2004/02: Musik im Leben Heranwachsender
thema
Renate Müller: Zur Bedeutung von Musik für Jugendliche
Die sozialen Kontexte, in denen Jugendliche musikalische Erfahrungen machen, bedingen ihr Umgehen mit Musik, das in die audiovisuellen Symbolwelten musikalischer Jugendkulturen eingebettet ist.
Jugendliche verwenden ihre musikkulturellen Erfahrungen dazu, sich gesellschaftlich zu verorten, sich zugehörig zu fühlen, anerkannt zu werden, sich abzugrenzen und aus ihrem Leben ein bedeutungsvolles Projekt zu machen.
(merz 2004-02, S.9-15)
Bettina Fritzsche: Dahinschmelzen und realistisch bleiben
Auf der Grundlage einer rekonstruktiven empirischen Studie wird das kulturelle Engagement weiblicher Fans sogenannter „Teenie-Bands“ erörtert.
Die Fan-Kultur wird als Forum zur Auseinandersetzung mit den Anforderungen der ‚Schwellenphase‘ zwischen Kindheit und Jugend untersucht, wobei insbesondere spontane und nicht-rationale Elemente des Fan-Seins im Fokus stehen.
Die Sinnhaftigkeit derartiger ‚Aktionismen‘ wird am Beispiel von Strategien des Gefühlsmanagements und der spielerischen Verhandlung normativer Anforderungen vorgestellt.
(merz 2004-02, S.16-23)
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Bettina Fritzsche
Beitrag als PDFEinzelansichtAnja Hartung: Radio ist Musik
Mit der Entwicklung musikalischer Präferenzen erfährt das Radio bei Kindern und Jugendlichen einen erheblichen Funktions- und Bedeu-tungswandel.
Während das Medium für jüngere Mädchen und Jungen noch eine wichtige Orientierungsfunktion in der Rezeption und Bewer-tung von Musik innehat, distanzieren sich Jugendliche mit zunehmen-dem Alter von dem ihnen als einseitig erscheinenden Musikangebot im Radio und wenden sich verstärkt anderen Hörmedien zu.
Damit spiegeln sich die jeweiligen Musikvorlieben der Heranwachsenden in der Radio-nutzung wieder.
(merz 2004-02, S.24-31)
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Anja Hartung-Griemberg
Beitrag als PDFEinzelansichtCarsten Stöver: Musik und Aggressivität
Die Diskussion um die Wirkung von Musik und die Überlegung, ob Musik menschliche Gewalttaten auslösen oder aber zu Gewalttaten animieren könne, ist gegenwärtig immer noch aktuell.
Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Berichte über Gewalt von Schülern an Schulen und eines Aufkommens neonazistischer, gewaltbereiter Jugendsubkulturen werden viele Fragen erörtert: Hat der Konsum von Musik Einfluss auf die Aggressivität einer Person?
Ist es möglich, dass bestimmte Musik aggressives Verhalten auslösen oder aggressionssteigernd wirken kann? Wirkt Aggressivität als Persönlichkeitsmerkmal auf die Beurteilung von Musik bzw. auf den Musikkonsum ein?
(merz 2004-02, S.32-36)
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Carsten Stöver
Beitrag als PDFEinzelansichtKarina Böhm: Jugendliche, Musik und Konvergenz
Jugendliche handeln medienkonvergent, um ihre musikbezogenen Bedürfnisse zu befriedigen. Die 13- bis 18-jährigen Jungen und Mädchen nutzen dabei vor allem fünf Medien: Fernsehen, Internet, Tonträger, Radio und Printmedien. Nicht-Fans zeichnen sich durch ein breiteres, aber unspezifischeres Medienhandeln aus.
Die Fans sind durch ihre ausgeprägten Musikpräferenzen motiviert, das zur Verfügung stehende Medienensemble umfassender und tieferschürfender zu nutzen als die Nicht-Fans. Vor allem das Internet ist für sie das primäre Informationsmedium.
(merz 2004-02, S.43-45)
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Karina Böhm
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spektrum
Sandra Fleischer und Susanne von Holten: Look into the future
Die Fernsehserie „The Tribe“ (KI.KA) bietet neue, vielschichtige und daher realitätsnahe Frauenfiguren, die von jungen Zuschauerinnen als wirkliche Identifikationsangebote wahrgenommen und dankbar angenommen werden.
Die Frauen in „The Tribe“ sind eine Alternative zu klischeehaften, einseitigen Darstellungen von Frauen in der deutschen Fernsehlandschaft. Mädchen und sogar junge Frauen finden leicht einen Zugang zu den Frauen der Serie.
Sie erkennen sich in den Charaktereigenschaften und in dem Verhaltensspektrum der Frauenfiguren wieder und nutzen diese als Orientierungshilfe bei der Ausbildung des eigenen Selbstkonzeptes.
(merz 2004-02,S.46-50)
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Autor: Sandra Fleischer, Susanne von Holten
Beitrag als PDFEinzelansichtKlaus-Dieter Felsmann: "Über Film und Jugend zu reden ist eben modern geworden..."
Filmgespräche für Schüler und Schülerinnen als solche machen sehr viel Sinn.
Auf der Grundlage eines modernen Kulturmediums werden Gelegenheiten geschaffen, ganz eigene innere Befindlichkeiten auszutauschen und damit über sich selbst etwas mehr zu erfahren. Indirekt werden dabei selbstverständlich auch Kompetenzen dem Medium gegenüber erweitert.
Diese erwachsen aber auch gerade mit Blick auf eine synthetische Kunst wie den Film aus einer soliden Ausbildung in Geschichte, Kunst, Musik, Physik oder Deutsch.
(merz 2004-02, S.51-54)
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Autor: Klaus-Dieter Felsmann
Beitrag als PDFEinzelansichtKathrin Gützlaff: Chat in der offenen Jugendarbeit
Dass der Chat im Freizeitverhalten der Jugendlichen eine immer größere Rolle spielt, ist bekannt. Was heißt es aber, wenn sich soziale Arbeit, hier die offene Jugendarbeit, darauf bezieht?
Diese Frage wird in der vorliegenden Studie fokussiert auf die Untersuchung von geschützten Chats für Jugendliche im Kirchenkreis Wesel.
Die konkrete Fragestellung lautet nun: Worin besteht die Faszination dieses Mediums für die Jugendlichen? Was soll und kann ein geschützter Chat leisten? Lässt sich aus dem Projekt im Kirchenkreis Wesel eine verallgemeinerbare Empfehlung für den Einsatz von Chats in der offenen Jugendarbeit ableiten?
(merz 2004-02, S.55-58)
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Kathrin Gützlaff
Beitrag als PDFEinzelansichtMichael Scheibel: Netzmedien im Kunstunterricht
Im Jahr 1997 lieferten sich der damalige Bildungsminister Jürgen Rüttgers und der Pädagoge Hartmut von Hentig eine Pro- und Contra-Debatte über das Projekt Schulen ans Netz. Rüttgers argumentierte mit dem Wandel zur Wissensgesellschaft, der Medienkompetenz zu einer Schlüsselqualifikation mache.
Die Schule als wichtigster Bildungsort müsse schnellstmöglich mit neuen Computertechnologien ausgestattet werden, um sie an das Internet anzuschließen. Hentig meinte dagegen, die Pädagogik habe nicht die Aufgabe, die neuen Medien zu ihren Mitteln zu machen, sondern die Anwender zur Freiheit gegenüber den neuen Medien zu erziehen.
Dies sei Medienkompetenz und hierfür müsse zuerst ein pädagogisches Konzept erarbeitet werden.
(merz 2004-02, S.59-63)
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Michael Scheibel
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medienreport
Tilmann P. Gangloff: Wer surfen will, muss schwimmen können
Während durch die Köpfe von Erzieherinnen und Lehrern immer noch das Phänomen des „Vielsehers“ geistert, haben die Sorgenkinder längst das Medium gewechselt: Sie surfen jetzt im Internet. Die 14- bis 19-Jährigen verbringen mittlerweile 137 Minuten täglich im Internet. Wenn man andererseits weiß, dass der eine oder die andere überhaupt nicht oder nur selten ins Internet geht, kann man sich vorstellen, in welchen Größenordnungen sich die Nutzungszeit der „Heavy User“ bewegen muss. Viele Eltern wird das beunruhigen. Im Gegensatz zum überschaubaren Medium Fernsehen, das gerade tagsüber weitgehend berechenbar ist, lauern im Internet mannigfaltige Gefahren. Trotz aller technischen Kompetenz: Die diversen Bedrohungen sind längst nicht allen jungen Nutzern bekannt. Laut einer amerikanischen Studie sind zudem 30 Prozent der befragten weiblichen Teenager im Netz schon mal sexuell belästigt worden. Jedes fünfte Kind werde angeblich online zu sexuellen Handlungen aufgefordert.
