Maximilian Schober
Beiträge in merz
Schober, Maximilian: Verlorene Mitte – Feindselige Zustände
In der aktuellen Mitte-Studie 2018/2019 zu rechtsextremen, rechtspopulistischen und menschenfeindlichen Einstellungen in Deutschland sind teilweise widersprüchliche Erkenntnisse zu lesen. So halten es rund 86 Prozent der insgesamt 1.890 Befragten im Alter zwischen 18 und 97 für unerlässlich, dass Deutschland demokratisch regiert wird. 93 Prozent meinen sogar, dass die Würde und Gleichheit an erster Stelle in einer Demokratie stehen sollten. Gleichzeitig nehmen 54 Prozent der Befragten eine negative Haltung gegenüber Asylsuchenden ein. Im Vergleich zur Mitte-Studie 2016 ist der Wert damit um mehr als fünf Prozent gestiegen, obwohl die Zahl der Asyl suchenden seitdem gesunken ist. Zudem stimmen 35 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass zu viele Ausländer in Deutschland leben. Diese zunächst widersprüchliche Gleichzeitigkeit von demokratischen und antidemokratischen Orientierungen, so die Autorinnen und Autoren, verweist darauf, dass bestimmte Werte nicht vollständig in die eigene Lebenswelt integriert werden. Darin sieht das Autorenteam einen klaren Bildungsauftrag: Demokratie erfahrbar machen, und nicht nur abstraktes Wissen über das politische System vermitteln.
Besonders für die pädagogische Arbeit mit Bezug zu journalistischer Berichterstattung oder Fake News sind Erkenntnisse zu Verschwörungsmythen interessant. So zeigt die Studie auf, dass der Glaube an Verschwörungstheorien in Deutschland keine Minderheitsmeinung darstellt, sondern durchaus weit verbreitet ist. Beispielsweise jeder Vierte stimmt der Aussage zu, dass Medien und Politik unter einer Decke stecken. Jede zweite befragte Person gibt zudem an, den eigenen Gefühlen mehr zu vertrauen als Expertinnen und Experten. Zwar scheint eine gesunde Skepsis gegenüber anerkannten Wissensquellen (wissenschaftliche Ergebnisse, öffentliche Bildung, etablierte Medien) wichtig für das demokratische Zusammenleben, pauschales und nicht-irritierbares Misstrauen belastet dieses aber. Seit 2006 untersuchen die Mitte-Studien im Zweijahresturnus rechtsextreme, menschenfeindliche und rechtspopulistische Einstellungen in der deutschen Querschnittsbevölkerung und bieten somit regelmäßig eine teils kontrovers diskutierte Grundlage zum gegenwärtigen Zustand der Demokratie. Die Studien werden durch die Friedrich-Ebert-Stiftung beauftragt und herausgegeben. Sie entsteht in Zusammenarbeit mit dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Grundlage der aktuellen Studie ist eine quantitative Bevölkerungsbefragung, die telefonisch durch geführt wurde.
Niels Brüggen/Maximilian Schober: Self-Tracking von Kindern und Jugendlichen. Digitale Selbstvermessung als sportliche und medienpädagogische Herausforderung
Ausgehend von den Ergebnissen einer explorativen Befragungsstudie im Rahmen des Forschung-Praxis-Projekts ‚Self-Tracking im Freizeitsport‘ lassen sich zentrale Herausforderungen und Ansatzpunkte für eine zielgruppenadäquate Förderung von Medienkompetenz zum Thema Self-Tracking bestimmen. Dabei wird deutlich, dass Self-Tracking sowohl Nutzer*innen als auch medienpädagogische Praxis und Profession auffordert, sich zu bewegen.
Literatur:
Bröckling, Ulrich (2007). Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Brüggen, Niels (2015). Gedanken zur Neuausrichtung der Medienkompetenzförderung angesichts Big Data. In: Gapski, Harald (Hrsg.), Big Data und Medienbildung. Zwischen Kontrollverlust, Selbstverteidigung und Souveränität in der digitalen Welt. München: kopaed, S. 51–62.
