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2004

Jahresbericht 2004

Berichte über die Projekte aus Forschung und Praxis, sowie Informationen über die Publikationen des JFF aus dem Jahr 2004

Pädagogik gehört zu den "artes liberalis", zu den "freien Künsten" und ist von altersher Bestandteil des Systems verpflichtender Bildungsinhalte. Die enge Theorie-Praxis-Verknüpfung und die Handlungsorientierung der Pädagogik machen sie unverzichtbar für die Gestaltung gesellschaftlichen und individuellen Lebens. Die Medienpädagogik hat die besondere Funktion, zur Gestaltung des Lebens im Kontext der Medien und Kommunikationssysteme beizutragen bzw. besser: Sie hätte diese Funktion. Der Konjunktiv drängt sich auf. Denn die positiven Potenziale der Medien, die zur Gestaltung von Leben taugen, werden zunehmend "zugemüllt", von Schnippel-, Ghetto- und sonstigem Trash-TV, von Computerspielen à la Doom 1 bis ..., von Internet-Ekelseiten u.ä. Unsere Medien machen es all denjenigen leicht, die sie unter Generalverdacht stellen, sie verantwortlich machen für schlechte Schulleistung, Übergewicht, Gewalttätigkeit und sonstige Übel. Sie machen es hingegen all denjenigen schwer, die sich bemühen, die Balance zu halten zwischen berechtigter und notwendiger Medienkritik und hysterischer Medienschelte, zwischen der Parteinahme für die Belange der heranwachsenden Generation und deren Entmündigung, zwischen der Warnung vor negativen Medieneinflüssen und der Befähigung zur Aneignung der positiven Medienpotenziale.

Die Medienpädagogik steckt in einem Dilemma. Viele Angebote des Medienmarktes erzwingen ein klares Nein. Denn Pädagogik muss sich gegen Zumutungen positionieren, die der heranwachsenden Generation das Leben erschweren, und die Medien halten in dieser Hinsicht einiges parat. Aber Medienpädagogik erschöpft sich nicht im Nein. Als Pädagogik ist sie Gestalter, bietet ihrer Klientel Raum und Anregung, um "etwas aus sich zu machen". Der Ehrenvorsitzende des JFF e.V., Hans Schiefele, hat diese gestaltende Funktion vor über zehn Jahren in einem Interview im Bayerischen Rundfunk so pointiert: "Ein Erzieher kann für den jüngeren Menschen ... Lebensumstände arrangieren, in denen der sich bewegt. Und die Person selber – die Mutter, der Vater, der Lehrer – ist ein Faktor ... in dieser Situation, aber mehr nicht. Diese Konstellation macht er, so gut er es kann oder nach den Regeln der Kunst, wenn er es professionell macht. Was der, der sich in der Situation bewegt, das Kind, der Jugendliche, was der aus der Situation nimmt, was er sich einverleibt, das hat der Pädagoge nicht in der Hand".
Prozesse der Medienaneignung implizieren immer beides: Risiken für eine souveräne Lebensführung, wenn die Medien den Horizont der Menschen beispielsweise auf zweifelhafte Weltbilder und Verhaltensmuster verengen. Genauso aber eröffnen die Medien Chancen, am Leben im näheren und weiteren Umfeld teilzuhaben und es als Souverän mitzugestalten. Das Geschäft der Medienpädagogik ist entsprechend ebenfalls beides, die Risiken und die positiven Potenziale, die die medialen Welten für Kinder und Jugendliche bereit halten. Das JFF befasst sich traditionell mit dem einen wie mit dem anderen. Ob die Befassung den Risiken gilt oder den positiven Potenzialen, ob sie in der Analyse, in der Vermittlung oder im praktischen Tun geschieht – das Ziel ist immer, dazu beizutragen, dass das Leben mit Medien nicht in Widerspruch zu einer souveränen Lebensführung gerät, diese vielmehr unterstützt. Die Frage, welche positiven Potenziale die Medien für Kinder und Jugendliche bereit halten, nahm 2004 sowohl unter wissenschaftlichen als auch unter praktischen Vorzeichen großen Raum ein.

