Die heutige Medienwelt lockt Kinder und Jugendliche auf vielfältige Art und Weise. Naturwüchsig sind Entwicklungen der Medienwelt dabei jedoch nicht. Der Ausbau der Informations- und Kommunikationstechnologie ist wirtschaftlich und politisch gewollt und rechnet sich. Er bringt Vorteile für die Gesellschaft ebenso wie für den Einzelnen: Information, Bildung, gesellschaftliche Teilhabe. Er bringt aber auch Risiken und diese sind gleichfalls nicht naturwüchsig, sondern gemacht oder zugelassen, primär aus ökonomischen oder ideologischen Gründen. Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Potenz der Medienwelt muss die Frage gestellt werden, wo die Verantwortung des Einzelnen endet. In diesem Zusammenhang drängen sich auch weitere Fragen auf: Welcher Diskurs wird über die neuen Medien geführt, wie reagieren Staat und Gesellschaft beispielsweise auf mit den neuen Medien verbundene Problematiken im Bereich des Datenschutzes oder Urheberrechts? Wie wird der Staat mitsamt seinen Maßnahmen beispielsweise von Interessen wirtschaftlicher Akteure geleitet und wie verändern sich dadurch (mediale) Öffentlichkeit oder informationelle Selbstbestimmung? merz versucht mit dieser Ausgabe, einen Schritt zu dahingehenden Antworten zu leisten.
2008/04: STAAT – MACHT – MEDIEN
aktuell
- Stichwort Mobile Communities
Stichwort Mobile Communities
Dank farbiger und größerer Displays steigt die Eignung von Handys für mobiles Surfen. Etliche Provider bieten den Zugang zum Internet über das Handy an. Netzaktivitäten können so auch unterwegs fortgesetzet werden: Emails checken, nach Informationen suchen oder Kontakte in social communities pflegen. Viele Portale bieten hierfür entsprechende Schnittstellen an: für den Chat von Handy zu Computer oder Handy zu Handy, Fotodownload und -upload, microblogging bei twitter.com oder frazR.de, Podcasten per Handy bei cellcast.de uvm. Spezielle Handycommunities wie aka-aki.de, funkysexycool.de oder flobbi.de bringen das Communitytreiben auf das Handy.
Um Mitglied zu werden, muss eine kostenlose Software auf dem Handy installiert werden. Ist diese aktiviert, wird per Bluetooth im direkten Umfeld nach anderen Communitymitgliedern gesucht. Deren Kurzprofile mit Foto (sogenannte Sticker) können aus dem Internet auf das Handy geladen werden. Wer nicht gleich in Kontakt treten will, kann dies auch später am heimischen PC tun, denn alle Begegnungen im Laufe eines Tages werden registriert und protokolliert. Bei diesen Handycommunities findet man auch aus anderen Communities bekannte Elemente wie Buddylisten, Nachrichtensysteme u.a. Die Kosten für solche Dienste sind allerdings nach wie vor nicht zu vernachlässigen. Zu beklagen ist vor allem mangelnde Transparenz. Kostenfallen lauern schon beim Datentransfer, teilweise werden bei vermeintlich kostenlosen Diensten für einzelne Funktionen zusätzliche Beträge in Rechnung gestellt. Auch der Umgang mit personenbezogenen Daten und die diesbezügliche Transparenz für Communitymitglieder wird durchaus unterschiedlich gehandhabt.
thema
- Hans J. Kleinsteuber: Mediendemokratie – kritisch betrachtet
Hans J. Kleinsteuber: Mediendemokratie – kritisch betrachtet
Politische Macht und deren Durchsetzung ist heute nicht mehr ohne Einbezug der Öffentlichkeit möglich. Im Zuge einer parallelen Entwicklung ist zwischen der modernen Demokratie und den modernen Medien eine nahezu symbiotische Verbindung entstanden. Auf der Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion werden Möglichkeiten für mediendemokratische Trends dargelegt und kontrovers diskutiert.
Literatur
Alemann, Ulrich von/Marschall, Stefan (Hg.) (2002). Parteien in der Mediendemokratie. Wiesbaden
Balzer, Axel/Geilich, Marvin/Rafat, Shamin (Hg.) (2005). Politik als Marke. Politikvermittlung zwischen Kommunikation und Inszenierung. Münster (darin Abschnitt V: Kandidaten und TV-Duelle)
Bieber, Christoph (2004). Bausteine der Mediendemokratie. Ein Werkstattbericht. In: Massing, S. 10-33
De Maizière, Thomas (2003): Politiker in der Mediendemokratie. In: Donsbach/Jandura, S. 40-46
Gibson, Rachel/Römmele, Andrea/Ward, Stephen J. (2004). Electronic Democracy: Mobilization, Organization and Participation via new ICTs. London
Donsbach, Wolfgang/Jandura, Olaf (Hg.) (2003). Chancen und Gefahren in der Mediendemokratie. Konstanz
Grunwald, Armin/Banse, Gerhard/Coenen, Christopher/Hennen, Leonhard (Hg.) (2006). Netzöffentlichkeit und digitale Demokratie. Tendenzen politischer Kommunikation im Internet. Berlin
Hofmann, Gerhard (2007). Die Verschwörung der Journaille zu Berlin. Ein politisches Tagebuch samt Schlussfolgerungen. 2. Aufl., Bonn
Hoffmann-Riem, Wolfgang (2003). Mediendemokratie zwischen normativer Vision und normativem Albtraum. In: Donsbach/Jandura, S. 28-39
Jarren, Otfried/Donges, Patrick (2002). Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft. Bd. 2: Akteure, Prozesse und Inhalte. Wiesbaden
Jun, Uwe (2004). Der Wandel von Parteien in der Mediendemokratie. SPD und Labour im Vergleich. Frankfurt
Kamps, Klaus (2007). Politisches Kommunikationsmanagement. Grundlagen und Professionalisierung moderner Politikvermittlung. Wiesbaden
Koelbl, Herlinde (2001). Die Meute. Macht und Ohnmacht der Medien. München
Kramp, Leif/Weichert, Stephan (2008) Journalismus in der Berliner Republik – Wer prägt die Agenda in der Bundeshauptstadt? Wiesbaden (Hg.: netwerk recherche e. V.)
Leggewie, Claus/Bieber, Christoph (Hg.) (2004). Interaktivität: Ein transdisziplinärer Schlüsselbegriff. Frankfurt
Massing, Peter (Hg.) (2004). Mediendemokratie. Eine Einführung. SchwalbachMeng, Richard (2002). Der Medienkanzler: Was bleibt vom System Schröder? Frankfurt
Neuroni, Alessia C. (2007). Was will der Staat im Web? E-Government-Konzepte in der Schweiz, Italien und Frankreich im Vergleich. Konstanz
Patterson, Thomas E. (2003). Putting Research into Practice: Communication Scholars, the Media, and Democracy. In: Donsbach/Jandura, S. 19-27
Pontzen, Daniel (2006). Nur Bild, BamS und Glotze? Medialisierung der Politik? Berlin
Saxer, Ulrich (2007). Politik als Unterhaltung. Zum Wandel politischer Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft. Konstanz
Schatz, Heribert/Rössler, Patrick/Nieland, Jörg (Hg.) (2002). Politische Akteure in der Mediendenokratie. Wiesbaden
Sarcinelli, Ulrich (2005). Politische Kommunikation in Deutschland. Zur Politikvermittlung im demokratischen System. Wiesbaden.
Schulz, Winfried (1997). Politische Kommunikation. Theoretische Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung. Opladen
Schuster, Thomas (2004). Staat und Medien. Über die elektronische Konditionierung der Wirklichkeit. Wiesbaden
(merz 2008-4, S. 13-22)
- Interview mit Viktor Mayer-Schönberger: Mündige Bürgerinnen und Bürger sind die einzige Alternative
Interview mit Viktor Mayer-Schönberger: Mündige Bürgerinnen und Bürger sind die einzige Alternative
Mit der fortschreitenden Medienentwicklung rückt die Diskussion um Urheberrechte und Persönlichkeitsrechte wieder stärker in den Blick. Besonders viele Jugendliche sind von den Möglichkeiten, die das Web 2.0 bietet – Online-Communities, Social Network Sites, Musiktauschbörsen … – angetan, weil sie damit die Möglichkeit haben, Beziehungen zu pflegen, neue Kontakte zu knüpfen oder auf einem unkomplizierten Weg Daten auszutauschen. merz hat sich mit Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Public Policy an der Harvard University darüber unterhalten, welche Anforderungen an das Gesetz aber auch an die Medienpädagogik diese Entwicklung mit sich bringt. (merz 2008-4, S. 31-36)
- Jutta Croll, Barbara Lippa: Digitale Integration durch Medienkompetenz
Jutta Croll, Barbara Lippa: Digitale Integration durch Medienkompetenz
Die Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe sind ungleich verteilt. Mit dem Internet wurden und werden Erwartungen verknüpft, diese Ungleichheit zu beseitigen. Dabei gilt Medienkompetenz als Schlüssel des Zugangs zur Informationsgesellschaft. Es werden die verschiedenen Dimensionen der als Digitale Spaltung bezeichneten Ungleichheiten erläutert, die veränderten Bedingungen insbesondere der politischen Partizipation beschrieben und erörtert, wie die Vermittlung von Medienkompetenz angepasst an die Entwicklung des Internets chancengerecht erfolgen kann.
Literatur:
Albrecht, Steffen/Kohlrausch, Niels/Kubicek, Herbert/Lippa, Barbara/Märker, Oliver/Trénel, Matthias/Vorwerk, Volker/Westholm, Hilmar/Wiedwald, Christian (2008). E-Partizipation – Elektronische Beteiligung von Bevölkerung und Wirtschaft am E-Government. Bremen, www. ifib.de/dokumente/ifib-zebralog%20e-partizipation.pdf [Zugriff: 25. 06. 2008].
ARD/ZDF-Onlinestudie 2008, ard-zdf-onlinestudie.de [Zugriff: 17. 06. 2008]. Konsortium Bildungsberichterstattung (Hg.) (2006). Bildung in Deutschland 2006. Indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur Bildung und Migration. Im Auftrag der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Erhebungszeitraum: Oktober 2004 bis April 2006
Croll, Jutta/Brüggemann, Marion (2007). Förderung der Medienkompetenz sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher. Beratung, Begleitung und Evaluation von vier Modellprojekten. Im Auftrag des Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM). (LfM-Dokumentation Band 32)
van Dijk, Jan (2005). The deepening divide. Inequality in the information society. Thousand Oaks: SAGE Publicationsvan Dijk, Jan (2006). Digital Divide Research, achievements and shortcomings. Poetics 34, S. 221-235
Döring, Nicola (2003). Sozialpsychologie des Internet. Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen. Göttingen: Hogrefe
Emmer, Martin/Füting, Angelika/Vowe, Gerhard (2006). Wer kommuniziert wie über politische Themen? Eine empirisch basierte Typologie individueller politischer Kommunikation. Medien- und Kommunikationswissenschaft 54 (2), S. 216-236
Gscheidle, Christoph/Fisch, Martin (2007). Onliner 2007: Das „Mitmach-Netz“ im Breitbandzeitalter. Media Perspektiven 8/2007, S. 393-405
Iske, Stefan/Klein, Alexandra/Kutscher, Nadia (2004). Digitale Ungleichheit und formaler Bildungshintergrund – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung über Nutzungsdifferenzen von Jugendlichen im Internet. Bielefeld. www.kib-bielefeld.de/externelinks2005/digitaleungleichheit.pdf [Zugriff: 25. 06.2008].
OECD (2007). Participative Web: User-Generated Content. Paris: OECDPrenzel, Manfred/Artelt, Cordula/Baumert, Jürgen/Blum, Werner/Jammann, Marcus/Klieme, Eckhard/Pekrun, Reinhard (Hg.) (2007). Pisa 2006. Die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie. Münster: Waxmann
Projektgruppe ARD/ZDF Multimedia (2007) (Hg.). Internet zwischen Hype, Ernüchterung und Aufbruch. 10 Jahre ARD/ZDF-Onlinestudie. Baden-Baden
Reinert, Adrian (2003). Bürger(innen)beteiligung als Teil der lokalen Demokratie. In: Astrid Ley/Ludwig Weitz (Hg.), Praxis Bürgerbeteiligung. Ein Methodenhandbuch. Bonn: Verlag Stiftung Mitarbeit & Agenda-Transfer. S. 33-40
Statistisches Bundesamt (Hg.) (2007). Entwicklung der Informationsgesellschaft. IKT in Deutschland, Ausgabe 2007 (www.destatis.de)
Verba, Sidney/Schlozman, Kay Lehman/Brady, Henry E. (1995). Voice and Equality. Civic Voluntarism in American Politics. Cambridge, MA; London: Harvard University Press
Zillien, Nicole (2006). Digitale Ungleichheit. Neue Technologien und alte Ungleichheiten in der Informations- und Wissensgesellschaft. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften(merz 2008-4, S. 23-30)
Beitrag aus Heft »2008/04: STAAT – MACHT – MEDIEN«
Autor: Jutta Croll, Barbara Lippa
Beitrag als PDF - Markus Stauff: ' ... der Kinder wegen'
Markus Stauff: ' ... der Kinder wegen'
Oft wird der Zusammenhang von Politik und Medien auf Fragen politischer Meinungsbildung und auf die staatliche Regulierung der Medien beschränkt. In den letzten Jahren wurde zunehmend deutlich, dass es jenseits dieser ganz explizit politischen Aspekte eine sehr viel weiter reichende politische Produktivität der Medien gibt. Während der Begriff der ‚Governance’ dabei vor allem darauf abzielt, dass zahlreiche Instanzen auf die Entwicklung der Medien Einfluss nehmen, zielt das hier vorgestellte Konzept der ‚Gouvernementalität’ stärker auf das Potenzial der Medien, Verhaltensweisen zu regieren.
