2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik
Heft 5/2006 steht unter dem Motto 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik. Vertreterinnen und Vertreter, die für bestimmte Richtungen in der Medienpädagogik stehen, reflektieren die Entwicklungen in ihrem Bereich in den letzten 50 Jahren und machen deutlich, was medienpädagogisches Denken und Handeln heute bedeutet. Medienpädagogik heute steht.Außerdem wirft Wolfgang Brudny einen Blick zurück in die "Vor-merz-Zeit", in der der Grundstein für die mittlerweile einzige medienpädagogische Fachzeitschrift in Deutschland gelegt wurde. Und Hans-Dieter Kübler hat sich mit den ersten Jahrzehnten von merz auseinandergesetzt.
thema
Helga Theunert und Bernd Schorb: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik
Eine Fachzeitschrift wird 50 Jahre alt. Das ist des Nachdenkens wert, vor allem wenn es sich um ein Publikationsorgan handelt, dessen Gegenstand eine Disziplin ist, die seit ihren Anfängen um ein klares Profil ringt, die Medienpädagogik. Seit den 50er Jahren müht sich die Medienpädagogik mit einem immer dynamischer werdenden Medienmarkt Schritt zu halten und dessen Offerten pädagogisch und mit wissenschaftlicher Fundierung zu reflektieren, und zwar nicht nur reaktiv, sondern vorausschauend und vor allem unter Zugrundelegung der Sichtweisen, die Heranwachsende auf die Medienwelt haben. Ihre Möglichkeiten dazu hängen in starkem Maße von ökonomischen Bedingungen und gesellschaftspolitischen Strömungen ab, die nur zu oft Standort- und Profiterwägungen über pädagogische Notwendigkeiten setzen. Die Reparatur unliebsamer Folgeerscheinungen der Medienentwicklung wurde und wird der Medienpädagogik gern zugewiesen, die kritische Reflexion und Vorausschau weniger.
Der Name ist Programm
merz hat die Medienpädagogik seit ihren Anfängen begleitet. Hervorgegangen aus den Mitteilungen, die der Arbeitskreis Jugend und Film e. V. schon Anfang der 50er Jahren herausgab, erschien 1957 erstmals die Zeitschrift „Jugend und Film“ mit dem Untertitel „Vierteljahres-schrift des Wissenschaftlichen Instituts für Jugendfilmfragen“, einem Vorgänger des heutigen „JFF“. Bereits ein Jahr später wurde die Zeitschrift umbenannt in „Jugend Film Fernsehen“, womit dem neuen Medium Fernsehen Tribut gezollt wurde. Seit 1976 trägt sie den Titel „medien + erziehung | merz“ und erscheint sechsmal im Jahr. Seit 1999 gibt es merz zusätzlich online.Mit dem Titel „medien + erziehung“ wurde gleichfalls der Entwicklung der Medienwelt Rechnung getragen, zugleich aber der veränderten Bedeutung der Medien im individuellen und gesellschaftlichen Leben. Denn Medien sind längst nicht mehr nur wie das Kino als gelegentliche Freizeitvergnügungen zu betrachten.
Sie sind bestimmende Faktoren des Alltags, haben Funktionen als Informanten, Meinungsbildner, Werte- und Orientierungsquellen und sind Instrumente der Wissensvermittlung. Die wissenschaftliche und pädagogische Fixierung auf die negativen Wirkungen der Botschaften der Vergnügungsmedien wird aufgeweicht. Schulfernsehen, programmierte Unterweisung, kompensatorische Vorschulsendungen und Ähnliche rücken bereits in den 60er Jahren die Frage ins Blickfeld, inwiefern der gezielte Einsatz von Medien zur Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen beitragen kann. In den 70er Jahren eröffnen sich zudem ganz neue Möglichkeiten: Der bereits 1932 in Brechts Radiotheorie gesetzte Gedanke, dass das Radio geeignet sei, um aus Konsumenten Produzenten zu machen, ist mit der medientechnischen Entwicklung für auditive und audiovisuelle Medien realisierbar geworden. Videogruppen, Medienzentren, Schülerradios, Piratensender, Bürgerkanäle – die alternative Medienszene bekommt Ende der 70er Jahre Konturen. merz gab dieser Szene Raum, erstmals 1977 mit einer Dokumentation über die „medienoperative berlin e. V.“. Die Medienpädagogik weitet in der Folge ihr Gesichtsfeld von der rezeptiven zur aktiven Medienarbeit. Diese bildet bis heute einen zentralen Schwerpunkt medienpädago-gischer Praxis, mittlerweile erweitert um die Potenziale der digitalen Medientechnik und um multimediale Produktions- und Präsentationsmöglichkeiten. Mit dem produktiven Medien-gebrauch wird die Frage wichtig, inwiefern die Menschen die Medien beeinflussen bzw. sie in Dienst nehmen und so Selbstbestimmung und gesellschaftliche Partizipation gefördert werden können.Wissenschaft und Praxis als Impulsgeber
Neben die klassische Wirkungsfrage, was die Medien mit den Menschen machen, ist seit den 70er Jahren die Frage getreten: Was machen die Menschen mit den Medien? Diese Frage stellt sich im Zuge gesellschaftlicher Veränderungen sowie der technischen und inhaltlichen Weiterentwicklung der Medien jeweils neu. Sie richtet den Blick auf das aktive Subjekt, das sein Medienhandeln eingebunden in seinen Lebenskontext gestaltet. Diese Frage markiert bis heute einen zentralen Fokus medienpädagogischer Forschung und Praxis. Ihre Beantwortung ist Voraussetzung für Medienerziehung, verstanden als Förderung der Möglichkeiten, gewinnbringend mit den Angeboten und Ressourcen der Medienwelt umzugehen und die Medien kompetent in die eigenen Lebensvollzüge zu integrieren. Das Konzept der Medienkompetenz als ein Bestandteil von Kommunikativer Kompetenz, wie Dieter Baacke es 1973 in die Diskussion eingebracht hat, markiert bis heute die Zielsetzung medienpädagogischer Praxis.
Die Reflexion, Konkretisierung und praktische Umsetzung dieses Ziels hat in merz einen festen Platz. Die theoretische Auseinandersetzung angesichts neuer Entwicklungen auf Seiten der Medien oder veränderter Lebensbedingungen auf Seiten der Adressatengruppen gehört dazu, ebenso wie die Darstellung und Reflexion medienpädagogischer Praxismodelle, deren Spektrum das verfügbare Medienensemble und alle Zielgruppen pädagogischen Handelns umfasst und schließlich die Information über die Entwicklungen und Angebote in den verschiedenen Sektoren der Medienwelt. Zu Film, Fernsehen und Hörfunk haben sich Computer und Internet, Computerspiele und Edutainmentangebote gesellt und vorausschauend werden neue Entwicklungen aufgegriffen, wie etwa aktuell die Bestrebungen mediale Kommunikation und Vergnügungen mobil zu machen.Auf der wissenschaftlichen Seite erfordert die Beantwortung der Frage, was machen die Menschen mit den Medien, neben der Analyse von Medienangeboten, der Aufklärung der subjektiven Medienaneignungsprozesse zentrales Gewicht zu geben, von der Wahl der Medien, über die Nutzung, Wahrnehmung und Bewertung ihrer Angebote, bis hin zur Integration in die eigenen Lebensvollzüge. Die Klärung dieser Prozesse ist ein Schwerpunkt medienpädagogischer Forschung.
In besonderer Weise wird er durch Ansätze realisiert und vorangetrieben, die die subjektiven Wahrnehmungs- und Handlungsstrukturen von Kindern und Jugendlichen in ihren Lebenskontexten aufdecken und so fundierte Grundlagen für medienpädagogisches Handeln schaffen. merz hat über die Jahre theoretischen, analytischen und empirischen Beiträgen aus der Medienforschung ausführlich Raum gegeben. Seit 2003 ist eine Nummer pro Jahr ausschließlich einem wissenschaftlichen Thema vorbehalten und die hier veröffentlichten Beiträge müssen ein Gutachterverfahren durchlaufen. Mit merzWissenschaft hat nunmehr auch der wissenschaftliche Zweig der Medienpädagogik ein eigenes Forum.Die Aufgabe ist die Förderung des medienpädagogischen Diskurses
„medien + erziehung“ – dieser Titel greift immer noch für die pädagogisch motivierte Ausei-nandersetzung mit theoretischen und praktischen Phänomenen der Medienwelt und deren Aneignung durch heranwachsende und erwachsene Menschen, die für merz im Zentrum stand und steht. 50 Jahre merz, das sind 50 Jahre Medienpädagogik. Den mit Medienpädagogik verbundenen Arbeiten Aufmerksamkeit zu verschaffen, war das erklärte Ziel bei der Gründung der Zeitschrift, als Medienpädagogik noch Filmpädagogik war. Im Vorwort zur ersten Ausgabe wird darauf verwiesen: „Die Herausgabe der Vierteljahreszeitschrift soll die fruchtbare Verbindung von Theorie und Praxis, besonders auch den Gedankenaustausch zwischen allen daran (an der Jugendfilmarbeit) Interessierten weiter fördern und vertiefen.“ Der Medienpädagogik, relevanten Themen, wissenschaftlichen Befunden, praktischen Ansätzen und theoretischen Positionen Raum zu geben und eine breit gefächerte fachliche und öffentliche Debatte darüber anzuregen, ist bis heute das erklärte Ziel von merz. An den Inhalten, die merz in den letzten 50 Jahren, in 261 Ausgaben thematisiert hat, lässt sich ein guter Teil der Geschichte der Medienpädagogik ablesen. Unverkennbar ist natürlich der Einfluss derjenigen, die die Zeitschrift über die Jahre verantwortet haben. Ihre Sichtweisen auf die Medienpädagogik, ihre Haltungen gegenüber theoretischen Positionen, wissenschaftlichen und pädagogischen Ansätzen, ihre Vorlieben für einzelne Medien und Medienereignisse u. Ä. finden ihren Niederschlag in den Schwerpunktsetzungen der vergangenen 50 Jahre. Trotz der individuellen Handschriften, die einer Zeitschrift erst ihr Gesicht geben, sind durchgängige Leitlinien erkennbar. Sie machen den Charakter von merz aus: merz bietet ein Forum für Theorie, Forschung und Praxis der Medienpädagogik. Damit wird die Ganzheitlichkeit medienpädagogischen Handelns unterstrichen. merz integriert wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen aus einschlägigen Nachbardisziplinen. So wird der interdisziplinäre Charakter der Medienpädagogik betont.merz veröffentlicht internationale Erfahrungen, wissenschaftliche Befunde und praktische Ansätze. Angesichts des globalisierten Medienmarktes wird so auf die Notwendigkeit grenz-überschreitenden Austausches verwiesen. merz initiiert Diskussionen zu aktuellen medienpädagogischen und medienpolitischen Fragen. Dadurch wird der Austausch zwischen der Fachwelt und gesellschaftlichen Verantwortungsträgern angeregt.merz schätzt die Entwicklungen auf dem Medienmarkt unter medienpädagogischen Vorzeichen ein.