Deleuze, Gilles (1993). Unterhandlungen. 1972–1990. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Duttweiler, Stefanie (2016). Körperbilder und Zahlenkörper Zur Verschränkung von Medien- und Selbsttechnologien in Fitness-Apps. In: Strübing, Jörg/Passoth, Jan-Hendrik/Gugutzer, Robert/Duttweiler, Stefanie (Hrsg.), Leben nach Zahlen. Bielefeld: transcript Verlag, S. 221–251.
Foucault, Michel (2016). Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Gehring, Petra (2014). Bio-Politik/Bio-Macht. In: Kammler, Clemens/Parr, Rolf/Schneider, Ulrich Johannes/Reinhardt-Becker, Elke (Hrsg.), Foucault-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart/Weimar: Verlag J.B. Metzler, S. 230–231.
Lupton, Deborah (2014). Self-tracking cultures. In: Leong, Tuck (Hrsg.), Proceedings of the 26th Australian Computer-Human Interaction Conference on Designing Futures the Future of Design. New York: ACM, S. 77–86.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS) (2020). JIM-Studie 2019. Jugend, Information, Medien. Stuttgart. www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2019/JIM_2019.pdf [Zugriff: 31.03.2020]
Moll, Ricarda/Schulze, Anne/Rusch-Rodosthenous, Miriam/Kunke, Christopher/Scheibel, Lisa (2017). Wearables, Fitness-Apps und der Datenschutz: Alles unter Kontrolle? Düsseldorf: Verbraucherzentrale NRW.
Schorb, Bernd/Wagner, Ulrike (2013). Medienkompetenz - Befähigung zur souveränen Lebensführung in einer mediatisierten Gesellschaft. In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Medienkompetenzförderung für Kinder und Jugendliche. Eine Bestandsaufnahme. Berlin, S. 18–23.
Selke, Stefan (2017). Digitale Alchemie. Von der Sehnsucht nach Effizienz mittels digitaler Selbstvermessung. In: merz | medien + erziehung, 61 (5), S. 12–20.
Maximilian Schober: Flucht in den Medien: Studie und pädagogische Materialien
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht ist heutzutage für junge Menschen ein wichtiges Moment ihrer politischen Sozialisation. Es fordert sie dazu auf, sich mit Fragen des Zusammenlebens, der Zughörigkeit, der Sicherheit und der Solidarität auseinanderzusetzen.
Im Projekt ‚MeKriF – Flucht als Krise‘ hat das JFF – Institut für Medienpädagogik gemeinsam mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig diese Auseinandersetzung untersucht. Analysiert wurden Medienhandeln und genutzte Medieninhalte. Die Studie zeigt: Medien haben für junge Menschen eine zentrale Rolle bei der Auseinandersetzung mit dem Thema. So stellt für einen Teil der befragten 12- bis 16-Jährigen eine Bedrohung der Ordnung der Aufnahmegesellschaft ein Thema dar, das sie beschäftigt. Anhand der Inhaltsanalyse ist nachzuvollziehen, dass ihre Wahrnehmung, wonach von Geflüchteten eine Bedrohung für die Sicherheit und die gesellschaftliche Ordnung ausgeht, Ankerpunkte in der medialen Berichterstattung hat. Andere Befragte verbinden mit dem Themenkomplex insbesondere Diskriminierung und Rassismus. Bei der unterschiedlichen Auseinandersetzung spielen auch lebensweltliche Diskriminierungserfahrungen eine Rolle, deren Thematisierung die Jugendlichen in journalistischer Berichterstattung allerdings nicht wiederfinden. Auf Grundlage der Studienergebnisse wurden Arbeitshilfen für die journalistische und pädagogische Praxis entwickelt.
