2006/01: Frühkindliche Medienaneignung
Kleinkinder sind in den letzten Jahren immer mehr als Zielgruppe auch schon für audiovisuelle sowie digitale Medienangebote entdeckt worden. So ist zum Beispiel "Mozart für Babys" längst nichts Neues mehr. Sorgte die Einführung der "Teletubbies" auf dem deutschen Markt vor sechs Jahren noch für Aufruhr, weil man sich die Frage stellte, ob Zweijährige tatsächlich schon vor dem Fernseher sitzen sollten, ist es mittlerweile keine Frage mehr, dass es für diese Altersgruppe auch Computerspiele geben muss. Um damit aber sinnvoll und gewinnbringend umgehen zu können, brauchen auch die Jüngsten schon eine gewisse Medienkompetenz; noch mehr aber im Hinblick auf ihre Zukunft. Dies ist auch den Verantwortlichen für Bildungspolitik bewusst. Seit der ersten PISA-Studie wurden und werden in den Ländern Bildungspläne für den Elementarbereich entwickelt, in denen Medienerziehung ein integraler Bestandteil ist.
thema
Franz Josef Röll: Die Bedeutung von Medien in frühkindlichen Bildungskonzepten
Die Elementarpädagogik gerät aus bildungspolitischer Sicht zunehmend unter Druck. In dem Kindergarten der Zukunft wird weniger eine Betreuungs-, sondern eher eine Bildungsinstitu-tion gesehen. Medienerziehung erhält in diesen Konzepten eine integrale Funktion. Parallel zu dieser Diskussion verschreckten Zitate wie „Medien machen dumm, faul und gefräßig“ (Pfeif-fer, Spitzer) die Öffentlichkeit.
Die Bedeutung der Medien in der frühkindlichen Erziehung steht in der Diskussion. Im Folgenden soll das Bildungsverständnis von ausgewählten Kon-zepten dargestellt und bezogen auf ihr medienpädagogisches Verständnis reflektiert werden.
(merz 2006-01, S. 11-18)
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Franz Josef Röll
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Kavšek: Wahrnehmungsentwicklung in der frühen Kindheit
Die ersten Lebensjahre zeichnen sich durch rasante Fortschritte in der Wahrnehmungsentwicklung aus. Bereits das Neugeborene verfügt über eine Reihe visueller und auditiver Fähigkeiten. Im Laufe der folgenden Lebensmonate bilden sich insbesondere die räumliche Wahrnehmung, die Objektwahrnehmung und die akustische Sensitivität aus. Allerdings verstehen Säuglinge in der Konfrontation mit bewegten oder unbewegten Bildern zunächst noch nicht den Unterschied zwischen Abbildung und Realität.
(merz 2006-01, S. 19-25)
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Michael Kavšek
Beitrag als PDFEinzelansichtNorbert Neuß: Zur Bedeutung des medienbezogenen Kinderspiels
Welche Bedeutung haben medienbezogene Spiele für Kinder?
Ausgehend von konkreten Beispielen werden einerseits wissenschaftliche Zugangsweisen zu den medienbezogenen Spielen dargestellt, die grundsätzlichen Funktionen des kindlichen Spiels im Hinblick auf die Verarbeitung von Medienerfahrungen beschrieben und medienpädagogische bzw. pädagogische Handlungs- und Reflexionsmöglichkeiten aufgezeigt.
(merz 2006-01, S. 26-32)
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Norbert Neuß
Beitrag als PDFEinzelansichtSaskia Böcking/Ute Ritterfeld: Alles "gaga" oder was?
Ziel des Beitrags ist es, einen Überblick darüber zu geben, ob und, wenn ja, wie elektronische Medien den Spracherwerb bei Kindern zwischen null und sechs Jahren beeinflussen. Mit Hilfe von Mediennutzungsdaten aus repräsentativen Umfragen werden zunächst die diesen Überblick relevanten elektronischen Medien identifiziert. Im Anschluss daran stellen wir den aktuellen Stand der Forschung dar und berücksichtigen und diskutieren dabei neben direkten Zusammenhängen zwischen der Nutzung elektronischer Medien und sprachlichen Fertigkeiten von Kleinkindern auch Einflüsse, die das soziale Umfeld des Kindes auf seine Sprachentwicklung haben kann.
(merz 2006-01, S. 33-38)
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Saskia Böcking, Ute Ritterfeld
Beitrag als PDFEinzelansichtChrista Gebel: Sprachförderlichkeit von Medienarbeit im Kindergarten- und Vorschulalter
Eine Verbindung von Medienarbeit und Sprachförderung liegt aus theoretischer wie praktischer Sicht nahe, denn Medienarbeit bietet auf unterschiedlichen Ebenen ausbaufähige sprachförderliche Potenziale. Eine systematische Verknüpfung erfordert die Entwicklung und Evaluation von Konzepten, die aus medienpädagogischer wie linguistischer Perspektive auf den Elementarbereich zugeschnitten sind. Entsprechende Ideen ergeben sich aus einer Analyse von 30 Projekten rezeptiver und aktiver Medienarbeit.
(merz 2006-01, S. 39-43)
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Christa Gebel
Beitrag als PDFEinzelansichtKleinkinder sind eine wichtige Zielgruppe
Terzio ist einer der renommiertesten Verlage von Edutainmenttiteln für Kinder. Das Verlagsspektrum weist unter anderem die Löwenzahn-Reihe, die Geschichten um Ritter Rost und eine Vielzahl von Lernspaß-Titel für den Vorschulbereich auf. Das Interview mit Ralph Möllers, einem der Geschäftsführer des Verlags, geht der Frage nach, welche Kriterien bei der Produktion eines Medienangebots für diese Zielgruppe zu Grunde gelegt werden.
(merz 2006-01, S. 44-46)
Günther Anfang/Kathrin Demmler: Medienarbeit im Kindergarten
Da Medien bereits im frühesten Kindesalter eine wichtige Rolle spielen, sollte auch eine Auseinandersetzung mit diesen frühzeitig beginnen. Allerdings muss diese altersgerecht sein und den Entwicklungsstand der Kinder berücksichtigen. Während für die Altersgruppe der Drei- bis Fünfjährigen eher rezeptive und spielerische Formen der Verarbeitung von Medien im Vordergrund stehen, können ab fünf Jahren auch aktive Medienprojekte mit Kindern gemacht werden. Beispielhafte Medienprojekte im Kindergarten veranschaulichen, dass angefangen von der Fotoarbeit bis hin zu Projekten mit dem Computer ein breites Spektrum aktiver Medienarbeit mit dieser Altersgruppe möglich ist.
(merz 2006-01, S. 47-52)
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Günther Anfang, Kathrin Demmler
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spektrum
Richard Heinen/Gabi Netz: Virtuelle Seminare in der Lehrer-Ausbildung
Seit dem Sommersemester 2004 erprobt das Projekt Lehrer-Online von Schulen ans Netz e. V. ein virtuelles Seminar zum Thema „Digitale Medien im Fremdsprachenunterricht“. Das Seminar wurde in drei aufeinander folgenden Semestern an sieben Universitäten und in einem Schulhalbjahr an neun Studienseminaren durchgeführt. Der Artikel gibt einen Überblick über das Seminarkonzept, die Erfahrungen der Teilnehmer und der Tutoren und stellt exemplarisch einige Arbeitsergebnisse vor.
(merz 2006-01, S. 53-57)
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Autor: Richard Heinen, Gabi Netz
Beitrag als PDFEinzelansichtMaría Luisa Sevillano García: Zusammenarbeit von Schulen und wichtigen Organisationen im Medienbereich in Spanien
In Spanien gibt es verschiedene Initiativen zu einer Zusammenarbeit von Schulen mit Organisationen, die für den Medienbereich von besonderer Bedeutung sind. In diesem Beitrag werden drei der wichtigsten Beispiele für eine solche Zusammenarbeit vorgestellt und erläutert: das Programm “Presse – Schule” des Spanischen Erziehungsministeriums, das Angebot der überregionalen Tageszeitung EL PAÍS und die Kooperation mit der Telefongesellschaft Telefónica.