Das schafft Orientierung für unterschiedliche pädagogische Handlungsfelder. merz sortiert den medienpädagogisch relevanten Publikationsmarkt über alle Medienträger hinweg. Dadurch wird medienpädagogisch Interessierten die zielgruppen- und gegenstandsadäquate Auswahl erleichtert.In den letzten 50 Jahren hat merz die Medienpädagogik begleitet, hat ihre Strömungen und die relevanter Nachbardisziplinen, die Entwicklungen des Medienmarktes und einschlägige gesellschaftspolitische Veränderungen aufgegriffen und der Reflexion und Diskussion zugänglich gemacht. Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Positionen in der Medienpä-dagogik blieben dabei ebenso wenig aus, wie Versuche politischer Einflussnahme. Zu allen Zeiten gehörte der Umgang mit knappen Ressourcen zum Tagesgeschäft. Denn merz entsteht an einem Institut, das selbst von öffentlichen Zuschüssen lebt. Die Konjunkturen der Medien-pädagogik, ob sie gesellschaftlich hoch angesehen ist oder ein Randdasein führt, haben immer bestimmt, welche Ressourcen das JFF für merz erübrigen konnte. Dass es merz bis heute gibt, ist der Wertschätzung zu danken, die der Zeitschrift vom gesamten Institut entgegengebracht wird und dem Engagement, dieses Publikationsorgan der Medienpädagogik finanziell zu sichern und ideell zu unterstützen.
Als diejenigen, die merz aktuell verantworten und auch die Geschicke des JFF leiten, hoffen und wünschen wir, dass diese Haltung auch in Zukunft trägt. Die entscheidende Antriebskraft ist die Leserschaft von merz, deren Rückmeldungen uns immer wieder bestätigen, dass sich die Anstrengungen lohnen. Mit diesem Rückhalt und mit der tatkräftigen Unterstützung einer breit gefächerten und ausgewiesenen Autorenschaft sowie dem engagierten Redaktionsteam sollte es gelingen, dass merz auch künftig die Medienpädagogik in all ihren Handlungsfeldern begleitet, umfassend, kritisch reflektierend, mit Weit-blick, mit dem Anspruch, Orientierung zu geben und mit dem Bestreben, in die Gesellschaft hineinreichende Debatten anzuzetteln.Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Helga Theunert, Bernd Schorb
Beitrag als PDFEinzelansichtWolfgang Brudny: Aus der "Vor-merz-Zeit"
Bevor merz erstmals 1957 unter dem Namen „Jugend und Film“ als Vierteljahresschrift des Wissenschaftlichen Instituts für Jugendfilmfragen erschien, waren schon einige Jahre vergangen, in denen mit den „Mitteilungen des Arbeitskreises Jugend und Film“ erste Versuche mit einer regelmäßigen medienpädagogischen – damals noch eher filmpädagogischen – Publikation gemacht wurden. Schon damals war es ein Anliegen der Verantwortlichen, ein möglichst breites Spektrum an Aktivitäten aus Forschung und Praxis vorzustellen.
(merz 2006-05, S. 11-13)
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Wolfgang Brudny
Beitrag als PDFEinzelansichtHans-Dieter Kübler: Die „blaue Blume“ der Medienpädagogik – sie blühte anfangs eher unscheinbar
Als merz vor 50 Jahren aus der Taufe gehoben wurde, steckte auch die Medienpädagogik noch in den Kinderschuhen. Von Anfang an war es das Bestreben von merz, die Entwicklung dieser jungen Disziplin aufmerksam und kritisch zu begleiten.
(merz 2006-05, S. 14-21)
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Hans-Dieter Kübler
Beitrag als PDFEinzelansichtIngrid Paus-Hasebrink: Medienpädagogische Forschung braucht gesellschaftskritischen Handlungsbezug
Kommunikative Kompetenz ist eine der Schlüsselkompetenzen unserer Zeit und ihre Förderung eine zentrale medienpädagogische Aufgabe. Um dieser eine tragfähige Basis zu schaffen, ist verantwortliche medienpädagogische Forschung dringend notwendig.
(merz 2006-05, S. 22-28)
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Ingrid Paus-Hasebrink
Beitrag als PDFEinzelansichtHorst Niesyto: Medienpädagogische Forschung auf der Grundlage handlungsorientierter Medienarbeit
Kinder und Jugendliche sind in der Lage, mit Medien zu gestalten und zu kommunizieren. Sie haben damit neben der Sprache ein weiteres Ausdrucksmittel. Lange Zeit zögerte die medienpädagogische Forschung, mediale Eigenproduktionen von Heranwachsenden in ihre Untersuchungen miteinzubeziehen. Mittlerweile wird der Wert dieser Medienproduktionen erkannt und produktive Elemente werden gezielt eingesetzt.
(merz 2006-05, S. 29-37)
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Horst Niesyto
Beitrag als PDFEinzelansichtFred Schell: Handlungsorientierte medienpädagogische Praxis
Seit ihrem Aufkommen ist die medienpädagogische praktische Arbeit mit Heranwachsenden verschiedenen Schulen gefolgt. In den 80er Jahren orientiert sie sich an handlungsorientierten pädagogischen Prämissen. Sie hat sich in unterschiedlichen Ausprägungsformen vor allem in der außerschulischen Jugendbildung etabliert.
(merz 2006-05, S. 38-47)
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Fred Schell
Beitrag als PDFEinzelansichtGerhard Tulodziecki: Schulische Medienpädagogik – von den 1950er Jahren bis heute
Medien haben im Alltag von Kindern und Jugendlichen einen hohen Stellenwert. Ein sinnvoller Medienumgang muss gelernt werden. Vor diesem Hintergrund müssen Medien auch in der Schule ihren Platz haben – zur Unterstützung des Unterrichts wie auch als Bildungsinhalt.
(merz 2006-05, S. 49-56)
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Gerhard Tulodziecki
Beitrag als PDFEinzelansichtJan U. Hense und Heinz Mandl: 50 Jahre Bildungstechnologie aus lehr-lern-theoretischer Sicht
Parallel zur technischen Weiterentwicklung wird beständig versucht, die neue Technik für didaktische Zwecke nutzbar zu machen, beispielsweise in Form von medialen Lernangeboten. Viele innovative Anwendungen haben sich in der Praxis bewährt, von einem Gutteil hat man aber bald nichts mehr gehört. Auch die Lehr-Lern-Forschung hat zu jeder Zeit die jeweils verfügbaren Technologien für ihre Zwecke genutzt.
(merz 2006-05, S. 57-65)
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Heinz Mandl, Jan Ulrich Hense
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medienreport
Hans-Dieter Kübler: Die alltägliche Widerständigkeit des Abbildes
„Faktizitätsmaschine“Seit die Bilder technisch reproduziert werden können, also mit dem Aufkommen, vor allem mit der raschen Verbreitung und gesellschaftlichen Diffusion der Fotografie seit Mitte des 19. Jahrhunderts, vollends seit die Bilder gegen Ende jenes Jahrhunderts dynamisiert wurden, mithin ‚das Laufen lernten’ und damit eine Produktionsindustrie und Präsentationsmaschinerie für visuelle Kultur (als Film und Kino) ohnegleichen hervorbrachten, räsonieren Kulturkritik und Medienphilosophie über die Vorstellungen und Begrifflichkeiten von Realität, zugespitzt in der überkommenen, aber bis heute prekären Dualität von Bild und Abbild. Denn seit jeher schuf Kunst das imaginierte und gestaltete Bild von Wirklichkeit, gebunden an die verfügbaren Materialien und kontextuiert von jeweils geltenden Normen und Stilen. Mit der Fotografie stand erstmals eine mechanisch-chemische Technologie zur unmittelbaren, weitgehend authentischen Abbildung vorfindlicher Realität zur Verfügung, auf die sich bereits viele Zeitgenossen kaprizierten: Als „Faktizitätsmaschine“ bezeichnete sie etwa William Fox Talbot, einer der Fotopioniere, der 1835 eine erste Salzpapierkopie erstellte; aber auch noch über 80 Jahre spä-ter konnte der Soziologe und Filmkritiker Siegfried Kracauer in ihr nicht mehr als eine „kahle Selbstanzeige der Raum- und Zeitbestände“ erkennen.
Und in der Tat: Weit präziser und direkter als jede naturalistische Malerei und auch als die Techniken der früheren Druckreproduktion wie Kupferstich, Holzdruck und Lithografie in der Presse wurde die Fotografie nun als faszinierende Technik zur Entdeckung und Reproduktion vielfältiger, bis dahin kaum erfasster Wirklichkeiten eingesetzt, erst recht als sie seit Ende des Jahrhunderts mit der Autotypie unmittelbar auf Papier gedruckt und damit publizistisch verbreitet werden konnte. Sie befreite zunächst die Malerei von ihrer vielfach nachgefragten Abbildfunktion, insbesondere hinsichtlich persönlicher Porträts, und befriedigte sodann die wachsende naturwissenschaftliche Neugier sowie die sich verbreitenden positivistischen Registrierbestrebungen, wiewohl sie selbst niemals nur pures Abbild, sondern – wie auch immer – subjektiv wie technisch gestaltete Nachbildung ist: Neben der bald boomenden Porträtfotografie ist es vor allem die Reise-, aber auch die medizinische und polizeiliche Fotografie, die auf je spezielle Weise in alle Poren der Wirklichkeit eindrang, sie vor allem dokumentierte und damit kollektive Vorstellungen von bis dato unbekannten Welten popularisierte. Nicht zu vergessen die florierende Aktfotografie, die namentlich dem so genannten kleinen Mann den nackten weiblichen Körper zumal auch in anzüglichen Posen offenbarte und ihn zur sexuellen Stimulation anbot. Das eigene Ich bis hin zur Anatomie, auch das fremde ebenso faszinierende wie unheimliche Ich und entfernte Wirklichkeiten waren nun plastisch anzuschauen und bis in ihre letzten Geheimnisse auszukundschaften – kein Wunder, dass man die Bilder buchstäblich für bare Münze hielt. Neues SehenWohl nur in der philosophischen, kulturkritischen Theorie wurden für die Fotografie (und später auch für den Film) zudem neue Dimensionen von Sinnlichkeit, Sinnerweiterung und Weltwahrnehmung postuliert, wie es etwa Walter Benjamin in seiner „Kleinen Geschichte der Photographie“ (1931) und später Roland Barthes in „Die Fotografie als Botschaft“ (1961) und in anderen Essays taten. Zwar kommt aus der Sicht Benjamins dem fotografischen Abbild, da es massenhaft reproduzierbar, also nicht mehr einmalig und flüchtig ist, nicht mehr die Aura des (gemalten) Bildes – jenes „sonderbare Gespinst von Raum und Zeit: einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag“ – zu, aber zugleich erzeugt wie repräsentiert sie – zumal in Form der gezielt gestalteten Montage – eine neue Form des Sehens, adäquat für das widersprüchliche Industrie- und Massenzeitalter; sie ist gewissermaßen die mediale Option für eine sich potenziell de-mokratisierende Wahrnehmung, um die noch nicht politisch bewussten Betrachter mit „Chocks“ auf die Antagonismen der sich brachial entwickelnden, kapitalistischen Gesellschaft hinzuweisen.Doch solch politische, wenn nicht utopische Funktionszuweisungen gehen in der weiteren Debatte zusehends verloren, wofür etliche Faktoren nicht nur die massenhafte Verbreitung und Veralltäglichung der Fotografie, vielmehr gewiss auch politische Demontagen und das Versiegen gesellschaftlicher Utopien verantwortlich sind. Wie bei allen anderen visuellen, und erst recht inzwischen bei den digitalen Medien obsiegt nun zunehmend die (zirkuläre) Situierung der reproduzierten Bilder in abstrakten, realitätsentkeimten Referenzsystemen. So spricht der Semiotiker Barthes der Fotografie in den 1960er Jahren jedwede originäre Semantik ab und kennzeichnet sie als platt und banal, weshalb sie nur durch Sprache Bedeutung erlange; sie sei ein Instrument, das „sich über die Realität im Imaginären“ vergewissert, ge- wissermaßen „das lebendige Bild von etwas Totem“. Allein das Subjekt verleihe ihr mit seiner Sprachmächtigkeit Sinn, und zwar – erwartungsgemäß – dann einen jeweils individuell unterschiedlichen.Welt als ScheinLängst haben solch pauschale Negationen Konjunktur, ob als radikal-konstruktivistische oder als poststrukturalistische: Da Realität von der menschlichen Wahrnehmung prinzipiell nicht erkennbar sei, sondern jeweils nur als Konstrukt subjektiver Wahrnehmung, postulieren Konstruktivisten jeglicher Couleur, erübrige es sich, noch länger über die Beschaffenheit und Erkennbarkeit von Realität zu spekulieren.