Die pädagogischen Materialien zielen darauf ab, junge Menschen bei der Aneignung des Themas Flucht zu begleiten und ihre Medienkompetenz zu stärken. Sie beinhalten mehrere Videos und eignen sich für die Arbeit mit 12- bis 16-Jährigen. Die Materialien geben Anregungen, wie junge Menschen dabei unterstützt werden können, Medien selbstbestimmt und souverän in Gebrauch zu nehmen, eine eigene Haltung zu Flucht, Migration und Integration zu entwickeln, sich mit den Sichtweisen anderer auseinanderzusetzen und ihre eigene Sicht in die gesellschaftliche Diskussion einzubringen.
Die Ergebnisse der Studie sowie die pädagogischen Materialien sind verfügbar unter https://mekrif.jff.de
Die Materialien ‚Journalistische Praxis: Konstruktiver Journalismus‘ von Gabriele Hooffacker sind erhältlich unter www.springer.com/de/book/9783658317706Maximilian Schober: Soziale Arbeit im Digitalzeitalter. Eine Profession und ihre Theorien im Kontext digitaler Transformation
Alltägliches Leben und gesellschaftliche Prozesse finden permanent auch im Netz statt. Nicht erst seit Corona sind die Übergänge zwischen on- und offline fluide. Prozesse der Digitalisierung und Mediatisierung erfassen alle Lebensbereiche und Professionen – auch die Soziale Arbeit. Im vorliegenden Buch von Angelika Beranek wird herausgearbeitet, welche Bedeutung diese Entwicklung für zeitgenössische Theorien der Sozialen Arbeit hat. Dazu wurden drei Theorien ausgewählt: die Theorie der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession von Silvia Staub-Bernasconi und Werner Obrecht, die Lebensweltorientierte Soziale Arbeit von Hans Thiersch und die Lebensbewältigungstheorie von Lothar Böhnisch und Wolfgang Schröer. Damit wird eine Lücke im Diskurs über den digitalen Wandel der Sozialen Arbeit geschlossen, welcher sich bis dahin vornehmlich mit der Frage beschäftigte, wie bisher analog angebotene Dienstleistungen digital gestaltet werden können, oder (meist problemorientiert) die Auswirkungen des digitalen Wandels und zunehmender Mediennutzung auf die Lebenswelt der Adressat*innen Sozialer Arbeit diskutiert.
Bereits Teil 1 ‚Digitalisierung und Gesellschaft‘ lässt erkennen, dass die Auseinandersetzung mit dem digitalen Wandel Sozialer Arbeit über diese beiden Ebenen hinaus geht und grundsätzlicher verankert ist. Anschaulich und mit vielfältigen konkreten Bezügen zur Sozialen Arbeit macht Beranek in Kapitel 2 die Digitalisierung als einen umfassenden Umbruchprozess greifbar. Dabei werden zentrale Begriffe wie Künstliche Intelligenz (KI), Big Data und Predictive Analytics geklärt und ihre Einsatzmöglichkeiten in der Sozialen Arbeit dargestellt. Besonders eindrücklich lädt der Abschnitt zu ‚Wissensbasierten Systemen‘ (S. 16 ff.) dazu ein, das eigene professionelle Selbstverständnis kritisch ins Verhältnis zu den beschriebenen Entwicklungen zu setzen. Daran anschließend werden in Kapitel 3 die gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung anhand von Beispielen aus der Arbeitswelt, Globalisierung und Ökonomisierung skizziert.