(merz 2006-01, S. 58-64)
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: María Luisa Sevillano García
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medienreport
Christian Weißenburger: Blogs für die Leseförderung
Das Lesetagebuch ist eine anerkannte Methode der Leseförderung, die vor allem im Zuge des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts (vgl. Waldmann 1984/Haas, Menzel, Spinner 1994) an Bedeutung gewonnen hat. Eine Vielzahl von Publikationen belegt die Anwendungsmöglichkeiten im Unterricht und beschreibt die Erfolge dieser Arbeitsweise (z. B. Bertschi-Kaufmann 2003/Schwarz 2000). Und doch stellt sich angesichts der Lesemise-re, wie sie PISA und andere Untersuchungen vor allem für die Jungen konstatieren, die Frage, ob die neuen Medien für Leseförderung nicht noch gewinnbringender genutzt werden können.Die technische Entwicklung des Internets spielt den Didaktikern nun ein neues Instrument zu, das die erprobten Lesetagebücher mit den motivationalen Vorteilen der neuen Medien kombi-nierbar macht: So genannte „Blogs“.Lesetagebücher und die ProblemeLesetagebücher werden zum Erarbeiten von Texten in offenen Unterrichtsformen gern und häufig von LehrerInnen eingesetzt. Sei es nun als „Mittel zur Dokumentation gelesener Bü-cher“ (Hintz 2002) oder zur Reflexion des Gelesenen – stets erfüllen die Lesetagebücher eine lesebegleitende Funktion, die eine Verbindung von Lesen und Schreiben impliziert. Dabei wird allerdings das Medium zu wenig in Bezug auf die Adressaten reflektiert.Lesetagebücher bilden per definitionem eine Form des Tagebuchs, einer literarischen Text-form, die auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblickt. Dabei war und ist, nicht zuletzt durch die Momente der Selbstreflexion und ausgedrückter Emotion, das Tagebuchschreiben eine eher weiblich konnotierte Beschäftigung.Diese Tatsache birgt für eine Umsetzung im Unterricht Schwierigkeiten. Gerade die bei PISA als Problemgruppe diagnostizierten Jungen der Hauptschule in der Altersklasse um 14 Jahre befinden sich in einer Lebensphase, in der Abgrenzungen zu den als weiblich eingestuften Tätigkeiten und Eigenschaften als unumgänglich empfunden werden.
Die Interessen der Jun-gen liegen darüber hinaus weniger beim Lesen und Schreiben, sondern vielmehr bei den Neu-en Medien (vgl. JIM-Studie 2002/Marci-Boehncke 2005).Nun stellt sich die Frage: Inwiefern können die Erfolge von Lesetagebüchern mit den Interes-sen der Jungen verbunden werden, ohne die Vorlieben der Mädchen dabei aus den Augen zu verlieren? Gibt es Möglichkeiten die Vorteile beider Medien, die Chancen für Leseförderung durch Lesetagebücher sowie den hohen Aufforderungscharakter des Internet, miteinander zu kombinieren?Blogs – ein neues MedienphänomenDas Wort „Blogs“ ist eine Kurzform von „Weblogs“. Es handelt sich dabei um eine Wortneu-schöpfung aus den Wörtern „Web“ und „Logbuch“, was schon die Verbindung der beiden Medien Internet und Buch, bzw. Tagebuch impliziert. Es handelt sich bei den Blogs um öf-fentlich im Netz publizierte Tage- oder Notizbücher, die in Form von Webseiten so organi-siert sind, dass die jeweils neueste Nachricht stets oben angefügt wird. Optisch und funktional unterscheiden sich diese Seiten nicht von gewöhnlichen Webseiten, allerdings bieten sie eine Reihe von Vorteilen, die sie zu einem Massenphänomen werden lassen. Elementar ist die einfache Einrichtung und Bedienung der Blogs. Um sein eigenes Online-Tagebuch einzurichten und zu führen braucht der Nutzer lediglich einen Computer mit Inter-netzugang sowie einen Anbieter (Provider). Es sind keinerlei Programmierkenntnisse vonnö-ten. Die Artikel (Postings) werden in einem Editor wie in Word eingegeben und sind ebenso einfach über Schaltflächen formatierbar. Dabei wird jeder Arbeitsschritt vom Providerpro-gramm ausführlich erklärt. Für das spätere grafische Design des Blogs werden unterschiedli-che, ansprechende Vorlagen angeboten, die, per Mausklick anwählbar, den Text in eine tren-dige Form bringen. So ist der Einstieg geradezu kinderleicht und auch für in den neuen Me-dien eher Unbewanderte problemlos.Folglich wächst sich das Bloggen zu einem neuen Online-Trend aus. Etwa 60 Millionen Men-schen nutzen Blogs inzwischen, in Deutschland bloggen bislang etwa 200.000 Bürger, Ten-denz steigend. Neben der einfachen Bedienung der Blogs qualifizieren sie sich aber vor allem durch eine bislang nicht gekannte Funktionalität auch für den Einsatz in der Schule.Wie bereits beschrieben, kann der Nutzer auf der Seite Texte veröffentlichen. Neben Texten lassen sich aber auch Bilder einstellen oder Links zu anderen Seiten setzen. Die entscheidende Neuerung liegt allerdings in der Interaktivität von Blogs.
Jeder Besucher der Seite kann zu den eingestellten Texten mit Hilfe einer Antwortfunktion Kommentare ver-fassen. Es entsteht ein Diskussionsforum! Dabei kann jeder Teilnehmer jederzeit von jedem Rechner mit Internetanschluss an der Diskussion teilnehmen und auch die Einträge der ande-ren Diskutanten betrachten und darauf reagieren. Diese Funktionen werden zwar teilweise auch von den bereits bekannten Chat-Rooms bedient, die Nachrichten in Blogs sind allerdings darüber hinaus nicht auf zeitnahe Kommunikation angewiesen, sondern halten die Notizen dauerhaft vor. Darüber hinaus halten Blogs noch weitere Möglichkeiten bereit, wie die „Trackback-Technik“, die ein Verlinken mit anderen Sites problemlos ermöglicht, sowie die RSS-Technik, die eine Form von Abo-Service darstellt und die neuesten Infos eines Blogs stets aktuell auf den heimischen Rechner zustellt. Blogs als LesetagebücherDie Ausführungen zeigen: Blogs sind geradezu prädestiniert, als Lesetagebuch eingesetzt zu werden. Dabei findet in vielerlei Hinsicht eine Erweiterung der Möglichkeiten der bisherigen Form statt. Der Einsatz neuer Medien stellt eine motivationale Aufwertung des Lesetagebuchs dar. Vor allem Jungen werden über das Medium Internet, zu dem sie eine hohe Affinität aufweisen, den Zugang zu Lesetagebüchern leichter finden. Zudem werden über den spielerischen Umgang mit dem Computer und dem Internet einer-seits Kompetenzen vermittelt, wie sie von den Bildungsplänen im Bereich „Neue Medien“ gefordert werden. Andererseits können daran soziale Lernziele wie die Stärkung des Selbst-bewusstseins sowie eine hohe Identifikation mit dem in der Gruppe Erarbeiteten angeknüpft werden. Darüber hinaus bieten Blogs mit ihrer interaktiven Struktur als Diskussionsforum eine Mög-lichkeit, sich über das Gelesene sowie die eigene Meinung und die anderer auszutauschen, und das ohne zeitliche und räumliche Einschränkung. So ist neben dem Austausch mit Klas-senkameraden selbst eine Diskussion über Ländergrenzen und Kontinente, beispielsweise mit Schülern einer Partnerschule, problemlos und ohne Mehraufwand durchführbar.Aufbauende Synergieeffekte für das Sprachenlernen oder interkulturelle Projekte seien hier nur angedeu-tet.
Die Trackback-Technik macht es zudem möglich, die Blogs als eine Art Portfolio zu einzel-nen Teilthemen zu installieren, die dann jeweils miteinander verlinkt ein Netzwerk zu einer Lektüre bilden und somit verschiedene Teilaspekte unabhängig beleuchten können. So kann Gruppenarbeit an verschiedenen Stellen der Lektüre zeitgleich erfolgen.Ganz „nebenbei“ arbeiten die Jugendlichen dabei mit dem Arbeitsmittel „Lesetagebuch“ – mit allen positiven didaktischen Konsequenzen, die diese Methode beinhaltet. So findet ein spie-lerischer Umgang mit Literatur statt, der zwar das Lesen von Literatur ins Zentrum stellt, dar-über hinaus aber den Produktionsaspekt betont und die Schülerinnen und Schüler ermutigt, ihre eigenen Erfahrungen, Meinungen und Wünsche zum Buch auszudrücken und der Diskus-sion im Plenum zu stellen. AusblickEs wird deutlich, dass Blogs eine Vielzahl von Features bereithalten, wodurch sie für den künftigen Einsatz in der Schule bedeutend werden. Im Rahmen einer Dissertation an der Pä-dagogischen Hochschule Ludwigsburg zur Leseförderung bei Jungen wird momentan diese neuartige Technik als Lesetagebuch eingesetzt und evaluiert.
Literatur:
Bertschi-Kaufmann, Andrea (2003). Das Lesetagebuch. Anregungen für alle Schulstufen. In: Die Grundschulzeitschrift 17/165-166, S. 22-23
Haas, Gerhard/Menzel, Wolfgang/Spinner, Kaspar H. (1994). Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht. In: Praxis Deutsch 123, S. 17-25
Hintz, Ingrid (2002). Das Lesetagebuch: Intensiv lesen, produktiv schrieben, frei arbeiten. Bestandsaufnahme und Neubestimmung einer Methode zur Auseinandersetzung mit Büchern im Deutschunterricht. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren. (=Deutschdidaktik aktuell; Bd. 12)http://www.stern.de/computer-technik/internet/:Internet-Trend-Der-Weg-Blog/545969.html [Zugriff: 14.09.2005].
www.stern.de/computer-technik/internet/545997.html [Zugriff: 14.09.2005]http://www.stern.de/computer-technik/internet/546011.html?nv=ct_mt [Zugriff: 14.09.2005]http://www.stern.de/computer-technik/internet/546012.html?nv=ct_mt [Zugriff: 14.09.2005].