Die EU hat daher die Kampagne „SaferInternet“ ins Leben gerufen.Ein Surfen ohne Risiko wird es vermutlich nie geben. Wenn man auf der Homepage von „SaferInternet“ die Liste der Abgründe liest, kann einem jedoch Angst und Bange werden. Finanzielle und technische Schädigungen, psychische Irritationen, Beleidigungen, Bedrohungen, Erpressung, sexuelle Belästigung, menschenverachtende Propaganda, Anleitungen zum Terrorismus: eigentlich erstaunlich, dass das Internet nicht längst verboten wurde; bereits beim harmlosen Surfen scheint man ja knapp an der Straftat vorbeizuschlittern. Tatsächlich aber ist vielen zum Beispiel nicht klar, dass das illegale Herunterladen etwa eines Kinofilms eine Verletzung des Urheberrechts und somit eine kriminelle Handlung ist. Technische Lösungen eignen sich erfahrungsgemäß kaum, um Kinder und Jugendliche vor gefährdenden Internet-Seiten zu schützen. Die Organisatoren von „SaferInternet“ vergleichen dies mit der Gefahr, die ein Schwimmbecken für Nichtschwimmer darstellt: Warnschilder und Zäune seien nur eine bedingte Hilfe; sicherer sei es, Schwimmen zu lernen und sich mit dem Wasser vertraut zu machen.
Deshalb sei es unabdingbar, den Kindern Medienkompetenz beizubringen.Hier zu Lande wird „SaferInternet“ von den Medienpädagogen der Bielefelder Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) organisiert. Laut GMK-Philosophie setzt sich Medienkompetenz aus den Bereichen Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung sowie Mediengestaltung zusammen. Nur wer in allen vier Bereichen fit ist, hat quasi auch den Internet-Führerschein. Deshalb rät die GMK: Jeder Internet-Nutzer sollte wissen, was überhaupt ein Server macht, welche technischen Möglichkeiten das Netz bietet und welche Gefahren dort lauern, wie man eine Suchmaschine benützt und wie man im Internet kauft und verkauft. Wann immer man eine Internet-Seite besuche, stets solle man sich fragen: Wer ist für den Inhalt dieser Seite verantwortlich? Welche Absicht verfolgt er? Sind die Informationen zuverlässig? Links zum Thema:www.safer-internet.net, www.gmk-net.de, www.ofsi.org, www.bpb.de, www.dji.de, www.mediageneration.net,
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Tilmann P. Gangloff
Beitrag als PDFEinzelansichtSonja Moser und Klaus Dreyer: Kinderportal für München
Paetsch, Jojo, Calla, Nomo und Broesel – Alter: zwischen acht und zehn, Herkunft: aus München und vom Planeten Quapala. Ihre Mission: Münchner Kinder durch ihr neues Kinderportal führen. Nur gemeinsam ist diese Bande stark, aber alle fünf haben natürlich auch ihre ganz eigenen Seiten....Ein Internet-Portal für Kinder in München – partizipativ, werbefrei, vernetzend. In vier großen Bereichen werden die Online-Bedürfnisse der Kinder abgedeckt und gleichzeitig wird ihnen, sich ihre Stadt München anzueignen.Seit Ende Januar 2004 ist diese Vision Wirklichkeit: unter der URL www.pomki.de ist das Kinderportal auf muenchen.de aktiv.Entstanden ist das Projekt auf der Grundlage eines Beschlusses des Münchner Stadtrats. Umgesetzt wird es gemeinsam von Mitarbeiterinnen der Stadt München und Mitarbeitern der Portal München Betriebs-GmbH. Doch nicht nur diese Konstruktion ist im deutschen Sprachraum bisher einmalig: Als ein Internet-Portal, dessen Zielgruppe die Kinder in einer Großstadt sind, ist pomki.de ohne Vorbilder.Bei der Entwicklung haben wir deshalb besonderen Wert darauf gelegt, Kinder von Anfang an zu beteiligen. Sowohl die Story als auch die Comicfiguren und das Screendesign wurden mit mehreren hundert Münchner SchülerInnen getestet, und auch der Name pomki.de – der übrigens keine konkrete Bedeutung hat – ist unter der Mitwirkung von Kindern ausgewählt worden.
Aber auch das Angebot selbst ist so angelegt, dass es Möglichkeiten bietet, pomki.de aktiv mitzugestalten.Um das Kinderportal auch in der realen Welt im Leben von Kindern zu verankern, haben wir schon während der Planungsphase darauf geachtet, das Projekt in die Netzwerke der medienpädagogisch Aktiven in München einzubinden. Auf diese Weise sind wichtige Teile der Inhalte auf pomki.de gekommen – und gemeinsam mit diesen Partnern und Partnerinnen konnte auch eine erfolgreiche Eröffnungswoche im Münchner Rathaus stattfinden.Die wohl größte Herausforderungen für die Zukunft wird es – vor allem angesichts kaum vorhandener Budgets -- deshalb auch sein, Münchner Kinder immer wieder dazu zu bewegen, pomki.de zu nutzen, sich zu beteiligen und Rückmeldungen darüber zu geben, was sie wirklich interessiert.Termine, die für Münchner Kinder spannend sind, können an die Betreuer des Portals unter kinder@portalmuenchen.de gemeldet werden; sie werden dann, sofern geeignet, dort frei geschaltet. InterviewAngelika Schmaus befragte Kinder einer vierten Grundschulklasse, die während der Eröffnungswoche www.pomki.de ausprobierten, nach ihren ersten Urteilen. Es antworteten: Quirin (10), Frederico (9), Tobias (9), Marie (9), Stella (9), Alexandra (10), Genc Mücahit (10), Maxi (10) und Alice (9).Wie gefallen dir die Figuren?Frederico: Mir gefallen die Figuren gut, weil sie lustig aussehen.
Der Hund heißt Jojo und wenn er pfurzt, riecht es nach Pfefferminze. Das finde ich lustig, weil ´s unlogisch ist. Tobias: Der Außerirdische kommt von einem Planeten aus dem Weltall und sieht auch lustig aus, aber auch ein bisschen komisch, weil er nur vier Finger hat. Stella und Alexandra: Wir finden es witzig, dass er von einem Planeten kommt, weil es da vielleicht keinen Bürgermeister und keinen Krieg gibt. Und alles ist so, wie man es sich selbst vorstellen kann. Was gefällt dir besonders bei pomki?Stella: Dass es lustige Spiele gibt und dass man viele Sachen finden kann, zum Beispiel viel über die Stadt München. Frederico: Mein Lieblingsbereich ist, wo man sich die Tiere aussuchen und mitmachen kann. Mein Lieblingstier sind die Rennmäuse, die sind voll süß. Tobi: Dass es sehr interessant ist, weil es coole Spiele gibt und man sich gut rumklicken kann und man versteht das meiste sofort. Alice: Man kann viele verschiedene Spiele machen, z. B. Malen oder Smilysspiele. Maxi: Die Witze auf der Seite fand ich witzig. Was tust du bei pomki am meisten: spielen, lernen, dir Informationen suchen oder etwas anderes?Frederico: Ich tu am liebsten Spielen. Man lernt nicht bei allen Spielen was. Zum Beispiel bei Neues oder Interessen lernt man was, bei Spielen lernt man was anderes.
Tobias: Ich spiele am liebsten, suche mir aber auch Informationen und lerne ein bisschen. Bei den Büchern zum Beispiel lese ich mich ein bisschen ein, weil ich gerne lese.Quirin: Witze, Spiele und Rätsel mache ich am meisten, Marie: Das Puzzlespiel ist toll und gut. Und gelernt habe ich was über den Oberbürgermeister Ude und die Frau Dr. Burkert, die ist auch Bürgermeisterin. Alexandra: Ich mag die Spiele und Witze. Und gut finde ich die Seite, wo man Geräusche aus München hören konnte. Zum Beispiel konnte man das Glockenspiel hören, oder die U-Bahn. Spielst oder surfst du auch sonst viel im Internet?Frederico: Wenn ich Lust hab, darf ich vielleicht mal eine Stunde rein. Ich gehe auf unterschiedliche Seiten, meistens Spiele. Zum Beispiel, wenn ich ein Referat für die Schule mache, schaue ich vorher bei google nach.Quirin: Ich gehe manchmal ins Internet und spiele manchmal auf CD ROM.Marie: Ich gehe nicht ins Internet aber ich spiele oft auf CD. Stella: Ab und zu nur. Aber ich spiele oft CD ROM.Tobias: Ich spiele viel auf CD ROMS, ins Internet geh ich nie, weil wir zu Hause keinen Internetanschluss haben.Alexandra: Ich geh am Abend manchmal ins Internet mit meiner Mama. Da schauen wir zum Beispiel was über Vögel oder Pilze nach, weil mich die Natur interessiert.
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Klaus Dreyer
Beitrag als PDFEinzelansichtTilmann P. Gangloff: Aus die Maus?
