Nachbericht: digital. souverän. medienkompetent?
Zur 18. Interdisziplinären Tagung
Das souveräne Subjekt. Die Idee vom Mensch als rational denkendes und handelndes Individuum als Idealbild und Ziel der Medienpädagogik. Gibt es das überhaupt (noch)? Kann es das in einer Welt, die von digitalem Plattform-Kommerzialismus angetrieben und geformt wird, überhaupt noch geben? Löst sich die Identität im Digitalen auf oder gibt es da vielleicht neue Konzepte? Wie realistisch ist Mündigkeit in einer Welt voller automatisch gesteuerter Algorithmen?
Die 18. Interdisziplinäre Tagung des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis ging Ende November 2022 der Frage nach, ob – und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen – Menschen souverän und selbstbestimmt mit digitalen Medien handeln können. Insbesondere befassten sich die Expert*innen und Teilnehmenden der Online-Tagung damit, ob im Angesicht von fortschreitender Digitalisierung, Datafizierung und Mediatisierung der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen eine Neuverortung der Medienpädagogik und ihres Leitbilds vonnöten sei.
In Kooperation zwischen JFF und Bayerischer Landeszentrale für neue Medien (BLM) findet mit der Interdisziplinären Tagung seit 2004 ein disziplinenübergreifendes Forum statt, das die Bedingungen des Heranwachsens junger Menschen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven beleuchtet. Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales fördert dieses Format seit vielen Jahren. Staatsministerin Ulrike Scharf zu Beginn der Tagung: „Alle Kinder, Jugendlichen und Familien müssen wissen, wie sie souverän und verantwortungsvoll, aber auch kreativ und freudvoll mit Medien umgehen und sie selbst nutzen bzw. gestalten können. Ich bin dankbar, dass JFF und BLM in diesem Jahr die Frage diskutieren, inwieweit diese Medienaneignung und Mediennutzung autonom und selbstbestimmt erfolgen kann.“
Dr. Thorsten Schmiege, Präsident der BLM, schloss sich dem Grußwort der Ministerin an und formulierte Einzelaspekte, mit denen sich die Tagung befassen wolle. Man müsse sich eingestehen– so Schmiege –, dass das Internet kompromisslos sei. Das zeige sich u.a. daran, dass Inhalte offenbar für die Ewigkeit dort auffindbar sind und nicht einfach gelöscht werden könnten. Zudem werde es für Kinder und Jugendliche zunehmend schwerer, Fake News zu erkennen. Schließlich verhinderten undurchsichtige Geschäftsmodelle von Tech-Konzernen Klarheit darüber, in welchem Maße die Nutzende Manipulationen und eine Disziplin Prozessen ausgesetzt seien, auf die sie keinen Einfluss hätten. Dem könne nur durch Befähigung und Beteiligung entgegengewirkt werden; Befähigung durch medienpädagogisch gerahmte Projekte, Besitzstrukturen, Machtverhältnisse und Wirkungsweisen digitaler Medien zu erkennen und zu reflektieren. Beteiligung müsse im Sinne der Emanzipation der Nutzenden ermöglicht werden, um deren Inhalte und Positionen in den Medien zu spiegeln, und damit den gesellschaftlichen Diskurs anzureichen.
Mehr Klarheit über den Begriff des souveränen Subjekts in der Medienpädagogik – das erhoffte sich Prof. Dr. Thomas Knieper, Vorsitzender des Vereins JFF – Jugend Film Fernsehen, von den Diskussionen an diesem Tag. Dies sei, so Knieper in seinem Grußwort, sowohl aus fachspezifischer Sicht erforderlich als auch aufgrund der meist höchst intrasparenten Machstrukturen der Plattformen und Medienanbieter dringend geraten. Die Medienpädagogik gehe weiter vom Grundsatz aus, dass Nutzer*innen von Medien autonom und selbstbestimmt Entscheidungen treffen könnten. Voraussetzung sei jedoch ein Verständnis für die digitale Aufmerksamkeitsgenerierung der Anbieter. Die dahinterliegenden Funktionslogiken seien zwar oft undurchsichtig – müssten aber untersucht werden, um Handlungsstrategien antizipieren und stabilen Handlungskorridore für Nutzende schaffen zu können, die Autonomität ermöglichen. Schließlich bleibe Medienpädagogik lebensweltorientiert. Sie dürfe keinesfalls vor der Macht der Medienkonzerne kapitulieren.