JIM-Studie (2002). www.mpfs.de/studien/jim/jim02.html [Zugriff: 14.09.2005]Marci-Boehncke, Gudrun (2005). Unter der Lupe. Das Buch und seine Fans im Medien-dschungel. In: Didaktik Deutsch 18. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. S. 31-46
Schwarz, Johanna (2000). Das Lesetagebuch als Dokument von Leseerfahrungen. In: Informationen zur Deutschdidaktik 24/2, S. 115-129
Waldmann, Günther (1984). Grundzüge von Theorie und Praxis eines produktionsorientierten Literaturunterrichts. In: Hopster, Norbert (Hg.): Handbuch „Deutsch“. Paderborn: Schöningh. S. 98-141
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Christian Weißenburger
Beitrag als PDFEinzelansichtKathrin Demmler: Podcast - Radio mobil
Podcast – Radio mobilIm Gegensatz zu bewegten Bildern aus Film und Fernsehen haben Töne aus Radio und Musikindustrie schon früh das Internet erobert. Dank MP3 konnten Audiodateien gut komprimiert und relativ schnell heruntergeladen werden. Ein großer Enthusiasmus wollte dabei aber nie aufkommen. Das Downloaden war und ist zwar bei Jugendlichen sehr beliebt, allerdings geht es hier um Songs und Klingeltöne. Radiosender nutzten das Internet bisher allenfalls als Archiv. Mit dem Hype um den Ipod und dem damit einhergehenden generellen Boom an MP3-Playern – 2005 besaßen 66 % aller Jugendlichen einen MP3-Player – entstand aber ein neuer Bedarf an Content.
Die großen Festplatten wollten gefüllt werden und neben Musik stieg auch das Interesse an Hörbüchern, Radiobeiträgen und Co. Zum Ipod kam der Podcast. In Podcasts werden alle bisherigen Technologien zusammengefasst. Die Beiträge stehen als MP3 zum Herunterladen zur Verfügung, werden online gestreamt und können nun zusätzlich mit einem kleinen Software-Tool, dem Podcast-Empfänger, in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden. Dazu müssen die NutzerInnen lediglich die Podcast-Adressen (RSS-Feed) ihrer Lieblingssender eintragen, regelmäßig online gehen und ihren MP3-Player an den Computer anschließen. Automatisch werden dann neue Podcasts heruntergeladen und in einem selbst gewählten Verzeichnis, auch direkt auf dem MP3-Player gespeichert. Podcasts boomen heute, wie im letzten Jahr die MP3-Player geboomt haben. Alle großen Radiosender stellen ganze Sendungen oder Airchecks ihrer Sendungen in einem Podcast zur Verfügung. Um nur einige Beispiele zu nennen: Dasding vom SWR bietet Podcasts in sechs verschiedenen Kategorien an, der bayerische Rundfunk stellt Podcasts aus jedem Sender, vom Wochenhoroskop bis zu Land und Leute, zur Verfügung.
Neben den Radiosendern bieten Privatleute regelmäßig themenzentrierte Podcasts an , Bands nutzen Podcasts zur Vorankündigung von neuen Platten . Das in Brechts Radiotheorie formulierte Postulat, den Empfänger zum Sender zu machen, wäre damit so leicht umsetzbar wie noch nie. Man muss sich nicht mehr in die Studios eines Offenen Kanals oder Aus- und Fortbildungskanals wagen, um seine Meinung der Öffentlichkeit kund zu tun, sondern kann dies mit einem Computer und Mikrofon bequem von zu Hause aus machen. Aktuell ist der Enthusiasmus groß, dabei sind aber noch viele Fragen offen. Wie sieht es mit der Finanzierung von Radiosendern aus, wenn die Sendungen in Einzelclips zerlegt via Podcast ausgestrahlt werden? Wie verändert sich das Radioprogramm, wenn mehr Leute das Angebot via Podcast hören als über das Radio? Wie kommen Menschen an aktuelle Informationen, wenn sie sich ihr Radioprogramm für den Tag am Morgen auf ihren MP3-Player laden? Medienpädagogisch lassen sich diese Fragen nicht beantworten, aber es ist eine Chance und Herausforderung, sich mit der Entwicklung auseinander zu setzen, denn während die Einschaltquoten sinken, steigen die Downloadquoten und das Interesse am Veröffentlichen von eigenen Beiträgen wächst. Radiosender versuchen über das Internet neue Zielgruppen zu erreichen, andere versuchen überhaupt eine Zielgruppe zu finden und manche versuchen sich einen modernen Touch zu geben. Das erzbischöfliche Ordinariat Regensburg stellte 2005 einen Adventskalender als Podcast zur Verfügung ... Somit bleibt viel auszuprobieren und es wäre interessant zu wissen, ob Brecht wohl seine neuesten Werke über Podcast vertrieben hätte?
Quellen: JIM-Studie 2005, www.dasding.de/info/wissen/podcasting/podcast.html www.br-online.de/br-intern/thema/download/all-feeds.xml wissenschaft.wanhoff.de/podcast.phpbestof.tocotronic.de/podcast/bestoftocotronic.rss
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Kathrin Demmler
Beitrag als PDFEinzelansichtCarola Schöppel: Kindermärchenbuch zum Download
„Schokobär und Marzihäschen – ein Wintermärchen“ von Axel Dahm ist das erste Kinderbuch, das komplett im Internet gelesen, herunter geladen, gehört und auch gekauft werden kann. Trotz seiner Webpräsenz ist das Wintermärchen auch im Buchhandel erhältlich.
Die Geschichte erzählt vom kleinen und etwas schüchternen Marzihäschen sowie von seinem besten Freund, dem großen und mutigen Schokobär, die beide vom alten Zuckerbäcker Leopold mit liebevoller Handarbeit gefertigt wurden. Leopold hat seine Zuckersachen grundsätzlich immer nur ganz besonders braven Kindern gegeben, seine beiden Prachtexemplare – Schokobär und Marzihäschen – wollte er ohnehin nicht verkaufen. Als aber eines Tages Karamelitus Kranenberg, ein reicher Mann aus der Ferne, sich die zwei Zuckertierchen durch eine Lüge aneignet, um mit ihrer Schönheit angeben zu können, startet ein großes Abenteuer für die zwei Helden des Märchens. Denn schließlich waren sie ja dafür bestimmt, braven Kindern eine Freude zu machen und nicht dafür, dass sie von reichen Menschen zur Schau gestellt werden. Und noch dazu ist Karamelitus’ Tochter ganz und gar nicht artig, sondern spielt sowohl den Menschen als auch den Tieren böse Streiche!Wird es den beiden gelingen, den Weg zum alten Leopold zurück zu finden und den Betrug aufzuklären?
Die Internet-Seite ist benutzerfreundlich aufgebaut. Schnell erschließen sich die entsprechenden Buttons, mit denen man das Märchen lesen, herunter laden, anhören oder kaufen kann. Das Layout der Seite entspricht dem Märchenbuchcharakter der Geschichte und stellt somit die Verbindung zum gebundenen Buch her.
Dass das Buch trotz der Webpräsenz gekauft werden wird, davon ist der Autor überzeugt: „Der Inhalt eines Buches, zumal eines Kinderbuches wirkt erst, wenn man es immer wieder zur Hand nehmen, anschauen und lesen kann. Der Wert eines Buches wird immer bleiben und kann durch das Internet nicht ersetzt werden.“ Die Veröffentlichung im Internet diene laut seiner Aussage lediglich dazu, dass Eltern bei der sehr großen Auswahl an Kinderbüchern nicht „die Katze im Sack“ kaufen müssen, da sie das Buch vorher im Internet in Ruhe durchblättern und bewerten können. Das Internet erleichtert also lediglich die Entscheidung für ein Buch.„Schokobär und Marzihäschen – ein Wintermärchen“ ist Axel Dahms erstes Kinderbuch und ist für Kinder ab drei Jahren gedacht. Es liest sich wie ein schönes Märchen von früher, als die Helden noch richtige Abenteuer bestehen mussten. Sitte Klijn-Hudson hat das Buch aufwändig illustriert und als Märchenbuch inszeniert.
www.schokobaer-und-marzihaeschen.de
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Carola Schöppel
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Grisko: Telenovelas
Sie heißen Lisa, Sophie oder Tessa, sind „Verliebt in Berlin“, „Braut wider Willen“, führen ein „Leben für die Liebe“ oder sind wie „Lotta in Love“ (so der Titel des täglichen Fernsehmärchens, im Frühjahr auf ProSieben anlaufen soll ).Nach dem Erfolg des sonst wenig experimentierfreudigen ZDF mit „Bianca – Wege zum Glück“ im Jahr 2005 und dem Deutschen Fernsehpreis im gleichen Jahr für „Verliebt in Berlin“ (SAT.1) gehört das Wort „Telenovela“ – in vielen medienwissenschaftlichen Lexika noch verschämt versteckt in den historischen Urgründen der „Serie“ – längst zum Wortschatz jedes durchschnittlichen deutschen Fernsehzuschauers und zum eloquent beschworenen Gegenstand feuilletonistischer Medienkritik. So diagnostizierte Andrea Kaiser im letzten Jahr die „fiktionale Karamelkernschmelze Telenovela“ und die erste Herzschmerz-Bianca wurde kurzerhand zum „blonden Seniorinnen-Engel des ZDF.“ (Kaiser 2005) Mittlerweile sendet das ZDF die Telenovelas im nachmittäglichen Doppelpack.Und so haben auch die Programmplaner der großen deutschen Sender längst jenes brückenschlagende Format zwischen bezahlbarem fiktionalen „Gefühlsfernsehen“ und hochindustriell gefertigtem Massenprodukt als Einstieg in die so wichtige Access-time des deutschen Vorabendprogramms entdeckt und wollen gar nicht mehr von ihm lassen.
