films. Bergisch Gladbach: Lübbe
Grimm, Dieter (1987). Kulturauftrag des Staates. In: ders. Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 104-137
Hall, Stuart/Jefferson, Tony (Eds.) (1976). Resistance through Rituals. Youth Subcultures in Postwar Britain. London: Routledge
Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W. (1979). Kulturindustrie. Aufklärung als Massenbetrug. In: dies. Dialektik der Aufklärung. Frankfurt/M.: Fischer, S. 108-150
Jarothe, Sabine (1998). Die Filmpolitik der Europäischen Union im Spannungsfeld zwischen nationaler Förderung und US-amerikanischer Mediendominanz. Frankfurt/Bern: Peter Lang
Mai, Manfred (2001). Filmpolitik zwischen kulturellem Anspruch und wirtschaftlichen Erwartungen. In: Abromeit, Heidrun/Nieland, Jörg-Uwe/Schierl, Thomas (Hg.), Politik, Medien, Technik. Festschrift für Heribert Schatz. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 301-320
Marcuse, Herbert (1973). Repressive Toleranz. In: Wolff, Robert P./Moore, Barrington/Marcuse, Herbert. Kritik der reinen Toleranz. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 93-128
Marcuse, Herbert (1977). Kritik der reinen Toleranz. Wider eine bestimmte marxistische Ästhetik. Ein Essay. Frankfurt/M.: Suhrkamp
Nestler, Sebastian (2006). Die Dezentrierung des Weste(r)ns. Zum Begriff fragmentierter Identitäten in Jim Jarmuschs Dead Man. In: Mai, Manfred/Winter Rainer (Hg.), Das Kino der Gesellschaft – die Gesellschaft des Kinos. Köln: Halem, S. 289-306
Neumann-Braun, Klaus/Schmidt, Axel/Mai, Manfred (Hg.) (2003). Popvisionen. Links in die Zukunft. Frankfurt/M.: Suhrkamp
Neuner, Michael/Sandhu, Swaran (2005). "Harry Potter" – Strategien globaler Medienunternehmen. Eine Fallstudie zur normativen Stakeholder-Theorie. In: Hepp, Andreas/Krotz, Friedrich/Winter, Carsten (Hg.), Globalisierung der Medienkommunikation. Wiesbaden: VS Verlag, S. 209-228
Nieland, Jan-Uwe (1996). Veränderte Produktionsweisen und Programmangebote im Fernsehen. In: Schatz, Heribert (Hg.), Fernsehen als Objekt und Moment des sozialen Wandels. Opladen: VS Verlag, S. 125-202
Prokop, Dieter (1982). Soziologie des Films (erweiterte Ausgabe). Frankfurt/M.: Fischer
Reinhardt, Jan D./Jäckel, Michael (2005) Massenmedien als Gedächtnis- und Erinnerungsgeneratoren – Mythos und Realität einer ‚Mediengesellschaft’. In: Rössler, Patrick/Krotz, Friedrich (Hg.), Mythen der Mediengesellschaft, Konstanz: Uvk, S. 93-112
Saul, Louis (1984). Film und Staat. Ein historischer Abriß. In: Hundertmark, Giesela/Saul, Louis (Hg.), Förderungen essen Filme auf. München: Ölschläger, S. 23-28
Seufert, Wolfgang (1999). Wirtschaftliche Bedeutung des TV-Marktes für die deutsche Filmwirtschaft. Studie im Auftrag der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. BLM-Schriftenreihe 54. München: Fischer
Thompson, Kirstin (2001). Neoformalistische Filmanalyse. In: Albersmeier, Franz Josef (Hg.), Texte zur Theorie des Films. Stuttgart: Reclam, S. 409-446
Tilly, Charles (1999). Die europäischen Revolutionen. München: C. H. Beck
Winter, Rainer (1992). Filmsoziologie. Eine Einführung in das Verhältnis von Film, Kultur und Gesellschaft. Köln: Halem
Winter, Rainer (1995). Der produktive Zuschauer. Medienaneignung als kultureller Prozeß, Köln: HalemBeitrag aus Heft »2007/02: Männliche Identität(en) und Medien«
Autor: Manfred Mai
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medienreport
merz: Flimmo - Fernsehen mit Kinderaugen
merz Herr Gurt, was ist FLIMMO?
Gurt FLIMMO ist eine wissenschaftlich und pädagogisch fundierte Programmberatung für Eltern und Erziehende. FLIMMO bietet pädagogische Einschätzungen zu allen Sendungen, die Kinder zwischen drei und 13 Jahren gerne sehen oder mit denen sie als Mitsehende in Berührung kommen. Über die Programmbesprechungen hinaus liefert FLIMMO vertiefende medienpädagogische Informationen zum Thema Kinder und Fernsehen. Aktuelle Ereignisse und Diskussionen in und über Medien werden aufgegriffen und auf www.flimmo.tv und in der Broschüre thematisiert.
merz Was bietet FLIMMO?
Gurt FLIMMO hilft Eltern, den Fernsehkonsum ihrer Kinder kompetent zu begleiten. Voraussetzung dafür ist, dass Eltern verstehen, was das Fernsehen für Kinder bedeutet, was sie begreifen und was ihnen Probleme bereiten kann. Deshalb setzt FLIMMO an der Sichtweise der Kinder an und zeigt, wie sie Fernsehangebote erleben und wie Eltern den Umgang mit dem Fernsehen sinnvoll steuern können.
merz Was sind die Perspektiven für die Zukunft?
Gurt FLIMMO muss sich immer wieder neu justieren, um mit den Entwicklungen des Fernseh- und Medienmarktes und den Veränderungen der Lebenswelt von Kindern Schritt zu halten. Insofern liegt allen Beteiligten die Weiterentwicklung von FLIMMO auch in Zukunft am Herzen. 2007 wird es neben dem Jubiläum zu zehn Jahren FLIMMO einen neuen Bereich im Internet geben, der sich ausschließlich an professionelle Erzieherinnen und Erzieher richtet. Das Fachportal wird Informationen und Anregungen zum kindlichen Medienumgang und zur Medienarbeit mit Kindern enthalten, sowie Hinweise auf wichtige Institutionen, Arbeitsmaterialien, Weiterbildungsangebote usw.
Günther Anfang: 25-jähriges Jubiläum Medienzentrum München des JFF
Als vor 25 Jahren der Münchner Stadtrat beschloss, ein Medienzentrum einzurichten, war noch nicht abzusehen, welche Entwicklungen die Medienlandschaft in den nächsten Jahren nehmen würde. Die Büros waren noch mit Schreibmaschinen ausgestattet und Computer allenfalls in großen Rechenanlagen vorhanden. Die neuen Medien waren noch nicht in aller Munde und von Medienkompetenz sprach damals auch noch niemand. Trotzdem gab es vor 25 Jahren schon eine Menge medienpädagogischer Herausforderungen. Die Gewaltdiskussion – ein Dauerbrenner der Medienpädagogik – entzündete sich gerade an der Videogewalt und der Umgang mit den Medien, damals noch in erster Linie das Fernsehen, wollte gelernt sein. Vorbilder für das Medienzentrum gab es ebenfalls, die Medienoperative in Berlin, das MPZ in Hamburg und der Jugendfilmclub in Köln. Sie kamen ent-weder aus der alternativen Videobewegung oder aus der Spielstellenarbeit. In München ging man bei der Überlegung ein Medienzentrum ins Leben zu rufen, jedoch erst einmal einen viel pragmatischeren Weg. Die Stadt wollte eigentlich einen Medienpool einrichten. Dieser sollte gewährleisten, dass die Mediengeräte zentral verwaltet, gewartet und zum Einsatz vor Ort gebracht werden. Im Antragstext des damaligen Jugendwohlfahrtsausschusses wurde dazu festgestellt: „Die Situation in der Münchner Jugendarbeit im Hinblick auf den Umgang mit Medien ist unbefriedigend. Den Mitarbeitern der Jugendarbeit fehlt häufig das nötige medienpädagogische Wissen; es gibt keine Weiterbildungsmöglichkeiten und keinen Erfahrungsaustausch.
Dazu kommt: Geräte sind nicht überall vorhanden, Geräte werden nicht genügend genutzt, weil sie nur einer Einrichtung gehören, Geräte werden unsachgemäß behandelt, defekte Geräte kostspielig instand gesetzt.“ (Beschluss vom 03.12.1981) Der Medienpool sollte also nur gewährleisten, dass die Mediengeräte gewartet und funktionstüchtig verliehen werden können. Durch geschicktes Verhandeln gelang es dem JFF jedoch, aus dem Medienpool mehr zu machen, und zwar ein Medienzentrum, das den Namen auch verdient. Es sollte nicht nur Mediengeräte ausgeben, sondern Jugendmediengruppen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kinder- und Jugendarbeit beraten, wie sie mit den Medien sinnvolle Medienprojekte machen können. Auch die Aus- und Weiterbildung von Multiplikatorinnen bzw. Multiplikatoren der Kinder- und Jugendarbeit stand im Konzept. Und schließlich sollte der aktiven Medienarbeit ein Schwerpunkt eingeräumt werden, um Impulse für die Medienarbeit in der Stadt zu setzen. Mit diesem Konzept konnte das Medienzentrum München am 2. Mai 1982 dann schließlich an den Start gehen und sich in der medienpädagogischen Szene bundesweit schnell etablieren. Mittlerweile gehört das MZM zu den ältesten medienpädagogischen Einrichtungen in Deutschland und wurde selbst zum Vorbild für Medienzentren und Medienstellen in anderen Kommunen und Städten. Seit seiner Gründung hat das MZM zahlreiche medienpädagogische Aktivitäten initiiert und vielfältige Impulse für die Jugendmedienarbeit in München gesetzt.