Der zweite Teil analysiert die Verbindung der Digitalisierung mit den Theorien Sozialer Arbeit. Der Auftakt dieses Teils, die Auseinandersetzung mit aktuellen auf die Digitalisierung bezogenen Zeitdiagnosen und ihrer Bedeutung für die Soziale Arbeit (Kapitel 4), unterstreicht abermals die Stärke dieses Buchs: anschaulich, präzise und grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die im Weiteren behandelten Theorien Sozialer Arbeit immer im Kontext ihrer gesellschaftlichen Entstehungsgeschichte betrachtet werden müssen und die darin enthaltenen Bezüge zu Gesellschaftstheorien oder Zeitdiagnosen vor dem Hintergrund einer Weiterentwicklung eben dieser gesehen werden sollten. Daran anschließend werden in den Kapiteln 5, 6 und 7 die drei bereits genannten Theorien betrachtet. Besonders in der Zusammenschau dieser Kapitel werden die vielfältigen Ebenen des digitalen Wandels der Sozialen Arbeit deutlich. In der Auseinandersetzung mit der Theorie der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession (Kapitel 5) wird beispielsweise die Frage virulent, welche Bedrohungen für die Menschenrechte sich aus automatischen Entscheidungsfindungssystemen ergeben und welchen Einfluss digitale Diagnoseprozesse auf Teilhabe, Informations- und Meinungsfreiheit und Schutz der Privatsphäre der Adressat*innen haben. Der Blick auf die Lebensweltorientierte Soziale Arbeit (Kapitel 6) pointiert, wie Alltag und Alltäglichkeit durch Medien neu strukturiert werden. Die Analyse der Sozialen Arbeit als Hilfe zur Lebensbewältigung (Kapitel 7) zeigt insbesondere auf, dass sich in Bezug auf Handlungsaufforderungen neue Möglichkeiten eröffnen, aktiv zu werden. Medien können im Sinne der Aktiven Medienarbeit Teil von funktionalen Äquivalenten werden oder zur Milieubildung beitragen.
Das Buch zeigt beeindruckend präzise und anschaulich, dass die Theorien der Sozialen Arbeit nach wie vor ihre Berechtigung und Gültigkeit bewahren, jedoch unausweichlich immer im Kontext der Digitalisierung konkret ausdifferenziert werden müssen. Beraneks Arbeit bietet hierzu eine fundierte Grundlage.
Das Buch richtet sich an Akteur*innen der Sozialen Arbeit, die bereits Vorwissen in den behandelten Theorien der Sozialen Arbeit mitbringen. Die Grundlagen des digitalen Wandels werden im ersten Teil des Buches aufbereitet. Zum Buch gibt es einige Begleitvideos, die die Entstehungsgeschichte und die Inhalte noch einmal anders darstellen und auf dem YouTube-Kanal von Angelika Beranek zu finden sind: www.youtube.com/channel/UCn4IeKrf6Po6dCJ2I44YmhA
Beranek, Angelika (2021). Soziale Arbeit im Digitalzeitalter. Eine Profession und ihre Theorien im Kontext digitaler Transformation. Weinheim: Beltz Juventa. 174 S., 24,95 €.
Niels Brüggen/Achim Lauber/Maximilian Schober: Das Verhältnis von Subjekt und Medien angesichts algorithmischer Empfehlungssysteme. Überlegungen aus tätigkeitstheoretischer Perspektive
Wie kann das Verhältnis von Nutzer*innen und algorithmischen Empfehlungssystemen zueinander konzeptionell gefasst werden? Denn beide Seiten nehmen Einfluss auf das Medienhandeln. Aus tätigkeitstheoretischer Perspektive betrachtet der Beitrag, wie Subjekt und Medien konzeptionell gefasst werden können und konkretisiert dies mit ausgewählten Ergebnissen einer qualitativen Studie zum Umgang von Jugendlichen mit algorithmischen Empfehlungssystemen.
How can the relationship between users and algorithmic recommendation systems be conceptualised? After all, both sides have an influence on media action. From an activity-theoretical perspective, the article looks at how the subject and media can be conceptualised and concretises this with selected results of a qualitative study on young people’s interaction with algorithmic recommendation systems.