Als Folge boomen die Produktionsfirmen (vgl. Siebenhaar 2005), neue Produzenten entstehen , es werden eigene Scriptschulen (vgl. Kals 2005) gegründet und kurzfristig kursierten sogar Pläne, ganze Sender mit dem segensbringenden Format der Telenovela zu bestücken. So plante das 1996 gegründete israelische Unternehmen Dori Media Group, das sich auf die Produktion und den Vertrieb von Telenovelas spezialisiert hat, ein eigenes Telenovela-Angebot. Als möglicher Starttermin (bei unklarem Finanzierungsmodell) wurde April 2006 genannt. Und nach dem Niedergang des deutschen Kinos sind es die deutschen Fernsehanstalten, die dafür sorgen, dass weniger der Mythos als vielmehr die Bilanz der Medienunternehmer in Babelsberg wieder leuchtet (Pauli 2005).Im Programmfluss sorgen die Telenovelas – im südamerikanischen Fernsehen attraktives Rahmenprogramm für hochpreisige Werbung – für eine erneute Veränderung des nachmittäglichen Fernsehprogramms. Langsam werden die Gerichtsshows von ihren Sendeplätzen verdrängt, die ihrerseits den Drang der Trash-Talkshows zur zunehmenden Fiktionalisierung längst habitualisiert hatten. Das kurzzeitig gehypte Reality-TV scheint auf dem Rückzug. Langsam schließt sich so vielleicht jene Lücke, die bislang noch zwischen den ebenfalls schon im industriell gefertigten Fließbandverfahren hergestellten Ermittlershows à la „Lenssen und Partner“ (SAT.1) und K11 (SAT.1) den Daily Soaps und den Gerichtsshows existiert. Die Telenovela verschärft den bereits seit einiger Zeit beobachtbaren und nun konvergierenden Trend zur Vereinfachung, Serialisierung und zunehmenden Vorhersehbarkeit im Bereich des fiktionalen Fernsehens. „Gefühlsfernsehen“ oder „Wohlfühlfernsehen“ nennen wohlwollende Programmplaner dieses im Trend der weichspülenden und schicksalsverstehenden „Kernerisierung“ und „Pilcherisierung“ des Programms mitschwimmende und mittlerweile Maßstäbe setzende Genre. Entscheidend ist wohl auch die Tatsache, dass im Gegensatz zu den erfolgreichen Daily Soaps, wie etwa „Marienhof“ (ARD), „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (RTL) und „Unter uns“ (RTL) und wöchentlichen Serien („Lindenstraße“, ARD) noch klarere Erwartungshaltungen und Gewissheiten beim Publikum bedient werden: Es sind nicht mehr mehrere Handlungsstränge, die miteinander verknüpft werden müssen. Im Mittelpunkt der Telenovelas stehen die Erlebnisse einer weiblichen Protagonistin (blond, langhaarig, ‚Seelchenblick’), die in neuer Umgebung die Liebe ihres Lebens – natürlich nach allerlei Umwegen – findet. Oder wie es Andrea Kaiser formuliert: „Auch künstlich verzögert, bleibt das Ende absehbar.“ (Kaiser 2005)
Es sind die bekannten und immer wieder gern bemühten Versatzstücke der Groschenheftdramatik, die – vor allem bei ZDF und ARD – gemischt werden: Standesunterschiede, Intrigen, Lügen, Missverständnisse, Verzicht. Es fällt nicht schwer, dem Spiegelkritiker zuzustimmen, der schrieb: „Die ZDF-Julias und ARD-Lauras sind absolut humor- und realitätsfreie Courths-Maler-Zone“. Die ARD variiert dieses Schema mit Soap-Sternchen Yvonne Catterfeld historisch. Und bei SAT.1, wo das in entsprechenden Stoffen mündende Interesse an den 19- bis 49-jährigen Zuschauern deutlich höher ist und auch schon mal der richtige Weihnachtsmann auftreten darf, ist die Protagonistin Lisa Plentzke schon etwas eigenständiger und -williger – es bleibt aber in der Grundlage die Wandlung vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan. Und damit ein modern gewandeltes Märchen und Glücksversprechen.Mittlerweile unverzichtbar sind die medienbegleitenden Aktionen im Internet (Chat, Fanclub, Lifestyle) und im Print-Bereich (Zeitschriften, Bianca-Romane). Und selbst gestandene Stern-Redakteurinnen dürfen fernab einer gesellschaftlichen Bewertung und übergreifenden kritischen Einordnung ihre Telenovela-Sehnsucht beschreiben (Holst 2005). Auch insofern nur eine Fortsetzung bekannter Verhältnisse und nichts Neues.Und die Gründe für den Erfolg? „Bianca“ erreichte einen Marktanteil von 24,6 % (12,3 % bei den 14- bis 49-Jährigen); „Verliebt in Berlin“ (startete bei 16,6 % bei den 14- bis 49-Jährigen, zwischenzeitlich bei ca. 25%) und „Sturm der Liebe“ (5 % bei den 14- bis 49-Jährigen). Die zwischenzeitlich gestartete ZDF-Telenovela „Julia“ brachte es nicht auf die Traumquoten der Vorgängerin „Bianca“. Vielleicht hat Claus Beling, Leiter der Hauptredaktion Unterhaltung Wort beim ZDF und Vater des Novela-Booms recht, wenn er in einem Interview betont: „Das Menschliche wird in einer Zeit, die in der Realität zunehmend als kalt empfunden wird, von vielen Menschen gesucht im Erzählen interessanter, sympathischer Figuren. [...] Je kälter die Außenwelt, desto interessierter ist man an einer warmen Menschlichkeit aus dem Fernsehen.“ Diese Menschlichkeit umfasst auch narrative und gesellschaftliche Vorhersehbarkeit, Überschaubarkeit und Gewissheit in einer zunehmend komplexeren Welt. Und so vermutet die Zeitung „Die Welt“ einen Trend: „Der Zuschauer ist offenbar des Kämpfens (Big Brother), Wählens (Deutschland sucht den Superstar) und Abstrafens (Dschungelcamp) müde.“ Das Publikum suche, „von Rezession und Hartz IV derart verunsichert“, so die Analyse weiter, „sein Heil nun in überschaubaren Strukturen und Abläufen – kurz in der Regression“. Unter dem Stichwort der Trivialisierung, unterfüttert mit Elementen der kritischen Theorie, hat man in den 1970er Jahren schon einmal auf die Gefahren der fiktionalisierten Darstellung standardisiert-menschlicher Verhaltensweise hingewiesen.
Wieder einmal mehr ist die Medienpädagogik gefragt, um Seh- und Rezeptionsgewohnheiten ausdifferenzierend zu hinterfragen.Viel stärker scheint der Schaden in einem anderen wichtigen Segment zu sein. Während sich die beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehsender konsequent einer Debatte über den Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entziehen und die Programmkonvergenz schleichend voranschreitet, verliert sich das Kulturgut Fernsehen immer mehr zu einem reinen Wirtschaftsgut. Dies konstatiert auch der Medienpublizist Dietrich Leder in seiner Kritik an der ARD: „Die ARD handelt genau dort rein wirtschaftlich, wo sie einst kulturell bedeutsam war – auf dem Feld des Fernsehfilms, des Dokumentarfilms, der anspruchsvollen seriellen Erzählung. Sie verhält sich im Sinne eines kulturellen Protektionismus dort, wo sie wirtschaftlich agieren müsste. Oder anders gesagt: Unter dem Kunstvorbehalt steht in der ARD nur noch der Kitsch. Man kann sich auf elegantere Weise umbringen.“ (Leder 2005) Und auch der Spiegel muss feststellen: „Aber so konsequent und hemmungslos wie die Öffentlich-Rechtlichen wagt bislang kein Privatsender, die Kitschfenster sperrangelweit aufzureißen.“ Tatsache ist, dass der finanzielle Druck auf die privaten und öffentlich-rechtlichen Sender immer größer wird. Dies ist ein weiterer Grund für den Erfolg der Telenovelas, denn es sind vor allem neue und konsequent industrialisierte Produktionsweisen der Jahresserien, die nicht nur den kurzfristigen Erfolg garantieren, sondern langfristig das gesamte Produktionssystem umkrempeln.Denn auch im industriellen Bereich setzen die Produzenten neue Maßstäbe. Für das ZDF produziert Grundy UFA 47 Sendeminuten, d. h. eine komplett geschnitten und postproduzierte Sendung am Tag – bei geschätzten Kosten von ca. 110.000 Euro. Zwei Drehteams und mehrere Autoren und Storyliner arbeiten parallel an der Fertigstellung jeweils einer Folge. Krankheiten der Hauptdarsteller in dem jeweiligen Drehjahr: unerwünscht, Reaktionen auf neue Trends: jederzeit möglich.