Das Jugendfilmfest flimmern & rauschen oder das Engagement bei der Veranstaltungsreihe Inter@ktiv sind dafür beispielhaft. Aber auch das Jugendradio Störfunk und das Jugendfernsehmagazin maTz-TV auf Münchner Lokalsendern sind wichtige Beiträge einer aktiven Medienarbeit, die Kindern und Jugendlichen den selbständigen Umgang mit Medien nahe bringt. Im Vordergrund der Arbeit des Medienzentrums stand dabei immer, Kinder und Jugendliche zum kritischen Medienkonsum zu befähigen und sie bei der Entwicklung von Medienkompetenz zu fördern. In der Woche vom 23. bis 28. April feiert das Medienzentrum sein 25-jähriges Jubiläum. Im Rahmen des Jubiläums gibt es eine Rückschau auf 25 Jahre Jugendfilmkultur. Gezeigt werden Filme aus den letzten 25 Jahren, die die Entwicklung der Jugendfilmarbeit verdeutlichen. Hier kann man sehen, wie sich die Themen der Jugendlichen verändert haben. So dominierten in den 80er Jahren noch Filme, die sich mit gesamtgesellschaftlichen Problemen wie zum Beispiel den Gefahren der neuen Medien auseinander setzten oder das Thema Umwelt in den Mittelpunkt stellten, während in den späteren Jahren die Probleme Jugendlicher immer individueller wurden. Natürlich zeigt die Rückschau auch, dass ein Thema immer gleich geblieben ist: das Thema erste Liebe und zwischenmenschliche Beziehungen. Den Abschluss der Reihe bildet eine Festveranstaltung am 27. April und ein Treffen der Medienzentren am 28. April.
Informationen zum Programm der Filmwoche und zur Festveranstaltung gibt es auf der Seite des Medienzentrums unter www.medienzen-trum-muc.de.Günther Anfang
Beitrag aus Heft »2007/02: Männliche Identität(en) und Medien«
Autor: Günther Anfang
Beitrag als PDFEinzelansichtJürgen Bofinger: Medien in der Schule - Fehlanzeige?
Vor zwei Jahren wurden die Eindrücke von der didacta 2005 in Stuttgart mit den Worten zusammengefasst: „Eine Renaissance der Printmedien?“ (merz 2/2005). Schon damals war die Rede von einer „Rückbesinnung auf Tafel und Kreide“, von multimedialen „Zeitschluckern“ und von einem „Trend zum herkömmlichen Schulbuch“. Und das Fazit lautete: „Wie soll die weitere Implementation digitaler Medien in der Schule ge-lingen? Die Trends auf der didacta 2005, Bereich Schule/Hochschule, haben dafür erste (Warn-)Zeichen gesetzt.“Nun hat die didacta 2007 in Köln, die vom 28. Februar bis zum 3. März dauerte, ihre Pforten geschlossen. Die Veranstalter sprechen von einem exzellenten Ergebnis für die beteiligten 776 Anbieter aus 21 Ländern. Mehr als 95.800 Besucher wurden registriert. Das sind 42 Prozent mehr im Vergleich zur didacta 2006 in Hannover und übertrifft das Ergebnis der letzten Kölner didacta nochmals um rund zwei Prozent. Damit ist die Bildungsmesse 2007 in Köln die erfolgreichste Veranstaltung seit Bestehen der didacta.
Mit über 1.500 Veranstaltungen im Rahmenprogramm war die didacta 2007 gleichzeitig Europas größter Bildungskongress und pädagogische Fortbildungsveranstaltung.Nur: Die ‚neuen’ Medien spielten auch in diesem Jahr eine verdächtig geringe Rolle. Das Forum Multimedia wurde ersatzlos von einem Forum Unterrichtspraxis abgelöst. Und auch die neuen Zahlen des Dachverbandes aller Schulbuchverlage in Deutschland (VdS Bildungsmedien) über den Branchenumsatz geben zu denken: Konnte das klassische Schulbuch in den letzten fünf Jahren noch leichte Wachstumsraten erzielen, so war der Umsatz mit Lern- und Unterrichtssoftware von 15 Millionen Euro im Jahre 2002 auf circa acht Millionen Euro im Jahre 2006 deutlich rückläufig. Noch Mitte der 90er Jahre erwarteten die Verlage, dass sich der Anteil computergestützter Medien am Gesamtumsatz bis zum heutigen Tage auf 25 bis 30 Prozent entwickeln würde. Tatsächlich waren es gerade fünf Prozent. Ergänzt man diese Absatzzahlen mit Ergebnissen aus Studien über den tatsächlichen Einsatz digitaler Medien im alltäglichen Fachunterricht an unseren Schulen, dann wird die Kluft zwischen den Erwartungen und der Realität weiter sichtbar: In Bayern setzten 2006 rund 21 Prozent aller Lehrkräfte digitale Medien in ihrem Fachunterricht regelmäßig ein.
2002 waren es 17 Prozent – ein jährlicher Zuwachs um gerade einen Prozentpunkt. Und das angesichts enormer schulischer Ausstattungsinitiativen und der Entwicklung guter, unterrichtstauglicher Anwendungssoftware. Soweit die Bedeutung digitaler Medien als Unterrichtshilfen.Mit medienpädagogischen Aktivitäten sieht es an unseren Schulen noch schlechter aus – trotz vieler öffentlichkeitswirksamer Anlässe: 2002 hatten in einer bayerischen Studie rund sieben Prozent aller von Lehrkräften genannten Medienaktivitäten einen medienpädagogischen Hintergrund (Medien als Unterrichtsthema); 2006 berichteten acht Prozent aller befragten Lehrkräfte, dass sie medienpädagogische Themen mit ihren Schülerinnen und Schülern „regelmäßig“ behandelten.Quo vadis? Die Lage der Medien, als Unterrichtshilfen und als Unterrichtsthemen, ist so ungewiss wie nie zuvor. Darüber können auch die vielen erfolgreichen Einzelbeispiele und „Leuchtturmschulen“ nicht hinwegtäuschen, die bisher keine große Ausstrahlung haben.chen Distanz der meisten Lehrkräfte gegenüber Medien kann keine Rede mehr sein. Für die eigene Unterrichtsvorbereitung werden digitale Medien gerne angenommen. Es ist die Finanzsituation der Sachaufwandsträger, es sind die schul- und unterrichtsstrukturellen Bedingungen, die zunehmende Zeit- und Arbeitsbelastung in Zeiten von PISA, Vergleichsarbeiten, Evaluations- und Qualitätsanforderungen, die Lehrkräfte auf den Einsatz von Medien und auf eine intensivere Beschäftigung mit medienpädagogischen Themen verzichten lassen. Denn die Beschäftigung mit Medien hat immer noch den geringsten Verpflichtungsgrad in unseren Schulen.
Jürgen Bofinger
Beitrag aus Heft »2007/02: Männliche Identität(en) und Medien«
Autor: Jürgen Bofinger
Beitrag als PDFEinzelansichtKai Hanke: Eine eigene Welt
Für Außenstehende liest sich das Programmangebot von GIGA TV wie ein Fachmagazin für Informatik: GIGA Games Maxx, WC3L Qualifikation bei GIGA eSports oder YAVIDO. Die Moderationen, Themen und Schlagwörter in den Sendungen muten oft ebenso fremd an – kaum zu verstehen für viele Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen, die sich nur selten mit Computer- oder Konsolenspielen befassen. Doch darauf kommt es dem Sender auch gar nicht an. Denn bei GIGA TV handelt es sich um einen Special-Interest-Sender, der sich mit einem entsprechenden Programmangebot auf eine spezielle Zielgruppe konzentriert. Für GIGA besteht sie vor allem aus denjenigen, die sich für Video-, PC- oder Konsolenspiele begeistern oder einfach nur interessieren.