Literatur:
Donges, Patrick (Hg.) (2007). Von der Medienpolitik zur Media Governance? Köln: Halem VerlagFoucault, Michel (1994 [1982]). Wie wird Macht ausgeübt? In: Dreyfus, Hubert L./Rabinow, Paul, Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik. Weinheim/Basel: Beltz, S. 251–261
Foucault, Michel (2000 [1978]). Die ‚Gouvernementalität’. In: Bröckling, Ulrich/Krasmann, Susanne/Lemke, Thomas (Hg.), Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 41–67
Foucault, Michel (2004a). Geschichte der Gouvernementalität 1. Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Frankfurt a. M.: SuhrkampFoucault, Michel (2004b). Geschichte der Gouvernementalität 2. Die Geburt der Biopolitik. Frankfurt a. M.: Suhrkamp
Lemke, Thomas (1997). Eine Kritik der politischen Vernunft. Foucaults Analyse der modernen Gouvernementalität. Hamburg: ArgumentLoader, Brian (Hg.) (1997). The Governance of Cyberspace. Politics, Technology and Global Restructuring. London/New York: Routledge
McCarthy, Anna (2005). The Republic of Tyra. In: FlowTV, 1, 2005; flowtv.org [Zugriff: 16.06.2008]
Miller, Peter/Rose, Nikolas (1994). Das ökonomische Leben regieren. In: Donzelot, Jacques/Meuret, Denis/Miller, Peter/Rose, Nikolas: Zur Genealogie der Regulation. Anschlüsse an Michel Foucault. Hg. von Richard Schwarz. Mainz: Decaton, S. 54–108
Seier, Andrea (2008). Fernsehen der Mikropolitiken. (Erscheint in: Loreck, Hanne/Mayer, Kathrin (Hg.), Visuelle Lektüren – Lektüren des Visuellen. Bild – Praktiken, Bild – Prozesse, Bild - Verhältnisse, Berlin: b_books)
Stauff, Markus (2005a). ‚Das neue Fernsehen’. Machtanalyse, Gouvernementalität und digitale Medien. Hamburg: Lit
Stauff, Markus (2005b). Zur Gouvernementalität der Medien. Fernsehen als ‚Problem’ und ‚Instrument’. In: Gethmann, Daniel/Stauff, Markus (Hg.), Politiken der Medien. Berlin/Zürich: diaphanes, S. 89–110
Surma Hanna/Seier, Andrea (2008). Medien und (Selbst-) Führung. Aktuelle Lifestyle-Formate im Fernsehen. www.fou-cault-symposion.de/lifestyle.htm [Zugriff: 10.6.2008]
Thiele, Matthias (2002). Verquizzt. Zur spielerischen Lust am Risiko in der Quizshow ‚Wer wird Millionär?’. In: Ästhetik & Kommunikation 33, 116, S. 67–72(merz 2008-4, S. 37-44)
- Robert A. Gehring, Bernd Lutterbeck: Bürger Staat und Firewall
Robert A. Gehring, Bernd Lutterbeck: Bürger Staat und Firewall
Am 27. Februar 2008 entschied das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde mehrerer Bürger, unter ihnen der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) und die Journalistin Bettina Winsemann, gegen Teile des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetzes, das erstmalig die sogenannte „verdeckte Online-Durchsuchung“ erlaubte.
Das Gericht gab den Klägern Recht und urteilte, dass die entsprechende Klausel im Gesetz grundgesetzwidrig sei. Das Bundesverfassungsgericht schuf in seinem Urteil ein neues Grundrecht auf „Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“.(merz 2008-4, S. 45-46)
Beitrag aus Heft »2008/04: STAAT – MACHT – MEDIEN«
Autor: Robert A. Gehring, Bernd Lutterbeck
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spektrum
- Bettina von Römer, Bernd Steffensen: Kinder mögen Werbung (und deren Spielangebote) – Werbung mag das Geld der Kinder
Bettina von Römer, Bernd Steffensen: Kinder mögen Werbung (und deren Spielangebote) – Werbung mag das Geld der Kinder
Werbung zielt zunehmend auf die Käufergruppe Kinder und Jugendliche, die zum Teil über erhebliche Geldbeträge verfügen können. Hierbei gewinnt die mediale Verknüpfung von Fernsehen, Internet und Printmedien beim Etablieren eines in sich geschlossenen Erlebnismarketings an Bedeutung, das die Regeln der Rücksichtnahme auf die Unerfahrenheit junger Konsumentinnen und Konsumenten vielfach außer Acht lässt.
Literatur:
Aufenanger, Stefan (2005). Medienpädagogische Überlegungen zur ökonomischen Sozialisation von Kindern. merz, 1/2005, S. 11-16
Barlovic, Ingo/Clausnitzer, Christian (2005). Kommerzielle Werbeforschung mit Kindern Ziele, Methoden und der Blick auf das Kind. merz, 1/2005, S. 17-23
Deutscher Werberat (1998). Verhaltensregeln des Deutschen Werberats für die Werbung mit und vor Kindern in Hörfunk und Fernsehen, Berlin. www.werberat.de [Zugriff: 02.06.2008].
Foscht, Thomas/Swoboda, Bernhard (2007). Käuferverhalten. Grundlagen – Anwendungen – Perspektiven. 3. Aufl., Wiesbaden: Gabler
von Römer, Bettina/Steffensen, Bernd (2007). Kinder und Jugendliche als Zielgruppe des Erlebnismarketings. Werbung in Kinder- und Jugendzeitschriften sowie in korrespondierenden Internetangeboten. sofia studien, Darmstadt. www.sofia-darmstadt.de/209.0.html [Zugriff: 02.06.2008](
merz 2008-4, S. 61-67)
Beitrag aus Heft »2008/04: STAAT – MACHT – MEDIEN«
Autor: Bettina von Römer, Bernd Steffensen
Beitrag als PDF - Franziska Fellenberg: Handynutzung im Alltag – eine Tagebuchstudie
Franziska Fellenberg: Handynutzung im Alltag – eine Tagebuchstudie
Welche Rolle spielt das Handy für junge Erwachsene bei der Bewältigung ihres Alltags? 16 Probanden bearbeiteten über drei Tage ein Medientagebuch. Die Analyse ihrer Aufzeichnungen zeigt, dass das Handy wesentlich häufiger als das Festnetztelefon, der Computer oder der Laptop benutzt wurde, die Nutzungsdauer dabei aber meist nur sehr kurz war. Die zentralen Inhalte der Kommunikation bestanden im Treffen von Verabredungen, der Koordination von Alltagstätigkeiten mit anderen Personen und der Pflege sozialer Beziehungen.
Literatur
Dimmick, John/Sikand, Jaspreet/Patterson, Scott (1994). The Gratifications of the Household Telephone. Sociability, Instrumentality and Reassurance. In: Communication Research, 21, S. 643-663
Drüeke, Ricarda/Haug, Sonja/Keller, Wolfgang/Weber, Karsten (2007). Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? Privatsphäre und Nutzung digitaler mobiler Endgeräte in interpersonalen Beziehungen. In: merz 6/07, S. 25-35
Hahn, Kornelia (2007). Speed socializing all over? Theoretische Überlegungen zu (intimen) Beziehungen im Zeitalter elektronischer Interaktion. Medien, Kommunikation und die Beziehungen der Menschen. In: merz 6/07, S. 14-23
Höflich, Joachim/Rössler, Patrick (2001). Mobile schriftliche Kommunikation – oder: E-Mail für das Handy. Die Bedeutung elektronischer Kurznachrichten (Short Message Service) am Beispiel jugendlicher Handynutzer. In: Medien- und Kommunikationswissenschaft, 49 (4), S. 437-461
Jäckel, Michael (2006). Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen im familialen Kontext. Eine Analyse mit Zeitbudgetdaten. In: Media Perspektiven, 11, S. 585-594
Krotz, Friedrich (2007). Medien, Kommunikation und die Beziehungen der Menschen. In: merz 6/07, S. 5-13
Leung, Louis (2004). Net-generation attributes and seductive properties of the internet as predictors of online activities and internet addiction. In: CyberPsychology and Behavior, 7, S. 333-348
Leung, Louis/Wei, Ran (2000). More than just Talk on the Move: Uses and Gratifications of the Cellular Phone. In: Journalism & Mass Communication Quarterly, 77, S. 308-405
Opaschowski, Horst (1999). Generation @. Die Medienrevolution entlässt ihre Kinder: Leben im Informationszeitalter. Hamburg: Germa-Press
Schwab, Jürgen/Stegmann, Michael (1999). Die Windows-Generation. Profile, Chancen, und Grenzen jugendlicher Computeraneignung. München: kopaed
Stone, Arthur/Shiffman, Saul (2002). Capturing momentary, self reported data: a proposal for reporting guidelines. In: Annals of Behavioral Medicine, 24 (3), 236-243
(merz 2008-4, S. 47-53)
- Maren Würfel, Matthias Kießling, Jan Keilhauer: You(th)Tube – Die Rezeption von Onlinevideos durch Jugendliche
Maren Würfel, Matthias Kießling, Jan Keilhauer: You(th)Tube – Die Rezeption von Onlinevideos durch Jugendliche
Videoplattformen wie YouTube oder MyVideo bieten Jugendlichen eine inhaltliche Vielfalt und den Zugang zu Musik und Funvideos. Sie schätzen die scheinbar unbegrenzten Nutzungsoptionen der Online-Angebote. Sowohl mit der Rezeption von Onlinevideos als auch mit dem Einstellen eigener Videos ins Netz sind aus medienpädagogischer Sicht problematische Aspekte verbunden.
Literatur
van Eimeren, Birgit/Frees, Beate (2007). Internetnutzung zwischen Pragmatismus und YouTube-Euphorie. Media Perspektiven, 08/2007, S. 362-378
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2007). JIM-Studie 2007. Jugend, Information, (Multi-) Media. Stuttgart
Schorb, Bernd/Keilhauer, Jan/Würfel, Maren/Kießling, Matthias (2008). Medienkonvergenz Monitoring Report 2008. Jugendliche in konvergierenden Medienwelten. Online-Dokument: www.uni-leipzig.de/~umfmed/Medienkonvergenz_Monitoring_Report08.pdf [Zugriff: 30.06.2008]
Schulz, Iren (2007). Jugend im Hosentaschenformat. Die Bedeutung des Mobiltelefons für Identität, Alltag und Beziehungen im Jugendalter. Computer + Unterricht, 68, S. 16-19
(merz 2008-4, S. 54-60)
Beitrag aus Heft »2008/04: STAAT – MACHT – MEDIEN«
Autor: Maren Würfel, Matthias Kießling, Jan Keilhauer
Beitrag als PDF - Ulrike Hemberger: "Das kann ich auch"
Ulrike Hemberger: "Das kann ich auch"
Mit ihren Berufsfindungsvideos hat die Medienpädagogin Gisela Witt einen erfolgversprechenden Weg gefunden, Jugendliche an Hauptschulen zu motivieren, sich mit der Arbeitswelt zu konfrontieren. Durch Witts Methode der aktiven Videoabeit beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler mit der ihnen oft völlig fremden Berufswelt und können so ihre Berührungsängste überwinden. Die Jugendlichen sind spürbar stolz auf ihre kleinen Filme und lernen, ihre Berufswünsche sinnlich, aber auch realistisch auszuloten.
(merz 2008-4, S. 68-70)
medienreport
- Angelika Stark: Die Nanny und der deutsche Fernsehpreis
Angelika Stark: Die Nanny und der deutsche Fernsehpreis
Von Liebling, wir bringen die Kinder um über Besser essen – leben leicht gemacht zu Der Schuldenberater, den Supermamas und Do-it-yourself SOS: Beratungssendungen wie diese gibt es unzählige und fast jeder kennt sie, denn sie sprießen aus der deutschen Fernsehlandschaft wie Pilze aus dem Waldboden. Wer Probleme mit Übergewicht, Ernährung, Kindererziehung oder auch nur dem Innendesign seiner Wohnung hat, braucht nur schnell auf den Knopf seiner Fernbedienung zu drücken und zu beinahe jedem Thema gibt es das passende Format. Der Boom von Lebensberatungssendungen im Fernsehen ist ungebrochen. Sogar der deutsche Fernsehpreis, verliehen von ARD, SAT.1, RTL und ZDF trug dieser Entwicklung nun Rechnung: In der eigens dafür eingeführten Kategorie Bester TV-Berater waren in diesem Jahr gleich drei Formate nominiert. Im Gegensatz zu Christian Rach (Rach, der Restauranttester; RTL/Eyeworks Deutschland GmbH) und Peter Zwegat (Raus aus den Schulden; RTL/probono Fernsehproduktion GmbH) konnte sich Preisträgerin Katharina Saalfrank alias Die Super Nanny (RTL/Tresor TV Produktions GmbH) bereits vor einiger Zeit auf dem Markt der Fernsehberater etablieren. Seit inzwischen mehr als drei Jahren greift sie medienwirksam überforderten Eltern bei der Erziehung ihrer schwierigen Kinder unter die Arme. Vor allem Privatsender haben eine Vielzahl unterschiedlicher Formate im Programm. Doch wie fachlich sind die im Fernsehen dargestellten Beratungsangebote tatsächlich? Und kann das Fernsehpublikum von der Rezeption solch einer Sendung profitieren? Geht es nur um Einschaltquoten oder auch um diejenigen die teilnehmen und diejenigen, die zuschauen?