Es ist ein Skandal, doch keiner regt sich drüber auf. „Kinder“, seufzt Uwe Rosenbaum, „haben es in diesem Land eben einfach nicht gut“. Dabei wird das Kind, um das es geht, in diesem Jahr vierzig Jahre alt. So lange veranstaltet der Bayerische Rundfunk (BR) bereits den Prix Jeunesse, das weltweit bekannteste und mit Abstand renommierteste Festival für internationales Kinderfernsehen. Alle zwei Jahre kommen Redakteure aus allen Erdteilen nach München, um sich auszutauschen und neue Produktionen zu sichten. Jeder Teilnehmer ist stimmberechtigt, so dass die Preise höchst demokratisch gefunden werden. Zu Recht gilt der „Prix Jeunesse“ als „Oscar des Kinderfernsehen“. Doch möglicherweise muss man dies demnächst in der Vergangenheitsform schreiben: Der BR erwägt die Abschaffung der Institution. Dabei war dieser Preis womöglich nie so wertvoll wie heute. Allüberall ist das Kinderfernsehen längst kommerzialisiert worden, sind Zeichentrickserien bloß noch Reklame für das milliardenschwere Geschäft mit Merchandising-Produkten, graben Kinderkanäle mit knallbunter und lautstarker Fließbandware dem pädagogisch wertvollen Programm das Wasser ab.
Beim Prix Jeunesse holen sich die überwiegend öffentlich-rechtlichen Redakteure die nötige Rückendeckung für ihren täglichen Quotenkampf. Für die Neuheiten auf dem kommerziellen Markt genügen Programm-Messen wie die Mipcom Junior in Cannes. In München aber profitieren alle voneinander, denn hier kommen neue Formen und Trends auf einen echten Prüfstand. „Sesame Street“ beispielsweise wurde beim Prix Jeunesse heiß diskutiert, bevor es seinen weltweiten Siegeszug antrat. Uwe Rosenbaum, heute Landessenderdirektor des SWR in Mainz, erinnert sich an seine Zeit als Leiter des Familienfernsehens beim SFB: Die Kollegen aus Osteuropa in Berlin zu treffen, war undenkbar; nach München aber durften sie reisen. Im Kuratorium Junger Deutscher Film macht sich Rosenbaum seit einiger Zeit für den Kinderfilm stark. Deshalb verbindet er seine Unterstützung für den Prix Jeunesse mit einer Forderung: „Selbstredend muss sich das Festival auch für die lange Form öffnen“. Ansonsten aber erklärt er sich uneingeschränkt solidarisch: Nur über den Prix Jeunesse sei es überhaupt möglich, afrikanischen oder asiatischen Ländern zu helfen, die Qualität westlicher Programmstandards zu etablieren. Wo dies nicht geschehe, würden die Zuschauer auch dort von kommerziellen Sendern überschwemmt. In Südamerika beispielsweise hat der Prix Jeunesse mit seinem „Koffer“ erheblich dazu beigetragen, das dortige Kinderfernsehen vom US-amerikanischen Cartoon-Einfluss zu emanzipieren. Rosenbaum verweist zudem auf die Meriten der langjährigen Generalsekretärin des Prix Jeunesse, Ursula von Zallinger.
Gerade der Umstand, dass ihr Name untrennbar mit dem Festival verbunden ist, dient hinter den Kulissen aber offenbar als willkommener Vorwand, die lange Tradition mit der diesjährigen Veranstaltung im Juni zu beenden: Der absehbare Ruhestand der Generalsekretärin soll angeblich als Anlass dienen, den Prix Jeunesse zu beerdigen.Hintergrund des Planspiels: Der BR will Geld sparen. Im Zuge der Gebührendiskussion sind sämtliche Posten auf den Prüfstand gekommen. Dabei kostet der Prix Jeunesse den BR nur 100.000 Euro im Jahr. Wenn man vergleicht, welche Unsummen die ARD für die Übertragung von Fußballspielen auszugeben pflegt, sind dies wahrlich bloß „Peanuts“. Trotzdem könnte es zu einem Domino-Effekt kommen: Prompt möchte auch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) ihren Beitrag von 75.000 Euro einsparen. Das ZDF wiederum macht seinen Zuschuss (60.000 Euro) davon abhängig, wie sich der BR entscheidet. Weitere Geldgeber sind der Freistaat Bayern und die Stadt München; beide noch alles andere als wankelmütig.Und so könnte es sich als Schwäche erweisen, dass der Prix Jeunesse zwar weltweites Ansehen genießt, im eigenen Land aber kaum bekannt ist. Natürlich waren auch deutsche Sender immer wieder unter den Preisträgern, doch in der Regel interessiert es hier zu Lande kaum jemanden, wenn eine brasilianische Serie einen Preis bekommt.
Zur ohnehin überfälligen Reformierung des Prix Jeunesse gehört daher auch die Rückwirkung ins eigene Lager. Gerade das öffentlich-rechtliche Kinderfernsehen ist in Deutschland, wie es einer der ältesten Hasen im Geschäft ausdrückt, „zwar etabliert, aber auch mumifiziert“. Tatsächlich kann man das vermeintliche Kinderparadies Kika durchaus auch als Ghetto betrachten: Nach der Gründung des Kinderkanals im Jahr 1997 stellte die ARD, vom Wochenende abgesehen, ihr Kinderprogramm im „Ersten“ ein; das ZDF wartete wenigstens noch eine knapp zweijährige Schamfrist ab. Seither aber sei das Thema Kinderfernsehen für die öffentlich-rechtlichen Führungsetagen erledigt, kritisiert Rosenbaum; schon allein aus diesem Grund brauche Deutschland ein Forum, das dem Genre neue Impulse liefere, Alternativen aufzeige und zur Weiterentwicklung anrege. Vor vierzig Jahren, erinnert sich ein Redakteur, sei man beim BR „irrsinnig stolz“ auf die Idee eines internationalen Festivals für Kinderfernsehen gewesen; lange her. Das gilt offenbar auch für eine wichtige Station in den beruflichen Biografien der aktuellen Intendanten von BR und ZDF, Thomas Gruber und Markus Schächter: Beide waren bei ihren Sendern mal Leiter des Kinder- und Familienprogramms.
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Tilmann P. Gangloff
Beitrag als PDFEinzelansichtIsabel Rodde: 14+ - films for the young generation
Manche Entscheidungen sind unglaublich schwer. Soll Mille bei ihrem Freund Kenny bleiben, auch wenn er regelmäßig mit Freunden beim Bier versackt? Soll sie sich für den smarten Rapper Sami entscheiden, der nur seine Musik im Kopf hat? Was tun mit dem öden Job in der Bäckerei und mit einer Mutter, die selbst nicht mehr weiter weiß mit ihrem Leben? „Bagland“, das Spielfilmdebüt des dänischen Regisseurs Anders Gustafsson, ist alles andere als eine flotte Teenie-Komödie mit Happy-End. Stattdessen aber erzählt es facettenreich und spannend von der Suche eines 17-jährigen Mädchens nach einer eigenständigen Zukunftsperspektive. Besonderer Pluspunkt und noch lange keine Selbstverständlichkeit im Jugendfilm: Gustafsson bietet überzeugende Identifikationsfiguren sowohl für Mädchen wie auch für Jungs.Auf der Berlinale eröffnete „Bagland“ (übersetzt in etwa: „Wo man herkommt“) den in diesem Jahr erstmalig eingerichteten Jugendfilmwettbewerb 14 plus. Ein gelungener Auftakt für ein längst überfälliges Angebot - bisher hatten die Filmfestspiele für Teenager von 14 bis 18 kein eigenes Programm. „Diesen unbefriedigenden Zustand“, so Kinderfilmfest-Leiter Thomas Hailer, „wollten wir endlich beenden.“Acht Filme aus Skandinavien, Deutschland, Südafrika, den USA und dem Iran konkurrierten um den Gläsernen Bären für den besten Spielfilm. Die Themen reichten von Liebe, Karriere und Gewalt über Graffiti und HipHop bis hin zu Sexualität und dem „1. Mal“.
In „Nur noch Bea“ (Bare Bea) erzählt Petter Næss die Geschichte einer 16-jährigen Schülerzeitungsredakteurin, die als einziges Mädchen in ihrer Clique noch keinen Sex hatte und damit die Freundinnen auf Trab hält. Nach seinem großen Kinoerfolg „Elling“ ist dem Norweger erneut eine überzeugende Komödie mit Tiefgang gelungen. Der Film bringt das Thema Sexualität unverkrampft und erotisch auf die Leinwand und zeigt anschaulich, wie Konkurrenz und Erwartungsdruck die Lust aufs „erste Mal“ behindern. In Norwegen soll „Nur noch Bea“ flächendeckend in Schulen und Jugendzentren gezeigt werden – eine nachahmenswerte Idee auch für Deutschland.Eine skurrile Mischung aus romantischer Komödie und Familientragödie bot der finnische Wettbewerbsbeitrag „Perlen und Säue“ (Helmiä Ja Sikoja). Das Leben der Hirvonen-Brüder besteht aus dem Verkauf und Genuss von selbstgebranntem Schnaps. Doch dann landet der Vater im Knast und die vier Jungen müssen sich nach anderen Erwerbsquellen umschauen. Gerade recht kommt ihnen dabei ihre 10-jährige Halbschwester Saara: Die talentierte Karaoke-Sängerin soll den nächsten Wettbewerb „Finnland sucht das Superkind“ gewinnen und so die Familienfinanzen sanieren. Witzig und pointiert nimmt Regisseur Perttu Leppä den grassierenden Starkult aufs Korn und zeigt gleichzeitig, wie die schüchterne Saara die ungewöhnliche Außenseiter-Familie komplett auf den Kopf stellt.Ein ansonsten immer wiederkehrendes Thema im 14+-Programm: Jungen-Freundschaften im Spannungsfeld von Rache, Eifersucht und Konkurrenz. Zwei dieser Filme wurden von der fünfköpfigen Jugend-Jury besonders ausgezeichnet.