Das Angebot reicht von ausgiebigen Informationen zu Spielen und ihren Spielerinnen und Spielern bis hin zu Musiksendungen und Datingshows. Beiträge über Hard- und Software werden ergänzt durch News zu Spam-Mails, Internet-Videos oder Berichte über Online-Games. Für Letztere haben sich regelrechte Spielgemeinschaften und eSport-Ligen gebildet, in denen Einzelspieler oder Teams um den obersten Tabellenplatz streiten. GIGA eSports berichtet darüber, auch wenn mittlerweile Sender wie DSF vergleichbare Formate im Programm haben. MedienkonvergenzAls Sender schafft GIGA dem Konvergenzgedanken in Bezug auf Medien einen speziellen Raum. Dies zeigt sich sowohl programm- als auch marketingtechnisch. Programmtechnisch fällt die Fülle der thematisierten Medien auf. Aufgrund des Senderschwerpunkts stehen dabei Software und Hardware als Basis für On- und Offline-Spiele im Mittelpunkt der Berichterstattung. Jedoch wird immer wieder auch auf andere Medien wie MP3-Player, Mobilfunktechnik, Zeitschriften oder Neuerungen im Bereich der Internet-Kommuniaktion eingegangen. Zudem scheint GIGA TV davon auszugehen, dass das Publikum auch eine Vielfalt von Medien nutzt und sie gegebenenfalls auch zum Empfang von GIGA TV einsetzt. Darüber hinaus werden im Programm von GIGA TV immer wieder Marketingprinzipien reproduziert, die auf eine multimediale Vermarktung von Produkten setzen: In den Kino-News wird der dritte Teil einer großen Filmproduktion besprochen, in der darauffolgenden Sendung dreht sich alles um das dazugehörige Computerspiel und tags darauf schließ-lich läuft dann noch der Titelsong des Films als Musikvideo in einer Musiksendung.
Empfang
GIGA TV ist in den meisten Regionen Deutschlands als normales Fernsehprogramm über Kabel und Satellit zu empfangen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, das Programm übers Internet anzusehen. Seit Juni 2006 ist mit GIGA 2 sogar ein weiteres, jedoch kostenpflichtiges Pay-TV-Programm von GIGA auf den Markt gekommen, das als Internetfernsehen funktioniert, jedoch inhaltlich dieselben programmlichen Schwerpunkte setzt wie GIGA TV. Abgesehen von den inhaltlichen Schwerpunkten zeichnen sich die Programme von GIGA durch einen regen Einsatz des Internets aus. Das Fernsehprogramm wird durch ein Internetangebot ergänzt, bei dem die Zuschauerinnen und Zuschauer oftmals ganze Sendungen interaktiv begleiten und mitbestimmen können. Zusätzlich bieten die Internetseiten des Kanals den Nutzerinnen und Nutzern durch ein Forum und einen Communitybereich die Möglichkeit, sich gezielt über Themen und Spiele auszutauschen und neue Online-Bekanntschaften zu knüpfen.Einschätzung aus medienpädagogischer PerspektiveIn der Förderung von interaktiven Teilhabemöglichkeiten sowie der programmlichen Spezialisierung liegt auch einer der Gründe, weshalb Kinder und Jugendliche sich (möglicherweise) dem Programm von GIGA TV zuwenden.
Denn all diejenigen, die Computer- oder andere Spiele lieben und sie auch regelmäßig spielen, finden bei GIGA Anregungen und Tipps dafür und erfahren Wissenswertes über die Entwicklung ihrer Lieblingsspiele. Außerdem können sie sich durch die spezielle Programmausrichtung und die zahlreichen Teilhabemöglichkeiten für Zuschauerinnen und Zuschauer über das Internet als Teil einer Gemeinschaft fühlen, die ähnliche Interessen hat wie sie selbst. Durch die Vorstellung von Spielen und neuen Techniken macht GIGA TV allerdings immer auch Werbung für kommerziell zu erwerbende Produkte. Gerade für jüngere Kinder ist diese versteckte, crossmediale Werbung nicht leicht zu durchschauen. Ein zusätzliches Problem kann die Auswahl der besprochenen und live im Fernsehen gespielten Spiele darstellen. Einige von ihnen, zum Beispiel der Ego-Shooter Counterstrike, sind von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) nicht für alle Altersgruppen freigegeben. Auch wenn GIGA TV versichert, entsprechende Spiele erst ab 22.00 Uhr ins Programm zu nehmen, sind sie dort für Kinder und Jugendliche leicht zu verfolgen. Aus medienpädagogischer Perspektive ist es in jedem Fall sinnvoll, sich einen vorurteilsfreien Eindruck vom GIGA-Programm zu verschaffen, der einerseits die Nutzungsgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt und darauf aufbauend mögliche Risiken bei der Rezeption verschiedener Programminhalte und -formate offen legt.
Kai Hanke
Beitrag aus Heft »2007/02: Männliche Identität(en) und Medien«
Autor: Kai Hanke
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Bloech: Die Berlinale - Filme im Überfluss
Einen Überblick über das Angebot der 57. Berlinale zu bekommen, ist ob der immensen Vielfalt des Angebots ein Unterfangen, das zum Scheitern verurteilt ist. Für die medienpädagogische Arbeit ist die Berlinale jedoch ein qualitativer Gradmesser, denn hier finden sich neben Blockbustern auch viele kleine Filmproduktionen, die engagiert und innovativ eigene Wege suchen. So war es im vorigen Jahr spannend zu beobachten, wie vielfältig und kreativ die deutsche Filmlandschaft sich entwickelt hatte, um dann in diesem Jahr ernüchternd festzustellen, dass dieser Trend offensichtlich nicht von langer Dauer war. Das Kinderfilmfest hat Geburtstag – es lebe Generation!Das Kinderfilmfest ist inzwischen einer der renommiertesten Bereiche der Berliner Filmfestspiele. In diesem Jahr firmierte diese Sektion zu ihrem 30. Geburtstag unter dem etwas unglücklichen Titel Generation. Darunter bezeichnen Kplus und 14plus ab sofort die beiden Unterprogramme für Kinder beziehungsweise Jugendliche. Thomas Hailer, der Leiter von Generation, möchte mit dem neuen Titel darauf aufmerksam machen, dass es bei der altersübergreifenden Sektion nicht primär um Kinderfilme, sondern auch um Filme für Jugendliche geht. Eine weitere Neuerung bildet das geplante Kooperationsprojekt zwischen der Berlinale und den beiden Vertriebspartnern absolut Medien und Matthias Film.
Einige der Preisträgerfilme werden in diesem Rahmen voraussichtlich ab Herbst 2007 auf DVD herausgebracht. Oft war ja ein Manko, dass viele interessante Kinder- oder Jugendfilme zwar in Berlin einen Preis erhielten, aber dennoch den Weg ins deutsche Kino oder Wohnzimmer nicht schafften.Außer dieser Umbenennung und dem interessanten DVD-Angebot ist es zu keiner nennenswerten Umstrukturierung gekommen. Allerdings erfreute sich vor allem der Bereich 14plus steigender Beliebtheit, aber auch das Programm für Kinder wurde wie schon in den vorangegangenen Jahren gut angenommen. Bot vor allem die Qualität der Filme im Wettbewerbsprogramm der Berlinale Anlass zu heftigen Diskussionen, so wurde im Gegensatz dazu, das Angebot bei Generation mehr als wohlwollend aufgenommen. Zu Recht, denn die 13 Jugend- und 15 Kinderfilme boten neben vielen netten Kurzfilmen, neben Qualität und Anspruch, auch viel Unterhaltung und Abwechslung. Kplus – hauptsächlich Kinderfilme für Ältere In der Sektion Kplus fiel vor allem auf, dass es einen Trend hin zu mutigen, dramaturgischen Wagnissen gab. Normalerweise war der Kinderfilm bislang dominiert von klassischer Sachlichkeit, einer geradlinigen Erzählweise, die vor allem Kinderfilme aus skandinavischen Ländern kennzeichnet.
Ein Vertreter dieser eher konventionell erzählten Filme ist Trigger, eine norwegisch schwedisch dänische Koproduktion von Gunnar Vikene. In unaufgeregten Bildern wird hier die Geschichte der kleinen Alise erzählt, die ihren Großvater auf seinem Weg ins Altenheim begleitet. Ihre große Liebe gilt den Pferden und als plötzlich der völlig verstörte, geflohene Hengst Trigger auftaucht, kann zunächst nur noch ihr Großvater helfen, das Pferd zu bändigen. Als dieser jedoch schwer erkrankt, ist das kleine Mädchen ganz auf sich und ihre beste Freundin gestellt. Der sehr sensibel gemachte Film richtet sich vor allem an jüngere Kinder, während der überwiegende Teil von Kplus Filmen diesmal vor allem auf ältere Kinder abzielt. Auch die einzige deutsche Produktion im Kplus-Wettbewerb Blöde Mütze von Johannes Schmid schielt eher auf ein etwas älteres Publikum. Erzählt wird hier die Geschichte des zwölfjährigen Martin, der in die Provinz zieht und sich seinen Platz in der neuen Umgebung erst noch erkämpfen muss. Seine Champion Baseballkappe, die blöde Mütze, ist mehr ein Schutz, ein virtueller Panzer, denn der schüchterne Martin gehört nicht gerade zu den ,Champions‘. Insgesamt ist Blöde Mütze eine sympathische Mischung von New Kid in Town und First Love, ein sensibles Portrait eines stillen Jungen, auf dem steinigen Weg des Älterwerdens. Erfrischenderweise sind bei Kplus zu diesen eher ruhigen Filmen ganz wagemutige, spektakuläre, freche Filme hinzugekommen, die von Kindern einiges an Konzentration aber auch an Wissen voraussetzen. Stellvertretend dafür sei hier Razzle Dazzle des Australiers Darren Ashton genannt.
