2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie
Utopien sind wichtig für den gesellschaftlichen Wandel. Sie lassen auf eine bessere Zukunft und die Überwindung gegenwärtiger Missstände hoffen. Sie motivieren Menschen, das aus ihrer Sicht Richtige zu tun und Weichen zu stellen; politisch-rechtlich, ökonomisch, medial-technisch oder in ihrer Alltags- und Beziehungswelt. Auch medienpädagogisches Handeln steht in einem engen Verhältnis zu utopischem Denken, wenn es Menschen Möglichkeitsräume eröffnet, Gesellschaft mitzugestalten und neu zu denken. In Zeiten, die von vielen als Dauer- und Polykrise erlebt werden, können Utopien so der Ausbreitung von Resignation und Fatalismus entgegenwirken.
Im aktuellen Heft werden Medien- und Technik-Utopien in den Mittelpunkt des Nachdenkens gerückt. Die Zukunft ist gestaltungsoffen und wird im Verbund von Mensch und Technik erschaffen. Denn wie wir uns mediale und technologische Zukünfte vorstellen, uns als Spezies und Subjekte selbst darin platzieren, was die Prinzipien, Orientierungen und Axiome für Technik- und Mediengestaltung sind, das entscheidet mit darüber, in welcher Gesellschaft wir und die nach uns Kommenden leben (werden).
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Monika Gesing: Desinformation im Kontext politischen Informationsverhaltens
Der Begriff ‚Desinformation‘ prägt zunehmend die öffentliche Diskussion. Er bezeichnet die gezielte Verschärfung gesellschaftlicher Spannungen und die Beeinflussung politischer sowie wirtschaftlicher Prozesse durch Falschinformation. Die Spanne reicht von völlig frei erfundenen Inhalten über absichtlich falsche Kontextualisierungen bestehender Inhalte bis hin zum bewussten Weglassen von Informationen. Inzwischen sind neben textuellen auch visuelle und audiovisuelle Inhalte von Desinformation betroffen, wie sogenannte Deepfakes, Verfahren zur Manipulation medialer Identitäten, mit denen Gesichter und Stimmen gefälscht werden können.
Vor dem Hintergrund ist Desinformation eine Gefahr für die Demokratie. Laut einer Studie der Landesanstalt für Medien NRW, die das Informationsverhalten und die Wahrnehmung von Desinformation im Kontext von Wahlen und Wahlkämpfen untersuchte, glauben viele Befragte, dass Desinformation die Demokratie bedrohe und die Meinungen in der Bevölkerung beeinflusse. Insbesondere Menschen unter 25 Jahren sind besorgt, selbst auf Desinformation hereinzufallen. Ältere Menschen, deren Wahrnehmung von Desinformation ebenfalls gestiegen ist, nutzen vor allem das Fernsehen, gefolgt von (gedruckten) Tageszeitungen, als Hauptquelle für Informationen bei Wahlen oder Wahlkämpfen. Digitale Nachrichtenangebote und Soziale Medien wie TikTok gewinnen besonders bei den Unter-25-Jährigen an Bedeutung, Medien wie Fernsehen, Radio und (gedruckte) Zeitungen verlieren an Relevanz. Altersunterschiede liegen auch im Umgang mit Desinformation. Jüngere Personen sind deutlich aktiver als ältere und nutzen Fact-Checking-Seiten und die Meldefunktion der Plattformen. Insbesondere die Über-59-Jährigen ergreifen kaum Maßnahmen im Umgang mit Desinformation.
Die Wahrnehmung von Wahlwerbung in Sozialen Medien bewegt sich etwa auf dem Niveau des Vorjahres, sei aber zunehmend schwieriger zu identifizieren, wenn nicht unmittelbar ein*e Politiker*in bzw. das Partei-Logo zu sehen ist. Insgesamt wünschen sich die Befragten mehr Maßnahmen, um gegen Desinformation im Netz vorzugehen, obgleich sich die geforderten Strategien je nach Altersgruppe unterscheiden.
Die Studie basiert auf einer Online-Befragung mit einem strukturierten Fragebogen im Juni 2023 und Mai 2024 von jeweils über 1.000 Internetnutzer*innen ab 14 Jahren.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Monika Gesing
Beitrag als PDFEinzelansichtMonika Gesing: Algorithmen und KI im Alltag von Jugendlichen
Jugendliche werden in ihrer Social Media-Nutzung oft mit algorithmisch empfohlenen Inhalten konfrontiert, bei denen sie die Algorithmen und ihre Funktionsweisen zwar zumeist bewusst wahrnehmen, sie aber nicht definieren und einordnen können. Das zeigt ein im Juli 2024 von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) veröffentlichter Forschungsbericht, der Algorithmen und Künstliche Intelligenz aus der Perspektive von Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren beleuchtet. Insgesamt bewerten Jugendliche Algorithmen eher positiv, erkennen aber Nachteile wie das Suchtpotenzial. Im Umgang mit Algorithmen scrollen Jugendliche meist einfach weiter oder reagieren strategisch mit einem gezielten Training des Algorithmus. Mit Blick auf das Bewusstsein Jugendlicher für Algorithmen lassen sich Unterschiede zwischen den Bildungsgruppen verzeichnen: Jugendliche mit niedrigerer Schulbildung haben insgesamt ein weniger ausgeprägtes Bewusstsein für Algorithmen und ihre Funktionsweisen und sind diesen gegenüber positiver eingestellt.
Zunehmend sind auch KI-basierte Anwendungen wie ChatGPT im Alltag Jugendlicher präsent, insbesondere Sprachassistenten und Textgenerierungsprogramme. Jugendliche haben eine eher positive Einstellung zu KI, können das Konzept jedoch meist nicht klar definieren. Zudem zeigen sich auch hier Unterschiede im Nutzungsverhalten mit Blick auf die formale Bildung der Jugendlichen. Während Jugendliche mit höherer Bildung KI-Anwendungen vermehrt im schulischen Kontext nutzen, greifen Jugendliche mit niedrigerer Bildung eher im Freizeitkontext darauf zurück und bewerten KI-Anwendungen insgesamt positiver.
Der Bericht verweist darauf, dass Algorithmen und KI in Familie und Schule kaum thematisiert werden, Jugendliche sich jedoch mehr Wissensvermittlung wünschen. Daran knüpfen die medienpädagogischen Handlungsempfehlungen an.
Das Forschungsprojekt wurde von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) im November und Dezember 2023 realisiert und basiert auf einem multimethodischen Ansatz aus drei aufeinander aufbauenden Bausteinen bestehend aus Gruppendiskussionen, Online-Tagebuchaufzeichnungen und einer Online-Befragung von 610 Jugendlichen aus ganz Deutschland.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Monika Gesing
Beitrag als PDFEinzelansichtKati Struckmeyer: Stichwort: Solarpunk
Solarpunk ist ein aktuelles utopisches Genre der Science-Fiction-Literatur, zu der auch eine Bewegung gehört, die versucht, die Ziele dieser Fiktion zu erreichen. Angelehnt ist der Begriff an den Cyberpunk, der wiederum eine dystopische Science-Fiction-Richtung ist, die mit der literarischen Bewegung um William Gibson, Bruce Sterling und weiteren Autor*innen in den 1980er-Jahren entstanden ist. Solar soll in diesem Fall für ökologische Nachhaltigkeit stehen, Punk für Rebellion, Inklusion, Diversität sowie ein Alternativmodell zum Kapitalismus.
Anhänger*innen des Solarpunk kommen zum Beispiel aus dem Umweltschutz, der Open-Source-Bewegung und der Softwareentwicklung. Ziel ist es, die Klimakrise und die Umweltverschmutzung zumindest teilweise zu überwinden, und eine inklusive und diverse Gesellschaft zu schaffen. Solarpunk hat einen optimistischen Blick auf die Zukunft und stellt sich dystopischen, postapokalyptischen Visionen und Geschichten (z. B. des Cyberpunk) entgegen. Ganz praktische Beispiele für die Bewegung des Solarpunk sind Menschen, die ihre Häuser oder Dörfer autark mit Solaranlagen versorgen oder sich zusammenfinden, um Community Gardening zu betreiben. Auch Kleidung, die dazu entwickelt wurde, um Strom zu erzeugen, oder Sonnenschirme mit eingewebten Solarzellen, an denen Geräte geladen werden können, zählen dazu. Es geht der Bewegung darum, Menschen zu aktivieren und zu motivieren, ins Handeln zu kommen. Damit soll einem durch Angst vor der Klimakrise entstandenen Ohnmachtsgefühl entgegengewirkt werden. Das Science-Fiction-Genre des Solarpunk liefert einen Teil der Vorstellungen und Narrative, die von der Bewegung aufgegriffen und umgesetzt werden.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Kati Struckmeyer
Beitrag als PDFEinzelansichtVeronika Wagner: Wie blicken Erziehungsberechtigte auf KI im Bildungskontext?
Erziehungsberechtigte haben zu KI in der Arbeitswelt gemischte Gefühle: 89 Prozent blicken optimistisch auf die berufliche Zukunft ihrer Kinder. Gleichzeitig hat knapp ein Drittel Sorge, dass ihr Kind schlechtere Chancen auf einen guten Job in einer von KI geprägten Berufswelt hat. Dies zeigt eine repräsentative Online-Umfrage der forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH im Auftrag der Körber-Stiftung. Diese erfasst jährlich die Perspektiven von Eltern im Kontext Bildung. Im Frühjahr 2024 wurden bundesweit 1007 Eltern von Kindern zwischen 12 und 18 Jahren befragt. Die Studie setzte ihren Fokus dieses Jahr auf die Perspektive von Erziehungsberechtigten auf die Rolle von KI für die Bildung und die berufliche Zukunft ihrer Kinder.
Hinsichtlich des Einsatzes von KI an Schulen sehen ungefähr die Hälfte der Erziehungsberechtigten sowohl Vor- als auch Nachteile: die Mehrheit gibt an, dass KI-Anwendungen zum Beispiel das Schummeln bei Prüfungen und Hausaufgaben erleichtert. Allerdings stimmt rund die Hälfte zu, dass KI-Anwendungen für eine zukunftsfähige Schule zwingend erforderlich sind. Rund die Hälfte aller Eltern spricht mit ihren Kindern zu Hause über KI. In welchem Umfang Kinder von ihren Erziehungsberechtigten bei der kritischen Auseinandersetzung mit KI unterstützt werden, scheint mit elterlichen Vorerfahrungen und ihrem Bildungsstand zusammenzuhängen. Bei Eltern mit höherem Bildungsabschluss ist der Anteil derjenigen, die schon KI-Anwendungen ausprobiert haben, höher als bei Menschen mit Hauptschul- oder Realschulabschluss.