In der JFF-Forschung drehten sich mehrere Projekte und Aktivitäten um die Frage informellen Lernens mit Medien: Die bereits 2003 begonnene Analyse von kompetenzförderlichen Potenzialen in PC-Spielen wurde ergänzt durch die Prozessevaluation eines PC-Spiels, über das Kindern pro-soziale Verhaltensweisen nahegebracht werden sollen. Das gesamte in Kindheit und Jugend relevante Medienensemble und seine Potenziale für beiläufige und selbstgesteuerte Lernprozesse nahm die Expertise in den Blick, die für den nächsten Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung angefertigt wurde.

Ende des Jahres konnte zudem die Fortführung der Konvergenz-Studien gesichert werden, die seit 2001 einen Forschungsschwerpunkt bilden und der Frage nachgehen, wie Kinder und Jugendliche Konvergenz in ihren Medienalltag integrieren und welche Risiken und Chancen ihnen aus den Verknüpfungen des Medienmarktes erwachsen. Nunmehr können neben den Nutzungsstrukturen von 9- bis 19-Jährigen auch die sozialen und motivationalen Hintergründe für die Aneignung konvergenter Medienangebote aufgedeckt werden.

Der FLIMMO, längst Institution und Autorität, wenn es um die Gestaltung von Fernseherziehung geht, versorgte auch 2004 Eltern und andere Erziehende on- und offline mit wissenschaftlich fundiertem Wissen zum aktuellen Fernsehprogramm und zu den Vorlieben und Verarbeitungsfähigkeiten von Kindern zwischen 3 und 13 Jahren.

Unter praktischen Vorzeichen kommt die gestaltende Komponente von Medienpädagogik am JFF seit langem in so traditionsreichen Projekten wie den Kinder- und Jugendfilmfesten KiFinale und JuFinale und dem Förderprogramm In eigener Regie zum Tragen, aber auch in den Internetplattformen, wie dem VirtuellenUmweltbildungsZentrum VUZ und der Plattform für Vernetzung, gegen Ausgrenzung D-A-S-H. Seit Mitte des Jahres erstreckt sich die gestaltende Arbeit mit Medien durch das Projekt ausdrucksstark auch auf eine neue Zielgruppe, auf Heranwachsende mit Behinderung. Beendet wurde hingegen 2004 das Projekt format – Medienarbeit für Toleranz und damit die Arbeit mit einer Zielgruppe, die zu den bildungsbenachteiligten Gruppen zählt, Jugendliche in Maßnahmen der berufsbezogenen Jugendhilfe. Gerade Jugendliche wie diese – darauf verweisen alle empirischen Befunde der letzten Jahre – werden von den Risiken des Medienmarktes besonders affiziert und wären entsprechend mehr als andere auf Korrektive und Medienkompetenzförderung angewiesen. Aktive Medienarbeit, die an den Realitäten des Medienalltags und an den Fähigkeiten, die Kinder und Jugendliche in Bezug auf die Medienwelt mitbringen, ansetzt, kann solche Jugendlichen erreichen und sie darin unterstützen, ihr Leben weniger durch die Medien bestimmen zu lassen als vielmehr die Medien zu nutzen, um ihr Leben selbstbestimmt mitzugestalten.

Wie schwer es derzeit ist, eine differenzierte und für die Belange von Kindern und Jugendlichen ambitioniert eintretende Medienpädagogik zu betreiben, muss kaum noch eigens erwähnt werden. Deutlicher Ausdruck dafür sind die vielen Ideen, die die hoch qualifizierten und über die Maßen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des JFF im vergangenen Jahr entwickelt und ausgearbeitet haben. Vieles bleibt unrealisiert, nicht weil die Ideen nicht taugen, sondern weil sich keine Finanziers finden. Um so mehr sei an dieser Stelle all jenen gedankt, die das JFF 2004 finanziell unterstützt haben. Sie sind im Anhang des Jahresberichts aufgeführt. Unser Dank gilt aber auch denen, die uns immer wieder ermutigen, den Anspruch beizubehalten, mit Medienpädagogik das Leben mit Medien zu gestalten.

Prof. Dr. Schorb, 1. Vorsitzender


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