Ohne-dies böten Medien eine Fülle und Vielzahl von (re-)konstruierten oder auch fungierten Wirklichkeiten, die es wert seien, aber es auch herausfordern, sich mit ihnen auseinander zu setzen, ohne nach ihrer vermeintlichen Realitätsreferenz zu fragen. Doch solch erklärte Ignoranz gegenüber der Realität klärt letztlich nicht einmal das agnostische Problem, wie selbst Konstruktivisten einräumen müssen: Wenn nämlich Realität unerkennbar ist, wie soll dann erkennbar sein, dass sie nicht zu erkennen ist?Diverse Simulacren, so genannte „wirklichkeitsmächtige Kulturmuster, mit denen die soziale Welt semantisch beschrieben und vorgestellt wird“ – erkennt der französische Philosoph Jean Baudrillard in verschiedenen Stadien der Kultur- und Mediengeschichte – nämlich das der Ordnung, der Imitation und der Simulation: Die heutige Medienwelt gilt ihm als bloße Simulation, in der die allmächtigen (medialen) Zeichen ein eigenständiges, tendenziell universales Sondersystem bilden, das auf keine Realität, sondern nur noch auf sich selbst verweist. Die objektive Realität, die realen Ereignisse und Dinge lösen sich gewissermaßen aus ihren materialen Gegebenheiten, denn in die Dinge schlüpfen die konfektionierten Bilder, so dass sie sich nicht mehr voneinander trennen lassen: Abbild und Objekt wird quasi eins und obendrein Bild, weil sich die medialen Reproduktionsmechanismen nicht mehr durchschauen lassen, zumindest nicht vom Laien – wie prototypisch CNN im Golfkrieg 1991, immer noch das symptomatische Beispiel für die tendenzielle Totalität der Medienwelt, vorexerziert hat.Wahrheit der BilderDoch woran hält sich dann der sprichwörtliche Laie bei seiner alltäglichen Welterkundung, Information und Orientierung – wenn selbst Theorien für Nachrichten die kopernikanische Wende ihrer Bewertung fordern, wonach auch die Nachrichten primär ihrer Eigenlogik und Autoreferenzialität gehorchen und die Realität allenfalls gefiltert, gestaltet oder gänzlich verzerrt durchlassen? „Lügen Bilder [nach wie vor] nicht“, wie er sich noch gern einredet, oder repräsentieren sie längst eigene, eben technische oder intendierte ‚Wahrheiten’? Selten klaffen alltägliche Annahmen und Erfahrungen gegenüber theoretischen Visionen so weit auseinander. Denn wenn wir auch um die Gemachtheit, womöglich sogar um die Tendenz von Bildern wissen (oder uns sie umstandslos bewusst machen können), wenn wir selbst sogar Lust und Kompetenz haben, sie entsprechend zu gestalten oder gar zu manipulieren, wie es inzwischen die digitale Fotografie und Bildbearbeitungsprogramme ermöglichen – im einzelnen Bild erkennen wir noch immer das Abbild, seine mindestens partielle Referenz zur Realität. Anders hätten Fotografien für eine Biografie, die Familie und Verwandtschaft, für Feiern und wichtige Anlässe, anders hätten ambitionierte Aufnahmen wie spontane Schnappschüsse vom Urlaub und von Reisen, wo immer noch die meisten Fotos geschossen werden, keinen wirklichen, nämlich realitätsbewahrenden Sinn.
Wir wollen festhalten, wie wir, unsere Umgebungen etc. früher gewesen sind, wie es anderswo aussieht, wo wir waren. Natürlich spielen auch Stimmungen, Emotionen, besondere Blickwinkel mit hinein, und wenn die meist laienhafte Fotografie davon etwas bewahrt und übermittelt, ist es ein glücklicher Umstand. Meist tut sie es für Außenstehende nicht, weshalb es für diese bekanntlich wenig Langweiligeres gibt, als einen Dia- oder Videoabend über die letzte Ferienreise goutieren zu müssen.
Womöglich trägt sogar die inzwischen weit verbreitete digitale Fotografie entgegen ihren technischen Potenzialen erneut zur Stärkung des Abbild-Denkens bei. Denn das Display zeigt ja unmittelbar den Realitätsausschnitt, der dokumentiert werden soll, gewissermaßen so, wie er sich auch dem Auge darbietet, in einer Eins-zu-Eins-Relation. Und da die fotografischen Aufnahme-, genauer Produktionsmechanismen wie Belichtung, Kamerawinkel, Perspektive von der Kamera weithin automatisch erledigt werden, könnte sich solche Abbildsuggestion noch erhärten, nicht zuletzt weil man die vorfindliche Realität in unendlich vielen Fotos festhält. Allein die Auswahl danach, am häuslichen Computer, suggeriert, Herr und Macher über die Abbilder zu sein, vollends dann, wenn sie nachbearbeitet werden und nun sukzessive zu persönlichen Bildern werden. Aber wer tut dies und zudem bewusst?
Öffentliche Bilderflut
Auch die professionelle Bildproduktion fasziniert und verführt lieber mit brillanten Abbildversprechen, als dass sie ihre Gemachtheit oder gar Selbstreferenz betont (wie sie die besagten Theorien unterstellen). Ohnedies überschlagen sich die mächtigen, allgegenwärtigen Bilderfluten in den Medien, so dass das Subjekt sich nur noch mit Mühe und Irritation durchfindet und wohl nur noch die wahrnimmt, zu denen es einen persönlichen Bezug entwickeln und in denen es Referenzen zu seiner Realität entdecken kann. Diese ist natürlich nicht nur materieller, sondern auch gedanklicher, psychischer und emotionaler Natur, weshalb auch Spielfilme und fiktionale Wirklichkeiten und deren jeweiligen visuellen Präsentationen unterschiedlich ‚gelesen’ und auf solche Realitätsverweise hin abgetastet werden. Dies geschieht auch, wenn Filme etwa im Genre der Animation gar keine reale Referenz mehr haben, sondern ausschließlich als bits und bytes im Rechner, als Pixel am Bildschirm generiert werden – wie es Star Wars-Erfinder George Lucas seit den siebziger Jahren in seinen Studios erprobt und mit ihm inzwischen auch Steven Spielberg, James Cameron oder jüngst Robert Zemecki mit Der Polarexpress.
Foto als justiabler Beweis
Doch auch – oder gerade – als polizeiliches oder justiables Indiz lebt das fotografische Abbild fort, und mit den immensen Aufnahme- und Speicherpotenzialen zudem in ständig steigendem Umfang: Ob Videoüberwachung im Kaufhaus oder an öffentlichen, vorgeblich gefährdeten Plätzen, Fotografien bei Pass- und Sicherheitskontrollen, Aufnahmen bei Un- und Schadensfällen und endlich bei Verkehrsüberwachungen – etwa in Form der berüchtigten Starenkästen bei Geschwindigkeitsbegrenzungen: Überall werden Fotos und Videobilder angefertigt, die hernach als untrügliche Beweise für die Präsenz, eine Handlung oder ein Vergehen firmieren. Doch theoretisch-technisch lassen sich all solche Bilder heute problemlos im Computer generieren, sofern die benötigten Daten vorhanden sind, was bei der expandierenden amtlichen Überwachung und Speicherung der Behörden im Zuge vorgeblicher Sicherheitsprävention immer weniger auszuschließen ist. Welche Beweiskraft hat dann noch das berüchtigte, ohnedies meist schlechte, kaum konturierte Foto mit dem Fahrerporträt, mit aufnotierten Zeitangaben und Geschwindigkeitsdaten, das wohl die meisten Autofahrer schon einmal in der Hand hielten? Denkt man die These von der visuellen Autonomie und Selbstbezüglichkeit der reproduzierten Bilder, im systemtheoretischen Jargon Niklas Luhmanns als „Autopoiesis“ bezeichnet, zu Ende, beinhalten sie keine stichhaltigen Referenzen und dürften erst recht keine darauf rekurrierenden Sanktionen rechtfertigen. Denn mit Fotos lässt sich nun einmal kein Realitätsbeweis mehr antreten. Mindestens Polizei und Justiz müssten daher fast sämtliche Entscheidungs- und Strafroutinen einstellen oder zumindest anders legitimieren.
Differenziertere TheorienAn solchen noch vielfach zu multiplizierenden alltäglichen Selbstverständlichkeiten wird offenkundig, dass die totalitären Behauptungen moderner Medientheorie sich übernommen haben, mindestens nicht hinreichend alltägliche Realität berücksichtigen. Sie haben sicherlich zentrale Tendenzen eines potenziell universellen Abkoppelns und Selbstreferierens des Mediensystems ins Visier genommen, seine Eigenlogik und Dynamik aufgezeigt, seine Risiken und Verzerrungen markiert; doch in der Faszination, wo-möglich Selbstsuggestion über den – zugegeben – ungeheuren Sinnesapparat der Medien haben sie das Subjekt weitgehend eskamotiert, selbst wenn es sich partiell selbst täuscht. Aber noch in diesem Tun vermag es – wenn auch partiell – diverse Bedeutungs- und Sinnschichten in der visuellen Bilderflut zu erkennen und sie – we-nigstens rudimentär – mit seiner erfahrbaren und mental verarbeiteten Realität abzugleichen. Die Welt ist ihm nicht nur Simulation, sondern nach wie vor und stets auch buchstäblich begreifbare Realität, die es immer wieder neu wahrzunehmen, zu erforschen, zu dokumentieren, aber auch zu gestalten und zu imaginieren gilt. Da-raufhin die theoretischen Modelle und pauschalen Thesen zu differenzieren ist Aufgabe künftiger theoretischer Arbeit – ohne allerdings in einen platten (Abbild-)Realismus oder gar vermeintlichen Objektivismus zurückzufallen. Wenn „ein Bild immer noch mehr sagt als (1000) Wörter“, so sind in diesem Sprichwort diverse Bedeutungsschichten bereits avisiert: jene abstrakten, die sich in symbolischer Sprache sedimentieren und aus ihr rekonstruiert werden müssen, aber auch jene, die sich unmittelbar, gewissermaßen authentisch dem Betrachter ergeben, die aber er gleichwohl mit seinen Sensorien erschließen und deuten muss.