Die Benachteiligung von Kindern aus bildungsbenachteiligten Strukturen zeichnet sich auch beim Diskurs hinsichtlich KI deutlich ab. Deshalb sind Schulen als Lern- und Experimentierraum essenziell, damit alle Kinder die Chance bekommen den Umgang mit KI zu erlernen. Trotz dessen gab nur gut ein Zehntel aller Erziehungsberechtigten an, dass an der Schule ihrer Kinder zum Zeitpunkt der Befragung mit KI-Anwendungen gearbeitet wurde.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Ulrike Wagner
Beitrag als PDFEinzelansichtVeronika Wagner: Risiken von Lootboxen in Games
Rund ein Drittel der Lootbox-Systeme in Games sind riskant. Sie dienen als Vehikel in einem wesentlich weiter reichenden System aus Manipulationsmechanismen. Zu diesem Ergebnis kommt jugendschutz.net in einer Analyse, in welcher die Risiken von Lootboxen in Spielen unter Jugendschutzgesichtspunkten betrachtet wurden. Der Bericht erschien im Juni 2024 und basiert auf Recherchedaten aus dem Februar und März 2024. Dafür wurden eine Vielzahl an Lootboxen aus rund 20 Spielen auf ihre spezifischen Merkmale hin überprüft. Bei den Spielen handelt es sich um nutzer*innenstarke Spartentitel wie League of Legends, mobile Spiele mit hoher Reichweite wie Clash Royale, sowie ältere Spiele von in Deutschland ansässigen Publishern wieInnogames.
Eine Lootbox ist ein virtueller Behälter mit einer zufälligen Sammlung von Spielgegenständen wie Waffen oder Ausrüstung. Heutzutage sind diese Gegenstände häufig mit dem Belohnungs- bzw. Monetarisierungssystem des jeweiligen Spiels verknüpft. Welches Risiko von einer Lootbox ausgeht, hängt mit dem Umfang der Methoden zum emotionalen Engagement der Spielenden mit dem Spiel zusammen. Kommen mehrere Strategien zusammen, können Lootboxen zu exzessivem Nutzungsverhalten von Gamer*innen beitragen. Riskante Faktoren können die Seltenheit des Inhalts und die Öffnung der Boxen getrennt von der Spielumgebung sein. Auch durch die Emotionalisierung des Öffnens der Boxen können sie Züge eines Glücksspiels annehmen.
Doch wie können Lootboxen gezielt reguliert werden? Zunächst fallen sie in Deutschland unter das Jugendschutzgesetz, Verstöße können demnach auch geahndet werden. Grundsätzlich muss das gesamte Monetarisierungssystem eines Spiels überprüft werden. Durch die breite Vielfalt an Lootboxen müssen sie individuell eingeordnet werden, ein generelles Verbot ist daher nicht zu empfehlen. Konkrete Handlungsansätze wären die Unterbindung von Bündelungen vieler Lootboxen. Auch könnte der Erwerb von Lootboxen mit ausschließlich realem Geld zu mehr Transparenz und elterlicher Ausgabenbegrenzung beitragen und damit mögliche Risiken verringern. Als ergänzende Maßnahme könnten außerdem spezielle Werbeeinschränkungen sinnvoll sein.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Ulrike Wagner
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Wolfgang Reißmann/Friedrich Krotz: Medien- & Technikutopien gesucht, die es wert sind
Die Notwendigkeit utopischen Denkens
Utopien sind wichtig für den gesellschaftlichen Wandel. Sie lassen auf eine bessere Zukunft und die Überwindung gegenwärtiger Missstände hoffen. Sie motivieren Menschen, das aus ihrer Sicht Richtige zu tun und Weichen zu stellen; politisch-rechtlich, ökonomisch, medial-technisch oder in ihrer Alltags- und Beziehungswelt. Utopien haben das Potenzial, heterogene Gruppen zu einen, kollektive Fluchtpunkte zu stiften, Energien zu mobilisieren. Sie sind umso wichtiger in Zeiten, die von vielen als Dauer- und Polykrise erlebt werden. Utopien können der Ausbreitung von Resignation und Fatalismus entgegenwirken. Auch medienpädagogisches Handeln steht in einem engen Verhältnis zu utopischem Denken, wenn es Menschen Möglichkeitsräume eröffnet, Gesellschaft mitzugestalten und neu zu denken. Denn im Wissen um je aktuelle Macht- und Herrschaftskonstellationen ging und geht es handlungsorientierter Medienpädagogik darum, Medien(-technologie) für die Emanzipation aus medial wie nicht-medial produzierten Ungleichheitsverhältnissen in Gebrauch zu nehmen.
Mit diesem Heft möchten wir dazu anregen, Medien- und Technikutopien in den Mittelpunkt des Nachdenkens zu rücken – gerade in einer Zeit, in der Narrative medialer und technischer Eigenmacht und Determination (wieder) an Relevanz gewinnen und subjektive Handlungsspielräume geringer zu werden scheinen. Die Zukunft kommt aber nicht einfach über uns, sondern ist gestaltungsoffen und wird – heute – im Verbund von Mensch und Technik erschaffen. Wie wir uns mediale und technologische Zukünfte vorstellen, uns als Spezies und Subjekte selbst darin platzieren, was die Prinzipien, Orientierungen und Axiome für Technik- und Mediengestaltung sind, das entscheidet mit darüber, in welcher Gesellschaft wir und die nach uns Kommenden leben (werden). Welche idealen Welten sind es, die beflügeln und auf die wir zuarbeiten wollen? Welche mediale Zukunft ist es Wert, für sie zu streiten? Diese Fragen kann dieses Heft zwar nicht beantworten, sie jedoch hoffentlich anreißen und Denkanstöße geben.
Ist jede Utopie eine?
Utopien gibt es in zahlreichen Varianten – Sozial- und Gesellschaftsutopien, politische und religiöse Utopien oder Technikutopien; und in allen möglichen Ausdrucksformen: von Belletristik und politischer Literatur, über Kunst, Film, Games und Science-Fiction, bis hin zu Architektur und Wissenschaft. Leitmotiv der allermeisten utopischen Vorstellungen ist die Hoffnung auf ein künftig besseres Dasein, ein besseres Miteinander, bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen, eine bessere Gesellschaft. Worin dieses ‚besser‘ zu finden ist, darin besteht allerdings kein Konsens. Utopie und Dystopie sind deshalb oft Seiten der gleichen Medaille, je nachdem wer diese anschaut, und mit welchen Beurteilungsmaßstäben und Werten. Utopien sind nicht per se gut und am Gemeinwohl orientiert, sie können auch instrumentalisieren oder das Blendwerk für Macht- und Herrschaftsinteressen weniger sein. Auch „Retrotopien“ (Bauman, 2017) gelten manchen als wünschenswert – etwa Gesellschaften mit strikt vorgegebenen Geschlechterrollen oder Faschismus und Diktatur. Wirtschaft und Digitalunternehmen arbeiten ebenfalls mit Zukunftsvisionen, die die Verbreitung ihrer Produkte und Dienstleistungen erstrebenswert erscheinen lassen und Konsum mit Sinn aufladen sollen.
Auf der Suche nach einer tragfähigen Basis schlägt Friedrich Krotz einführend das Konzept der „konkreten Utopie“ von Ernst Bloch als Orientierungspunkt vor. Der oft als ‚Philosoph der Hoffnung‘ bezeichnete Bloch setzt dazu am Möglichen im Gegensatz zum Existierenden an und versteht unter einer konkreten Utopie ein auch in kleinen Schritten mögliches Handeln unter Zielvorstellungen, die sich an gesellschaftlichen Entwicklungen orientieren, Demokratie, Gemeinwohl im Sinn haben und dabei auch ökonomische und strukturelle Machtverhältnisse begrenzen wollen.
Spannungsreiche Kopplungen von Sozial- und Technikutopien
Blochs Konzept ist allgemein konzipiert und dem Bereich politischer und gesellschaftlicher Utopien zuzuordnen. Medienpädagogik kann hieran anknüpfen und stimmige Ideen für die Rolle von Medien entwickeln. Sie arbeitet dabei notwendig im Zwischenraum von Gesellschafts- und Technikutopie. Einerseits will sie als gesellschaftliche und soziale Utopie etwa zu einem besseren Zusammenleben, zu mehr Lebensglück und -sinn, zu Gerechtigkeit für alle, zu Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen und zu einer Gesellschaft beitragen, in der Kinder und Jugendliche mehr zu sagen haben und handlungsfähig werden. Andererseits sind Medien eng verknüpft mit Techno- bzw. Technikutopien (unter anderem Hartmann, 2024). Brechts (1932) Radiotheorie, auch frühe Internetutopien von egalitären virtuellen Gemeinschaften stehen für eine Verquickung von Sozial- und Technoutopien, in denen es um Demokratie und Selbstbestimmung der Menschen ging. Seit damals sind sozialutopische Narrative der Dezentralisierung, Demokratisierung, Egalisierung und Emanzipation im „digitalen Technikoptimismus“ (Dickel & Schrape, 2015) omnipräsent. Allerdings können nicht alle damit verbundenen Szenarien im Bloch‘schen Sinn als erstrebenswert gelten. Sozialutopien und Technikutopien mischen sich zwar häufig und schließen einander nicht aus, ihre Stoßrichtungen sind aber mitunter gegensätzlich. Mindestens drei kritische Überlegungen muss man berücksichtigen, wenn man nach ,guten‘ Utopien sucht, die für Medienpädagogik relevant sind:
Erstens stehen Technikutopien heute häufig in einem Nahverhältnis zu gesellschaftlichen Kontroll-, Planungs- und Steuerungsfantasien (selbst wenn sie ‚Gutes‘ wollen). Medientechnologie hat hierbei die Funktion, die Gesellschaft auf Basis umfänglicher Daten, ‚Wissen‘ und Infrastrukturen zu optimieren. Es ist nichts falsch an der Idee, Medientechnologie als Werkzeug zu nutzen, um ein gesellschaftliches Ziel zu erreichen. Reduktionistische Verkürzungen zeigen sich allerdings dort, wo das Ziel selbst nicht mehr Gegenstand demokratischer Verhandlung ist, und dort, wo abgeleitet aus der Funktionslogik von Biologie und Maschine sich ein behavioristisches Weltbild verselbstständigt. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Technikutopie des Physikers Tegmark zur Zukunft Künstlicher Intelligenz (Krotz, 2022, S. 405–411). In seiner Technikutopie ist die entstehende und selbstlernende KI so perfekt, dass sie alle Wünsche aller Menschen weltweit gleichzeitig erfüllt und die Idee einer Demokratie dabei einfach in Vergessenheit gerät. Das Ausblenden von Machtverhältnissen verwandelt diese Utopie in eine Dystopie.
Zweitens ist die kulturelle Bedeutung von Science-Fiction für die Kultivierung utopischer Vorstellungen und für die Frage, wozu Technik künftig genutzt werden kann und soll, nicht zu unterschätzen. Hier stellt sich dann vor allem die Frage nach der Gewichtung von Dystopie und Utopie. Das Reservoir an Vorstellungen, wie man mit Medien und Technik die Menschen einschränken, verletzen und kontrollieren kann, ist vermutlich präziser, größer und verbreiteter, als das Reservoir an Vorstellungen, wie Medien und Technik helfen, eine solidarische, gerechte, nachhaltige Gesellschaft zu schaffen. Andreas Rauscher skizziert im Interview die Entwicklung und aktuelle Tendenzen von Science-Fiction. Er verweist auf das Genre des Solar Punk als produktive, um Nachhaltigkeit bemühte Verquickung von Sozial- und Technikutopie und gibt Hinweise auf die Verarbeitung öko-feministischer Zukunftsvisionen. Science-Fiction liefert in ihren Verästelungen die ganze Bandbreite utopischen Denkens. Blicken wir jedoch auf die großen und erfolgreichen (Main- stream-)Produktionen, so stehen neben der grundlegenden Faszination für das technisch Machbare – zumindest im Medium Film – dystopische Szenarien im Zentrum, wenn es um künftige Gesellschaftsordnungen geht. Im Umkehrschluss bedeutet das: In Science-Fiction ist die Utopie nur Nische.