In Form einer Fernseh-Dokusoap erzählt der sehr vergnügte und schrille Spielfilm die Geschichte einer Kindertanzschule. Im Zentrum der Story steht der einfühlsame und originelle Tanzlehrer Mr. Jonathan, der an ,seine‘ Kinder glaubt und sie nicht nur in den Bereichen des Tanzens fördert und fordert, sondern auch einen politischen Anspruch hat und diesen mit in seine Choreografie einbaut. Die junge Tanzgruppe fiebert einem Tanz-Wettkampf entgegen und hat es dabei mit einer anderen Kindergruppe zu tun, die von der überengagierten, konservativen, strengen Tanzlehrerin Miss Elisabeth geleitet wird. So stoßen permanent zwei Welten aufeinander, die eine geleitet von Jonathans Kreativität und politischem Engagement und die andere von Miss Elisabeths Drill und Traditionsbewusstsein. Kleine Kinder werden Probleme haben, beim Zuschauen das Fiktive der Handlung zu erkennen und herauszulösen. Zu wenige Hilfestellungen erteilt der Film, als dass jüngere Kinder das raffinierte Spiel mit filmischen Formen durchschauen können. Ganz in der Tradition eines Dokumentarfilms erläutert Mr. Jonathan in der Exposition des Films mit dem geraden Blick in die Kamera sein Verständnis von Tanz und lockt mit diesem Stilmittel trickreich die Zusehenden zunächst bewusst auf eine falsche Fährte. Ältere Kinder oder Jugendliche haben allerdings umso mehr Spaß an diesem Spiel, als dass die Machart des Films ihre Medienkompetenz herausfordert. Auch der stellenweise subtile Humor des Films setzt einiges an Seherfahrung voraus. Damit aber Razzle Dazzle nicht zu intellektuell anmutet, ist das Ganze immer wieder von derberen witzigen Szenen durchsetzt und mit fantastischen Musik- und Tanzeinlagen garniert.
Macht dieser australische Film den Zusehenden die Künstlichkeit des Mediums transparent, so setzt der Preisträgerfilm Das Internat des Thailänders Songyos Sugmakanan ganz auf die Klaviatur des klassischen Horror-Thrillers und lässt sein Publikum damit völlig distanzlos in die innere Welt seines Protagonisten zitternd eintauchen. Der Film ist wirklich nichts für zarte Gemüter und daher hat das Festival sich entschlossen, ihn erst ab zwölf Jahren zu empfehlen. Eine richtige Entscheidung, denn die vielen überraschenden und wirklich schockierenden Momente sowie der kaum zu ertragende Suspense beanspruchen die Nerven bis aufs Äußerste. Vor allem die klaustrophobisch wirkenden, düsteren Kamerabilder und die genial eingesetzte Spannungsmusik bewirken eine Tour-de-force für das Publikum. Im Gegensatz allerdings zu Hollywoodproduktionen à la Sixth Sense oder Splattermovies haben die gezeigten Bildwelten einen inhaltlich außerordentlich ernsthaften Hintergrund. Im Kern geht es in der Geschichte um den Jungen Ton, der von seinem Vater ins Internat geschickt wird. Hier muss Ton gegen seine eigenen Gespenster, seine Angst und Einsamkeit kämpfen. Tons Mitschüler erzählen sich gegenseitig nachts im Schein der Taschenlampen unter der Bettdecke düstere Gespenstergeschichten, die Tons Fantasie beflügeln. Das Internat vermittelt Gänsehautstimmung pur und knüpft dabei raffiniert an realen Ängsten von Kindern an. Die interessante Botschaft des Films lautet dabei, lass dich auf deine Wahrnehmungen, deine Fantasie und Ängste ein, und vertrau deiner eigenen Kraft und inneren Stärke.
Der Film erhielt von der Kinderjury mit einem gläsernen Bären zu Recht den Hauptpreis und vom Kinderhilfswerk eine lobende Erwähnung. Bei all der Euphorie, um die hohe Qualität des Kinderprogramms, darf allerdings kritisch angemerkt werden, dass zukünftig die jüngeren Kinder nicht aus dem Blickfeld verschwinden sollten.14plus – der steinige Weg des Erwachsenwerdens An die Probleme älterer Kinder, die im Fokus von Kplus standen, knüpfte das Jugendprogramm von 14plus nahtlos an. Hier ging es hauptsächlich um die beschwerlichen Prozesse des Erwachsenwerdens. So auch für den 14-jährigen Armin, der im gleichnamigen Film von Ognjen Svilicic mit seinem Vater Ibro von Bosnien nach Kroatien reist, um an einem Casting für einen Film teilzunehmen. Für den Jungen ist es aber die größte Herausforderung, sich von den Ansprüchen seines Vaters zu lösen ohne da-bei den Respekt, das Ansehen und die Liebe seines Vaters zu verlieren. In vielen kleinen Gesten werden die Versagensängste, das gegenseitige Nichtverstehen sowie der enorme Erwartungsdruck deutlich. Als schließlich Armin, trotz permanentem Kampf des Vaters, keine Chance bekommt, bei dem Film mitzumachen, spitzt sich der Konflikt zwischen den beiden zu. Das ungleiche Paar erhält jedoch überraschenderweise vom Filmteam die Chance, an einem anderen Filmprojekt mitzuwirken, eine Dokumentation über die Situation im Nachkriegsbosnien. Diese Chance hat aber einen zu hohen Preis: Vater und Sohn wollen zwar ihrem Elend in Bosnien entfliehen, doch ihre eigene Situation wollen sie nicht dem globalen Voyeurismus preisgeben. Diese kleine Vater-Sohn-Geschichte über Würde wird in ruhigen Bildern erzählt, die lakonischen Dialoge beweisen trotz grober Flüche des Vaters feinen Sinn für Humor und von dem stillen Duell der beiden Hauptdarsteller wird man unaufhaltsam in den Bann gezogen.
Der Film wendet sich in seiner Kritik aber auch an Pädagoginnen und Pädagogen bzw. Eltern die, vor lauter gutem Willen, Jugendliche in der schwierigen Phase des Erwachsenwerdens oft mit ihren Ansprüchen und Zielen überfordern. Hier vermittelt der Film zwischen den Generationen, denn Armin stellt am Ende stolz fest, dass sein Vater ihn liebt und akzeptiert. Und Ibro ist stolz auf seinen Sohn, auch wenn er sein offensichtliches Ziel nicht erreicht hat.Das Zerbrechen von UtopienÄhnlich wie Armin, steht der gleichaltrige Dvir in Sweet Mud von Dror Shaul vor einer unlösbaren Aufgabe. Zusammen mit seiner Mutter gefangen in einem isrealischen Kibuzz, sehnt er sich nach Freiheit und nach einem Vater, den er verloren hat. Das Kibuzz ein Ort, in Gleichheit und Gemeinschaft, regelt streng den Alltag. Was jedoch als sozialistische Utopie begann, ist längst einem korrupten Unterdrückungsapparat gewichen. Ohne familiäre Bindungen und ohne individuelle Freiheit ist das Leben für Dvir und seine Mutter zur Qual geworden. Die Mutter schöpft kurzfristig Hoffnung als ihr Freund Stephan, ein älterer schweizer Grandseigneur, sie besucht, doch dann gerät ihre Welt vollständig aus den Fugen. Stephan widersetzt sich den strengen Strukturen des Kibuzz, lehnt sich auf und muss schließlich das Kollektiv verlassen. Für Dvir ist Stephan, der lebenslustige Mann mit dem feinen Gespür für Situationen und Emotionen, in kurzer Zeit zu einer Vaterfigur geworden. Seine plötzliche, erzwungene Abreise lässt Dvirs Mutter noch tiefer in ihre Depression versinken, die im tiefen Alkoholdunst mündet. Dvir versucht der Mutter Brücken zu bauen, um sie aus ihrem emotionalen, selbstzerstörerischen Strudel zu reißen, aber schließlich muss er schmerzvoll erkennen, dass er nur alleine bestehen kann. In drastischen, nachdenklich stimmenden Bildern mit einer perfekt eingesetzten Musik zerstört der melancholische Film die Illusion des harmonischen Wechselspiels von Individualität und Gemeinschaft, von Freiheit und Gleichheit. Sweet Mud erhielt bereits viele nationale und internationale Preise und den gläsernen Bären der Jugendjury.
Michael Bloech
Beitrag aus Heft »2007/02: Männliche Identität(en) und Medien«
Autor: Michael Bloech
Beitrag als PDFEinzelansichtSabine Bonewitz: Happy Birthday FLIMMO!