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Hans-Dieter Kübler
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Grisko: Am Anfang war der Dosenöffner
Waren das noch Zeiten, als man monatlich ei-nen leicht verschmerzbaren GEZ-Beitrag für ein terrestristisch empfangendes und mit der einstelligen Fernbedienung zu kontrollierendes Programm zahlte. Eine Postkarte reichte, um am Gewinnspiel „Tor des Monats“ oder „Galopper des Jahres“ teilzunehmen, ein Anruf mit der Post kostete 20 Pfennige und die Bestellung im Versandhaus war ein zwar gängiger aber noch nicht üblicher Weg des Shoppens – damals noch „Einkauf“. Das waren auch die Zeiten als „Einer wird gewinnen“, „Am laufenden Band“ und „Das heitere Beruferaten“ die maximale Beteiligungsform des Otto-Normalbürgers am Fernsehen darstellte, das noch nicht rund um die Uhr sendete und mit der Nationalhymne oder Bahnfahrten durch deutsche Lande sein Programm beendete. Doch genug des medienarchäologischen, vulgo nostalgischen, Lamentos. Denn es ist viel Zeit vergangen und es hat sich alles geändert. Vergangen sind auch die goldenen Zeiten des werbefinanzierten Privatfernsehens, das als „gesellschaftsverändernde Kraft“ (Bernd Gäbler) angetreten war und dem mitt-lerweile gesamtdeutschen Haushalt eine in Eu-ropa unerreichte Zahl freiempfangbarer Programme bescherte.Dies war die Zeit, die von der europäischen Liberalisierung des Rundfunks begleitet wurde. Aus dem Kulturgut Fernsehen wurde ein Wirtschaftsgut, in dem nunmehr Werbezeiten und -formen reguliert werden mussten – gelegentlich auch noch der Jugendschutz.
Es herrschte Goldgräberstimmung im Dualen Rundfunksystem. Nur wenige Skeptiker warnten vor einer Konvergenz der Programme und vor einer endlichen Steigerung der Werbeeinnahmen. Schließ-lich markierte der Zusammenbruch des Medienmoguls Kirch das Ende dieser Zeit, seit der nun rund um die Uhr gesendet wurde, in der aus drei öffentlich-rechtlichen Sendern fast acht wurden (hinzu kamen die nun auch via Satellit empfangbaren Dritten), in der man sich aussuchen musste, ob man sein Programm durch das Kabel, die Antenne oder denSatellit empfangen wollte und in der CNN, NBC und weitere ausländische Sender zum festen Programmbestandteil wurden. Mit dem Einstieg von Premiere begann zu-dem eine neue Ära. Erstmals wurde es decoderverschlüsselt und bankabbuchungsgesteuert möglich, gezielten Zugriff auf Programmplattformen zu gestatten. Damit wurde ein noch nicht abgeschlossener Prozess in Gang gesetzt: Die zunehmende Digitalisierung der Fernsehvertriebswege wird die Frage des individuellen beziehungsweise regionalen Zugangs via Bezahlung verschärfen. Auf Seiten der Rechteinhaber von Programminhalten wird die technisch mögliche Differenzierung natürlich finanziell begrüßt. Und das betrifft nicht nur die Spielfilmindustrie. Die gerade abgeschlossene Diskussion um die Vertriebswege der Fußball-Bundesliga, sorry, T-Com-Bundesliga, durch das Breitbandinternet, den Bezahlsender Arena und die übliche Nachverwertung in Sportschau und Sportstudio der Öffentlich-Rechtlichen ist da erst der Anfang. Auch das gerade zur WM angelaufene Handy-TV, dem von den Wirtschaftsanalysten astronomische Zuwachsraten vorausgesagt werden, bildet eine weitere willkommene Einnahmequelle.
Die Kosten können nur durch entsprechende Gebühren oder Werbung refinanziert werden. Doch zurück in die nahe zurückliegende Vergangenheit.Die knapp 20 Jahre seit Anfang der 80er Jahre bewirkten einen nachhaltigen Lerneffekt. Der Zuschauer wurde auf die schöne neue Fernsehwelt vorbereitet, die mit der einstmaligen Programmorientierung wenig zu tun hatte: Seit 1979 hatte er gelernt, was ein TED (unidirektionales Kommunikationsverfahren mit dem Telefon als Rückkanal, kurz: Tele-Dialog) ist und konnte so an ersten Abstimmungen teilnehmen (auch wenn das bei „Wetten dass?“ immer etwas seltsam anmutete), er hatte die erste Bekanntschaft mit Dauerwerbesendungen à la „Der Preis ist heiß“, „Glücksrad“ und „Geh auf’s Ganze“ gemacht, er war vielleicht auch schon den Versuchungen erlegen eine jener geifernden 0190er-Nummern anzurufen, die von halbbekleideten Damen angepriesen wurden und viel-leicht hatte man auch schon mal einen sündhaft teuren Faxabruf gestartet oder dieses Haushaltsgeräteset gekauft, das auf einem der schlecht synchronisierten amerikanischen Homeshopping-Sender angeboten wurde. Der Konsument war vorbereitet, die Entwicklung dieser zunehmenden Kommerzialisierung des Rundfunks, nämlich die Verschiebung vom Fernsehen als Lagerfeuer der Gesellschaft zum Fernsehen als point of sale kam nicht über Nacht. Aus dem Fenster zur Welt, wurde so das Warenschaufenster der Welt.Heute begegnet uns die anhaltende neo-liberale Kommerzialisierung der Gesellschaft auch im Fernsehen mit einer alle Distributionswege, Sender, Programmformen und -inhalte durchdringenden Kraft. Fernsehproduzenten und die Werbewirtschaft ziehen an einem Strang und können sich immer weniger der alles verändernden Macht des ökonomischen Denkens entziehen.
Der Zuschauer wird in dieser Logik zum Konsumenten, was zählt ist Massenpublikum, die Quote. Und auch die PR-Industrie hat ihre Hausaufgaben gemacht, ihre Methoden verfeinert. Was einstmals mit Werbefernsehen zuguns-ten kultureller Projekte im Bayerischen Rundfunk seinen Anfang nahm, versteckt sich heute in Rat-gebersendungen à la „Volle Kanne“ (ZDF), einst-mals auch als Schleichwerbung im „Marienhof“ oder „Tatort“ (ARD), vor kurzem auch als gekaufter Musikjingle bei der „Sportschau“ (ARD). Und auch bei der dauerhaften Präsenz der AVD-Experten in allen Sendungen von SAT.1 nicht an Schleichwerbung zu denken fällt schwer. Gleichzeitig wurden bei allen Sendern die sogenannten Sonderwerbeformen entdeckt und professionell zur veritablen Cash-Cow ausgebildet. Sponsorenhinweise vor einzelnen Programmteilen oder Sendereihen, Splitscreens im Abspann und während der Sendung sind nur die deutlichsten Ver-änderungen. Die privaten Sender haben konsequent ihre von den Senderhomepages abgeleiteten Onlineshops ausgebaut, setzen konsequent auf Merchandising und Crosspromotion. Sicherlich auch ein Grund, warum die Online-Angebote der Öffentlich-Rechtlichen so aggressiv bekämpft werden. Hinzu kommt die inflationär gestiegene Anzahl der Gewinnspiele. Ein doppelt bezahltes Programm. Denn es ist nicht nur billig produzierte Werbezeit für die jeweiligen Sponsoren der Preise, sondern wird vom Zuschauer durch die Teilnahme refinanziert. Ob per SMS oder Telefon, die neue Technik macht es möglich, dass der Sender mitverdient.
Denn von den 49 Cent des Anrufs/der SMS bleibt ein großer Teil direkt beim Veranstalter hängen. Die Postadresse hat ausgedient, wird nur noch verschämt am Schluss eingeblendet. Sendezeit wird so zur Werbezeit für den eigenen Verdienst. Am konsequentesten hat diese Idee der Sender „9Live“ zum schwarze Zahlen produzierenden und an die ProsiebenSat1-Gruppe verkauften Programm gemacht. Nach dem Versuch als Frauen- bzw. UEFA-Cup-Sender zu reüssieren, war es Christiane zu Salm, die den Sender kon-sequent umbaute. „Transaktionsfernsehen“ nennen sie nun diese „grenzdebilen Telefon-Ratespiele“ (Christian Imminger). Man könnte es auch Schrei-TV nennen: „Erkenne den Fehler im rechten Bild!“, „Welches Wort, welches Schlangenwort, welches Wort mit dem Anfang ‚Sport-’ suchen wir?“ Günstig produziert, brüllen die Moderatoren ins Fernsehen: „Rufen Sie an“, „Hotbutton-Runde“, „Eine Millionen Gewinne im Monat garantiert“ und dabei kommt es nur da-rauf an, das Spiel solange hinzuziehen, bis die nicht durchgestellten anrufenden Zuschauer – getröstet durch eine elektronische Stimme – die Sendeminuten refinanziert haben. Ein Konzept, das sich neben den immer noch gern gesendeten Erotikauskunftsnummern und Singledatings per SMS auch in den Abendstunden anderer Sender durchgesetzt hat – hier wie bei 9Live dann auch mal gerne in der Tutti-Frutti-Variante mit halbnackten Moderatorinnen, die sich nach und nach ausziehen. Von den 49 Cent pro Anruf verbleiben nach Branchenkreisen circa 30 Cent im Sender, der seit 2002 schwarze Zahlen schreibt und für 2005 einen Gewinn von 8,8 Millionen (25,8 Millionen Umsatz) eingefahren hat. Wichtig ist für den Sender die Kundenbindung, die über ein neues Clubsystem garantiert werden soll. Dass aus diesen Clubmitgliedern wieder Anrufer und Kunden anderer Produkte gemacht werden sollen, liegt auf der Hand. Parallel zu dieser ökonomischen Erfolgsgeschichte musste der Sender jedoch einige Prozesse ob der Fragwürdigkeit seiner Gewinnspielpraktiken führen.
Scheinbar löst dieses Verfahren auf spielerischem Wege die alte Forderung einer demokratischen und barrierefreien Partizipation an einem populären Medium. Aber tatsächlich sind auch die SMS-Grüße auf MTV keine Form der Partizipation. Es gibt keinen Einfluss, die Regeln machen die Sender zugunsten ihrer Aktionäre und ihrer Bilanz, der Zuschauer ist nur Mittel zum Zweck. MTV ist noch in anderer Hinsicht bemerkenswert. Mittlerweile wird das Programm von aggressiver Klingeltonwerbung unterbrochen. Diese sind eine radikal modernisierte und im Gedanken des Medienwechsels vom Clip zum Klingelton als Werbeträger – wobei sich mitt-lerweile die Frage stellt, ob die Musik nicht Wer-bung für die Klingeltöne ist – Fortschreibung des Musikwerbesenders alter Zeiten.Ebenfalls als fester Programmbestandteil hat sich das Homeshopping etabliert. Ob als Spartenvariante (Sonnenklar TV) oder Vollwarenhaus mehr als 5,4 Millionen kaufen schon regelmäßig im Fernsehen ein. Es sind vorwiegend Frauen über 40, die 2005 für etwa eine Milliarde Euro einkauften. Mikrofaser-Bettwäsche und Handtücher, Diamonique-Schmuck, Slinky-Blusen und Hosen in allen gängigen Altersfarben wandern via Bildschirm zum Verkäufer. Die Branchenriesen sind QVC (Düsseldorf), Home-Shopping-Europe 24 (HSE 24, Ismaning, gegründet 1995 unter dem Namen „Hot“) und der RTL-Shop. So sendet HSE 24 Stunden Programm, zwei Drittel davon live, in einer Stunde werden knapp zehn Produkte vorgestellt, teilweise Eigenmarken. Am Tag werden circa 22.000 Anrufe entgegengenommen und 21.000 Päckchen verschickt. Das ideale Produkt kostet zwischen 20 und 100 Euro, soll eine gewisse Exklusivität mitbringen und muss natürlich im Fernsehen vorgeführt werden können.