Drittens zeigt sich, dass Technikutopien häufig mit einseitigen und fragwürdigen Freiheitskonzeptionen einhergehen. Im Sinne kollektiver Steuerung tendieren sie entweder zur Unterordnung unter evidenz- und datenbasierte Normierungen, die mit den immer gleichen Leitnarrativen von mehr Sicherheit, Gesundheit, Lebenserleichterung, Effizienz usw. legitimiert und normalisiert werden (sollen), aber dabei den Menschen reduzieren. Oder sie propagieren – Stichwort „kalifornische Ideologie“ (Thiedeke, 2010) – hyper-individualistische, digital-anarchistische Freiheitsvorstellungen, die jede Regulierung und Eingriff als Anmaßung begreifen und so das Recht des Stärkeren und damit die gigantischen Digitalunternehmen, die Technik und ihre Entwicklungen in der Hand haben, unterstützen.
Felix Krell berichtet in seinem Beitrag aus seinem Dissertationsvorhaben zu Sozialer Virtueller Realität, also zu digitalen Umgebungen, die gemeinhin als Metaverses bezeichnet werden – wichtige Projektionsflächen gegenwärtiger Technikutopien. Auf Basis ethnografischer Daten zur Plattform VRChat beschäftigt er sich mit Aushandlungsprozessen innerhalb von Communitys, die hier ein alternatives Miteinander erproben. Sein Beitrag zeigt die Bandbreite von Freiheitsvorstellungen auf: die beinahe nostalgische Wiederbelebung des Versprechens des frühen WWW nach Selbstentfaltung und Egalität, die Sorge um die Vereinnahmung des VR-Sektors durch große Digitalunternehmen wie Meta, und auch wie Communitys in Eigenregie zurückfallen können in hierarchische und bisweilen autokratische Muster.
Utopie und Medienpädagogik
Sowohl an den produktiven Kopplungen als auch den Diskrepanzen zwischen Sozial- und Technikutopie kann Medienpädagogik ansetzen und sich selbst aktiv an der Konturierung und Ausgestaltung von Utopien beteiligen. Die Zukunftsforscher*innen Isabella Hermann und Rainer Zeichhardt skizzieren das Konzept eines Science-Fiction-Labors, das auf dem Ansatz der „Future Skills“ beruht. Die Modellierung in drei Projektphasen, veranschaulicht an einem Projekt zu künftigen Führungskompetenzen, lädt zur Nachahmung ein. Zugleich kann das Konzept in der Medienpädagogik weiter diskutiert und entwickelt werden. In seiner jetzigen Gestalt zielt es primär auf die Verhinderung toxischer Technikwelten und fokussiert dabei ethisches Verhalten. Zukunftskompetenzen erscheinen hier zuvorderst als individuelle Strategien der Anpassung. Die (dystopische) Entwicklung der Digitalisierung selbst wird implizit als gesetzt betrachtet.
Medienpädagogik kann und darf Utopien durchaus auch größer und holistischer denken. Katrin Hünemörder erhebt einen solchen erweiterten Anspruch und zeigt auf, wie Aktive Medienarbeit und Making-Ansätze dazu beitragen können, Entwürfe einer besseren Gesellschaft zu entwickeln und erfahrbar zu machen. Der Fokus liegt hierbei auf dem Prozess, der ausdrücklich die heterogenen Ausgangslagen und Blickwinkel der Teilnehmenden einschließt und auf der Suche nach einer gemeinsamen Wertebasis mit Kontroversen verbunden ist – nur so können Ideen und Vorstellungen entstehen, die Potenzial haben, von vielen Menschen angenommen und getragen zu werden. Wie medienpädagogische Projektarbeit konkret aussehen kann, veranschaulicht der Beitrag an Projektbeispielen. Von dem mit dem Dieter-Baacke-Preis ausgezeichneten medienpädagogischen Planspiel 2084 berichtet im Anschluss Stoyan Radoslavov. Das Planspiel startet, in Anlehnung an schon vorhandene Social-Scoring-Praktiken, mit einem dystopischen Zukunftsszenario. Im Verlauf regt es die Teilnehmenden jedoch an, die im Harmony Score implementierte Gesellschaftsordnung infrage zu stellen und Alternativen zu entwickeln.
Abschließend stellen Gudrun Marci-Boehncke und Matthias Rath ein Gedankenexperiment aus lern- und bildungstheoretischer Sicht vor. Sie gehen dabei davon aus, dass Lehren und Lernen nicht mehr nur als Aktivitäten von Menschen verstanden werden können, sondern auch Speziesübergreifend etwa technisch-humane und humanoide KIs als Subjekte berücksichtigt werden müssen. Der Beitrag wirft viele Grundsatzfragen auf und scheint uns insbesondere geeignet, um im Kontext utopischen Denkens das Für und Wider des Festhaltens bzw. des Aufweichens anthropologischer Kennzeichen zu diskutieren. Insofern macht es Sinn, diesen Beitrag als anregenden Entwurf einer Utopie zu lesen, deren Grundannahmen überprüft werden müssen, etwa die in dem Text angenommene Überwindung technischer Begrenzungen wie Bewusstseinsfähigkeit und Reduktion von Handeln auf Verhalten technisch-biologischer Kombinationen. Die Themenbeiträge gehen unterschiedliche Wege und mobilisieren unterschiedliche Vorstellungen davon, was als Utopie oder Dystopie zu verstehen ist. Zur weiteren Präzisierung von Konzepten, Projekten und zur Besprechung von Technikutopien können Fragen wie diese helfen:
Was wird jeweils als – nicht – wandel- und gestaltbar angesehen: Individuelles Handeln, kollektives Handeln, Technikentwicklung, Gesellschaftsentwicklung? Und wie werden etwaige Zwänge für die Menschen begründet?
Wie und durch welche Mittel kommt eine Utopie zustande? Muss sich der Mensch gegen die Technik wehren oder sie nutzen, um gesellschaftlich dystopische Zustände zu überwinden? Ist das Soziale Korrektiv zur Technik, und wenn nein, was folgt daraus für das Leben der Menschen? Und wie muss man dieses Verhältnis verstehen?
Welche Ideen von Freiheit, Selbstbestimmung und Verhandlung gesellschaftlicher und technologischer Rahmenbedingungen sind mit den Szenarien verknüpft und wie werden Zwänge etwa durch Macht oder Kapitalismus reduziert?
Wie ‚konkret‘ sind die Utopien? Entstehen sie abstrakt und freischwebend, oder zeigen sie auf, wie die Menschen den Gesamtprozess beeinflussen und so Demokratie und Selbstbestimmung weiter entwickeln können?
Literatur
Bauman, Z. (2017). Retrotopia. Suhrkamp.
Brecht, B. (1932/1967). Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. Rede über die Funktion des Rundfunks. In ders., Schriften zur Literatur und Kunst I 1920– 1932. Suhrkamp.
Dickel, S. & Schrape, J.-F. (2015). Dezentralisierung, Demokratisierung, Emanzipation. Zur Architektur des digitalen Technikutopismus. Leviathan, 43(3), 442–463.
Hartmann, M. (2024). Utopien und Dystopien des Internets und der sozialen Medien. bpb. https:// bpb.de/ themen/medien-journalismus/soziale-medien/545853/ soziale-medien-als-technikmythos/
Krotz, F. (2022). Die Teilung geistiger Arbeit per Computer. Eine Kritik der digitalen Transformation. Beltz-Juventa.
Thiedeke, U. (2010). Von der „kalifornischen Ideologie“ zur „Folksonomy“ – die Entwicklung der Internetkultur. In P. Grell, W. Marotzki & H. Schelhowe (Hrsg.), Neue digitale Kultur- und Bildungsräume (S. 51–60). VS.
Dr. Wolfgang Reißmann war Projektmitarbeiter und zuletzt Gastprofessor an der Arbeitsstelle Journalistik des IfPuK der FU Berlin und ist seit Oktober 2024 Volontär an der Universitäts- bibliothek Leipzig. Zu seinen Forschungs- schwerpunkten zählen Medienpraktiken, Mediensozialisation, digitale Öffentlichkeiten und visuelle Kommunikation.
Dr. Friedrich Krotz ist Diplom-Mathematiker und Diplom-Soziologe, emeritierter Professor an der Universität Bremen sowie Fellow am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung. Er ist stellvertreten- der Vorsitzender des Interdisciplinary Media Ethics Center (IMEC).
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Wolfgang Reißmann, Friedrich Krotz
Beitrag als PDFEinzelansichtFriedrich Krotz: "Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen.": Das Bloch'sche Konzept der konkreten Utopie
Philosophie und Sozialwissenschaften haben sich lange nicht systematisch mit Utopien und ihrer Bedeutung auseinandergesetzt. Dies unternahm erst der heute gelegentlich ‚Philosoph der Hoffnung‘ genannte Ernst Bloch, der die Geschichte des utopischen Denkens analysierte und das Konzept der Konkreten Utopie entwickelte. Er zeigte damit auf, wie gangbare Wege in demokratische und selbstbestimmte Zukünfte möglich werden. Gerade heute können Utopien jungen Menschen helfen, gegen die vielfältigen Krisen, Problemlagen und Manipulationen ein aktives und kreatives Leben zu führen, anstatt zu resignieren. Der Bloch‘sche Ansatz liefert hierfür eine Basis. Zunächst wird auf Blochs Leben eingegangen, dann werden seine Analyse der Geschichte der Sozialutopien und sein Verständnis von Utopie umrissen. Weiter wird die daraus resultierende Erweiterung der Philosophie skizziert und schließlich der Begriff der Konkreten Utopie und deren Potenzial erläutert.
Literatur
Bloch, E. (1974). Das Prinzip Hoffnung. 3 Bände. Suhrkamp.
Bloch, E. (1980a): Ideologie und Utopie. In H. Gekle (Hrsg.), Ernst Bloch: Abschied von der Utopie? Vorträge (S. 76–82). Suhrkamp.
Bloch, E. (1980b). Antizipierte Realität – Wie geschieht und was leistet utopisches Denken? In H. Gekle (Hrsg.), Ernst Bloch: Abschied von der Utopie? Vorträge (S. 101–115). Suhrkamp.
Bloch, E. (1985). Geist der Utopie. Suhrkamp.
Dietschy, B., Zeilinger, D. & Zimmermann, R. E. (Hrsg.) (2012). Bloch-Wörterbuch. Leitbegriffe der Philosophie Ernst Blochs. de Gruyter.