Die Bavaria, Produzentin der ARD-Romanze „Braut wider Willen“, setzt auf die vollständig digitale Produktion und die direkte Übertragung der Drehergebnisse auf Festplatte und Server: Umkopieren und neu einspielen unnötig. Dieser sogenannte tapeless workflow spart Zeit und Kosten.Die Kosten diktieren also das Drehtempo und bestimmen am Schluss das gesamte Programm, deren Erzähltechniken und Ästhetiken. Es sind also weniger Fernsehexperimente im Gewand der Telenovela oder der „romantischen Serie“ als vielmehr die konsequente Fortsetzung bereits industrialisierter Programmmarken und -formate in einem von Seiten der Fiktionalisierung und Industrialisierung radikal zu Ende gedachten und auf den aktuellen deutschen Fernsehmarkt zugeschnittenen Setting, das – solange es Quoten bringt – auf den Sendeplätzen zu finden sein wird.
Literatur
Gangloff, Tilmann P. (2005). Sehnsucht nach der schönen heilen Welt. In: Neue Zürcher Zeitung, 07.10.2005
Holst, Evelyn (2005). Bye-bye, Bianca! In: Stern, 06.10.2005
Kals, Ursula (2005). Aschenputtels Erben. Drehbuchschreiben für die Telenovelas. Solides Handwerk und viel Süßstoff. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.12.2005
#Kaiser, Andrea (2005). Kreativmaschinerie. Telenovelas und ihre billige Produzierbarkeit. In: epd-Medien, 23.11.2005Pauli, Harald (2005). Babelsberg leuchtet wieder. In: Focus, 19.12.2005
Siebenhaar, Hans Peter (2005). Telenovelas bescheren UFA Rekorderlös. Deutschlands größter Fernsehproduzent hängt den von Krisen gebeutelten Konkurrenten Bavaria ab. In: Handelsblatt, 19.10.2005
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Michael Grisko
Beitrag als PDFEinzelansichtPetra Buck: "Happy Birthday Amadeus"
Das Jahr 2006 steht ganz im Zeichen eines der begabtesten Komponisten und Musiker aller Zeiten: Wolfgang Amadeus Mozart. Am 27. Januar 2005 jährte sich sein Geburtstag zum 250. Mal. Anlässlich des feierlichen Jubiläums entwickelten Vertreter aus dem Medien- und Musikbereich ein umfassendes Konzept, um das Interesse der heranwachsenden Generation für das musikalische Genre der klassischen Musik (wieder) zu erwecken, das im Zeitalter von Casting-Shows und Boygroup-Hysterie immer mehr in Vergessenheit geraten ist. Vertrautes Genre als Brücke
Doch welche zeit- und altersgemäßen Möglichkeiten gibt es, Kindern in der heutigen Zeit den Zugang zu diesem „antiquierten“ musikalischen Terrain attraktiv zu machen? Der Kinderkanal (KI.KA) von ARD und ZDF, sowie die dritten Programmen SWR, HR und NDR haben sich gemeinsam mit den Produktionsgesellschaften GATEWAY4M und „Penta TV“ (die unter anderem bereits für Beiträge der deutschen Sesamstraße verantwortlich zeichnet), dieser Herausforderung gestellt und ein entsprechendes TV-Format für die Zielgruppe der Sechs- bis Zehnjährigen entwickelt. Hauptcharakter der zunächst 26-teiligen Zeichentrickserie „Little Amadeus“ ist niemand Geringeres als das musikalische Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart. Wer wäre schließlich besser als Botschafter klassischer Musik und Identifikationsfigur für Kinder geeignet, als der kleine Amadeus, der bereits im zarten Alter von vier Jahren sein erstes Klavierkonzert komponierte? Die Wahl des Genre „Zeichentrick“ verspricht durch Anknüpfung an die kindlichen Rezeptionsgewohnheiten und -vorlieben ebenfalls Neugier und Gefallen des jungen Publikums zu wecken und ihnen eine spielerische Annährung an das Thema zu ermöglichen.
Wie beim Inhalt wurde auch bei der graphischen Gestaltung der jeweils 24-minütigen Episoden großer Wert auf die Verknüpfung historischer Fakten und unterhaltungsfördernder Stilmittel gelegt. Während die agierenden Figuren dabei einer stark comicartigen Stilisierung unterzogen wurden, orientierte man sich bei der aufwendigen Hintergrundgestaltung im Besonderen an historisch überlieferten Abbildungen. Auch inhaltlich bewegen sich Charaktere und Handlung zwischen Fiktion und belegten Tatsachen. So lassen sich zahlreiche faktische Begebenheiten, wie die Konzertreisen der Familie Mozart in die verschiedenen europäischen Metropolen, bekannte Weggefährten und historische Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts in der Serie wiederfinden. Anderes wurde dagegen neu erdacht. Die Figur des intriganten Hofdieners Devilius zum Beispiel, der zusammen mit seiner Ratte Monty unermüdlich Pläne schmiedet, um Amadeus das Leben schwer zu machen. Er steht stellvertretend für die zahlreichen Neider der Familie Mozart. Natürlich dreht sich aber auch im Leben des 8-Jährigen Mozarts nicht alles ausschließlich um Musik. Wie seine Altergenossen heckt sein freches Zeichentrick-Pendant den ein oder anderen Streich aus und erlebt mit seinen Freunden und Hund Pumperl verschiedene Abenteuer. Dies ist ein weiterer Aspekt, der den potentiellen Unterhaltungswert der Serie für eine junge Zielgruppe ausmacht. Der hohe Stellenwert der musikalischen Gestaltung der Produktion versteht sich indes von selbst. Weitgehend originalbelassene Themen Mozarts werden hier durch moderne Variationen seiner bekannten Werke, eingespielt von namenhaften Solokünstlern und Combos, wie dem portugiesischem Nationalorchester, angereichert. In jeder Episode bildet zudem eine spezielle Komposition des Titelhelden den thematischen Schwerpunkt.„Little Amadeus – Die Abenteuer des Jungen Mozart“ eröffnet Kindern auf diese Weise die Option einer primär unbewussten Annährung und erlebnisorientierten Anneigung klassischer Musik. Mozart im internationalen VermarktungsdschungelDabei ist die zeitgleiche Erstausstrahlung der Serie im deutschen Kinderkanal, dem österreichischen ORF und schweizerischen SFDRS ab Mitte Januar erst die Spitze des internationalen Eroberungsfeldzuges. Weitere europäische, asiatische und afrikanische Länder haben bereits die Lizenzrechte der Sendung erworben. So lässt sich wohl auch die anfänglich befremdlich wirkende Wahl eines englischen Serientitels, für einen Gegenstand der traditionell mit dem deutsprachigen Raum verwurzelt ist, erklären. Flankiert wird der weltweite Export des edukativen Zeichentrickspektakels außerdem durch eine umfangreiche Merchandisingmaschinerie, die in Begleitangeboten wie einem mehrsprachigem Internetauftritt und anderen konvergenten Medienangeboten, von der CD über das Buch bis hin zum in Planung stehenden Kinofilm, mündet. Vom Rezipienten zum AkteurÜber den bloßen Akt der Rezeption hinaus bot der erste „Little Amadeus & Friends Aktionstag“, unter der Schirmherrschaft der deutschen Mozart-Gesellschaft, am 27. Januar Schülerinnen und Schülern sprichwörtlich „Klassik zum anfassen“. Unter dem Motto „Happy Birthday Amadeus“ wurden Musiker verschiedenster Institutionen aufgerufen, ihre Instrumente, ihr musikalisches Wissen und ihre Begeisterung für klassische Musik in deutsche Grundschulen zu tragen. Begleitend standen den Pädagogen Lehr- und Informationsmaterialien zur weiteren Vertiefung der Thematik mit ihren Schülern in unterschiedlichen Unterrichtsfächern zur Verfügung.
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Petra Buck
Beitrag als PDFEinzelansichtCarola Schöppel: Ein Jugendlicher gerät auf die schiefe Bahn
Der Roman „Rolltreppe abwärts“ des kürzlich verstorbenen Hans-Georg Noack wurde schon über drei Millionen Mal verkauft. Nun ist er zum ersten Mal verfilmt worden – von und mit Jugendlichen! Regisseur Dustin Loose (18) und Produzent Christopher Zwickler (20) gründeten für das außergewöhnliche und einzigartige Filmprojekt gemeinsam mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern vom Bonner Hardtberg-Gymnasium die Filmproduktionsfirma SceneMissing und sicherten sich Unterstützung von Profis und Unternehmen aus dem Filmbereich zu.