Auch hier ist der Live-Charakter wichtig. Nicht nur, dass immer wieder Kundinnen, die sich meist als langjährige Einkäuferinnen outen („Ich habe alle Handtücher in jeder Farbe“), zur Identifikation und Kundenbindung in die Sendung durchgestellt werden, auch der Verkauf kann so gezielt gesteuert werden. Läuft das Produkt im Call-Center gut, bleibt es etwas länger auf Sendung, läuft es schlechter, kommt es zu einem späteren Zeitpunkt wieder, denn die mit Abstand absatzstärksten Zeiten sind die Prä-sentationszeiten On-Air. Eine neue Form, das Homeshopping als Auktion präsentiert der Sender „1-2-3.tv“. Bei einem Produktionspreis von 7,50 Euro in der Minute und einer vollständig outgesourcten Dienstleistungskette verkauft der Münchner Sender Restposten, Konkursware, als „Chronografen“ getarnte Uhren (bei denen ich versteckte Werbung für die jeweilige ‚Marke’ vermute) und sonstige limitierte ‚Schnäppchen’ innerhalb eines bestimmten Zeitraums per Telefoneingabe (und verdient vermutlich schon an dem überteuerten Anruf von 24 Cent) und dem Internet. Es gibt jeweils nur eine begrenzte An-zahl und nach dem Ende des Zeitraums bezahlen alle den Preis des niedrigsten Gebots. Bei der anderen Variant sinkt der Preis stetig, der letzte einsteigende Telefonbieter bestimmt den Preis.Dass das Programm am Anfang nur Feigenblatt für die Werbung war (Soap-Operas) ist mithin ein Gemeinplatz in der Rundfunkgeschichte, dass eine im Radio verkaufte Ladung Dosenöffner als Bezahlung für Werbezeiten in Amerika der Beginn des heutigen Homeshoppings war, lässt uns wenig erstaunen. Die digitale Technik und der ökonomische Druck sind der Motor eines laufenden Umbaus einer nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland ge-borenen Rundfunkidee: Fernsehen als demokratisches Medium der Aufklärung, der verbindenden Unterhaltung.
Gleichzeitig zu den gestiegenen Zugangskosten, die aus dem vermeintlichen Free-TV auch ein – wenn auch besseres – Pay-TV machen, findet eine zunehmende auch durch Geld vorangetriebene Ausdifferenzierung der Angebote und zunehmende Segmentierung in Premium- und Basisangebote statt, wobei die Tendenz Programme nur als Transportmedium für eine weitere Ökonomisierung zu verwenden dadurch nur in Teilbereichen aufgehalten wird, vielleicht nur subtiler wird. Die Veränderungen vollziehen sich schleichend, in allen Bereichen und greifen ineinander. Und die Diskussion da-rüber, welches Fernsehen die Gesellschaft in der Gegenwart und Zukunft will, wird zunehmend von den PR-Agenturen und vom Marketing und den Controllern der Sender geführt. Das tut dem Medium und letztlich auch unserer Gesellschaft nicht gut.
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Michael Grisko
Beitrag als PDFEinzelansichtFranz Szekeres: Der Filmklub mit dem magischen Namen – nur für Kinder
Man kann sich die Zauberlaterne, den Filmklub für Kinder im Alter von sechs bis zwölf fast überall vorstellen, im Multiplexkino mit 400 Plätzen oder im wieder belebten Landkino mit 60 Plätzen. Das Konzept ist skalierbar, aber ein richtiges Kino – ein Originalschauplatz gewissermaßen – muss es schon sein. Das hat seit 1992 für 68 Klubs in drei der vier Sprachregionen der Schweiz mit rund 25 000 Mitgliedern geführt. Und die Erfolgsgeschichte schreibt sich fort. Filmsprache ist schließlich Weltsprache und so sind nach und nach Klubs in Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien, Rumänien, England, Marokko und dem Senegal entstanden. Dabei ist hier kein globalisierungsgeiler Großkonzern an der Arbeit sondern gerade mal zwei Handvoll Mitdenkerinnen und Mitdenker, die mit den Filmenthusiasten Francine Pickel und Vincent Adatte, die den Filmklub gegründet haben, im Büro des Dachvereins in Neuchâtel (Neuenburg) in der französischsprachigen Schweiz sitzen. Auch Frédéric Maire, seit kurzem Direktor des Filmfestivals Locarno, ist strategisch noch an Bord und der Zeichner Yves Nussbaum („Noyau“) sorgt für das unverkennbare Erscheinungsbild. Dieses drückt die Absicht der Zauberlaternen-Macherinnen und -macher aus, sich auch an anspruchsvolle Kost heranzuwagen und trotzdem durch Vielschichtigkeit und Lustbetontheit fast jeden zu erreichen.
Den Klubausweis für neun Vorstellungen einschließlich der zu jedem Film erscheinenden Klubzeitung gibt’s (in der Schweiz) für familienfreundliche 20 Euro. Natürlich bedeutet das für die veranstaltenden Klubs zuweilen eine Herausforderung bei der Mittelbeschaffung. Ohne Zuwendungen von Seiten der Kommunen und Kantone, Stiftungen und Sponsoren aus der Privatwirtschaft und ohne viel ehrenamtliches Engagement geht das nicht. Schließlich wird ja auch was geboten bei den Vorstellungen: Ein zweiköpfiges Moderatorengespann und ein Schauspieler gestalten die 20 Minuten vor dem Filmstart, verkürzen die Wartezeit und vermitteln den Klubmitgliedern spielerisch unaufdringlich aber nachhaltig das ABC des Films.
Trotz viel ehrenamtlicher Arbeit ist die Zauberlaterne ein leichtfüßiges, aber aufwändiges Konzept. Jeder Klub finanziert sich zwar weitgehend selbst, ist aber auch Mitglied der Association La Lanterne Magique, dem erwähnten Dachverein, der die Solidarität zwischen gut situierten und mausarmen Klubs gewährleistet. Der Dachverein sorgt auch dafür, dass die Klubs Inhalte von hoher Qualität bekommen. Das beginnt bei der Filmauswahl: Ein Kanon von gegen hundert Filmen wurde in den Jahren seit der Gründung der Association 1992 erarbeitet. Bevor ein Film ins Programm aufgenommen werden kann, müssen Filmrechte abgeklärt, muss die Verfügbarkeit spielbarer 35 mm-Kopien in der entsprechenden Sprachversion sichergestellt werden.
Bei der Auswahl wird neben der Altersgerechtheit darauf geachtet, dass sowohl die filmgeschichtlichen Epochen wie auch die verschiedenen Filmgenres und -techniken angemessen vertreten sind. Und natürlich dürfen und sollen die Filme aus den verschiedensten Ländern stammen. Konkret sieht das Programm einer Spielzeit drei mal drei Filme vor, die blockweise als Filme zum Lachen, zum Weinen, zum Träumen und (ein bisschen) auch zum Fürchten angekündigt werden und in chronologischer Reihenfolge gezeigt werden. Jeder Block beginnt daher in der Regel mit einem Stummfilm, der nach Bedarf von einem Pianisten live vertont und von einem Filmerzähler eingesprochen wird. Nachdem ein Film für gut befunden ist, geht’s an die Erarbeitung des pädagogischen Rahmenprogramms: Die achtseitige Klubzeitung wird mit großer Sorgfalt redigiert, in derzeit bis zu fünf Sprachen übersetzt und von Noyau illustriert. Ein Szenario für das kleine Theaterstückchen unmittelbar vor jedem Film muss so gestaltet sein, dass es sich problemlos in verschiedenen Kinos adaptieren lässt. Besondere Requisiten, aber auch Schauspieler-, Filmerzähler- und Musikeradressen hält der Dachverein ebenfalls für die Klubs bereit. Es wird nichts dem Zufall überlassen und dennoch lässt die Umsetzung und Ausgestaltung der pfannenfertigen Materialien den Teams vor Ort immer noch genug Raum für Spontaneität. Von den umfangreichen Anregungen für den Dialog mit den Kindern ganz zu Beginn einer jeden Vorstellung können selbst erfahrene Filmfreaks unter den Moderatorinnen und Moderatoren immer mal wieder selbst etwas lernen. Dabei will die Zauberlaterne trotz des hohen Anspruchs das Kinoerlebnis nicht „verschulen“. Der Filmklub mit dem magischen Namen ist eindeutig in der Freizeit angesiedelt, Erwachsene haben keinen Zutritt. Trotzdem ist in der Schweiz der Kontakt zu den Schulhäusern, zu Bildungsdepartementen und Elterninitiativen vorzüglich, die Zauberlaterne wird der Qualität der Inhalte und ihrer Vermittlung, aber auch der strikten Nichtkommerzialität wegen sehr geschätzt. Spezielle Schulvorstellungen und nicht zuletzt die regelmäßige Zusammenarbeit mit verschiedenen (nicht nur Film-)Festivals haben den Filmklub im kulturellen Angebot für Kinder gut verankert. Dabei legt man gerade auf den Kontakt zu anderen Kunstformen viel Wert. Das Unterhaltungsmedium Kino ist mit seinen großen und kleinen Gesamtkunstwerken zum Portal zur Multimediakultur ja prädestiniert. In den Statuten der Zauberlaterne ist der Zweck mit „Fördern der Freude an Film und Kino“ umschrieben. Der Zugang erfolgt kindgerecht und spielerisch über die Emotionen. Auf dem Weg zum mündigen Medienkonsumenten wird dabei schon früh auch der Blick hinter den schönen Schein gewagt und gezeigt, dass Bilder etwa auch lügen können. Die Kinder üben sich in aktiver, kritischer Rezeption, ohne den Spaß am Geschehen preiszugeben. In groß aufgezogenen Wettbewerben (Drehbuch, Kinoplakat, Trailer) werden sie eingeladen, sich produktiv zu beteiligen. Auch die kontinuierlich weiterentwickelte Website www.zauber-laterne.org bietet in einer animierten Enzyklopädie des Kinos Gelegenheit zur weiteren Vertiefung. Hier findet jedes Klubmitglied seinen Klub und seine Filme in seiner Sprache.
Dachverein Die Zauberlaterne
Association La lanterne magique
Rue des Terreaux 7 / Pf 16762001 Neuchâtel
Tel: 0041 32 723 77 00
Die Zauberlaterne in Deutschland
Seit 2003 lädt die Zauberlaterne Ludwigsburg ihre Mitglieder an neun Samstagen ins Kino Caligari ein.
Kontakt:
Die Zauberlaterne LudwigsburgMarkus Klarec/o Kinokult e.V.