Geisler, L. (2022). Die Willkommensgesellschaft. Eine konkrete Utopie. oekom.
Horster, D. (1977). Ernst Bloch. Eine Einführung. Panorama.
Krotz, E. (2018). Utopias and Dystopias, Anthropology and. In H. Callan (Ed.), The International Encyclopedia of Anthropology. John Wiley and Sons, Wiley Online Library. https://doi.org/10.1002/9781118924396.wbiea2190
Krotz, F. (2022). Die Teilung geistiger Arbeit per Computer. Eine Kritik der digitalen Transformation. Beltz/Juventa. (Open Access bei SSOAR und beim Verlag).
Dr. Friedrich Krotz ist Diplom-Mathematiker und Diplom-Soziologe, emeritierter Professor an der Universität Bremen sowie Fellow am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Interdisciplinary Media Ethics Center (IMEC).
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Friedrich Krotz
Beitrag als PDFEinzelansichtAndreas Rauscher: Science-Fiction ist immer auch ein Barometer für das, was in der Gesellschaft passiert
Im Interview erläutert der Medienwissenschaftler Andreas Rauscher die Relevanz von Science-Fiction für die Gesellschaft und die Zukunft und erklärt Science-Fiction Kategorien, Inhalte und Dramaturgien. Darüber hinaus geht es um alternative Zukünfte sowie die Rolle, die Science-Fiction in der Pädagogik spielen kann.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Andreas Rauscher
Beitrag als PDFEinzelansichtFelix Krell: Raum für Utopie?
Im Beitrag werden utopische Potenziale Sozialer Virtueller Realität untersucht. Beispielhaft wird die Plattform VRChat gewählt, um bestehende Soziale VR-Gemeinschaften zu charakterisieren. Im Abgleich mit Cyberpunk- Literatur und Ethnografien des frühen Internets wird deutlich, dass virtuelle Gemeinschaften besonders dann mit utopischen Formen demokratischer bis anarchischer Selbstorganisation experimentieren, wenn sie virtuelle Räume frei gestalten können und diese als genuine Lokalität erfahren.
Literatur
Barlow, J. P. (1996). A Declaration of the Independence of Cyberspace.
Egliston, B. & Marcus C. (2022). Oculus Imaginaries: The Promises and Perils of Facebook’s Virtual Reality’. New Media & Society, 24(1), S. 70–89.
Gibson, W. (1988 [1984]). Neuromancer. Heyne.
@Grecos_mind (2021). Meta Isn’t Our Verse. Twitter/ X. https://x.com/ Grecos_mind/status/1455610414818017283.
Jones, S. (1995). CyberSociety: Computer-Mediated Communication and Community. SAGE.
Kozinets, R. (2019). Netnography: The Essential Guide to Qualitative Social Media Research. 3rd edition. SAGE.
Krell, F. (2023). Evidenzen Des Materiellen in Virtuellen Trinkabenden – Aushandlungen Eines Hybriden Alltags. In P.-I. Villa Braslavsky (Hrsg.), Polarisierte Welten. Verhandlungen des 41. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
Krell, F. & Nico W. (2023a). Corporeal Interactions in VRChat: Situational Intensity and Body Synchronization. Symbolic Interaction, 46(2), S. 159–181.
Krell, F. & Nico W. (2023b). Personal Space in Social VR. Aushandlungen Physisch-Digitaler Territorien Des Selbst. In P.-I. Villa Braslavsky (Hrsg.), Polarisierte Welten. Verhandlungen des 41. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
Meyrowitz, J. (2005). The Rise of Glocality: New Sense of Place and Identity in the Global Village. In Kristóf Nyíri (Hrsg.), A Sense of Place: The Global and the Local in Mobile Communication, S. 21–30. Passagen.
Rheingold, H. (1993). The Virtual Community: Homesteading on the Electronic Frontier. Addison-Wesley.
Schulenberg, K., Li, L., Caitlin L., Douglas Z. & Guo F. (2023). “We Don’t Want a Bird Cage, We Want Guardrails”: Understanding & Designing for Preventing Interpersonal Harm in Social VR through the Lens of Consent’. Proceedings of the ACM on Human-Computer Interaction, 7(CSCW2), 323:1-323:30.
Stephenson, N. (1995 [1992]). Snow Crash. Blanvalet.
Felix Krell ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Medien- und Kommunikationswissenschaften der Zeppelin Universität. Seine Arbeit konzentriert sich auf die ethnografische Untersuchung emergenter Lebenswelten in neuen Medienumgebungen, konkreter im Kontext von Livestreaming und Social Virtual Reality. Er ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied der DGS-Sektions-Arbeitsgruppe ‚Soziologie digitaler Spiele‘.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Felix Krell
Beitrag als PDFEinzelansichtIsabella Hermann/Rainer Zeichhardt: Das Science-Fiction-Zukunftslabor
Das Science-Fiction-Zukunftslabor nutzt das Science-Fiction-Genre, um utopische und dystopische Zukunftsszenarien zu reflektieren und wünschenswerte Zukünfte zu gestalten. Es fördert Zukunftskompetenzen und ein aufgeklärtes Demokratieverständnis, indem es proaktiv gegenwärtige und zukünftige Handlungsräume erschließt und verschiedene medienpädagogische Ansätze integriert. Das Labor kann als Methode sowohl an Hochschulen und in der politischen Bildung als auch in Unternehmen eingesetzt werden.
Literatur
Bergheim, S. (2020). Zukünfte: Offen für Vielfalt. ZGF Verlag.
Grüneberg, A., Pechstein, A., Spiegel, P. & v. Hattburg, A. T. (2021). Future Skills: 30 Zukunftsentscheidende Kompetenzen und wie wir sie lernen können. Vahlen.
Hermann, I. (2021). Die Dystopie ist da, die Utopie ist tot – es lebe die Anti-Dystopie! Zeitschrift für Fantastikforschung, 9(1), 33–39. https://doi.org/10.16995/zff.7941.
Hermann, I. (2023). Science-Fiction zur Einführung. Junius Verlag.
Hermann, I. & Zeichhardt, R. (2022). Science-Fiction & KI – Visio- nen für die digitale Transformation. In BSP Business and Law School (Hrsg.), Kreativität & Künstliche Intelligenz – Der Mensch als treibende Kraft der KI (S. 102–114). BSP Business School.
Hermann, I. & Zeichhardt, R. (2023). Science-Fiction als Instrument der Führungskräfteentwicklung. In A. Schönbohm & P. Celik (Hrsg.), Ludic Innovation Experiences – Führungskräfteentwicklung mit Spiel und System (S. 310–319). Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.
Jungk, R. & Müllert, N. R. (1989). Zukunftswerkstätten. Mit Phantasie gegen Routine und Resignation. Heyne Verlag.
Kolb, D. A. (1984). Experimental learning. Prentice-Hall.
Lipman-Blumen, J. (2006). The Allure of Toxic Leaders: Why We Follow Destructive Bosses and Corrupt Politicians – and How We Can Survive Them. Oxford University Press.
Mehnert, W. (2021). Solarpunk oder wie SF die Welt retten will. In H. Kettlitz & M. Wylutzki (Hrsg.), Das Science Fiction Jahr 2021 (S. 139–158). Hirnkost Verlag.
Steinmüller, K. (2016). Antizipation als Gedankenexperiment: Zukunftsforschung und Science-Fiction. In P. Reinhold et al. (Hrsg.), Einblicke, Ausblicke, Weitblicke. Aktuelle Perspektiven in der Zukunftsforschung (S. 320–338). LIT Verlag.
Zeichhardt, R. (2018). E-Leader, CDOs & Digital Fools – eine Führungstypologie für den digitalen Wandel. In F. Keuper, M. Schomann, L. I. Sikora & R. Wassef (Hrsg.), Disruption und Transformation Management – Digital Leadership – Digitales Mindset – Digitale Strategie (S. 3-21). Springer Gabler.
Dr. Isabella Hermann, Politikwissenschaftlerin und Science-Fiction-Analystin, geht der Frage nach, wie Fiktionen die Entwicklung von Zukunftstechnologien beeinflussen und welche gesellschaftlichen Herausforderungen sich dadurch ergeben. Sie ist zudem Mitglied im Vorstand der Stiftung Zukunft Berlin.
Dr. Rainer Zeichhardt ist Professor für Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Personal und Führung sowie Prorektor für Innovation und Digitalisierung an der BSP Business & Law School Berlin. Außerdem ist er Experte für Digital Leadership im Mittelstand-Digital Zentrum Zukunftskultur.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Thomas Hermann, Rainer Zeichhardt
Beitrag als PDFEinzelansichtKatrin Hünemörder/Sophie Leubner: Erlebte Utopien
In einer Welt multipler Krisen und globaler Herausforderungen braucht es sichere Räume und kluge Methoden, in denen wir gemeinsam eine gerechtere und lebenswertere Zukunft gestalten können. Utopien sind nicht nur Träume, sondern kraftvolle Entwürfe für alternative Gesellschaftsmodelle, die uns inspirieren und motivieren, einen Wandel aktiv mitzugestalten. Medienarbeit eröffnet uns dabei die einzigartige Möglichkeit, diese Zukunftsmodelle sichtbar, fühlbar und erfahrbar zu machen.
Literatur
Daniel, A. & Klapeer, C. M. (2019). Einleitung. Wider dem Utopieverdruss. Queer* feministische Überlegungen zum Stand der Debatte. Femina Politica–Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 28(1), 9–31.
Levy, Z. E. (1990). Utopia and reality in the philosophy of Ernst Bloch. Utopian Studies, 1(2), 3-12.
Prange, M. (2021). Virtual Reality und Augmented Reality in der Bildung – Ein Überblick zum Thema. Edition Fachdidaktiken.
Wright, E. O. (2020). Envisioning real utopias. Verso Books.
Katrin Hünemörder ist politische Medienbildnerin und Geschäftsführerin von mediale pfade, einem in Berlin ansässigen Verein für politische Medienbildung. Sie arbeitet an der Schnittstelle von kultureller und politischer Medienbildung und ist spezialisiert auf digitale Format- und Methodenentwicklung.
Sophie Leubner ist Journalistin und Medienpädagogin und arbeitet bei mediale pfade zu Digitaler Teilhabe und Demokratievermittlung.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Katrin Hünemörder, Sophie Leubner
Beitrag als PDFEinzelansichtStoyan Radoslavov/Fabian Wörz: 2084
Wir schreiben das Jahr 2084. Digitale Technologien, Big Data und Künstliche Intelligenz haben unser Zusammenleben grundlegend verändert. Auf Basis zahlreicher Daten errechnen lernende Algorithmen ein progressives Gesellschaftssystem, das alle sozialen Spannungen beseitigen soll. In seinem Kern pulsiert Harmony Score – ein digitales Bewertungssystem, das allen Gesellschaftsmitgliedern Punkte vergibt. Durch ihr Verhalten können Individuen Statuspunkte sammeln und im dynamischen Gesellschaftsranking auf- oder absteigen. Abhängig von Ihrem Status bekommen die Individuen unterschiedliche Rechte und Privilegien zugeteilt – so konditionieren die Bewertungsalgorithmen von Harmony Score Menschen zu ihrem eigenen Wohl und im Sinne einer besseren Gesellschaft. Transparent. Effizient. Fair.