Zum Inhalt: Der 13-jährige Jochen hat keine Freunde. Mit seinem zukünftigen Stiefvater gibt es nur Streit und seine Mutter arbeitet sehr viel, um ihre Familie durchzubringen, weshalb Jochen oft alleine ist. Er sehnt sich nach Freundschaft, Aufmerksamkeit und Geborgenheit. Aus Hunger beginnt er mit kleinen Kaufhausdiebstählen, die sich jedoch ausweiten. Dabei lernt er den älteren Alex kennen, der Jochen alles zu bieten scheint, was er sucht. Als Jochen aber eines Tages bei einem seiner Diebstähle erwischt wird, distanziert sich Alex von ihm; aus Wut und Enttäuschung über dessen Verhalten schlägt Jochen Alex zusammen. Seine Mutter weiß sich nicht mehr anders zu helfen und übergibt Jochen einem Fürsorgeheim, wo ihn der harte Drill und die tägliche Kontrolle von Herrn Hamel erwarten.
Für Jochen erscheint sowohl sein Verbleib als auch seine Rückkehr nach Hause ausgeschlossen. Er beschließt, aus dem Heim auszubrechen. Auf einem zerstörerischen Streifzug durch die Stadt eskaliert die Situation...
Der junge Hauptdarsteller Timo Rüggeberg, der in einem offenen Casting entdeckt wurde, kann in der Rolle des frustrierten, einsamen und verzweifelten Jugendlichen überzeugen. Durch die teilweise überzogene Darstellung der Personen gewinnt der Film neben seiner Handlung nochmals an Dramaturgie.
Der Roman von Hans-Georg Noack spielt im Jahr 1971 – der Film hingegen im Jahr 2005, was der Zuschauer u. a. daran erkennt, dass Jochen im Film nicht ein Transistorgerät, sondern einen MP3-Player klaut.„Rolltreppe abwärts“ – Ein wirklich gut gelungener Film von Schülern für Schüler. Ein Film, der zum Nachdenken anregt.
Rolltreppe abwärts
Deutschland 2005, 79 Min.
Regie: Dustin Loose
Darsteller: Timo Rüggeberg, Jürgen Haug, Giselheid Hönsch
Verleih: Zorro Film GmbH
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Carola Schöppel
Beitrag als PDFEinzelansichtCarola Schöppel: Der größte Herzensbrecher aller Zeiten
„Casanova“ ist eine romantische Komödie über den legendären Autoren, Philosophen und Herzensbrecher Giacomo Casanova. Regisseur Lasse Hallström hat sich auf erfrischend moderne und humorvolle Weise dem unsterblichen Mythos Casanovas genähert und vor der nostalgischen Kulisse des Venedig des 18. Jahrhunderts einen Film mit vielen Verwechslungen und Intrigen geschaffen.
Nach zahlreichen Liebschaften lernt Giacomo Casanova die selbstbewusste Schriftstellerin Francesca Bruni kennen, die, wie es scheint, die einzige Frau ist, die seinem Charme widerstehen kann. So muss Casanova plötzlich den Unterschied zwischen dem Reiz der Eroberung und der Macht der wahren Liebe erkennen und erstmals um die Gunst einer Frau werben. Dies wird ihm aber zusätzlich erschwert, da Francesca bereits einem reichen Unbekanntem versprochen wurde...
„Casanova“ ist ein witzig gestalteter Film, der sein Publikum zum Lachen bringt. Allerdings sollte sich der Zuschauer keine hintergründigen Informationen zum Leben und Wirken des Giacomo Casanova erwarten, da es sich hier lediglich um eine unterhaltsame und romantische Liebeskomödie handelt.
Casanova
USA 2005, ca. 100 Min.
Regie: Lasse Hallström
Darsteller: Heath Ledger, Sienna Miller, Jeremy Irons
Verleih: Buena Vista International
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Carola Schöppel
Beitrag als PDFEinzelansichtKati Struckmeyer: Eine behutsame Erkundung des Wesens der Liebe und ihrer Grenzen
Was passiert, wenn sich eine junge Frau, die geistig behindert ist und ihr Zivi ineinander verlieben? Die Frage, die Regisseur Leo Hiemer in seinem Film „Komm, wir träumen!“ stellt, ist umso spannender, als die Auseinandersetzung damit fast keine Öffentlichkeit hat.Nach einem autobiografischen Roman von Volker Jehle erzählt Hiemer von Ulrike, die sich nicht in die „normale“ Welt einzuordnen vermag und den Alltag durch ihre unbändige Emotionalität „stört“, was in wilden Anfällen zum Ausdruck kommt.
Eckart, der die Werkstattgruppe, zu deren Beschäftigten auch Ulrike gehört, als Zivildienstleistender übernimmt, wird von genau dieser inneren Absolutheit fasziniert. Dabei kommt er Ulrike so nah, dass die Grenzen zwischen professioneller Zuwendung, Freundschaft und Liebe langsam verschwimmen. Während Eckart unablässig mit sich und seinen Emotionen kämpft, konzentriert Ulrike ihre Gefühle mit der ihr eigenen Leidenschaft ganz auf ihn. Doch bevor sich aus der gegenseitigen Faszination tiefere Gefühle entwickeln, kündigt sich mit dem Einfluss der gesellschaftlichen Konventionen und Eckarts eigenem Zweifeln bereits das Ende dieser entstehenden Liebe an. Ein Ausgang, der den Erwartungen unserer Gesellschaft entspricht.
Aus Nähe wird wieder Distanz, und was übrig bleibt, ist der Zweifel, sich selbst und den ei-genen Gefühlen im Weg zu stehen.Leider vermag „Komm, wir träumen!“ auf der filmästhetischen Seite weniger zu überzeugen. Die episodenhafte Erzählstruktur bremst die Liebesgeschichte zuweilen eher, anstatt sie in ihrer Entwicklung zu fördern. Zu gewollt poetisch sind einige Dialoge, die dadurch an Authentizität verlieren. Dennoch, unvergesslich bleiben einzelne Szenen der wortlosen, behutsam erkundenden Zärt-lichkeit zwischen dem mit sich und seinen Grenzen kämpfenden Paar. Augenblicke, deren Hitze und Intensität man auch als Zuschauer spürt. Das Potential des Films liegt in diesen Momenten, in denen jeder Zuschauer seine eigenen Grenzen in der Auseinandersetzung zwischen Normalität und Konvention wiederfindet.
Komm, wir träumen!
D 2004, 93 Min.
Regie: Leo HiemerBuch: Volker Jehle
Darsteller: Anna Brüggemann, Julian Hackenberg, Jockel Thiersch, Beata Lehmann
Verleih: Leo Hiemer
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Kati Struckmeyer
Beitrag als PDFEinzelansichtThomas Jacob: Zug um Zug
Rundenbasierte Strategiespiele zählen zu den intellektuell anspruchsvollsten Computerspielen. Wie bei ihrem Urahn, dem Schachspiel, kommt es hier nicht auf flinke Finger und gute Reflexe an, sondern nur logisches Denken und planvolles Handeln führen zum Sieg. Der Urahn: Schach
Prinzipiell ist jedes Rundenstrategiespiel am Computer ein Urenkel des altehrwürdigen Schachs. Um nur einige Gemeinsamkeiten aufzuzählen: Die Mitspieler sind abwechselnd an der Reihe. Jeder hat eine Anzahl verschiedener Spielfiguren mit unterschiedlichen Fähigkeiten zur Verfügung. Wer an der Reihe ist, kann in aller Ruhe seine Züge planen. Das Spiel folgt einem komplexen Regelwerk. Ziel ist es, sich durch geschicktes Taktieren und Ausnutzen der Spielregeln Vorteile zu verschaffen, und den Gegner schließlich zu besiegen. Diese Merkmale haben alle Rundenstrategiespiele gemeinsam, so unterschiedlich sie auch in Aussehen und Thematik sein mögen. Und da gibt es eine riesige Bandbreite, denn in fast dreißig Jahren Computerspielegeschichte gibt es kein Szenario mehr, das nicht bereits als Hintergrund für ein Strategiespiel herhalten musste. Von Panzerschlachten über Kreuzzüge bis zu bunten Fantasywelten ist für jeden Geschmack etwas dabei. Im Mittelpunkt steht dabei naturgemäß immer die kriegerische Auseinandersetzung: Auch Schach ist ja im Grunde nichts anderes als die abstrakte Umsetzung einer Schlacht zwischen zwei Heeren.