Königsallee 43
71638 Ludwigsburg
Tel. 07141-905284
E-mail: zauberlaterne@kinokult.de
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Franz Szekeres
Beitrag als PDFEinzelansichtTatjana Hampe: Das Parfum
Von Patrick Süskinds Roman „Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders“, der in gewisser Weise auch zum Bildungskann gehört und immer wieder auf der Literaturliste der Oberstufe steht, wurden weltweit bisher etwa 15 Millionen Exemplare verkauft. 2001 sicherte sich Bernd Eichinger die Filmrechte, nachdem Süskind sich 15 Jahre geweigert hatte diese zu verkaufen. Zusammen mit Andrew Birkin und Tom Tykwer, der später auch die Regie übernahm, schrieb er das Drehbuch zu dem Weltbestseller und füllt mit seinem Film inzwischen auch die Kinosäle. Im Mittelpunkt der Geschichte steht der junge Parfumeur-Geselle Jean Baptiste Grenouille, der sich in einer für einen Adoleszenten eigentlich nicht untypischen Situation befindet. Er ist auf der Suche nach sich selbst. Was bei ihm anders ist als bei anderen jungen Menschen: Grenouille identifiziert Menschen und damit auch sich selbst über den Geruch ...Die Geschichte beginnt 1760: In der südfranzösischen Stadt Grasse warten Tausende auf die Hinrichtung von Grenouille (Ben Wishaw), der 22 Jahre zuvor unter unwürdigen Bedingungen auf dem Pariser Fischmarkt das Licht der Welt erblickte. Grenouille verbringt seine Kindheit in einem Waisenhaus und wird mit 13 Jahren an den Gerber Grimal (Sam Douglas) verkauft wo er unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen heranwächst. Bei seinem ersten Besuch in Paris verliebt er sich in das schöne Mirabellen-Mädchens (Karoline Herfurth), das er, gefangen von ihrem Duft, ungewollt erstickt. Das anfängliche Glücksgefühl, ihren Duft zu riechen, weicht der bitteren Erkenntnis, dass er diesen nicht festzuhalten vermag. Den Parfumeur Baldini (Dustin Hoffman) kann Grenouille von seiner „außergewöhnlichen Nase“ überzeugen und beginnt bei ihm eine Lehre. Dabei lernt er, den Duft von Blumen zu konservieren – nur den Duft von Lebewesen kann er immer noch nicht festhalten. Seine einzige Möglichkeit sieht er in der Kunst der „Enfleurage“, die er in der Parfummetropole Grasse erlernen möchte. Auf dem Weg dorthin bemerkt er, dass er selbst keinen Körpergeruch besitzt. Dieses Er-lebnis erschüttert ihn zutiefst und er beschließt, für sich selbst einen Duft zu erschaffen, der un-widerstehlich ist. Besessen von der Idee, menschliches Aroma zu konservieren, ermordet Grenouille dreizehn junge Frauen, deren Geruch ihn betört. Als er für seine Taten hingerichtet werden soll, gelingt es Grenouille, sich einige Tropfen seines Parfums auf die Handgelenke zu träufeln, womit das Geschehen eine ungeahnte Wendung nimmt.Der Film wurde vor allem in München und Spanien gedreht und nur wenige Szenen entstanden in Frankreich. Mit viel Aufwand schafft er es, ein sehr genaues Bild des „dreckigen Paris“ des 18. Jahrhunderts zu liefern. Hierfür wurde fast kleinlich auf jedes Detail geachtet: die dreckigen Kleider, schlechte Zähne und der Dreck und Müll auf den Straßen.„Das Parfum“ ist ein moderner Film, der sich vor allem zu Beginn und am Ende sehr dicht am Original hält – Änderungen, die vorhanden sind, scheinen nicht weiter relevant – nur die Rolle des Grenouille weicht wesentlich von der Beschreibung Süskinds ab. Während dieser Grenouille als abscheuliche Gestalt, Scheusal, als „Zeck“ – das heißt hässlich, grau und klein, unan-sehnlich, zäh – beschreibt („So ein Zeck war das Kind Grenouille. Es lebte in sich verkapselt und wartete auf bessere Zeiten. An die Welt gab es nichts ab als seinen Kot.“), wollten die Filmemacher dies ihrem Publikum wohl nicht zumuten, denn Ben Wishaw kann man diese Attribute nur schwer zuordnen. Dennoch überzeugt er, wie auch die anderen Akteurinnen und Akteure, mit seiner schauspielerischen Leistung.
Eine wesentliche Rolle in dieser Geschichte spielt der Duft – im Buch, so Tykwer in einem Interview, mit „sinnlichen Übertragungen“ erarbeitet, soll der Geruch im Film mit Hilfe von Musik, Tönen, Geräuschen und auch Bildern, nicht aber mit Special Effects, sichtbar gemacht werden. Nur naturgetreue Aufnahmen soll der Film bieten und das gelingt Tykwer auch – nur manchmal so genau und realistisch, fast schon übertrieben, dass man froh ist, dass sich das „Riechkino“ bisher noch nicht durchgesetzt hat.
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Tatjana Hampe
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Bittner: Fußball weltweit
Die Fußballweltmeisterschaft hat vier Wochen lang die Welt in ihren Bann gezogen. Millionen von Menschen weltweit verfolgten ein riesiges Sport- und Medienereignis. Der Leistungssport Fußball, seine hoch verdienenden Akteure und die gigantische Werbe- und Marketingmaschine füllte die Tageszeitungen und sorgte täglich für neue Schlagzeilen. Dass Fußball aber mehr ist als Volks- und Leistungsport, mehr als Jubel, Tore und ein Großereignis führt die DVD/CD-ROM „Die Welt ist rund. Fußballträume – Fußballrealitäten“ vor Augen.
Der Fußball hat es in den vergangenen Wochen der Weltmeisterschaft geschafft, Menschen aus aller Welt für ein Ereignis zu begeistern und friedlich zu vereinen. Und genau dies ist der Anknüpfungspunkt des vorliegenden Werkes: Kinder auf der ganzen Welt spielen täglich Fußball nach exakt den gleichen Regeln, unabhängig von Sprache, Kultur oder sozialer Herkunft. Fußball wirkt dort als Motor der Integration. Über kulturelle Barrieren hinweg finden sich Nationalmannschaften und fußballspielende Kinder zusammen. Fußball ist aber auch wirtschaftlich verflochten. So werden Talente aus Afrika früh nach Europa geschickt, was Fragen der Globalisierung und des Menschenhandels aufwirft.Sport und Fußball für die Schule und Bildungsarbeit zugänglich zu machen und anhand des Themas Fragen rund um Frieden, Kultur, Verständigung und Entwicklung aufzuarbeiten ist Ziel der CD-ROM.
In fünf Kurzfilmen sollen Kinder und Jugendliche Einblicke in fremde Lebenswelten bekommen. Sie sollen zum einen „Fußball als Spiegel der Gesellschaft wahrnehmen“, zum anderen „Sport im Allgemeinen und Fußball im Speziellen als mögliches Mittel zu einer positiven Identifikation und zur Völkerverständigung (…) erkennen“. So beschreibt der erste fünfminütige Film „The Ball“, wie sich Kinder aus einem Dorf in Mosambik aus einem Kondom ihren Fußball basteln und behandelt somit nicht nur das Thema Armut sondern auch AIDS. In dem 27-minütigen Film „Sold out – von der Straße ins Stadion“ wird der Transfer minderjähriger Fußballtalente aus Afrika nach Europa thematisiert. Eindrücklich werden hier die Hoffnungen der Kinder dargestellt und die Folgen, wenn sie den großen Sprung nicht schaffen.
Die Kinderarbeit in Pakistan bei der Herstellung von Fußbällen wird in einem der Filme ebenso thematisiert wie die Integrationskraft von Fußball anhand von Mädchenfußball in Honduras. Zu jedem der fünf Filme stehen eine Arbeitshilfe und Arbeitsblätter zur Verfügung. Die ausführlichen Arbeitshilfen bieten Hintergrundinformationen zu den einzelnen Filmen, definieren die damit verbundenen Lernziele und geben Impulse zur Aufarbeitung des jeweiligen Films im Unterricht. Der Hinweis auf weiterführende Materialien und Links erlaubt den Lehrkräften eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Arbeitsblätter bieten gute Anregungen zur konkreten Umsetzung im Unterricht und das Arbeitsblatt Fotosprache enthält zu jedem der fünf Filme je sechs Fotos aus dem Film mit einem konkreten Arbeitsauftrag, anhand dessen der Film besprochen werden kann. Die Benutzung und Bedienung der CD-ROM/DVD ist sehr einfach und die übersichtliche Gestaltung sowohl des DVD- als auch des CD-ROM-Teils und der Arbeitsblätter erlaubt eine leichte Einarbeitung. Die professionellen Filme sind geeignet, vielfältige Themen rund um Globalisierung, Frieden, Kultur und Entwicklungsarbeit zu besprechen. Die Altersempfehlung liegt bei zehn Jahren. Die Filme müssen in dieser Altersklasse allerdings besonders ausführlich vor- und nachbesprochen werden, um die Schülerinnen und Schüler auf die Thematik vorzubereiten und sie bei der Verarbeitung zu unterstützen. Wie auf der DVD empfohlen, scheinen viele Filme erst ab 14 Jahren sinnvoll. Die große Themenvielfalt der Filme erzwingt eine Fokussierung auf eines oder zwei Themen, so dass die Schüler nicht überfordert werden. Die hervorragende Gestaltung der fünf Dokumentarfilme, die gut ausgearbeiteten Arbeitshinweise für Lehrkräfte und die Vielfalt der angesprochenen Themen, machen die DVD/CD-ROM gerade nach der Fußballweltmeisterschaft für den Einsatz im Unterricht reizvoll.
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Michaela Bittner
Beitrag als PDFEinzelansichtAlexander Kuhn: Games Convention 2006
Vom 24. bis 27. August 2006 fand die diesjährige Games Convention (GC), die größte Computerspielmesse in Deutschland, auf dem Leipziger Messegelände statt. In ihrem fünften Jahr ist die GC wieder um einige Neuerungen reicher, dies gilt sowohl für den Bereich der Hardware als auch was neue Spiele angeht. Bei manchen Angeboten lohnt es sich, sie genauer unter die Lupe zu nehmen. Im Folgenden wird eine Auswahl dessen vorgestellt, was vielleicht sogar das Zeug dazu hat, sich in der nächsten Zeit zu einem Trendsetter zu entwickeln.