Stoyan Radoslavov und Fabian Wörz sind medienpädagogische Referenten am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. In ihrer Tätigkeit im Büro Berlin des JFF entwickeln sie Modellprojekte an der Schnittstelle zwischen politischer Bildung und Medienbildung.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Fabian Wörz, Stoyan Radoslavov
Beitrag als PDFEinzelansichtGudrun Marci-Boehncke/Matthias Rath: Die "neue" Schule als Technikutopie
Im Beitrag werden Visionen zu Bildungsprozessen in einer zukünftig weiter digitalisierten Welt entworfen. Vorrangig sollen Kompetenzen für unterschiedliche, auch nichtmenschliche Subjekte entworfen und systematisiert werden. Hierfür benennen wir zunächst Rahmenelemente des Lernorts Schule für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Darauf aufbauend entwerfen wir eine Matrix für Bildungsprozesse, mit der für diverse Variablen Prognosen künftiger Möglichkeiten und Grenzen imaginiert werden können.
Literatur
Asimov, Isaac (1954). The Fun they Had. In: The Magazine of Fantasy and Science Fiction, 6 (2), S. 125-127. https://archive.org/details/Fantasy_Science_Fiction_v006n02_1954-02/page/n1/mode/2up?view=theater [Zugriff: 13.04.2024]
Asimov, Isaac (1966). Schule im Jahr 2157. In: Isaac Asimov: Geliebter Roboter. Utopische Storys. München: Wilhelm Heyne Verlag. https://www.eduvidual.at/pluginfile.php/348969/mod_resource/content/4/Asimov_DieSchule2157.pdf [Zugriff: 13.04.2024]
Cai, Hongwei/Ao, Zheng/Tian, Chunhui/Wu, Zhuhao/Liu, Hongcheng/Tchieu, Jason/Gu, Mingxia/Mackie, Ken/Guo, Feng (2023). Brain organoid reservoir computing for artificial intelligence. In: Nature Electronics, 6, S. 1032–1039. DOI: 10.1038/s41928-023-01069-w.
Clinton, Katie/Jenkins, Henry/McWilliams, Jenna (2013). New literacies in an age of participatory culture. In: Jenkins, Henry/ Kelley, Wyn/Clinton, Katie/McWilliams, Jenna/Pitts-Wiley, Ricardo/Reilly, Erin (Hrsg.), Reading in a participatory culture: Remixing Moby-Dick in the English classroom. New York: Teachers College, Columbia University, S. 3–23.
Comenius, Johann Amos (1991). Pampaedia Alleinerziehung. St. Augustin: Academia-Verlag.
Deci, Edward L.; Ryan, Richard M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik - In: Zeitschrift für Pädagogik 39 (1993) 2, S. 223-238 - URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-111739 - DOI: 10.25656/01:11173
Ernst, Christoph/Schröter, Jens (2020). Zukünftige Medien. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer VS.
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Gutstock, Gernot von (2019). Medienethische Überlegungen eines „Externen“ zur Überwindung des Spezisismus. In: Medien: Wissen – Können – Wollen, 1, S. 17–20. DOI: 10.17877/DE290R-20385.
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Weinert, Franz E. (2001). Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Weinert, Franz E. (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim: Beltz, S. 17–31.
Dr. Gudrun Marci-Boehncke ist Professorin für Neuere Deutsche Literatur/ Elementare Vermittlungs- und Aneignungsprozesse am Institut für Diversitätsstudien der Technischen Universität Dortmund. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Medienbildung, Medienforschung, Kinder- und Jugendliteratur und -medien.
Dr. Matthias Rath ist Professor für Philosophie am Institut für Philosophie der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Medienethik, Medienforschung sowie Medienbildungsforschung.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Gudrun Marci-Boehncke, Matthias Rath
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spektrum
Katrin Potzel/ Mareike Thumel: BeReal – Your friends for Real?
Die App BeReal ist für einige Jugendliche und junge Erwachsene fest in ihren Alltag integriert. Aber über welche Funktionalitäten verfügt die App? Gibt es (manipulative) Mechanismen (Dark Patterns), die die Nutzenden besonders in den Bann ziehen? Diese Fragen werden anhand einer explorativen Plattformanalyse analysiert und mit Mechanismen anderer Social Media-Apps verglichen.
Literatur
Curry, D. (2024a). BeReal Revenue and Usage Statistics. Verfügbar unter: https:// businessofapps.com/data/bereal-statistics
Curry, D. (2024b). Social App Report 2024. Comprehensive insights on the major social apps. Verfügbar unter: https://businessofapps.com/data/social-app-report/utm_source=social&utm_medium=click&utm_campaign=featured-data-ad
Kammerl, R., Kramer, M., Müller, J., Potzel, K., Tischer, M. & Wartberg, L. (2023). Dark patterns und digital nudging in social media – wie erschweren Plattformen ein selbstbestimmtes Medienhandeln? Expertise für die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM-Schriftenreihe, Bd. 110). Nomos.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. (2023). JIM-Studie 2023. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Katrin Potzel, Mareike Thumel
Beitrag als PDFEinzelansichtPeter Holzwarth/ Catherine Lieder: Medienkompetenz und Spielkompetenz für die ,Generation Lebensunfähig'
Der Generationenforscher Rüdiger Maas hat der jungen Generation das alarmierende Label „lebensunfähig“ attestiert – teilweise von „Helikopter-" und „Curlingeltern“ überbehütet, mit digitalen Geräten aufgewachsen und unterhalten und vor Frustration und Langeweile geschützt (Maas, 2021; 2023). Das aktuelle Buch des Psychologen Jonathan Haidt (2024) trägt den Titel ‚Generation Angst. Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen‘. Wo lernen junge Menschen den kompetenten und achtsamen Umgang mit Medien? Wo lernen sie spielen und kreativ sein? Wie lernen sie, sich selbst zu spüren und mit negativen Gefühlen umzugehen, wie Langeweile und Frustration aus eigener Kraft auszuhalten und zu überwinden? Im Beitrag werden pädagogische Konzepte und Handlungsmöglichkeiten diskutiert, die sich für herausgeforderte Generationen eröffnen.
Literatur
Früh, W. (2008). Dynamisch-transaktionaler Ansatz. In U. Sander, F. von Gross & K.-U. Hugger (Hrsg.), Handbuch Medienpädagogik (S. 179-184). VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Geiger, N. & Lieger, C. (2024). SpielRäume schaffen: Wie das Projekt «Spielen Plus» die Transformation entlang gesellschaftlicher und pädagogischer Veränderungen im Zyklus 1 positiv beeinflussen kann. #schuleverantworten, 4(2), 146–151. https://doi.org/10.53349/schuleverantworten.2024.i2.a447
Haidt, J. (2024). Generation Angst. Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen. Rowohlt.
Halecker, P., Moeck, A. & Czilwik, M. (2023). Das große Buch für Zukunftskids. Wie wir die Zukunftskompetenzen unserer Kinder spielerisch stärken. Duden.
Holzwarth, P. & Maurer, B. (2019). Filme verstehen. Anleitung zur Filmanalyse im Studium am Beispiel des Spielfilms „Heidi“. kopaed.
Holzwarth, P. (2022b). Audiovisuelle Formen der Identitätskonstruktion am Beispiel von Social Media. Chancen und Herausforderungen für die Medienpädagogik. In F. von Gross & R. Rölleke, (Hrsg.), Love, Hate & More. Chancen und Risiken digitalanaloger Interaktion medienpädagogisch betrachtet (Schriftenreihe Dieter Baacke Preis Handbuch, Band 17, S. 17-24). kopaed.
Holzwarth, P. (2024). Medienbildung und Informatik – Konzepte, Kriterien und Ressourcen. In V. Dander, N. Grünberger, H. Niesyto & H. Pohlmann (Hrsg.), Bildung und digitaler Kapitalismus. Im Erscheinen.
Lieger, C. (2014). Professionelle Betreuung in Kindergärten. Praxistaugliche Erfassung der Betreuungsqualität. Tectum.
Lieger, C. & Huber, F. (2022). Veränderungen im Lernen der jungen Kinder: Wie lernt die „Generation Alpha“? #schuleverantworten, 2(2). https://doi.org/10.53349/sv.2022.i2.a225
Lieger, C. & Weidinger, W. (2021). Spielen Plus. Ein Handbuch für Kindergarten, Schule und Betreuung. HEP Verlag.
Maas, R. (2021). Generation lebensunfähig. Yes.
Rickert, A. (2019). 21st Century Skills – Kompetenzen für die Berufswelt von morgen. Lifelong Learning Blog, Pädagogische Hochschule Zürich. https:// blog.phzh.ch/zhe/21st-century-skills [Zugriff: 03.07.2024]
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Peter Holzwarth, Catherine Lieger
Beitrag als PDFEinzelansichtSteff Brosz: Digital + Nachhaltig
Das Wetter wird extremer, die natürlichen Ressourcen neigen sich irgendwann dem Ende zu und wir Menschen werden weiterhin immer mehr. Das bedeutet, dass es Handlungsbedarf gibt. Und zwar auf allen Ebenen, vom Verbrauch einer einzelnen Person bis zu großen Organisationen, die mehr für den Klimaschutz tun sollten. Aber welche Möglichkeiten gibt es, um ins Tun zu kommen? Und wie kann die Medienpädagogik einen Beitrag dazu leisten? Das Team des Medienzentrum Münchens des JFF konzipierte ein Bildungsangebot, um politisches Engagement, Medienpädagogik und Nachhaltigkeit in der offenen Jugendarbeit zum Thema zu machen.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Stefanie Brosz
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medienreport
Marcus Müller: Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit
beetsbrothers (2024). Eternal You. Vom Ende der Endlichkeit. Dokumentarfilm.
Frage: Kommt unsere Seele bald in den Datenhimmel?
Antwort: 01001010 01100001 00001010 000010101
Schlagwörter wie ,Gläserner Mensch‘, ,Big Data‘ und ,Datenkraken‘ versichern uns beinahe floskelartig: „ Alles wird gespeichert und das Internet vergisst nicht!“ In der Dokumentation Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit zeigen die Regisseure Hans Block und Moritz Riesewieck: Unsere digitalen Spuren verwischen nicht. Und die Art und Weise, wie wir uns aneinander erinnern, könnte sich durch die Nutzung digital gespeicherter Daten stark verändern. Im Zentrum des Films stehen Unternehmen, die digitale Daten von Verstorbenen nutzen, um aus ihnen Chatbots und 3-D Modelle zu schaffen, mit denen Angehörige nach dem Tod interagieren und so neue Erinnerungs- und Trauerrituale nutzen können. Etwas reißerisch firmiert dieser – unter anderem in den USA aufkommende Trend – unter dem Begriff ‚Todeskapitalismus‘.