Beispiel Super Nanny
Bleiben wir bei der Super Nanny. Ein Großteil der Deutschen kennt die junge, schlanke Pädagogin mit den langen dunklen Haaren und deren Sendung, doch die Bewertung ihrer Arbeit und Erziehungsmethoden fällt – auch in Fachkreisen – unterschiedlich aus. Besonders zu Beginn der ersten Staffel im September 2004 hagelte es harsche Kritik von allen Seiten. Da war im Hinblick auf die teilnehmenden Kinder zum Beispiel die Rede davon, dass die Sendung grundlegende ethische Forderungen und Maßstäbe verletze und mit ihrem autoritären Erziehungsstil schwarze Gehorsamspädagogik in die Wohnzimmer von Millionen von Menschen transportiere, die das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung dramatisch verletze. Darüber hinaus sei der Blick der Super Nanny auf ihr Klientel ausschließlich defizitorientiert, die Beratung nicht kontextorientiert und die Erschließung von Ressourcen aus dem sozialen Umfeld fehle gänzlich. Kurz: Die Arbeit der Super Nanny richte sich nicht nach modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen und sei damit nicht nur unprofessionell, sondern auch gefährlich.Doch wie kann es dann sein, dass so eine Sendung den deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Bester TV-Coach“ gewinnt? Zunächst einmal lassen sich seit Ausstrahlung der ersten Staffel der Super Nanny zahlreiche Änderungen sowohl im Sendungskonzept als auch in den Arbeitsmethoden der Expertin verzeichnen. In den neueren Folgen wohnt Frau Saalfrank nicht mehr bei der Familie (nur in den ersten Staffeln sah man sie mit Trolley anreisen), sondern in einem Hotel in der Nähe und die Altersspanne der ‚Problemkinder’ reicht vom Kleinkind bis zum Teenager. Somit muss die Super Nanny flexibler auf die Probleme ihrer Klienten eingehen, so dass das anfangs typische Aufstellen von Verhaltensregeln und die Auszeit auf dem „Stillen Stuhl“ nicht mehr als Allheilmittel fungieren. Auch andere Kritikpunkte konnten durch wissenschaftliche Untersuchungen größtenteils widerlegt werden. Eine Forschergruppe um Jürgen Grimm fand beispielsweise heraus, dass der in der Sendung propagierte Erziehungsstil am ehesten als demokratisch zu bezeichnen ist und die Super Nanny den Eltern durchgehend einen liebevollen Umgang mit ihren Kindern ans Herz legt. Viele der anfänglichen Beschwerden, insbesondere bezüglich der Methoden und starren Regeln der Super Nanny, sind daher heute weniger relevant oder sogar als hinfällig zu bezeichnen. Aber auch wenn Frau Saalfrank heute moderater erscheint als noch zu Beginn der Serie, bleibt die Frage, inwieweit diese Formate für das Fernsehpublikum tatsächlich als seriöse Ratgeber relevant sind und welchen Nutzen es ihnen bietet.
Quotenbringer oder Lebenshilfe
Aufgabe professioneller Lebensberatung ist es, Rat suchenden Klienten durch die Vermittlung von neuem Wissen zu Einstellungs- und Verhaltensneuerungen zu verhelfen, damit sie ihre Probleme besser lösen können. Da sich Privatsender jedoch ausschließlich durch Werbeeinnahmen finanzieren, kann man davon ausgehen, dass es beim Entwurf eines Programmformats hauptsächlich auf den Unterhaltungswert einer Sendung ankommt. Trotzdem lässt sich nicht leugnen, dass in den Lebenshilfe-Formaten von RTL und Co. neben dem Unterhaltungswert auch Aspekte der Beratung vorhanden sind. Diese Anteile sind sicherlich bei einzelnen Formaten unterschiedlich ausgeprägt. Eine Analyse sämtlicher Lebensberatungs- und Coaching-Formate würde hier zu weit führen, bleiben wir also bei der Super Nanny:Aller Kritik über die Methoden der Super Nanny und der Darstellung der Familie im Fernsehen zum Trotz wird die betreffende Familie kompetent beraten. Die Protagonistin verfügt über eine professionelle Ausbildung, arbeitet, eigenen Angaben zufolge, nach einem systemischen Konzept und vermittelt Eltern und Erziehungsberechtigten neue Methoden und Techniken im Umgang mit ihren Kindern. Darüber hinaus ist Fernsehen grundsätzlich ein Medium, das von allen Bildungsschichten genutzt wird. Personen aus weniger gebildeten Bevölkerungsgruppen neigen sogar dazu, ihre Informationen hauptsächlich aus dem Fernsehen zu beziehen (vgl. Jäckel 2002, S. 281).
Grimms Ausführungen zufolge sind das Sendungskonzept und die Botschaften oder Lösungsvorschläge der Super Nannys leicht verständlich, so dass sie auch von Personen mit geringem Bildungsniveau rasch aufgefasst und gut verstanden werden können. Anzunehmen ist demnach, dass eine Nutzungsmöglichkeit des Fernsehens als Medium zur Informationsgewinnung und Wissenserweiterung durchaus besteht. Zudem wirkt die Super Nanny sympathisch und fachlich kompetent, so dass sie auch persönlich als Coach und Lehrerin akzeptiert wird. Dies stellt eine gute Ausgangsbasis dar, um aus der Rezeption der Sendung persönlich zu profitieren (vgl. Grimm 2006, S. 127-137). Außerdem hält das Super Nanny-Format eine hohe Orientierungsleistung für die Zuschauerin bzw. den Zuschauer bereit. Diese zeigt sich in einem inhaltlich gut nachvollziehbaren Zusammenhang der geschilderten Problemsituation mit der folgenden Beratungssequenz und dem daraus resultierenden Lösungsansatz (vgl. Grimm 2006, S. 33 f.).
Eine weitere wichtige Voraussetzung für Lernprozesse ist damit gegeben: Das Fernsehpublikum sieht beispielsweise, wie eine Situation in der gezeigten Familie eskaliert und kann die darauf folgende Konsequenz oder den Interventionsansatz der Super Nanny zuordnen. Dadurch wird das Beratungsverhalten für zu einem logischen Prozess, der im besten Fall der Situation angemessen erscheint. So haben die Zuschauerin bzw. der Zuschauer die Möglichkeit, sich an diese Intervention zu erinnern, wenn in ihrem eigenen Lebensumfeld ein ähnliches Problem aktuell wird.Dennoch sind sich auch Expertinnen und Experten bei der Frage, ob Beratung im Fernsehen tatsächlich eine ernstzunehmende Hilfe für den Alltag der Rezipienten ist, nicht einig. Grimm attestiert dem Format Die Super Nanny – wie oben bereits angesprochen – durchaus eine Orientierungsfunktion für die Zuschauenden, wohingegen Jäckel sich auf amerikanische Untersuchungen bezieht, die eine Wissenserweiterung durch das Fernsehen eher nicht bestätigen.
Resümee
TV-Coaching-Formate sind sicher kein Ersatz für professionelle, fachlich qualifizierte und auf den Einzelfall abgestimmte Hilfe. Was diese Sendungen jedoch leisten können ist, eine breite Öffentlichkeit auf bestimmte, zum Teil auch gesellschaftlich relevante Themen aufmerksam zu machen. Dabei kann der Zuschauerin bzw. dem Zuschauer signalisiert werden: „Nicht nur du hast solche Schwierigkeiten – und es gibt einen Weg, sie aus der Welt zu schaffen.“ Zum anderen tragen die Formate dazu bei, das Mysterium ‚Beratung und Therapie’ ein wenig zu entzaubern. Dadurch werden Hemmschwellen abgebaut und Menschen möglicherweise ermutigt, ihre Probleme in die Hand zu nehmen, statt sie vor sich her zu schieben oder gar den Kopf in den Sand zu stecken. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser Formate fließt meiner Meinung nach, jedenfalls im Fall der Sendung Die Super Nanny, echte Hilfe zu, denn sie werden von Katharina Saalfrank professionell beraten und in ihrem Erziehungsprozess unterstützt. Zudem kann allein das Modell einer funktionierenden Kindererziehung bereits einen ‚Aha-Effekt’ auf Familien mit gravierenden Problemen haben.
Im Fernsehen, einem für alle Menschen leicht zugänglichem Medium, wird gezeigt, wie man ‚es’ besser machen kann. Früher übliche Beratungs- und auch ‚Einmischungs’-Instanzen falle heute oft weg, weil die Oma weit entfernt wohnt und sich Nachbarn nicht mehr füreinander interessieren, so dass Sicherheit in Erziehungsfragen häufig aus anderen Quellen gewonnen werden muss. Dafür bietet sich – auch im Hinblick auf viele allein erziehende Elternteile, die nach einem Neun-Stunden-Arbeitstag und einem sich anschließenden, etwa fünfstündigen Erziehungsmarathon sicher keine große Lust mehr haben, sich mit Fachliteratur zu beschäftigen – das Fernsehen als Beratungsinstanz geradezu an. Auch wenn weder gesichert noch belegt ist, dass Beratung via Bildschirm einen problemlösenden Effekt auf die Zuschauerinnen und Zuschauer hat, wäre denkbar, dass Eltern sich nach Rezeption der Sendung kompetenter im Umgang mit ihren Kindern fühlen. Da Kinder Klarheit in der Erziehung brauchen, wäre dies durchaus eine positive Komponente.Ich halte die Arbeit, die die Super Nanny in den Familien leistet, weder für unprofessionell oder gefährlich, noch trägt sie die Grundsätze der schwarzen Pädagogik in deutsche Wohnzimmer. Dennoch können sich durch bloßes Abschauen und Ausprobieren mancher Erziehungsmaßnahmen wie zum Beispiel dem ‚Stillen Stuhl’ große Schwierigkeiten ergeben. Um solche Techniken richtig einsetzen zu können, ist eine umfassende Information und Unterstützung durch eine reale Fachkraft zwingend nötig. Hier besteht die Gefahr, dass Eltern aus Unwissenheit die Situation verschlimmern, was zu noch größeren Entzweiungen in der Eltern-Kind-Beziehung führen kann. Diese Hintergrundinformationen kann die TV-Sendung mit 45 Minuten Sendezeit nicht bieten.Ob es ethisch und moralisch in Ordnung ist, Eltern und Kinder in solchen Ausnahmesituationen zu filmen und später im Fernsehen zu zeigen, ist schwer zu entscheiden. Ich bin der Meinung, dass es Aufgabe der Eltern ist, für sich und ihre Kinder gut Sorge zu tragen. Natürlich stellt sich die Frage, ob die teilnehmenden Eltern, durch familiäre Probleme gebeutelt und häufig aus weniger gebildeten sozialen Schichten kommend, in der Lage sind, eine solche Entscheidung verantwortungsvoll zu treffen. Leider muss diese Frage hier unberücksichtigt und unbeantwortet bleiben. Unberücksichtigt aller Vor- und Nachteile bleibt es jedoch dabei, dass Ratgebersendungen, Real-Life-Formate, Reality TV Genres des Affektfernsehens sind, in denen es vor allem bei privaten Anbietern hauptsächlich darum geht, das Fernsehpublikum zu unterhalten.
Literatur
Grimm, Jürgen (2006). Super Nannys. Ein TV-Format und sein Publikum. Konstanz: UVK Verlags GmbH
Jäckel, Michael (2002). Medienwirkungen. Opladen: Westdeutscher Verlag
(merz 2008-4, S. 71-74)
- Daniel Ammann: Wilde Hühner am Game Boy
Daniel Ammann: Wilde Hühner am Game Boy
Nun gibt es die Wilden Hühner (nach den Romanen von Cornelia Funke) auch für den NintendoDS. Die erste Game-Boy-Produktion aus dem Verlag Oetinger eröffnet gleich mit einem schwungvollen Abenteuerspiel und reiht sich in die breite Palette von Medienverbundangeboten aus Büchern, Filmen, Tonträgern und Computerspielen mit den Wilden Hühnern ein. Wie bei Spielgeschichten für den Multimedia-PC haben die Heldinnen eine wichtige Mission zu erfüllen und laden Spielerinnen und Spieler ab acht Jahren ein, ihnen bei der Lösung anspruchsvoller Aufgaben zu helfen. Benutzeroberfläche und Bedienung der Handheld-Konsole setzen dabei mehr an Multitasking-Fertigkeiten voraus, als dies bei vergleichbaren Spielen auf CD-ROM der Fall ist. Neben dem Steuerkreuz, Aktionsknöpfen und zwei Tasten an der Rückseite des Geräts kommt auf dem unteren (berührungssensitiven) Bildschirm regelmäßig der Touchpen zum Einsatz und in einem der Minigames muss man sogar ins Mikrofon pusten. Bevor die eigentliche Handlung der Geschichte losgeht, müssen die Wilden Hühner zuerst das fehlende Geld für die bevorstehende Klassenfahrt auftreiben.