Literatur
Brüggen, Niels (2018). Medienaneignung und ästhetische Werturteile. Zur Bedeutung des Urteils ‚Gefällt mir!‘ in Theorie, Forschung und Praxis der Medienpädagogik. München: kopaed.Digitales Deutschland (2021). Rahmenkonzept. https://digid.jff.de/rahmenkonzept.
Engeström, Yrjö (2001). Expansive Learning at Work: Toward an activity theoretical reconceptualization. In: Journal of Education and Work, 14 (1), S. 133–156. DOI: 10.1080/13639080020028747.
Engeström, Yrjö (2008). Entwickelnde Arbeitsforschung. Die Tätigkeitstheorie in der Praxis. Berlin: Lehmanns Media.
Geulen, Dieter/Hurrelmann, Klaus (1980). Zur Programmatik einer umfassenden Sozialisationstheorie. In: Hurrelmann, Klaus/Ulrich, Dieter (Hrsg.), Handbuch der Sozialisationsforschung. Weinheim: Beltz, S. 51–67.
Hagendorff, Thilo (2019). Rassistische Maschinen? In: Rath, Matthias/Krotz, Friedrich/Karmasin, Matthias (Hrsg.). Maschinenethik: Normative Grenzen autonomer Systeme. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 121–134.
Kolleck, Alma/Orwat, Carsten (2020). Mögliche Diskriminierung durch algorithmische Entscheidungssysteme und maschinelles Lernen – ein Überblick. Berlin. www.tab-beim-bundestag.de/projekte_diskriminierung-durch-algorithmische-entscheidungssysteme-und-maschinelles-lernen.php [Zugriff: 01.06.2020].
Kuckhermann, Ralf (2018). Aneignung – Lernen – Bildung. Überlegungen zum Beitrag des Aneignungskonzepts für das Verständnis von Lern- und Bildungsprozessen. In: Deinet, Ulrich/Reis, Claus/Reutlinger, Christian/ Winkler, Michael (Hrsg.), Potentiale des Aneignungskonzepts. Weinheim, Basel: Beltz Juventa, S. 82–99.
Leontjew, Alexei (1982). Tätigkeit, Bewußtsein, Persönlichkeit. Berlin: Volk und Wissen Volkseigener Verlag.
Petersen, Niklas (2017). Paradoxien der Selbstbestimmung. Überlegungen zur Analyse zeitgenössischer Subjektivität. In: Börner, Stefanie/Lindner, Diana/Oberthür, Jörg/Bohmann, Ulf/Stiegler, André (Hrsg.), Praktiken der Selbstbestimmung. Zwischen subjektivem Anspruch und institutionellem Funktionserfordernis. Wiesbaden: Springer VS, S. 25–56.
Schorb, Bernd (1995). Medienalltag und Handeln. Medienpädagogik im Spiegel von Geschichte, Forschung und Praxis. Opladen: Leske + Budrich.
Schorb, Bernd (2011). Zur Theorie der Medienpädagogik. In: MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, (20), S. 81–94.
Schorb, Bernd (2017). Medienaneignung. In: Schorb, Bernd/Hartung-Griemberg, Anja/Dallmann, Christine (Hrsg.), Grundbegriffe Medienpädagogik. München: kopaed, S. 215–221.
Schorb, Bernd/Theunert, Helga (2000). Kontextuelles Verstehen der Medienaneignung. In: Paus-Hasebrink, Ingrid/Schorb, Bernd (Hrsg.). Qualitative Kinder- und Jugendmedienforschung. Theorie und Methoden: ein Arbeitsbuch. München: kopaed, S. 33–57.
Schorb, Bernd/Wagner, Ulrike (2013). Medienkompetenz – Befähigung zur souveränen Lebensführung in einer mediatisierten Gesellschaft. In: Bundesministerium für Familie, Senioren Frauen und Jugend (Hrsg.), Medienkompetenzförderung für Kinder und Jugendliche. Eine Bestandsaufnahme. Berlin, S. 18–23.