Zu Anfang ist eine Frau zu sehen, die mit einem verstorbenen Angehörigen chattet. Dieser schreibt ihr, dass er nun in der Hölle sei. Die Frau ist den Tränen nah, sie hat Angst um ihn. Tatsächlich handelt es sich nur um einen Chatroboter, der durch Auswertung der Textnachrichten die Ausdrucksweise des Verstorbenen als digitaler Avatar simuliert. Der Chatroboter wurde vom Unternehmen Project December programmiert. Tom Bailey, ein Mitgründer des Unternehmens, verlor vor einigen Jahren seine Freundin und kam über ihren Tod nicht hinweg. Daher wollte er sie mit einer Chatsimulation wieder zum Leben erwecken. Für die Entwickler*innen ist selbstverständlich, dass es sich bei der Anwendung um eine Illusion handelt. Der trauernden Frau, die Kundin beim Unternehmen ist, scheint das aber nicht klar zu sein. Sie atmet erst erleichtert auf, als sie vom Chatroboter gesagt bekommt, dass der Verstorbene nun aus der Hölle in den Himmel gekommen sei.
Es äußert sich weiterhin die Psychologin und Soziologin Sherry Turkle zu diesem Geschäftsmodell und sagt, dass es durchaus vorstellbar wäre, dass neue Techniken als Trauerritual für Trost sorgen könnten. Die Religion verliere immer mehr die Funktion der Sinnstiftung. Digitale Rituale könnten in positiver Weise genutzt werden, wenn sie darauf ausgerichtet seien, dass Menschen es schaffen, loszulassen.
Auch für die Digitale Erinnerungskultur beginnen derzeit einige Unternehmen, Produkte anzubieten, die tote Menschen mithilfe von Datensätzen aus ihren Lebzeiten wieder lebendig machen sollen. Es wird zum Beispiel der Unternehmer Justin Harrison interviewt, der sein Haus verkaufte und sein altes Leben aufgab, um mit You, Only Virtual einen Dienst zu entwickeln, der es ermöglichen soll, den Verstorbenen mit einer VR-Brille im digitalen Raum zu begegnen. Die Publizistin Sara M. Watson kritisiert, dass die gesammelten digitalen Brotkrümel nur eine sehr beschränkte Sicht auf einen Menschen bilden, und dass Menschen mehr sind als die Summe ihrer Klicks.
Ein sehr aufwendiges und berührendes Trauerritual wurde im Rahmen einer koreanischen TV-Show produziert. Hierbei ging es darum, eine digitale Interaktion mit Verstorbenen zu inszenieren. So wurde in monatelanger Vorbereitung die Show Meeting You produziert, bei der ein totes Mädchen als 3-D Modell erstellt wurde. Dazu wurden Fotos und Stimmaufnahmen des Mädchens genutzt und andere Kinder gefilmt, um die Bewegungen möglichst realistisch zu animieren. Die Mutter der Verstorbenen hatte immer wieder von ihrer Tochter geträumt, da sie das Gefühl hatte, nicht gut mit ihr auseinandergegangen zu sein. Mit einer VR-Brille konnte sie ihr nun in einer virtuellen Welt begegnen und mit ihr sprechen. Sie selbst gab an, danach nicht mehr von schlechten Träumen verfolgt worden zu sein. Allerdings ist fraglich, ob es vertretbar ist, ein solch intimes und privates Treffen öffentlich zu inszenieren.
Im Laufe der Dokumentation vollzieht sich ein Rundgang durch verschiedene Programme und Angebote, die das ‚Reden mit den Toten‘ ermöglichen sollen. Hierbei nehmen die Qualität und der Umfang an Funktionen der Programme zu. Wurde anfangs nur das Chatverhalten der Verstorbenen simuliert, werden später Anwendungen vorgestellt, die auch die Stimme und sogar den Körper im digitalen Raum auferstehen lassen sollen.
Insgesamt wirken die gezeigten Unternehmensbeispiele technisch sehr fortschrittlich und funktionsfähig. Was einerseits beeindruckt, kann sich beim Zusehen teilweise in eine innere Abwehr gegen einen derartigen Einsatz von Technik oder gar eine Furcht vor diesen Produkten verändern. Gehen die Unternehmen zu weit? Sollten Menschen mit ihrem Verhältnis zum Tod oder gar dem Tod anderer ‚spielen‘? Erzeugen wir so unsterbliche digitale Wesen und verlernen eher, loszulassen? Durch die Darstellung immer ausgereifterer Technik wird ein Spannungsbogen erzeugt, der Technik immer mehr Macht zuschreibt. Allerdings fehlt eine Einordnung in den größeren Rahmen. Es bleibt weitgehend ungeklärt, wie groß die Industrie in dem Bereich mittlerweile ist oder wie viele Kund*innen es gibt. Das mag daran liegen, dass das Phänomen noch zu neu oder spezifisch ist. Jedoch erzeugt die Dokumentation eine fast unheimliche Stimmung, die sich aus einer Faszination und einem Unbehagen vor den neuen Möglichkeiten zusammensetzt. In Teilen wird so die nüchterne Betrachtung und sachliche Einordnung vernachlässigt.
Dennoch ist Eternal You eine sehenswerte und spannende Dokumentation, die eine Vorahnung für unseren künftigen Umgang mit Trauer entwirft und weder ausschließlich technikoptimistisch noch technikpessimistisch daherkommt. Der Film kann ab 10.10.2024 in Streaming Diensten und ab 25.10.2024 auf DVD angesehen werden.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Jane Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtVeronika Wagner: Onlinespiel gegen rechtsextreme Propaganda
Christlicher Jugendring Deutschland (CJD). Wo ist Romi?(2023). Onlinespiel, kostenlos, verfügbar im Internet.
Stimmen für rechte Parteien wurden in den letzten Jahren lauter, besonders auch unter jungen Menschen. Daher ist es von großer Bedeutung, über die Szene der Neuen Rechten aufzuklären und sich gegen rechtsextreme Propaganda zu rüsten. Das frei zugängliche Onlinespiel des Christlichen Jugendrings Deutschland (CJD) mit dem Titel Wo ist Romi? hat sich dieser Aufgabe angenommen. Die Erstellung wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie von der Sozialbehörde Hamburg. Außerdem ist das Spiel Teil des Bundesprogramms Demokratie leben!. Es wurde für die Arbeit mit Jugendlichen ab der 8. Klasse konzipiert.
Für ein aufmerksames Bearbeiten der Aufgaben des Online-Spiels werden ungefähr 45 Minuten benötigt. Zusätzlich wird auf der Website kostenloses Begleitmaterial für medienpädagogische Fachkräfte zum Download zur Verfügung gestellt, welches sich aus tiefer gehenden Informationen, Entwürfen für Hausaufgaben und einem Glossar zusammensetzt.
Das Spiel basiert auf Erkenntnissen aus der Wissenschaft, dem Journalismus und von Beratungs- und Bildungsstellen. Die Charaktere und Handlungen sind frei erfunden. Besonders gefährlich macht die Neue Rechte, dass ihre Mitglieder gut digital vernetzt sind und menschenverachtende Inhalte und Ziele häufig nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, sondern viel mit Codes gearbeitet wird. Das Spiel gibt unter anderem Aufschluss darüber, warum Menschen sich der Szene anschließen. Spieler*innen lernen durch praktische Tipps, was sie tun können, wenn jemand in die rechte Szene gerät.
In einer Freundesgruppe von fünf Personen rutscht Romi in die rechtsextreme Szene ab. Nachdem sie besorgniserregende Videos in den Gruppenchat schickt, beginnen Lisa, Mo, Kim und Fred herauszufinden, wie sie Romi helfen können. Als Spieler*in hat man die detektivische Mission, die vier Freund*innen auf der Suche nach Lösungswegen zu begleiten. Die Aufgaben teilen sich in vier Bereiche ein: den Chat mit Romi durchzugehen, Informationen über die Neue Rechte Szene zu sammeln, Romis Social-Media-Aktivitäten zu checken und mit Expert*innen zu sprechen.
Im Spiel wird klar abgegrenzt, welche Inhalte real und welche nur fiktiv sind. Danach wird man durch den Onlinechat der Gruppe in die aktuelle Situation eingeführt. Anschließend wird beim Durchgehen des Chats mit Romi vermittelt, welche Aussagen auf rechtes Gedankengut hinweisen. Danach folgt das Sammeln von Informationen über die Neue Rechte, was im Rahmen eines YouTube-Videos stattfindet. Daran schließt sich der Social Media Check an, bei welchem man aktiv werden darf und Romis Profil und das ihrer Freund*innen unter die Lupe nimmt. Ein besonderer Fokus liegt darauf, woran man rechte Inhalte auf Profilen, in Bildern, Captions oder Kommentaren erkennen kann. Im letzten Abschnitt wird ein Chat mit einer Expertin eröffnet, welcher man (vorgegebene) Fragen stellen darf. Nachdem eine Aufgabe erledigt wurde, folgt ein Fazit, welches die wichtigsten Informationen kurz und knapp zusammenfasst. Die Reihenfolge der Aufgaben ist frei wählbar, auch können sie beliebig oft durchgespielt werden.
Das Spiel hat Potenzial zur Aneignung von neuem Wissen, welches nicht nur im Kurzzeitgedächtnis bleibt. Das wird durch die hohe Interaktivität ermöglicht, indem man sich detektivisch Informationen erarbeitet. Außerdem umfasst jeder Abschnitt mehrere Aufgaben, wodurch eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik ermöglicht wird. Die Vermittlung von Informationen in kleinen Happen trägt dazu bei, dass Spieler*innen nicht vom Input überfordert werden, sondern Wissen sukzessiv aufnehmen können. Zudem punktet das Spiel durch die Auswahl einer Frau als Protagonistin, denn im Stereotyp einer rechtsextremen Person sind häufig Männer verankert. Das trägt dazu bei, dass Stereotype aufgebrochen werden.
Auch die Sprache des Spiels passt zur anvisierten Zielgruppe, sie ist weder zu simpel noch zu komplex. Da es außerdem im Format eines Smartphones designt wurde, stimmt es mit der gewohnten Nutzeroberfläche von jungen Menschen überein, es ist also leicht und intuitiv zu bedienen.
Allerdings ist das Spiel an manchen Stellen unflexibel, denn es fehlen Wahlmöglichkeiten.
Zum Beispiel können nur vorgegebene Instagram-Profile untersucht oder lediglich eine bestimmte Auswahl an Fragen an die Expertin gestellt werden. Darüber hinaus gibt es aber mit Sicherheit weitere Anliegen, die Nutzer*innen bewegen. Trotz dessen verfügt das Spiel über einen inhaltlichen Tiefgang, welcher viele Fragen beantworten sollte. Auf redaktioneller Ebene wurde gute Arbeit geleistet, denn hinter den Inhalten scheint tiefgründige Recherche zu stecken. Zum Beispiel das YouTube-Video im Abschnitt zu Informationen über die Neue Rechte umfasst zentrale Informationen und wurde ansprechend für die Zielgruppe gestaltet: schneller Schnitt, fließende Übergänge und eine junge Moderatorin. Wünschenswert wäre jedoch, dass es eine Vorspul- sowie Rückspul-Funktion und Geschwindigkeitsanpassung gäbe, wodurch man das Video an das eigene Lerntempo anpassen könnte. Untertitel würden außerdem die Barrierefreiheit erhöhen.