Ich glaube nicht an Zufälle. Viele Dinge passieren genau dann, wenn die Zeit dafür reif ist. Für FLIMMO, den medienpädagogischen TV-Ratgeber, trifft das gleich in mehrfacher Hinsicht zu! Vor zehn Jahren ist 1997 die erste FLIMMO Ausgabe erschienen. In dieser Zeit schossen neue Sender und Programme, die Kinder als neue Zielgruppe ausmachten, wie Pilze aus dem Boden, zum Beispiel SuperRTL, der Kinderkanal oder Nickelodeon. Da waren meine Kinder gerade vier und fünf Jahre alt und fingen an, selbständig das Kinder TV-Programm zu entdecken. Das tägliche Fernsehangebot schien zu einem undurchdringlichen Dschungel anzuwachsen. Doch Hilfe war in Sicht: In unserer Kita lag ein Exemplar des FLIMMOs aus! Obwohl ich Dank meiner beruflichen Vorbildung in Sachen Sozial- und Medienpädagogik gegenüber vielen anderen Eltern einiges an Vorwissen aufweisen konnte, hat der ‚Fernsehguide’ auch mir seit dieser Zeit regelmäßig geholfen, den Überblick zu bewahren – und das ganz ohne pädagogischen Zeigefinger! ‚Auswahl’ heißt das Zauberwort!Wie zu erwarten, hat sich das mit der Medienflut bis heute nicht geändert und mit Aussicht auf die Digitalisierung des Fernsehens ist das Ende noch lange nicht in Sicht. Damit Eltern im unübersichtlichen ‚Mediendickicht’ nicht völlig planlos umherirren, heißt das Zauberwort nach wie vor: Auswahl! Doch um die richtige Wahl treffen zu können, müssen Eltern und Kinder die breite Angebotspalette erst einmal beurteilen können. Welches Fernsehprogramm ist für mein Kind geeignet, welches Computerspiel entspricht seinen Bedürfnissen, was macht einen guten Kinderfilm aus? Da die wenigsten Eltern in punkto Medien Experten sind, brauchen sie Orientierungshilfen, um entsprechende Entscheidungen zu treffen
. Genau das ist das Ansinnen von FLIMMO.Wirtschaftsunternehmen, die vor ähnlichen Problemen im Umgang mit neuen und alten Medien stehen, beschäftigen Kommunikationsexperten, die den Firmen Inhalte für und von alten und neuen Medien aufbereiten, analysieren und dosieren. Im privaten Alltag muss das jede Familie für sich alleine umsetzen, sie muss ihr eigener Kommunikationsexperte werden. In Bezug auf das Fernsehen hilft ihnen dabei FLIMMO, vom Verein Programmberatung für Eltern e. V. herausgegeben und vertrieben und vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis redaktionell und konzeptionell aufbereitet.Die AnfängeBereits Anfang der 80er Jahre, als die Medienpädagogik sich als eigenständiger wissenschaftlicher Zweig der Pädagogik etablierte, gab es Angebote, die in diese Richtung gingen. Bei der Stiftung Lesen erschien kurz danach der Flyer Lesen-Fernsehen-Spielen – ein TV-Ratgeber für Kinder, der anhand ausgewählter Fernsehprogramme, Freizeit- und Buchtipps für Kinder von sechs bis zehn Jahren enthielt. Damals beschränkte sich die Fernsehauswahl allerdings auf die öffentlich-rechtlichen Kinderprogramme, Privatsender waren noch nicht auf dem Markt. Später dann gab es Die besten Medien für Ihr Kind, eine Broschüre, die der Berufsverband Audiovisuelle Medien in Zusammenarbeit mit der Stiftung Lesen 2001 zum ersten Mal veröffentlichte. In diesem Service-Angebot stand nicht das Fernsehprogramm im Mittelpunkt, es bot ein breites Spektrum mit Tipps zur Mediennutzung für alle Medien, die den modernen Alltag prägten.Zehn Jahre, so lange wie FLIMMO, hat sich allerdings keines der anfänglichen Medien-Begleitangebote gehalten. Bis heute erscheint der Ratgeber alle vier Monate als Broschüre und vierzehntägig als FLIMMO-online-Ausgabe im Internet. Neben einem umfassenden Überblick zum aktuellen TV-Programm, werden jede Menge alltagstaugliche Tipps zum Medienumgang geboten.Und die Unterzeile „Fernsehen mit Kinderaugen“, ist gleichzeitig Programm, denn FLIMMO nimmt das aktuelle Fernsehangebot aus der Sicht der Kinder unter die Lupe – auch ein Qualitätsmerkmal, das den Fernsehratgeber von anderen Publikationen unterscheidet. Die Grundlagen dafür liefern Forschungsergebnisse und regelmäßige Befragungen, bei denen aktuelle Trends berücksichtige werden können, zum Beispiel Befragungen zu Castingshows.
Die Programmpalette
Von Anfang an stand in FLIMMO nicht nur das klassische Kinderfernsehen im Fokus, sondern auch das, was Kinder sonst noch schauen: Daily Soaps, Nachmittags-Talkshows, Comedy-Programme, Serien, Spiel- und Unterhaltungsshows und vieles mehr. Da hat sich die Fernsehlandschaft gerade in den letzten zehn Jahren stark verändert: Mit Reality-Angeboten wie Big Brother oder Dschungelcamp sind immer mehr Formate aufgekommen, die es Kindern schwer machen, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden. Das erklärt FLIMMO verständlich und liefert Eltern und anderen Medienerziehenden das entsprechende Know-how.Ein wichtiges Sendungsauswahlkriterium der Redaktion sind dabei zum einen die Sehzeiten von Kindern – in FLIMMO werden Formate besprochen, die Kinder von drei bis 13 Jahren tatsächlich schauen: Montag bis Donnerstag von 13.00 bis 21.00 Uhr, freitags bis 22.00 Uhr und am Wochenende von 8.00 bis 22.00 Uhr. Zum anderen legt FLIMMO besonders viel Wert darauf, Programme einzubeziehen, die sich explizit an Kinder richten. Somit ist es selbstverständlich, dass neben den Programmen von ARD, ZDF, RTL, Sat.1, ProSieben, RTL 2 und Kabel 1 seit dem Jahr 1998 das Angebot von KI.KA und von SuperRTL mit ausgewertet werden. FLIMMO am Puls der ZeitEbenso wie sich die Senderauswahl am jeweils aktuellen Stand orientiert, wandeln sich beständig auch die Inhalte und die Aufbereitung von FLIMMO: 1999, zwei Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe, sind die „Titelthemen“ entstanden, die dem Wunsch vieler Leserinnen und Leser nach umfassenderen Informationen Rechnung tragen.
Seit 2004 gibt es, passend zum ausgeweiteten Kinderfernsehprogamm in der Weihnachtszeit, eine FLIMMO-Sonderausgabe, mit pädagogischen Einschätzungen zu allen Spielfilmen, die zwischen Heiligabend und Neujahr gezeigt werden. Wie generell bei FLIMMO sind das keine TV-Kritiken im journalistischen Sinn, sondern Programmbeurteilungen aus der Perspektive der Kinder. Mittlerweile sind meine Kinder 14 und 15 Jahre alt und dem Kinderfernsehen entwachsen. Sie entscheiden selbst, was sie schauen und was nicht. Dass sie dazu in der Lage sind, hat sicher auch etwas mit FLIMMO zu tun. Denn für alle Medien, ob Fernsehen, Computer oder Internet gilt: Eine aktive Auseinandersetzung mit den Medien ist der beste Weg für einen ‚gesunden’ Umgang mit ihnen. Wer die Möglichkeiten der einzelnen Angebote kennt und gelernt hat, sie anhand von Qualitätskriterien zu messen, kann sie mit Spaß und Freude nutzen. In diesem Sinne hoffe und wünsche ich, dass die FLIMMO-Redaktion noch lange weitermacht und künftige Elterngenerationen und andere Erziehende von ihren Ratschlägen und Tipps profitieren.
Sabine Bonewitz
Beitrag aus Heft »2007/02: Männliche Identität(en) und Medien«
Autor: Sabine Bonewitz
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publikationen
Daubert, Hannelore/Lentge, Julia (Hg.): Momo trifft Marsmädchen 50 Jahre Deutscher Jugendliteraturpreis.
Daubert, Hannelore/Lentge, Julia (Hg.) (2006). Momo trifft Marsmädchen 50 Jahre Deutscher Jugendliteraturpreis. München, 188 S., 16,80 €
Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Deutschen Jugendliteraturpreises ist die Publikation Fünfzig Jahre Deutscher Jugendliteraturpreis erschienen, die die Entwicklungen der Geschichte des Jugendbuchpreises auf knapp 200 Seiten dokumentiert. Mag es antiquiert anmuten, bei der aktuellen Diskussion um Verbote von jugendgefährdenden Computerspielen das gute alte Buch in den Fokus der Betrachtung zu stellen, so ist es jedoch nach wie vor zeitgemäß, pädagogisch Wertvolles zu empfehlen und Medienerziehung nicht von der Warte gesetzlicher Regelungen aus zu betrachten.