Die US-Produktion „Quality of Life“ erhielt für „ihren einzigartigen Einblick in die amerikanische Drogen- und Graffitiszene“ eine lobende Erwähnung.Regisseur Benjamin Morgan hat die Geschichte zweier junger Graffiti-Sprayer zwischen Kunst und drohendem Knast sensibel und authentisch in Szene gesetzt. Zehn Jahre lang hat er als Sozialarbeiter mit straffälligen Jugendlichen gearbeitet, das Drehbuch hat er gemeinsam mit dem Graffiti-Künstler (und Hauptdarsteller) Brian Burnam geschrieben. „Ich wollte die Geschichte erzählen, die hinter den Sprühereien steckt“, so Morgan. „In den USA werden 15 bis 18 Milliarden Dollar im Jahr ausgegeben, um Graffiti zu entfernen, dabei gibt es in 80 Prozent aller Schulen keinen Kunstunterricht.“Den Hauptpreis schließlich verlieh die Jury an den südafrikanischen Spielfilm „Die hölzerne Kamera“, der vom Alltag der Jugendlichen nach dem Ende der Apartheid erzählt. Madiba und Sipho leben in einem schwarzen Township vor den Toren von Kapstadt. Eines Tages finden sie am Bahndamm eine Leiche mit einer Videokamera und einer Pistole. Während Madiba den kleinen Camcorder an sich nimmt und damit – getarnt als Spielzeugkamera – seinen Alltag filmt, übernimmt Sipho die Führung einer gewalttätigen Jugendgang. Stück um Stück trennen sich die Wege der beiden Freunde. Madiba verliebt sich in Estelle – keine einfache Beziehung, denn deren Vater, ein weißer Mediziner, will von dem Kontakt der beiden nichts wissen. Inhaltlich wirkt der Preisträgerfilm etwas überfrachtet, vor allem die Beziehung zwischen Madiba und Estelle scheint konstruiert und nur schwer nachvollziehbar. Seine Stärke entwickelt „Die hölzerne Kamera“ jedoch in den Szenen, in denen Madibas „Videotagebuch“ das Leben in den Townships auf beeindruckende Weise dokumentiert.Die Auszeichnung eines südafrikanischen Jugendfilms zehn Jahre nach der Befreiung von der Apartheid ist auch als politisches Zeichen zu verstehen. „Unsere Hoffnung sind die Kinder in Südafrika“ erklärte Regisseur Ntshavheni Wa Luruli unter begeistertem Beifall bei der Preisverleihung - den Gläsernen Bären widmete er seinen drei jungen Hauptdarstellern.
Credits 14+FilmeBagland | Scratch Dänemark, 2003, 81 min Regie: Anders Gustafsson mit Stephanie Léon, Nickolas Dufour, Christopher LæssøBare Bea | Nur noch Bea Norwegen, Schweden, 2004, 86 min Regie: Petter Næss mit Kaia Foss, Kim S. Falck-Jørgensen, Kamilla Grønli Hartvig, E spen Klouman-Høiner, Maria Brinch, Ida Thurman-MoeHelmiä ja sikoja | Perlen und SäueFinnland, 2003, 114 min Regie: Perttu Leppä mit Mikko Leppilampi, Amanda Pilke, Laura Birn, Timo Lavikainen, Jimi Pääkallo, Unto HeloQuality of Life | Quality of LifeUSA, 2003, 85 min Regie: Benjamin Morgan mit Lane Garrison, Brian Burnam, Mackenzie FirgensThe Wooden Camera | Die hölzerne Kamera Frankreich, Großbritannien, Südafrika, 2003, 90 min Regie: Ntshavheni Wa Luruli mit Junior Singo, Dana de Agrella, Innocent Msimango, Jean Pierre CasselWeitere Informationenwww.berlinale.de
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Isabel Rodde
Beitrag als PDFEinzelansichtMarkus Achatz: Unterhaltung mit Tiefgang
Das Kinderfilmfest der 54. Internationalen Filmfestspiele Berlin setzte in diesem Jahr deutliche Akzente gegen den Mainstream. Es zeichnete sich ein deutlicher Trend zu eher realen und alltagsbezogenen Geschichten ab. Thomas Hailer, seit 2003 Leiter des Kinderfilmfests, schätzt am diesjährigen Programm vor allem, dass ein „lebendi-ges Bild davon vermittelt wird, wie Kinder und junge Leute hier und auf anderen Kon-tinenten leben, wovon sie träumen und wie sie ihren Alltag meistern“. Vielfach wer-den die Geschichten mit nachdenklichen Botschaften und in ernsten Tönen erzählt. Die Vergabe der Preise macht deutlich, dass bewegende Momente im Kino von Er-wachsenen und von Kindern gleichermaßen geschätzt werden. Die 11- bis 13-jährigen Mitglieder der Kinderjury (Gläserner Bär) und die Erwachse-nen der Internationalen Jury (Großer Preis des Deutschen Kinderhilfswerks) zeichne-ten jeweils den philippinischen Film „Magnifico“ als besten Spielfilm aus. Regisseur Maryo J. Delos Reyes erzählt die berührende Geschichte des 9-jährigen Magnifico. Der Junge begegnet den schicksalhaften Ereignissen, von denen seine Familie ge-troffen wird, mit Warmherzigkeit und Tatendrang.
Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Familie zerschlägt sich, als Magnificos älterer Bruder Miong die Schulaus-bildung in Manila abbricht. Die Lage ist ohnehin angespannt, denn die behinderte jüngere Schwester der beiden benötigt sehr viel Pflege. Als schließlich noch die Großmutter schwer erkrankt, erkennt Magnifico, dass er Verantwortung übernehmen muss. Die Sorge der Großmutter steigt, denn wenn sie stirbt, fallen erhebliche Be-gräbniskosten an, lebt sie weiter, werden teure Medikamente benötigt. Mit Hilfe eines Freundes organisiert Magnifico Holz, um einen Sarg für die Großmutter zu zimmern. Zudem setzt er alles daran, seiner Schwester den sehnlichsten Wunsch zu erfüllen, einmal den weit entfernten Jahrmarkt zu besuchen. Das Einfühlungsvermögen, mit dem sich der Junge den schwierigen Situationen stellt, wirkt sich zunehmend positiv auf das Lebensgefühl der ganzen Familie aus. Die Energie des 9-jährigen überträgt sich nachhaltig auf seine Umgebung und vermag selbst den Tod zu überdauern. Der philippinische Filmemacher hat mit „Magnifico“ eine Parabel auf das Gute im Menschen kreiert. Die Rolle des Jungen gleicht einer Erlöserfigur oder zumindest einem Hoffnungsträger, der vorübergehend auf die Erde kommt, um den Menschen Zuneigung und Hilfe zu bringen.
Insofern ist es vielleicht gar nicht so überraschend, dass auch die Mitglieder der Kinderjury „Magnifico“ auszeichneten, obwohl der Film über zwei Stunden dauert und sich die Geschichte äußerst langsam entwickelt. Re-gisseur Delos Reyes verlangt dem Zuschauer einiges ab, indem er der Geschichte einen tragischen Verlauf gibt. Mit einer authentischen Inszenierung des philippini-schen Alltags, der intensiven Darstellung realistischer Personen und der emotionalen Tiefe geht der Film unter die Haut. In seiner Feinfühligkeit vergleichbar, doch von der Erzählweise völlig anders, ist der französische Film „Moi, César 10 ans ½, 1m39“ („Ich, César“) von Richard Berry. Die sehr unterhaltsame Geschichte wird konsequent aus der Perspektive des kleinen César erzählt und kam beim kindlichen Kinopublikum sehr gut an. César ist genau 1,39 Meter groß, zehneinhalb Jahre alt und beginnt sich über das Leben und die Welt Gedanken zu machen. Die Erwachsenen sind dabei nicht unbe-dingt hilfreich. César liebt seine Eltern und findet auch seine Lehrerin ausgesprochen attraktiv, doch was seine Mitschülerin Sarah in seiner Gefühlswelt verursacht, ist oh-ne Beispiel. Sarah ist das schönste Mädchen von Paris. Wenn sie gemeinsam von der Schule nach Hause gehen, beschränkt sich Césars Sprechfähigkeit auf die Wörter „mh“, „ja“ und „mhja“.