Die Väter: Tabletops
Noch näher als mit Schach sind Computer-Rundenstrategiespiele aber mit den so genannten Tabletop-Spielen verwandt. Hierbei werden riesige Schlachtszenarien mit Hunderten von kleinen Plastik- oder Zinnfiguren auf großen Landkarten nachgestellt, die auf dem Tisch (daher der Name) oder dem Fußboden aufgebaut werden. Die Fans solcher Spiele basteln in aufwendiger Kleinarbeit realitätsgetreue Kulissen und bemalen die kleinen Figuren liebevoll. Tabletops sind allerdings ein recht teures und aufwändiges Hobby. Ohne viel Zeit, Geld und Platz zum Aufbauen des Spiels kommt kaum Freude auf. Aus diesem Grund sind Tabletops immer Nischenprodukte für eine relativ kleine Zielgruppe von Fans geblieben.Genau an diesem Punkt knüpft der Computer an. Er übernimmt praktisch all die mühselige Arbeit eines Tabletop-Spiels: Das Erstellen eines Szenarios, das Aufbauen der Figuren, das komplexe Berechnen der Kampfergebnisse. Zudem ist der Rechner ein allzeit bereiter Gegner für ein Spiel. Viele Rundenstrategiespiele der ersten Generation waren dementsprechend entweder direkte Umsetzungen von Tabletops oder zumindest stark daran angelehnt. Die Designer konnten auf erprobte und beliebte Szenarien und Regelwerke zurückgreifen, die Spieler konnten sich ganz auf das Spiel selbst konzentrieren. Das war auch bitter nötig, denn viele Programme waren wahrhaft ultrakomplex. Der Spieler musste unzählige Einheiten befehligen, die meist als kryptische Symbole dargestellt wurden. Dazu kamen die erwähnten vielschichtigen Regelwerke – ohne das Studium der dicken Handbücher ging nichts.Höhenflug und NiedergangDoch schon bald versuchten Designer, Spiele zu entwerfen, die auf die Möglichkeiten des Computers zugeschnitten waren. Das Ergebnis dieser Experimente waren Spiele, die nicht mehr viel mit Tabletops gemein hatten, und die in dieser Form nur auf dem Computer möglich waren. Seinen Höhepunkt erreichte das Rundenstrategiegenre Mitte der neunziger Jahre mit erfolgreichen Spielereihen wie Civilization, X-Com und Jagged Alliance. Diese Spiele funktionieren auf mehreren Ebenen: In X-Com beispielsweise muss der Spieler Stützpunkte rund um den Globus aufbauen, neue Technologien erforschen, Soldaten und Wissenschaftler rekrutieren, Alienraumschiffe abfangen und im Anschluss deren Besatzung bekämpfen. Erforderlich sind also sowohl langfristige strategische Planung auf globaler Ebene als auch geschicktes Taktieren in den spannenden Rundenkämpfen gegen die Aliens. Rundenstrategie gehört damit zu den anspruchsvollsten Computerspielegenres. Dementsprechend ist die Zielgruppe solcher Spiele auch deutlich älter als bei actionbetonten Genres.Rundenstrategie gehörte lange Zeit zu den beliebtesten Genres. Der sperrige Name „rundenbasierte Strategiespiele“ war bis Anfang der neunziger Jahre überflüssig, denn bis dahin waren einfach alle Strategiespiele rundenbasiert. Die langsame Rechengeschwindigkeit der Computer sowie die umständliche Tastatursteuerung der Spiele ließen gar nichts anderes zu. Erst mit verbesserten Grafiken und Mausunterstützung kamen auch Strategiespiele auf den Markt, die in Echtzeit abliefen. Spiele wie Command & Conquer, Warcraft oder Age of Empires eroberten die Charts im Sturm. Viele Spieler empfanden den hektischen Echtzeitablauf als realistischer und spannender als das gemütliche Rundenspiel. Heute gibt es nur noch wenige erfolgreiche Strategiespiele, die rundenbasiert ablaufen. Das Genre ist zur Nische geworden. Nur wenige Ausnahmen, allen voran die immer noch erfolgreiche Civilization-Reihe, bestätigen diese Regel.
(Rezension Civilization IV im nächsten Heft)
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Thomas Jacob
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Gurt: Aus dem Leben eines Kinomoguls
DVD-Rom, Win 98/Me/2000/XP, Activision 2005, freigegeben ab 12 Jahren gemäß § 14 JuschG, ca. 49,95 Euro
Spieleentwickler Peter Molyneux gilt als eine Art Guru der Computerspiele-Szene: Sein Name steht für Innovation und Kreativität, seine Spiele „Populous“ (1989), „Black & White“ (2001) und „Fable“ (2004) sind Meilensteine, was neue Ideen, ungewöhnliche Spielmechanik und unverbrauchte Szenarien angeht. Auch wenn manche seiner ehrgeizigen Projekte nicht ganz so fortschrittlich und wegweisend ausgefallen sind, wie es sich die Spielerszene jeweils erhofft hatte, sind Neuerscheinungen aus dem Hause Molyneux immer mit großen Erwartungen verknüpft.So auch bei „The Movies“, das zwei Spiele in sich vereint: Zum einen ein Aufbau-Strategiespiel im Stil von „Railroad-Tycoon“, in dem der Spielende ein Filmimperium à la Hollywood erschafft. Dabei gibt es jede Menge Management-Aufgaben zu erledigen: Das Studiogelände muss ausgebaut und gestaltet werden, Stars verpflichtet und bei Laune gehalten werden, Filme gedreht und vermarktet werden usw. Die große Herausforderung liegt in der komplexen Verknüpfung der zahlreichen Variablen des Spiels, die sich auf vielfältige Weise gegenseitig beeinflussen: So hängt die Qualität der gerade gedrehten Szenen von der „Tagesform“ der Stars ab, die wiederum von der Erfüllung ihrer sozialen und körperlichen Bedürfnisse usw. beeinflusst wird.
Ziel des Spiels ist es, im Zeitraum zwischen 1920 und 2005 in den Rang einer „Filmlegende“ aufzusteigen, indem man durch herausragende Leistungen (Kassenschlager, die größten Stars, hohe Qualität der produzierten Filme usw.) die virtuelle Konkurrenz anderer Studios aus dem Feld schlägt.Das zweite Spiel im Spiel ist eine Art Baukasten, mit dem eigene Filme gestaltet werden können, die für Gewinne an der Kinokasse sorgen sollen. Die Streifen werden aus vorgegebenen Bestandteilen zusammengebastelt, wobei die Kombination der zahlreichen Versatzstücke ein großes Spektrum an Möglichkeiten eröffnet. Dennoch ist die filmische Gestaltungsfreiheit in den einzelnen Szenen sehr eingeschränkt: Kameraeinstellungen, Lichtgestaltung, Nachvertonung usw. können nur in sehr engen Grenzen selbst festgelegt werden. Trotzdem ermöglicht es der Baukasten, Geduld und Experimentierfreude vorausgesetzt, überraschend originelle Kurzfilme zu gestalten und ganz nebenbei etwas über den Aufbau von Spannungsbögen und die filmische Auflösung von Szenen zu lernen. Ein großes Manko des Spiels besteht allerdings darin, dass die beiden Teile unverbunden nebeneinander stehen: Ob man die Filme des eigenen Studios selbst zusammenbastelt oder computergenerierte Zufallsprodukte auf den Markt wirft, hat keinen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg im Aufbaustrategieteil.Das eigentlich Interessante an „The Movies“ spielt sich sowieso außerhalb des Spiels ab: Die selbst erstellten Filme können auf die Webseite movies.lionhead.com hochgeladen und dort einem größeren Publikum präsentiert werden. Mit den von anderen Nutzern verliehenen Sternen für die Qualität des eigenen Machwerks können wiederum neue Spielelemente „gekauft“, heruntergeladen und im Spiel verwendet werden. Dieses raffinierte Belohnungssystem gewährleistet einen hohen Motivationswert. So erfreut sich „The Movies“ einer äußerst aktiven Fangemeinde, die intensiv und kontrovers über inhaltliche und formale Aspekte der selbstproduzierten Werke diskutiert.
Bisweilen werden sogar aktuelle politische Ereignisse aufgegriffen. Der Film „The French Democracy“ von Alex Chan thematisiert die Unruhen in den Pariser Vorstädten im letzten Jahr. Die Washington Post und MTV widmeten dem Kurzfilm jeweils einen Beitrag. Man darf gespannt sein, ob die Nutzerinnen und Nutzer von „The Movies“ auch in Zukunft als unabhängige Filmemacher von sich reden machen.
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Michael Gurt
Beitrag als PDFEinzelansichtThomas Hermann: Heißa - Hopsa, jetzt wird's lustig!