„Ich like, kommentiere und interagiere auf irgendeine Art und Weise und dadurch verbessert sich der der Algorithmus. Also das Profil, was Instagram von mir hat, was glaubt, was mir gefällt, was mir nicht gefällt. Und baut sich dann irgendwie Wissen über dich auf und schlägt dir immer passendere Sachen vor.“ Das Zitat stammt aus einer Befragung Jugendlicher zu ihrem Umgang mit algorithmischen Empfehlungssystemen in Social-Media-Angeboten. Die Befragung zeige, so Dr. Niels Brüggen und Achim Lauber vom JFF, dass das Handeln in Angeboten wie TikTok, Instagram und YouTube in einer wechselseitigen Verwobenheit von Mensch und Medienangebot stattfinde. Auch wenn Jugendliche durchaus selbstbestimmt in diesen Angeboten handeln, bleibe immer auch eine Abhängigkeit vom Algorithmus bestehen. Charakteristisch erscheint gar eine Gleichzeitigkeit von Einschränkung und Erweiterung eigener Handlungsmacht, von Selbst- und Fremdbestimmung. Die eigenen Handlungsziele können nur erreicht werden, wenn die verteilte Handlungsmacht mit dem Algorithmus akzeptiert und mitgedacht wird. Aus dieser Erkenntnis erwachse die Verantwortung für praktische Medienpädagogik, medienkompetentes Handeln im Sinne von Souveränität des Individuums auszuprägen.
Prof. Nina Grünberger, PhD, Technische Universität Darmstadt, unternahm einen Einordnungsversuch des pädagogischen Subjektverständnisses im Wandel der Zeit. Ob ein souverän handelndes Subjekt eine Vision oder ein praxistaugliches Leitbild sei, könne auch sie nicht abschließend beantworten. Man könne sich der Frage jedoch in verschiedenen Szenarien nähern und entsprechende Antworten erarbeiten.
Die Welt präsentiere sich durch kuratierte Strukturen – so ihr Eingangsstatement. Bildungstheoretisch bedeute das, dass die Einzelperson sich auf die Gemeinschaft bezieht und es so zu einer Relationierung des Subjekts in seiner Lebenswelt komme. Pädagogik gehe nun davon aus, dass das Individuum in seinem Verhältnis zur Welt bildsam sei und sich diese Welt aneignen könne.
Allerdings sei dabei zu beachten, dass das pädagogische Handeln immer auf die Zukunft gerichtet ist. Pädagogische Interventionen können nicht jederzeit eine eindeutige Antwort auf Herausforderungen der Mediengesellschaft liefern, sondern müssen auf ein souveränes Subjekt vertrauen. Erkenntnisse des Fachs mündeten oft erst viel später in die Praxis – in dieser Zeit würden sich unter Umständen schon wieder neue Aufgaben herausbilden. Im Hinblick auf die Orientierungsfähigkeit des Menschen merkte Grünberger an, dass die digitale Infrastruktur von Ökonomie der Plattformen getrieben sei. Durch Überwachung und Analyse des Medienhandelns werde aus menschlichen Erfahrungen der Rohstoff zur Verwirklichung wirtschaftlicher Interessen. Individuelles Entscheiden und Verhalten sind also nicht dem Zufall zuzuschreiben, sondern entstehen als Ergebnis einer Welterschließung auf der Basis von Datensätzen. Das bedeute gleichzeitig, dass sich latente oder verfestigte Strukturen der Selbst- und Fremdwahrnehmung – also auch diskriminierende Muster – verfestigten und perpetuierten. Wenn Daten aus der Vergangenheit und der Gegenwart in der Weise zusammengesetzt und auf die Zukunft projiziert würden, bedeute das, dass Bildungsprozesse nicht mehr autonom zu steuern sind; ein souveränes Subjekt werde zur Illusion.
Letztlich müsse man sich klarmachen, dass insbesondere die digitale Welt kuratiert werde, indem man ihr Informationen entzieht oder diese steuert. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ein souveränes Subjekt ein Märchen bleibe.