Im Gegensatz zu seinem besten Freund Morgan ist César eher schüchtern und unauffällig. Das ändert sich schlagartig, als sein Vater eines Tages Besuch von einem ominösen Fremden bekommt und daraufhin plötzlich verreist. Für César liegt der Fall klar: Sein Vater muss ins Gefängnis. Das Gerücht spricht sich wie ein Lauffeuer herum. César wird zum Star in der Schule. Fatalerweise stellt sich heraus, dass Césars Vater nur auf Dienstreise war. Sarah und Morgan halten zu ihm und er weiß, wer seine wahren Freunde sind. Morgan wiederum hat eigene Sorgen: Er kennt seinen Vater nicht und wünscht sich nichts mehr, als ihn im fernen London zu suchen. César, Sarah und Morgan machen sich auf den Weg in ein Land, in dem sie noch nie gewesen sind und dessen Sprache sie nicht sprechen. „Moi, César“ nähert sich sehr behutsam der Gedanken- und Gefühlswelt des Prota-gonisten. Der Film ist die zweite Regiearbeit des Schauspielers Richard Berry. Seine besondere Leistung besteht in der großen Empathie, die er seinen Figuren entge-genbringt. Dabei gelingt eine überzeugende, kurzweilige Mischung aus Humor und Tiefsinn. Die 13 Spielfilme und 25 Kurzfilme des Kinderfilmfests ermöglichten bewegende und erheiternde Einblicke in hochwertige Geschichten aus 20 Ländern. Weitere Empfeh-lungen: Im deutschen Beitrag „Blindgänger“ (Lobende Erwähnungen von beiden Ju-rys) erzählt Regisseur Bernd Sahling von der Freundschaft der blinden Marie mit dem kasachischen Jungen Herbert und bringt den Zuschauerinnen und Zuschauern eine Welt nahe, in der ganz eigene Bedingungen herrschen.
Aus Japan kommt die kleine, ausgefallene Filmerzählung „Yoshinos Frisörsalon“ der jungen Filmemacherin Naoko Ogigami. Eine Freundesclique lehnt sich gegen eine alte Tradition auf, nach der alle Jungen des Dorfes den gleichen „Topf-Haarschnitt“ zu tragen hätten. Im Hin-blick auf den Erfolg beim kindlichen Publikum gelang der schwedischen Regisseurin Ella Lemhagen („Tsatsiki, Mama und der Polizist“, 1999) mit ihrem neuen Film „Tur och Retur“ („Hin und Her“) wieder ein großer Wurf. Diesmal mit einer klassischen, aber ideenreichen Verwechslungskomödie. Julia und Martin lernen sich zufällig am Flughafen kennen, stellen fest, dass sie sich sehr ähnlich sehen und tauschen kur-zerhand die Rollen. Stabangaben zu den Filmen:Magnifico (Magnifico)Regie: Maryo J. Delos Reyes – Buch: Michiko Yamamoto – Darsteller: Jiro Manio (Magnifico), Danilo Barrios (Miong), Isabella De Leon (Helen), Gloria Romero (Lola Magda, die Großmutter) – Produktion: Philippinen (Violett Films) 2003 – Länge: 123 MinutenMoi, César 10 ans 1/2 , 1 m 39 (Ich, César)Regie: Richard Berry – Buch: Eric Assous, Richard Berry – Darsteller: Jules Sitruk (César), Mabo Kouyaté (Morgan), Joséphine Berry (Sarah), Maria de Medeiros (Césars Mutter), Jean-Philippe Ecoffes (Césars Vater), Anna Karina (Gloria) – Produktion: Frankreich (Europacorp) 2003 – Länge: 91 Minuten
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Markus Achatz
Beitrag als PDFEinzelansichtFlorian Rötzer: Der Irakkrieg als Game
Die New Yorker Firma Kuma Reality Games geht mit Computerspielen auf den Markt, die Nachrichten von der Front möglichst schnell in Form eines Spiels "authentisch" aufbereiten wollen. Erste Mission: Die Liquidierung der Hussein-Söhne.Kuma Reality Games vollendet mit dem Konzept "Play the News" in gewissem Maße nur, was schon länger angelegt war: Infotainment im Computerspielformat. Wenn schon das Fernsehen Reality-Formate ohne Ende produziert und das Pentagon die Eroberung des Irak als televisionäres Live-Spektakel für ein weltweites Publikum angelegt hat, dann lassen sich wirkliche Geschehnisse gerade auf dem Schlachtfeld, das besser als alle anderen Arenen dokumentiert und überwacht wird, oft ziemlich detailgetreu rekonstruieren, um den Zuschauer die Bühne betreten zu lassen. Warum man bei Kuma als erste Folge ausgerechnet die mit kill-over-Mentalität vollzogene Tötung der beiden Hussein-Söhne im Juli 2003 ausgesucht hat, ist freilich nicht ganz nachzuvollziehen.
Foxnews hatte sie freilich als die "die erfolgreichste amerikanische Operation nach dem Ende der großen Kampfhandlungen" bezeichnet, was möglicherweise schon ein Grund sein könnte. Damals wurden gegen die vier Personen, darunter ein Jugendlicher, die sich in dem Haus in Mossul aufhielten, eine wirkliche Übermacht aufgeboten, nachdem beim ersten Betreten drei Soldaten verwundet wurden. Dann wurde das Haus mit Maschinengewehren und Raketen vom Boden und von Hubschraubern aus beschossen. Als noch immer nicht alle tot waren und die eindringenden Soldaten erneut beschossen wurden, setzte man schließlich TOW-Raketen ein. Gesagt wird, dass Kuma mit dem Pentagon zusammen arbeitet, möglicherweise ja auch über die Beschaffung der notwendigen Informationen und des Materials hinaus. Was einer sehr engen Kooperation entgegen stehen würde, wäre der Umstand, dass die Spieler angeblich auch die "Bösen" spielen dürfen, so wurde zumindest die Absicht von Kuma im August 2003 in einem Artikel des Hollywood Reporter geschildert . Beim erfolgreichen Pentagon-Werbespiel "America's Army" hat man diese Möglichkeit verhindert.
Allerdings kann man jetzt zumindest noch nicht in die Hussein-Brüder schlüpfen, um zurück zu schießen. Vielleicht war das also doch keine so gute Idee? Nach der Beschießung des Hauses in Mossul und Liquidierung der Hussein-Söhne werden bereits weitere Episoden angekündigt: die Gefangennahme von Saddam Hussein und die Operation Anaconda, die angeblich größte Schlacht in Afghanistan. Monatlich soll es für 6,95 Dollar weitere Missionen geben. Ist ein Spiel abgeschlossen, beträgt die monatliche Gebühr 9,95 Dollar. Die Kampfszenen will man "authentisch" darstellen: von den Teilnehmern und deren Positionen über die eingesetzten Waffen bis hin zum Kampfort. Benutzt werden dazu Informationen und Bilder aus den Medien, aber auch Satellitenbilder, Filme ("exclusive raw video shot by U.S. troops") und andere Dokumente des Pentagons".Wie es sich fürs Infotainment gehört, wird das Spiel durch einen Kommentar eingeleitet, der sich anlehnt an die Berichterstattung von TV-Nachrichten. Wirkliche Hintergründe, die über die militärische "Action" hinausgehen, gibt es allerdings nicht. Thomas Wilkerson, ein ehemaliger Offizier bei den Marines, dient als militärischer Experte. Was die erste Mission "Uday and Qusay's Last Stand" betrifft, so muss bezweifelt werden, wie authentisch das "Play the News" tatsächlich ist.
Der Spieler leitet ein vierköpfiges Team und muss erst einmal die Umgebung des Hauses sichern, wobei zahlreiche Hussein-Anhänger, die im Hinterhalt lauern, erschossen werden müssen. Davon hat man freilich in den News wenig gehört, so dass hier schon einmal die triste Wirklichkeit ein wenig aufgepeppt wurde. Allerdings sollen die vom Computerspiel geleiteten Soldaten auch anders vorgehen können als in Wirklichkeit, indem sie die Brüder ohne Raketenbeschuss bekämpfen können. Aber was beispielsweise an der Gefangennahme von Saddam Hussein für Computerspieler, die Aufregung und Spannung suchen, spannend sein soll, wird interessant zu beobachten sein, wenn diese Mission von Kuma angeboten wird. Angepriesen wird jedenfalls: "Experience the toughest fighting of the war." Bei der ganzen Aktion, deren Details überdies noch gar nicht genauer bekannt sind, fiel jedoch kein einziger Schuss, Hussein hatte sich ebenso wie zwei anwesende Männer ohne Gegenwehr ergeben. Ein Problem ist für dieses Konzept vermutlich zynischerweise, dass permanent militärische Kämpfe geschehen müssen, die sich zur Umsetzung in ein Computerspiel eignen - und die vermutlich auch aus amerikanischer Sicht letztlich erfolgreiche Einsätze sein sollten. An eher banalen Einsätzen wie gegenwärtig in Haiti ist man hingegen nicht interessiert - falls nicht doch noch etwas „Aufregendes“ passieren sollte.
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Florian Rötzer
Beitrag als PDFEinzelansichtDennis Wortmann: Was geschah vor der Trilogie?
Im Winter des Jahres 2003 brachte Sierra Entertainment das Spiel „Der Hobbit“ auf den Markt und sprang somit auf den noch rasend schnell fahrenden Zug mit der Aufschrift „Herr der Ringe-Fieber“ auf. Wie alles, was den Stempel Herr der Ringe trägt, vermarktet sich auch dieses Spiel ganz von allein. Die Story ist schnell erzählt, es geht um Bilbo Beutlin aus dem Auenland, der auf Gandalfs Bitten hin den Zwergen hilft ihre Schätze zurückzubekommen und den Drachen Smaug zu bekämpfen.
