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2008

Jahresbericht 2008

Berichte über die Projekte aus Forschung und Praxis, sowie Informationen über die Publikationen des JFF aus dem Jahr 2008

"Da [in MSN] helfen mir die mit den Hausaufgaben. (...) Also, wenn ich was nicht verstehe, dann frag ich die und dann erzählen mir die das." Diese elfjährige Hauptschülerin macht uns mit einer Möglichkeit vertraut, wie das Internet für schulische Bildung nutzbar gemacht werden kann. Über den Ertrag derartiger Hilfesuche wäre wohl erst noch zu befinden. Aber: An der Tatsache, dass die heranwachsende Generation die Medienwelt und ganz besonders das Internet zunehmend in Bildungskontexten heranzieht geht nichts vorbei. Ohne die Probleme der heutigen Medienwelt herunterspielen zu wollen – die gibt es ohne jede Frage und nicht zu knapp – es gehört eine gehörige Portion Ignoranz dazu, nicht auch die Potenziale zu realisieren, die die Medien für Heranwachsende eröffnen. Diese Potenziale tangieren Wissen und Information ebenso wie die Erweiterung der Felder für Kommunikation und Diskurs und sie eröffnen Möglichkeiten, sich mit Medien zu artikulieren und Öffentlichkeit herzustellen. Daraus können neue Wege der Teilhabe erschlossen werden, sei es in näheren sozialen Gefügen oder sei es in gesellschaftlichen Feldern. Der Schwerpunkt Bildungspotenziale der Medienwelt hat schon seit einigen Jahren in der Arbeit des JFF Gewicht. 2008 wurde er in Forschungs- und Praxiskontexten weiter vertieft. Zwei Stränge wurden dabei vorrangig verfolgt.

Erstens wurde die Frage untersucht, wie sich die Aneignung der konvergenten Medienwelt und insbesondere der Mitmach-Medienwelt des Web 2.0 in bildungsmäßig benachteiligten Milieus gestaltet. Die milieuspezifisch konzipierte Studie "Medienhandeln in Hauptschulmilieus" hat hierzu die tiefsten Aufschlüsse erbracht und sie erzwingt ein Umdenken. Denn was bisher als Domäne besser gebildeter Heranwachsender galt, die vielfältige und auch produktive Aktivitäten umfassende Nutzung der medialen Möglichkeiten, findet sich ebenso in bildungsbenachteiligten Milieus. Auch hier fasziniert die neue Mitmach- Medienwelt und wird teilweise mit eigenwilligen Akzentsetzungen in Gebrauch genommen. So zeigen etwa Heranwachsende mit Migrationshintergrund einen besonders ausgeprägten Hang zu kommunikativen Tätigkeiten. Sie vermitteln darüber Verwandten und Freunden aus den Herkunftsländern ihren Alltag und zwar vielfach mit visueller Unterstützung wie Diashows oder Videos zur Lieblingsmusik. In Bezug auf die Positionierung zur Medienwelt ist die Risiko-Orientierung besonders auffällig. Das Gros der Heranwachsenden beäugt die Medienwelt mit einem gewissen Misstrauen und hat Regelwissen für Gefahrenvermeidung parat, das eigene Handeln wird aber nicht danach gestaltet. Die Präsenz des gesamten Handlungsspektrums eröffnet eine Fülle von Ansatzpunkten für konstruktive und adressatenadäquate pädagogische Modelle. Angeregt durch die Studie stand die Frage, wie die medialen Potenziale genutzt werden können, um die Partizipationschancen von bildungsbenachteiligten Kindern und Jugendlichen zu erhöhen, auch auf einer der Großtagungen des JFF im Mittelpunkt. Auf dem Fachkongress "Soziale Ungleichheit – Medienpädagogik – Partizipation" wurde sie von namhaften WissenschaftlerInnen und MedienpädagogInnen mit einem bundesweit zusammengesetzten Teilnehmerkreis intensiv diskutiert.