Der Reader, der im Anschluss an eine Tagung des Arbeitskreis’ für Jugendliteratur publiziert wurde, verdeutlicht dabei zum einen, wie sich die Preiswürdigkeit von Jugendliteratur nach dem Krieg bis heute verändert hat. Dabei wird in vielen Beiträgen gezeigt, welcher Wertewandel sich von der Bewahrpädagogik, über die sozialreformerisch geprägte Pädagogik der 68er Zeit bis hin zur Postmoderne im Bereich der Preisvergabe vollzogen hat. Zum anderen werden die Verlagerung der Zielperspektiven erkennbar, zwischen denen sich der Preis im Spannungsfeld von Lese- und Literaturförderung bewegt. Und eines wird dabei ebenfalls deutlich: Das Jugendbuch lebt. Zwar oft auch im Schulunterricht, wie ein Artikel zeigt, aber generell wird einfach wieder gelesen: Nicht umsonst hat die Süddeutsche Zeitung unter dem Titel „SZ Junge Bibliothek“ eine eigene Reihe herausgebracht, die natürlich auch einige der Preisträger enthält.
Wer sich aber auf eine interessante, literarische Entdeckungsreise machen möchte, dem sei insbe-sondere das Titelregister der Tagungsbroschüre empfohlen, quasi das „who is who“ der Kinder- und Jugendbuchliteratur. So gesehen beweist der Preis wiedereinmal seine Berechtigung, als Navigator im undurchschaubaren Bücherdschungel.Doelker, Christian: media in media. Texte zur Medienpädagogik. Ausgewählte Beiträge 1975-2005.
Doelker, Christian (2005). media in media. Texte zur Medienpädagogik. Ausgewählte Beiträge 1975-2005. Zürich: Verlag Pestalozzianum. 300 S., 29 €
Das Buch media in media – mitten in die Medien – umfasst eine Sammlung von Beiträgen, die in der Regel aus einem bestimmten Anlass entstanden sind. Den Herausgebern war es ein Anliegen, mit der Textauswahl ein möglichst breites Spektrum des Schaffens von Christian Doelker zu dokumentieren. Sie spiegelt zentrale Themen, Fragen und Probleme wider, mit denen er sich als Medienpädagoge während der letzten drei Jahrzehnte intensiv beschäftigt hat.Aus der Position des aufmerksamen Beobachters und kritischen Analytikers vermittelt der Autor wesentliche Erkenntnisse über Strukturen, Leistungen und Wirkungen der Medien und erläutert eingehend deren Bedeutung für die Medienpädagogik in Theorie und Praxis. Gegliedert sind die 33 Beiträge in die Themenbereiche anthropologische Konstanten, mediale Wirklichkeit und Fernsehen, Bildtheorie und Kulturtechniken, Informationsphilosophie, Medien und Gesellschaft sowie theoretische Aspekte der Medienpädagogik.
Diese inhaltliche Strukturierung entspricht verschiedenen Zugängen und ermöglicht es den Leserinnen und Lesern, aus einer jeweils anderen Perspektive Einsichten in die medienwissenschaftliche Theorie und den kompetenten Umgang mit der facettenreichen Medienwelt zu gewinnen. Der Band dokumentiert zudem Doelkers Pionierarbeit im medienpädagogischen Feld. Seine Kerngedanken und Grundlagenkonzepte zu den drei Wirklichkeiten, dem erweiterten Textbegriff und der Bildtheorie sind bereits in früheren Publikationen in pointierter Weise dargelegt.In der thematisch breiten Textsammlung reflektiert Doelker die Funktionen der Medien auf philosophischem, medientheoretischem, gesellschaftlichem, politischem sowie kulturellem Hintergrund und eröffnet so den Rezipientinnen bzw. Rezipienten in präziser und verständlicher Sprache differenzierte Einblicke in Potenziale und Defizite der Medien. Gleichzeitig ist er bestrebt, die Erkenntnisse für die Medienpädagogik fruchtbar zu machen und deren Bedeutung für die Disziplin in Form von Aufgaben und Zielen zu formulieren.
Heute durchdringen die Medien nahezu alle Bereiche unserer Lebenswelt. Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit wenden wir uns ihnen zu und nutzen die Angebote und Möglichkeiten mehr oder weniger bewusst. In Anlehnung an das bekannte metakommunikative Axiom nach Watzlawick formuliert Doelker, dass wir nicht nicht Medienpädagogik betreiben können. Deshalb empfiehlt er, sich erst recht für Medienpädagogik zu engagieren, die eigene Medienkompetenz zu erweitern und sie an andere weiterzuvermitteln. Im Sinne einer aufklärerischen Medienpädagogik fordert er, dass die Produzentinnen und Produzenten ihre Verantwortung gegenüber dem Publikum verstärkt wahrnehmen und diejenigen, die Medienprodukte konsumieren, sich medienpädagogisch qualifizieren. Letztere sollen fähig sein, sich in der von den Massenmedien stark geprägten Welt kompetent bewegen und orientieren zu können und sie auch aktiv mitzugestalten. In diesem Sinne richten sich die Beiträge im vorliegenden Band an uns alle und bilden insbesondere für Fachleute, Studierende, Lehrende und Lernende im Medien- und Bildungsbereich ein aufschlussreiches Kompendium.
Beitrag aus Heft »2007/02: Männliche Identität(en) und Medien«
Autor: Christian Doelker
Beitrag als PDFEinzelansichtFalkenberg, Viola: Im Dschungel der Gesetze.
Falkenberg, Viola (2004). Im Dschungel der Gesetze. Leitfaden Presse- und Öffentlichkeitsarbeit; Bremen: Viola Falkenberg Verlag, 212 S., 22,90 €
Medien-, Presse- und Urheberrecht – das sind hochkomplexe und oftmals variabel auslegbare Rechtsgrundlagen für die alltägliche Arbeit im Bereich der Öffentlichkeits- und Pressearbeit, wie auch bei jeglicher Art von Publikation in Print- oder Online-Medien. Welche presserechtlichen Anforderungen muss ein Flugblatt oder die nächste Schülerzeitung erfüllen, wie kann Bildmaterial auf der Website eines Unternehmens oder einer anderen Einrichtungen veröffentlicht werden? Wie gestaltet sich die aktuelle Rechtslage zu diesen Fragen und welche Konsequenzen drohen bei Nichtbeachtung? An einfachen Antworten oder übersichtlichen, leicht verständlichen und nah an der Alltagspraxis ausgerichteten Überblickswerken zum Thema mangelt es jedoch noch immer.
Viola Falkenbergs Leitfaden versucht diesem Mangel entgegenzutreten. Klar strukturiert und mit Beispielen veranschaulicht, geht sie auf die grundlegendsten rechtlichen Anforderungen und Probleme bei der Veröffentlichung von Wort- und Schriftbeiträgen, in Interviews oder bei der Veranstaltungsorganisation ein. Auf verständliche Formulierungen bedacht liefert Falkenberg nach jeder Besprechung einer Publikationsform eine stichpunktartige Zusammenfassung der zu beachtenden gesetzlichen Regelungen sowie Quelle und Wortlaut der entsprechenden Gesetze. Der zweite Teil des Buches erläutert gesetzliche Pflichten, Rechte und Grenzen beispielsweise in Bezug auf die Verwendung von Fotos und Bildmaterial, Datenschutz oder Gegendarstellungen.
Ein Anhang liefert zudem nützliche Richtlinien und Hinweise für die Umsetzung gesetzlicher Regelungen in der Berufspraxis.Dass der Leitfaden stark am Berufsalltag von Beschäftigten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit orientiert ist, kann im Hinblick auf den Buchtitel nicht verwundern. Für Praktikerin-nen und Praktiker in Medienzentren, Schulen oder ähnlichen Einrichtungen wäre möglicherweise ein Ratgeber, der noch gezielter auf fachspezifische Problembereiche (Stichwort: Nutzungsrechte trotz beschränktem Budget) eingeht, eher zu empfehlen. Da allerdings gerade die leichte Verständlichkeit und klar strukturierten Zusammenfassungen in Falkenbergs Leitfaden dem Bedürfnis nach einem ersten Überblick entgegenkommen, kann er durchaus auch PR-fernen Fachleuten als Beratung im Berufsalltag zu Seite stehen.
Grimm, Jürgen: Super Nannys.
Grimm, Jürgen (2006). Super Nannys. Konstanz: Uvk, 252 S., 29 €
Seit das Real-Life-Format der Super Nannys von Großbritannien auch nach Deutschland und Österreich geschwappt ist, verzeichnet es auch dort große Quotenerfolge. Diplompädagoginnen und -psychologinnen geben Unterstützung in Erziehungsfragen und helfen scheinbar den in der Sendung gezeigten Familien, aber auch denen vor den Bildschirmen, einen geregelten Erziehungsalltag zu schaffen. Jedoch ist mittlerweile vor allem unter Wissenschaftlern und Fachverbänden eine rege Debatte über den vermittelten Erziehungsstil ausgebrochen. Der Respekt vor den gezeigten Kindern und Familien wird vermisst und Kinderrechte werden nach Aussage der Expertinnen und Experten missachtet.