Mit diesem 3D-Action-Adventure liefern die Macher von Vivendi Universal Games die von Tolkien-Fans heiß ersehnte Umsetzung der Vorgeschichte zu der Herr der Ringe-Trilogie. Spielerisch tauchen alt bekannte Elemente aus dem Action-Adventure-Bereich auf, so darf man hüpfen, kämpfen, Gegenstände einsammeln und ab und an auch leichtere Rätsel lösen. Neues fördert das Spiel dabei nicht zu Tage und so bietet sich dem genreerprobten Spieler ein Spielverlauf, den er schon aus unzähligen anderen Action-Adventures, wie beispielsweise Zelda, kennt. Bilbo kämpft sich, gänzlich genreunüblich, durch graphisch sehr anspruchsvolle Landschaften, was natürlich auch hohe Systemanforderungen an den Rechner stellt. Kommentiert wird das Spiel von Bastian Pastewka, der die Stimme des Bilbo Beutlin spricht.
Die Steuerung des Charakters erweist sich ohne Gamepad als eher schwierig, da die Kombination aus Tastatur und Maus fast ein wenig überfordert.Freigegeben ist „Der Hobbit“ gemäß § 14 JuSchG ab zwölf Jahren, was wohl in erster Linie auf die, zwar sehr irreal, aber dennoch bedrohlich und brutal wirkenden Kreaturen und die vielen Kampfszenen im Spiel zurückzuführen sein dürfte. Zusammengefasst muss man das Spiel „Der Hobbit“ wohl als Durchschnittsprodukt seines Genres betrachten, an dem aber mit Sicherheit trotzdem sehr viele Spieler, gerade die Herr der Ringe-Fans, gefallen finden dürften. Festzuhalten bleibt, dass sich dieses Spieleabenteuer ohne zu glänzen ins Vermarktungsschema der Herr der Ringe-Euphorie einzugliedern weiß und dabei gleichzeitig die Herzen der Fans bedient.
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Dennis Wortmann
Beitrag als PDFEinzelansichtDiana Leusenrink: CD-ROM zum Nationalsozialismus
Johannes Gienger, Tobias Jersak, Gerhard Hirschfeld: Nationalsozialismus – multimediale CD-ROM für Unterricht, Studium und Erwachsenenbildung (In Zusammenarbeit mit der Bibliothek für Zeitgeschichte) medialesson GmbH, als Kreislizenz, Klassensatz oder Einzelversion erhältlich. Einzelpreis: 49,90 €. Technische Voraussetzungen: Minimal: Win 98/NT 4.x/Me/2000/XP; Pentium II 266 MHz; 64 MB RAM; 16x CD-ROM-Laufwerk; Bildschirmauflösung 1024x768 Pixel; Soundkarte, Maus. Empfohlen: Pentium III 600 MHz; 128 MB RAM; 24x CD-ROM-Laufwerk. Zielgruppe: Lehrer/innen und Schüler/innen der Klassen 9-13, Referendarinnen, Erwachsenenbildungsstätten und StudentInnen.Die ehrgeizige CD-ROM mit originalen Film- und Tondokumenten, elektronischen Arbeitsblättern usw. entstand unter der Führung des erfahrenen Pädagogen Johannes Gienger und in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Beratern, Bibliotheken und Archiven. Vorweg: Sie ist wesentlich besser als das, was man von einem herkömmlichen Lehrmittelverlag auf CD-ROM augenblicklich erhalten kann. Inhaltlich und technisch hat sie einige Qualitäten zu bieten. Es wird versucht, allen Kriterien des offenen und selbstgesteuerten Lernens gerecht zu werden.
Die CD-ROM ist darauf angelegt, als alleinige Quelle und zur vollständigen Erarbeitung des Themas Nationalsozialismus eingesetzt zu werden. Die Fülle der Materialien dient dem Lehrenden zur Vorbereitung und Gestaltung des Unterrichtes, indem beispielsweise alles als Folie oder Handout für die Lernenden ausgedruckt werden kann, Originaldokumente gezeigt und elektronische Arbeitsblätter verschickt werden können. Für den Schüler gibt es zu jeder Lektion Vorschläge zu einer Vortragsstruktur und für die Vorbereitung eines Vortrages entsprechend ausführliche Texte, die wiederum mit Quellen, Dokumenten und anderen Materialien verlinkt sind, die der Lernende dann für seinen Vortrag vor der Gruppe einsetzen kann. Die CD-ROM kann entweder als Lehrmittel für die Erarbeitung, Wiederholung und Prüfungsvorbereitung zum Thema Nationalsozialismus so eingesetzt werden, dass sie den gesamten Lernprozess strukturiert und gestaltet oder sie soll nur in die Hand des Lehrers, der hier eine schier unendliche Fülle an Materialien und didaktischen Hilfsmitteln findet. In jeder Lektion stehen die bereits erwähnten Modi zur Verfügung: Präsentation, Vortragsstruktur, Arbeitsblätter, Darstellender Text, Materialien/Bilder, Videoclips, Quellen, Folienvorlage, Prüfungsaufgaben. Das beigefügte Arbeitsheft bietet eine kurze Einführung und Anleitung zur Arbeit mit den einzelnen Modi.
An verschiedenen Elementen zeigt sich die didaktische Erfahrung des Herstellers: Die zusammenfassenden Aufgaben, die Texte und ihre Platzierung, die Verknüpfung Quellentexten, Bildern und anderen Dokumenten werden hohen Ansprüchen gerecht. Es gibt außerdem drei Zusatzthemen, die Alltagswissen der Schüler aufgreifen und dieses durch zu erarbeitende Fragestellungen korrigieren oder erweitern. (Zum genauen Inhalt siehe www.medialesson.de)Insgesamt erscheint die CD-ROM vor allem sehr gut für den Einsatz im schulischen Kontext geeignet und findet sicherlich auch hier seine volle intendierte Anwendung. In der Erwachsenenbildung ist die CD-ROM zur Einführung in das Thema gut geeignet, wenn man sie in der Gruppe einsetzt, wobei gleichzeitig der Umgang mit dem Computer geübt werden kann. Für das Studium ist die Zusammenstellung sicher nicht anspruchsvoll genug. Dennoch sind die Vielfalt der multimedialen Materialien, Bilder, systematisierenden Fragestellungen sowohl für Lehrende in der Erwachsenenbildung, als auch im Studium für die Vorbereitung und Gestaltung von Vorträgen durch Studenten bestens geeignet.
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Diana Leusenrink
Beitrag als PDFEinzelansichtGünther Anfang: Gutes Edutainment
Janosch Vorschule 1-3Windows 95/98/ME/XP, Terzio Verlag München 2003, je 19,95 €, Empfohlen ab 5 Jahren
Unter dem Motto „Fit für die Schule mit Tiger und Bär„ hat der Terzio Verlag gleich drei CD-ROMs für die Vorschule herausgebracht, die eine gezielte Förderung für Kinder bereits in der Kindergarten- und Vorschulzeit zum Ziel haben. CD 1 ist dem Themenbereich „Mathe und Logik“ gewidmet, CD 2 dem Themenbereich „Deutsch“ und CD 3 dem Themenbereich „Sachwissen“. Jede CD-ROM hält zehn Aufgaben bereit, die wiederum bis zu zehn Schwierigkeitsstufen vereinen. Dabei ist ein Schritt-für-Schritt-Vorgehen nach dem Motto "Übung macht den Meister" zu durchlaufen, was den Kindern spielerisch Zahlen, Buchstaben und ein grundlegendes Sachwissen vermitteln soll. Auf der CD-ROM „Mathe und Logik“ geht es darum, Zahlen, Farben und Formen, Muster und Mengen kennen zu lernen und zuzuordnen. Ganz spielerisch können diese Fähigkeiten beim Aufräumen mit der Maus, im Raupenspiel mit Tante Gans oder auch im Wettbewerb der Protzfische geübt werden, um sie anschließend im "Spiel mit mir"-Wettkampf gegen einen weiteren Mitspieler unter Beweis zu stellen.
Mit Hilfe der CD-ROM „Deutsch“ sollen Kinder ihre sprachlichen Fertigkeiten trainieren. Ob Wörter raten mit dem Blubberfisch, Geschichten mit dem Maulwurf, Kochen mit dem Bär oder das Merkspiel mit Fuchs und Gans, die CD-ROM enthält eine Menge Anregungen, sprachliche Fertigkeiten auszubilden und zu vertiefen. Die dritte CD-ROM zum Thema „Sachwissen“ vereint verschiedene Bereiche wie Fragen zum Umgang mit Geld, die Kenntnis elementarer Verkehrsschilder, das Lesen der Uhr, das Wissen um den eigenen Körper und seine Funktionen sowie eine kleine Einführung in den Computer. Witzige Spielchen, wie das Pilzfangen oder die Maus vom Käse fernhalten, wirken einerseits entspannend und fördern andererseits neben dem Sachwissen auch das Reaktions- und Konzentrationsvermögen. Zu allen Übungen auf den CD-ROMs gelangt man über eine Landkarte oder auch auf Vorschlag von Tiger und Bär, die hilfreich durch das Spiel begleiten.