An zündenden Ideen fehlt es den vielseitigen Mitgliedern der bekannten Mädchenbande keineswegs. Melanie möchte sich die Preissumme in einem Tanzwettbewerb holen, Wilma einen Kochwettbewerb in der Schule gewinnen und Frieda nimmt an einem Pferderennen teil. Oberhuhn Sprotte versucht derweil die Bandenkasse mit Taxifahren aufzubessern. Da sich ihre Mutter den Arm gebrochen hat, hilft sie ihr beim Einlegen der Gänge. Für die Spielerinnen und Spieler keine ganz einfache Angelegenheit. Sie müssen das Taxi nämlich durch die Straßen zu den ungeduldigen Kunden steuern, gleichzeitig Gas, Bremse und Gangschaltung bedienen und darüber hinaus noch auf den Verkehr und die Ampeln achten. Fährt man längere Zeit zu hochtourig oder stößt gar mit einem anderen Wagen zusammen, gehen sämtliche Einkünfte verloren und die Kosten für den verursachten Schaden sind aus der Reisekasse zu begleichen. Die sieben Minigames setzen vor allem Konzentration, Geschick und Geduld voraus. Meist muss man beide Bildschirme im Auge behalten und schnell reagieren. Aber zwischendurch ist auch gute Merkfähigkeit gefragt, etwa bei der Zubereitung verschiedener Menüs im Kochwettbewerb, denn jedes Nachschlagen im Rezept wird mit Minuspunkten bestraft. Zwischen den Aufgaben treffen sich die Wilden Hühner immer wieder im Wohnwagen, der ihnen als Bandenquartier dient, und tauschen sich über Erlebnisse und Fortschritte aus. Kaum haben sie jedoch das Geld für den Ausflug beisammen, geht es mit neuen Herausforderungen weiter und die Geschichte nimmt eine unerwartete Wendung. Nach ihrer Rückkehr herrscht im Wohnwagen große Unordnung und nicht nur ein wertvoller Brief, sondern auch Oma Slättberg ist verschwunden. Erst wenn die Entführer mit Unterstützung der Jungenbande gefasst sind, wird am Ende das Geheimnis um das kostbare Rubinherz gelüftet – und selbst Sprotte und Fred entdecken, dass sie ein Herz füreinander haben. Das kurzweilige Abenteuer für den NintendoDS kann drei unterschiedliche Spielstände speichern und lässt sich wahlweise auf Deutsch, Englisch oder Schwedisch spielen. Da Dialoge und Anweisungen – im Gegensatz zu Spielgeschichten am PC – nicht akustisch ausgegeben werden, kommt auch das Lesen nicht zu kurz. Über 5.000 Wörter werden im Verlauf des Spiels verarbeitet, was etwa dreißig Seiten eines Wilde-Hühner-Romans gleichkommt. Selbst wenn die Story eher Nebensache ist, sorgen die abwechslungsreichen Minigames und zahlreiche neue Levels, die nach bestandenem Abenteuer freigeschaltet werden, für anhaltenden Spielspaß. (merz 2008-4, S. 84-85)
- Kai Hanke: Die Lust am Spiel ist immer und überall?!
Kai Hanke: Die Lust am Spiel ist immer und überall?!
Wo Jugendliche auch auftauchen, allein oder in der Gruppe, in der Schule, Disco oder an der Bushaltestelle: Das Handy ist immer dabei. Längst besitzen nahezu alle Jugendlichen (94 Prozent) ein eigenes Mobiltelefon und nutzen es ebenso oft wie gerne (vgl. JIM 2007). Doch was genau tun sie damit? Wie verbreitet ist zum Beispiel das Spielen auf dem Handy bei aller Beliebtheit des Mobiltelefons? Und wie sind entsprechende Spiele zu beurteilen? Die steigenden Verkaufszahlen der Gaming-Industrie deuten auf eine zunehmende Nutzung und damit verbunden auf einen wachsenden Markt hin – bei Jugendlichen wie Erwachsenen gleichermaßen. Grund genug, einen Blick auf die Bandbreite von Handyspielen zu werfen, auf ihre Eigenarten, ihre Mängel, ihre Verbreitung.
Verbreitung und Nutzung von Handyspielen
Bekanntermaßen verfügen heutige Mobiltelefone über eine Vielzahl von Funktionen. Und obwohl SMS und Telefonieren nach wie vor den Großteil der Aktivitäten mit dem Handy ausmachen, ist auch Handy-Gaming durchaus beliebt. Laut aktueller JIM-Studie ist das Spielen mit dem Handy heute für immerhin knapp ein Fünftel (18 Prozent) aller Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren üblich. Ähnliche Ergebnisse bringt auch eine Studie des JFF – Institut für Medienpädagogik (in Kooperation mit dem Kopäd e. V.) zutage. Bei dieser Erhebung auf der Games-Convention 2007 wurden Jugendliche zu ihren Mobile-Gaming-Vorlieben befragt. Das Handy stellt demnach für 49 Prozent aller Jugendlichen das wichtigste mobile Spielgerät dar. Dieses Interesse am Spielen auf dem Handy wird vor allem mit der permanenten Verfügbarkeit und Handlichkeit des Mobiltelefons als Spielgerät begründet (vgl. JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis/Kopäd e. V. 2008, S. 8). Bezüglich der Genres von Handyspielen liegen Geschicklichkeitsspiele (Jump&Run) sowie Strategie-/Denk- und Wissensspiele bei den Jugendlichen vorn (36 bzw. 33 Prozent). Die größere Beliebtheit dieser Genres „ist vermutlich auf deren geringere technische Anforderungen sowie die häufige Vorinstallation dieser Spiele auf dem Handy zurückzuführen“ (ebd., S. 13). Die meisten Jugendlichen (61 Prozent) geben an, dass die von ihnen am häufigsten genutzten Spiele schon auf dem Handy installiert waren, rund ein Viertel erwirbt Spiele auch per Internet-Download.
Vorstellung exemplarischer Spiele
Wie auch immer Handyspiele erworben werden, als Download oder als im Kaufpreis des Mobiltelefons inbegriffene, vorinstallierte Versionen – sie unterscheiden sich deutlich von Spielen für PC oder Konsole. Zum einen sind sie günstiger als herkömmliche PC- oder Konsolenspiele: Je nach Format und Anbieter kostet ein Spiel durchschnittlich zwischen drei und zehn Euro, teilweise sind sogar kostenfreie Angebote zu finden. Bei letzteren ist jedoch in der Regel eine Registrierung notwendig, die mit Spam-SMS oder sogar ungewollten Abonnements verbunden ist. Zum anderen zeichnen sich Spiele für das Handy derzeit noch durch eine – verglichen mit aktuellen Konsolenspielen – eher anspruchslose Grafik sowie ein eingeschränktes Gameplay aus – nicht zuletzt aufgrund der Begrenzung von Bedienungselementen durch die Handy-Tastatur. Grundsätzlich lassen sich bei den Spielen verschiedene Genres unterscheiden, die jeweils besser oder schlechter mit den Geräteeigenschaften des Handys harmonieren. Hier sollen vor allem Actionspiele, Geschicklichkeits-, Wissens- und Strategiespiele sowie Sportspiele eingehender betrachtet werden.
Action – Shooter und Jump&Run
Actionspiele gehören vor allem für Jungen zu den beliebtesten Spielen. Auf dem Handy allerdings sind die Möglichkeiten für ein anspruchsvolles Actionspiel eingeschränkt. Das relativ kleine Display und die geringe Verarbeitungskapazität hinsichtlich grafischer Daten sorgt dafür, dass Actionspiele auf dem Handy meist deutlich hinter ihren Pendants auf PC und Konsole zurückbleiben. Beispiele hierfür sind die zahlreichen Jump& Run-Spiele wie Prince of Persia oder Merchandising-Produkte zu Kinofilmen und Serien (KungFu Panda oder 24 – Special Ops). Als Beispiel für Actionspiele auf dem Handy soll hier 24 – Special Ops herangezogen werden. Die Story des Spiels ist bezogen auf die in der TV-Serie erzählte Geschichte eines Terroristenjägers, der nicht nur gegen fiese Schurken, sondern auch gegen die Zeit kämpft. Der Spieler oder die Spielerin muss sich seinen bzw. ihren Weg dabei durch verschiedene Levels bahnen und Geiseln mit brachialer Gewalt aus der Hand von Terroristen befreien. Verschiedene Waffen und Items helfen dabei, alle Level erfolgreich zu bewältigen. Das Spiel kann kaum überzeugen. Neben der wenig abwechslungsreichen Levelgestaltung und der mehr oder weniger einfallslosen Story enttäuscht das Spiel vor allem auch durch eine ausbleibende Steigerung der Schwierigkeit von Level zu Level, Spielflow mag so gar nicht aufkommen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Attraktivität von Actionspielen eben auf diesem Spielflow aufbaut. Auf dem Handy jedoch wird häufig nebenbei und mit vielen parallelen Ablenkungsmöglichkeiten gespielt. Dem Spielspaß bei einem solchen Genre kann das oftmals schaden. Auch sind keine weiteren Spielfunktionen, also Variationen oder Multiplayer-Sessions möglich. Allein die gelegentlichen kurzen Minigames (Autofahrten, Puzzle) sorgen für kleine Variationen.
Wissen – Wer wird Millionär?/Trivial Pursuit
Um Spielflow geht es bei den folgenden Spielen weniger, gefragt ist vor allem Wissen und ein Quäntchen Glück. Wissensspiele wie Wer wird Millionär? oder Trivial Pursuit basieren auf den Spielprinzipien ihrer Vorbilder im Fernsehen bzw. auf dem Spielbrett. Da sie ohne anspruchvolle grafische Inszenierungen auskommen und das Spielprinzip weniger auf spielinterne Action als auf die kognitive Herausforderung beim Spieler bzw. der Spielerin abzielt, sind sie besser für das Handy geeignet. Trivial Pursuit Deluxe Edition zum Beispiel funktioniert genauso wie das Brettspiel, entweder alleine oder gegen maximal sechs Mitspielerinnen und -spieler, die mit demselben Handy spielen. Je nach zufällig bestimmtem Würfelwert bewegt man sich mit seinem Spielstein auf verschiedenen Feldern, um Fragen in verschiedenen Wissensgebieten zu beantowrten. Ziel ist es, alle Wissensgebiete abzudecken. Neben diesem vom Brettspiel bekannten Spielmodus lassen sich auch zwei weitere Varianten wählen: Das Spiel gegen die Zeit oder der „Überleben“-Modus, bei dem die Anzahl der erlaubten falschen Antworten begrenzt ist. Insgesamt ist Trivial Pursuit ein gelungenes Handyspiel, vor allem weil die Voraussetzungen für Spielspaß nicht in einer grafisch und technisch anspruchsvollen Umsetzung liegen.
Geschicklichkeit – Tetris/Snake
Die bekanntesten Handyspiele überhaupt sind sicherlich Klassiker wie Tetris oder Snake. Schon seit den Anfängen der Computerspiele bekannt, finden sie heute, angepasst an moderne Ästhetik, als Handyspiel Verbreitung. Snake III ist wie Tetris grafisch und technisch weniger anspruchsvoll. Dafür sind allerdings Geschicklichkeit und Nachdenken gefordert. Entsprechende Spiele sind oftmals schon auf gekauften Mobiltelefonen vorinstalliert, auch dies trägt zu ihrer großen Verbreitung bei (vgl. JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis/Kopäd e. V. 2008, S. 13). Das Spielziel lautet wie im Original: Eine stets in Bewegung befindliche Schlange muss durch ein Labyrinth gesteuert werden und möglichst schnell sämtliches vorgefundenes Futter vertilgen. Mit jedem Happen wird die Schlange länger und kommt sich daher immer öfter selbst in den Weg. Stößt die zu lenkende Schlange an ein Hindernis oder beißt sich gar selbst in den Schwanz, so ist das Spiel bzw. eines von drei Leben verloren. Dieses einfache Prinzip ermöglicht bei aller Anspruchslosigkeit unerwartet großen Spielspaß, zumal bei diesem Genre durchaus von einer gewissen (selbstverständlich nicht klinischen!) Suchtgefahr ausgegangen werden kann. Eine Multiplayerfunktion ist allerdings auch hier nicht integriert.
Strategie – Catan/Sims
Ein ebenfalls verbreitetes Handyspiel-Genre stellen die Strategiespiele dar. In der Regel sind dies entweder vereinfachte Versionen von Strategiespielen auf PC oder Konsole wie Die Sims oder aber Handyspielversionen von Brettspielen wie Catan – Die erste Insel oder Monopoly. Bei Catan beispielsweise gilt es wie im Original, mit Rohstoffen zu haushalten und zu handeln, sich mit Straßen neues Siedlungsgebiet zu erschließen, Siedlungen zu gründen und diese zu Städten auszubauen. Gehandelt wird entweder mit den computergesteuerten Kontrahenten oder mit bis zu drei weiteren Mitspielerinnen und -spielern, die wahlweise auf demselben Gerät spielen oder per Bluetooth verbunden sind. Die Animationen sind eher unaufwendig gestaltet. Da jedoch der Charakter des Originals durchaus erhalten bleibt, entfaltet das Spiel eine relativ hohe Komplexität und damit Spielspaß. Wie bei den schon erwähnten Wissensspielen wird hier nicht gegen die Zeit gespielt. Insofern eignen sich derartige Spiele sehr für Situationen, in denen dem Spiel zwar nicht uneingeschränkte und permanente Aufmerksamkeit gilt, das Spielen jedoch auch nicht gänzlich unterbrochen wird.