Zweitens wurden Modelle entwickelt und evaluiert, die Bildungspotenziale von Medien in pädagogische Prozesse integrieren, die sich an Heranwachsende aus benachteiligten Milieus richten. Für HauptschülerInnen wurden im Rahmen der fünften Konvergenzstudie, die sich auf jugendnahe Internetplattformen konzentriert, Web 2.0-Werkstätten entwickelt. Hier wurden verschiedenartig gestaltete Experimentier- und Erprobungsfelder für produktives Medienhandeln angeboten, um so die partizipativen Möglichkeiten der heutigen Medienwelt zu eröffnen. Durchhaltevermögen und Engagement der Jugendlichen bestärken das JFF darin, solche Modelle weiterzutreiben und Strukturen für die Breitenarbeit anzuregen. Herausragenden Stellenwert für die Zielgruppe Kinder hat in diesem Kontext das Projekt erzählkultur. An den Bildungsorten Vor- und Grundschule wurden vielfältige Medienprojekte initiiert und unter Einbezug der pädagogischen Fachkräfte durchgeführt. Durch das aktive Arbeiten mit verschiedenen Medien sollten Kommunikationsanlässe geschaffen werden, die Lust auf Erzählen und damit sprachlichen Ausdruck und Vermittlung machen sollten. Verzahnt wurden dabei drei Zielebenen: Der Erwerb von Sprach-, Medien-, und Sozialkompetenz. Profitieren konnten davon alle beteiligten Kinder, ganz besonders aber die mit Migrationshintergrund. Die Ergebnisse dieses Projektes ermutigen ebenfalls zu Fortführung und Ausbau.

Beide Stränge, der praktischpädagogische wie der forschungsorientierte unterstreichen die Chancen, Bildungspotenziale der Medienwelt gerade für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche zielführend zu erschließen. Pädagogische Ansatzpunkte bieten das alltägliche Medienhandeln, die große Motivationskraft, die das aktive Arbeiten mit Medien hat, und nicht zuletzt der Wunsch der Heranwachsenden ihre Medienkompetenz systematisch auszubauen, um in der Mitmach-Medienwelt dabei sein zu können.
Welche Möglichkeiten darin liegen, wenn Kinder und Jugendliche Medien produktiv als Ausdrucksund Artikulationsmittel nutzen und sich darüber Gehör in ihrer sozialen Umwelt verschaffen und wie tief thematische Auseinandersetzungen und Reflexionen auch in Bezug auf schwierige und brisante Themen gehen, das haben die zwei Jubiläen im Jahr 2008 anschaulich und intensiv vor Augen geführt: Die 10. JuFinale und die 5. KiFinale zeigten beeindruckende Produktionen und Kinder und Jugendliche, die mit Eifer bei der Sache waren und ihr Publikum begeisterten. Das aktive Arbeiten mit Medien ist ein Weg, auf dem die Bildungspotenziale von Medien zum Tragen kommen und das in einer Form, die Kinder und Jugendlichen zu hohem Engagement motiviert, ihnen Kompetenzerfahrungen ermöglicht und ihnen unverkennbar Vergnügen bereitet.

Durch die Medienentwicklung haben wir heute Instrumente, die es mehr denn je ermöglichen, sich auf medialen Wegen zu artikulieren, sich in gesellschaftliche Diskurse einzubringen und soziales wie öffentliches Leben mitzugestalten. Es ist ein (medien-)pädagogischer Auftrag, alle Kinder und Jugendlichen dabei zu unterstützen, die Fähigkeiten auszubilden, diese partizipationsorientierten Potenziale der Medienwelt auszuschöpfen.

Einer, der sich sein Leben lang für diesen Auftrag stark gemacht hat, Sepp Anzenhofer, Fachberater der ersten Stunde und eines der aktivsten Mitglieder des JFF-Vereins, ist Ende 2008 verstorben. Wir werden ihn in Erinnerung behalten als einen passionierten Medienpädagogen, der auch in hohem Alter seine Neugier und sein Interesse an der heranwachsenden Generation nicht verloren hat. Seine Offenheit und seine Agilität taugen gut als Vorbild für alle, die den medienpädagogischen Auftrag ernst nehmen.

Dass die JFF-MitarbeiterInnen an diesem Auftrag ihre Arbeit ausrichten und dass wir immer wieder Kooperationspartner und Förderer finden, die unsere Arbeit unterstützen, dafür möchten wir uns an dieser Stelle bedanken.

Prof. Dr. Bernd Schorb
1. Vorsitzender


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