Wo ist Romi? Ist ein gutes Beispiel dafür, wie die multimediale Aufbereitung von Inhalten zur Weiterbildung beitragen kann. An das Ziel des Spiels – Jugendliche gegen rechtsextreme Propaganda resilienter zu machen – wird sich bei aufmerksamem Spielen gut angenähert. Das weiterführende Begleitmaterial könnte zudem Grundlage für Schulstunden oder Workshops zu diesem Thema sein.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Michael Wagner
Beitrag als PDFEinzelansichtHeinrike Paulus: Klick!
Keck, Tina (2024). Fotografieren mit Kindern. 30 kleine Fotoprojekte zur Wahrnehmungsförderung und digitalen Bildung. München: Don Bosco Medien, 32 Karten, 21,00 €.
Selfies ohne Gesicht, Wolken oder Lieblingsfotos knipsen oder einzelne Wörter auf Schildern, an Wänden oder in Schaufenstern einfangen – mit den leicht umsetzbaren, von der Kunsthistorikerin und Kulturwissenschaftlerin Tina Keck konzipierten Fotoprojekten erfahren Heranwachsende spielerisch, wie Bilder entstehen, und werden für deren Wirkung sensibilisiert. „Kinder kommen immer früher mit den Fluten digitaler Bilder in Berührung“, so Keck in ihrem Vorwort. Ihr ist es ein Anliegen, dass Heranwachsende spielerisch ihren Blick auf die Welt schärfen. Möglichst früh sollen Kinder für den Umgang mit Bildern geschult werden und erlernen, Bilder zu beschreiben, zu reflektieren oder zu bewerten. Gelungene, leicht umsetzbare medienpädagogische Anregungen, mit denen Kindern zwischen fünf und zehn Jahren in die facettenreiche Welt der Fotografie eintauchen können, liefert das Kartenset. Mit einer Sammlung aus 30 Spielen und Übungen ist es in fünf Bereiche unterteilt. Vermittelt werden die Grundlagen der Bildgestaltung, anhand derer Formen, Farben und Perspektiven wahrgenommen werden können. Erläutert werden auch fotografische Basisinformationen wie das Recht am eigenen Bild. Ideen zum Spielen laden ebenso zum Entdecken ein wie Gelegenheiten, mit denen sich die Umgebung, die Natur oder die eigenen Mitmenschen kennenlernen lassen. „Der aufmerksame und wache Blick steht am Anfang von fast jedem guten Foto und er bildet auch die Voraussetzung für das Lesen, Verstehen und Hinterfragen von fotografischen Bildern“, so Keck.
Durchführen lassen sich die Fotoprojekte in kleinen und großen Gruppen zu jeder Jahreszeit, ob in Kindergarten oder Schule, in der freien Natur, in Parks oder in der Stadt. „Damit werden den Kindern Bewegungsfreiräume eröffnet und sie erhalten die Möglichkeit, ihre alltägliche Umgebung zu erkunden und mit neuen Augen zu sehen.“
Das eigene Experimentieren mit Kamera, Smartphone oder Tablet bietet Heranwachsenden im Kindergarten- und Grundschulalter viele Gelegenheiten, in den Projekten auch Selbstvertrauen, Empathie, Aufmerksamkeit, Mut oder sprachliche Ausdrucksfähigkeit zu entwickeln. Auch wenn die Bildkarten ursprünglich für die foto- und medienpädagogische Arbeit mit Kindern gedacht sind, so manche Idee kann auch für Fotografie begeisterte Erwachsene inspirierend sein. Die kreativen Impulse sorgen altersübergreifend für jede Menge Spaß beim Knipsen.
Heinrike Paulus arbeitet freiberuflich als Journalistin. Ihre Schwerpunkte sind Themen der Bereiche Kultur und Literatur, Kommunikation und Medien, Wissenschaft und Bildung sowie Religion. Darüber hinaus ist sie im Kulturmanagement und als Medienpädagogin tätig.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Heinrike Paulus
Beitrag als PDFEinzelansichtMarcus Müller: EduFunk: Ein Podcast über digitalen Unterricht
Weghuber, Anna & Löhlein, Christian (2024). EduFunk. Podcast, kostenlos, verfügbar auf diversen Podcast-Plattformen.
Nach einem prägnanten Einleitungszitat ist bei EduFunk ein kurzes Musikriff im Funk-Stil zu hören und los geht der Einblick in die Praxis der digitalgestützten Pädagogik. Ziel von EduFunk ist es, Lehrkräfte zu inspirieren und ihnen Mut zu machen, mit Neugier die Möglichkeiten digitaler Medien im Unterricht zu entdecken. Die beiden Lehrkräfte Anna Weghuber und Christian Löhlein sind bereits seit fünf Staffeln die Hosts des Podcasts. Anna Weghuber unterrichtet in Linz und gibt dort auch Seminare an der Pädagogischen Hochschule. Christian Löhlein unterrichtet am Internat Villa Wewersbusch – der ersten Apple Distinguished School in Deutschland. Gemeinsam interviewen sie Menschen, die digitale Medien praktisch und ambitioniert zu Lernzwecken einsetzen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf digitalen Anwendungen und es geht manchmal sehr kleinteilig, aber dadurch sehr praxisnah darum, wie man beispielsweise Schriftarten am iPad geschickt installieren kann oder auch um bestimmte Apps wie Goodnotes, Numbers oder GarageBand. Zuweilen sind auch bekannte Gesichter aus der digitalen Bildungsszene zu Gast, wie etwa Mirko Drotschmann, der den YouTube-Kanal Mr. Wissen2Go gegründet hat oder der bekannte Mathematikdidaktiker Prof. Dr. Christian Spannagel. Darüber hinaus gibt es auch Folgen zur inhaltlichen Ausgestaltung von Unterricht, zum Beispiel in Form von Barcamps oder mit Hilfe der Methoden des Digital Storytellings.
Insgesamt ist es in den jeweils circa 30-minütigen Folgen angenehm, dass das Moderator*innenteam seinen Gästen viel Raum bietet, ihre Methoden, Produkte und Sichtweisen darzustellen. Allerdings wären manchmal mehr kritische Distanz bzw. kritisches Nachfragen zu den vorgestellten Produkten wünschenswert. Kritik an und Distanz zu einem Produkt würden dieses nicht gleich in Frage stellen, sondern für ein tieferes Verstehen seiner Charakteristiken, Vor- Und Nachteile sorgen. Wenn man als Zuhörende*r diese kritische Distanz selbst herstellt, kann man viel Wissenswertes und auch Inspiration aus den Folgen ziehen.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Eric Müller
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publikationen
Marcus Müller: Digitale Transformation – ethische Probleme und mögliche Lösungen
Kirchschläger, Peter G. (2024). Digitale Transformation und Ethik. Ethische Überlegungen zur Robotisierung und Automatisierung von Gesellschaft und Wirtschaft und zum Einsatz von “Künstlicher Intelligenz”. Baden-Baden: Nomos. 574 S., 39,00 €.
Beim Nachdenken über Digitalisierung und die damit aufgeworfenen ethischen Fragen hantieren wir mit großen gesellschaftlichen Zusammenhängen, die täglich in zahlreichen Unternehmen, Beziehungen und unserem Alltag der smarten Anwendungen in unzählbar vielen verschiedenartigen Formen auftauchen. Es scheint kaum möglich, diesen vielfältigen Wandel greifbar zu machen. Kirchschläger beschreibt die Entwicklungen, indem er davon spricht, dass die Technologie ethische Prinzipien respektieren müsse (S. 49), dass die Ethik die Technologie auch einschränken könne und Ethik und Recht Gefahr liefen, ständig von der Technologie überholt zu werden (S. 7). Mit großen abstrakten Schlagworten sortiert er in seinem Werk die vielen Verstrickungen und teils neuartigen ethischen Fragestellungen, die sich durch die zahlreichen technischen Neuerungen stellen.
Die Einteilung des Buches ist sehr übersichtlich und ermöglicht es, gegebenenfalls nur bestimmte Themengebiete gezielt nachzuschlagen. Die ersten Kapitel widmen sich der Klärung des Verhältnisses von Ethik und Technik allgemein sowie deren Verhältnis zueinander. Darauffolgend behandelt Kirchschläger bestimmte technische Transformationsprozesse und die gesellschaftlichen und ethischen Problemstellungen. Zum Schluss folgen die normativen Vorschläge des Ethikers dazu, wie die Zukunft gestaltet werden kann.
Erschwert wird das Verständnis durch die sprachliche Gestaltung. Insgesamt ist der Text mit vielen langen direkten Zitaten überfrachtet, deren vollständige Nennung häufig nicht nötig scheint. Teilweise wird die Nachvollziehbarkeit des Inhalts dadurch erschwert. Das ist besonders deshalb schade, da es von den inhaltlich guten und interessanten Anregungen und Vorschlägen (vor allem im letzten Teil des Buches) ablenkt.
Nähere Betrachtung des Inhalts
Durch die Erläuterung von Grundbegriffen sowie beteiligten Fachbereichen wird eine umfangreiche Grundlage für die spätere Analyse geschaffen. Dafür wird zunächst in einigen Grundzügen das Verhältnis von Ethik und Technologie herausgearbeitet. Hierbei wird Technik als dasjenige verstanden, was die Mittel schafft, wohingegen Ethik die Orientierung schafft.
Um das große Schlagwort Technologie zu konkretisieren, werden bestimmte maschinelle Techniken vorgestellt, die zu einer Transformation führen. Roboter werden nach europäischer Norm als Mehrzweckmaschinen definiert, die automatisch und mit mehreren Freiheitsgraden ausgestattet sind. Künstliche Intelligenz wird neutral als datenbasiertes System bezeichnet. Die Digitale Transformation umfasst mehrere Bereiche wie: Automatisierung, Robotisierung, Maschinisierung, Digitalisierung und den Einsatz und Umgang mit datenbasierten Systemen bzw. Supersystemen (Kapitel 4.5).
Bezüglich der Ethik benennt Kirchschläger das Prinzip Verantwortung als ein ethisches Instrument, welches eine Beziehung zwischen Subjekt und Objekt herstellt und auf einem Maßstab vor einer Instanz beruht. Angewandt auf die datenbasierten Systeme, sieht er drei menschliche Verantwortungsparadoxien, die sich ergeben. Erstens wird die Interaktion von Mensch und Maschine stark intensiviert (Es ist z. B. möglich, mit einem Smart-Kühlschrank über das Wetter zu plaudern). Doch – egal wie intensiv die Interaktion wird – die Verantwortung für die entstandenen Handlungen bleiben beim Menschen. Zweitens wächst die Verantwortung der Menschen für Systeme, obwohl diese immer weniger menschlichen Input brauchen. Drittens ist immer unklarer, wem die Verantwortung zuzuschreiben ist, da sich unter anderem durch einen komplexen Entwicklungs- und Nutzungsprozess die Verantwortung verstreut.