Shootpad
Für die PS2 ist wieder eine Neuerung im Bereich ‚Interagiere mit deinem Computer’ auf dem Markt. Für Fußballspiele wie FIFA, oder Pro Evo-lution Soccer steht den Fans von Fußballsimulationen ein interessantes Gamepad zur Verfügung. Man steht auf einem grünen, mit den klassischen Fußballbegrenzungsfeldern versehenen Minispielfeld, die Krönung des Ganzen stellt ein auf dem Spielfeld fixierter Fußball dar. Diesen muss man treten, bei einem kräftigen Tritt vollzieht die virtuelle Figur einen weiten Schuss, bei ei-nem schwachen Tritt ist der Schuss kurz. Welches Bein der Spieler oder die Spielerin benutzt wird durch davor liegende Felder für das Standbein kontrolliert. Die Richtung, in die die Figur läuft, wird klassisch über den PS2 Joystick gesteuert, aber die Schüsse, das Dribbeln im Spiel et cetera übernimmt nun der Spieler, wobei er während der ganzen Partie auf seinem Gamepad steht, ständig in Bewegung ist und nicht bewegungslos im Wohnzimmersessel sitzt wie sonst üblich. (www.bigben-interactive.de)
Gamesload
Gamesload stellt eine digitale Vertriebsplattform für Spiele im Internet dar. Damit erübrigt sich der Weg in ein Kaufhaus. Da-rüber hinaus kann mittels einer speziellen Technik der WebSite fast jedes Produkt vor dem Kauf eine gewisse Zeit probegespielt werden. Das Angebot ist unter drei Oberbegriffe gegliedert: „PC Games“, „Easy Games“, „Online Games“. Im Bereich PC Games findet man aktuelle Titel und beliebte Klassiker des Computerspielgenres zum kostenpflichtigen Download oder zum direkten Spielen mit der Games Flatrate, die ähnlich wie eine Internet Flatrate monatliche Kosten beinhaltet. Easy Games sind kurzweilige, leicht zugängliche Downloadspiele für Gelegenheitsspieler. Unter Online Games kann sofort, alleine oder gegeneinander im Internet gespielt werden, es fallen nur die Kosten für die Internetverbindung an. Mit einem Angebot von 300 Spielen, die zum Downloaden bereit stehen, und über 100 Spielen in der Games Flatrate ist innerhalb eines Jahres nun schon ein recht breitgefächertes Angebot im Internet entstanden. Zielgruppe dieses Angebots sind Nutzer aller Altersgruppen mit Breitbandanschluss. Bezahlt werden kann über die Telefonrechnung von T-Com oder über Click & Buy-Angebote wie Firstgate, sowie Kreditkarten oder Lastschriftzahlungen. (www.gamesload.de)
Pong.Mythos
Unter diesem Oberbegriff findet sich eine Reihe von Exponaten, die zum Thema Pong, einem einfachen digitalen Tennisspiel, das in den 70er Jahren entwickelt wurde, eine ganz eigene Aussage und Spielart bieten. Die Wanderausstellung wurde vom Computerspielemuseum Berlin zusammengestellt. Gezeigt wird zum Beispiel das Spiel Pong, das mittels Radfahren, also über Pe-daltrittgeschwindigkeit funktionierte, oder Pong, das man auf einem großen Feld mittels Videotechnik und seiner eigenen Bewegung auf diesem Feld steuern konnte. Auch ein Pong der ganz anderen Art findet sich: der Schmerz-Pong. Dieses Gerät lud Erwachsene dazu ein, gegenein-ander zu spielen, während sie ihre Hand auf eine Kontaktfläche legten. Wer verlor, wurde „bestraft“, zum Beispiel mit einem Stromstoß. Man erinnert sich vielleicht an den James Bond-Film Goldfinger, in dem Mr. Bond mit dem Erz-schurken auch ein Spiel spielen sollte, wobei der Schmerzlevel immer höher wurde, um so einen der Kontrahenten zum Aufhören zu bewegen. Dieser Ansatz war es in etwa, der auch mit diesem Gerät verfolgt wurde. (www.pong-mythos.net)
Machinima
Machinima ist ein Kunstwort, das sich aus den Begriffen „machine“, „cinema“ und „animation“ zusammensetzt, und bezeichnet Filme, die mit Hilfe von Game-Engines erstellt werden. An mehreren Bildschirmen kann man sich einen Eindruck davon verschaffen, was bisher mit dieser Form der kreativen Auseinandersetzung an Filmen erschaffen wurde: Musikvideos, Serien, Actionfilme, Komödien oder einfach eine Sammlung von kleinen Sketchen. Machinimas werden nicht nur von enthusiastischen Spielern entwickelt, sondern eben auch von solchen, die sich mit dem Medium Computer aber dennoch kreativ auseinandersetzen wollen und die bereits vorhandene Technologien nutzen wollen, zum Beispiel Grafikengines, um Eigenes zu schaffen. Interessierten Besuchern wurden auf der GC Kurse angeboten, in denen ihnen ein kleiner Einblick in das Produzieren von Machinimas geboten wurde. (www.machinima.com)
GP2XPS2, PS3, PSP, NDS, Wii, Xbox360 – Konsolen, die alle kennen und die fast jeder haben will. Nachteil dieser Geräte: Die entsprechenden Spiele sind recht teuer, da sie meist exklusiv für die jeweilige Konsole lizenziert wurden. Einen Zwischenweg geht GameParks Holding mit dem GP2X. Dieser Personal Entertainment Player läuft unter Linux. Was den Vorteil hat, dass die Spiele dafür Open Source-Ware sind, also nichts kosten. Mehr als 200 gibt es bereits und täglich werden es mehr. Die Games können im Internet runtergeladen und mittels USB-Kabel auf die SD-Specherkarte des GP2X übertragen werden. 185 Euro kostet das Gerät, das nur im Internet bestellt werden kann. (www.gp2x.de)
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Alexander Kuhn
Beitrag als PDFEinzelansichtMichaela Bittner: Die Schlaumäuse-Party
Auf der Didacta 2006 stellte die Bildungsinitiative von Microsoft und Partnern „Schlaumäuse – Kinder entdecken Sprache“, die neue Version der Schlaumäuse-Lernsoftware vor. Schlaumäuse soll die Sprachentwicklung der Vier- bis Sechsjährigen fördern, an die sich folglich auch die neue Lernsoftware richtet. Spielerisch will die CD-ROM den Kindern den Umgang mit Wort und Schrift näher bringen.
Die aus der Vorgänger-Version bekannten Schlaumäuse und die Kobolde Lolli und Pop laden die Kinder auf den Schlaumäuse-Spielplatz ein und führen durch die Lernsoftware. Wie auch die erste Version soll die Lernsoftware die Kinder beim Erkennen von Lauten bis hin zum ersten Schreiben und Lesen unterstützen. An mehreren Spielstationen können die Mädchen und Jungen anhand verschiedener Spiele vieles rund um Laute, Wörter und Sätze ausprobieren und so einüben, zusätzlich sammeln die Spielerinnen und Spieler pro erfolgreichem Lernspiel bis zu zwei Stücke für eine Käsetorte, mit der am Ende eine große Party stattfindet. So können die Kinder an der Wippe die Mäuse zum Schaukeln bringen, indem sie einzelne Silben auf der rechten Seite der Wippe in die richtige Reihenfolge bringen und so Wörter bilden. Nach zwei Fehlversuchen wird das Wort genannt und bildlich veranschaulicht. In der Zauberbude müssen bestimmte Wörter in andere Wörter verzaubert werden. Das phonologische Bewusstsein der Kinder wird hier durch den Austausch eines Lautes gefördert. Im Theater wiederum können sie das alltägliche Verstehen insbesondere von Präpositionen üben, indem sie bei der Dekoration der Bühne behilflich sind und verschiedenen Handlungsanweisungen zu deren Aufbau folgen. Darüber hinaus können die Kinder an fünf weiteren Spielstationen Käsestücke sammeln und so spielerisch ihre Sprachkompetenz verbessern.
Sobald die Kinder acht Käsestücke gesammelt haben, beginnt zur Belohnung die Party im Partyzelt. Das Partyzelt ist lediglich zum Vergnügen da. Die Mädchen und Jungen können das Zelt mit bunten Luftballons verschönern, eine Maus verkleiden und auf Schatzsuche gehen. Für manche Aktivitäten im Zelt muss man mit einem Käsestück bezahlen, so dass die Kinder sich auf dem Spielplatz wieder neue Käsestücke verdienen müssen, was ihnen einen Ansporn zum fleißigen Üben bietet. Zusätzlich können sich die jungen Spielerinnen und Spieler auch in der Schreibwerkstatt austoben. Hier können zum Beispiel Buchstaben nach Belieben eingetippt werden, die man sich dann vorlesen lassen kann. Mithilfe der Flüstertüte lernen die Kinder so Buchstaben Lauten zuzuordnen.
Die Sammelmappe bietet den Kindern außerdem einen Überblick über alle besuchten Spielorte und eine Sammlung der erarbeiteten Wörter zum Ausdrucken.Die Spiele sind dem Alter der Zielgruppe angepasst, die Schwierigkeitsniveaus sind individuell einstellbar. Die ausführlichen Erklärungen lassen keine Frage offen, so dass die Kinder gleich mit Spielen und Lernen loslegen können. Das System merkt sich außerdem den Lernstand der Kinder und passt die Ansagen und Erklärungen an die einzelnen Spielerinnen und Spieler an. Zusätzliche Besonderheiten wie beispielsweise das Anzeigen des grammatikalischen Geschlechts in verschiedenen Farben bereichern die CD-ROM und unterstützen die Spielenden beziehungsweise Lernenden. Wiederkehrende Tools, das so genannte Forscher-Werkzeug, erleichtern zusätzlich die Navigation. So signalisiert der Lautsprecher, dass Wörter und Sätze vorgelesen werden, das Stethoskop macht jeden einzelnen Laut eines Buchstabens hörbar, der Handschuh dient als Navigationswerkzeug und mit einem Klick auf den Fragezeichenknopf bekommen die Kinder Hilfe oder das Spiel nochmals erklärt.Neu an der CD-ROM ist der Teil, den die kleinen Lernerinnen und Lerner nicht betreten können, nämlich das Betreuungstool. In diesem passwortgeschützten Bereich der Software erhalten Erziehende beziehungsweise Eltern einen schnellen Überblick über sämtliche Inhalte der CD-ROM und können in einem Protokoll den Bearbeitungsstand des jeweiligen Kindes einsehen. Der Sprachstandtest erlaubt es den Betreuerinnen und Betreuern, beispielsweise durch einfache Zuordnungspiele die sprachlichen und phonologischen Fertigkeiten eines Kindes zu testen.
Die Ergebnisse des Tests zeigen den Eltern auf, was das Kind noch üben sollte und gibt ihnen einen Hinweis, mit welchem Spiel der CD-ROM dies am besten gelingt. Die übersichtlich und bunt gestaltete CD-ROM bringt den Kindern nicht nur die Sprache näher, sondern macht sicherlich auch einfach Spaß und ist sowohl in der Kita oder Grundschule als auch individuell zuhause einsetzbar.Mit der Schlaumäuse-Software wird das Ziel verfolgt, „die natürliche Lust der Kinder am Lernen zu fördern und sie spielerisch an Sprache und Schrift heranzuführen“. Zumindest aus Erwachsenensicht könnte dies gelingen.
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Michaela Bittner
Beitrag als PDFEinzelansichtDaniel Ammann: Experimente im virtuellen Labor
Im Labor des Professors warten auf geduldige Tüftlerinnen und Tüftler rund hundert physikalisch-technische Experimente in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Anfangs müssen nur ein paar Bälle mittels geschickt platzierter Bretter ins Ziel befördert werden. Aber bald schon kommen weitere Elemente wie Dominosteine, Federn, Katapulte, kleine Roboter oder Magnete, Springfrösche, Dampfmaschinen und Zeppeline ins Spiel. Jedesmal gilt es, die zur Verfügung stehenden Objekte aus der Elementleiste am rechten Bildrand an der passenden Stelle in die Versuchsanordnung einzufügen und mittels Kontextmenü allenfalls noch in die richtige Position zu drehen. Das fordert schon einiges an Vorstellungsvermögen, aber über die Schalttafel kann das Experiment jederzeit versuchsweise in Gang gesetzt werden und so Hinweise liefern, warum es noch nicht klappt. Vielleicht dreht sich noch ein Zahnrad in die falsche Richtung oder ein Gewicht reicht nicht aus, um den Hebel einer Falltür oder eines Ventils zu betätigen. Ist die Aufgabe schließlich gelöst, folgt sogleich die nächste He-rausforderung. Jedesmal gibt der Professor eine kurze Erklärung ab, die auch in einem Textfeld nachgelesen werden kann, und bittet die Spieler um ihre Hilfe. Und will es einmal gar nicht klap-pen, befindet sich auf der CD-ROM eine PDF-Datei mit Komplettlösung. Falls die Crazy Machines wie angepriesen die ganze Familie unterhalten sollen, muss hier auch im Team gearbeitet werden. Einige Aufgaben sind für Sechsjährige eher zu komplex und bestimmte Funktionen der Navigation und Bedienung erschließen sich teilweise erst durch Versuch und Irrtum. Leider ist es nicht möglich, mehrere Spielstände individuell abzuspeichern. Klickt man auf ein „neues Spiel“, muss man die Ausbildung zum Professor wieder ganz von vorne beginnen. Neben diesen Nachteilen überzeugt das kostengünstige Spiel dafür durch witzige Aufgabenstellungen, realistische Bewegungssimulation und vor allem durch ein weiteres Labor, in dem man eigene Experimente erstellen, als Aufgaben samt Begleittext und Punktezahl konfigurieren und für andere Spieler exportieren kann. Wenn man die vier Prüfungen des Professors bestanden und seine Diplome gemacht hat, kann der Tüftelspaß hier also endlos weitergehen.