Perspektiven aus Sicht der Entwicklungspsychologie entwarf im Anschluss Dr. Klaudia Kramer, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Ihr Ansatz folgt dem stufenweisen Aufbau von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen mit dem Ziel einer möglichst souveränen Mediennutzung. Ausgehend von der Erfüllung von Grundbedürfnissen (basic needs) sei bei Menschen ein Zustand des Wohlbefindens dann erreicht, wenn eine selbstbestimmte Motivation handlungsleitend wird. Zudem streben Menschen gleich welchen Alters nach sozialer Einbindung. Besonders im Alter der mittleren Adoleszenz streben junge Menschen zwar nach Ablösung vom Elternhaus, sind andererseits aber emotional vulnerabel. In dieser Phase schmerzen besonders Erfahrungen des (Cyber-)Mobbings und der sozialen Ausgrenzung. Die Eingebundenheit und Wertschätzung der Gruppe fehlt. Ein weiteres psychologisches Kennzeichen dieser Lebensphase ist das Erleben von Kompetenz und Selbstwirksamkeit. Alle Bedingungen zusammengenommen können dazu führen, dass Kinder und Jugendliche tief in digitale Welten eintauchen, weil dort offenbar ein entsprechendes Belohnungssystem wartet. An dieser Stelle ergeben sich unter Umständen problematische Konstellationen, weil bei einem vordergründigen Belohnungssystem Korrumpierungseffekte eintreten können und eine Art Fremdbestimmtheit den Alltag der Heranwachsenden prägt.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Bildung in angstfreien und wertschätzenden Räumen stattfinden muss, wenn sie selbstreflektiert und souverän erfolgen soll. Am besten gelinge dies in multiprofessionellen Teams an Schulen – bestehend aus Pädagog*innen, Psycholog*innen und Sozialarbeiter*innen. Aus diesem Setting erwächst schließlich auch Medienkompetenz – und die Erkenntnis, dass Medien Werkzeuge der Kollaboration im Alltag sein können.
Das souveräne Subjekt in der Medienpädagogik: Leitbild oder Märchen?
Gerahmt von Clips von Derik Rodriguez von Drehmetrie ging die sich anschließende Podiumsdiskussion insbesondere der Frage nach, was ein souveränes Subjekt eigentlich auszeichnet und wie Medienpädagogik dazu beitragen kann, diese Idealvorstellung zu erreichen. Francesca Schmidt, Referentin für intersektionales Erinnerungs- und Transformationswissen in der Bundeszentrale für politische Bildung, stellte die Frage, von welchem Begriff von Souveränität man ausgehen wolle. Es bestünde die Gefahr, einer rassifizierten Bedeutung von Souveränität als hoheitliches Anspruchsdenken zu folgen. Das schließe man aber in der Diskussion aus.
Dr. Guido Bröckling, Leiter des Büro Berlin des JFF, hinterfragte, ob man in der Medienpädagogik nun weiterhin das Leitbild eines souveränen Mediennutzenden verfolge oder dies doch ein „Märchen“ sei. Seiner Meinung nach dürfe die Selbstbestimmtheit des Individuums das Leitbild des Fachs bestimmen. Also nicht so handeln zu müssen, wie es andere forderten – sondern ganz den eigenen Bedürfnissen entsprechend. Francesca Schmidt entgegnete, dass es unmöglich sei, nicht fremdbestimmt zu sein. Für sie bedeute Souveränität auch abgekapselt zu sein von den Interaktionen der Gesellschaft – was für sie keine Idealvorstellung sei.
Dr. Klaudia Kramer erkennt in diesen beiden Sichtweisen keinen Widerspruch. Beispielhaft erwähnte sie, dass bereits kleine Kinder freiwillig anderen Menschen helfen und interagieren. Das zeige, dass Selbstbestimmung nicht Isolation in der Gesellschaft bedeute, so lange Handlungen in Einklang mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen stünden.
In der Wahrnehmung von Prof. Nina Grünberger ist die Fragestellung der Souveränität eine hochaktuelle, wie viele ähnliche Veranstaltungen in letzter Zeit beweisen würden. Für sie könne die so gemeinte Souveränität nicht als Leitbild der (Medien-)Pädagogik taugen, weil sich dahinter ein Zustand verberge, der schlicht nicht zu erreichen sei. Man müsse vielmehr eine andere semantische Lösung finden, um das Intendierte auszudrücken; als Ideal wäre Souveränität jedenfalls nicht geeignet, eher als Analysebegriff.
Dr. Guido Bröckling wies darauf hin, dass man sich der Vorstellung eines Ideals der Souveränität schrittweise nähern müsse und solle. Es werde damit zur Orientierung, nicht zur Praxisanleitung. Dem stimmte auch Francesca Schmidt zu, die für diesen Weg Meilensteine entwickeln möchte.