Der wohl wichtigste Teil des Werks ist der Schluss: Hier geht es darum, konkrete Handlungsvorschläge aus den ethischen Überlegungen abzuleiten. Unter anderem schlägt Kirchschläger vor, die Internationale Agentur für datenbasierte Systeme (IDA) in die UN zu integrieren, um als „[…] zentrale zwischenstaatliche Plattform für die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit im Bereich der digitalen Transformation und der datenbasierten Systeme […]“ für Frieden und Sicherheit, Achtung der Menschenrechte und eine nachhaltige Entwicklung zu sorgen. Dazu benennt er 30 Prinzipien, die diesen Zielen dienen sollen, darunter etwa: Datenbasierte Systeme dürfen nicht manipuliert werden und müssen die Autonomie des Menschen respektieren. Oder: Datenbasierte Systeme, die totalitäre Systeme und Diktaturen unterstützen sollen, müssen verboten werden. Außerdem schlägt er das Society-, Entrepeneurship-, Research-, Time-Modell (SERT) als Reaktion auf wegfallende Arbeitsplätze durch datenbasierte Systeme vor. Mit diesem Modell sollen ein gesichertes Grundeinkommen und ein soziales Engagement verbunden werden. Während ein bedingungsloses Grundeinkommen auch zu sozialer Isolation und Einsamkeit einiger Menschen führen könnte, würde dieses Modell dem Wegfall von Arbeitsplätzen mit einer sozialen Komponente begegnen. Insgesamt bietet diese Publikation einen guten Überblick über die ethischen Implikationen der digitalen Transformation und zahlreiche praktische Anregungen und Vorschläge, wie mit den ethischen Problemen umgegangen werden könnte, die durch Robotisierung und Automatisierung sowie bei der Nutzung von datenbasierten Systemen entstehen.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Jane Müller
Beitrag als PDFEinzelansichtDaniel Aberl: Demokratiedämmerung – Eine Kritik der Demokratietheorie
Selk, Veith (2023). Demokratiedämmerung. Eine Kritik der Demokratietheorie. Berlin: Suhrkamp. 336 S., 23,00 €.
Vor dem Hintergrund aktueller Wahlen stellt sich leider die Frage, ob unsere Demokratie bald Geschichte sein könnte. Doch welchen Blick haben die Politikwissenschaft und ihr Teilbereich der Demokratietheorie auf dieses Thema?
Demokratiedämmerung – Eine Kritik der Demokratietheorie von Veith Selk, Privatdozent für Politikwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt, bietet eine umfassende und tiefgreifende Analyse der gegenwärtigen Krise der Demokratie und der Demokratietheorie. Selk untersucht dabei die historische Entwicklung und gegenwärtigen Herausforderungen demokratischer Systeme und stellt die zentrale Frage, ob die Demokratie, wie wir sie kennen, noch zukunftsfähig ist. Die Annahme, dass Demokratie untrennbar mit gesellschaftlichem Fortschritt verbunden sei, wird dabei gleich zu Anfang kritisch hinterfragt.
Der zentrale Schwerpunkt des Buchs liegt auf der sogenannten Devolution der Demokratie. Mit diesem Begriff beschreibt Selk, wie die Grundlagen demokratischer Politik und Legitimation allmählich zersetzt werden. Diesen Prozess macht er an mehreren Ebenen fest. Auf der ersten Ebene wird der Zusammenhang zwischen Politisierung und Legitimationsproblemen beleuchtet. Selk argumentiert, dass die Demokratie selbst zunehmend zum Gegenstand politischer Konflikte wird, anstatt als gemeinsamer Rahmen für politische Auseinandersetzungen zu dienen. Dies führt zu einer Erosion des ‚common ground‘, eines breiten gesellschaftlichen Konsenses über die grundlegenden Prinzipien und Regeln der Demokratie. Auf der zweiten Ebene thematisiert Selk die zunehmende Komplexität der Politik. Durch die immer stärker werdende Differenzierung politischer Prozesse ist die Politik für viele Bürger*innen kaum noch nachvollziehbar und es entsteht der Eindruck, Demokratie sei unsteuerbar. Auf der dritten Ebene zeigt Selk auf, dass die ungleiche Verteilung von Wissen, Bildung und politischen Chancen dazu führt, dass sich in der Bevölkerung zunehmend heterogene Wissens- und Identitätsgemeinschaften herausbilden. Diese Kognitionsasymmetrie erschwert es, eine gemeinsame Basis für politische Diskussionen zu finden, da die unterschiedlichen Gruppen oft über ungleiches politisches Wissen verfügen. Auf der vierten und letzten Ebene beleuchtet Selk das Ende des demokratischen Kapitalismus, den er als eine „historische Kompromissinstitution“ beschreibt, die lange Zeit für eine „relative Angleichung von Lebensverhältnissen und Zukunftschancen“ sorgte. Die damit einhergehende soziale Befriedungsfunktion gehe jedoch zunehmend verloren. Die wachsende Ungerechtigkeit, die daraus resultiert, untergräbt das Vertrauen in die Demokratie weiter und verstärkt die Wahrnehmung, dass das System nicht mehr in der Lage ist, soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten.
Vor dem Hintergrund dieser Bruchstellen attestiert Selk, dass die Idee der Demokratie es nicht mehr schafft, ein realpolitisches Gegenstück zu finden. Stattdessen sind mehrere Reaktionen bzw. Alternativen zu beobachten, deren Präsenz immer mehr zunimmt, deren Natur allerdings undemokratisch ist und den Prozess der Devolution nurmehr beschleunigt. Zum einen wird Rechtspopulismus benannt, der durch eine rückwärtsgewandte Simplifizierung der Komplexität der Demokratie entgegenwirken will, dabei allerdings ein Freiheitsdefizit aufweist. Zum Zweiten wird die Idee der Expertokratie analysiert, die eine Rationalisierung durch Expertise verspricht, aber an einem Freiheits- und Gleichheitsdefizit krankt. Zum Dritten wartet das Konzept der partizipativen Governance mit mehr Beteiligung und einer Erhöhung der Bürger*innenkompetenz auf, das aber durch die Bildung einer Partizipationselite ein Solidaritäts- und Gleichheitsdefizit mit sich bringt.
Selk analysiert, welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit Demokratie in Zukunft verwirklicht werden kann und diagnostiziert diesen Bedingungen dann im Anschluss, dass sie durch Devolution sabotiert werden. Den Niedergangserscheinungen und undemokratischen Reaktionen stellt Selk im Anschluss verschiedene Modelle der Demokratietheorie gegenüber, die er nacheinander widerlegt. Der Demokratietheorie attestiert er eine gewisse idealistische Realitätsferne, da die theoretische Idee der Demokratie es nicht mehr schaffe, reale, devolutionär transformierte demokratische Regime zu beschreiben, oder deren Zukunft vorauszusagen. Dennoch neigt das Feld der Politikwissenschaft dazu, das Demokratieparadigma kontrafaktisch zu verteidigen.
Demokratie und Demokratietheorie haben an Plausibilität und Kredibilität verloren. Dass dies zu einem gesellschaftlichen Niedergang führt, verneint Selk genauso wie das befürchtete nahe Ende der Demokratie in Theorie und Praxis. Die Politikwissenschaft müsse jedoch einen Umgang mit dem Widerspruch finden, existierende Demokratien theoretisch zu legitimieren, oder aber über die Devolution eben dieser aufklären.
Das Werk gibt den Leser*innen einen teils bedrückenden, teils ernüchternden, teils erhellenden Überblick auf unsere demokratisch geordnete westliche Welt. Wer mit Sorgen in dieses Buch einsteigt, wird diese nicht verlieren, aber dafür einen scharfsinnigen Perspektivwechsel erhalten, der unsere zeitgenössische Entwicklung unaufgeregt unter die Lupe nimmt.
kolumne
Klaus Lutz: 75 Jahre JFF – Die Medien werden alt und ich auch
Woran merkt man, dass man alt wird: Man wird zu mehr Beerdigungen als zu Hochzeiten eingeladen, und beim Arztbesuch wird man nach Schilderung seiner Gebrechen dezent auf sein Geburtsdatum hingewiesen. Man fährt viel lieber Automatik statt Schaltung, geht nach 20 Uhr ungern aus dem Haus und braucht nach dem Aufstehen am Morgen eine Weile, bis man sich schmerzfrei bewegen kann. Man weiß nicht, was ein Swiftie ist, schaut noch analoges Fernsehen und muss jüngere Menschen um Hilfe bitten bei der Übertragung der Daten nach dem Neukauf eines Handys.
Ein weiterer Gradmesser für das Älterwerden sind die vielen Jubiläen, zu denen man eingeladen wird. Nur ein kleiner Ausschnitt der dies jährigen Jubiläen: 25 Jahre Medienfachberatung Mittelfranken, 40 Jahre Medienzentrum Parabol, 75 Jahre JFF – Institut für Medienpädagogik.
Jubiläen haben es so an sich, dass die Festredner*innen zurückschauen und die Entwicklung der letzten Jahre oder Jahrzehnte Revue passieren lassen. Die Festredner*innen bei Jubiläen, die mit Medien pädagogik zu tun haben, versuchen dabei gerne mit skurrilen technischen Erinnerungen zu punkten: Weiß noch jemand, was eine Diskette ist? Wer kann sich noch an Telefone mit Schnur erinnern? Daran, dass der Speicher einer Festplatte gerade mal 20 MB hatte und der Leseschreibkopf der Festplatte noch geparkt werden musste? Dass Raubkopie- Partys noch an der Tagesordnung waren und Texte mit einem Nadeldrucker nebst ziemlich fiesem Geräusch auf Endlospapier gedruckt wurden? Würde die Festrede von jungen Menschen gehalten, wäre das wahrscheinlich auch nicht anders. Denn gefühlt ändert sich die Technik in Nano sekunden. Dies ist schön zu beobachten, wenn die Band AnnenMayKantereit bei einem Konzert ihren Hit Als ich ein Kind war anstimmt:
Als ich ein Kind war, gab‘s kein Internet,
Es gab keinen Bildschirm neben dem Bett,
Das Telefon hatte ein Kabel ,
Und wenn ich Fernseh‘n schau‘n wollte,
musste ich fragen,
Die Post war gelb und keiner kannte DHL,
Alles war so langsam oder eher nicht so schnell.
Der Sänger und Kopf der Band, Henning May, ist gerade mal 32 Jahre alt. Noch jünger ist sein Publikum, das beseelt den Refrain Als ich ein Kind war, gab es kein Insta mitsingt und gleichzeitig das Konzert für eine Insta-Story filmt.
Deshalb will ich zum Schluss nochmal richtig schön nostalgisch werden und in Erinnerungen schwelgen: Ach, wie schön war die Welt noch, als uns Wolfgang und Wolfgang im WDR-Computerclub (ab 1982) einmal in der Woche die Welt der Computertechnik erklärt haben. So beschaulich, so begreifbar und dank YouTube immer noch verfügbar. Deshalb: Einfach mal WDR-Computerclub eingeben und in eine Zeitreise starten. Die Sendungen bieten unendlichen Stoff für Festreden medienpädagogischer Einrichtungen.
Beitrag aus Heft »2024/05: Pädagogik – Technik – Utopie«
Autor: Klaus Lutz
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Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
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