Sport – UEFA Champions League
Auf PC und der Konsole erfreuen sich auch Sportspiele großer Beliebtheit. Ob Fußballspiele wie UEFA Champions League, Golfen mit EA SPORTS Tiger Woods PGA TOUR 07 oder Tennisturniere mit Tennis Open 2007 – sie alle sollen den sportlichen Spielspaß auch auf dem Handy ermöglichen. Meist jedoch bleiben die Angebote deutlich hinter den Vorbildern auf dem PC- und Konsolenmarkt zurück. Vor allem weil Grafiken und Animationen, damit also auch Bewegungsabläufe und -kombinationsmöglichkeiten limitiert sind. Bei UEFA Champions League zum Beispiel, einem klassischen Fußballspiel, muss eine Mannschaft gesteuert werden. Dabei stehen jeweils verschiedene defensive oder offensive Spielzüge zur Verfügung, Schüsse, Flanken und verschiedene Umgangsformen mit dem Gegenspieler – mehr oder weniger fair. Der Spielspaß wird hier durch den mangelhaften Spielflow gehemmt, da Bewegungen und Spielzüge nicht einfach im Spiel per Tastendruck vollzogen werden, sondern erst in einem aufzurufenden Pop-Up-Menü angeklickt werden. Andererseits bietet das Spiel breite Auswahl an Einstellungen von Schwierigkeitsgraden, einzelnen Mannschaftsaufstellungen und Ähnlichem. Insgesamt hält es aber keineswegs mit Sportspielen auf nichtmobilen Trägermedien mit. Den größten Spielspaß bieten in diesem Bereich am ehesten noch Sportspiele wie Playman Summer Games 3 oder Yeti Sports 3, die weniger auf möglichst realitätsnahe Inszenierungen von Sportarten bauen als auf drollige Animationen und eine Abfolge kleiner, wenig komplexer Wettbewerbe in verschiedenen Disziplinen – oftmals auch im Multiplayer-Modus.
Folgerungen
Fasst man die Ergebnisse dieses sehr ausschnitthaften Überblicks zusammen, so lassen sich folgende Schlüsse ziehen:- Handyspiele sind PC- und Konsolenspielen aufgrund geringer technischer Leistungsfähigkeit der Mobiltelefone sowohl in grafischer Hinsicht als auch soundtechnisch bislang weit unterlegen. Ein noch immer relativ kleines Display führt dazu, dass entweder Figuren und Motive zu klein oder Bildausschnitte für komplexe Situationen im Spiel nicht groß genug dargestellt sind.- Handyspiele weisen wegen der kleinen Tastatur und den oftmals eher bescheidenen Handlungsentwicklungen der Spiele oft noch Mängel im Gameplay und dem Spielfluss auf. Navigation und komplexe Bewegungsabläufe gestalten sich schwierig.- Einige Handyspiele sind nicht auf die spezifische Spielsituation eingerichtet, die das Handy als Trägermedium mit sich bringt. Viele verfügen nicht über eine Pausenfunktion, so dass sie sich oftmals nur mit uneingeschränkter Aufmerksamkeit und unter Zeitdruck spielen lassen. Dies fällt insbesondere in Situationen ins Gewicht, in denen Handyspiele eigentlich als Beschäftigung dienen könnten (in der U-Bahn, beim Warten auf den Bus oder Bekannte etc.).-
Diese Schwierigkeiten wirken sich bei actionorientierten Formaten negativer aus. Für Handys auf dem heutigen technischen Stand sind Spiele besser geeignet, die mehr auf originelle mediumsgerechte Spielideen setzen und Spielspaß auch ohne anspruchsvolle Grafik oder Zeitdruck im Spiel ermöglichen. Es ist anzunehmen, dass die technische Leistungsfähigkeit und damit auch Kapazität von Mobiltelefonen für anspruchsvollere Spiele in naher Zukunft zunehmen wird. Damit wird sich ein entscheidendes Argument gegen die Nutzung von Handyspielen erübrigen. Ist derzeit gerade das von Jungen bevorzugten Action-Genre noch unzureichend umgesetzt, so wird mit zunehmender Qualität jedoch auch der Anteil männlicher Handygamer weiter zunehmen. Ein anderes Argument, das für den Erfolg eines bestimmten Genres von Spielen spricht, wäre damit allerdings nach wie vor gültig: Die Spielgenres werden sich verstärkt auf die speziellen Situationen hin ausrichten müssen, in denen Handyspiele genutzt werden. Die Dauer eines Spiels oder die Aufmerksamkeitsanforderung werden über den Erfolg eines Spiels in verschiedenen Situationen entscheiden.
Insgesamt ist eine Vervielfachung von Mobile-Gaming-Angeboten zu erwarten. Unter der Voraussetzung, dass das Spielen mit dem Handy weiterhin finanziell so günstig bleibt wie bislang und immer billigere mobile Internetzugänge auch spontane Downloads ermöglichen, ist es durchaus plausibel, dass im Zuge dieser Entwicklung der Anteil der Nutzerinnen und Nutzer von Handyspielen tendenziell zunimmt. Und auch Erwachsenen wird gerade mit dem wachsenden Angebot von Strategie- und Wissensspielen ein Zugang zum Mobile-Gaming ermöglicht. Das beweisen nicht zuletzt die kommerziellen Erfolge von Spiel- und Trainingsangeboten für die mobile Nintendo DS. Morgen oder Übermorgen, früher oder später, sitzen wir vermutlich alle im Bus oder der U-Bahn, im Zug oder Flugzeug. Und zwar ohne Sudoku-Heftchen, ohne ständig auf die Uhr zu sehen. Stattdessen besiedeln wir Gaming-Welten oder spielen – jeder für sich – was die Gaming-Branche schon jetzt voller Enthusiamus pflegt: Wer wird Millionär?!
Literatur
JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis/Kopäd e. V. (Hg.) (2008). Mit Handy, Spielkonsole und Laptop: Allerorten mobil spielen. www.jff.de/dateien/Mobilspielen_JFF.pdf
mpfs (2007). JIM 2007 Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-jähriger in Deutschland. Stuttgart: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest.
(merz 2008-4, S. 80-84)
- Kai Hanke: Eine kleinere Welt ist möglich
Kai Hanke: Eine kleinere Welt ist möglich
Der Atlas ist der Inbegriff der Schulzeit, der Fixpunkt des Erdkundeunterrichts. Ein muffiges Exemplar aus der Schulbibliothek und der Blick für die Beschaffenheit der Erde öffnet sich, der Globus schrumpft zu einer Sammlung informationsträchtiger Karten und Übersichten. Freilich stets unter den Augen und Vorgaben der Lehrerinnen und Lehrer. Atlanten waren und sind Faszinosum einerseits, Quelle nerviger Hausaufgaben andererseits. Für diejenigen, die keinen eignen zu Hause hatten, ein kostenfreies Stück Welt im Buchformat. Nun ergänzt der Westermann Verlag zum 150. Jubiläum des Diercke Weltatlas diese romantische Erinnerung um die Vorzüge des Web 2.0: Mit der neuesten Auflage des Atlas’ erhalten Käuferinnen und Käufer sowie Schülerinnen, Schüler, Lehr- und sonstige Fachpersonen neben dem herkömmlichen (anspruchsvollen) Karten-Spektrum einen Zugangscode zur Online-Version des Diercke Weltatlas. Ein Novum, im Guten wie im Schlechten.
Das Online-Angebot von Diercke umfasst im Wesentlichen drei Funktionen: den Onlineglobus, ein webbasiertes Geoinformationssystem (GIS) für den Einsatz in der Schule und den Diercke-Coach, einen interaktiven Erdkundetrainer, den Lehrkräfte in ihren Unterricht einbauen können. Der Onlineglobus umfasst 450 digitalisierte physische und Wirtschaftskarten, zudem geben Diagramme und Grafiken zusätzliche Informationen zu Klimaveränderung, Globalisierung, Städtewachstum, Migration über die geografische Beschaffenheit von Ländern und Kontinenten. Der Atlas bietet 3D-Ansichten aus frei wählbaren Winkeln und Perspektiven, mit Zoom, hochaufgelösten Satellitenbildern und Nachtansichten. Die Legendenzusammenstellungen sind individuell einstellbar, die Karten können mittels einer Zeichenfunktion markiert und bearbeitet werden. Das webbasierte GIS hingegen bietet interaktiv bearbeitbare aktuelle Statistiken für die meisten Atlaskarten sowie kostenfreie Web-GIS-Arbeitsblätter. Und auch die Coach-Funktion für Lehrerinnen und Lehrer ermöglicht den Lehrkräften die Erstellung und Nutzung interaktiver Lerneinheiten zu zahlreichen Atlaskarten. Die Einheiten sind orientiert an den Kernlehrplänen der Bundesländer, wobei die Schwierigkeitsgrade flexibel verstellbar sind. Die Schülerinnen und Schüler können so am PC in der Schule oder zu Hause Fragen beantworten und Erdkunde-Tests mit individualisiertem Feedback absolvieren.
All dies erweitert nicht nur das qualitativ anspruchsvolle Angebot der Printversion des Weltatlas’, sondern ermöglicht Lehrerinnen und Lehrern zudem die multimediale und ortsunabhängige Bearbeitung von Erdkundethemen im Unterricht. Die Lexikon-Funktion, das heißt, die automatische Weiterleitung von Städte- und Regionenbezeichnungen zu entsprechenden Einträgen in der Online-Enzyklopädie Wikipedia mag problematisch wirken, wenn man bedenkt, dass dadurch möglicherweise andere Quellen der Hintergrundrecherche ausgeblendet werden. Allerdings könnte dieses Problem von Lehrkräften auch leicht konstruktiv als Impuls für die kritische Reflektion und Einübung von Online-Recherchen genutzt werden. Ein großes Manko jedoch: Viele Funktionen sind (bislang) noch nicht aktiviert. Laut Hersteller ist „[...] der Diercke Globus Online noch eine zeitlich beschränkte „beta“-Version, in der einige Funktionen, zum Beispiel die Möglichkeit auf dem Globus zu zeichnen und eigene Ansichten abzuspeichern [...]“ fehlen. Hinzu kommen diverse Probleme mit grafischen Darstellungen, einige Regionen, Städte und so weiter sind noch nicht digitalisiert verfügbar. Insgesamt jedoch bietet die Jubiläumsausgabe des Diercke Weltatlas mit den zusätzlichen Online-Angeboten ein vielversprechendes Mittel, um den Erdkundeunterricht sinnvoll zu bereichern und die Welt – man gewöhnt sich daran – wieder mal ein kleines Stück kleiner, wenigstens aber (geografisch) übersichtlicher zu machen.
(merz 2008-4, S. 86-87)
- Kai Hanke: Klassenkampf ... und die Menschen dahinter
Kai Hanke: Klassenkampf ... und die Menschen dahinter
Man könnte meinen, die Diskussion um das dreigliedrige Schulsystem in Deutschland wäre abgedroschen, ein alter Hut, irgendwie langweilig. Zumal Alternativen zum deutschen Muster zwar vielerorts skizziert, in Anbetracht eines lahmen, reformunwilligen Politik- und Verwaltungsapparates aber kaum realistisch scheinen. Andererseits: wo kämen wir hin, wenn sich Erwachsene keine Gedanken mehr darüber machen würden, wie, wo und was ihre Kinder in der Schule lernen sollen? – Ja, wohin eigentlich?!Vielleicht ist die Hauptschulklasse, die Uli Kick in seinem Dokumentarfilm Klassenkampf ein Jahr lang begleitet hat, ein Ausblick auf das, was droht, wenn eine Schule sich selbst überlassen bleibt. Wenn Eltern desinteressiert, Lehrerinnen und Lehrer überfordert, Jugendliche motivations- und perspektivlos sind, und trotz allem nicht zu erwarten ist, dass ‚die Politik’ etwas an den strukturellen Rahmenbedingungen ändert, die für diesen Missstand verantwortlich gemacht werden. Doch so einfach ist es nicht. Der Alltag, den der Film schildert, ist schon heute Normalität. Und die Missstände sind nicht allein auf das Versagen einzelner Akteure zurückzuführen.