In diesem Zusammenhang ergab sich die Diskussion, ob die Souveränität des Subjekts eine Spezifik im Digitalen ausbilde. Dr. Klaudia Kramer sieht im Digitalen einen besonderen Reiz – eine übermäßige Attraktivität für Heranwachsende, die nicht gerechtfertigt sei. Vielmehr soll aus digitalen Spielzeugen nun digitale Werkzeuge werden, sodass sich das Nutzerverhalten entsprechend anpassen würde. Dr. Guido Bröckling argumentiert, dass das Digitale nicht gleichzusetzen sei mit dem Bildschirm. Medienpädagogik finde an verschiedenen Stellen der Lebenswelt junger Menschen statt und stünde deshalb nicht im Gegensatz zu Erlebnis- oder Waldpädagogik. Die Begriffe schließen sich nicht gegenseitig aus.
Auf eine entsprechende Frage aus dem Tagungs-Chat antwortete Prof. Nina Grünberger, dass Digitalität zunächst ein kulturtheoretischer Begriff sei. Damit würde versucht, etwas zu beschreiben, dass seinen Ursprung in der Technologiewelt habe. Digitalität wirke aber auf unsere Kultur, die damit technik-deterministisch wird. Aber eine kuratierte digitale Infrastruktur wird von Menschen gemacht. Wollen wir darin etwas verändern, müssen diejenigen adressiert werden, die diese Technologie in der Hand haben – die sogenannten Tech-Barone, eine Handvoll Männer –, die die Infrastruktur regulieren und damit Macht ausüben. Zu schnellen Änderungen würde das leider nicht führen.
Das Digitale ist ebenso wie der Rest der Welt von einer hohen Komplexität geprägt. Eine Reduzierung hilft so wenig wie eine Mystifizierung. Francesca Schmidt sieht in dieser Erkenntnis den Ansatzpunkt für politische und medienpädagogische Bildung. Unter anderem diese Disziplinen müssen verhandeln, in welcher Form von Gesellschaft wir leben – nicht zuletzt mit Blick auf den Grad von Partizipation. Andernfalls drohe Exklusion und möglicherweise eine neue Form von Rassismus, der Menschen vom Digitalen ausschließt.
Diesem Ansinnen stünde oft die medienpädagogische Praxis entgegen, denn man würde soziale Phänomene zunächst in der Gesellschaft beobachten. Die Wissenschaft und schließlich die pädagogische Praxis würden daran anschließend nach Methoden des Umgangs suchen. Inzwischen sei aber oft die Praxis schon weiter vorangeschritten und man laufe wieder hinterher.
Konstatieren müsse man schließlich: Aus Daten der Vergangenheit haben automatisierte Systeme bereits heute unsere Zukunft berechnet. Ehrlicherweise müsse man das allen Lehrenden vermitteln, dass man nicht verlässlich sagen könne, wie die Zukunft der Digitalität aussehe, bestätigt Francesca Schmidt. Es bleibe nur, eine gewisse Fehlertoleranz in seinen Positionen zuzulassen.
Dr. Guido Bröckling stimmte dem zwar zu – ergänzte jedoch, dass man sich als Pädagog*in nicht in Fatalismus ergehen dürfe, sondern mit einer Haltung gegenhalten müsse. Kinder, Jugendliche und Erwachsene müssen sich in gesellschaftliche Diskurse einbringen können, brauchen dazu ebenfalls eine Haltung und Reflexionsvermögen. Für die Pädagogik bedeute dies, immer nah an der Lebenswirklichkeit Heranwachsender zu arbeiten.
Diesem Plädoyer schloss sich auch Dr. Klaudia Kramer an. Man müsse im Gespräch bleiben, sich austauschen über die Wahrnehmung der Welt. Allerdings genüge Reflexion des Wahrgenommenen nicht – man müsse auch aktiv handeln. Heranwachsende und Erwachsene müssen ihre Lebenswelt selbst mitgestalten. Informationen und Materialien stünden zur Verfügung.
Eine wesentliche Erkenntnis der Tagung könne auch sein, dass sich auch Pädagog*innen selbstreflexiv verhalten sollten, um nicht selbst in eine kuratierende Funktion von Medienangeboten zu verfallen. Pädagogik sei zwar normativ, man habe eine Vorstellung von Gesellschaft. Das Gegenüber kann aber eine ganz andere Vorstellung haben. Damit müssen wir umgehen.