Karlsson vom Dach und die Kuckelimuckmedizin (2005). Nach Büchern von Astrid Lindgren. CD-ROM, Win 98/NT 4.0/2000/ME/XP, Mac ab 9.2/OS X. Hamburg: Oetinger, 24,90 €
Nach Pippi und Ronja hat der fliegende Karlsson als dritter Held aus Astrid Lindgrens kinderliterarischem Universum den Sprung von den traditionellen Erzählmedien ins Bildschirmspiel geschafft. Zwanzig Spiele verspricht der Umschlag der CD-ROM und beim Aufstarten begrüßt uns Karlsson zum «besten Spiel der Welt». Zwar sind wir es von den Büchern her gewohnt, Karlssons vollmundige Sprüche mit Vorsicht zu genießen, doch wollen wir dem «schönen, grundgescheiten und gerade richtig dicken Mann» mit Hang zur Unordentlichkeit, Hypochondrie und zu gemeinen Streichen für einmal Recht geben. Die liebevoll gestalteten Spiele erfordern vor allem Geschicklichkeit, Reaktions- und Merkvermögen sowie strategisches Denken. Sie belegen, dass die Entwicklung auch im literaturnahen Bereich der Spielgeschichten laufend Fortschritte macht. Was hier Kindern ab sechs Jahren geboten wird, ist ein witziges Feuerwerk voller Überraschungen, die gut eingebettet sind in die Rahmenhandlung.Lillebror hat in drei Tagen Geburtstag. Da seine Eltern bis dahin weg sind, schaut das mürrische Fräulein Bock nach dem Rechten. Zum Glück kommt da Karlsson und unterhält Lillebror in dessen Zimmer, bei sich in der Rumpelkammer auf dem Dach und nimmt den Jungen mit auf Flüge durchs Stockholmer Wasaquartier.So tauchen wir schnell in Karlssons Welt ein, machen seine Bude sauber, spielen Murmeln im Sandkasten und Karten mit Gunilla und Krister oder versuchen, Karlssons Blitzreaktionsapparat in den Griff zu bekommen. Flößen wir Karlsson die richtige Medizin ein, können wir den vielseitigen Kumpel in abenteuerlichen Rollen erleben. Da das Anspruchsniveau mit zunehmender Fertigkeit automatisch steigt, merkt man kaum, wie die Zeit vergeht. Und Lillebror vergisst fast, dass er einen Hund zum Geburtstag möchte – aber selbst dieser Wunsch geht hier in Erfüllung!
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Thomas Hermann
Beitrag als PDFEinzelansichtSusanne Friedemann: Kleiner Computer für kleine Kinder
Leapfrog: Leapster Multimedia-Lernsystem (Handheld-Konsole), www.leapfrog.de, 99,99 € Leapfrog: Software für Leapster Multimedia-Lernsystem Spider-Man, 34,99 €
Leapfrog: Software für Leapster Multimedia-Lernsystem Geschichten mit Leap, 34,99 €
Der „Leapster“ ist ein kleiner tragbarer Kindercomputer (so genanntes „Handheld“), der Kindern von vier bis acht Jahren spielerisch den Einstieg ins Lernen erleichtern soll, wobei mit Hilfe des kleinen Touch-Displays besonders auf die Schulung der Motorik der jungen Nutzerinnen und Nutzer Acht gegeben wird. Gesteuert wird die Konsole mit einem „Stift“ sowie diversen, gut erreichbaren Navigationsknöpfen. Doch leider scheinen nicht alle Bauteile so optimal durchdacht zu sein. Defizite der Konsole liegen zum einen in dem Diplay-schützenden Gummideckel, den kleine Kinderhände kaum alleine öffnen können, zum anderen in der schwachen Display-Grafik. Zwar können Kontraste geregelt werden, dennoch wirkt das ohnehin recht kleine Farbdisplay blass und streifig.
Der Spaß- und Lernfaktor der Konsole ist abhängig vom jeweils verwendeten Softwaremodul, das wie etwa bei einem Gameboy ausgetauscht werden kann. Die Geschichten mit Leap-Software beispielsweise umfasst mehrere kleine Denkspiele wie Memory oder einfache Aufgaben rund ums Zählen, Buchstaben-Lesen und Geometrische-Formen-Erkennen. Die Spider-Man-Software hingegen eignet sich für größere Kinder, die das Lesen bereits etwas beherrschen. Eingebettet in Spider-Man-Comic-Abenteuer soll hier vor allem die Lesefähigkeit trainiert werden. Allerdings könnte den kleinen Nutzern die Abenteuerlust beim wiederholten Starten des endlos erscheinenden Erzähl-Vorspanns bald vergehen. Wenn das eigentliche Spiel dann jedoch einmal begonnen hat, warten verschiedene Denkaufgaben auf die Hobby-Detektive, denn der fiese Fehlerteufel verstreut überall Rechtschreibfehler, die entdeckt und fotografisch festgehalten werden müssen. Das dürfte den Kindern wirklich Spaß bereiten und kitzelt den Ehrgeiz. Weiterhin können sie sich unter anderem alle Wörter vorlesen lassen und sich damit beim Lesen überprüfen und ihren Wortschatz erweitern. Fraglich bleibt jedoch, ob der kleine Leapster für derartige Übungen das richtige Medium ist und ein kindgerechtes Notebook mit größerem Bildschirm und vielleicht auch einer Buchstabentastatur nicht einfach bessere Möglichkeiten bieten würde.
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Susanne Friedemann
Beitrag als PDFEinzelansichtCarola Schöppel: jung:de - Internationale Tourneeausstellung des Goethe-Instituts
Wie leben Jugendliche in Deutschland?
Was ist ihnen wichtig und wofür engagieren sie sich?
Wie sieht ihr Alltag aus und wie gestalten sie ihre Freizeit?
Um diese Fragen dreht es sich in der vom Goethe-Institut realisierten Wanderausstellung jung:de, die für ein internationales junges Publikum und den Unterricht von „Deutsch als Fremdsprache“ konzipiert wurde.
Die Ausstellung besteht aus 16 überdimensionalen CD-Scheiben mit Themen wie Schule und Ausbildung, Familie, Jugendsprache, Computer, Probleme, Freizeit etc. Ein weiterer Schwerpunkt ist den interkulturellen Erfahrungen Jugendlicher gewidmet. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie sich Kinder mit Migrationshintergrund in Deutschland und gleichzeitig in ihren Kulturen und Sprachen zurechtfinden.
Der Titel der Ausstellung sowie die gewählten Themenschwerpunkte wurden vom Goethe-Institut mit Hilfe eines Jugendbeirats gewählt, der aus Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren bestand.
Zu Beginn der Ausstellung erwartet den Besucher ein impressionistischer Einleitungsfilm, in dem deutsche Jugendliche in der Schule, in ihrer Freizeit, in der Stadt und auf dem Land gezeigt werden. Im zweiten Teil sind die CD-Scheiben mit den verschiedenen Schwerpunkten aufgereiht. Die Vorderseite der einzelnen Scheiben informiert mit Statistiken, Diagrammen und kurzen Texten über die Welt der Jugendlichen, die Rückseite hingegen zeigt die Perspektive der Jugendlichen durch verschiedene Fotos, die sie selbst gestaltet haben sowie durch Sprüche und Statements zum jeweiligen Thema.70 Prozent der Jugendlichen gaben Beim Thema „Familie“ z.B. an, dass sie ihre eigenen Kinder genau so erziehen würden, wie sie selbst von ihren Eltern erzogen wurden.
Beim Thema „Ausbildung“ berichteten 75 Prozent der befragten Jugendlichen, die Arbeit würde ihnen großen Spaß machen, allerdings belastet sie teilweise ein zu hoher Leistungsdruck.Die Themenschwerpunkte „Probleme“ und „Migration“ wurden in das Konzept aufgenommen, um Besucherinnen und Besuchern im Ausland zu zeigen, dass deutsche Jugendliche nicht nur auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Die Zahl der alkoholabhängigen Heranwachsenden in Deutschland steigt, ebenso die Zahl derer, die an Depressionen oder Ess-Störungen leiden. 4 Prozent haben bereits Erfahrungen mit Ecstasy & Co. gemacht, „Kiffen“ gilt bei vielen Jugendlichen als cool.Insgesamt sind die CD-Scheiben nicht sehr textlastig, da die Ausstellung weltweit gezeigt wird, die Texte aber nicht übersetzt werden und somit für Deutsch-Lernende gedacht sind.Im dritten Teil der Ausstellung befindet sich die Musikstation; hier werden 20 Songs von deutschen Interpreten aus den Bereichen Hip Hop, Rock und Pop gespielt, wodurch die ganze Bandbreite des jugendlichen Musikgeschmacks gut getroffen wurde.
Im Vorfeld der Ausstellung wurden Jugendliche aufgerufen, ihre derzeitigen „Lieblingsgegenstände“ zu fotografieren und eine kurze Begründung mitzuschicken, warum ihnen genau dieser Gegenstand so wichtig ist. Mit teilweise rührenden Kurztexten kann der Besucher 46 dieser „Lieblingsgegenstände“ an der Videostation begutachten, die gleichzeitig den Abschluss der Ausstellung bildet.
Die Wanderausstellung jung:de wird in den nächsten Jahren weltweit in Goethe-Instituten, Schulen und Bibliotheken zu sehen sein. Jugendliche aus anderen Ländern sollen über die deutsche Jugendkultur informiert werden und somit Vergleiche mit ihrer eigenen Jugendkultur ziehen können. Haben z.B. türkische oder schwedische Jugendliche die gleichen Probleme wie die Jugend in Deutschland? Inwiefern unterscheiden sich die Interessen? Das Besondere der dialogisch interkulturellen Ausstellung ist, dass jedes Land und jede Institution, in der die Ausstellung jung:de zu sehen ist, mit seinen Besuchern eine eigene CD-Scheibe über seine Jugendkultur gestalten darf, die am Ende der Wanderausstellung, sprich in drei bis vier Jahren, zurück an das Goethe-Institut in München geschickt wird. Die komplette Ausstellung wird dann nochmals in München zu sehen sein. www.goethe.de
Beitrag aus Heft »2006/01: Frühkindliche Medienaneignung«
Autor: Carola Schöppel
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