Die Hauptschule ist zudem nicht einfach im negativen Sinne ein Sammelbecken, für diejenigen, die es (aus verschiedensten Gründen) nicht auf die Realschule oder das Gymnasium schaffen, die schlechte Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt besitzen, die sich verweigern. Sie versammelt oftmals auch Jugendliche mit bewegenden persönlichen Geschichten, die einer reibungslosen Schullaufbahn nicht selten im Wege stehen. Sie ist ein Ort, an dem Menschen ihre Schwächen täglich vor Augen geführt bekommen und dennoch Stärken entwickeln, bemerkenswerte Fähigkeiten, individuelle Erfolgserlebnisse. Uli Kick wagt mit seinem Film einen Blick in diese Welt, deren Maßstäbe einer gesellschaftlich dominanten, bildungselitären Gruppe lediglich ein (in der Regel verstecktes) überhebliches Lächeln abverlangen mögen. Doch gerade dieses Lächeln ist es, das der Film verblassen lässt. Klassenkampf wirkt dabei auf den ersten Blick eher durchschnittlich. Nach einer kurzen Einführung in den Alltag der Hauptschulklasse, werden in kurzen Sequenzen einzelne Personen im Klassenalltag vorgestellt: Die Klassenlehrerin, der Hausmeister und natürlich die Schülerinnen und Schüler. Der Film legt dabei keinen großen Wert auf formelle Brillanz, auf effektvolle Einstellungen, perfekt abgemischtes Licht oder Ton. Und doch entwickelt Kick durch seine sensible Vorstellung der Hauptfiguren, ihrer Schicksale, persönlichen Kämpfe und Perspektiven eine atmosphärische Dichte, die nicht nur dramaturgisch funktioniert. Klassenkampf ist nebenbei eben auch authentisch, überzeugend dadurch. Er ist insgesamt geeignet, die Menschen zu erleben, die sich jeden Tag mit dem konkret auseinandersetzen, was für die meisten von uns lediglich als abstrakte Diskussion um die Organisation von Bildung bekannt ist. Dem Alltag einer Hauptschulklasse eben. Die unbedingte Nähe zu den jeweiligen Akteuren führt dabei zu einem im Ganzen eher unparteiischen Blick auf die Hauptschule. Die einfühlsamen Sequenzen, in denen sich zum Beispiel die Jugendlichen selbst vorstellen, stellen ihre jeweiligen Schwächen und Stärken, subjektive Reflektionen der eigenen Situation sowie des Schulalltags dar. Die Jugendliche inszenieren sich dabei vor allem selbst. Kick verzichtet auf Kommentare oder Zwischenfragen.
Die Wahrnehmung der Hauptpersonen wird dadurch wechselnd auf ihre eigentümliche Mischung aus jugendlicher Naivität, lebenserfahrener Abgeklärtheit und der orientierungssuchenden Frage gelenkt: Wo will ich eigentlich hin? So wird behutsam Verständnis erzeugt: für die Schülerin, die ihre Projektarbeit nicht erledigt hat, weil sie mit den Freundinnen Shoppen war; für die entnervte, enttäuschte Klassenlehrerin, die sich aufreibt für ihre Schützlinge und doch keinen Dank erhält; für den Schulschwänzer, der keinen Sinn darin sieht, zur Schule zu gehen, weil er doch ohnehin keinen Job bekommen wird; für den Hausmeister, der dienstbeflissen die neuen Überwachungskameras der Schule lobt, nur um anschließend in den Gesprächen mit den Jugendlichen so viel Empathie und Engagement zu zeigen, als sei er ihr persönlicher Sozialpädagoge. Der Alltag ist für alle mühsam. Die Schülerinnen und Schüler sehen in der Schule keine Chance auf ein besseres Leben. Sie erzählen von ihren Erfahrungen. Von kriegsbedingter Migration, Scheidung oder Krankheit der Eltern, prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen ihrer Familie, von daraus resultierenden Überforderungen. Wie viel Wert haben schon die Englisch-Hausaufgaben angesichts einer Mutter, die Krebs hat und ihre Chemotherapie neben zwei Jobs durchführen muss, so dass ihre Tochter sich nicht nur um sich selbst und ihre Zukunft, sondern daneben auch gleich noch um die Mutter und für ihre kleine Schwester sorgen muss? Das Publikum erfährt von den Stigmatisierungen, die Hauptschülerinnen und -schüler durch andere erfahren (Hauptschule gleich dumm, nutzlos, faul!). Und doch bleibt Klassenkampf dabei nicht verhaftet in einer entschuldigenden, sozialromantischen Attitüde. Die Interviews zeigen zwar den Verlust von Motivation, für die Schule zu arbeiten, den Sinnverlust: Warum mache ich das? „Lernen macht keinen Spaß“, sagt beispielsweise Farim, „Warum soll ich mich jetzt anstrengen, wenn ich’s niemals schaffe, schaffen werde!?“ Illustriert wird nicht selten der Teufelskreis aus Motivationsverlust und Leistungsabfall. Doch der Film verdeutlicht auch, wie unterschiedlich die Jugendlichen mit ihren Situationen umgehen. Während die einen resignieren, entwickeln andere Ehrgeiz, es trotz aller Widrigkeiten irgendwie zu schaffen. Und sie tun dies nicht nur in der Schule. Viele haben daneben Bereiche, in denen sie sich beweisen wollen (und es tun): beim Tanzen, beim Sport, beim Minijob – den viele der Schülerinnen und Schüler schon frühzeitig neben der Schule auf sich nehmen (müssen).Klassenkampf erzählt diese Geschichten so tragisch und witzig, so verzweifelt und hoffnungsvoll, außergewöhnlich und normal wie sie eben sind – nämlich jeweils so, wie sie von den Betroffenen empfunden werden. Und am Ende bleibt es auch bei diesem Einblick in die Subjektiven. Der Film kann keine umfassende Systemkritik leisten – er will es vermutlich auch gar nicht. Was jedoch ersichtlich wird, ist die Realität einer Schulform und der Menschen, die darin leben und arbeiten. Allerdings werden im Verlauf des Films immer mehr die konkreten Symptome systematischer Probleme deutlich – auf menschlicher wie auf organisatorischer Ebene. Klassenkampf zeigt dabei keine Alternativen auf. Vielmehr veranschaulicht der Film die Schwierigkeiten, Menschen, ihren Schwächen und Stärken, individuell zu begegnen. Dies mag kein konstruktiver Beitrag zur Diskussion sein, eine Anregung zur erneuten Auseinandersetzung mit Alternativen ist es allemal.
(merz 2008-4, S. 75-77)
- Marc Oliver Maier: Adjektiv Frau
Marc Oliver Maier: Adjektiv Frau
Am letzten Maiwochenende fand das Filmfestival Adjektiv Frau der Kinothek Asta Nielsen in Frankfurt statt. In dem von Heide Schlüpmann und Karola Gramann in Zusammenarbeit mit Filmwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der Frankfurter Goethe-Universität kuratierten Programm wurden im Mal Seh’n Kino sowie im Historischen Museum Frankfurt während der viertägigen Veranstaltung Filme mit Bezugspunkt zu ‘68 und zur Neuen Frauenbewegung gezeigt. Anliegen des Festivals war es nicht, die Klassiker zu diesem Themenkomplex zu zeigen, sondern sich dem weiten Spektrum alternativer Filmkultur zu öffnen.1968 bildet im Jahr seines vierzigsten Jubiläums den Ausgangspunkt zahlreicher Rückblicke und Kontroversen, die wohl auch getragen sind von dem Bemühen, die Revolte und ihre Zeitzeugen einzuordnen in den Lauf einer Geschichte, die sich endlich abschließend erklären lassen kann. Dagegen lässt sich einiges Gelehrtes einwenden oder Filme ansehen, die beispielsweise eine Zeitzeugenschaft mit den Fragen der Neuen Frauenbewegung auszeichnen. Die Unterschiedlichkeit und auch die Widersprüche der Filme und ihrer Themen im Programm dieser Veranstaltung springen ins Auge: Privates und Politisches, Pop und Polemiken, Ernstes und Unterhaltsames. Das Spektrum erstreckt sich von dem Sehgewohnheiten unterlaufenden US-Kurzfilm Near the Big Chakra von 1972, der Großaufnahmen weiblicher Genitalien zeigt, über mann&frau&animal der österreichischen Avantegardekünstlerin Valie Export von 1973, der einen selbstbewussten Blick auf weibliche Sexualität unternimmt bis hin zu unterhaltsamen Publikumsschlagern, wie Zur Sache Schätzchen von May Spils. Die Filmkomödie von 1967 mit Uschi Glas in der Hauptrolle porträtiert aufs Köstlichste die zwielichtigen Gestalten und gammeligen Nichtstuer des Münchner Stadtteils Schwabing am Vorabend der 68er Unruhen. So gewinnt das Filmfestival und das Symposium dem Thema Frauenbewegung und ‘68 mehrere Facetten ab, die sich ergänzen, in Widerspruch zueinander geraten und alles in allem ein überaus lebendiges Bild dieser Zeit zeichnen.Zum Auftakt wurde Georgy Girl von 1966 gezeigt.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Georgy, gespielt von Lynn Redgrave die mit ihrer ungleichen Freundin Meredith (Charlotte Rampling) eine Wohnung teilt. Georgy, die sich selbst für unansehnlich hält, leidet unter den Liebeseskapaden ihrer Mitbewohnerin Meredith, die die Männer reihenweise um den Finger wickelt. Zu schüchtern zum Flirten widersteht sie dennoch den Annäherungen des älteren Geschäftsmanns James Learnington, in dessen Haus sie als Tochter eines Bediensteten aufgewachsen ist. Als ihre Freundin Meredith sich weigert ihr Neugeborenes aufzuziehen und obendrein den Vater des Kindes, Möchtegern-Macho Jos Jones (Alan Bates) abserviert, beginnt Georgy eine Beziehung mit Jos und kümmert sich wie eine Mutter um das Baby ihrer Freundin. Jos verlässt die unglückliche Georgy kurz darauf, um sich dem ungewollten Familienleben zu entziehen. Für ein Ende ganz nach dem Geschmack der Zeit vor der zweiten Frauenbewegung sorgt dann der Schluss des Films: Georgy heiratet schließlich doch den reichen James Learnington und verabschiedet sich mit ihrem 30 Jahre älteren wohlhabenden Bräutigam samt Adoptivkind von der Leinwand. Der Film erzählt die Geschichte der Emanzipation zweier Freundinnen vor dem Hintergrund einer bürgerlichen Gesellschaft in den Sechzigern.
Den Großteil ihres aufrührerischen Gehalts bezieht die Komödie aus dem Handeln von Meredith, die sich rigoros der bürgerlich-männlichen Ordnung und auch der Zuschreibung einer Opferposition innerhalb dieser Gesellschaft entzieht. So nimmt der Film im Spiel von Charlotte Rampling vorweg, was später signifikant für die Frauenbewegung ab ‘68 sein wird, und zeichnet eher unfreiwillig den Spielraum von Filmproduktionen in Bezug auf das Geschlechterverhältnis zu dieser Zeit nach.Das Festival und das Symposium bei dem auch das Verhältnis der heutigen jungen Frauen und deren Auffassung von Emanzipation in der Diskussion zum Thema Töchter der 68er reflektiert wurde, wurde in mehrfacher Hinsicht in ein Spannungsverhältnis zum regionalen und historischen Kontext gesetzt – zu Frankfurt und zu 1968. So ist zum Beispiel Filmemacherin Helke Sander anwesend, die 1968 als Vertreterin im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) unter dem Gejohle ihrer männlichen Kollegen eine Aufsehen erregende Rede bei der Delegiertenkonferenz hielt. Darauf folgte ihr berühmter Tomatenwurf, der als Auftakt der Frauenbewegung in der BRD gilt. Ihr Film Der subjektive Faktor verbindet Spielszenen mit Dokumentaraufnahmen aus den Jahren 1968 bis 1971. Aus der Perspektive der jungen Studentin Anni, die in einer WG in Frankfurt wohnt, in der die Männer den politischen Ton angeben, wird eine subjektive Entwicklung geschildert, die stellvertretend für viele Frauen der 68er-Bewegung ist. Kommt die Frauenfrage aus der Sicht ihrer männlichen Mitbewohner nur als Nebenwiderspruch im Klassenkampf vor, nimmt Anni mit aller Lust zur Veränderung das Heft selbst in die Hand. Die Selbstorganisation steht dabei an erster Stelle: Kinderläden werden gegründet, regelmäßige Treffen bereiten unabhängige Strukturen vor. Filme, die mit eigenen Produktionsmitteln entstehen, werden gedreht. So markiert der Film auch den Aufbruch feministischer Film- und Kinoarbeit, die den Wahrnehmungsweisen männlicher Blicke eine eigene Subjektivität entgegenstellt.Genau um diese geht es im italienischen Film Adjektiv Frau – L’aggettivo donna von 1971, der der Filmreihe den Titel gab. Gegen die Zurichtung zur „Adjektiv-Frau“, als Anhängsel des Mannes richtet sich der Kollektivfilm, der alle wesentlichen Frauenfragen der Zeit gleich einem Manifest mit der Montage dokumentarischen Materials behandelt. Es sind vornehmlich Arbeiterinnen, die hierbei zu Wort kommen und teilweise auch Erfahrungen im Kampf gegen Ausbeutung an der Seite ihrer männlichen Kollegen haben. Die Forderung ist deshalb auch keine nach Gleichstellung mit ihren männlichen Kollegen, schließlich seien diese ebenso unfrei: „Wir wollen die Gesellschaft revolutionieren, nicht in ihr eine bessere Stellung erreichen.“. Und die Etablierung eines „Wir“, als eine gemeinsame Sprechsituation von Frauen, ist dabei der Schlüssel zur Veränderung der Produktionsbedingungen. Ein Film lief über die gesamte Dauer des Filmfestivals im Foyer des Kinos: Sei schön und halt den Mund aus dem Jahre 1976 von Delphine Seyrig, die Interviews mit 22 Kolleginnen wie Shirley McLaine, Jane Fonda, Juliet Berto und Barbara Steel über ihre Erfahrungen im Filmbusiness zeigt. Dieser Beitrag stellte auch die thematische Klammer des Festivals dar, ging es doch um die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen von Frauen in der Selbstbehauptung. So versteht auch Kuratorin Heide Schlüpmann ihr Filmprogramm: „Das was an Befreiungswünschen und Sehnsüchten in den Filmen vorkommt, kann man heute dort wieder wahrnehmen und ich glaube, es weckt vielleicht auch schlafende Träume und Sehnsüchte in den Zuschauerinnen heute, auch in den jungen Zuschauerinnen.“ So können die beiden Kuratorinnen Gramann und Schlüpmann auf ein gelungenes Filmfestival zurückblicken, das verdientermaßen seine Zuschauerinnen und Zuschauer allen Altersgruppen gefunden hat. Die Anstöße und Impulse der damaligen Frauenbewegung entfalten in den gezeigten Filmen ihre ganz aktuelle Wirkung, die Geschichte der 68er stellt sich nicht abgeschlossen dar, sie bietet weiterhin Reizpunkte, die sicher auch künftig ihr interessiertes Publikum finden wird.