In den Sessions
Am Nachmittag wurde in fünf Online-Sessions parallel rege diskutiert, veranschaulicht, reflektiert und ausprobiert: Prof. Dr. Patrick Bettinger, Dr. Niels Brüggen, Dr. Wolfgang Reißmann und Prof. Dr. Bernd Schorb gingen in ihrer Session diskursiv der Frage nach, wie eine Neuinterpretation des souveränen, selbstbestimmten Subjekts als medienpädagogische Zielkategorie aussehen kann und welche Aufgaben und Ziele sich für die Medienpädagogik ableiten. Gemeinsam erarbeiteten sie mit den Teilnehmenden Neuinterpretationen, Aufgaben und Ziele.
Die Weiterentwicklung digitaler Technologien und deren Einbettung in sämtliche Lebensbereiche zwingt zur Auseinandersetzung mit damit verbundenen Effekten und Wirkungsmustern auf unser Handeln und Erleben. Digitale Technologien nehmen hier einerseits eine Werkzeugfunktion ein, indem sie uns im Alltag unterstützen. Andererseits verweist die Rede von Digitalisierung auf einen kulturellen Transformationsprozess, mit dem Machtverschiebungen entstehen und sich Fragen nach den Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Souveränität und Kompetenz neu stellen lassen. Dr. Christian Leineweber thematisierte in seiner Session diese dualistische Wirkung des Digitalen auf den Menschen in Form des paradoxen Zusammenspiels von selbstbestimmter Subjektivierung und fremdbestimmter Entsubjektivierung.
Was passiert, wenn in medienpädagogischer Arbeit „sichtbar gemacht“ oder „eine Stimme gegeben“ wird? Wer entscheidet wann wer warum sichtbar werden soll? Anhand ethnografischer Beschreibungen und audiovisuellem Material wurde in der Session von Dr. Gerhard Schönhofer den Teilnehmenden ein selbstreflexiver, hegemoniekritischer Blick auf medienpädagogische Praxis mit marginalisierten Gruppen in einer postmigrantischen, super-diversen Gesellschaft kultiviert. Es wurde über Zugzwänge und Limitierungen in der Repräsentationsarbeit mit jungen, migrantisierten Menschen und die eigene Rolle im Gefüge aus Hinter- und Vorderbühne medienpädagogischer Arbeit diskutiert.
Selbstbestimmung und Partizipation sind nicht nur Prozessmerkmale, sondern auch Ziele medienpädagogischer Arbeit. In ihrer Session stellten Julia Behr und Dr. Guido Bröckling exemplarisch medienpädagogische Praxisprojekte zur Aktiven Medienarbeit vor, in denen die Beteiligung der Teilnehmenden eine besondere Rolle spielt oder die stark auf die Selbstbestimmtheit von Heranwachsenden zielen. Anhand der Praxisbeispiele werden Herausforderungen im Kontext von Selbstbestimmung und Partizipation in der Projektarbeit mit Kindern und Jugendlichen aufgezeigt, reflektiert und diskutiert sowie Hilfestellungen für die pädagogische Arbeit gegeben.
Mit Leena Simon ging es in zehn Schritten zur digitalen Mündigkeit. Denn unsere Geräte sind so konzipiert, dass sie uns zunehmend entmündigen. Dem zu begegnen ist eine kleine Herausforderung, setzt aber kein Informatik-Studium voraus. Digitale Mündigkeit ist in erster Linie eine Einstellungssache. In dieser Session wurde auch besprochen, wie der vorgestellte Leitfaden jungen Menschen vermittelt werden kann.
Woran merkst du, dass du selbstbestimmt bist?
„Es gibt keine einzige Antwort auf diese Frage, da jeder Mensch Selbstbestimmung anders erlebt. Einige gemeinsame Anzeichen dafür, dass jemand selbstbestimmt ist, sind das Erleben und Verfolgen persönlicher Ziele“. Zum Tagungsabschluss befragte Moderator Marcus Richter gemeinsam mit den Online-Teilnehmer*innen und mit Hilfe des Filmkollektiv Zug direkt live eine KI. Diese Unterhaltung wie auch alle anderen Vorträge und Diskussionen des Vormittags stehen als Video zum Nachschauen bereit: www.id-tagung.de/die-tagungsreihe/dokumentation
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