Theunert, Helga (2013). Zugänge zum Subjekt. Sinnverstehen durch Kontextualisierung. In: Hartung, Anja/Lauber, Achim/Reißmann, Wolfgang (Hrsg.), Das handelnde Subjekt und die Medienpädagogik. Festschrift für Bernd Schorb. München: kopaed, S. 129–148.
Vygotskij, Lev Semenovič/Métraux, Alexandre/Kämper, Regine (Hrsg.) (1992). Geschichte der höheren psychischen Funktionen. Münster: LIT.
Maximilian Schober: Macht. Unterbrechungen.
Zwischen den Jahren: Die Weihnachtsfeiertage sind vergangen, das neue Jahr hat noch nicht begonnen. Durchatmen. Es scheint so, als sei der übliche Lauf der Dinge unterbrochen. Alles ist anders. Doch selbst in dieser Zeit bleibt: Ich hänge an meinem Handy, scrolle durch Instagram oder warte ungeduldig darauf, nach drei Sekunden die Werbung auf YouTube überspringen zu können. Und noch immer weiß ich nicht, wohin meine Daten gehen und wer mit ihnen Geschäfte macht. Es wäre möglich, vieles anders zu machen, noch mehr zu wissen, mein Handeln öfter zu reflektieren und meiner kritischen Haltung konkrete Taten folgen zu lassen – kurzum, medienkompetent zu handeln. Anstrengend! Mehr wissen und öfter reflektieren: Das bekomme ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Institut für Medienpädagogik noch gut hin – mein Daily Business, sozusagen. Aber wirklich etwas anders zu machen, widerständig zu handeln – das scheint mir unmöglich oder zumindest zu anstrengend. Digitale Medien sind omnipräsent, durchdringen sämtliche Lebensbereiche. Und selbst zwischen den Jahren wird durch sie der übliche Lauf der Dinge spürbar: die Macht des Kapitalismus, die ständige Optimierung und Selbstdisziplinierung. Was also tun? „Wo es Macht gibt, gibt es Widerstand“, schrieb Michel Foucault. Widerstand – ein großes Wort. Was bedeutet das?
Sich digitalen Medien zu verweigern? Zivilgesellschaftlich für eine bessere Netzpolitik einzutreten? Auch das scheint mir unmöglich oder zumindest zu anstrengend. Es gibt „im Verhältnis zur Macht nicht den einen Ort der Großen Weigerung“, sondern „einzelne Widerstände: mögliche, notwendige, unwahrscheinliche, spontane, wilde, einsame, abgestimmte, kriecherische, gewalttätige, unversöhnliche, kompromissbereite, interessierte oder opferbereite Widerstände“.1 Mit Blick auf die alltägliche Allgegenwart spricht mich die Idee des unwahrscheinlichen, spontanen und wilden Widerstands besonders an. Es könnten störende Unterbrechungen sein. Nicht ästhetisiert als Digital-Detox-Maßnahme, nicht ritualisiert wie das Durchatmen zwischen den Jahren, und auch nicht selbstoptimierend, vernünftig oder gesund. Nein. Störende Unterbrechungen, wann immer ich es will, ohne Ankündigung, ohne Routine, ohne Anspruch an Ästhetik oder Selbstdisziplin. Mir gefällt die Idee, dass medienkompetentes Handeln auch wild sein kann. Es bedeutet nicht nur, etwas besser bedienen zu können, einen Algorithmus zu durchschauen oder kreative Umgangsweisen mit den verfügbaren Handlungsmöglichkeiten zu finden. Medienkompetenz heißt vielleicht auch, und das könnte immer wichtiger werden, störende Unterbrechungen zu schaffen. Wild.
Literatur
Foucault, Michel (1984): Sexualität und Wahrheit. Bd. 1: Der Wille zum Wissen. Frankfurt/M.: Suhrkamp.