Auch die Qualität der gegebenen Ratschläge wird oft als äußerst zweifelhaft angesehen. Jürgen Grimm stellt in seinem Buch eine Studie vor, die untersucht, ob die vorgebrachten Kritikpunkte berechtigt sind oder ob die Super Nannys doch als Zugewinn in Sachen Erziehung gelten können. Mit Inhaltsanalysen der Sendungen, Befragungen von Zuschauerinnen und Zuschauern, Tiefenanalysen und Gruppendiskussionen mit den Expertinnen und Experten,
Teilnehmerfamilien und den Nannys selbst analysiert er das Thema ausführlich und kommt schließlich zu dem Schluss, dass das Format der Super Nannys mehr Chancen als Gefahren birgt. Sein Fazit: So lange die Jugendschutzkriterien und die professionelle Qualität der Beratung gewahrt bleiben, tragen die Sendungen zum Erziehungsdiskurs bei.Hurrelmann, Klaus/Albert, Matthias: Jugend 2006. 15. Shell Jugendstudie.
Hurrelmann, Klaus/Albert, Matthias (2006). TNS Infratest Sozialforschung: Jugend 2006. 15. Shell Jugendstudie. Frankfurt/M.: Fischer. 506 S. 14,95 €
Im Auftrag der Deutschen Shell werden regelmäßig die Einstellungen und Wertvorstellungen der deutschen Jugend untersucht. Darin gibt es Fragen, die in jeder Untersuchung gestellt werden, so dass Entwicklungen in den Vorstellungen der jungen Menschen sichtbar werden. Darüber hinaus finden sich in jeder Shellstudie Themen, die vom jeweiligen Forscherteam gesetzt werden. Im Idealfall werden diese aus den qualitativen Interviews zu Beginn der Erhebung gewonnen. Diesmal gibt es einen Schwerpunkt zum Thema Gesundheit, in dem die Zufriedenheit der jungen Menschen mit ihrem Körper thematisiert wird. Ob dies allerdings den Interessen der be-fragten Jugendlichen oder eher dem Forschungsschwerpunkt der Autoren geschuldet ist, wird aus der Studie nicht ersichtlich.
Aus medienpädagogischer Sicht ist der Stellenwert der Medien in der Studie sehr interessant. Das Thema Medien wird zum einen im Kontext von Jugendgewalt behandelt. Dabei wird ausschließlich eine Untersuchung von Christian Pfeiffer zum Zusammenhang von Medienkonsum und Gewalt zitiert und referiert. Zum anderen werden auch die Jugendlichen zum Thema Medien befragt. Im Bereich Jugendliche Lebenswelten, wo beschrieben wird, welche Rolle die verschiedenen Bildungsorte und die verschiedenen Freizeitaktivitäten im Leben der Jugendlichen spielen, werden Medien im Kapitel Freizeit- und Gesundheitsverhalten abgehandelt. Mehr als erstaunlich ist der eindimensionale Zugang zu Medien. Es wird abgefragt, ob die Jugendlichen Zugang zum Internet haben und wieviel Zeit sie damit verbringen.
Die Ergebnisse werden nach Schichtzugehörigkeit und Geschlecht differenziert. Die einzige zitierte Literatur ist ein Werk von Dieter Baacke aus dem Jahre 1991(!).Die eigentlich interessanten Fragen bleiben ungestellt: Wie hat sich das Medienverhalten insgesamt geändert? Wie wirkt sich die Nutzung von MP3 aus? Welche Rolle spielen Medien im Selbstbild von Jugendlichen? Wie werden Werte und Einstellungen von jungen Menschen durch Medien beeinflusst? Wie wirken sich virtuelle Lebensräume auf die Identitätsvorstellung von Jugendlichen aus? Wie gehen junge Menschen mit der Konvergenz der verschiedenen Mediensysteme um?Hätten die Autoren zum Beispiel die JIM-Studien der letzten Jahre zur Kenntnis genommen, hätten sie merken können, dass sich das Verhalten von jungen Menschen in kurzer Zeit dramatisch geändert hat.Dies hat weitreichende Auswirkungen auf das Selbst- und Weltbild der jungen Menschen in Deutschland. Es ist deshalb schwer nachvollziehbar, wie eine Generation von Jugendlichen beschrieben werden soll, wenn die Nutzung und der Einfluss von Medien nahezu ausgeblendet werden. Dass Medien dann nur noch in der Ursachenforschung von Gewalt eine Rolle spielen (und dies nicht mit der Befragung der jungen Menschen begründet wird), lässt den Schluss zu, dass in Bezug auf die Rolle der Medien mehr über das Medienverständnis der Autoren zu erfahren ist als über die Lebenswelt von Jugendlichen. Für sie scheinen Medien ein notwendiges Übel zu sein, das im Beruf und in der stumpfsinnigen Unterhaltung eingesetzt wird und bei gefährdeten Kindern auch noch zu Gewalt verführt. Aus medienpädagogischer Sicht ist diese Shellstudie deshalb ein Totalausfall. Wer sich über die (politischen) Einstellungen von jungen Menschen in diesem Land informieren möchte, kann dies nach wie vor hier tun, wobei es seit der letzten Shellstudie anscheinend nur sehr wenige Entwicklungen zu verzeichnen gibt.
Korte, Jochen: Wie Kinder weniger fernsehen.
Korte, Jochen (2007). Wie Kinder weniger fernsehen. Freiburg, Basel, Wien: Herder, 157 S., 8,90 €
Auf der Grundlage der Ansicht, dass Fernsehen zwar nicht automatisch dumm und krank macht, die falschen Sendungen und zu hoher Konsum jedoch besonders die jüngsten Zuschauerinnen und Zuschauer schädigen kann, versucht Korte, Eltern einen Leitfaden an die Hand zu geben, wie sie den Fernsehkonsum ihrer Kinder einschränken und die Sendungen die gesehen werden, kontrollieren können. Er gibt in den Praxiskapiteln Tipps zur sofortigen Umsetzung an die Hand und bezieht sich dabei auf die Methoden der kooperativen Verhaltensmodifikation. So erhält man in dem Buch neben einer Übersicht über den theoretischen Hintergrund zwar auch einen Gesprächsleitefaden, wie Eltern ihren Kindern die Einschränkungen des TV-Konsums erklären können und so deren Medienkompetenz fördern können, insgesamt kommt der Aspekt der Medienkompetenz jedoch viel zu kurz.
Schließlich folgt eine Auflistung von geeigneten Sendungen für Kinder und neun verschiedene Fernseh-Reduktionsmethoden mit den dazugehörenden Materialien. Am Ende erhält der Lesende sogar Adressen und Briefentwürfe, mit denen man bei den Sendern Programmbeschwerden einreichen kann, falls eine Sendung extrem negativ auffällt. Alles in allem ist das Buch recht kurzweilig und leicht verständlich geschrieben. Auch die Tipps sind gut umsetzbar und erfolgsversprechend, zumindest so lange die Kinder noch klein sind. Mit fortgeschrittenem Alter lassen sich die Jugendlichen wohl nicht mehr so einfach vom Fernseher weglocken.
Marci-Boehncke, Gudrun/Rath, Matthias: Medienkompetenz für ErzieherInnen.
Marci-Boehncke, Gudrun/Rath, Matthias (2007). Medienkompetenz für ErzieherInnen. München: kopaed, 171 S., 15 €
"Ein Handbuch für die moderne Medienpraxis in der früheren Bildung“, so lautet der Untertitel des vorliegenden Buches und genau das beschreibt den Inhalt am besten. Das Werk will keine Einführung in die theoretische Begründung und praktische Ableitung von Medienerziehung geben, sondern es stellt ein Handbuch dar für alle Beschäftigten im Bereich der frühen Bildung, das sowohl erklärt, wie ein PC funktioniert, als auch, was man damit im Kindergarten machen kann.
Marci-Boehncke und Rath erheben keinen Anspruch auf eine umfassende und vollständige Beschreibung der Möglichkeiten von Medienerziehung im Vorschulalter, sondern wollen einen Anfang machen. Sie wollen den Erziehenden die „ersten Schritte“ weitestgehend erleichtern. Und das gelingt ihnen sehr gut.
Angefangen bei den Grundlagen der Computernutzung, also beim Einschalten des PCs, wird sich über Erklärungen zu Word, Powerpoint, Internet und Malprogrammen Schritt für Schritt an die Möglichkeiten der einzelnen Programme herangetastet, die für Kinder dieses Alters interessant sind. Am Ende stehen Beispiele konkreter Lernprogramme für Kindergartenkinder.