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Daniel Ammann
Beitrag als PDFEinzelansichtDanilo Dietsch: Digitale Aufnahmegeräte für die medienpädagogische Praxis
Wenn ein Interview ansteht oder eine Straßenumfrage fürs Radio durchgeführt werden soll, müssen eigentlich nur ein Mikrofon, Kabel und Aufnahmegerät vorhanden sein. Doch bei immer mehr Aufnahmegeräten auf dem Markt stellt sich hier mehr denn je die Qual der Wahl.
Um O-Töne vor Ort einfangen zu können, brauchen Jugendradios, Nachwuchsreporter und medienpädagogische Projekte handliche und zuverlässige Aufnahmegeräte. Diese zeichnen sich durch praxisgerechte Audioanschlüsse aus, sollten also symmetrische XLR oder große Klinkenbuchsen besitzen. Empfehlenswert ist eine zuschaltbare Phantomspeisung, um hochwertige Kondensatormikrofone für anspruchsvolle Aufnahmesituationen benutzen zu können. Eine Aussteuerungsanzeige sollte einen möglichst genauen Eindruck vom Verlauf der Aufnahme vermitteln, hierbei ist die gute Lesbarkeit besonders wichtig. Die Aussteuerung sollte nicht menügesteuert, sondern schnell und manuell einstellbar sein. Als Maßstab gilt bei Sprachaufnahmen, dass die Aussteuerungsanzeige des Pegels sich zwischen -5 db und 0 db bewegen sollte.
Gerade beim Einsatz von digitalen Aufnahmegeräten im medienpädagogischen Bereich, sollte ein schaltbarer Limiter zur Aussteuerungsbegrenzung vorhanden sein. Dieser verhindert übersteuerte (verzerrte) Aufnahmen und ermöglicht ein frustfreies, sendefähiges Ergebnis. Die Kinder und Jugendlichen können sich auf das Interview konzentrieren und Gehör und Pegelanzeige etwas „vernachlässigen“.
Analoge professionelle Reportagegeräte (zum Beispiel Sony TC-D5) haben sich langsam aus den Redaktionen der Radiosender verabschiedet. Auch in der medienpädagogischen Radioarbeit sind sie nur noch begrenzt zu empfehlen. Es gibt derzeit keinen Hersteller, der Neugeräte produziert, allerdings sind Geräte regelmäßig über Internetauktionen ab circa 150 Euro erhältlich. Sie liefern in der Regel ordentliche akustische Aufnahmen, bieten gute Aussteuerungsmöglichkeiten und besitzen professionelle XLR- oder große Klinke-Mikrofoneingänge. Ein weiterer Vorteil für die medienpädagogische Arbeit ist die Robustheit und die Einsatzmöglichkeit des Limiters. Verschiedene Erfahrungsberichte zeigen aber, dass die Reparaturanfälligkeit steigt und es immer schwieriger wird, Geräte für einen angemessenen Preis zu reparieren.
Nicht empfehlenswert sind Mini-Disk-Geräte. Diese sind leider nicht besonders robust und in der Regel ist die Bedienung menügesteuert. Das bedeutet, dass mittels kleinen Tasten in diversen Untermenüs Einstellungen programmiert werden müssen. Die Aufnahmen sind oft unbefriedigend, bedingt durch den fehlenden Limiter und dadurch, dass viele Geräte über eine schlechte manuelle Aussteuerung des Aufnahmesignals verfügen. Ein weiterer Mangel ist, dass Mikrofone an Mini-Disk-Geräte nur über eine kleine Klinke und somit über wackelige und kurzlebige Anschlüsse verbunden werden können, wohl aufgrund der schwindenden Nachfrage gibt es außerdem nur noch wenig Neugeräte (Sony, Tascam) auf dem Markt.
Ein großer Vorteil von digitalen Rekordern ist, dass das Gerät nach der Aufnahme einfach an den USB-Port eines PCs angeschlossen werden kann; das Gerät wird als USB-Massenspeicher erkannt und die einzelnen Aufnahmedateien werden angezeigt. Ein einfaches Ziehen der Dateien über Drag&Drop auf die Festplatte und schon steht das Audiomaterial für den digitalen Audioschnitt bereit. Gerade bei langen Interviews besteht darin eine große Zeitersparnis im Vergleich zum Digitalisieren von Aufnahmen mittels Kassettengerät. Dank eines preiswerten Speichers, nahtloser Computerintegration und guter Aufnahmequalität, einfacher Bedienung sowie preiswerter Einstiegsgeräte, liegt es nahe, digitale Aufnahmegeräte in der medienpädagogischen Radioarbeit einzusetzen. MicroTrack 24/96, Edirol R-1 sowie R-09 sind als mobile Aufnahmegeräte für Reportagen, Interviews und Umfragen konzipiert und preiswerte Alternativen zu professionellen Handheld Digital Audio Rekordern.
Micro Track 24/96Der Micro Track 24/96 ist ein robuster, mobiler 2-Kanal-Digital-Recorder für die Aufnahme von WAV- und MP3-Dateien. Als Aufnahmemedium dient eine CompactFlash-Karte. Für die Aufnahme verfügt das Gerät über symmetrische Line-Eingänge (große Klinke) oder ein Stereo-Aufsteckmikrofon. Die 6,3 mm Klinkenbuchsen liegen allerdings für massive Stecker etwas zu nah beieinander. Das Gerät besitzt eine schaltbare Phantomspeisung für professionelle Kondensatormikrofone, sowie einen Vorverstärker. Zusätzlich ist je nach Mikrofoneinsatz und Ort der Tonquelle die Aufnahmeleistung mittels Empfindlichkeitsumschalter in drei Stufen regelbar. Das Gerät ist sehr gut für ängstliche Kinder ge-eignet, die dem Interviewgast das Mikrofon nicht richtig hinhalten. Die Aufnahmen sind erfreulich rauscharm und gut verständlich. Der Sound kann entweder über Stereokopfhörer (Miniklinke) oder die Lineausgänge (Cinch) abgehört werden. Das Gerät besticht durch viele Einstell- und Anschlussmöglichkeiten, sowie ei-ne einfache Handhabung. So kann der Micro Track 24/96 über eine Wipptaste mit Klickfunktion schnell durch das logisch aufgebaute deutsche Menü navigiert werden. Alle wichtigen Funktionen sind über extra Bedienelemente sehr gut steuerbar. Zum Aufnehmen benötigt man nur eine Taste, die Pausentaste fehlt. Die manuelle Aussteuerung funktioniert direkt und schnell, so kann der Pegel – die Lautstärke der Aufnahme – sogar kanalgetrennt leicht korrigiert werden. Ein Nachteil ist der fehlende Limiter, allerdings werden Übersteuerungen mittels zwei Leuchtdioden angezeigt. Auch die Pegelanzeige während der Aufnahme und die Akkuanzeige sind deutlich lesbar. Die Akkulaufzeit beträgt nach Händlerangabe über sieben Stunden und circa drei Stunden bei aktiver Phantomspeisung. Aufgeladen wird der MicroTrack einfach über den USB-Port des PCs oder durch das optional erhältliche Netzteil. Da der Lithium-Ionen-Akku fest im Ge-rät eingebaut ist, können im Bedarfsfall keine Ersatzakkus oder Batterien die weitere Stromversorgung übernehmen. Dieser gravierende Nachteil birgt in der medienpädagogischen Arbeit Risiken. Im Handel ist das Gerät ab circa 410 Euro erhältlich. EdirolVon Edirol gibt es mit dem R-09 und dem R-1 zwei Geräte die sich für den mobilen Einsatz in der medienpädagogischen Arbeit eignen. Der R-1 ist durch sein etwas kantiges Plastikgehäuse und einen Karteneinschub mit schlecht zu öffnender Klappe leider nicht besonders robust. Das R-09 ist nicht nur kleiner und handlicher, sondern auch robuster.
Das Gerät R-1 lässt sich intuitiv mit einem Datenrad und einigen Tasten bedienen. Ein großer Vorteil ist der vorhandene Limiter und zusätzlich bietet der R-1 einige Effekte wie zum Beispiel Rauschunterdrückung, Verfremdungseffekt, Equa-lizer und Reverb an. Diese sind wahlweise in den Aufnahme- oder Wiedergabeweg schaltbar. Beim R-1 ist der Limiter extra schaltbar. Ein recht blickwinkelabhängiges LED liefert nur eine grobe Aussteuerungsanzeige und damit eine schlechte Einsicht auf die Aufnahmeleistung. Auch in punkto Anzeige schneidet der R-09 besser ab, Übersteuerungen werden sogar mittels Leuchtdiode angezeigt. Der Sound kann auch hier über Stereokopfhörer (Miniklinke) kontrolliert werden. Mit beiden Geräten erhält man eine ordentliche, sendefähige Aufnahmequalität. Auch das interne Mikrofon ist erstaunlich gut und für die Audioarbeit ausreichend. Ein großer Nachteil bei beiden Geräten sind die Audioanschlüsse. Es wird keine Phantomspeisung bereitgehalten, somit können als externe Mikrofone nur dynamische Mikrofone, aber keine hochwertigen Studio- oder Kondensatormikrofone über eine kleine Klinkenbuchse angeschlossen werden. Das ist nicht besonders praxisgerecht, da anzunehmen ist, dass wie bei Mini-Disk-Rekordern die kleine Buchse kein langes Leben haben wird. Ein Vorteil gegenüber dem Micro Track besteht darin, dass die Edirolgeräte mit zwei wechselbaren AA-Batterien oder Akkus arbeiten.
Der R-1 kostet derzeit im Handel circa 390 Euro, das Nachfolgemodell (R-09) circa 420 Euro.
Fazit
Im Hinblick auf mobile Aufnahmen sind Micro Track 24/96, Edirol R-1 und R-09 auch für An-fänger unkompliziert zu bedienen. Die Edirolgeräte überzeugen mit einem Limiter, der das Auf-nahmeniveau hebt und den Einsatz in der Medienpädagogik erleichtert. Mit guten Aufnahmeergebnissen, geringer Größe und vielfältigen, professionellen Anschlüssen überzeugt der Micro Track. Eine gute Alternative, die alle Vorteile und Ansprüche vereint, ist das Gerät PMD 670 der Firma Marantz. Es liefert gute Audioaufnahmen, besitzt professionelle XLR Mikrofonanschlüsse und einen schaltbaren Limiter. Allerdings hat das Gerät für den medienpädagogischen Bereich mit 845 Euro auch einen stolzen Preis.
Beitrag aus Heft »2006/05: 50 Jahre merz - 50 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Danilo Dietsch
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