(merz 2008-4, S. 77-79)
publikationen
- Autorengruppe Bildungsberichterstattung: Bildung in Deutschland 2008. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Übergängen im Anschluss an den Sekundarbereich I
Autorengruppe Bildungsberichterstattung: Bildung in Deutschland 2008. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Übergängen im Anschluss an den Sekundarbereich I
Chancengleichheit im Bildungssystem? Fehlanzeige. Nachwuchslehrkräfte im Primar- und Sekundarbereich werden benötigt, der Übergang von der Schule in die Berufsausbildung muss verbessert werden – die Autorinnen und Autoren des Bildungsberichts 2008 zeigen Problemlagen im deutschen Bildungssystem auf. Der zweijährlich erscheinende Report bildet das deutsche Bildungswesen von frühkindlicher Bildung bis zu verschiedenen Formen der Weiterbildung ab und leuchtet Prozesse der non-formalen Bildung sowie des informellen Lernens aus.
Die Interpretation der Autorengruppe stützt sich sowohl auf amtliche Statistiken und zentrale Ländervergleiche als auch auf internationale Schulleistungsuntersuchungen, wie die PISA oder IGLU-Studie. Ziel ist es, kontinuierliche Informationen über Rahmenbedingung, Leistungen und Erträge des Bildungswesens darzubieten. Dementsprechend knüpft der Bildungsbericht 2008 an dem Bericht von 2006 an, stützt sich auf die gleichen Indikatorenbezeichnungen und führt eine Reihe von Darstellungen und Informationen weiter.
Im Fokus steht das Thema Übergänge: Schule – Berufsausbildung – Hochschule – Arbeitsmarkt. Hier stellen zentrale Herausforderungen der nächsten Jahre unter anderem das Steigern der Studierendenzahlen und der Studienabschlüsse dar. Deutschlands Studierende sind im internationalen Vergleich nach wie vor zu alt, zu wenig und die Studienabbruchsquote ist zu hoch. Der Bildungsbericht wendet sich an Zielgruppen in Bildungspolitik, -verwaltung und -praxis, in Wissenschaft und in Ausbildung. Aufgrund der demografischen Entwicklung rückt das Thema Bildung immer mehr ins Zentrum des öffentlichen Interesses, Deutschlands Köpfe gelten heute als wichtigste Ressource und Informations- sowie Wissensberufe sind gefragt. Deshalb ist die Aufklärung über sensible Stellen im Bildungswesen sowie das Aufzeigen von Herausforderungen, wie es der Bildungsbericht versucht, durchaus auch für die breite Öffentlichkeit von Bedeutung.
- Eder, Sabine/Orywal, Chirsitiane/Roboom, Susanne: Pixel, Zoom und Mikrofon – Medienbildung in der Kita. Ein medienpraktisches Handbuch für Erzieher/-innen
Eder, Sabine/Orywal, Chirsitiane/Roboom, Susanne: Pixel, Zoom und Mikrofon – Medienbildung in der Kita. Ein medienpraktisches Handbuch für Erzieher/-innen
Zum Frühstück gibt’s Müsli mit Radio, im Schulbus ein bisschen Musik vom mp3-Player auf die Ohren, als Soundtrack zu den Hausaufgaben läuft der Fernseher und zur Auslastung zwischendurch geht es eine Runde surfen – online, versteht sich. Kinder sind schon in sehr jungem Alter ständig von Medien umgeben. Medienkompetent macht sie der viele Umgang aber nicht automatisch, deshalb sind Einrichtungen wie KiTas gefragt, Medienkompetenz aktiv zu fördern. Aber wie? Praktische Tipps, Anregungen und nützliches Hintergrundwissen liefert das Handbuch Pixel, Zoom und Mikrofon – Medienbildung in der Kita von der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) in Zusammenarbeit mit dem Verein Blickwechsel e. V. In vier thematischen Blöcken – Hören & Radio, Sehen & Optik, Fernsehen & Filme und Computer & Internet – widmet sich der praktische Ratgeber den Medien.
Neben interessanten und nützlichen Infos zum Sehen und Hören von Kindern werden auch verschiedene Medien und ihre Funktionsweisen dargestellt. Zudem liefert das Handbuch ausführliche Literatur- und Linkslisten für Kinder und Erwachsene und – besonders wichtig für die Praxis: zahlreiche Projektideen. Vom Gesprächsvorschlag über die Spiel- und Bastelanleitung bis hin zum fertig ausgearbeiteten großen Medienprojekt ist alles dabei, schlüssig erklärt und umfassend bebildert. Hier macht sich die Praxiserfahrung der Autorinnen und Autoren positiv bemerkbar. Ob man ein Daumenkino basteln oder gleich einen eigenen Film drehen, die Kinder für ihre akustische Wahrnehmung sensibilisieren oder mit der Biene Maja die Umwelt entdecken will: Das Buch bietet Projektvorschläge zu zahlreichen denkbaren Themen und mit ganz unterschiedlichem Niveau und Umfang. Damit verbinden sich nützliche Tipps für Fachkräfte aus Kindergarten, Schule und viele andere Erzieherinnen und Erzieher, wie Kinder mit viel Spaß zu kleinen Medienexperten werden können. - Germann, Heide/Bergmann, Katja/Brandt, Susanne/Gröning, Karen/ Gröning, Willy: Töne für Kinder und Jugendliche 2007/2008
Germann, Heide/Bergmann, Katja/Brandt, Susanne/Gröning, Karen/ Gröning, Willy: Töne für Kinder und Jugendliche 2007/2008
„Töne für Kinder und Jugendliche“ ist ein zweijährlich erscheinender Überblick über die Neuerscheinungen im Bereich der Hörproduktionen für Kinder und Jugendliche. Die nun erschienene Ausgabe beinhaltet mit knapp 1.000 Titeln eine weitgehende Zusammenschau der Produktionen aus den Jahren 2007 und 2008. Eingegangen wird auf sinnvolle und kreative Produktionen, Hörspiele, Musik, Lernspiele und vieles mehr, die Kindern den Umgang mit Hörmedien erleichtern und sie für aufmerksames, anregendes Hören empfänglich machen.
Töne für Kinder ist dabei nicht nur als Katalog, sondern zugleich auch als Empfehlungsliste gedacht. Erzieherinnen und Erzieher in Kindergärten, Lehrerkräfte in den Schulen, Büchereien und Buchhandlungen sollen dadurch einen Überblick ermöglicht bekommen. Und der ist nicht zuletzt auch für alle Eltern ein Gewinn. Zu den einzelnen Produktionen gibt der redaktionell zusammengestellte Überblick Informationen, die eine Bewertung der jeweiligen Medien erleichtern sowie ihre Inhalte und Vorzüge deutlich machen.
Ein umfangreiches Nachschlagewerk also für Lehrerinnen und Lehrer, Bibliotheken und pädagogische Fachkräfte. - Meister, Dorothee M./Sander, Uwe/Treumann, Klaus Peter/Burkatzki, Eckhard/Hagedorn, Jörg/Strotmann, Mareike/Wegener, Claudia: Mediale Gewalt. Ihre Rezeption, Wahrnehmung und Bewertung durch Jugendliche
Meister, Dorothee M./Sander, Uwe/Treumann, Klaus Peter/Burkatzki, Eckhard/Hagedorn, Jörg/Strotmann, Mareike/Wegener, Claudia: Mediale Gewalt. Ihre Rezeption, Wahrnehmung und Bewertung durch Jugendliche
2007 wurde die Studie Medienhandeln Jugendlicher. Mediennutzung und Medienkompetenz veröffentlicht (vgl. merz 1/2008, S. 87). In der Anschlussstudie desselben Autorenteams, ebenfalls von der DFG gefördert und mit der Methode der Triangulation durchgeführt, steht die Analyse der Rezeption von gewalthaltigen Medieninhalten aus der Sicht Jugendlicher und der Stellenwert dieser violenten Inhalte in ihrem Leben im Vordergrund. Die theoretische Rahmung gelang durch das Bielefelder Medienkompetenzmodell gekoppelt mit dem Uses-and-Gratifications-Approach, dem Habituskonzept und dem daraus resultierenden Kapitalsortenansatz von Bourdieu, dem aus Bielefeld stammenden sozialökologischen Ansatz und der Wissenskluft-Hypothese. In die quantitative Erhebung waren knapp 3.200 Jugendliche aus drei Bundesländern im Alter von 12 bis 20 Jahren, deren Muttersprache Deutsch ist, einbezogen. (Diese Daten sowie die Typologie der Befragten stammen aus der Hauptstudie).
Die qualitativen Daten wurden mit Hilfe leitfadengestützter Interviews mit prototypischen Jugendlichen und anschließenden Gruppendiskussionen erhoben. Darin ging es zum Beispiel um Bilder des 11. Septembers und die unterschiedlichen Berichterstattungen, in denen die Opfer, Überlebende oder auch Politiker im Zentrum standen, sowie um Fernsehformate wie Akte X oder der Kinofilm Der WiXXer. Interessant bei dieser Publikation ist, dass die Ergebnisse, nicht wie aus der Hauptstudie gewohnt chronologisch, sondern oppositionell von hinten nach vorne präsentiert werden. So werden zunächst die Ergebnisse der Gruppendiskussionen erläutert, dann die Ergebnisse der Einzelinterviews und letztlich wird die quantitative Erhebung veranschaulicht. Der Grund wird nicht nur im Vorwort erwähnt, sondern wird der Leserschaft recht schnell deutlich: Aus den Gruppendiskussionen erhielten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler allgemeine Bewertungen und Beurteilungen Heranwachsender zu realer Gewalt und konnten Muster der Legitimierung aufspüren. Die Ergebnisse der Einzelinterviews machen deutlich, worin die unterschiedlichen subjektiven Rezeptionswahrnehmungen und Präferenzen zu bestimmten Genres prototypischer Jugendlicher liegen. In der Darstellung der quantitativen Ergebnisse schließlich, werden diese verknüpft mit den Einflüssen von Medienkompetenz. Damit werden Risikogruppen nach psychischen Merkmalskonstellationen (zum Beispiel vermindertes Selbstwertgefühl gekoppelt mit geringer Kontrollüberzeugung) identifiziert.
Einige zentrale Ergebnisse: Es wurden alterspezifische und dementsprechend kognitive Zusammenhänge zwischen Begründungs- und Bewertungsstrategien von Gewaltdarstellungen eruiert. Speziell jüngere Jugendliche neigen, im Vergleich zu der differenzierten Wahrnehmung von älteren Heranwachsenden, zu einer Personifizierung des Aggressors, einem Gut-Böse-, Opfer-Täter-Schema, also zu einer bipolaren Ansicht, sowie zu einer Legitimation von Gewaltdarstellungen bei Selbstverschuldung und Fahrlässigkeit.Speziell zu der Diskussion über Effekte wie der Gewöhnung an Gewalt oder Abstumpfung durch Gewaltdarstellungen wurde ein Einfluss von Produktionswissen und Genrewissen ermittelt. Jugendliche unterscheiden reale Gewalt und ihre Dokumentation von unrealistischen, alltäglichen, scheinbar kalkulierbaren, fiktionalen Gewaltdarstellungen in Horrorfilmen oder Psychothrillern, was allerdings immer schwieriger zu differenzieren scheint. Begründet wird dies mit zunehmend realistischeren Darstellungen und der dramaturgischen Aufbereitung von Gewalt in Medien. Trotz alledem macht das Forschungsteam deutlich, dass man nicht von einer Abstumpfung oder Desensibilisierung durch mediale Gewalt sprechen kann, da sich Jugendliche dieser Problematik bewusst sind und sie nicht nur durch diese Differenzierung Kompetenz zeigen, sondern viele besitzen zudem ein vielschichtiges Genre- und Produktionswissen. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Anschlussstudie eine komprimierte und deutlich strukturierte nachvollziehbare Arbeit zum Hauptwerk ist und auch ohne explizite Kenntnisse der Hauptstudie rezipiert werden kann.