Darüber hinaus gibt es zusätzliche Features, wie das Elternprotokoll, das dokumentiert, wie weit die Sprösslinge einzelne Aufgaben bewältigt haben sowie den Elternratgeber, der unter anderem Informationen zu einem gelungenen Schulstart parat hält, Schulfähigkeit und im Zusammenhang mit dem Computer eine mögliche Vereinsamung sowie eine angemessene Spieldauer thematisiert. Insgesamt machen die CD-ROMs Kindern sicher viel Spaß, da sie lustige Geschichten mit viel Wissenswertem verpacken. Solange Eltern die CD-ROMs nicht als Trainingsprogramm verwenden, um ihren Sprösslingen bereits vor der Schule Druck in Sachen Lernen zu machen, dürften diese Edutainmenttitel eine willkommene Abwechslung auf dem heiß umkämpften Lernsoftwaremarkt sein.
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Günther Anfang
Beitrag als PDFEinzelansichtHeinz-Jürgen Kliewer: Hören-lesen-hören
Beckers Roman, 1969 im Aufbau Verlag in der DDR erschienen, aber schon 1965 als Filmdrehbuch fertig, ist ein Paradebeispiel für das gar nicht so seltene Phänomen: ein Autor findet seinen festen Platz im öffentlichen Bewusstsein mit einem einzigen Titel; seine späteren Bücher wird nur noch die Literaturgeschichte verzeichnen. Kaum ein anderes Werk der DDR-Literatur hat im Westen eine ähnliche Resonanz gefunden. Dazu mag auch der berühmte DEFA-Film von Frank Beyer (1974) beigetragen haben, aber entscheidender ist wohl das Thema, eine Ghettogeschichte aus der NS-Zeit und die Art, wie sie erzählt wird. Im Angesicht des Todes sind Humor und Selbstironie lebensnotwendig, die Lüge hält die Hoffnung aufrecht; für aufmerksame LeserInnen gehören sicher auch die Reflexionen über das Erzählen zu den Passagen, mit denen das menschenunwürdige Leben für sie in tragikomischer Weise erträglich wird. Becker war im Ghetto aufgewachsen und hatte als Kind in den KZs Ravensbrück und Sachsenhausen gelebt.
Von seinem Vater kannte er die Geschichte von einem Mann, der verbotenerweise im Ghetto ein Radio besaß. Erst die fiktionale Verdrehung der Realität, Jakob hat kein Radio, sondern gibt es nur vor, wird zur Grundlage des Buches.Sieht man die "Vertonung" analog zur Verfilmung als eigenständigen Text zu einem Text, dann dürfte von Intertextualität nur gesprochen werden, wenn der Text A, der Roman, zu einem Text B, dem Hörspiel verändert wird. Auch die Lesung eines Textes stellt eine Interpretation dar; allerdings bleibt der Text unangetastet (wenn er nicht gekürzt wird), allein die Stimme schränkt die Phantasie des Hörenden ein oder regt sie an. Ist das andere Medium die Stimme oder erst die CD, auf der sie festgehalten und reproduzierbar wird? Die Analyse und Beurteilung von Hörbüchern ist jedenfalls, soweit es sich um Lesungen handelt, ein sehr schwieriges Unterfangen, das für den Unterricht seinen eigenen Reiz hat. Das Problem, und das sei hier schon vorweggenommen, ist die Versprachlichung von Höreindrücken generell, also auch von Musik und Geräuschen, speziell aber von Stimmen. (vgl. Heinz-Jürgen Kliewer 2000) Außer dem Hörspiel von Wieghaus ließe sich die Lesung des Autors zum Vergleich heranziehen sowie eine Lesung von Christian Baumann u.a. (Cornelsen 2001).
Wer es noch multimedialer wünscht, findet neben dem alten Film eine Neuproduktion aus dem Jahre 1999 (auch auf DVD) mit Robin Williams in der Regie von Peter Kassovitz. Das Hörspiel "Jakob der Lügner" wurde 2002 für den Westdeutschen Rundfunk Köln produziert und auf WDR 5 gesendet; auf der Hörbuchbestenliste 3/2003 errang es den 1. Platz. Das 12-seitige Booklet enthält einen für Kinder geschriebenen Text des Autors Georg Wieghaus, in dem er knapp den Inhalt wiedergibt und die Situation in den Ghettos skizziert. Außerdem berichtet er über die Entstehung. Außer einer Zeittafel zum Ghetto Lódz (1939-1945), die in anschaulicher und leicht verständlicher Form die Situation der eingeschlossenen Juden vor Augen führt, findet sich darin u.a. das Verzeichnis der neunzehn SprecherInnen, aus denen Rudolf Wessely als Erzähler und Gerd Baltus als Jakob Heym herauszuheben sind. Die Musik von Henrik Albrecht spielen die fünf Musiker der Gruppe "Klezcetera". Da Kinder durch das Hören des ganzen Hörspiels mit seinen fast 70 Minuten überfordert wären, ist eine Gliederung in zehn Takes zwischen etwa drei und zehn Minuten sehr willkommen; auch für den Unterricht ist die Möglichkeit zum stückweisen Hören unerlässlich.
Eine ungekürzte Lesung würde etwa neun Stunden dauern; die Eingriffe in den Textcorpus müssen also erheblich sein.Der Roman ist nicht nur in eine andere Gattung und in ein anderes Medium transformiert worden, sondern - was viel tiefgreifender ist – er wurde für eine andere Zielgruppe adaptiert. Das Um-Schreiben von Erwachsenenliteratur für Kinder ist zwar durchaus üblich (vgl. ausführlich Ewers 2000, 199 ff.), aber beim Thema Holocaust eine Besonderheit. Auch bei "Jakob der Lügner" wird einerseits wieder die Frage der Zumutbarkeit diskutiert werden wie dereinst beim Bilderbuch "Rosa Weiß" (1986) von Roberto Innocenti (zum Holocaust im Bilderbuch vgl. Wyrobnik 2003) oder bei Gudrun Pausewangs "Reise im August" (1992), andererseits das Problem, wie unterhaltsam das Schreiben über den Holocaust sein darf (vgl. Ursula Kliewer 2002), welche Rolle die Komik dabei spielen darf. Das naive Kind im Buch, bei Becker die achtjährige Lina, oder das Kind in Benignis Film "Das Leben ist schön" (1997), die von den Erwachsenen über die ausweglose Realität hinweggetäuscht werden sollen, verlangen wissende LeserInnen bzw. ZuschauerInnen; nur sparsame Andeutungen dessen, was eigentlich passiert, müssen genügen, um die bedrängende Diskrepanz zwischen dem Humor an der Oberfläche und dem dargestellten Geschehen entstehen zu lassen, die drohende Vernichtung.Einsatz im UnterrichtIch habe für den Einsatz des Hörspiels ausführliche Unterrichtsvorschläge erarbeitet, die für diesen Artikel leider gekürzt werden mussten. Deshalb im Folgenden nur einige Hinweise auf Besonderheiten der Methode.
Ein paar allgemeine Empfehlungen vorweg:· Ein Roman kann nicht am Stück gelesen werden; die Verfilmung und auch die "Vertonung" sollte, wie es bei diesen Medien üblich ist, als Ganzheit aufgenommen werden. Ein häppchenweises Hören würde den emotionalen Gesamteindruck zerstören. Dass erneutes Hören einer erneuten Motivation der SchülerInnen bedarf, muss in Kauf genommen werden.· Bei der späteren Analyse ist dagegen ein geradezu mikroskopisches Vorgehen anzuraten: einzelne Takes sollten sogar mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen mehrere Male gehört werden. Noch besser ist es, wenn innerhalb des Takes vor- und zurückgesprungen werden kann, was einige Geräte ermöglichen.· Bestimmte Stellen sollten nicht wiederholt werden, um nicht Leid auszustellen, z.B. die Erschießung Herschels, die unmittelbar voraufgehende Stelle der Stimmen aus dem Eisenbahnwaggon oder die Szene als Mischa verhindert, dass Rosa ihren Eltern folgt, als sie abtransportiert werden.GattungsgesetzeJedes Lesen eines epischen Textes mit verteilten Rollen, wie es auch an Lesestücken häufig praktiziert wird, ist unter Gattungsgesichtspunkten ein Zwitter. Während im Roman nur eine Person spricht, nämlich der Erzähler, wird sie im dialogisierten Hörspiel zur Person unter anderen; im Drama gibt es keinen Erzähler! Diese Gattungsgesetze lassen sich SchülerInnen gerade an "vertonten" Büchern verdeutlichen, auch wenn es nicht ganz einfach ist.Kürzungen Kürzungen sind zwangsläufig. Was dabei auf der Strecke bleibt, sollte an ein paar Seiten bzw. Minuten geprüft werden: es ist nicht nur Prosatext, sondern der humorvolle, distanzierte Sprechton des Erzählers ist getilgt.