Beitrag aus Heft »2007/02: Männliche Identität(en) und Medien«
Autor: Gudrun Marci-Boehncke, Matthias Rath
Beitrag als PDFEinzelansichtPietraß, Manuela: Mediale Erfahrungswelt und die Bildung Erwachsener.
Seit mittlerweile 40 Jahren werden von der Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschulverbandes begründeten Schriftenreihe Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung zentrale Fragen des Fachs mit dem Ziel diskutiert, erziehungswissenschaftliche Forschung und pädagogisches Handeln in der Erwachsenenbildung zusammenzuführen. Von Beginn an hat sich die Buchreihe immer wieder intensiv mit dem Verhältnis von Bildung und Medien auseinander gesetzt und beider Zusammenwirken in vielen Veröffentlichungen kritisch begleitet und gefördert. Mit Pietraß’ vorliegender Arbeit wird die Reihen-Tradition medienpädagogisch orientierter Grundlagendiskussion vor dem Hintergrund heutiger Medienexpansion fortgeführt und deren Folgen für das Kooperationsfeld von Erwachsenenbildung und Medienpädagogik analysiert.
Dabei kommt dem in der Literatur bisher meist unscharf umrissenen Begriff der Medienbildung eine zentrale Bedeutung zu, dem die Autorin in der vorliegenden Schrift klare Konturen gibt.Medienbildung erschöpft sich für sie nicht in der Vermittlung von Medienkompetenz als formale Fähig- und Fertigkeit zur instrumentellen und kognitiven Bewältigung der Medien, sondern sie ist umfassender auf Lebensbewältigung über-haupt in einer immer stärker durch Medien bestimmten Welt gerichtet, in der Medien selbst zunehmend zum Vehikel dieser Bewältigung werden, weil Originärerfahrung immer mehr durch mediale Erfahrung substituiert wird. Die Ausbildung von Kompetenzen für das selbständige Zurechtfinden in diesem Geflecht, in dem Medien zugleich Gegenstand und Mittel der Bildung und Medienbildung gleichzeitig Prozess und Produkt sind, macht im Verständnis der Autorin ein wesentliches Ziel heutiger Erwachsenenbildung aus.
Eine Bildung durch und für Medien zu erreichen, ist die doppelte Perspektive dieses Buches. Medienbildung konstituiert sich darin aus Rezeption und Verarbeitung von Medieninhalten gepaart mit der Befähigung, die Medienangebote zur Aktivierung eigener Denk- und Lernvorgänge und zur Initiierung von Handeln einzusetzen. Zu seinen hier nur plakativ formulierbaren Einsichten führt das Buch auf differenzierte Weise. Ausgehend von einer grundlegenden Darstellung der Interessen der Pädagogik an den Medien und dem Verhältnis von Medienpädagogik und Erwachsenenbildung in historischer Perspektive sowie der notwendigen Abgrenzung der ,Konkurrenzbegriffe‘ Medienbildung und Medienkompetenz analysiert Pietraß die Vielschichtigkeit der medialen Erfahrungswelt Erwachsener. In einem zentralen Kapitel werden dann die Dimensionen der Medienbildung, speziell ihre ästhetischen, kongnitiven und moralischen Aspekte behandelt, bevor abschließend Fragen nach der Förderung von Medienbildung durch die Erwachsenbildung beantwortet werden.
Es liegt hier ein aus medienpädagogischer Fragestellung heraus argumentierendes Buch vor, das sich nahtlos in die verdienstvolle Reihe zur Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung einfügt.
Beitrag aus Heft »2007/02: Männliche Identität(en) und Medien«
Autor: Manuela Pietraß
Beitrag als PDFEinzelansichtUhlenbrock, Timo: Kinofilme und ihre Altersfreigabe.
Uhlenbrock, Timo (2007). Kinofilme und ihre Altersfreigaben. Saarbrücken: VDM, 126 S., 49 €
Timo Uhlenbrock beschäftigt sich in seinem Werk mit der aktuellen Forderung nach einer Novellierung der Altersfreigaben der FSK aufgrund des steigenden Interesses von Heranwachsenden an Kinofilmen. Er gibt Einblicke in die Arbeit der FSK, analysiert Befunde aus der Medienwirksamkeitsforschung und befragt Expertinnen und Experten der Prüfpraxis hinsichtlich der gegebenen Freigabestufen.
Mit stichhaltigen und schlüssigen Begründungen analysiert Uhlenbrock nach und nach die verschiedenen Faktoren für und gegen eine Veränderung der Altersfreigabegrenzen und kommt am Ende zu dem Ergebnis, dass schon allein die Tatsache, dass sich die Altersfreigaben seit den 50er Jahren nicht geändert haben, die Medienlandschaft und die Jugend aber sehr wohl, für eine Änderung sprechen. Auch Prüferinnen und Prüfer sprechen sich weitestgehend für eine Novellierung aus.
Die medienwirkungstheoretischen und entwicklungspsychologischen Erkenntnisse sprechen ebenfalls dafür, da beispielsweise die Bildung eines moralischen Urteils über die gesehenen Filme erst von Kindern im Alter von neun bis zehn Jahren sicher beherrscht wird, was eine Freigabe ab sechs Jahren deutlich in Frage stellt.
kolumne
Tillmann P. Gangloff: Raus aus der Greisenfalle
Das ist eine reichlich grimmige Lösung für das Demografieproblem: Weil der Staat die Altenpflege nicht mehr finanzieren kann, werden mittellose Rentner nach Afrika verfrachtet, wo sie ihrem Ende entgegendämmern; die letzte Ruhe finden sie in billigen Pappsärgen. Natürlich war es eine Fiktion, von der vor einigen Wochen der aufwändig produzierte ZDF-Dreiteiler „Aufstand der Alten“ erzählte, und sie sollte selbstredend aufrütteln. Mit Recht: Wir werden immer älter, wir werden immer weniger; und haben endlich wieder Grund, uns so richtig Sorgen zu machen. Prompt gehen die Prognosen vom Schlimmsten aus: verwaiste Kindergärten, leere Schulen, überfüllte Altenheime, Pflegekollaps. Prompt bricht schon heute Hysterie aus. Muss das so sein?
Nein, muss es nicht. Natürlich wird die Gesellschaft in dreißig Jahren ein großes Problem haben, wenn sie nicht schon heute beginnt, etwas dagegen zu unternehmen. Aber warum gleich alles so schwarz malen? Anstatt vom Schlimmsten auszugehen, sollte die Gesellschaft die Krise als Chance betrachten: Lehrer werden mehr Zeit für Schüler haben, Schuletats können zugunsten der Altenpflege schrumpfen; und wenn die Arbeitslosigkeit weiter erfolgreich eingedämmt wird, gibt es auch genug Beitragzahler für die Rentenversicherung.Außerdem wird es Zeit, das Beste aus der grassierenden Vergreisung zu machen: Schluss mit jugendlichen Helden, die noch nicht mal eigenen Bartwuchs haben, und her mit den Alten! Gedanken dieser Art müssen Sylvester Stallone durch den Kopf gegangen sein, als er sich entschloss, Rocky Balboa aus der Rente zu locken. Filmfreunde erinnern sich an die Saga vom Aufstieg und Fall des Boxers, für die Autor und Hauptdarsteller Stallone einen Oscar bekam.
Als er 1976 Teil eins drehte (vier weitere folgten), war er immerhin schon dreißig. Drei Jahrzehnte später nun also das Comeback: mit sechzig! Die Nachricht hat offenbar den Ehrgeiz von Harrison Ford geweckt, der nach 17 Jahren zum vierten Mal den speckigen Abenteurerhut von Indiana Jones aufsetzt. Mr. Ford wird in diesem Jahr 65. Die Beispiele zeigen: Von „Greisenfalle“ kann gar keine Rede sein. Was früher der Beginn des Ruhestands und das Warten auf den Tod war, ist heute der Zenit der Lebenszeit. Kinder werden immer früher älter, sagen Soziologen. Mit den Jahren wendet sich das Blatt dann wieder: Alte bleiben länger jung. Beispiel Fußball: Die beiden Torhüter des WM-Sommermärchens, Jens Lehmann und Oliver Kahn, waren zusammen fast Mitte siebzig. Wer die Menschen heute mit 67 in Rente schicken will, erwischt sie auf der Höhe ihrer Schaffenskraft. Und noch eine Erkenntnis ist überfällig: Falten sind sexy! Sean Connery sieht selbst mit 76 noch richtig knackig aus.
Der gleichaltrige Clint Eastwood heimst reihenweise Oscars ein in einem Alter, in dem andere schon zehn Jahre zuvor für ihr Lebenswerk geehrt worden sind. Und die Damen? Keine Bange: Hannelore Elsner ist 62, Hannelore Hoger 64, Senta Berger 65; und alle erfolgreicher denn je. Wie lautet doch das trotzige Lebensmotto von Iris Berben (56)? „Älter werde ich später“.
Beitrag aus Heft »2007/02: Männliche Identität(en) und Medien«
Autor: Tilmann P. Gangloff
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