Jürgen Fritz
Beiträge in merz
- Jürgen Fritz: Action, Lebenswelten und Transfer
Jürgen Fritz: Action, Lebenswelten und Transfer
Im Jahre 1967 beschrieb Erving Goffman in seinem Buch „Interaction Ritual“ ein Phänomen, das man in der deutschen Sprache mit „waghalsigem Verhalten“, „riskantem Tun“ oder „Mut zeigen“ bezeichnet. Er wählte dafür den Begriff „action“. In dieser speziellen Bedeutung ist der Begriff in die deutsche Sprache übernommen worden und meint nun einen „ereignis- oder handlungsreichen Vorgang“ bzw. einen „spannenden, dramatischen Handlungsablauf“. Was sind die charakteristischen Eigenschaften von „Action“, unter welchen Bedingungen kommt es zu „Action“?:- Untrennbar mit „Action“ verbunden ist das Risiko. Die Beteiligten gehen ein Wagnis ein, sie riskieren etwas: Geld, Ansehen, Gesundheit, ihr Leben. Beispiel: In einer Gruppe von Jugendlichen geht es darum, wer das Wagnis eingeht, zum ersten Mal vom 10-Meter-Brett ins Wasser zu springen.
Die Jugendlichen riskieren möglicherweise ihre Gesundheit, sie müssen ihre Angst vor dem Risiko überwinden. Gehen sie das Wagnis nicht ein, riskieren sie vielleicht einen Verlust an Ansehen in der Gruppe. Sie gelten dann als „Angsthasen“ und nicht als „mutig“.- Der Ausgang einer „Action“ ist ungewiss: Jemand aus der Gruppe hat versichert, dass er vom Turm ins Wasser springen wird. Ungewiss ist, ob er es tatsächlich tut, ob er den Mut dazu hat, das Wagnis einzugehen. Ungewiss ist auch, wie er den Sprung ausführt und ob er dabei zu Schaden kommt oder nicht.- „Action“ ist spannend: Man hält den Atem an, die Zeit scheint für einen Moment still zu stehen, alles ist zum Zerreißen gespannt. Bei aller Risikobereitschaft be-steht bei den Akteuren einer „Action“ die Zuversicht, dass ihr Handeln gut enden wird.- Zur „Action“ gehört die Anspannung: Sie fordert von allen Beteiligten, den Akteu-ren wie den Zuschauern, eine intensive Form der Aufmerksamkeit und der emoti-onalen Identifizierung, die sich bis zur Erregung steigern kann.
Die Intensität der „Action“ ist sowohl von der Höhe des „Einsatzes“ abhängig als auch von der Art, wie sich die Spannung aufbaut, sich steigert und sich bis zum Höhepunkt der „Action“ entwickelt.- Die Freiwilligkeit ist ein weiteres Merkmal von „Action“: Jemand geht bewusst folgenreiche Risiken ein, die er hätte vermeiden können. Die Zuschauer einer „Action“ nehmen an dem spannenden Ereignis aus eigenem Entschluss teil und sind nicht, wie bei einem Verkehrsunfall, unfreiwillig in ein bedrohliches Geschehen einbezogen.„Action“ geschieht in der realen Welt und hat reale Auswirkungen auf das Vermögen, die Gesundheit, das Ansehen und vielleicht auch das Leben der Akteure. Gleichwohl erscheint „Action“ losgelöst von der alltäglichen Lebenswelt, ihren Routinen und wegorganisierten Risiken.(den vollständigen Artikel finden Sie in merz 2003/01 S. 7-21)
- Fritz, Jürgen. Das Spiel verstehen. Eine Einführung in Theorie und Bedeutung
Fritz, Jürgen. Das Spiel verstehen. Eine Einführung in Theorie und Bedeutung
Das Spiel(en) zu beschreiben und zu erklären ist durch die Vielfalt und Komplexität des Gegenstands ein anspruchsvolles Unterfangen. Selbst ohne den Versuch, alle Spielarten der alltagssprachlichen Verwendung von „Spielen“ zu berücksichtigen, entzieht sich bereits der Begriff einer scharfen Definition. Wie da das Spiel in einer Art Lehrbuch verständlich machen?
Jürgen Fritz löst das Problem auf eigene Weise: Das Buch ist keine wissenschaftliche Abhandlung, in der zunächst bisherige Theorien und Befunde systematisch dargestellt werden, um schließlich eine eigene Position vorzustellen. Wer ein solches Werk sucht, muss sich anderweitig umschauen. Vielmehr dimensioniert Fritz das Phänomen Spiel raum-zeitlich aus spielerischem Verhalten, Spielkonstrukt, Spielwelt und Spielprozess. Angereichert mit Beispielen und Metaphern nimmt er an geeigneter Stelle Bezug auf Spieltheorien, oft durch Verwendung längerer Zitate. Der zweite Schwerpunkt des Buches liegt in der Verortung des Spiels in der Lebenswelt und der Frage, welches Verhältnis zwischen realer und mentaler Welt besteht, und was dies für die Bezüge zwischen Spielwelten, Traumwelten, medialen und virtuellen Welten bedeutet.
Das Buch vermag in eingängiger Sprache das Verständnis des Phänomens Spiel zu erweitern und bringt zum Teil bereits Veröffentlichtes in einen gemeinsamen Kontext. Es bietet damit Grundlagen für die Auseinandersetzung mit dem Spiel in Hinblick auf pädagogische Fragestellungen, ohne jedoch systematisch auf diese Bezug zu nehmen. Wer darauf hofft, wird auf spätere Publikationen verwiesen.