Andererseits ist der Erzähler aber nicht so neutral, wie er bei Wieghaus erscheint. Vielleicht können SchülerInnen erst nach einem eigenen Versuch, ein Kapitel der Vorlage zu kürzen, ermessen, wie diffizil das Umschreiben ist. ErgänzungenDiesen allerdings nur teilweise medienbedingten Auslassungen stehen Ergänzungen gegenüber. Selten werden Anreden eingefügt, um die Personen zu markieren, eine Wortwiederholung, wie sie beim erregten Sprechen üblich ist; aber dann gilt es schon, noch im Bereich der Sprache auf akustische Besonderheiten zu achten, die im geschriebenen Text nicht möglich sind bzw. umschrieben werden müssen. In Take 8 "Professor Kirschbaum" (Wieghaus 48) sind z.B. parallel das Sprechen Kirschbaums und das Schnaufen und Reinsprechen-wollen von Jakob zu hören.Musik und GeräuscheIn sehr gezielter Weise eingesetzt sind Musik und Geräusche; man hat den Eindruck, es gibt keine einzige Stelle ohne sie. Im Unterschied zu vielen Hörspielen, die nach Büchern produziert werden (und die man streng genommen nicht Hörspiele nennen sollte), sind sie nicht nur Pausenfüller oder stereotype Klangfolie, sondern folgen sehr überlegt dem Text. Ein Beispiel: Take 7 "Ein Radiokonzert", eine ideale Vorlage für ein Hörspiel, Jakob stößt gegen einen Blecheimer, das Geräusch wird mit dem Nachhall von gezupften Klaviersaiten fortgesetzt, Schnarrgeräusche werden zwischengemixt. Rolle der Rezipienten
Mit Jugendlichen kann auch die Distanz zwischen eigenem Leseanspruch und dem von Kindern reflektiert werden: Wieghaus vereinfacht die Sprache ("auf dem Territorium" Becker 8 wird zu "auf diesem Gebiet" Take 1), reduziert das Personal. Jugendliche, zwischen Kindheit und Erwachsensein stehend, werden an sich beobachten müssen, ob sie den schwarzen Humor erfassen, der den Roman durchzieht und der Kindern nicht zugemutet wird. Das ist freilich nicht nur eine Frage der Rezeptionskompetenz, sondern auch des Wissens, das sie über die Situation im Ghetto haben und das allein mit dem Nachwort im Bilderbuch bzw. mit leicht abgewandelten Schluss im Booklet (Rechtsfragen mit dem Suhrkamp-Verlag) nicht ausreichend bereitgestellt wird.
Literatu:r
Jurek Becker: Jakob der Lügner.- Frankfurt: Suhrkamp 1982 (=Bibliothek Suhrkamp 510)Jakob der Lügner. Nach dem Roman von Jurek Becker, illustriert von Lukas Ruegenberg, Textfassung von Georg Wieghaus.- Kevelaer: Butzon&Bercker 2002
Jakob der Lügner. Nach dem Roman von Jurek Becker. Hörspiel von Georg Wieghaus. Köln: WDR 5, 2002. Vertrieb: Headroom Sound Production
Ewers, Hans-Heino: Literatur für Kinder und Jugendliche. Eine Einführung.- München: Fink 2000Kliewer, Heinz-Jürgen: HörenSagen - Sagen hören. Zur Analyse von Kinderhörspielen. In: Karin Richter und Sabine Riemann (Hrsg.): Kinder-Literatur-"neue" Medien.- Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren 2000, (=Diskussionsforum Deutsch 1) S. 143-152
Kliewer, Ursula: Wie unterhaltsam darf oder muß Jugendliteratur zum Thema Holocaust sein? Fundevogel Heft 144 (2002) 51 - 64Wyrobnik, Irit: Der Holocaust im Bilderbuch.- Fundevogelo Heft 146 (2003) 5 – 19
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Heinz-Jürgen Kliewer
Beitrag als PDFEinzelansichtKarin Ehler: Architektur im Blick
In einer Ausstellung in Berlin wird das Werk von Erich Mendelsohn gezeigt, dem großen Architekten der Moderne (1887 bis 1953), der vor allem durch seinen Einsteinturm in Potsdam einem breiten Publikum bekannt ist. Diesen baute er während seiner längsten und wichtigsten Schaffensperiode, die er von 1914 bis 1933 in Berlin verbrachte. Er hatte damals ein eigenes Büro mit vielen Mitarbeitern und schuf zahlreiche Gebäude in und um Berlin: u. a. 1922 den Einsteinturm, der als Observatorium und astrophysikalisches Institut der Erforschung der Einsteinschen Relativitätstheorie diente, 1923 das Verlagshaus Rudolf Mosse und 1930 das Kaufhaus Schocken. 1933 musste Mendelsohn vor den Nazis flüchten und emigrierte nach Amsterdam, um später nach Südfrankreich, London, Jerusalem, New York und schließlich San Francisco weiterzuziehen. Überall schuf er seine Werke, aber gerade Berlin und die Umgebung sind besonders reich an seinen Bauten. Neben seinen Werken, die auf Fotos und durch Modelle, auf Skizzen und Plänen dargestellt sind, ist ein wichtiger Teil der Ausstellung auch seinem Leben und seinen Visionen gewidmet, dabei kommt den Biografien von Erich Mendelsohn und seiner Frau Luise sowie den Memoiren von Luise Mendelsohn besondere Bedeutung zu.
Schließlich stellt die Ausstellung die Frage nach der Erhaltung und Instandsetzung der frühen, experimentellen Bauten und zeigt den heutigen Zustand einiger seiner Gebäude.Die Ausstellung der Akademie der Künste, Berlin, des Instituts für Auslandsbeziehungen, Stuttgart, der Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin und der Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg, ist noch bis 2. Mai in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin-Tiergarten zu sehen. Der Ausstellungskatalog kostet 35,- €.Einen kritischen (Kamera-)Blick auf die Architektur der Moderne, wie sie sich nach Mendelsohn weiterentwickelt hat, zeigt eine Ausstellung, die zur gleichen Zeit in München zu sehen ist. Aus der Perspektive des Monsieur Hulot, der Hauptperson in den Filmen des Franzosen Jacques Tati (1907 bis 1982), stellt sie die moderne Architektur und die Technisierung des Alltags als unbarmherzig und kalt dar. Jacques Tati hat fünf Kinofilme gedreht und dafür mehrere Preise (Grand Prix du Cinéma Francais, Academy Award, César) gewonnen: „Jour de Fete“ (Das Schützenfest, 1949), „Les Vacances de Monsieur Hulot“ (Die Ferien des Monsieur Hulot, 1953), „Mon Oncle“ (Mein Onkel, 1958), „Play Time“ (Tatis herrliche Zeiten, 1967) und „Trafic“ (Tati im Stoßverkehr, 1971). Monsieur Hulot, ein schüchterner, liebenswerter Mann mit Hochwasserhosen und Regenschirm und von Tati selbst gespielt, verzweifelt darin immer wieder an den Tücken, die das Leben in der modernen Großstadt und im absurd technisierten Haushalt mit sich bringt: Küchen, die alleine arbeiten, aber den Menschen überfordern und seine Bedürfnisse ignorieren, Verkehrsmassen, die in absolutem Chaos enden, gigantische Hochhäuser und sterilgläserne Bürocontainer, die die Bewohner und Arbeiter in der Anonymität verschwinden lassen bzw. sie der permanenten Beobachtung ausliefern – so beschreibt Tati das Leben in seinen Filmen und macht dadurch seinem Publikum die Probleme der Modernisierung bewusst. Tati hat dafür mit dem Filmarchitekten Jacques Lagrange zusammengearbeitet.
Nicht nur die Technisierung und die Gebäude sind im Film gigantisch, auch die Kosten sind es: Bei der Filmarchitektur für „Play Time“ musste er sich so sehr verschulden, dass seine Produktionsfirma in Konkurs gegangen ist und er selbst die Nutzungsrechte an seinen Filmen verloren hat.Die Ausstellung ist analog zu Le Corbusiers „Charta von Athen“ gegliedert, weil deren Leitbegriffe Wohnen, Arbeiten, Verkehr, Freizeit und Kultur nach dem zweiten Weltkrieg oft Wiederaufbau und Neubau der Städte prägten; ein prägnantes Beispiel dafür ist die Konstruktion von Brasiliens Hauptstadt Brasilia. Exponate sind Standbilder, Fotos, Zeichnungen, ein Modell der Villa Arpel aus dem Film „Mon Oncle“ und Filmdokumente. Täglich werden „Mon Oncle“ und „Play Time“ im Ausstellungskino gezeigt. Die vom Institut francais d’architecture/Cité de l’architecture et du patrimoine erarbeitete und in Kooperation mit „Les Films de Mon Oncle“ und dem Institut National Audiovisuel in Paris produzierte Ausstellung wird vom Architekturmuseum der TU München präsentiert. Sie ist noch bis zum 2. Mai zu sehen in der Pinakothek der Moderne, Kunstareal, Barer Straße 29, 80799 München. Der Ausstellungskatalog kostet 12 €.
Beitrag aus Heft »2004/02: Musik im Leben Heranwachsender«
Autor: Karin Ehler
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