- Quandt, Thorsten/Wimmer, Jeffrey/Wolling, Jens: Die Computerspieler. Studien zur Nutzung von Computergames
Quandt, Thorsten/Wimmer, Jeffrey/Wolling, Jens: Die Computerspieler. Studien zur Nutzung von Computergames
Computerspiele faszinieren jung und alt, und die Zeiten in denen sie nur das männliche Publikum für sich gewinnen konnten, sind längst vorbei. Computerspiele gehören genau wie das Fernsehen und das Internet zum Medienalltag vieler Menschen. Doch worin liegt die Faszination, die sie auf so viele verschiedene Individuen ausüben? Dieser Frage geht die Publikation von Thorsten Quandt, Jeffrey Wimmer und Jens Wolling nach. Dabei wird sich im ersten Abschnitt des Sammelbandes zunächst theoretisch dem Thema Computerspiele genähert und es werden zum Beispiel die Forschungsanstrengungen bezüglich der Nutzung von Computerspielen aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen vorgestellt.
Im zweiten Abschnitt werden Spielergruppen, angefangen von den sogenannten LAN- über die Clan-Spieler bis hin zu den Computerspielerinnen und -spielern der Generation 35 Plus, identifiziert und anhand explorativer Forschungsdesigns analysiert. Außerdem wird an dieser Stelle die repräsentative Befragungsstudie Online-Spieler in Deutschland 2007 von Thorsten Quandt und Jeffrey Wimmer vorgestellt, deren Befunde zeigen, dass Online-Spieler im Durchschnitt 20 Stunden pro Woche in virtuellen Spielwelten verbringen und das Online-Gaming demzufolge bereits viele andere Formen der Mediennutzung übertroffen hat. Im dritten Teil des Sammelbandes werden unter der Fragestellung Andere Spiele, andere Spieler?
Studien zu den Präferenzen für bestimmte Computerspielgenres und zu spezifischen Spielweisen vorgestellt, darunter eine Untersuchung zu den stark umstrittenen Computerspielgenre der First-Person-Shooter, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie und aus welchen Gründen diese sogenannten ‚Killerspiele’ genutzt werden.Beitrag aus Heft »2008/04: STAAT – MACHT – MEDIEN«
Autor: Thorsten Quandt, Jeffrey Wimmer
Beitrag als PDF - Schill, Wolfgang: Integrative Medienerziehung in der Grundschule. Konzeption am Beispiel medienpädagogischen Handelns mit auditiven Medien
Schill, Wolfgang: Integrative Medienerziehung in der Grundschule. Konzeption am Beispiel medienpädagogischen Handelns mit auditiven Medien
In der bildungspolitischen und pädagogischen Diskussion ist unbestritten, dass der Schule wichtige Aufgaben bei der Entwicklung von Medienkompetenz zukommen. Dazu gibt es mittlerweile verschiedene Konzepte und Unterrichts- sowie Projektbeispiele. Die Konzepte sind in der Regel allerdings auf die Schule insgesamt bezogen oder vor allem an der Sekundarstufe orientiert. Zugleich wird die Verbindung medienpädagogischer Aufgaben mit fach- oder lernbereichsbezogenen Zielen, Inhalten und Methoden häufig nur in unzureichender Weise geleistet. Vor diesem Hintergrund ist es das Anliegen von Wolfgang Schill, auf der Basis ausgewählter Ansätze ein Konzept für die Medienerziehung in der Grundschule zu entwickeln, das zum einen den Besonderheiten dieser Schulstufe Rechnung trägt und zum anderen den Zusammenhang medienpädagogischer Aufgaben mit Fächern und Lernbereichen der Grundschule herausstellt. Darüber hinaus geht es ihm darum, am Beispiel der auditiven Medien aufzuzeigen, wie ein solches Konzept umgesetzt werden kann. Als Grundlagen für ein gleichermaßen theoretisch kohärentes wie praktisch relevantes Konzept dienen dem Autor sowohl theoretische Ansätze zur Frage der Medienkompetenz als auch empirische Ergebnisse zur Mediensozialisation. Des Weiteren bezieht er sich auf schulorientierte Ansätze zu einer integrativen Medienerziehung, die es erforderlich macht, „dass medienpädagogische Aufgaben nicht nur in den allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aller Schulformen integriert werden, sondern dass auch die Schulfächer und Lernbereiche medienpädagogische Aktivitäten miteinander abstimmen“ (S. 13).
Den damit verbundenen theorie- und praxisbezogenen Herausforderungen stellt sich Wolfgang Schill in sechs Teilen seines Buches. Im ersten Teil geht es um die Ausgangs- und Problemlage, Ziele und Leitfragen sowie um das methodische Vorgehen und den Aufbau der Arbeit. Der zweite Teil ist begrifflichen und theoretischen Grundlagen der Medienpädagogik gewidmet, insbesondere einem kommunikationsbezogenen Medienbegriff und verschiedenen medienerzieherischen Ansätzen. Die Überlegungen münden in die Beschreibung von vier Handlungsbereichen integrativer Medienerziehung in der Grundschule ein: Nutzung von Kindermedien, Verknüpfung medienerzieherischer Aufgaben, fächerverbindendes Arbeiten, Zusammenarbeit zwischen Grundschulen und außerschulischen Partnern/Einrichtungen. Im dritten Teil setzt sich der Autor unter Einbezug von Daten zur Mediennutzung von Kindern mit der Frage auseinander, welche Bedeutung die Medienerfahrungen für die Entwicklung von Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz haben. Dabei versteht er Medienkompetenz als Teil dieser drei Kompetenzbereiche und zugleich als eigenständige Förderungsaufgabe. Im vierten Teil wird zunächst die Situation der Medienerziehung in der Grundschule charakterisiert, ehe exemplarische Lehrplananalysen ausgewertet und mit den medienerzieherischen Ansätzen zusammengeführt werden.
So können drei große Aufgabenbereiche für die Medienerziehung in der Grundschule bestimmt werden: Medienerfahrungen/-einflüsse bearbeiten, Medien untersuchen/bewerten, Medien gestalten und veröffentlichen. Der fünfte Teil der Publikation bezieht sich auf die Umsetzung des so entwickelten Konzepts in den ersten vier Schuljahren am Beispiel der auditiven Medien. Sechs Bausteine für medienpädagogisches Handeln werden mit Bezug auf medientheoretische und mediensozialisatorische Grundlagen – in Anlehnung an das Konzept der erfahrungsbezogenen Didaktik – mit den Schritten Aneignung, Verarbeitung und Veröffentlichung in differenzierter Weise beschrieben. Im sechsten Teil erfolgen eine Zusammenfassung und ein Ausblick auf Bedingungen der Umsetzung des entwickelten Konzepts und auf zukünftige Entwicklungen.Mit der Arbeit gelingt es Wolfgang Schill in überzeugender Weise, seinem Anspruch gerecht zu werden, ein kohärentes Konzept integrativer Medienerziehung für die Grundschule mit konzeptkonformen und praktikablen Beispielen zu entwickeln. Dabei sind die große Sorgfalt und Gründlichkeit bei der Aufarbeitung theoretischer und empirischer Grundlagen sowie die sehr gut nachvollziehbaren Schlussfolgerungen und Umsetzungen besonders positiv hervorzuheben. Wenn auch eine Spezifizierung für die Grundschule erfolgt, enthält die Arbeit doch zu-gleich vielfältige Anregungen für medienpädagogisches Handeln in der Schule insgesamt. Bei Erprobungen und Übertragungen wäre meines Erachtens allerdings darauf zu achten, dass bei aller Konzentration auf die oben genannten drei Aufgabenfelder die Bedeutung für die eigene (alltägliche) Mediennutzung und das Feld der Bedingungen von Medienproduktion und Medienverbreitung – auch im Sinne des Autors – hinreichend berücksichtigt werden.
Zugleich sollte bei der Orientierung an der erfahrungsorientierten Didaktik sichergestellt werden, dass der Sinnzusammenhang der jeweils einzelnen Unterrichtsschritte nicht nur der Lehrperson bewusst ist, sondern sich auch für die Schülerinnen und Schüler – über die Planungsbeteiligung an einzelnen Schritten hinaus – in angemessener Weise erschließt. Insgesamt ist es ein großes Verdienst von Wolfgang Schill, dass es ihm bei einer beeindruckenden Breite verarbeiteter Grundlagen immer wieder gelingt, verschiedene Ansätze in integrativer Weise zu verknüpfen und in überschaubarer Weise zusammenzufassen sowie praktische Umsetzungen aufzuzeigen, wobei ihm vielfältige Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Schulen und Medieneinrichtungen zugute kommen. Demgemäß ist das Buch allen zu empfehlen, die sich im Studium oder im Referendariat für das Grundschullehramt befinden oder bereits als Lehrpersonen tätig sind. Zugleich enthält es eine Fülle von Anregungen für alle, die an konzeptionellen und praktischen Fragen der Medienpädagogik interessiert sind und/oder im schulischen oder außerschulischen Bereich medienpädagogisch arbeiten. Es ist zu wünschen, dass das Buch eine breite Rezeption und Umsetzung erfährt und so einen wichtigen Beitrag zur Verankerung der Medienpädagogik in der Grundschule und zur Weiterentwicklung von Medien- und Kommunikationskultur leisten kann.
kolumne
- Hans Hoff: Voll supi-geil – das Bildungsfernsehen
Hans Hoff: Voll supi-geil – das Bildungsfernsehen
Es soll ja Kinder geben, die sich bei einem Bauernhofbesuch von der Tatsache enttäuschen lassen, dass Kühe gar nicht so lila sind wie sie auf der Schokoladenverpackung immer scheinen. Wer in Großstadtschluchten aufwächst, glaubt halt leicht mal, dass die Milch im Karton wächst. Da passt es hervorragend, dass gerade so etwas wie die große Rückkehr des Bildungsfernsehens vonstatten geht. Man muss nur in der Lage sein, das neue Klugmach-TV zu identifizieren.Bildungsfernsehen orientiert sich dieser Tage konsequent an der angestrebten Zielgruppe, also an jenen, die es zu qualifizieren gilt. Goethe, Kant und Nietzsche waren gestern und evozieren heutzutage höchstens noch die Frage, bei welchem Verein die denn bitteschön spielen. Bildungsfernsehen dieser Tage setzt dort an, wo die Menschen leben. Wer zu blöd ist, seine Wohnung so einzurichten, dass sie der als Nachfolgerin der Schrankwandverordnung von 1948 anzusehenden IKEA-Einrichtungsnorm entspricht, bekommt schnellen Beistand, wenn er bei Deutschlands größter Hilfsorganisation vorstellig wird, beim deutschen Fernsehen. Dort wird derzeit beraten, geholfen und gebildet, was das Zeug hält.
Wenn etwa junge Menschen nach den Sommerferien ihrer staunenden Lehrkraft berichten, dass eine Kuh rückwärtig mindestens genauso viel Mist eruptiert wie eine durchschnittliche VIVA-Moderatorin mit Wortdurchfall, dann ist diese Erkenntnis dem Bildungsunternehmen ProSieben zu verdanken, das mit der Reihe Gülcan und Collien ziehen aufs Land mindestens so viel für das Zusammenwachsen von urbaner und bäuerlicher Bevölkerung geleistet hat wie die werblich anerkannte Volkshochschulabteilung RTL, die sich mit der Reihe Bauer sucht Frau gegen die Versingelung gestandener Jungagronomen stemmt. Dank sei in diesem Zusammenhang auch SAT.1, dem Sender, der sich nach Kräften bemüht, vereinsamten Grafen frisches Blut zuzuführen. Auch wenn es böse Zungen gibt, die behaupten, das Fernsehen mache Quote, indem es Menschen in prekären Situationen erlaube, anderen Menschen in prekären Situation beim Doofsein zuzuschauen, geht es letztlich doch nur um eins: um die Praktizierung direkter Nächstenliebe. Hat nicht einst die große Philosophin Vera Int-Veen einen höchst klugen Satz auf die RTL-Zuschauer losgelassen? „Das ist das größte Abenteuer unserer Zeit: Menschen in Not eine neue Hoffnung zu geben.“ Wer da behauptet, Mitmenschlichkeit werde hier als Abenteuerspielplatz einer medial betäubten Gesellschaft missbraucht, verkennt die Chancen.
Seit es Schuldnerberater, Wohnungseinrichter und mediengeile Schönheitsoperateure gibt, die an abgetakelten Hollywood-Diven per Niveauabsaugung ihre persönliche Prominenz auftakeln, wissen manche Menschen erst, dass es durchaus sinnvoll sein kann, nicht jeden Tag Hamburger zu essen, dass es sinnvoll ist, regelmäßig die Post zu öffnen, auch wenn sie Rechnungen enthält. Als Allgemeingut darf aufgrund der massiven Hilfe der Sendeanstalten sicherlich schon bald die Erkenntnis angenommen werden, dass es sich schöner lebt, wenn man einmal in der Woche aufräumt und nicht mehr Geld ausgibt als man einnimmt. Wer also braucht noch Kant und Nietzsche, wenn doch die Ergebnisse purer Alltagsphilosophie weitaus lebensnäher klingen? Oder, um es mal in den Verbalstil der VIVA-Moderatorin Gülcan zu übertragen: „Bildung ist voll supi-geil.“
Ansprechperson
Kati StruckmeyerVerantwortliche Redakteurin
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